Abstracts

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Abstracts
Programm der Arbeitsgruppe ERA
20. und 21. November 2015
Berlin
Tagungsleitung
Dr.-Ing. Alexander Müller
Dipl.-Ing. Nina Wichmann
Dr. rer. medic. Uwe Schönfeld
Programmübersicht
Freitag, 20. November 2015
Ort: Hörsaal, Kaiserin Friedrich-Haus
13.00 Uhr
Registrierung
14.00 Uhr
A. Müller, N. Wichmann, U. Schönfeld:
Begrüßung und Eröffnung der Tagung
14.10 Uhr
D. Strauss, Phase-Denoising auditorisch evozierter Potenziale
Workshop: Frequenzspezifische ERA
14.40 UhrT. Rahne, Einfluss ipsi- und kontralateraler Maskierung auf die
Schwellenbestimmung mittels ASSR
14.55 Uhr
R. Mühler, Simultane Registrierung von 40- und 80-Hz-ASSR
15.10 UhrI. Baljić, Frequenzspezifische Schwellenbestimmung mit der
Multi-Stimulus-BERA
15.30 Uhr
Kaffeepause
Workshop: VEMP
16.00 UhrU. Schönfeld, Trends in der Vestibularisdiagnostik und
Notwendigkeit einer Otolithenorgandiagnostik
16.20 UhrD. Basta, Untersuchung vestibulär evozierter myogener
Potentiale im Rahmen der klinischen Otolithenorgandiagnostik
16.40 UhrB. Lütkenhöner, Kontrolle des Muskeltonus beim Messen
vestibulär evozierter myogener Potentiale
ab 18.00 UhrDiskussionssitzung
(ORT: ASK, Oranienburger Str. 67, Berlin-Mitte)
1
Samstag, 21. November 2015
Ort: Hörsaal, Kaiserin Friedrich-Haus
Workshop: ERA mit Hörimplantaten
09.00 Uhr
S. Hoth, Evozierte Potentiale im Kontext der CI-Versorgung
09.30 Uhr
K. Plotz, Pilot-Studie zu einem adaptiven Promontoriums-Test
09.45 UhrM. Walger, Präoperative Evaluation von CI-Kandidaten
durch die E-BERA mit einem neuen Neurostimulator
10.00 UhrM. Hey, Maskierungs- und Summationseffekte bei
ECAP-Messungen mit kurzen Pulsabständen
10.15 UhrK. Schwarz, ECAP Messungen: Wie die Realisierung die
Interpretation verändert
10.30 Uhr
Kaffeepause
11.00 UhrO. Dziemba, Spread of Excitation Messungen zur
intraoperativen Lagekontrolle verschiedener CI-Elektroden
11.15 UhrY. Adel, Ableitung tieffrequenter akustisch evozierter Potentiale
mit dem Cochlea-Implantat
11.30 UhrC. Frohne-Büchner, Gleichzeitige Messung von intracochleären
Nervenaktionpotentialen und Hirnstammpotentialen als Antwort
auf einen elektrischen Reiz
11.45 Uhr S. Zirn, Interaurales Stimulationstiming bei einseitig tauben
CI-Trägern
12.00 UhrL. Wagner, Psychoakustische und elektrophysiologische Messung
von Pitch-Wahrnehmung bei Patienten mit Cochlea-Implantat
(CI) und Normalhörenden
Freie Beiträge
12.15 UhrD. Grafmanns, Kontralaterale elektrostimulatorische Suppression
der TEOAE bei SSD-CI-Versorgung
2
12.30 Uhr
eschäftssitzung, Abstimmung über Themen der nächsten
G
Tagung, Festlegung des nächsten Tagungsortes
13.00 Uhr
Verabschiedung und Ende der Arbeitstagung
Anreise zur AG ERA 2015
Tagungsort
Kaiserin Friedrich-Haus
Robert-Koch-Platz 7
10115 Berlin-Mitte
Kaiserin Friedrich-Haus
www.kaiserin-friedrich-stiftung.de
Anreise
Direkt (www.bvg.de): Robert-Koch-Platz Bus 123, 142, 245; Invalidenpark Tram
M5, M8, M10 oder Bus 120; Charité - Campus Mitte Bus 147 mit Fußweg;
Naturkundemuseum U6; Hauptbahnhof S5, S7, S75 und U55
Bahn: bis Berlin-Hauptbahnhof, Ausgang Nord „Europaplatz“, zu Fuß über
Invalidenstr. (ca. 900 m) oder mit der Tram eine Station bis „Invalidenpark“
(Linie M5, M8 oder M10)
Auto: In dem Gebiet gibt es kaum öffentliche Parkplätze (insbesondere am Fr),
Parkhäuser befinden sich in der Luisenstr., Invalidenstr. oder am Hauptbahnhof
(siehe Karte)
Flugzeug: von Berlin-Tegel mit dem Bus zum Hauptbahnhof (Linie TXL; Dauer
ca. 22 Min) und von dort weiter siehe „Bahn“ von Berlin-Schönefeld mit der
Regionalbahn (RB 14, RB 19, RE 7; Dauer ca. 28 - 35 Min) zum Hauptbahnhof
und von dort weiter siehe „Bahn“
3
Diskussionssitzung
Die Diskussionssitzung findet am Freitag ab 18.00 Uhr im „Aufsturz“ in der
Oranienburger Straße 67 in 10117 Berlin-Mitte statt.
Weg vom Tagungsort zum „Aufsturz“
zu Fuß: (1,2 km) Robert-Koch-Platz nach Norden (Richtung Invalidenstraße),
rechts abbiegen in die Hannoversche Str., rechts abbiegen der Hannoversche
Str. folgen; rechts abbiegen in die Friedrichstraße; links abbiegen in die
Oranienburger Str., nach ca 350 m „Aufsturz“ auf der rechten Seite.
mit der Tram: vom „Invalidenpark“ bis „S-Bhf Oranienburger Str“ (Linie M5;
Dauer 6 Min; Abfahrt alle 20 Min jeweils xx:02; xx:22; xx42)
Ticketautomaten in der Straßenbahn
4
Beiträge
in chronologischer Reihung des Programmablaufs
Phase-Denoising auditorisch evozierter Potenziale
D. Strauss1
1
S ystems Neuroscience & Neurotechnology Unit, Universität des Saarlandes, Homburg,
Deutschland
In diesem Vortag möchte ich neue zweidimensionale Verfahren zum Entrauschen von Einzelsweeps auditorisch evozierter Potenziale vorstellen und der
konventionellen Mittelungstechnik gegenüberstellen. Die Vorteile des neuen
Ansatzes bzgl. Informationserhalt und Messzeit werden hierbei demonstriert.
Im Detail möchte ich erstmals das Phase-Denoising von auditorisch evozierten
Hirnstammpotenzialen zur Hörschwellenbestimmung vorstellen und diskutieren.
5
Einfluss ipsi- und kontralateraler Maskierung
auf die Schwellenbestimmung mittels ASSR
T. Rahne1
1
linik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie,
K
Hallesches Hör- und Implant Centrum, Universitätsklinikum Halle (Saale), Deutschland
Auditory Steady-State Responses (ASSR) werden in der klinischen Routine
zur objektiven Bestimmung der frequenzspezifischen elektrophysiologischen
Schwelle verwendet. Bei asymmetrischen Hörverlusten ist hierzu eine Maskierung der besser hörenden Seite notwendig. Es wurde gezeigt, dass kontralateral zum ASSR-Stimulus präsentiertes weißes Rauschen die ASSR-Amplitude
durch binaurale Verarbeitung auf Hirnstammebene um bis zu 50% reduziert
(Galambos & Makeig, 1992). Eine Erhöhung der physiologischen Schwelle
wurde für 40 Hz-Stimuli, jedoch nicht für 80 Hz-Stimuli beobachtet (Maki et al.,
2009).
