aus dem inneren - Bundesministerium für Inneres

Transcription

aus dem inneren - Bundesministerium für Inneres
BM.I
BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES
AUS DEM
INNEREN
EKO COBRA UND EUROPÄISCHER
SPEZIALEINHEITENVERBUND ATLAS
Fachgespräch mit Innenministerin Maria Fekter
am 12. Jänner 2011
P08_095_012_EKO_Cobra_A4Blatt_RZ.indd 1
04.01.11 14:27
Aus dem Inneren
EINSATZKOMMANDO COBRA
und der
SPEZIALEINHEITENVERBUND
ATLAS
12. Jänner 2011
Fachgespräch mit Innenministerin Maria Fekter
Presseunterlage
2
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG..................................................................................................................... 7
2. DAS EKO COBRA............................................................................................................ 9
2.1 Struktur ........................................................................................................................ 9
2.2 Aufgaben des Einsatzkommandos Cobra ...................................................................11
2.3 Personal/Ausbildung ...................................................................................................12
2.4 Statistik .......................................................................................................................13
2.5 Know-how Transfer.....................................................................................................16
3. INTERNATIONALE KOOPERATIONEN..........................................................................17
3.1 ATLAS ........................................................................................................................17
3.2 Air Marshals................................................................................................................36
3.3 Südschiene .................................................................................................................39
4. ANHANG .........................................................................................................................43
4.1 Geschichte des Einsatzkommandos Cobra.................................................................43
4.2 Einsätze des Einsatzkommandos Cobra.....................................................................49
4.3 Chronik des Einsatzkommandos Cobra ......................................................................54
4.4 Besondere Personenschutzdienste des Einsatzkommandos Cobra............................58
4.5 Auswahlverfahren beim Einsatzkommando Cobra ......................................................60
3
4
„Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, neben vielen anderen
Eliteeinheiten auch das Einsatzkommando Cobra zu besuchen. Die
Cobra ist in Special-Forces-Kreisen als eine der Besten bekannt und
respektiert.“ (Sir Christopher Lee, 1. und 2. SAS 1943 – 1945)
5
6
1. EINLEITUNG
Das
Einsatzkommando
(EKO)
Cobra
ist
die
Sondereinheit
des
österreichischen
Innenministeriums.
Die Aufgabenpalette der Spezialeinheit reicht von der täglichen Unterstützung der
Polizeidienststellen beim Einschreiten gegen gefährliche, meist bewaffnete Täter über den
Personenschutz bis hin zu Air-Marshal-Einsätzen und zu Antiterroreinsätzen.
Einsatzphilosophie jenseits von „Rambo & Co“
Die Cobra hat es sich zur Einsatzphilosophie gemacht, durch professionelles Agieren und
durch „taktische Intelligenz“ das jeweilige Einsatzziel unter minimaler Beeinträchtigung der
Einsatz-Umwelt zu erreichen.
Know-how-Transfer
Die Cobra ist nicht nur in „eigener Angelegenheit“ tätig. Jeder Waffengebrauch der
österreichischen Exekutive bzw. jede Anwendung von Körperkraft wird in der Cobra-eigenen
Analysestelle gemeinsam mit Psychologen des Innenministeriums analysiert. Die Ergebnisse
dieser Analysen fließen eins zu eins in das Einsatztraining der gesamten Polizei ein.
Cobra – Multifunktionaler Ansprechpartner in Fragen der Sicherheit
Das EKO agiert als multifunktionaler Ansprechpartner in Sachen Sicherheit. Es ist daher eine
Selbstverständlichkeit, dass neben den Routineaufgaben auch in unkonventionellen Fällen
unkompliziert geholfen wird. Dafür können viele Beispiele angeführt werden, wie die
Unterstützung bei Flutkatastrophen (Niederösterreich 2002), bei Lawinenkatastrophen
(Galtür 1999) oder bei der Rückholung von österreichischen Staatsbürgern aus der
algerischen Wüste, aus dem Libanon oder nach der Tsunamikatastrophe im Dezember
2004.
Dieses Modell der „erweiterten Aktionspalette“ wird bewusst „gelebt“ und wird mittlerweile
auch von Sondereinheiten in anderen Staaten ähnlich gestaltet.
Die Cobra-Ausbildung forciert die Denkleistung und selbstständige Handlungsfähigkeit des
einzelnen Beamten im Zusammenhang mit den Planvorgaben der Einsatztaktik. Diese
7
Strategie der Persönlichkeitsstärkung und Eigenverantwortlichkeit im
Rahmen der
Gruppendynamik stärkt die Flexibilität und Operationsfähigkeit der Sondereinheit.
Cobra – internationale Vernetzung
Polizeiarbeit ist nicht mehr nur eine nationale Aufgabe. Durch die hohe Mobilität von Tätern
aber auch durch den Wegfall der europäischen Grenzen ist die internationale Kooperation für
eine moderne und effiziente Exekutivarbeit ein „absolutes Muss“ geworden.
Das
europäische
rechtliche
Rahmenwerk
–
etwa
das
„Schengener
Durchführungsübereinkommen“ und der „Prümer Vertrag“ – ermöglicht auch das
grenzüberschreitende Tätigwerden der Polizeien.
Auch die Cobra unterhält ein solides Beziehungsgeflecht zu einer Vielzahl von
Sondereinheiten in der Welt und ist gemeinsam mit der GSG 9 und der belgischen
Sondereinheit maßgeblich am Aufbau des europäischen Sondereinheitenverbundes ATLAS
beteiligt gewesen.
Die
internationale
grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit
Lagebildern
besteht
und
der
aus
koordinierten
gemeinsamen
Einsätzen
bei
Weiterentwicklung
von
Einsatztaktik, Technik und Kommunikationsstrategien.
Internationales Leistungs-Benchmark
Bei internationalen Leistungsbewerben für Sondereinheiten rangiert das EKO Cobra seit
langer Zeit weltweit unter den Besten. Erst im August 2010 wurde beispielsweise ein
internationaler Sondereinheiten-Vergleichswettkampf in Ungarn von einem Cobra-Team
gewonnen, wobei 16 Einheiten aus vier Nationen besiegt werden konnten.
8
2. EINSATZKOMMANDO COBRA
2.1 Struktur
Die Cobra wurde im Jahr 2005 in der jetzigen Struktur mit den fünf Standorten in Wiener
Neustadt, Wien, Graz, Linz und Innsbruck und den drei operativen Außenstellen in den
Bundesländern Kärnten, Salzburg und Vorarlberg installiert.
Zielvorgabe dafür war, dass das gesamte Bundesgebiet innerhalb von 70 Minuten von
Einsatzkräften der Cobra erreicht werden kann. Diese Zeitspanne stellt im internationalen
Vergleich einen absoluten Spitzenwert an schneller Verfügbarkeit von Sondereinsatzkräften
dar.
Das (Gesamt-)Kommando des EKO Cobra befindet sich in der Ausbildungs- und
Einsatzzentrale in Wiener Neustadt. Hier ist auch eine größere Koordinationsstelle
(Stabsstelle) eingerichtet, die Ausbildungs- und Administrationstätigkeiten für alle CobraStandorte wahrnimmt.
Um die Verwaltungskomponente an den operativen Außenstellen so klein wie möglich halten
zu können, sind sie organisatorisch an die Standorte Graz, Linz und Innsbruck angebunden.
Auf jedem Standort der Cobra ist die Einsatzabteilung in Form von vier Einsatzmodulen
organisiert. An den operativen Außenstellen sind zwei Einsatzmodule vorgesehen.
Headquarter
Standorte
Wr. Neustadt
Graz, Innsbruck, Linz, Wien
Abteilung 1
Abteilung 2
Abteilung 3
Personal
Sanität
Wirtschaft
Versorgung
Koordination
Einsatztechnik
EDV
FM
Analyse
Taktik, Schießen
Nahkampf, KA
Sonderausbildung
KFZ
Einsatzeinheit 1 - 4
Einsatzeinheit 1 - 4
Einsatzeinheit 1 - 4
Einsatzeinheiten
(je 16)
Kommandoeinheit
Koordinationsstelle
für den Standort und die
Außenstelle
Einsatzeinheit 1 - 4
Einsatzeinheit 1 - 4
Einsatzeinheiten
Einsatzeinheit
1 -4
Standorte
(je 10 bzw. 25)
Einsatzeinheiten
Einsatzeinheit
1- 4
Außenstellen
(je 12)
9
Für jeden Standort sind primäre örtliche Zuständigkeiten definiert. Bei Bedarf – und dies
kommt öfters vor – unterstützen sich die Standorte gegenseitig. So auch bei großen
polizeilichen Anlassfällen, wie bei der EURO 08, bei stationären Geisellagen oder bei
überregionalen Fahndungen.
Die Anforderung der Cobra-Kräfte erfolgt im Regelfall direkt im Wege der Leitstellen der
Polizei – kann aber auch direkt durch Einsatzbeamte vor Ort erfolgen. Oft ist es so, dass
aktführende Dienststellen bei planbaren Einsätzen die Cobra bereits im Vorfeld informieren,
sodass
bereits
eine
begleitende
Unterstützung
mit
Know-how
oder
mit
Assistenzdienstleistungen (beispielsweise Observationen) gewährleistet werden können.
Die zuständigen Sicherheitsbehörden werden von der Anforderung der Cobra in Kenntnis
gesetzt.
Das
strategische
Führungsteam
der
Cobra
setzt
Gesamtkommandanten sowie den Standortkommandanten zusammen.
Cob ra seit 1.7.2005
Fünf Stando rte und
d rei o p erative Außenstellen
W ien
Linz
W r . Ne us ta dt
Salz bur g
Feldk ir ch
Inns br uc k
Gr az
Kla gen fur t
10
sich
aus
dem
2.2 Aufgaben des Einsatzkommandos Cobra
Die Sondereinheiten-Verordnung zum Sicherheitspolizeigesetz (zuletzt geändert am
25.5.2010, BGBl. II Nr. 149/2010) legt den Aufgabenrahmen für das EKO Cobra fest.
Abgesehen vom „klassischen“ Antiterrorsegment, das gemäß der SondereinheitenVerordnung der Cobra zur Besorgung übertragen ist, deckt die Einheit ein breites Spektrum
von Einsatzlagen ab.
Vor allem die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen der Polizeidienststellen beim
Einschreiten bei erhöhten oder hohen Gefährdungslagen, z. B. bei Konflikten, bei denen
Waffen im Spiel sind, zählt zu den Aufgaben der Cobra. Auch die Unterstützung der
kriminalpolizeilichen Organisationseinheiten bei der Verhaftung gefährlicher Täter oder bei
Zugriffshandlungen im Bereich der organisierten Kriminalität zählt zu den täglichen Aufgaben
der Einheit.
