Mobbing im Betrieb

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Mobbing im Betrieb
Mobbing im Betrieb:
Indikator für strukturelle Defizite
Prävention und Gegenmaßnahmen als Bestandteil guter Arbeit
Tagesseminar VdK Kreisverband Aalen
„Strategien zur gesunden Arbeit – Was ist zu tun?“
18. Oktober 2012, Hüttlingen
Referentin: Dipl.-Psych. Ursula Vogt
Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Roter-Brach-Weg 134, 93049 Regensburg
Tel.: 0941 – 27944 / E-Mail: info@ursula-vogt-regensburg. de
Gliederung
 Was ist gute Arbeit?
 Was ist Mobbing?
 Mobbinghandlungen erkennen
 Strukturelle Defizite erkennen
 Wer kann was tun gegen Mobbing?
 Ein Konflikt ist noch kein Mobbing
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Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar VdK KV Aalen / 18.10.2012
Burnout „in“ – Mobbing „out“ ?
Wenn Arbeit krank macht
„Durch die massiven Veränderungen der heutigen Arbeitswelt erkranken
immer mehr Menschen an den Folgen von beruflichem Stress. Burnout,
Mobbing, Zerrüttung familiärer Bindungen durch berufliche Überlastung
sind moderne Beschreibungen der Folgen dieser Entwicklung, die zu
existentieller Unsicherheit mit quälenden Zukunftsängsten und depressiven
Verstimmungen führen. Für manche Menschen entwickelt sich sogar eine
Symptomatik ähnlich einer posttraumatischen Belastungsstörung mit
zwanghaftem Gedankenkreisen, äußeren Zeichen einer Depression und
innerer Übererregung. Eine Vielzahl körperlicher, psychosomatischer
Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen bis zu Tinnitus und
Hörsturz können auftreten. Häufig ist ein allgemeines Erschöpfungssyndrom
damit verbunden.“
„Therapie der Arbeitsstörungen“ / Hardtwaldklinik II, Bad Zwesten
http://www.hardtwaldklinik2.de/traumatherapie/therapie-der-arbeitsstoerungen-mobbing-burnout.html
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Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar VdK KV Aalen / 18.10.2012
Erfahrungen mit Mobbing
Mobbing in deutschen Unternehmen weit verbreitet / Umfrage von JobVoting 2008
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Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar VdK KV Aalen / 18.10.2012
Was ist gute Arbeit?
Anforderungen aus der Sicht
der Erwerbstätigen
Forschungsbericht der BAuA 2006
Tatjana Fuchs (INIFES)
Darstellung übernommen von P. Stadler
Führungsqualität der
Vorgesetzten (●)
und
Kollegialität (×)
sind zentrale Faktoren für
psychische Gesundheit am
Arbeitsplatz.
●
×
●
●
Bezug zum Thema Mobbing:
Bei über 50 % von Mobbing
sind Vorgesetzte aktiv beteiligt.
●
●
Telefonbefragung IG Metall und ver.di. In: Gemeinsam
gegen Mobbing, 2007
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Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar VdK KV Aalen / 18.10.2012
●
Was ist Mobbing?
Unter „Mobbing“ ist zu verstehen, dass
jemand am Arbeitsplatz häufig und über
einen längeren Zeitraum gezielt
schikaniert, drangsaliert oder
benachteiligt und ausgegrenzt wird.
(Dienstvereinbarung der Landeshauptstadt München)
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Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar VdK KV Aalen / 18.10.2012
Mobbing gibt es …
Führung
von oben nach unten
von unten nach oben
Mitarbeiter
unter Kollegen, im Team, in der Abteilung …
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Mobbing ist …
… Schikane von oben („Bossing“)
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Mobbing ist …
… feindliche Ausgrenzung im Team
- durch aktive Mobbinghandlungen
- durch Duldung
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Kernproblem: Feindliche Ausgrenzung
Es geht
nicht um das Problem,
den Konflikt und die Lösung,
sondern
gegen die Person, „den Feind“
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Ausgrenzung zerstört
 Unmittelbare Reaktion auf Ausgrenzung ist Schmerz
 Ausgrenzung = „sozialer Tod“
(siehe: Kip D. Williams u.a., zitiert in Vogt / Eggerdinger 2011)
Ausgrenzung verletzt vier grundlegende soziale Motive des
Menschen:
 Bedürfnis nach Zugehörigkeit
 Selbstwertschätzung
 Wahrgenommene Kontrolle über soziale und physische
Umwelt (Selbstwirksamkeit, Macht, Einflussnahme etc.)