In einer experimentellen Studie wurde bei Normalhörenden der Effekt kontralateraler und ipsilateraler Maskierung auf die ASSR-Schwelle bestimmt und mit
der ipsilateralen Maskierung und der psychophysikalischen Schwellenänderung
verglichen. Es zeigt sich, dass die Amplitudenreduktion keinen signifikanten
Einfluss auf die ASSR-Schwelle hat und von der Reizrate unabhängig ist. Die
Maskierungswirkung des weißen Rauschens konnte erst bei hohen Maskierungspegeln nachgewiesen werden. Auch konnte gezeigt werden, dass simultan präsentierte contralaterale ASSR-Stimuli keinen Effekt auf die ipsilaterale
ASSR-Schwelle haben.
6
Simultane Registrierung von 40- und 80-Hz-ASSR
R. Mühler1, A. Petzke1
1
bteilung für Experimentelle Audiologie, Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg,
A
Deutschland
Seit dem Beginn der klinischen Nutzung stationärer Potentiale des auditorischen Systems (ASSR) konzentriert sich die Forschung auf zwei Bereiche der
Reizrate: 40 Hz und 80 Hz. Obwohl bekannt ist, dass mit einer Reizrate von
40 Hz auch bei Säugligen Hirnstammpotentiale großer Amplitude ausgelöst
werden können, empfehlen alle Lehrbücher für Hörschwellenbestimmungen an
Kindern 80-Hz-ASSR.
Kürzlich konnten wir zeigen, dass mit Chirp-evozierten 40-Hz-ASSR schnelle
und robuste Schwellenbestimmungen auch an sedierten Kindern möglich sind
(Mühler et al. 2014). Eine endgültige Klärung der Frage, ob 40-Hz- oder 80-HzASSR besser für Hörschwellenbestimmungen an Kindern geeignet sind, kann
nur eine simultane Ableitung beider Potentialarten liefern.
In einer Machbarkeitsstudie an 21 normalhörenden Erwachsenen registrierten
wir ASSR für zwei Einzelreize (M38 und M78) sowie für zwei simultane Reizkonditionen, bei denen amplitudenmodulierte Töne mit Modulationsfrequenzen von 38 Hz und 78 Hz bzw. 42 Hz und 82 Hz simultan monotisch (MS) und
dichotisch (DS) präsentiert wurden.
Unsere Ergebnisse zeigen dass die Amplituden der 40-Hz-ASSR stärker durch
die Interaktion simultan präsentierter Reize beeinflusst werden als die Amplituden der 80-Hz-ASSR, dass die durch Interaktion reduzierten 40-Hz-ASSR jedoch
im Mittel größer sind als alle 80-Hz-ASSR und dass die Reststörung bei 40 Hz
nur 1.4x größer ist als bei 80 Hz.
7
Stimulus parameters (left) and representative ASSR amplitude spectra (right) recorded in
one individual subject for the four stimulus conditions used in this study (Stimulus level
70 dB nHL). The table shows the combinations of carrier frequency (fc) and modulation
frequency (fm) for two single stimulus conditions (M38 and M78) and two simultaneous
stimulus conditions (MS) and (DS).
Absolute (left plot) and relative (right plot) ASSR amplitudes for modulation frequencies
of 38 Hz and 78 Hz for the single (M38, M78) and simultaneous (MS, DS) stimulus
conditions. Relative amplitudes were calculated by dividing the amplitudes of the MS and
DS condition by the amplitude of the M38 or M78 condition respectively.
8
Frequenzspezifische Schwellenbestimmung
mit der Multi-Stimulus-BERA
I. Baljić1, C. Schmidt2, M. Walger2
1
2
Klinik für HNO, HELIOS Klinikum Erfurt, Deutschland
HNO Universitätsklinik Köln, Audiologie und Pädaudiologie, Cochlear Implant Centrum,
Deutschland
Die frequenzspezifische Schwellenbestimmung ist besondere bei Kindern
für eine frühzeitige optimale Hörgeräteversorgung bedeutungsvoll. Um eine
zeitsparende, klinisch einsetzbare Methode zu entwickeln, wurde von uns eine
Registrierung der FAEP in einem auf 40 ms erweiterten Messfenster bei kombinierter Stimulation aus Click- und Chirp-Reizen vorgenommen. Um eine Überlagerung der Reizantworten durch Aktivität der postaurikulären Muskulatur
(PAM) oder auch Komponenten der MAEP zu vermeiden wurden verschiedene
Positionen der Ableitelektroden sowie verschiedene Zeitabstände zwischen den
Stimuli getestet.
Bei 25 normalhörenden Versuchspersonen wurden die Potentialmuster und die
objektiv ermittelten Erregungsschwellen nach Einzel- und kombinierter Reizung
evaluiert und miteinander verglichen. In beiden Messkonditionen konnte die
Welle V der FAEP bis zu einem Abstand von 0-5 dB zur subjektiven Hörschwelle
der korrespondierenden tonaudiometrischen Frequenz nachgewiesen werden.
Die Überlagerung der FAEP durch Komponenten der PAM wurde bei Bedarf
durch Platzierung der Elektrode im Nacken vermieden. Der Einsatz der MultiStimulus-BERA kann leicht in klinische Messprotokolle implementiert werden,
um eine zeiteffektive frequenzspezifische Erregungsschwellenbestimmung zu
ermöglichen.
9
Trends in der Vestibularisdiagnostik und
Notwendigkeit einer Otolithenorgandiagnostik
U. Schönfeld1
1
linik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Charité – Universitätsmedizin, Campus Benjamin
K
Franklin, Deutschland
Die fünf Teilstrukturen des Gleichgewichtsorgans sind als Bewegungssensoren
Bestandteil des multisensorischen Gleichgewichtssinns, welcher die aufrechte
Körperhaltung und die Bewegungskoordination ermöglicht. Während die drei
Freiheitsgrade der Drehbeschleunigungen durch drei Bogengänge erfasst werden, werden die Linearbeschleunigungen in ebenfalls drei Freiheitsgraden sowie
die Kopfneigungen relativ zur Schwerkraft in allen Richtungen durch nur zwei
Otolithenorgane (Sakkulus, Utrikulus) erfasst. Über die sinnesphysiologischen
Mechanismen in diesen beiden Organen bestehen noch grundlegende Verständnislücken. Darüber hinaus ist die afferente Verschaltung der Teilstrukturen
auf zwei Stränge des N. vestibularis verteilt [4].
Die Funktionsdiagnostik des Gleichgewichtsorgans ist derzeit einem starken
Wandel unterzogen. Über Jahrzehnte waren die thermische Prüfung und der
Drehpendeltest, die nur den horizontalen Bogengang prüfen, die einzigen
apparativen klinischen Tests. Seit 1992 die cervikalen vestibulär evozierten
myogenen Potentiale (cVEMP) vorgestellt wurden [2,3], hat ein Umdenken
stattgefunden und weitere Prüfverfahren konnten sich klinisch etablieren.
Langfristiges Ziel ist es, alle fünf Teilstrukturen isoliert und unilateral in deren
gesamten Funktionsbereich zu testen.
Grundlegende methodische Schwierigkeiten lassen sich nur schwer überwinden. Zum einen sind präzise Bewegungsreize im gesamten Funktionsbereich
technisch schwierig, nicht immer vom Patienten toleriert und wirken bilateral.
Zum anderen sind vorwiegend Messungen von Reflexen notwendig, da die
subjektive Wahrnehmung nur ungenügende Ergebnisse liefert.
Verschiedene Ansätze werden derzeit verfolgt. Beim Kopfimpulstest wird durch
ausschließlich hohe, manuell applizierte, Drehbeschleunigungen eine unilaterale
Prüfung einzelner Bogengänge möglich. Das unilaterale Zentrifugieren (UC) auf
einem Drehstuhl bewirkt eine isolierte Stimulation der Utrikuli durch Zentrifugalbeschleunigungen. Die Bestimmung der subjektiven visuellen Vertikalen (SVV)
kann als Messgröße der Kippempfindung und somit der Otolithenorganfunktion verwendet werden. Bei den VEMP-Messungen werden durch Vibrationen
des Felsenbeines Linearbeschleunigungen auf die Otolithenorgane appliziert
10
und verschiedene Reflexbögen gemessen, deren Ursprung entweder dem Sakkulus (cVEMP) oder dem Utrikulus (oVEMP) zugewiesen wird. Aber zur Zeit gibt
es noch kontroverse Diskussionen über deren eindeutige Zuordnung [4,6,7].