Die mit 1. Dezember 2002 durchgeführte Reform der Staatspolizei für das Einsatzkommando
Cobra
brachte
die
Übertragung
der
überwiegenden
Zahl
aller
operativen
Personenschutzdienste in ganz Österreich mit sich.
Auch die traditionellen Arbeitsbereiche müssen von den Mitarbeitern der Cobra weiterhin
beherrscht werden, wie:
•
Geisellagen
•
Amoklagen
•
Erstürmung von Luftfahrzeugen
•
Grenzüberschreitende Lagen
•
Festnahme Schwerkrimineller
•
Technischer Einsatz
•
Schutz österreichischer Missionen
Darüber hinaus wird der ständig erweiterten internationalen Vernetzung der Einheit große
Bedeutung beigemessen. Das Einsatzkommando Cobra ist als nationale Sondereinheit
Vollmitglied in vielen EU-Arbeitskreisen.
Ein
weiterer
Schwerpunkt
wird
auf
die
Analyse
von
durchgeführten
Einsätzen
(national/international) gelegt, beispielsweise werden alle Schusswaffengebrauchsfälle der
österreichischen Exekutive beim EKO Cobra analysiert.
11
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Eigensicherungs- und Einsatzmodelle der
österreichischen Polizei in Form von Ausbildungskonzepten, Seminaren und Workshops
wieder ein.
2.3 Personal/Ausbildung
Die Personalstärke beläuft sich österreichweit auf über 400 Exekutivbedienstete. Die weit
überwiegende Anzahl von Cobra-Mitarbeitern steht in „reiner“ Einsatzverwendung. Die
Komponente der Administration wurde äußerst effektiv ausgelegt.
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus dem gesamten Bundesgebiet können sich zum
Dienst bei der Cobra melden. Die Personalausschreibungen sind so gestaltet, dass die
Anzahl der freien Stellen standortbezogen angeführt ist. So können sich die Bewerberinnen
und Bewerber gezielt um einen freien Arbeitsplatz auf einem bestimmten Standort – meist in
der Nähe ihres Lebensmittelpunktes – bewerben.
Nach Bestehen eines fordernden Auswahlverfahrens, bei dem jede Bewerberin und jeder
Bewerber medizinischen, psychologischen und sportmotorischen Tests unterzogen wird,
muss zunächst eine sechsmonatige Grundausbildung absolviert werden.
Personal
3500
3038
3000
2500
2000
1199
1500
1000
430
500
0
BewerberInnen
1978 - 2010
12
Ausbildung absolviert
1978 - 2010
Aktueller Personalstand
Die Grundausbildung wird für alle neuen Cobra-Mitarbeiter am Hauptstandort in Wiener
Neustadt
durchgeführt.
Dies
ist
vor
allem
im
Hinblick
auf
ein
einheitliches
Qualitätsmanagement von großer Bedeutung, um jedem neuen Mitarbeiter das Leitbild, die
Einsatzphilosophie und die taktischen Einsatzgrundsätze der Einheit einheitlich und mit
feststehendem Standard vermitteln zu können.
Während der Grundausbildung müssen die neuen Cobra-Mitglieder jene Fertigkeiten und
Kenntnisse erlernen, die sie befähigen sollen, schwierigste und oft gefährliche Einsätze
erfolgreich zu bestehen. Dazu gehören neben Taktik, Schießen und Sport auch
Ausbildungsinhalte wie Fahrtechnik, Seiltechnik, Nahkampf, psychologische Schulung,
Sprachenausbildung usw. Wer das Ausbildungsziel nicht erreicht, muss die Einheit wieder
verlassen.
Nach Beendigung des Grundkurses werden die frisch ausgebildeten Cobra-Mitarbeiter auf
den Standorten in jene Einsatzmodule eingegliedert, in denen freie Arbeitsplätze zu
besetzen sind. Ab diesem Zeitpunkt werden sie für alle dienstlichen Tätigkeiten und Einsätze
verwendet.
Einmal
im
Einsatzmodul
Sonderausbildungen
wie
eingeteilt,
haben
die
Fallschirmspringen,
Cobra-Mitarbeiter
Tauchen,
die
Möglichkeit,
Sprengtechnik
oder
Präzisionsschießen zu absolvieren. Diese Sonder- und Schwerpunktausbildungen für CobraAngehörige werden ebenfalls unter Koordination des Headquarters in Wiener Neustadt
durchgeführt.
2.4 Statistik
Im Jahr 2010 führten Mitarbeiter der Cobra unter anderem 431 Festnahmen, 156
Hausdurchsuchungen und 805 Personenschutzdienste durch. Im Jahr 2010 erledigten die
Cobra-Angehörigen mehr als 3.500 exekutive Dienstleistungen.
13
Einsatzstatistik 2010
Taser -Einsätze ; 5
Auslandseinsätze; 2
ÖNB – Begleitungen ; 97
Spezialeinsätze ; 148
Personenschutzdienste ; 805
Festnahmen; 431
Täterlagen ; 751
Insgesamt wurden seit 2006 von den Einsatzkräften der „Cobra“ mehrere Tausend
Anforderungen und Routinedienste bearbeitet und durchgeführt. Diese Zahlen sprechen für
eine hohe Akzeptanz und für einen hohen „Vernetzungsgrad“ der Sondereinheit in der
österreichischen Exekutive.
Sonstige Unterstützungsleistungen
2006 bis 2010
233
250
173
183
197
200
147
150
0
Observationen
14
Vorpasshaltungen
sonstige Überwachungen
Fahndungen
81
89
73
53
52
62
60
83
111
98
90
80
70
50
89
87
100
Täterlagen 2006 - 2010
1200
1032
1000
860
804
800
757
751
600
400
200
0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Festnahmen 2006 - 2010
600
500
567
497
468
400
405
431
300
200
100
0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Ambition jedes einzelnen Cobra Mitarbeiters war und ist es, jeden Tag an der Optimierung
der eigenen Leistung zu arbeiten. Dies sieht die Führung der Einheit auch als Verpflichtung
gegenüber dem Bürger, der ein Recht auf professionellen Schutz hat.
Das eigentliche Kapital der Einheit werden auch in Zukunft die hoch motivierten Mitarbeiter
sein.
15
2.5 Know-how-Transfer
Analyse – auch von Waffengebrauchsfällen
Im „WaffenGebrauchAnalyseVerfahren“ (WGAV) werden die taktischen Auswertungen von
(Schuss-)Waffengebrauchsfällen im gesamten Bundesgebiet vorgenommen. Es geht dabei
um die Beurteilung des taktischen Verhaltens der einschreitenden Organe sowie der
Umstände, die zum (Schuss-)Waffengebrauch führten. Die daraus generierten Ergebnisse
fließen in die bundesweite Ausbildung ein.
Ein weiterer Tätigkeitsbereich der Analysestelle besteht in der Aufarbeitung von in- und
ausländischen aufsehenerregenden polizeilichen Amtshandlungen. Dabei wird grundsätzlich
auf taktische Aspekte, die Bewaffnung des Gegenübers und „Modi Operandi“ Rücksicht
genommen. Die Auswertungsergebnisse dienen der Aus- und Fortbildung der Bediensteten
des EKO Cobra und werden den Ausbildnern für das bundesweite Einsatztraining zur
Verfügung gestellt.
16
3. INTERNATIONALE KOOPERATION
3.1 ATLAS
Aufbau des europäischen Sondereinheitenprojektes „ATLAS“
Als eine der Maßnahmen nach den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom
11. September 2001 beauftragte der Europäische Rat1 Belgien, damals Vorsitz führendes
Land in der EU, ein Treffen der Leiter der europäischen Antiterroreinheiten zu organisieren.
Ziel dabei war es, die operative Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten und Drittstaaten
auf dem Gebiet der Terrorbekämpfung zu verbessern, um durch gemeinsame koordinierte
Maßnahmen auf diesem Gebiet einen hohen Grad an Sicherheit zu erreichen.
Das erste Meeting der Leiter der europäischen Sondereinheiten fand am 15. Oktober 2001 in
Brüssel unter Führung der belgischen Antiterroreinheit (belgischer EU-Vorsitz) statt. Dies war
die Geburtsstunde von „ATLAS“2.
Die
Ergebnisse
dieser
ersten
Sitzung
der
Kommandanten
der
europäischen
Antiterroreinheiten wurden der „Task Force of Chief’s of Police“ (TFCP) und dem
Europäischen Rat für Justiz und Inneres vorgelegt.
Die Vorlage Belgiens enthielt den Vorschlag, dass zum Zwecke einer verstärkten und
strukturierten
Kooperation
der
Polizeisondereinheiten
der
EU-Mitgliedstaaten
eine
institutionalisierte Zusammenarbeit – also eine konkrete Arbeitsgemeinschaft unter den
Antiterroreinheiten geschaffen werden soll. Mit der Zustimmung des Europäischen Rates für
Justiz und Inneres war somit der Startschuss für die institutionalisierte Kooperation der
europäischen Antiterroreinheiten – also von ATLAS – gelegt.
1 Europäischer Rat für Justiz und Inneres umfasst die Justiz- und Innenminister der EU-Mitgliedstaaten
2 ATLAS ist die Arbeitsgemeinschaft der Polizei-Sondereinheiten der Mitgliedstaaten der EU sowie der Schweiz
und von Norwegen.
17
Auch vor der Gründung von ATLAS bestanden Arbeitskontakte zwischen einzelnen
Einheiten. Diese waren aber eher zufälligen, oft bilateralen Charakters – oder aufgrund guter
nachbarschaftlicher Beziehungen zustande gekommen.
Über österreichische Initiative (Österreich hatte seit Beginn den Vizevorsitz innerhalb der
ATLAS-Kooperation) wurde schließlich die Anerkennung der ATLAS-Gruppe durch
Beschluss des Europäischen Rates vom 23. Juni 2008 vorgenommen.
Die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Kooperation gibt es nicht nur auf dem Gebiet der
Polizei-Sondereinheiten. Allgemeine Grundlagen für die europäische, grenzüberschreitende
Polizeikooperation bilden das Schengener Übereinkommen und der Prümer Vertrag.
Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen enthalten detaillierte Regelungen für das
Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf dem Gebiet eines
anderen Mitgliedstaates. Dabei wurden auch die Befugnisse der einschreitenden Organe
sowie die Amtshaftung geregelt.
Derzeit sind 36 nationale Polizei-Antiterroreinheiten Mitglied in ATLAS. Den Vorsitz führt die
holländische Sondereinheit DSI.