 Wahrnehmung der eigenen Existenz als bedeutsam und
sinnvoll
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18.10.2012
Kernelemente eines Mobbinggeschehens
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Konflikte in der Organisation, dem Betrieb,
der Dienststelle, der Abteilung
Ablauf eines
Mobbinggeschehens
Fehlende oder mangelhafte Bewältigung
Mobbingphase
Fehlverhalten der Personalverwaltung, Rechtsbrüche
Eskalation
Verschlimmerung durch Herunterspielen, Fehldiagnosen
Isolation der Betroffenen
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KV Aalen / 18.10.2012
Versetzung (oft mehrfach), Krankschreibung, Kündigung,
Verrentung, Suizid
Mobbing hat verheerende Folgen
für
 die Betroffenen
 die Kollegen, das Team, die Abteilung
 den gesamten Betrieb
 die Gesellschaft
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Ivana Koubek: Mobbing
Mobbing ist ein Geschehensprozess in der Arbeitswelt, in dem
destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und
über einen längeren Zeitraum gegen Einzelne vorgenommen
werden, welche von den Betroffenen als eine Beeinträchtigung
und Verletzung der Person empfunden werden
und
dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich
dazu führt, dass ihre psychische Befindlichkeit und Gesundheit
zunehmend beeinträchtigt werden, ihre Isolation und
Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen
auf eine zufrieden stellende Lösung schwinden, und der
regelmäßig im Verlust ihres bisherigen beruflichen Wirkbereichs
endet.
(Definition nach Esser und Wolmerath)
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Mobbinghandlungen
 Angriffe gegen die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen
 Angriffe gegen das Arbeitsverhältnis
 Destruktive Kritik
 Angriffe gegen die soziale Integration
 Angriffe gegen das soziale Ansehen im Beruf
 Angriffe gegen das Selbstwertgefühl
 Schreck, Angst und Ekel erzeugen
 Angriffe gegen das Privatleben
 Angriffe gegen die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit
 Unterlassene Hilfeleistung
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Strukturelle Defizite erkennen
Führung
(Täter - Dulder)
Betroffener
Team (Täter - Dulder)
Spannungsfeld
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Betriebliche Situation zum Zeitpunkt des Mobbings
 Das Arbeitsklima war schlecht (65,3%)
 Mangelnde Gesprächsbereitschaft von Vorgesetzten (60,9%)
 Termindruck, Stress und Hektik (55,1%)
 Unklare Arbeitsorganisation und unklare Zuständigkeiten (55%)
 Wichtige Entscheidungen nicht transparent gemacht (50,3%)
 Starre Hierarchien im Betrieb (46,4%)
 Vorgesetzte waren eher konfliktscheu (42,2%)
 Beschäftigte hatten Angst um ihren Arbeitsplatz (36,9%)
 Umstrukturierung von Betriebsteilen/Abteilungen (32,5%)
 Vorgesetzte wechselten (27,5%)
Quelle: Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff: Der Mobbing-Report. Eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland. Dortmund, 2002. Mehrfachnennungen möglich
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Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar VdK KV Aalen / 18.10.2012
Hierarchische Position der Täter
nur Vorgesetzte/r
38,2
Vorgesetzter und Kollegen/innen
12,8
nur ein/e Kollege/in
22,3
Gruppe von Kollegen/innen
20,1
nur "Untergebene"
2,3
weiß nicht, keine Angabe
4,2
0
10
20
Angaben in Prozent
Daten einer Telefonbefragung 2001. Aus: IG Metall und ver.di: Gemeinsam gegen Mobbing (2007)
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30
40
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Gründe für Duldung
Hilflosigkeit
Mobbing erscheint gerechtfertigt
Gleichgültigkeit
Mangelnde Zivilcourage
Generell rüder Umgangston, Rücksichtslosigkeit
Angst, selbst ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten;
Mobbing hat Unterhaltungswert
Schadenfreude, Neid; Missgunst
Hoffen auf eigenen Vorteil
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Wer kann was tun?
