Cloud Atlas Sony Vegas 12 AI-Orientierung

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Cloud Atlas Sony Vegas 12 AI-Orientierung
2013
2
ISSN 1433-2620 > B 43362 >> 17. Jahrgang >>> www.digitalproduction.com
Deutschland
Österreich
Schweiz
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MAGAZIN FÜR DIGITALE MEDIENPRODUKTION
€ 14,95
€ 17,–
sfr 23,–
MÄRZ | APRIL 02|13
Cloud Atlas
Sony Vegas 12
AI-Orientierung
Rise macht Zeitsprünge
im Indie-Kracher
Plan B zur Avid- und
Adobe-Autokratie?
Pathfinding in
der CryEngine 3
FOKUS
FILM & VFX
3D & ANIMATION
INTERACTIVE
DIGITAL ART
SCIENCE & EDUCATION
SERVICE
Rollin‘ Safari
Ein transmediales Projekt aus der Filmakademie Baden-Württemberg lernt laufen.
W
enn das nicht eine runde Sache wird:
Nachdem Stuttgart bereits im letzten
Jahr im Rahmen der FMX Conference
on Animation, Effects, Games and Transmedia
von Sascha Gedderts Kügelchen aus „Globosome“ (www.globosome.com) überrollt wurde
und die animierten Tattoos aus dem Trickfilm
„Hai Hase“ (www.facebook.com/haihase) von
Flo Greth und Julia Reck beim Internationalen
Trickfilm-Festival für Aufsehen sorgten, steht
2013 alles im Zeichen kugeliger Tiere – der
„Rollin’ Safari“. Doch welche Geschichte steckt
hinter den Clips, die binnen weniger Tage auf
YouTube und Vimeo um die Welt gingen? Jedes Jahr stehen die Drittjahres-Studierenden
des Animationsinstituts der Filmakademie
von Philipp Wolf und Lars-Christian Daniels
Baden-Württemberg vor der gleichen Aufgabe: Binnen sechs Monaten müssen 60-sekündige Trailer für das Trickfilm-Festival (ITFS)
entwickelt werden. Im Laufe der Produktion
entscheidet dann eine Jury, welcher Trailer
das Aushängeschild des Festivals werden
soll. In diesem Jahr gab es allerdings ein
Novum: Nicht nur Ulrich Wegenast, künstle-
WWW.DIGITALPRODUCTION.COM
„Rollin’ Safari“:
Directors: Kyra Buschor, Ännie Habermehl,
Constantin Paeplow
Producers: Valentina Brüning, Ännie Habermehl, Philipp Wolf
Animation: Kyra Buschor, Ännie Habermehl,
Constantin Paeplow
Camera/DoP: Chris McKissick
Character Design: Kyra Buschor
Technical Directors: Thomas Hartmann,
Sascha Langer, Markus Kranzler, Christoph
Westphal, David Kirchner
Effects: Thomas Hartmann, David Kirchner,
Markus Kranzler
Music: Stephan Schelens
Sound: Nami Strack
Voice Actors: Ferdinand Engländer, Gottfried
Mentor
Compositing: Johannes Peter, Constantin
Paeplow, Christoph Westphal
Editing: Ännie Habermehl, Kyra Buschor,
Constantin Paeplow
rischer Leiter des ITFS, sondern auch Thomas Haegele, Leiter des Animationsinstituts
und Conference Chair der parallel stattfindenden Fachkonferenz FMX, entschieden sich
für „Rollin’ Safari“ als Haupttrailer der beiden
Partner-Veranstaltungen. Bereits bei ihrer
Erstaufführung im vergangenen Jahr hatten
die Kurzfilme beim Publikum für so großes
Gelächter gesorgt, dass man sich schnell über
das Potenzial der Filme einig war.
Story
Die Filmakademie-Studierenden Kyra
Buschor und Constantin Paeplow kamen im
Oktober 2011 auf die ungewöhnliche Idee,
FMX | TRAILER
Alle Bilder: © 2012 Flying Stone Gbr. www.rollin-wild.com
AUSGABE 02|13
Tiere in Kugelform zu kreieren. Wenige Wochen später stieß Ännie Habermehl als Regisseurin zum Team. Nun galt es, daraus eine
spannende Geschichte zu entwickeln – denn
was nützen eine Welt und alle Assets ohne
eine gute Story? Ähnlich wie bei Comedy und
Slapstick-Formaten erwies sich das Timing
als größte Herausforderung: Wo könnte die
Punch Line der Filme passend platziert werden? Dank Animatic klärte sich diese Frage
bereits zu einem frühen Produktionszeitpunkt, so dass die Konzentration schnell der
Animation galt. Statt einer klassischen Verfolgungsjagd sollte eine solche entwickelt
werden, die sich von allen bekannten Szenarien unterscheiden sollte. Denkt man zum
Beispiel an einen Jäger und ein aufgeblähtes Reh im Wald, erscheint die erfolgreiche
Flucht des gehandicapten Tieres reichlich
unwahrscheinlich – was aber, wenn ein Tier
in Kugelform der Jäger ist und zur Attacke
bläst? Durch das spezifische Verhalten der
verschiedenen Savannenbewohner eröffneten sich unbegrenzte Möglichkeiten – die
Idee zur „Rollin‘ Safari“ war geboren.