Mehrere Mitgliedstaaten sind aufgrund ihrer Polizeistrukturen mit zwei Einheiten vertreten
und Schweiz und Norwegen sind ebenfalls durch eine Einheit repräsentiert. Diese beiden
haben Beobachterstatus.
Sondereinsatzkräfte der Polizei decken zwar in der Regel nur ein relativ schmales Segment
an staatlicher Sicherheitsvorsorge ab, andererseits kann allerdings auch die Ansicht
vertreten werden, dass in jenen Fällen, in denen sich „staatsgefährdende“ – oder
„verfassungserschütternde“ Straftaten ereignen, die massiv die Integrität von Demokratien
beeinträchtigen können, die Polizei-Antiterroreinheiten als erstes (hoch spezialisiertes)
Reaktionsinstrument gefragt sind.
Als Beispiele für solche Anschläge werden erwähnt: Olympische Sommerspiele in München
1972, der Überfall auf das OPEC-Gebäude in Wien 1975, die Briefbombenserie in Österreich
in den 1990er-Jahren oder die Anschläge auf Massenbeförderungsmittel im März 2004 in
Madrid und im Juli 2005 in London.
18
Die ATLAS-Gruppe hat sich 2005 mit dem Beitritt von zehn neuen EU-Mitgliedstaaten um die
Sondereinheiten der neuen Mitgliedstaaten erweitert.
Die sicherheitspolitische Strategie der EU braucht auch hinkünftig ein gut funktionierendes
System an Sondereinheiten. Deshalb wird es von großer Bedeutung sein, welche Position
ATLAS hinkünftig in den EU-Bemühungen zur Bekämpfung des Terrors einnimmt – und dies
vor allem unter den veränderten Voraussetzungen, die der Vertrag von Lissabon mit sich
bringt.
Entwicklung von ATLAS
Der Aufbau von ATLAS von 2001 bis 2008 wurde vor allem durch die belgische
Sondereinheit DSU und das österreichische Einsatzkommando Cobra respektive das
österreichische Innenministerium durchgeführt.
36 europäische Einheiten sind derzeit im Sondereinheitenverbund „ATLAS“ in einem
gemeinsamen Netzwerk vertreten. Ziel von Atlas ist es durch Erfahrungsaustausch,
Workshops, Einsatzübungen und Forschungsprojekten einen möglichst hohen Standard in
der operativen Terrorbekämpfung in allen EU-Mitgliedsstaaten zu gewährleisten und
Lösungen für die verschiedenen neuen Bedrohungsformen des Terrorismus zu erarbeiten.
Die Arbeit erfolgt in fünf Arbeitsgruppen aufgrund der Vorgaben der Kommandanten der
Sondereinheiten, die zweimal jährlich im Rahmen des ATLAS-Forums zusammentreten, um
die weiteren Projekte und die strategische Entwicklung von ATLAS festzulegen.
ATLAS-Arbeitsgruppen
Vier operative Arbeitsgruppen arbeiten an der Entwicklung von Lösungen für die
verschiedenen terroristischen Bedrohungslagen in den Bereichen Aircraft, Naval, Transport
und Building. Die technische Arbeitsgruppe Entry beschäftigt sich mit den technischen
Möglichkeiten des Eindringens in Objekte der genannten Bereiche. Die Arbeitsgruppenleiter
sind die deutsche GSG 9, die französische GIGN, die französische RAID, die belgische DSU
und das österreichische EKO Cobra.
19
Geisellagen und Terrorismus
Die Arbeitsgruppe „Building“ wird vom Einsatzkommando Cobra geleitet und beschäftigt sich
mit Zugriffen in Gebäuden bei terroristischen Lagen und Massengeisellagen. Im
Hauptquartier der Polizei-Sondereinheit Cobra in Wiener Neustadt finden immer wieder
gemeinsame Trainings von internationalen Sondereinheiten statt, vor allem in dem 2007
errichteten „Air Marshal“-Ausbildungszentrum. In Sachen Sicherung heikler Flüge ist die
Cobra ein Vorreiter und kooperiert eng mit den USA, Kanada, Australien, Israel, Deutschland
und Frankreich. Wiener Neustadt hat sich wegen seiner geografischen Lage mitten in
Europa und der Nähe zu den osteuropäischen Ländern zu einer Art „Brückenkopf“
entwickelt, es gibt häufige Arbeitstreffen in Wien oder Wiener Neustadt.
Beispiele für konkrete Kooperationen
ATLAS-Einsatzübung in Frankreich
Vom 25. bis 28. Mai 2010 veranstaltete die GIGN (Spezialeinheit der französischen
Gendarmerie) eine Einsatzübung, an der 32 ATLAS-Einheiten, darunter auch eine Einheit
des EKO Cobra, teilnahmen.
Ziel der Übung war es, die internationale Zusammenarbeit im Bereich von Geisellagen in
Luftfahrzeugen zu intensivieren und einen effizienten Erfahrungsaustausch hinsichtlich der
taktischen Konzepte und technischen Möglichkeiten zu gewährleisten.
Die Spezialisten der Antiterroreinheiten aus 27 Ländern konnten in den vier Bereichen
„Command and Control“, „Sniper“, „Assault“ und „Intelligence“ (Einsatztechnik) in gemischten
Teams ihre Erfahrungen austauschen, gemeinsam trainieren und in Chateauroux einen
koordinierten Zugriff auf zwei Großraumflugzeuge planen, leiten und durchführen.
Die
Trainingsmöglichkeiten
waren
beeindruckend.
Insgesamt
standen
fünf
Großraumflugzeuge (Boeing 747 und 777, sowie Airbus A 340-400) für dieses internationale
Einsatztraining zur Verfügung und auch das Großraumflugzeug Airbus A 380 konnte
besichtigt werden.
Die Abschlussübung mit dem koordinierten Zugriff auf zwei Großraumflugzeuge wurde auch
vom französischen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit beobachtet.
20
Die bei dieser Veranstaltung erlangten Erkenntnisse fließen in die Trainingsgestaltung und
Einsatzkonzeption des EKO Cobra unmittelbar ein und gewährleisten so das internationale
hohe Leistungsniveau der Cobra-Spezialisten.
Einsatzübung in Frankreich
Schutzausrüstung
27 Atlas-Vertreter trafen einander vom 18. bis 20. Mai 2010 wiederum in Paris, um die
vorhandene Schutzausrüstung für terroristische Einsatzlagen abzugleichen und Erkenntnisse
aus bisherigen Einsätzen und Übungen auszutauschen. Ziel der von der französischen
Antiterroreinheit RAID organisierten Veranstaltung war unter anderem die Ausarbeitung
eines Vorschlags für einen Mindeststandard der Schutzausrüstung von Zugriffseinheiten,
wobei die Palette der Ausrüstung vom herkömmlichen ballistischen Schutz, über Atemschutz
bis hin zu schwerem Schutz für das Vorgehen in kontaminierter Umgebung reichte.
Gleichzeitig wurde bei diesem Workshop das Zusammenspiel mit spezialisierten Kräften
etwa aus dem Rettungs- oder dem Zivilschutzbereich geübt, um in so einem Fall einen
umfassenden Schutz gewährleisten zu können.
21
Seiltechnik
Atlas-Einheiten aus 20 EU-Mitgliedstaaten nahmen am 14. und 15. Mai 2010 in Litauen an
einem Seiltechnik-Workshop der Arbeitsgruppe „Building“ teil. Der Workshop wurde vom
Einsatzkommando Cobra gemeinsam mit den Sondereinheiten ARAS (Litauen), GOE
(Portugal) und dem SEK BW (Sondereinsatzkommando Baden Württemberg) veranstaltet.
Themen waren unter anderem: Seiltechnische Einsatztaktik bei sprengtechnischen oder
sonstigen Öffnungstechniken bei Fenstern, Fortbewegen in Liftschächten, Seiltechnik unter
ausschließlicher Verwendung von Nachtsichtgeräten, Standards bei Abseilgeräten, Aufbau
von
Abseilpunkten,
Materialtests
und
Erfahrungsaustausch
über
Echteinsätze
mit
seiltechnischen Elementen.
Zum Atlas-Verbund gehören folgende 36 Einheiten aus den 27 EU-Mitgliedstaaten:
Acvila (Rumänien)
K-Kommando (Estland)
AKS (Dänemark)
Lynx (Slowakei)
ARAS (Litauen)
NI (Schweden)
CO19 (Großbritannien)
NOCS (Italien)
BOA (Polen)
OMEGA (Lettland)
DSI (Niederlande)
PSI (Nordirland)
DSU (Belgien)
RAID (Frankreich)
EAO (Zypern)
Red Panther (Slowenien)
EKAM (Griechenland)
SAG (Malta)
EKO Cobra (Österreich)
SEK Baden Württemberg (Vertreter SEKs
ERU (Irland)
in Deutschland)
GIGN (Frankreich)
SIAS (Rumänien)
GIS (Italien)
SUCT (Bulgarien)
GEO (Spanien)
TESZ (Ungarn)
GNR (Portugal)
UEI (Spanien)
GOE (Portugal)
URNA (Tschechische Republik)
GSG 9 der Bundespolizei (Deutschland)
USP (Luxemburg)
Karhu (Finnland)
Weiters kooperieren mit dem Atlas-Verbund:
Delta (Norwegen)
ATU (Vertreter Schweiz)
22
Einer
der
Arbeitsschwerpunkte
im
Jahr
2011
ist
das
Thema
„Sicherheit
bei
Großveranstaltungen“ – im Hinblick auf die Fußballeuropameisterschaft 2012 in Polen und
der Ukraine.
Zu diesem Zweck wird auch eine Einsatzübung im Warschauer Fußballstadion unter
Beteiligung einer Vielzahl von europäischen Sondereinheiten durchgeführt werden.
Innenministerin
Dr.
Maria
Fekter
und
der
polnische
Innenminister
haben
einen
diesbezüglichen Kooperationsvertrag unterzeichnet.
Begriffsdefinitionen
„ATLAS“
ATLAS ist der Verbund der europäischen Polizei Sondereinheiten, der nach den Anschlägen
vom 11. September 2001 durch den Europäischen Rat für Justiz und Inneres initiiert und mit
Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 23. September 2008, 2008/617/JI,
beschlossen worden ist.
Gemäß des internen Regelwerks „ATLAS-Konvention“ verfolgt ATLAS folgende Ziele: Jede
Antiterroreinheit, die Mitglied ist, auf den höchst möglichen professionellen Status zu bringen
und zwar durch enge Kooperation und gegenseitige Unterstützung. Die Bemühungen sollen
die Chancen und Erfolgsaussichten aller Einheiten im Kampf gegen den Terrorismus auf das
gleich hohe Niveau bringen.