Die derzeitig verfügbaren Methoden liefern weiterhin nur unvollständige Informationen über die komplexen Funktionen des Gleichgewichtsorgans. Trotzdem
konnten mit den neuen Techniken die Existenz partiell peripher-vestibulärer
Läsionen (Teilorgane oder N. vestibularis) nachgewiesen werden [1,4,5], was die
Notwendigkeit einer differenzierten Diagnostik aller Teilstrukturen insbesondere
der Otolithenorgane in der klinischen Routine erforderlich macht.
1. Blödow A, Helbig R, Bloching M, Walther LE (2012) Isolierte Rezeptorfunktionsstörung des horizontalen
Bogengangs. HNO 61:46-51.
2. Colebatch JG, Halmagyi GM (1992) Vestibular evoked potentials in human neck muscles before and after
unilateral vestibular deafferentation. Neurology 42(8):1635–1636
3. Colebatch JG, Halmagyi GM, Skuse NF (1994) Myogenic potentials generated by a click-evoked
vestibulocollic reflex. Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry 57:190-197
4. Curthoys IS (2012) The interpretation of clinical tests of peripheral vestibular function. Laryngoscope
122:1342-52.
5. Schönfeld U, Helling K, Clarke AH (2010) Evidence of unilateral isolated utricular hypofunction. Acta
Otolaryngol 130:702–707.
6. Todd NP (2014) The ocular vestibular evoked myogenic potential (OVEMP), ten years old. Clinical
Neurophysiology 125:439–441
7. Xu Y, Simpson I, Tang X, Zhou W (2009) Vestibulo-ocular reflex pathways in behaving monkeys. JARO
10:569–577
11
Untersuchung vestibulär evozierter myogener
Potentiale im Rahmen der klinischen
Otolithenorgandiagnostik
D. Basta1, A. Ernst
1
HNO-Klinik im Unfallkrankenhaus Berlin, Deutschland
Vestibulär evozierte myogene Potentiale werden mittlerweile schon seit über
10 Jahren für die klinische Diagnostik spezifischer Otolithenorganfunktionsstörungen eingesetzt. Die Otolithenorgane (Sacculus und Utriculus) sind bei einer
Reihe von vestibulären Funktionsstörungen aufgrund ihrer biomechanischen
Struktur (Vorhandensein einer Otokonia) frühzeitiger und häufiger betroffen
als die Bogengänge. Funktionsstörungen der Otolithenorgane kommen isoliert,
aber auch kombiniert mit Störungen der Bogengangsfunktion, uni- und bilateral vor. Daher ist eine differenzierte Diagnostik der Otolithenorgane bei jeder
vestibulären Störung von großer Bedeutung.
Für die Diagnostik der Sacculusfunktion hat sich die Registrierung der cervikalen
vestibulär evozierten myogenen Potentiale (cVEMPs) bereits weitestgehend
etabliert. Dabei handelt es sich um eine ipsilateral auftretende Hemmung der
Halsmuskelaktivität. Der Sacculus kann dabei sehr elegant mithilfe einer tieffrequenten Vibration stimuliert werden. Aufgrund des engen Zusammenhanges
zwischen der Muskelvorspannung und der cVEMP-Amplitude sollte der Muskeltonus während der gesamten Messung erfasst werden. Dabei ist darauf zu
achten, dass der minimal benötigte Muskeltonus zudem stark altersabhängig
ist. Bei zu geringer Muskelvorspannung ist das Ausbleiben von cVEMPs auch
beim Gesunden normal.
Eine noch kontrovers diskutierte Methode für die unilaterale Diagnostik der
Utriculusfunktion ist die Aufzeichnung der myogenen Potentiale an den
extraokulären Augenmuskeln während Vibrationsstimulation am Kopf. Eine
Beteiligung beider Otolithenorgane an der Entstehung der Potentiale gilt als
gesichert. Somit ist die Messung der oVEMPs nicht als spezifischer Test für
die Utriculusfunktion anzusehen. Bei Beachtung bestimmter Reizparameter
(s. unten) ist jedoch eine Aussage über die Funktion einer Subpopulation von
utriculären Rezeptorzellen möglich.
Um bei nahezu allen Gesunden oVEMPs auszulösen, ist eine Stimulation mit
147dB FL Knochenleitungsvibration an der Fz-Position (bilaterale Reizung)
notwendig. Diese Reizstärke wird derzeit leider von keinem Medizinprodukt
12
erreicht. Somit ist die Aussagekraft von aktuell durchgeführten klinischen
oVEMP-Untersuchungen gering. Demgegenüber ermöglicht eine korrekt durchgeführte cVEMP-Untersuchung (altersspezifische minimale Muskelvorspannung
lag nachweislich vor) die Funktionsdiagnostik des vestibulocollaren Reflexbogens (inkl. Sacculusfunktion).
13
Kontrolle des Muskeltonus beim Messen vestibulär
evozierter myogener Potentiale
B. Lütkenhöner1
1
HNO-Klinik, Universitätsklinikum Münster, Deutschland
Die allgemein gebräuchliche Bezeichnung „vestibulär evozierte myogene
Potentiale” (VEMP) ist irreführend. Zumindest was die klinisch relevante Hauptkomponente betrifft, werden nämlich keine Potentiale evoziert, sondern das
genaue Gegenteil ist der Fall: Die Potentiale rühren daher, dass ein vestibulär
ausgelöster Reflex zu einer kurzzeitigen Inhibition muskulärer Aktivität führt.
Eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Registrierung von VEMPs ist
folglich ein ausreichend hoher Muskeltonus, denn nur so ist eine Inhibition
nachweisbar. Diese Notwendigkeit bringt ein erhebliches methodisches Problem
mit sich: Um aus den registrierten VEMPs verlässliche Rückschlüsse auf die
Funktion des vestibulären Systems ziehen zu können, müssen Einflüsse des
Muskeltonus so weit wie möglich reduziert werden. Eine gängige Methode
besteht darin, die VEMP-Amplituden zu normieren, indem sie ins Verhältnis
zum Effektivwert des Elektromyogramms (EMG) oder zu einem vergleichbaren
Maß gesetzt werden. Dieses Vorgehen beruht auf der Beobachtung, dass eine
Zunahme des Muskeltonus gewöhnlich mit einem Anwachsen der VEMPAmplitude verbunden ist. Das Verfahren wäre als perfekt zu betrachten, wenn
eine Proportionalität zwischen VEMP-Amplitude und Effektivwert des EMG
bestünde. Modellbetrachtungen, in denen VEMP und Elektromyogramm miteinander in Beziehung gesetzt werden, lassen allerdings vermuten, dass eine
derart einfache Gesetzmäßigkeit nur dann näherungsweise gültig ist, wenn
extreme Tonuszustände (sehr niedriger oder sehr hoher Tonus) ausgeklammert
werden. In der Praxis dürfte es daher schwierig oder gar unmöglich sein, den
Einfluss von Tonusschwankungen mit mathematischen Mitteln vollständig zu
eliminieren. Darum erscheint es zweckmäßig, größere Variationen des Muskeltonus durch eine standardisierte Messmethodik von vornherein zu vermeiden.
Insbesondere ist für den Vergleich zweier Bedingungen (z.B. Stimulation rechts
und links) anzustreben, dass die Messungen bei möglichst gleichem Muskeltonus erfolgen. Um dieses Ziel zu erreichen, können Biofeedback-Methoden
recht hilfreich sein. Zur Steuerung eignet sich zum Beispiel der Effektivwert des
EMG oder ein verwandtes Maß. Eine von uns entwickelte Alternative ist die von
der Halsmuskulatur ausgeübte Kraft, die mittels eines Sensors quasi in Echtzeit
gemessen wird.