Gestaltung
Um die Tiere zum Leben zu erwecken und sie
zu lustigen Zeitgenossen werden zu lassen,
musste zwischen ihrer natürlichen und der
abstrahierten Form ein Kompromiss gefunden
Vom Scribble zur Silberleinwand: Die Flamingos plustern sich gewaltig auf.
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FOKUS
FILM & VFX
werden. Dieser Mittelweg entpuppte sich als
große Herausforderung, weil er für Geschichte
und Witz der Filme von elementarer Bedeutung
ist: Die Tiere durften weder zu cartoonähnlich,
noch zu abstrakt wirken, weil das Animalische
erhalten und die Empathie des Zuschauers
nicht riskiert werden sollte. Dazu wurden mit
Photoshop digitale Konzeptzeichnungen generiert, um den Tieren früh einen möglichst fina-
DIGITAL ART
len Look zu verleihen. Im Anschluss wurde den
Tieren ihre Fülle gegeben, bevor sie unter Verwendung von ZBrush in die dreidimensionale
Welt gesculpt wurden und mit Hilfe von 3D Coat
eine saubere Topologie sichergestellt wurde.
Nach dem Modeling wurden die Tiere mit Rigging und Surfacing zum Leben erweckt.
Rigging & Rendering
Beim Rigging wurde
schnell klar, dass eine
zu starke Verformung
der Tierkörper problematisch werden würde.
Es galt, kugelige Tiere
SCIENCE & EDUCATION
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zu kreieren, die zwar deutlich verformt, aber
flexibel sein sollten. Erste Animationstests
ergaben, dass die Beine am ganzen sphärischen Körper entlang unbedingt bewegbar
bleiben mussten. Da die natürliche Anatomie
der Tiere dies nicht zulässt, wurde einfach
die Wirbelsäule weggelassen. Becken und
Schultern der Tiere wurden so zum Mittelpunkt des Körpers und ermöglichten die freie
Bewegung aller Extremitäten. Doch nicht
nur das Rig erwies sich als knifflig: Um den
Tieren einen stilisierten Fur-Look zu geben,
ohne auf aufwendige Fur- oder Hair-Simulation zurückgreifen zu müssen, wurde eine
zweite „Hülle“ um das Mesh platziert, welche
auf einer gemalten Fur-Textur als Alpha zum
Die Rig der Gazelle zeigt das wahre Volumen.
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Einsatz kam. Das nun sichtbare Endergebnis
war eine weichere Struktur der Oberfläche,
der sogenannte „Furry-Look“. Animiert, gelighted und gerendert wurden die Filme hauptsächlich in Maya; als Renderengine kam dabei
Mentalcore zum Einsatz. Alle Objekte in größerer Distanz zur Kamera wurden mit einem
aufwendigen Matte Painting realisiert (24.000
x 1.200 Pixel), das mit Photoshop erstellt und
FMX | TRAILER
anschließend in
den Hintergrund
projiziert wurde.
Das finale Compositing geschah in
Nuke. Beim Blick
auf das Gesamtprojekt ließ sich resümieren, dass bei einer
Echtzeit-Renderengine und einer optimierten
Pipeline sicher noch mehr Zeit für die Ausarbeitung der Geschichten geblieben wäre.
Rollin‘ Wild
Nun gab es ein Proof-Of-Concept – doch für
das Team stand fest, dass es mit den Tie-
ren aus „Rollin’ Safari“ weitergehen musste. Aber wie? Diese Frage stellten sich Kyra
Buschor, Constantin Paeplow und Producer
Philipp Wolf Mitte des Jahres 2012. Die drei
gründeten die „Flying Stone GbR“ und entwickelten aus den vier Trailern das Transmedia-Projekt „Rollin’ Wild“. Im Vordergrund
steht dabei die Entwicklung der Welt rund
um die kugeligen Tiere – schließlich gibt
es neben der Savanne noch viele weitere
Schauplätze, an denen interessante Geschichten erzählt werden können. Derzeitig
arbeitet das Flying-Stone-Team in Kooperation mit dem Studiengang Interaktive Medien
der Filmakademie Baden-Württemberg an
einem spannenden Projekt, zu dem auf der
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FILM & VFX
3D & ANIMATION
FMX 2013 (23.–26. April, Stuttgart, fmx.de)
und beim parallel stattfindenden Internationalen Trickfilmfestival (23.–28. April, itfs.de)
mehr verraten wird. Man darf gespannt sein!