„Sonder- oder Spezialeinheit“
Als (polizeiliche) Sondereinheit wird in Österreich gemäß Sondereinheiten-Verordnung der
Innenministerin zum § 31 Sicherheitspolizeigesetz das Einsatzkommando Cobra normiert.3
Dem EKO Cobra obliegt es in unmittelbarer Unterstellung unter den Generaldirektor für die
öffentliche Sicherheit schwerpunktmäßig gefährlichen Angriffen ein Ende zu setzen, wenn
wegen der hiefür gegen Menschen oder Sachen allenfalls erforderlichen Zwangsgewalt
3 Sondereinheiten-Verordnung zum SPG, BGBl. II Nr. 207/1998 idgF, zuletzt geändert mit Erlass des BM.I vom
01.06.2010, BMI-OA1210/0017-I/2/2010
23
besonders geübte Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit besonderer Ausbildung
benötigt werden und solche Organe auf lokaler oder regionaler Ebene nicht- oder nicht
ausreichend zur Verfügung stehen.
Mitglieder von Spezialeinheiten verfügen in der Regel über eine weitergehende Ausbildung
vor allem im einsatztaktischen Bereich und häufig auch eine umfassendere Ausrüstung als
konventionelle Einheiten.
International wird der Begriff „Special Forces“ allgemein für Sondereinsatzkräfte verwendet.
Im Lauf ihrer Entwicklung gerieten Spezialeinheiten immer mehr in den Fokus militärischer
und polizeilicher Planungen, weil sich die Bedrohungsszenarien beispielsweise durch das
Aufkommen des Terrorismus weltweit gewandelt haben.
Polizeiliche Spezialeinheiten haben teilweise eine ähnliche Ausrichtung wie militärische, sind
aber rechtlich und praktisch an die spezifischen Erfordernisse polizeilicher Aufgabenerfüllung
angepasst.
In Österreich richtet sich die Taktik des Einsatzkommandos Cobra am Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und am Grundsatz des Minimaleingriffes aus.
Das heißt, dass die Anwendung polizeilicher Zwangsmaßnahmen nur in der Intensität sowie
nur in der Dauer zulässig ist, als dies notwendig ist, um das polizeiliche Ziel zu erreichen.
Der Begriff „Spezialeinheit“ wird im Beschluss des Rates der Europäischen Union über die
Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union in Krisensituationen vom 31. März 2008 wie folgt definiert:
24
„Jede Strafverfolgungseinheit eines Mitgliedstaates, deren besondere Aufgabe darin besteht,
Krisensituationen zu bewältigen“.
Krisensituation nach Definition des Europäischen Rates4
„Jede Situation, in der die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates berechtigten Grund
zu der Annahme haben, dass eine Straftat vorliegt, die eine ernste unmittelbare physische
Bedrohung für Personen, Eigentum, Infrastrukturen oder Institutionen in diesem Mitgliedstaat
darstellt, insbesondere die in Artikel 1, Absatz 1 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des
Rates vom 13. Juni 2002 zur Bekämpfung des Terrorismus genannten Situationen“.
Rechtlicher Rahmen
Organisation und Aufgaben von ATLAS5
Die Kooperation und der institutionelle Zusammenschluss der europäischen polizeilichen
Antiterroreinheiten erfolgt mit Beschluss des Rates der Europäischen Union über Initiative
von Österreich vom 29. Dezember 2006.6
Zweck des Beschlusses des Rates ist die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den
Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Krisensituationen.
Die Grundzüge der ATLAS-Ausrichtung sind in der ATLAS-Konvention enthalten. Dabei
handelt es sich um die grundsätzliche Zielausrichtung von ATLAS, die von allen
Einheitskommandanten der Mitgliedseinheiten in Brüssel unterzeichnet wurde.7
Die ATLAS-interne Kommunikationsplattform wird von Europol betrieben. Diesbezüglich
besteht ein Vertrag mit Europol8.
4 Initiative der Republik Österreich zur Annahme eines Beschlusses des Rates über die Verbesserung der
Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Krisenfällen,
2006/C 321/15
5 Amtsblatt der Europäischen Union, L 210/73: Beschluss 2008/617/JI des Rates vom 23.06.2008
6 Initiative der Republik Österreich zur Annahme eines Beschlusses des Rates über die Verbesserung der
Zusammenarbeit zwischen den Spezialeinheiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Krisenfällen,
2006/C321/15
7 ATLAS-Konvention, Brüssel
25
Antiterrorstrategie der EU (Solana-Sicherheitsstrategie)
Die Antiterrorstrategie der EU hat sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 völlig
verändert. Nicht nur diese Anschlagsserie, sondern auch die Anschläge in Madrid am 11.
März 2004 (191 Tote, über 2.000 Verletzte) sowie jene in London am 7. Juli 2005 (56 Tote,
mehr als 700 Verletzte) haben zu einem geeinten Vorgehen der Europäischen Union zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus geführt.
Die Gründungssitzung von ATLAS vom 15. Oktober 2001 über Anweisung der EUInnenminister war nur einer der Ausflüsse einer gesamtheitlichen neuen europäischen
Antiterrorstrategie.
In weiterer Folge wurde in einer Sonder-Innenministertagung Ende 2001 die „Counter
Terrorist Group“ (CTG) geschaffen.
Ende 2003 wurde die sogenannte Solana-Sicherheitsstrategie erarbeitet.9 Dabei wurden
unter dem Schlagwort „Ein sicheres Europa in einer sicheren Welt“ folgende Maßnahmen
gesetzt:
•
Informationsvernetzung;
•
EU-weit akkordiertes Vorgehen;
•
Errichtung eines Analyse- und Lagezentrums (Sitcen);
•
Definition von Terrorismus als eine der fünf Hauptbedrohungen (neben Proliferation
von
Massenvernichtungswaffen,
organisierte
Kriminalität,
failed/falling
States,
regionale Konflikte);
•
Erstellung eines Terrorismusaktionsplans.
Am 11. März 2004 erfolgten die Anschläge von Madrid. Noch im März 2004 wurde die
Terrorismusbekämpfung als Schwerpunkt am Rat für Justiz-Inneres und beim Europäischen
Rat festgelegt.
8 Vertrag mit Europol bezüglich Atlas communication platform
9 Solana-Sicherheitsstrategie, Europäischer Rat in Thessaloniki vom 20.06.2003
26
Antiterrorstrategie der EU
Nach den Anschlägen von London im Jahr 2005 erfolgte ein weiterer Schritt im
gemeinsamen Vorgehen der Europäischen Union gegen den weltweiten Terrorismus.
Unter dem Vorsitz von Großbritannien erfolgte die Festlegung der EU-Antiterrorstrategie.
Unter der offiziellen Bezeichnung: „The European Union Counter-Terrorism Strategy“10
wurde eine Schwerpunktsetzung in vier Arbeitsfelder vorgenommen, nämlich
•
Prävention;
•
Schutz;
•
Verfolgung;
•
Reaktion.
In dieser EU-Antiterrorstrategie wird das „Strategische Engagement“ festgelegt: „Terrorismus
weltweit bekämpfen und dabei die Menschenrechte achten, Europa sicherer machen und es
seinen Bürgern ermöglichen, in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu
leben“.
In dieser Antiterrorstrategie wird einleitend festgestellt, dass Terrorismus eine Bedrohung für
alle Staaten und Völker ist. Er stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit, die Werte
unserer demokratischen Gesellschaft und die Rechte und Freiheiten der EU-Bürger dar,
insbesondere deshalb, weil er wahllos unschuldige Menschen trifft. Terrorismus ist ein
Verbrechen und unter keinen Umständen zu rechtfertigen.
Weiters wird einleitend festgestellt, dass die Europäische Union ein Raum wachsender
Offenheit ist, in dem die inneren und äußeren Aspekte der Sicherheit eng miteinander
verknüpft sind. Sie ist ein Raum immer stärker werdender Verflechtungen, der die
Freizügigkeit von Menschen, Ideen, Technologien und Ressourcen ermöglicht. Terroristen
missbrauchen ein solches Umfeld, um ihre Ziele zu verfolgen. Vor diesem Hintergrund ist ein
konzertiertes und gemeinsames Vorgehen Europas in einer solidarischen Gesinnung
unerlässlich, damit der Terrorismus bekämpft wird.
10 EU-Antiterrorstrategie, Rat für Justiz und Inneres vom Dezember 2005
27
In den vier Säulen der EU-Antiterrorstrategie werden kurz zusammengefasst folgende Ziele
festgelegt:
PRÄVENTION11:
Im Mittelpunkt der Präventionsbemühungen steht die Bekämpfung der Radikalisierung und
der Anwerbung von Menschen für Terrorgruppen wie Al Qaida und die von Al Qaida
inspirierten Gruppen, zumal diese Form des Terrorismus derzeit die größte Bedrohung für
die Union in ihrer Gesamtheit darstellt.
Es wird dabei die Zielsetzung festgelegt, die Methoden, die Propaganda und die
Voraussetzungen, durch die Menschen zum Terrorismus gelangen, frühzeitig zu erkennen
und zu bekämpfen.
Zentrale Prioritäten für das Arbeitsfeld Prävention sind unter anderem:
•
Entwicklung
gemeinsamer
Konzepte
zur
Erkennung
und
Bewältigung
problematischer Verhaltensweisen, insbesondere des Missbrauchs des Internet;
•
Bekämpfung von Aufstachelung und Anwerbung insbesondere in wichtigen
Umfeldern wie Haftanstalten, Stätten religiöser Unterweisung;
•
Entwicklung einer Medien- und Kommunikationsstrategie;
•
Entwicklung des Dialogs zwischen den Kulturen innerhalb und außerhalb der Union
•
Forschung und Weitergabe von Analysen und Erfahrungen.
SCHUTZ12:
Ziel für dieses Arbeitsfeld ist die Verbesserung der Abwehrmaßnahmen bei wichtigen Zielen,
um die Verwundbarkeit gegenüber Anschlägen und die Auswirkungen, die ein Anschlag
hätte, zu verringern.
Teil dieser Schutzstrategie ist neben der Verbesserung der Schutzmaßnahmen, die vor
allem im nationalen Bereich wahrgenommen werden muss, der verbesserte Schutz der EUAußengrenzen.
11 Verweis auf Abschnitt Prävention in der EU Antiterrorstrategie
12 Verweis auf Abschnitt Schutz in der EU Antiterrorstrategie
28
Bei dieser Maßnahme wird vor allem auf technologische Verbesserungen, aber auch auf
Erhebung und Austausch von Passagierdaten sowie auf die Aufnahme biometrischer
Informationen in Identitäts- und Reisedokumenten abgestellt.