14
Evozierte Potentiale im Kontext der CI-Versorgung
S. Hoth1
1
Univ.-HNO-Klinik, Heidelberg, Deutschland
Im Umfeld der Patientenversorgung mit Cochlea‐Implantaten (CI) spielt die
Messung der durch akustische oder elektrische Reize ausgelösten evozierten
Potentiale des auditorischen Systems (AEP) eine wichtige und weiterhin an
Bedeutung zunehmende Rolle. Ihre Anwendung erstreckt sich über sämtliche Phasen der Versorgung – von der präoperativen Eignungsdiagnostik über
intraoperative Kontrollen bis hin zur audiologischen Langzeitbetreuung nach
erfolgter Implantation. Viele der Messergebnisse gehen als Parameter der
Signalverarbeitung direkt in die Arbeitsweise des Sprachprozessors ein.
Im Rahmen der präoperativen audiologischen Diagnostik wird die Hörminderung in Bezug auf ihr Ausmaß und den betroffenen Frequenzbereich
vermessen sowie hinsichtlich ihrer Art identifiziert. Hierzu tragen alle Methoden
der AEP (ECochG, BERA, ASSR und CERA) wesentlich bei. Durch geeignete
Wahl der Stimulationsparameter ergibt sich bei durchaus zumutbarem Zeitaufwand ein vollständiges Bild mit wenig Redundanz: die Schwelle im Hochtonbereich (Click‐BERA) und im Tieftonbereich (ASSR), die Differenzierung zwischen
prä‐ und postsynaptischen Läsionen (ECochG) sowie im Bedarfsfall ein vollständiges objektives Tonschwellenaudiogramm (CERA). Nicht zum Inventar der allgemein eingesetzten Standardverfahren gehört die nur vereinzelt angewendete
E‐BERA, bei der die frühen neuronalen Antworten auf elektrische Reize erfasst
werden. Es ist bisher nicht gelungen, für die von der elektrischen Stimulation
verursachten Probleme bei der Ableitung der Biopotentiale eine befriedigende
Lösung zu finden.
Intraoperativ wird unmittelbar nach Insertion der Elektrode das elektrisch
evozierte Summenaktionspotential (ECAP) und dessen Reizantwortschwelle
gemessen. Die intracochleär von einer der implantierten Elektroden erzeugten
und von einer anderen Elektrode abgeleiteten Spannungsänderungen werden
an die externe Spule übertragen und von der Betriebssoftware entgegengenommen und verarbeitet (Rückwärts‐Telemetrie mit den herstellerspezifischen
Bezeichnungen NRT, ART und NRI). Dadurch wird die funktionelle Ankopplung
des CI an das Hörsystem direkt abgebildet. Für die Antwortschwelle ist eine
gute Korrelation mit den Profilen psychoakustischer Maße vielfach nachgewiesen worden. Ein spezielles Messparadigma (spread of excitation, SOE) gibt
Aufschluss über die räumliche Anordnung der Elektroden und ggfs. Anlass
15
für eine gezielte Korrektur. Die gründliche intraoperative Exploration ist schon
allein in Hinblick auf die Verfügbarkeit von Ausgangsbefunden für den Fall des
Auftretens von Funktionsstörungen äußerst wichtig.
Unter den postoperativ bei CI‐Trägern durchgeführten AEP‐Messungen dient
der größte Teil der individuellen Anpassung des Sprachprozessors. Insbesondere
bei Kindern existiert für die Festlegung der Grenzen des elektrischen Dynamikbereiches oftmals keine andere Grundlage als die ECAP‐Schwelle, die bei Bedarf
in jeder einzelnen Sitzung neu bestimmt werden kann. Darüber hinaus dient die
ECAPMessung als Integritätstest, sie liefert Hinweise auf eine Elektrodenmigration (SOE) und sie gestattet Aussagen über die zeitliche Verarbeitungskapazität
des peripheren Hörsystems (recovery functions). Abseits der intracochleären
Registrierungen werden mit Oberflächenelektroden bei Stimulation über das CI
die physiologischen Vorgänge in höheren Verarbeitungsebenen des Hörsystems abgebildet – von der E‐BERA (Hinterhirn und Mittelhirn) über die E‐ASSR
(Mittelhirn und Thalamus) und die E‐CERA (primärer Cortex) bis hin zu den ereigniskorrelierten Potentialen (EKP) aus den kognitiven und Assoziationsarealen.
Die Untersuchung der höheren Leistungen des Hörsystems dient derzeit noch
meistens eher wissenschaftlichen als klinischen Problemlösungen.
Teile dieses Vortrages wurden bei der Herbsttagung der ADANO am 10. Sept. 2015 in Bern präsentiert.
16
Pilot-Studie zu einem adaptiven
Promontoriums-Test
K. Plotz1
1
Institut für Hörtechnik und Audiologie IHA, Jade-Hochschule Oldenburg, Deutschland
Der Promontorialtest (PT) ist ein diagnostisches Verfahren, durch welches die
Funktion der zentralen Hörbahn vor Cochleaimplantationen überprüft werden
kann. Durch den Fortschritt in der technischen Entwicklung von Cochleaimplantaten in den letzten Jahren ist die Indikation für diese immer häufiger
gegeben. Es werden häufig Patienten implantiert, die noch über akustisches
Restgehör verfügen, was eine Überprüfung der Hörbahnfunktion mittels PT
nicht zwingend not- wendig macht. Dies kann stattdessen mit audiologischen
Verfahren, wie der Tonaudiometrie oder der Hirnstammaudiometrie (BERA) erfolgen. Diese Gegebenheit führt in Kombination mit der Tatsache, dass dem PT
im Allgemeinen oft eine geringe Aussagekraft zugesprochen wird, zu einer eher
untergeordneten Rolle des PT bei der präoperativen Diagnostik. Der Umstand,
dass ein klassischer PT mit einer Punktierung des Trommelfells einhergeht, trägt
ebenso dazu bei. Werden die neueren Erkenntnisse im Zusammenhang mit der
elektrischen Stimulation der Hörbahn berücksichtigt, wirkt der PT technisch
eher überholt. Ließe man den aktuellen Stand der Forschung im Bereich Psychoakustik und Neurophysiologie in einen neuartigen, adaptiven PT einfließen,
könnte das Verfahren an Aussagekraft gewinnen und einen neuen Stellenwert
erlangen. Ziel dieser Arbeit ist es daher, einen adaptiven und einfach durchzuführenden PT zu entwickeln, der im Gegensatz zum klassischen invasiven
PT mittels Gehörgangsstimulation durchgeführt werden kann. Hierzu wurden
Testverfahren implementiert, mit deren Hilfe das Zeit- und Frequenzauflösungsvermögen sowie die Dynamik der zentralen Hörbahn beurteilt werden kann.
Stimulierungsversuche wurden überwiegend an normalhörenden Probanden
durchgeführt, welche größtenteils keine akustischen Empfindungen während
Stimulation erfuhren. Die erhobenen Daten sind gut mit den Ergebnissen aus
bisheriger Literatur in Einklang zu bringen.
Wiese, F. (2015). Entwicklung eines parametrisierbaren, adaptiven Promontorialtests. BA. Eng. Hörtechnik Und
Audiologie, Jade Hochschule Oldenburg, 1–69.
17
Präoperative Evaluation von CI-Kandidaten durch
die E-BERA mit einem neuen Neurostimulator
M. Walger1, D. Fürstenberg1, R. Thie2
HNO Universitätsklinik Köln, Audiologie und Pädaudiologie, Cochlear Implant Centrum,
Deutschland
2
Pilot Blankenfelde GmbH, Blankenfelde, Deutschland
1
Bei unsicherer Indikationsstellung hochgradig schwerhöriger Patienten im
Hinblick auf eine CI-Versorgung kann der subjektive Promontoriumstest sowie
eine präoperativ durchgeführte E-BERA wichtige Hinweise zur Erregbarkeit
des auditorischen Systems und damit dem funktionellen Status der zentralen
Hörbahn liefern, auch wenn ein negatives Ergebnis dieser Tests keine zwingende Kontraindikation darstellt. Auch könnte die präoperative E-BERA wichtige
prognostische Faktoren bezüglich des CI-outcome liefern. Auf Grund technischer Schwierigkeiten, eingeschränkter Aussagekraft und unzureichender Verfügbarkeit geeigneter Stimulationseinheiten werden diese Tests im Rahmen der
präoperativen Evaluation in den meisten CI-Zentren nur selten durchgeführt.