Das Team
Kyra Buschor wurde 1987 in Berg (Schweiz)
geboren und entdeckte schon im Kindesalter ihr Interesse für Film
und Kunst. Nach ihrer Schulzeit an der „Liceo Artistico“
(Kunstschule) sammelte sie
bei „Los Banditos“ und dem
„Digital Frame Studio“ erste Praxiserfahrungen im
INTERACTIVE
DIGITAL ART
Bereich 3D-Animation. Im Oktober 2009
begann sie ihr Studium in der Fachrichtung
3D-Animation an der Filmakademie BadenWürttemberg.
Constantin Paeplow wurde 1988 in Hamburg geboren. Gleich mit seinem ersten animierten Film „Weltraumschrott“ gewann er
2006 den „German Young Talent Film Award“
– sein erster Schritt in Richtung Animation.
2007 absolviert er ein Praktikum bei der „Trickcompany“
in Hamburg und später bei
„little green bag“. Ein Jahr
darauf buchte ihn die Firma
als freier 3D-Animator und
Compositor. 2008 bis 2010
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arbeitete er an verschiedenen Animationsprojekten der „Trickcompany“. 2009 begann
er sein Studium der 3D-Animation an der
Filmakademie Baden-Württemberg.
Ännie Habermehl wurde 1986 in Wiesbaden geboren und begann nach dem Abitur
2005 eine Ausbildung zum Mediendesigner
in dem kleinen Hattersheimer Unternehmen „das modular“. Während dieser Zeit
entwickelte sie eine immer
stärkere Begeisterung für
animierte Bilder und bewarb
sich daher an der Filmakademie Baden-Württemberg, wo
sie 2009 ihr Studium in 3DAnimation begann.
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FMX | TRAILER
Die Rigs von Flamingo und Gepard – aus der Feder
von Sascha Langer. Im AR-Inhalt sehen Sie die
Bewegungen und den Aufbau.
Ablauf
Aufgrund des nur sechsmonatigen Zeitfensters für die erste Idee bis zum fertigen
Film wurde um die drei Regisseure schnell
ein größeres Team aufgebaut. Erheblichen
Anteil am Erfolg von „Rollin‘ Safari“ hatten
die Technical Directors Thomas Hartmann,
der für Shading, Lighting, Rendering und die
Wassersimulation zuständig war, Sascha
Langer und Christoph Westphal, die sich mit
den Rigs der kugeligen Tiere auseinandersetzten. Die Staubeffekte realisierten David
Kirchner und Markus Kranzler. Neben den
TDs waren noch viele weitere Studierende
am Gesamtprojekt – vom Compositing über
Sounddesign bis hin zur Musik – beteiligt und
leisteten dabei großartige Arbeit, für die das
Kernteam sehr dankbar ist. Der Dank des
„Rollin’ Safari“-Teams gilt außerdem dem
Animationsinstitut
der Filmakademie
Baden-Wür ttemberg (www.anima
tionsinstitut.de),
denn ohne dieses
wäre die Produktion der Trailer nicht möglich gewesen. Neben der Bereitstellung von
Workstations, Software und der Renderfarm
eröffneten sich durch die kompetente Projektbetreuung immer wieder neue Perspektiven. Wer ebenfalls am Animationsinstitut
studieren möchte, kann sich noch bis zum
15. Februar für einen der begehrten Studien❯ ei
plätze bewerben.
Philipp Wolf ist Produzent von „Rollin’
Wild“. Im Oktober 2010 begann er sein
Studium zum Animation- und VFXProducer an der Filmakademie. 2011
folgten bereits erste Projekte als
Junior VFX Producer bei Pixomondo in
Stuttgart. Noch im selben Jahr nahm
er die Arbeit als VFX Producer und
Supervisor an seinem Diplomfilm „Robin Hood“ (Regie: Martin Schreier) für
teamWorx Television & Film GmbH auf.
Ende 2012 gründete er mit den Machern
von „Rolling’ Safari“ die Flying Stone
GbR, um das transmediale Projekt „Rollin’ Wild“ zu entwickeln. Seit Anfang
2013 arbeitet er als freiberuflicher VFX
Producer bei Pixomondo in Hamburg.
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