Zu diesem Zweck wurde unter anderem die Europäische Agentur FRONTEX, das VisaInformationssystem oder das Schengen Informationssystem geschaffen bzw. ausgebaut.
Zentrale Prioritäten des Arbeitsfeldes Schutz sind unter anderem:
•
Verbesserung der Sicherheit von EU-Pässen;
•
Einrichtung
des
Visa-Informationssystems
und
des
SIS
II
(Schengen
Informationssystem);
•
Entwicklung wirksamer Risikoanalysen für die EU-Außengrenzen mittels FRONTEX;
•
gemeinsame Standards für die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs, der Häfen und des
Seeverkehrs;
•
Annahme eines europäischen Programms zum Schutz kritischer Infrastrukturen;
•
optimale Nutzung der Forschungstätigkeit auf EU- und Gemeinschaftsebene.
VERFOLGUNG13:
Ziel der Verfolgungsmaßnahmen ist es, Terrorplanung zu verhindern, Terrornetzwerke zu
zerschlagen, die Tätigkeit derer, die Menschen für den Terrorismus anwerben, zu vereiteln,
Terrorismusfinanzierung den Zugang zu Anschlagsmaterial zu beenden sowie dafür zu
sorgen, dass Terroristen vor Gericht gestellt werden, und dabei die Menschenrechte und das
Völkerrecht zu achten.
Dabei sollen die Mitgliedstaaten – wie im Haager Programm14 vorgesehen – die Sicherheit
der Union als Ganzes im Blick haben, wenn sie für die nationale Sicherheit sorgen.
Dazu ist die Herausbildung einer gemeinsamen Auffassung von der Bedrohung grundlegend
für die Entwicklung gemeinsamer Maßnahmen zur Reaktion auf die Bedrohung.
13 Verweis auf Abschnitt Verfolgung in der EU-Antiterrorstrategie
14 Verweis auf Haager Programm
29
Die Bewertungen des gemeinsamen Lagezentrums, die auf den Beiträgen der nationalen
Sicherheits- und Nachrichtendienste sowie Europols basieren, sollen weiterhin Grundlage für
Entscheidungen im gesamten Spektrum der EU-Politik sein.
Instrumente wie der Europäische Haftbefehl15 erweisen sich als wichtige Werkzeuge für die
Verfolgung von Terroristen über die Grenzen hinweg.
Dem Informationsaustausch über Europol und Eurojust wird dabei eine wichtige Rolle
eingeräumt16.
Zentrale Prioritäten für das Arbeitsfeld Verfolgung sind unter anderem:
•
Stärkung der einzelstaatlichen Fähigkeiten zur Terrorismusbekämpfung;
•
uneingeschränkte Nutzung von Europol und Eurojust;
•
gegenseitige
Anerkennung
gerichtlicher
Entscheidungen
mit
dem
Ziel
der
Europäischen Beweisanordnung;
•
Verhinderung des Zugangs von Terroristen zu Waffen und Sprengstoffen, von selbst
hergestellten Explosivstoffen bis hin zu CBRN-Material (chemical, biological,
radioactive, nuclear).
REAKTION17:
Hier wird eingeräumt, dass die Gefahr von Terroranschlägen nicht vollständig abgewendet
werden kann.
In Reaktion auf Anschläge empfiehlt hier die Strategie, bestehende Krisen- und
Katastrophenschutzvorkehrungen zu nutzen und nicht gesonderte – und somit isolierte
Notfallmaßnahmen zu ergreifen.
Bei Ereignissen mit grenzüberschreitender Wirkung ist es notwendig, kurzfristig operative
Informationen und Angaben zu weiteren Maßnahmen auszutauschen und gegenseitige
15 Europäische Justizielle Zusammenarbeit
16 Verweis auf Europol und Eurojust
17 Verweis auf Abschnitt Reaktion in der EU Antiterrorstrategie
30
operative Unterstützung zu leisten, wobei verfügbare Mittel, einschließlich militärische
Ressourcen, eingesetzt werden.
Die Mitgliedstaaten tragen die Hauptverantwortung dafür, im Falle eines terroristischen
Anschlags im eigenen Hoheitsgebiet die Notfallmaßnahmen zur Krisenbewältigung
einzuleiten.
Zentrale Prioritäten für das Arbeitsfeld Reaktion sind unter anderem:
•
Festlegung von Vereinbarungen der EU in Bezug auf die Koordinierung im Krisenfall;
•
Überarbeitung der Rechtsvorschriften für das Katastrophenschutzverfahren der
Gemeinschaft;
•
Entwicklung der Risikobewertung als Instrument, das dem Aufbau von Fähigkeiten
zur Reaktion auf einen Angriff zugrunde liegt;
•
Austausch von bewährten Praktiken und Entwicklung von Konzepten für die
Betreuung von Terrorismusopfern und ihren Familien.
Die Auswirkungen des Vertrages von Lissabon auf den Bereich Justiz/Inneres18
Der Vertrag von Lissabon (VvL) wurde am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet
und ist am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten. Der Vertrag von Lissabon soll die EU
demokratischer, handlungsfähiger und effizienter gestalten und sie für eine Erweiterung auf
möglicherweise 30 oder mehr Mitgliedstaaten bereit machen.
18 Entnommen aus „Der Vertrag von Lissabon – Auswirkungen auf den JI-Bereich“, Dr. Antonio Martino, BM.I,
Abteilung I/7 – EU-Koordination
31
Das Europäische Parlament wird durch die Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens
zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, durch neue Haushaltskompetenzen und
Zustimmungsrechte wesentlich gestärkt.
Das „Demokratiedefizit“ der EU soll insgesamt durch den VvL reduziert werden. So gibt es
beispielsweise das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative19 – mindestens eine Million
wahlberechtigte Unionsbürger aus einer „erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten“ können eine
Initiative ergreifen und die Kommission auffordern, einen Rechtsakt zu einem bestimmten
Thema zu unterbreiten.
Der Vertrag von Lissabon ändert den Vertrag über die Europäische Union (EUV) und den
Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Gleichzeitig übernimmt
er einen großen Teil der Neuerungen des Verfassungsvertrages (VVE).
Inhaltliche Änderungen an den bestehenden Verträgen werden durch den VvL in den EUV
und in den EGV, umbenannt in „Vertrag über die Arbeitsweise der Union“ (AEUV),
eingearbeitet.
Beide Verträge (EUV und AEUV) sind rechtlich gleichrangig.
Die Säulenstruktur wird aufgelöst.
Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) wird im AEUV im Dritten Teil
AEUV, Titel V, geregelt.
Kapitel 1: Allgemeine Bestimmungen
Kapitel 2: Politik im Bereich Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung
Kapitel 3: Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen
Kapitel 4: Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
Kapitel 5: Polizeiliche Zusammenarbeit
Der gesamte JI-Bereich (Justiz/Inneres) unterliegt der geteilten Zuständigkeit: EU und
Mitgliedstaaten können in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche
19 Verweis auf europäische Bürgerinitiative
32
Rechtsakte erlassen. Die Mitgliedstaaten tun dies jedoch nur, soweit die Union ihre
Zuständigkeit nicht ausgeübt hat. Auch können die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit erneut
wahrnehmen, wenn die Union beschlossen hat, diese nicht mehr auszuüben.
Die Mitgliedstaaten bleiben wie bisher für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung
und den Schutz der inneren Sicherheit zuständig.
Mit dem VvL soll weiters die Handlungsfähigkeit von Europol gestärkt werden: Die Union
kann künftig nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen den
Aufbau, die Arbeitsweise sowie die Tätigkeit und die Aufgaben Europols regeln.
Primärrechtlich ist daher eine Überarbeitung der Rechtsgrundlage Europols vorgegeben.
Diese ist noch nicht erfolgt20.
Der VvL sieht einen neuen Ausschuss vor (Ständiger Ausschuss für die innere Sicherheit –
COSI). Der Rat hat mittels Beschluss für COSI ein Mandat angenommen, das die
primärrechtlichen Vorgaben präzisiert – COSI soll beispielsweise die operativen Aktionen der
Behörden der Mitgliedstaaten erleichtern, fördern und stärken.
Die Terrorismusbekämpfung im VvL fällt weiterhin unter den Bereich der Polizeilichen und
Justizellen Zusammenarbeit in Strafsachen – Titel V, Kapitel 3 und 5, AEUV – es gibt aber
verschiedene explizite Verweise auf die Terrorbekämpfung:
Art. 43 EUV: Abs. 1 beinhaltet gegenüber der Vorgängerregelung der Art. 1 EUV-alt eine
Ausweitung jener Missionen („Petersberg-Aufgaben“), die im Rahmen der GSVP
durchgeführt werden (militärische Beratung, Unterstützung, Konfliktlösung).
Art. 75 AEUV: Diese Bestimmung ersetzt Art. 60 EGV mit einigen inhaltlichen Änderungen.
Einerseits wird der Schwerpunkt der Norm von dem Gebiet des Kapital- und
Zahlungsverkehrs bzw. der allgemeinen Außenpolitik zur Terrorismus-Bekämpfung verlagert.
Andererseits stellt diese Bestimmung auch insofern eine Neuerung gegenüber den
bestehenden Verträgen dar, als die Union ausdrücklich ermächtigt wird, Maßnahmen zur
Beschränkung wirtschaftlicher Aktivitäten von natürlichen oder juristischen Personen bzw.
von Gruppierungen zu setzen, wenn dies zur Terrorismusbekämpfung erforderlich ist.
20 Quelle für Europol
33
Art. 75 AEUV ist in seinem Anwendungsbereich auf die Verhütung und Bekämpfung von
Terrorismus und damit verbundener Aktivitäten eingeschränkt. In diesen Fällen erlässt der
Rat nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen einen Rahmen für
Verwaltungsmaßnahmen in Bezug auf Kapitalbewegungen und Zahlungen. Zu diesen kann
das Einfrieren von Geldern, finanziellen Vermögenswerten oder wirtschaftlichen Erträgen
gehören,
deren
Eigentümer
oder
Besitzer
natürliche
oder
juristische
Personen,
Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten sind. Solche Rechtsakte müssen jedenfalls die
„erforderlichen“
Bestimmungen
über
den
Rechtsschutz
enthalten
(diesbezügliche
Ergänzungen durch Erklärung Nr. 25 zu Art. 75 und 216 AEUV).