Seit 2014 ist durch die Firma inomed ein durch den Anwender „frei“ programmierbarer Neurostimulator „ISIS“ mit Trigger-Ein- und Ausgang verfügbar
(Vertrieb: Pilot Blankenfelde). Das System scheint als Konstantstromquelle gut
geeignet, ab einer minimalen Reizstromstärke von 20 µA eine gut definierte
elektrische Stimulation der Cochlea vorzunehmen, um sowohl den subjektiven
Promontoriumstest als auch eine E-BERA durchzuführen. Im Vortrag werden
Methoden und Techniken sowie erste Ergebnisse und Erfahrungen mit dem
Neurostimulator bei einer normalhörenden Versuchsperson, einem Patienten
mit retrocochleärer Läsion sowie auditorischer Neuropathie vorgestellt und
diskutiert.
18
Maskierungs- und Summationseffekte bei
ECAP-Messungen mit kurzen Pulsabständen
M. Hey1, H. Hessel2, J. Müller-Deile3, M. Kilian4
Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf-und Halschirurgie, Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel, Deutschland
2
Cochlear Deutschland GmbH & Co. KG, Hannover, Deutschland
3
Audiologie Consultant, Kiel, Deutschland
4
Cochlear Technology Center, Mechelen, Belgien
1
Einleitung: Die Untersuchung der Refraktäreigenschaften des Hörnervs bei
elektrischer Stimulation über ein Cochlea-Implantat (CI) zeigt intensitätsabhängige Summationseffekte für kurze Masker-Probe-Intervalle (MPI). Dieser
Summationseffekt wurde in klinischen Studien mit CI Trägern mittels ECAP(Abbas et al 1997; Finley et al. 1997; Cohen 2009) und EABR- Messungen
(Hey 2003) beobachtet. Der Einfluss des Maskerpegels auf die Ausprägung der
durch den Probestimulus elektrisch evozierten Summenaktionspotentiale (ECAP)
soll bei kurzen MPIs (≤ 200 µs) und in Abhängigkeit von der Stimulusintensität
untersucht werden.
Methodik: 11 Patienten mit Nucleus® CI24RE oder CI512 Implantaten (Cochlear® Ltd.) nahmen an den Untersuchungen teil. Die Messungen wurden unter
Verwendung von Custom Sound EP mit dem Artefaktunterdrückungsverfahren
Masked Response Extraction (MRE) durchgeführt. Die Stimulusintensität des
Probepegels betrug relativ zur visuell bestimmten Schwelle der ECAP (vT-ECAP
bestimmt mit MRE bei MPI=10.000µs) +0 CU, +10 CU und +20 CU. Der Maskerpegel wurde relativ zum vT-ECAP im Bereich von –60 bis +50 CU variiert. Es
erfolgten Untersuchungen bei MPI von 13, 50, 100 und 200 µs.
Ergebnisse: Für einen minimalen Maskerpegel von -60 CU relativ zum vT-ECAP
wird für jeden Probepegel ein Potential vergleichbar der N1P1 Amplitude der
normalen Wachstums¬funktion (MRE; MPI=10.000µs; Masker=Probepegel)
erzielt. Die Zunahme des relativen Maskerpegels von -60 CU bis zum vT-ECAP
Pegel führt zu stetig zunehmender N1P1 Amplitude. Bei Stimulation des Maskerpegels am vT-ECAP ist ein lokales Maximum der ECAP-Amplitude zu finden.
Bei allen Stimulationspegeln führt die Zunahme des Maskerpegels über den vTECAP Pegel hinaus zu stetig abnehmender N1P1 Amplitude bis zum annähernd
vollständigen Verschwinden der Antworten bei +50 CU.
19
Diskussion: Die abnehmende ECAP Amplitude bei Maskerpegeln größer als
vT-ECAP kann als zunehmendes Maskierungsverhalten interpretiert werden. Bei
Stimulation mit einem Maskerpegel unterhalb des vT-ECAP lassen sich auch mit
unterschwelligen Maskerpegeln ECAPs registrieren die eine größere Amplitude
als die Referenzmessung aufweisen. Dies kann auf einem Summationseffekt
basieren.
Das lokale Maximum der ECAP Amplitude in der Konstellation, bei der Maskerund Probepegel gleich groß sind, wird hervorgerufen durch den wechselseitigen Einfluß von Summation und Maskierung. In diesem Fall ist die Summation
maximal und die Maskierung minimal.
Abbas P.J., Miller A.J., Matsuoka A.J., Rubinstein J.T. 1997. The neurophysiological effects of simulated
auditory prosthesis stimulation. Fourth quarterly progress report, NIH project N01-DC-6-2011
Cohen LT., 2009. Practical model description of peripheral neural excitation in cochlear implant recipients:
5. refractory recovery and facilitation. Hear Res. 248, 1-14.
Finley C., Wilson., van den Honert C, Lawson D., 1997. Speech processors for auditory prostheses. Sixth
quarterly progress report, NIH project N01-DC-5-2013
Hey M., 2003. Kanaltrennung bei hochratiger sequentieller pulsatiler Elektrostimulation der Cochlea.
PhD Thesis, Universität Oldenburg
20
ECAP Messungen: Wie die Realisierung
die Interpretation verändert
K. E. Schwarz1, A. Dierker1, S. B. Strahl1, P. Spitzer1
1
MED-EL HQ, Innsbruck, Österreich
Die Messung von elektrisch evozierten intracochlearen Aktionspotentialen
(ECAPs) mit Cochlea Implantaten gilt längst als „state of the art“. Die notwendige Nachbearbeitung der Messungen (Stimulations- bzw. Aufnahme-Artefakt)
wird typischerweise anhand „of the shelf“ Methoden [5,6,7] umgesetzt. Das
resultierende Signal wird in der Regel durch die Volt-Differenz des Minimum
und Maximum charakterisiert.
Das Bestimmen der Extrema (Intensität und Latenz) gilt gemeinhin als eindeutig
und einfach – doch ist sie das wirklich?
Ja – doch ist die Bestimmung der Extrema nur Nebensache. Die interessante
Frage ist vielmehr, welche Populationen an Nervenfasern evoziert werden und
wie diese zum Signal beitragen. Die Intensität (z.B. Volt-Differenz der Extrema)
respektive Latenz (z.B. Latenz des Minimums) des Signals geben Hinweise auf
die Anzahl der Fasern respektive den Punkt des Evozierens entlang der einzelnen Fasern. Die Latenz ist insbesondere abhängig von den verwendeten Stimulationspulsen (biphasisch: anodisch-kathodisch, AC) versus kathodisch-anodisch
(CA), welche bevorzugt Nervenfasern am Modiolus (AC) versus peripheren Teil
(CA) evozieren.
Doch bereits eine simple Variation der Messelektrode – bei Beibehaltung der
Stimulationselektrode – kann die Latenz deutlich beeinflussen [2,3] obwohl die
exakt selbe Population an Nervenfasern evoziert wird. Wenn man nun nicht
Einzelpulse sondern Doppelpulse verwendet, und das Zeitintervall zwischen den
Pulsen variiert – was passiert dann mit der Latenz? Gibt es auch Unterschiede
zwischen den verwendeten Stimulationspulsen (biphasisch AC vs. CA)?
Die Nachbearbeitung des Signals auf Doppelpulse wird hier anhand der „of
the shelf“ Methoden „Alternating Polarity“ und „Forward Masking“ [5, 7]
bzw. „Improved Forward Masking“ (von C. Miller) [6] realisiert. „Alternating
Polarity“ verwendet AC und CA Doppelpulse, und „Forward Masking“ bzw.
„Improved Forward Masking ermöglichen eine Separation der AC und CA Pulse
unter Verwendung von Einzel- und Doppelpulsen.