Führung
Ganzheitliche Strategie gegen Mobbing
Betroffener
Nicht mehr im Lot?
Team, Gruppe
Es läuft nicht rund?
Hier wird nicht gemobbt!!! Ich will das nicht!!!
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Was tun als Betroffener?
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Werde ich gemobbt?
Oder bin ich nur überempfindlich?
Oder zickig? Oder ein Weichei?
Sofort reagieren wenn´s nicht mehr im Lot ist!
Spaß an der Arbeit,
leistungsfähig
Ärger, Stress, Angst
Krankheit, Fehlzeiten,
vermehrt Fehler
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Was tun als Betroffener?
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 Nicht mit dem Problem abfinden!
 Unterstützung und Rückhalt organisieren
 Hilfe in Anspruch nehmen:
Innerbetrieblich:
Betriebsrat/Personalrat (Dienstvereinbarung)
Vorgesetzte / Kollegen des Vertrauens
Mobbingbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte,
Betriebsarzt
Externe Hilfe:
Arzt, Beratungsstellen, Coach, Mediator
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Was tun als Kollegen?
„Der hat sich doch immer so!“
„So ein Getue!“
„Hahaha – war doch nur ein Spaß!!!“
Nicht hinnehmen,
wenn es nicht rund läuft!
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1
Was tun als Kollegen?
 Betroffene Personen ansprechen, emotionale
Unterstützung anbieten
 Destruktives Verhalten aufdecken und verdeutlichen
 Partei für betroffene Person ergreifen
 Mitläufer ansprechen, sensibilisieren
 Intrigen nicht unterstützen
 Betroffenen Personen raten, sich Hilfe zu holen
 Evtl. bei Klärungsgesprächen begleiten
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2
Was tun als Vorgesetzte?
Respekt – Wertschätzung – Toleranz!
Jede und jeder trägt etwas ganz Besonderes bei!
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Was tun als Vorgesetzte?
 Fortbildungsangebote nutzen, Sicherheit erwerben in der









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Beurteilung
Kenntnis über Anlaufstellen im Betrieb und darüber hinaus
verschaffen
Bei Entscheidungen auf emotionale Auswirkungen achten
Unstimmigkeiten ansprechen und klären
Gerüchte und Klatsch nicht ignorieren, aber eigene Meinung bilden
Eskalation durch frühes Eingreifen verhindern
Beobachtete Mobbinghandlungen thematisieren
Mögliche Betroffene behutsam ansprechen, Unterstützung anbieten
Mobber ansprechen und in die Schranken weisen
Mitläufer sensibilisieren
Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar VdK KV Aalen / 18.10.2012
Welche Handlungen?
Ein Konflikt ist
noch kein
Mobbing
Kurzanalyse:
Liegt Mobbing vor?
Gegen eine bestimmte Person?
Wie sind diese zu bewerten?
•feindlich?
•wie häufig?
•wie lange geht das schon so?
•wiederholt?
Ausgrenzung?
•Isolierung?
•Beschimpfungen?
•Gerüchte?
•Ungerechtigkeiten?
Machtgefälle?
•ist eine Konfliktpartei deutlich unterlegen?
•Machtmittel? (z.B. Drohungen)
Folgen sichtbar?
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Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar
VdK KV Aalen / 18.10.2012
•vermehrt Fehlzeiten?
•schlechte Stimmung?
•Leistungsabfall einzelner? des Teams?
Literatur
 Esser, A. und Wolmerath, M. (2011): Mobbing und psychische Gewalt. Der
Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung.
8. Auflage. Hamburg, Bund-Verlag
 Leymann, H. (2006): Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man
sich dagegen wehren kann. Reinbek b. Hamburg, Rowohlt
 Meschkutat, B., Stackelbeck, M., Langenhoff, G. (2002). Der Mobbing-
Report. Eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland.
Dortmund.
http://www.baua.de/cae/servlet/contentblob/682700/publicationFile/46973/Fb951.pdf
 Vogt, U., Eggerdinger C. (2011): Mobbing – Häufig gestellte Fragen.
Regensburg, Walhalla Verlag
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Dipl.-Psych. Ursula Vogt, Tagesseminar VdK KV Aalen / 18.10.2012