Art. 109 AEUV: In Bezug auf die Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und damit
verbundenen Aktivitäten stellt er eine besondere Rechtsgrundlage für Finanzsanktionen
gegen einzelne und nichtstaatliche Akteure innerhalb der Union dar und ist damit eine
Nachfolgebestimmung für Art. 60 EGV.
Der Prümer Vertrag
Am 27. Mai 2005 wurde im kleinen deutschen Ort Prüm der Vertrag zwischen dem
Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der
Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande
und
der
Republik
Zusammenarbeit,
Österreich
insbesondere
grenzüberschreitenden Kriminalität
über
zur
die
Vertiefung
Bekämpfung
der
des
grenzüberschreitenden
Terrorismus,
der
und der illegalen Migration (Prümer Vertrag)21
unterzeichnet.
Der Vertrag trat am 1. November 2006 für Österreich und Spanien in Kraft. Mit Juni 2009 war
der Vertrag für alle Unterzeichner in Kraft (Deutschland mit 23. November 2006) und es sind
weiters Finnland, Slowenien, Ungarn, Estland, Rumänien, die Slowakei und Bulgarien dem
Vertrag beigetreten. Der Prümer Vertrag stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der
polizeilichen Zusammenarbeit dar und bietet für die grenzüberschreitende polizeiliche
Zusammenarbeit eine ausgezeichnete Rechtsgrundlage. In diesem Zusammenhang sind
folgende Bestimmungen zu nennen:
21 BGBl III Nr. 210/2005
34
Art. 13 – Übermittlung von nicht personenbezogenen Informationen (bei
Großveranstaltungen mit grenzüberschreitendem Bezug);
Art. 14 – Übermittlung von personenbezogenen Daten (bei Großveranstaltungen mit
grenzüberschreitenden Bezug);
Art. 16 – Übermittlung von Informationen zur Verhinderung von terroristischen Straftaten;
Art. 24 – Gemeinsame Einsatzformen (mit der Möglichkeit zur Betrauung mit hoheitlichen
Befugnissen);
Art. 26 – Hilfeleistung bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen.
Mit dem Beschluss 2008/615/ji des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus
und grenzüberschreitenden Kriminalität wurden wichtige Bestimmungen des Prümer
Vertrags in die EU übergeführt. Dies betrifft unter anderem die oben angeführten
Bestimmungen der Artikel 13, 14, 16, 24 und 26. Dieser Rechtsakt erleichtert die
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei Großveranstaltungen wesentlich.
Das Schengener Durchführungsübereinkommen
Das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) ist das zentrale Rechtsinstrument
der polizeilichen Zusammenarbeit in der EU.
Das SDÜ sieht in Titel III, Kapitel 1 umfassende Möglichkeiten der Zusammenarbeit
zwischen den Polizeidiensten der Mitgliedstaaten vor.
Leitfaden zur Vermeidung von Terroranschlägen bei Olympischen Spielen und
anderen vergleichbaren Sportveranstaltungen
Über Initiative Griechenlands wurden vom Rat am 19. Februar 2004 Empfehlungen
betreffend einen Leitfaden über die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zur
Vermeidung von Terroranschlägen bei Olympischen Spielen und anderen vergleichbaren
Sportveranstaltungen22 beschlossen.
22 Es ist als Dokument des Rates 5744/04 vom 29. Januar 2004 im Internet abrufbar.
http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/04/st05/st05744.de04.pdf, Stand vom 6. Juni 2009
35
Der
Leitfaden befasst sich mit
der
Abwendung terroristischer Bedrohungen bei
Sportgroßveranstaltungen und verweist unter anderem auf das Fußball-Handbuch. Im
Leitfaden werden folgende Themen behandelt: Beurteilung der Bedrohungslage und
Risikoanalyse; Informationsmanagement; die Einrichtung einer ständigen Kontaktstelle; die
Entsendung von Verbindungsbeamten; die Verantwortlichkeiten der beteiligten Behörden
und Dienste im veranstaltenden Mitgliedstaat; operative Maßnahmen; Maßnahmen in Bezug
auf den Grenzübertritt; Evaluierung und Überwachung; Schulung.
3.2 Air Marshals
Air Marshals in Österreich
Im Jahr 1981 wurde zwischen dem österreichischen Innenministerium und den Austrian
Airlines ein Kooperationsvertrag zur Sicherung von Linienflügen abgeschlossen.
Damals war diese Konzept weltweit (gemeinsam mit der Schweiz und Israel) bahnbrechend
und wurde zunächst nur in wenigen Ländern eingerichtet.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 fragten Polizeieinheiten der ganzen Welt
beim österreichischen Innenministerium nach, wie in Österreich die Flugsicherung
durchgeführt wird. Das österreichische Konzept des EKO Cobra wurde von vielen Staaten
übernommen.
2004 überzeugte sich US-Justizminister John Ashcroft von den Leistungen der
österreichischen Anti-Terroreinheit Cobra und interessierte sich besonders für die Aufgaben
der Cobra-Mitglieder als Air Marshals.
Mit den USA, Kanada, Deutschland, Schweiz und Tschechien wurden bereits Memoranda of
Understanding
unterzeichnet.
International
sind
mit
weiteren
Ländern
bilaterale
Vereinbarungen in diesem Zusammenhang geplant (z. B. Indien).
Bei einem Flug nach Afrika konnte 1996 die Entführung einer Aeroflot-Maschine von CobraAir-Marshals verhindert werden. Die Air Marshals überwältigten den Hijacker, der mit einer
Stichwaffe gedroht hatte, noch während des Fluges.
36
Internationale Verbunde nach 9/11
Eine wesentliche Folge der Anschläge von 9/11 war neben der Errichtung zahlreicher
nationaler Flugbegleiteinheiten vor allem der internationale Zusammenschluss und die
Vernetzung der für die Sicherung der Zivilluftfahrt verantwortlichen Organisationen.
Internationale Workshops
Bereits im Jänner 2002 fand aufgrund zahlreicher internationaler Anfragen ein Workshop in
der Ausbildungs- und Einsatzzentrale des Einsatzkommandos Cobra in Wiener Neustadt
statt, in dessen Rahmen das Programm des Kommandos für Sicherheitsbeauftragte und die
Sofortmaßnahmen nach 9/11 präsentiert wurden. Länder wie Frankreich, Deutschland,
Portugal,
Italien,
Spanien
und
Dänemark,
die
bis
zu
diesem
Zeitpunkt
keine
Sicherheitsbeauftragten hatten, schickten Vertreter ihrer polizeilichen Spezialeinheiten, um
das österreichische Programm für ihre nationalen Vorkehrungen zu übernehmen.
Im Oktober 2002 fand eine weitere Veranstaltung in Israel mit zusätzlichen Vertretern aus
den USA und anderen Übersee-Ländern als 1. International Air Marshal Conference (IAMC)
statt.
Das Ziel dieses Treffens diente vorrangig, um
•
Know-how und Erfahrungen weiterzugeben,
•
gegenseitige Unterstützung in der Aus- und Fortbildung zu gewähren,
•
auf der Basis der jeweiligen rechtlichen Grundlagen Zwischenfälle aufzuarbeiten und
zu analysieren.
Ein strategisches Ziel dieser Veranstaltungen war, ein internationales Netzwerk für AirMarshal-Einheiten zu schaffen, in dem ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch erfolgt,
aktuelle
Bedrohungsfälle
weitergegeben
und
vor
allem
gemeinsame
Aus-
und
Fortbildungsworkshops abgehalten werden.
Nach jährlichen IAMC-Meetings, von denen bis 2008 drei von Österreich ausgerichtet
wurden, kam es 2009 zur Unterzeichnung der Gründungsurkunde des International In-/Flight
Security Officer Committee.
37
International In-/Flight Security Officer Committee (IIFSOC)
Am 27. August 2009 wurde im Rahmen einer internationalen Air-Marshal-Konferenz von
verantwortlichen Repräsentanten der Flugdiensteinheiten aus 14 Staaten die Urkunde des
International In-/Flight Security Officer Committee (IIFSOC) unterzeichnet.23 Das Steering
Board wird von den Initiatoren der bis dahin stattgefundenen Air-Marshal-Konferenzen
gebildet
und
wird
repräsentiert
von
Australien,
Kanada,
Tschechien,
Frankreich,
Deutschland, Holland, Schweiz, Großbritannien, den USA und Österreich.
Die im Artikel III der Statuten beschriebenen Ziele umfassen neben einer möglichst
weltweiten Erfassung sämtlicher Fachorganisationen und einer offenen gegenseitigen
Unterstützung vor allem den Punkt der Überprüfung und des Austauschs der Erfahrungen im
Training und in Einsätzen.
Dazu steht den Unterzeichnerländern ein von den USA erstelltes und betreutes, geschütztes
Internetportal zur Verfügung, über das jederzeit Fragen gestellt und Themen bearbeitet
werden können.
Neben den in Artikel VI vorgegebenen jährlichen Treffen der Gremien ist jedenfalls ein
Workshop pro Jahr für Air-Marshal-Trainer vorgesehen, dessen Ergebnisse dem Steering
Board zu berichten sind. Bi- und multilaterale Austauschprogramme werden im direkten Weg
wahrgenommen und neue Erkenntnisse werden der Vereinigung über das Portal zur
Verfügung gestellt.
Der Prümer Vertrag und seine Auswirkung auf die gemeinsame Aus- und Fortbildung
von Air Marshal
Am 27. Mai 2005 haben in Prüm/Eifel die sieben europäischen Staaten Belgien,
Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Spanien einen Vertrag
über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur
23 International In-/Flight Security Officer Committee, Charter and By- Laws, vom 27. August 2009, mit
Genehmigung des Bundesministeriums für Inneres, vom 30. Juni 2009; Zahl BMI-PA/2280/0504-I/1/d/2009
durch einen Vertreter des Einsatzkommando Cobra in Zürich unterzeichnet. Unterzeichnerstaaten sind, neben
Österreich, Australien, Kanada, China, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Israel, Jordanien, Holland, Polen,
Schweiz, Großbritannien und die USA.
38
Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen
Migration unterzeichnet (Prümer Vertrag)24.
Das Kapitel 3 des Vertrages widmet sich den Maßnahmen zur Verhinderung terroristischer
Straftaten durch eine Verbesserung des Informationsaustausches zur Verhinderung
terroristischer Straftaten und den Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern25.
Flugsicherheitsbegleiter
im
Sinne
des
Prümer
Vertrages
(Art
17
Abs.
2)
sind
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die die Aufgabe haben, die Sicherheit an Bord von
Luftfahrzeugen aufrechtzuerhalten.
Nach Artikel 17 Absatz 3 unterstützen sich die Vertragsparteien gegenseitig bei der Ausund Fortbildung von Flugsicherheitsbegleitern und arbeiten in Fragen der Ausrüstung von
Flugsicherheitsbegleitern eng zusammen.