21
Verwendet man „Alternating Polarity“, ist eine bemerkenswerte Verlängerung
der Latenz bis zu 0.1ms (i.e. ~50%) für Doppelpulse mit kurzen Zeitintervallen
(<= 1ms) im Vergleich mit längeren Zeitintervallen sichtbar [4]. Wird hingegen
„Forward Masking“ verwendet, ergibt sich eine deutlich geringere Verlängerung der Latenz – unabhängig ob AC oder CA Pulse verwendet werden.
Was stimmt denn nun – welche Realisierung ist „die Richtige“ und was ist bei
den anderen passiert?
Die Methoden der Artefaktunterdrückung führen zu einer Verstärkung /
Abschwächung einer für die jeweilige Methode spezifischen Komponente des
Signals. Dies wird durch einen Vergleich der Realisierungen deutlich und es
zeigt sich, dass die beobachtete Veränderung der Latenz für Doppelpulse physiologischen Ursprungs ist.
Danksagung:
Allen Mitgliedern von “HEARRING, Network of Comprehensive Hearing Implant Centers, for recording of
ECAPs” wird für die Bereitstellung der Daten gedankt: ECAPs von 141 Menschen mit MED-EL Cochlea Implantaten („Standard“ und „FLEXsoft“)[1]. Verantwortliche Personen: Santiago L. Arauz, Marcus Atlas, Wolf-Dieter
Baumgartner, Marco Caversaccio, Han De Min, Javier Gavilán, Benoit Godey, Joachim Müller, Lorne Parnes,
Christopher H. Raine, Gunesh Rajan, José Antonio Rivas, Henryk Skarzynski, Yuri Yanov, Patrick Zorowka, Paul
van de Heyning
[1] www.hearring.com; “Auditory Nerve Response Telemetry (ART) Study of the Hearring Group”;
[2] Proceedings of CIAP 2011: C. Finley et al., Ectopic Stimulation In Cochlear Implants
[3] Proceedings of Objective Measures 2012: K. Schwarz, “ECAP Latency as Function of Distance between
Stimulation and Recording Electrode”
[4] Battmer R; Dillier N.; Lai W; Weber B.; Brown C.; Gantz B.; Roland J.; Cohen N.; Shapiro W.; Pesch J;
Killion M; Lenarz T.: “Evaluation of the neural response telemetry (NRT) capabilities of the Nucleus Research
Platform8: Initial results from the NRT Trial.” Int J Audiol, 43, 2004, p. S10-S15
[5] Brown, C. J.; Abbas, P. J. and Gantz, B.: “Electrically evoked whole-nerve action potentials: data from
human cochlear implant users.” J Acoust Soc Am, 88(3), pages 1385–1391, 1990.
[6] Miller, C. A.; Abbas, P. J. and Brown, C. J.: “An improved method of reducing stimulus artifact in the
electrically evoked whole-nerve potential”. Ear & Hearing, 21(4), pages 280–290, 2000.
[7] Miller, C. A.; Abbas, P. J.; Rubinstein, J. T.; Robinson, B.; Matsuoka, A. and Woodworth, G.: “Electrically
evoked compound action potentials of guinea pig and cat: responses to monopolar, monophasic stimulation”.
Hearing Research, 119(1-2), pages 142–154, 1998
[8] Westen, AA; Dekker, DM; Briaire, JJ; Frijns, JH .: ”Stimulus level effects on neural excitation and eCAP
amplitude.” Hear Res, 280(1-2), 2011 Oct, p. 166-176
22
Spread of Excitation Messungen zur intraoperativen
Lagekontrolle verschiedener CI-Elektroden
O. Dziemba1, A. Müller2, P. Mir-Salim2, H. Kaftan1
Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie,
Greifswald, Deutschland
2
Klinik für HNO, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin, Deutschland
1
Für eine qualitätsgesicherte Cochlea-Implantat (CI) Versorgung sind intra- und
postoperative Kontrollen notwendig. (vergl. Lenarz und Laszig 2012; MüllerDeile und Hoppe 2015)
Die radiologische Kontrolle der Elektrodenlage des CI-Systems ist ein wesentlicher Bestandteil der operativen Phase der CI-Versorgung. Jedoch bedeutet dies
für den Patienten eine zusätzliche Strahlenbelastung (Copeland et al. 2004;
Theunisse et al. 2015).
Messungen der Spread Of Excitation (SOE) stellen ein spezielles Verfahren zur
Messung und Auswertung von elektrisch evozierten Summenaktionspotentialen (ECAP) dar. Durch diese Methode kann intraoperativ die Elektrodenlage
beurteilt werden (Walkowiak et al. 2010; Grolman et al. 2009; Todt et al. 2008;
Todt et al. 2005).
Ein solches elektrophysiologisches Verfahren würde sich als schnelles uns preiswertes Screeningverfahren zur intraoperativen Lagekontrolle der implantierten
CI-Elektrode eignen.
Für die Etablierung eines solchen Screeningverfahrens sind ein einheitliches
Vorgehen bei der SOE-Messung, sowie elektrodenspezifische Vergleichswerte
notwendig. Im Vortrag wird das durch die Autoren verwendete Test-Setting und
die Ergebnisse von 15 Fällen einer CI-Versorgung mit dem Elektrodentyp „slim
straigt“ sowie von 19 Fällen mit dem Elektrodentyp „Contour Advance™“ der
Firma Cochlear® präsentiert.
Copeland, B. J.; Pillsbury, H. C.; Buchman, C. A. (2004): Prospective evaluation of intraoperative cochlear
implant radiographs. In: Otol. Neurotol. 25 (3), S. 295–297.
Grolman, W.; Maat, A.; Verdam, F.; Simis, Y.; Carelsen, B.; Freling, N.; Tange, R. A. (2009): Spread of Excitation
Measurements for the Detection of Electrode Array Foldovers. In: Otology & Neurotology 30 (1), S. 27–33.
Lenarz, T.; Laszig, R. (2012): Cochlea-Implantat Versorgung einschließlich zentral-auditorischer Implantate.
S2k Leitlinie. Hg. v. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Deutsche
Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. Online verfügbar unter http://
www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/017-071.html
Müller-Deile, J.; Hoppe, U. (2015): Audiologische Leistungen nach der CI-Indikation. Empfehlungen der
Deutschen Gesellschaft für Audiologie. In: Z Audiol 54 (1), S. 36–37.
23
Theunisse, H. J.; Joemai, R. M. S.; Maal, T. J. J.; Geleijns, J.; Mylanus E. A. M.; Verbist, B. M. (2015):
Cone-Beam CT Versus Multi-slice CT Systems for Postoperative Imaging of Cochlear Implantation A Phantom Study on Image Quality and Radiation Exposure Using Human Temporal Bones. In: Otology &
Neurotology 36 (4), S. 592–599.
Todt, I.; Basta, D.; Seidl, R.; Ernst, A. (2008): Electrophysiological effects of electrode pull-back in cochlear
implant surgery. In: Acta Otolaryngol 128 (12), S. 1314–1321.
Todt, I.; Basta, D.; Eisenschenk, A.; Ernst, A. (2005): The „pull-back“ technique for Nucleus 24 perimodiolar
electrode insertion. In: Otolaryngol Head Neck Surg 132 (5), S. 751–754.
Walkowiak, A.; Kostek, B.; Lorens, A.; Obrycka, A.; Wasowski, A.; Skarzynski, H. (2010): Spread of Excitation
(SoE) - A Non-Invasive Assessment of Cochlear Implant Electrode Placement. In: Cochlear Implants
International 11 (1), S. 479–481.