Auch über diese internationale Schiene ist eine Basis für die direkte und unmittelbare
Zusammenarbeit möglich, da die nach Artikel 19 zu nennende nationale Kontakt- und
Koordinierungsstelle in Österreich das Einsatzkommando Cobra ist.
Die internationalen Meetings und Workshops werden grundsätzlich über die International Air
Marshal Conference bzw. über IIFSOC veranstaltet und kommen nicht explizit nach den
Grundlagen des Prümer Vertrages zustande.
3.3 Südschiene
Unter „Südschiene“ versteht man die Kooperation (Arbeitsgemeinschaft) der süddeutschen
Sondereinsatzkommanden, der auch das EKO Cobra angehört.
24 Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der
Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik
Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des
Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration samt Erklärungen der Republik
Österreich und gemeinsame Erklärung
25 Flugsicherheitsbegleiter ist der Terminus in der deutschen Fassung des Vertrags; er deckt sich mit dem in
Deutschland verwendeten Terminus (Vgl. Punkt 6.1 – Begriffsdefinition).
39
Entstehung der Südschiene
Ausschlaggebend
für
die
Entstehung
der
Südschiene
im
Bereich
der
Spezialeinsatzkommanden war die Geiselnahme von Gladbeck im August 1988. Die
Erfahrungen von Gladbeck wurden in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aufgearbeitet. Der
daraus resultierende Erfahrungsbericht wurde mit einer Empfehlung der Konferenz der
Innenminister der BRD vorgelegt.
Das SEK Rheinland-Pfalz lud danach zu einer Arbeitsbesprechung nach EnkenbachAlsenborn ein, an der Vertreter der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen,
Saarland, Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen teilnahmen.
Über die GSG 9 wurde auch das EKO Cobra zu dieser Besprechung eingeladen.
Diese Arbeitstagung am 8. Oktober 1989 war die Geburtsstunde der Südschiene. Die
wesentlichen Inhalte der Besprechung waren auch die Gründe für das weitere Bestehen der
Südschiene. Auf der Grundlage dieser Besprechung folgten in den darauffolgenden Jahren
weitere Absprachen und Tagungen.
Jährlich werden Leiter-Besprechungen und Workshops zu speziellen Einsatzgebieten wie
Einsatztaktik, Präzisionsschützen, Sprengen, Medic-Teams, Höhenintervention-Seiltechnik,
Einsatztechnik und anderen aktuelle Themen (Einsätze) veranstaltet.
Dies ist die Grundvoraussetzung für eine länderübergreifende Zusammenarbeit, die sich
bereits
mehrfach
in
Deutschland
sowie
bei
grenzüberschreitenden
Einsätzen
(Geiselnahmen) mit Österreich bestätigt hat.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Mit Österreichs Nachbarn, zum Beispiel mit den SEK in Bayern und Baden-Württemberg,
besteht ein reger Kontakt und es werden immer wieder gemeinsame Übungen durchgeführt.
Selbstverständlich sind bei derartigen Einsatzübungen auch die Führungs- und Einsatzstäbe
der Sicherheitsdirektionen und Landespolizeikommanden eingebunden.
Diese Zusammenarbeit und das gegenseitige persönliche Kennenlernen sind wesentliche
Bestandteile für die erfolgreiche Abwicklung grenzüberschreitender Einsätze wie zum
Beispiel bei der grenzüberschreitenden Geisellage nach einem Banküberfall in Vorarlberg,
40
bei einer Entführung eines Kindes durch den Vater in Wien in den bayrischoberösterreichischen Grenzraum und bei schweren Raubdelikten und unterstreicht die
ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den Nachbarn.
41
42
4. Anhang
4.1 Geschichte des Einsatzkommandos Cobra
Die erfolgreiche Bestandsgeschichte der Cobra ist eng verbunden mit einem dynamischen
Führungsteam und vor allem mit dem persönlichen Engagement jedes einzelnen
Angehörigen der Einheit. Eine Vielzahl von heiklen, oft aufsehenerregenden Einsätzen
wurde erfolgreich bewältigt, aber auch Rückschläge sind Teil der Geschichte der Cobra. Der
gelebte Anspruch auf Professionalität und auf ein möglichst minimiertes Fehlerpotenzial in
der Aufgabenbewältigung waren jedoch seit jeher die Parameter für die ständige
Weiterentwicklung der Arbeitsweisen und der Einsatzstrukturen der Cobra.
Gesellschaftliche Entwicklungen,
schützenden
Bürgerinnen
und
vor
allem aber
Bürger
bilden
das Sicherheitsbedürfnis
immer
die
Grundlage
der
für
zu
die
Aufgabenbewältigung, die Effektivität und die am demokratischen Gesamtziel ausgerichtete
Zielsetzung der öffentlichen Verwaltung und vor allem der Sicherheitsexekutive.
Geopolitische Entwicklungen sowie veränderte sicherheitspolitische Bedingungen führten
auch zur ständigen Anpassung und Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen und des
Aufgabenrahmens der Cobra. Das Einsatzkommando Cobra wurde in der mehr als 30jährigen Geschichte mehrmals grundlegenden Änderungen unterzogen.
Darüber hinaus war und ist der selbst auferlegte Anspruch auf Professionalität bei der
Aufgabenbewältigung und der Auftrag zur zeitgemäßen Bekämpfung terroristischer und
krimineller Erscheinungsformen für die Kommandoführung der Cobra die entscheidende
Motivation, die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen.
Die Entstehungs- und Bestandsgeschichte der Sondereinheit des Bundesministeriums für
Inneres stellt einen Teil Zeitgeschichte dar.
1. Mai 1973 bis 31. März 1978
Vom „Gendarmeriekommando Bad Vöslau“ über das „Gendarmeriebegleitkommando Wien“
zum „Gendarmerieeinsatzkommando“
Am 1. Mai 1973 wurde das „Gendarmeriekommando Bad Vöslau“ installiert. Schon seit cirka
einem Jahr hatten Beamte der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für
Niederösterreich die Sicherung der per Eisenbahn aus der früheren UdSSR über
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Marchegg/Hohenau einreisenden jüdischen Emigranten übernommen und die Flugzeuge der
Fluglinie EL-AL gesichert, mit denen die Auswanderer vom Flughafen Wien-Schwechat nach
Israel ausreisten.
Das stete Anwachsen der Emigrantenzahl veranlasste die Generaldirektion für die öffentliche
Sicherheit, eine kleine Spezialeinheit aufzustellen, deren ausschließliche Aufgabe es sein
sollte, die Transporte und die Unterkunft der Emigranten im Schloss Schönau an der
Triesting im Bezirk Baden zu sichern.
In diesem Schloss Schönau war das „Gendarmeriekommando Bad Vöslau“ vor seiner
Übersiedlung in die Burstyn-Kaserne in Zwölfaxing vorübergehend vom 18. Dezember 1973
bis 30. September 1974 untergebracht. Vom 14. Februar 1978 bis 17. Oktober 1992 war das
Schloss Schönau Hauptquartier des „Gendarmerieeinsatzkommandos“.
Obwohl der Terror Anfang der 1970er-Jahre erschreckende Ausmaße angenommen hatte
und der Terroranschlag auf die israelische Mannschaft am 5. September 1972 während der
Olympischen Spiele in München die Welt schockiert hatte, schien Österreich bis zu diesem
Zeitpunkt kein Zielland für terroristische Aktivitäten zu sein.
Dies änderte sich, als am 28. September 1973 zwei schwerbewaffnete palästinensische
Terroristen der Terrororganisation „El Saika“ („Adler der Revolution“) mit einem
Eisenbahnzug aus Devinskà Nova Ves (in der damaligen CSSR gelegen) kommend am
Grenzbahnhof Marchegg österreichisches Staatsgebiet erreichten und ein jüdisches
Auswanderer-Ehepaar und einen österreichischen Zollbeamten als Geiseln nahmen.
Die Geiselnahme verlief zum Glück unblutig, hinterließ aber einen tiefen Schock. War die
Sicherung der Emigrantentransporte bis zu diesem Zeitpunkt erst ab dem Wiener
Ostbahnhof erfolgt, so wurden nunmehr auch die über Marchegg und Hohenau kommenden
Züge aus der Sowjetunion schon ab den Grenzbahnhöfen von den Beamten des
„Gendarmeriekommandos Bad Vöslau“ übernommen und bis zum Wiener Ostbahnhof
begleitet. Die damit verbundene Personalaufstockung machte die vorübergehende
Übersiedelung in das Schloss Schönau notwendig, die mit 18. Dezember 1973 erfolgte.
Mit 1. September 1974 übersiedelte es als nunmehriges „Gendarmeriebegleitkommando
Wien“ von Schönau in die Burstyn-Kaserne des Bundesheeres nach Zwölfaxing und wurde
direkt der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Bundesministerium für Inneres
unterstellt.
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Hauptaufgabe war im Wesentlichen die Begleitung der aus der UdSSR von Marchegg und
Hohenau kommenden Züge nach Wien. Dazu kamen fallweise Sicherungsaufgaben auf dem
Flughafen Wien-Schwechat.
Die Entführung und Ermordung des deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer
durch die RAF und die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach Mogadischu
gaben den Anstoß dafür, dass auch Österreich eine für das gesamte Bundesgebiet
zuständige Spezialeinheit zur Terrorbekämpfung erhielt.
Den entscheidenden Impuls, dass auch in Österreich eine Antiterroreinheit aufgestellt wurde,
setzte der damalige Innenminister Erwin Lanc. Er legte im Herbst 1977 der Bundesregierung
ein umfassendes Konzept vor, durch das die vorher vom „Gendarmeriebegleitkommando
Wien“ getroffenen Maßnahmen verstärkt werden sollten und deren Kernpunkt die Schaffung
des Gendarmerieeinsatzkommandos (GEK) mit einem Personalstand von 127 Beamten war.
Das Gendarmerieeinsatzkommando wurde mit 1. Jänner
1978 offiziell installiert und bezog am 14. Februar 1978
wiederum das Schloss Schönau.
1. April 1978 bis 30. Juni 2002
Nach der Gründung des GEK waren die nächsten Jahre neben den täglichen Diensten und
der damals schon umfassenden Ausbildung vom kontinuierlichen Aufbau der Sondereinheit
geprägt.