24
Ableitung tieffrequenter akustisch evozierter
Potentiale mit dem Cochlea-Implantat
Y. Adel1, T. Weißgerber1, T. Rader2, A. Bahmer3, U. Baumann1
Audiologische Akustik, Klink für HNO-Heilkunde, Universitätsklinikum Frankfurt,
Deutschland
2
Audiologische Akustik, HNO-Klinik, Universitätsmedizin Mainz, Deutschland
3
Klinisch-experimentelle Hörforschung und Neurophysiologie, HNO-Klinik,
Universitätsklinikum Würzburg, Deutschland
1
Einleitung: Patienten mit ausgeprägtem Hochton-Hörverlust und akustischem
Restgehör im tieffrequenten Bereich können nicht ausreichend mit konventionellen Hörgeräten behandelt werden. Mithilfe von hörerhaltenden Elektrodenträgern und Operationstechniken können solche Patienten mit CochleaImplantaten (CI) versorgt werden, wobei ipsilateral elektrische und akustische
Stimulationen ermöglicht werden(EAS; Review in von Ilberg et al.2011 Audiol
Neurotol 16 (Supp2.):1-30). Dennoch ist der Hörerhalt nur teilweise möglich,
und es wurden im Langzeitverlauf Verschlechterungen beobachtet (Helbig et
al. 2015 Otol Neurotol, under review). Intraoperatives Monitoring und klinische
Evaluierung von niederfrequentem Restgehör ist daher notwendig. Die Elektrocochleographie (ECochG)enthält Neuro-und Rezeptor-Potential, die für diesen
Zweck geeignet sind (Adunka et al.2010 Otol Neurotol,31 (8):1233 -1241).
Methoden: Das MED-EL (Innsbruck, Österreich) CI-Telemetrie-System, welches
in der Implantat-Hardware integriert ist (Pulsar, Sonata, Concerto, Synchrony),
ist für die Messung von elektrisch evozierten Summenaktionspotenziale (ECAP)
geeignet und verfügt über eine Fensterlänge von 1,7 ms. Niederfrequente
akustisch evozierte ECochG erfordert längere Messfenster, zum Beispiel damit
man Cochlea-Mikrophon-Antworten erhält. Um das Messfenster zu erweitern,
wurde ein Algorithmus unter Verwendung derRIB2-Schnittstelle (Reseawrch
Interface Box II, Institut für Ionenphysik und Angewandte, Innsbruck, Österreich) entwickelt. Der Algorithmus verwendet wiederholte Messungen und
eine Verkettung von Implantat-Puffern. Dies wurde in einem Messverfahren mit
synchronisierter Ableitung von akustisch evozierten Potentialen integriert. Die
Eigenschaften dieses Messverfahrens und dessen Randbedingungen wurden
durch In-vitro-Messungen mit einem MED-EL Pulsar Implantat bestimmt.
25
Ergebnisse: Aufnahmen mit einer Gesamtfensterlänge von 30ms wurden
mit einem variablen Offset erreicht. Der Algorithmus ermöglicht noch längere
Messfenster, aber die Aufnahmezeit erhöht sich proportional. In-vitro-Messungen haben erfolgreich sinusförmige Wellenformen im Frequenzbereich von
125 Hz bis 1kHzreproduziert. Rauscheigenschaften und die Aufnahmezeit in
Abhängigkeit von der Gesamtfensterlänge wurden bestimmt.
Fazit: Die Ableitung von tieffrequenten akustisch evozierten Potenzialen mit
dem MED-EL CI-Telemetrie-System ist prinzipiell möglich. Unser Ableitungsverfahren ermöglicht intra-cochleären Messungen von ECochG-Signalen.
26
Gleichzeitige Messung von intracochleären Nervenaktionpotentialen und Hirnstammpotentialen als
Antwort auf einen elektrischen Reiz
C. Frohne-Büchner1, I. Akhoun1, P. Boyle1, R. Moura2, T. Van-den-Abbeele3
Advanced Bionics GmbH, European Research Center, Hannover, Deutschland
Echodia SARL, Clermont-Ferrand, Frankreich
3
Robert Debre Pediatric Hospital Cochlear Implant Center, Paris, Frankreich
1
2
Durch die Integration eines Verstärkers in ein Cochlea-Implantat wurde die Messung des elektrisch evozierten Aktionspotentials des Hörnervens möglich (TECAP – telemetric electrical compound action potential). Aufgrund der einfachen
Durchführbarkeit der TE-CAP-Messungen ohne zusätzliche Oberflächenelektroden hat sich diese Messung in der klinischen Routine etabliert und teilweise die
Messung der Hirnstammpotentiale ersetzt (E-ABR – electrically evoked auditory
brainstam response). Da jedoch TE-CAP und E-ABR die Reaktion unterschiedlicher Bereiche des auditorischen Systems widerspiegeln, ist eine gleichzeitige
Messung beider Antworten wünschenswert. In Zusammenarbeit zwischen Advanced Bionics, Echodia sowie der Universitätsklinik Robert Debré (Paris) wurde
daher ein System zusammengestellt, E-ABR und E-CAP zeitgleich zu messen.
Ergebnisse der Machbarkeitsstudie in Robert Debré werden vorgestellt.
Das Advanced Bionics-System mit der Forschungssoftware „VOLTA“ steuert
die Stimulation sowie die TE-CAP-Messung. Außerdem wird ein Trigger an das
EEG-System „ELIOS“ von Echodia gesendet. Das ELIOS-System registriert über
Kopfhautelektroden die E-ABRs. Als Stimulus wurde ein biphasischer Puls mit
75µs Pulsbreite in alternierender Reizpolarität verwendet und es wurden 256
Mittelungen durchgeführt. Es ist geplant, die Messungen intraoperative bei 20
Patienten durchzuführen, bisher wurden 9 Patienten gemessen.
Bei 7 Patienten wurden sowohl im TE-CAP als auch im E-ABR Antworten nachgewiesen, bei einem Patienten nur im TE-CAP und bei einem weiteren nur im
E-ABR. Für beide Antworten wurde die Amplitudenwachstumsfunktion mit einer
Gerade angepasst und aus der Extrapolation die Potentialschwelle bestimmt.
Anhand von Qualität der linearen Annäherung sowie des Signal-Rausch-Abstandes in der Messung wurde das Konfidenzinterval für die Potential-Schwelle
bestimmt. Gruppenmittelwerte der Potentialschwellen und Konfidenzintervalle
für TE-CAP und die dritte und fünfte Welle der E-ABR liegen in ähnlicher Größenordnung. In Einzelfällen gibt es jedoch Abweichungen, die möglicherweise
auf den unterschiedlichen Informationsgehalt von TE-CAP und E-ABR zurückzuführen sind. Die Ergebnisse werden diskutiert.
27
Interaurales Stimulationstiming bei einseitig tauben
CI-Trägern
S. Zirn1,2, T. Wesarg2
1
2
Hochschule Offenburg, Deutschland
Universitäts-HNO-Klinik Freiburg, Deutschland
Das auditorische System ist in der Lage interaurale Zeitdifferenzen (Interaural
Time Differences - ITD) mit hoher Präzision wahrzunehmen und für die Schalllokalisation und binaurale Entmaskierung zu nutzen. Bei einseitig tauben
CI-Trägern führt die Versorgung eines Ohres mit einem Cochlea-Implantat
(CI) durch den partiellen Ersatz des peripheren auditorischen Systems zu einer
Veränderung der (neuronalen) Repräsentation der ITD. Auch bei unilateraler
Hörgeräteversorgung werden die ITD verändert im Sinne einer Vergrößerung
durch Prozessierung der Schallinformation vor dem Ohr. Das Ziel unserer Studie
war es, die veränderte ITD-Repräsentation bei CI- bzw. Hörgeräteversorgung
zu quantifizieren. Dazu wurden (E)BERA Welle V-Latenzen bei einseitig tauben
CI-Trägern sowohl auf der CI-versorgten Seite als auch auf der normalhörenden Seite ermittelt. Darüber hinaus wurde die im CI-Prozessor bzw. Hörgerät
auftretende artifizielle Signalverzögerung anhand der Messung von Gruppenlaufzeiten quantifiziert. Die Ergebnisse zeigen, dass mit dem untersuchten
MED-EL CI-System zwar messbare, aber verhältnismäßig geringe Veränderungen der ITD-Repräsentation bei einseitig tauben CI-Trägern erzeugt werden.
Bei bimodaler Hörgeräte-/CI-Versorgung trat in Abhängigkeit vom Hörgerätetyp dagegen eine verhältnismäßig große Verzögerung auf der Hörgeräteseite
auf – einhergehend mit einer erheblichen Veränderung der neuronalen ITDRepräsentation.
28
Psychoakustische und elektrophysiologische
Messung von Pitch-Wahrnehmung bei Patienten
mit Cochlea-Implantat (CI) und Normalhörenden
L. Wagner1, T. Rahne1
1
linik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie,
K
Hallesches Hör- und Implant Centrum, Universitätsklinikum Halle (Saale), Deutschland
Die Tonhöhe (Pitch) von akustischen Signalen und insbesondere von Sprache
ist ein wichtiger Faktor für die Wahrnehmung von Musik aber auch in der
Kommunikation, z.B. für die Prosodie- und Sprecherunterscheidung. Die Verarbeitung von Tonhöhe ist komplex und zwei Modelle werden zu Grunde gelegt.
Die örtliche Codierung (Tonotopie) auf der Basilarmembran, sowie die zeitliche
Codierung (Periodotopie) in Form der Rate der Aktionspotentiale. Diese Komponenten voneinander zu trennen ist bei CI Trägern durch Aktivierung nur
einzelner apikal oder basal gelegener Elektroden möglich.
Um die Übertragung von akustischen Signalen zu untersuchen, wird die Wahrnehmung von „iterated rippled noise“ (IRN) betrachtet. Hierbei wird weißes
Rauschen beliebig oft mit sich selbst überlagert. Die zeitliche Verzögerung (∆t)
erzeugt und bestimmt dabei eine wahrgenommene Frequenz (f=1/∆t). Die
Anzahl der Iterationen (n) bestimmt die Stärke des tonalen Perzepts.
Die Unterscheidungsschwelle (Anzahl der Iterationen) zwischen weißem
Rauschen und IRN wurde psychoakustisch adaptiv für CI-Träger bestimmt. Die
ermittelten Schwellen wurden mit Ergebnissen von Normalhörenden verglichen
und sind für CI-Träger größer.
Mittels Vielkanal-EEG-Ableitung wurde das Pitch Onset Response (POR) beim
Übergang von weißem Rauschen zu IRN gemessen. N1 und POR Amplituden
und Latenzen wurden für Normalhörende und CI-Träger ausgewertet. Erste
Ergebnisse werden vorgestellt.
Yost WA (1996) Pitch of iterated rippled noise. Journal of the Acoustical Society of America 100(1):511-8
Penninger RT et al. (2013) Perception of Pure Tones and Iterated Rippled Noise for Normal Hearing and
Cochlear Implant Users. Trends in Amplification 17(1):45–53.
Sandmann P et al . (2009) Evaluation of evoked potentials to dyadic tones after cochlear implantation. Brain
Research 132:1967–1979.
29
Kontralaterale elektrostimulatorische Suppression
der TEOAE bei SSD-CI-Versorgung
D. Grafmans1, T. Hocke2, S. Merz3, O. Dziemba1
Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie,
Greifswald, Deutschland
2
Cochlear Deutschland GmbH & Co. KG, Hannover, Deutschland
3
Merz Medizintechnik GmbH Reutlingen, Deutschland
1
In der Literatur beschreiben beispielsweise (Hoth et al. 2014) und (Robinette
und Glattke 2002) die efferente Suppression als eine zwar geringe, jedoch
konsistente Amplitudenreduktion otoakustischer Emissionen (OAE) auf einen
maskierenden Reiz. Bei bilateralem Normalgehör kann durch ein breitbandiges
Rauschsignal eine kontralaterale Gesamtamplitudenreduktion der transitorisch
evozierten OAE (TEOAE) von 1 dB bis 4 dB hervorgerufen werden (Berlin et al.
1993; Hood et al. 1996; Collet et al. 1990; Collet et al. 1992; Prasher et al.
1994; Ryan und Kemp 1996; Ryan et al. 1991).
Bei einseitiger Taubheit und Normakusis der Gegenseite (SSD – single sided
deafness) kann die Versorgung des tauben Ohrs mit einen Cochlea-Implantat
(CI) erfolgen. Die Versorgungsziele bestehen in der Maskierung des Tinnitus
und der Verbesserung des Richtungshörens und des Sprachverstehens im Störgeräusch (Arts et al. 2015; Mertens et al. 2015; Tokita et al. 2014; Vlastarakos
et al. 2014).
Die Verbesserung des Richtungshörvermögens und des Sprachverstehens im
Störgeräusch bei CI-Versorgung bei SSD lässt den Schluss zu, dass eine erfolgreiche SSD-Versorgung auf eine intakte neuronale Verarbeitung zurückzuführen
ist (vergl. Guinan 2006; Guinan 2010; Boer et al. 2012; Durante und Carvallo
2008). Diese Studie sollte untersuchen, ob sich bei SSD-Versorgung aufgrund
elektrischer Stimulation durch ein CI eine Amplitudenreduktion der TEOAE der
Gegenseite nachweisen lässt.
Arts, R.; George, E.; Griessner, A.; Zierhofer, C.; Stokroos, R. J. (2015): Tinnitus Suppression by Intracochlear
Electrical Stimulation in Single-Sided Deafness: A Prospective Clinical Trial - Part I. In: Audiol. Neurootol.
20 (5), S. 294–313.
Berlin, C. I.; Hood, L. J.; Wen, H.; Szabo, P.; Cecola, R. P.; Rigby, P.; Jackson, D. F. (1993): Contralateral
suppression of non-linear click-evoked otoacoustic emissions. In: Hearing Research 71 (1–2), S. 1–11.
Boer, J. de; Thornton, A. R. D.; Krumbholz, K. (2012): What is the role of the medial olivocochlear system in
speech-in-noise processing? In: Journal of Neurophysiology 107 (5), S. 1301–1312.
Collet, L.; Kemp, D. T.; Veuillet, E.; Duclaux, R.; Moulin, A.; Morgon, A. (1990): Effect of contralateral auditory
stimuli on active cochlear micro-mechanical properties in human subjects. In: Hearing Research 43 (2–3),
S. 251–261.
30
Collet, L.; Veuillet, E.; Bene, J.; Morgan, A. (1992): Effects of Contralateral White Noise on Click-Evoked
Emissions in Normal and Sensorineural Ears: Towards an Exploration of the Medial Olivocochlear System.
In: International Journal of Audiology 31 (1), S. 1–7.
Durante, A. S.; Carvallo, Renata M. M. (2008): Contralateral suppression of linear and nonlinear transient
evoked optoacoustic emissions in neonates at risk for hearing loss. In: Journal of Communication Disorders
41 (1), S. 70–83.
Guinan, J. J. (2010): Cochlear efferent innervation and function. In: Current Opinion in Otolaryngology &
Head and Neck Surgery 18 (5), S. 447–453.
Guinan, John J. (2006): Olivocochlear Efferents: Anatomy, Physiology, Function, and the Measurement of
Efferent Effects in Humans. In: Ear and Hearing 27 (6), S. 589–607.
Hood, L. J.; Berlin, C. I.; Hurley, A.; Cecola, R. P.; Bell, B. (1996): Contralateral suppression of transient-evoked
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Hoth, S.; Mühler, R.; Neumann, K.; Walger, M. (2014): Objektive Audiometrie im Kindesalter. 2014. Aufl.
Berlin: Springer Berlin.
Mertens, G.; Kleine Punte, A.; Bodt, M. de; van de Heyning, P. (2015): Binaural auditory outcomes in patients
with postlingual profound unilateral hearing loss: 3 years after cochlear implantation. In: Audiol. Neurootol.
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Prasher, D.; Ryan, S.; Luxon, L. (1994): Contralateral suppression of transiently evoked otoacoustic emissions
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Robinette, Martin S.; Glattke, Theodore J. (2002): Otoacoustic emissions. Clinical applications. 2. Aufl. New
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Ryan, S.; Kemp, D. T.; Hinchcliffe, R. (1991): The influence of contralateral acoustic stimulation on click-evoked
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Tokita, J.; Dunn, C.; Hansen, M. R. (2014): Cochlear implantation and single-sided deafness. In: Current
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Vlastarakos, P. V.; Nazos, K.; Tavoulari, E.-F.; Nikolopoulos, T. P. (2014): Cochlear implantation for single-sided
deafness: the outcomes. An evidence-based approach. In: Eur Arch Otorhinolaryngol 271 (8), S. 2119–2126
31
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32
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