Das Gendarmerieeinsatzkommando war die dem Bundesministerium für Inneres unmittelbar
nachgeordnete
Organisationseinheit
der
österreichischen
Bundesgendarmerie
zur
Besorgung besonderer Aufgaben im öffentlichen Sicherheitsdienst. Im Einsatzfall unterstand
es direkt dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit. In Angelegenheiten des inneren
Dienstes war es dem Gendarmeriezentralkommando nachgeordnet. Gendarmeriebeamte
aus dem gesamten Bundesgebiet konnten sich zum Dienst bei dieser Sondereinheit melden.
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Die Aufgaben des Gendarmerieeinsatzkommandos ergaben sich aus der SondereinheitenVerordnung zum Sicherheitspolizeigesetz, die mit 1. Mai 1993 in Kraft getreten ist. Gemäß
dieser Verordnung oblag es dem Gendarmerieeinsatzkommando schwerpunktmäßig
•
gefährlichen Angriffen ein Ende zu setzen, wenn wegen der hiefür gegen Menschen
oder Sachen allenfalls erforderlichen Zwangsgewalt Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes mit besonderer Ausbildung benötigt werden, und solche Organe
auf lokaler oder regionaler Ebene nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen;
•
den vorbeugenden Schutz gemäß § 22 Abs. 1 Zif. 2 und 3 Sicherheitspolizeigesetz
bei erhöhter Gefährdungslage sicherzustellen (Personenschutz für höchst gefährdete
in- und ausländische Persönlichkeiten);
•
den Sicherheitsdienst an Bord österreichischer Zivilluftfahrzeuge sowie im Rahmen
diplomatischer Missionen auszuüben.
Aus diesen grundsätzlichen Regelungen ergaben sich für das GEK folgende Hauptaufgaben:
•
die gewaltsame Beendigung von Geiselnahmen;
•
die Festnahme bewaffneter und gefährlicher Gewaltverbrecher;
•
der Einsatz im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zur Unterstützung
kriminalpolizeilich tätiger Sondereinheiten;
•
der Schutz besonders gefährdeter Personen und Objekte;
•
der Sicherungsdienst an Bord von Flugzeugen der „Austrian Airlines Group“.
Bei
Großveranstaltungen
mit
unfriedlichem
Hintergrund
wurden
Beamte
des
Gendarmerieeinsatzkommandos auch für ordnungsdienstliche Aufgaben herangezogen.
Ausbildungs- und Einsatzzentrale Wiener Neustadt
In der Zwischenzeit – die Einheit war auf eine Personalstärke von fast 170 Beamten
angewachsen – konnte die Unterkunft im Schloss Schönau nicht mehr den personellen und
technischen Anforderungen gerecht werden.
Mit dem Neubau einer Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt wurde deshalb
dem
Gendarmerieeinsatzkommando
ein
modern
ausgestattetes,
funktionelles
Sicherheitszentrum geschaffen, das alle Möglichkeiten für eine effiziente Ausbildung und
zeitgemäße Unterbringung seiner Mitarbeiter bietet. Ab dem 26. Oktober 1992 hatte das
Gendarmerieeinsatzkommando seinen Sitz in Wiener Neustadt.
46
1. Juli 2002 – 30. Juni 2005
Einsatzkommando Cobra
Das Einsatzkommando Cobra wurde am 1. Juli 2002 mit den
vier Standorten Wiener Neustadt, Graz, Linz, Innsbruck – und
mit 1. Jänner 2003 mit weiteren drei operativen Außenstellen in
den Bundesländern Kärnten, Salzburg und Vorarlberg im
Vollbetrieb installiert.
Das Einsatzkommando Cobra ist die dem Bundesministerium für Inneres unmittelbar
nachgeordnete Sondereinheit der Österreichischen Sicherheitsexekutive zur Besorgung
besonderer Aufgaben im öffentlichen Sicherheitsdienst.
Im Einsatzfall untersteht es direkt dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit. In
Angelegenheiten des inneren Dienstes ist die Abteilung II/2 (Einsatzabteilung) des BM.I für
die Belange des EKO Cobra zuständig.
Die Cobra versteht sich als:
•
multifunktionaler Ansprechpartner in Fragen der Sicherheit;
•
verlässlicher Partner im täglichen Einsatz;
•
international anerkannte, regional verfügbare Antiterroreinheit.
Polizistinnen und Polizisten aus ganz Österreich können sich zum Dienst bei dieser
Sondereinheit bewerben.
Installierung des Einsatzkommandos Cobra
Vom Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser wurde im Herbst 2001 im Zuge der
weltweiten Evaluierung der Sicherheitssysteme nach den Terroranschlägen vom 11.
September 2001 der Auftrag erteilt, die Sondereinheitenstruktur in Österreich einer
grundlegenden Bewertung und erforderlichenfalls einer Reform zu unterziehen.
Die zur Evaluierung eingesetzte Arbeitsgruppe kam zum Ergebnis, dass trotz der damals
bestehenden
23
Spezialeinheiten
der
Sicherheitsexekutive
in
Österrreich
–
Gendarmerieeinsatzkommando, Mobile Einsatzkommanden der Bundespolizeidirektionen
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(MEK), Sondereinsatzgruppen der Landesgendarmeriekommanden (SEG) – folgende
Unzulänglichkeiten bestanden:
•
zu lange Anfahrtswege für das damalige Gendarmerieeinsatzkommando;
•
zu viele Führungsstrukturen;
•
unterschiedliche Ausbildungs- und Ausrüstungsstände;
•
begrenzte örtliche Zuständigkeiten (Stadt- und Bundesländergrenzen);
•
keine durchgehende Fallbearbeitungskompetenz für MEK und SEG.
Nach Bewertung der Ergebnisse der Evaluierungsgruppe wurde von der Ressortleitung der
Auftrag erteilt, ein Sondereinheiten-System unter Führung der Cobra zu entwerfen und zu
implementieren, das folgende Parameter erfüllen soll:
•
in 70 Minuten muss jeder Punkt in Österreich erreicht werden;
•
einheitliche Führungsstruktur;
•
einheitliche Ausrüstungs- und Ausbildungsstandards;
•
international kompatibel;
•
durchgehende Falllösungskompetenz;
•
Integration der bestehenden MEK und SEG.
Diese Vorgaben wurden mit der neuen Organisationseinheit des Einsatzkommandos Cobra
erfüllt.
Seit 1. Juli 2005
Einsatzkommando Cobra – Neuer Standort Wien
Im Zuge des Projektes „team04 – die neue Exekutive“ wurde mit 1. Juli 2005 zusätzlich zu
den bisherigen Standorten in den Bundesländern der EKO Cobra Standort Wien in der
Rossauerkaserne installiert. Das Personal des Standortes Wien wurde aus jenem des
vormaligen Polizeieinsatzkommandos (PEK), das bis zu diesem Zeitpunkt ein Teil der
Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) war, übernommen.
Das Einsatzkommando Cobra verfügt nunmehr österreichweit über einen Personalstand von
rund 450 Beamten. Ausbildungs- und Trainingseinrichtungen in der Rossauerkaserne
werden fortan gemeinsam mit anderen Einheiten des Landespolizeikommandos Wien
genutzt.
48
4.2 Herausragende Einsätze
Oktober 1996
Das EKO Cobra ist nach wie vor vermutlich die einzige Anti-Terror-Einheit der Welt, die eine
Flugzeugentführung noch in der Luft beendet hat: Am 17. Oktober 1996 waren Mitarbeiter
der Cobra an Bord einer Tupolew Tu-154 der russischen Fluglinie Aeroflot von Malta nach
Lagos, um Rückzuführende in ihre Heimat zu begleiten, als ein nigerianischer Staatsbürger
die Cockpit-Crew mit einem Fallmesser bedrohte und verlangte, nicht nach Nigeria, sondern
nach Südafrika oder Deutschland zu fliegen. Die Cobra-Beamten überwältigten den Täter
noch während des Fluges. Der Entführer wurde nach der Landung an die Behörden
übergeben.
November 1996
Einer der spektakulärsten Einsätze war eine Geiselnahme in der Haftanstalt Graz-Karlau im
November 1996. Mit Brandsätzen bewaffnet, hatten ein Mörder, ein Räuber und der
Palästinenser Tawfik Ben Ahmet Chaovali drei Frauen in dem Gefängnis in ihre Gewalt
gebracht. Der Palästinenser galt als äußerst brutal, war er doch einer jener drei Abu-NidalTerroristen, die 1985 auf dem Flughafen Wien-Schwechat vor dem Abfertigungsschalter der
israelischen Fluglinie El-Al Handgranaten geworfen und mit Maschinenpistolen in die
Wartenden geschossen hatten. Drei Menschen starben, 47 wurden schwer verletzt. In GrazKarlau überwältigte das EKO Cobra nach zermürbenden Verhandlungen die Kidnapper und
befreite die Geiseln unverletzt.
Oktober 2002
Massengeiselnahme in Moskau
Bei der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater am 23. Oktober 2002 brachten ca. 50
bewaffnete islamistische Rebellen, die sich selbst der separatistischen Bewegung
Tschetscheniens zurechneten, 850 Menschen in ihre Gewalt und verlangten den Rückzug
der russischen Truppen aus Tschetschenien. Als Geisel war auch eine Österreicherin im
Theater. Cobra-Beamte unterstützen gemeinsam mit einem Polizeipsychologen und einem
Polizeiarzt die österreichische Botschaft in Moskau.
April 2003
Entführung einer österreichischen Reisegruppe in Algerien
Anfang April 2003 wurde bekannt, dass eine Reisegruppe aus Österreich, die sich mit ihren
Geländefahrzeugen in der algerischen Wüste aufhielt, vermisst wurde. Zur Unterstützung der
österreichischen Vertretungsmission in Algier und als Verbindungsglied zur algerischen
49
Exekutive wurden vier Cobra-Beamte nach Algier geschickt. Wie sich herausstellte, waren
insgesamt 24 Urlauber, darunter zehn Österreicher, sowie Schweizer und deutsche
Staatsbürger, von einer Tätergruppe entführt worden – Forderungen der Entführer gab es
offiziell nicht. Nach sechs Wochen wurden sämtliche Geiseln in einer Kommandoaktion des
algerischen Militärs unversehrt befreit. Die entführten Österreicher wurden danach in einer
Sondermaschine der Austrian Airlines von Cobra-Beamten nach Österreich begleitet.
Dezember 2004
Auslandseinsatz „Tsunami“
Nach der Flutwellenkatastrophe in Südostasien wurden Angehörige des Einsatzkommandos
Cobra zur Erstunterstützung der österreichischen Vertretung zu Erstmaßnahmen sowie zur
Unterstützung beim Heimtransport verletzter und unverletzter Opfer entsandt. In weiterer
Folge unterstützten Beamte vor allem das österreichische „Disaster Victim Identification
Team“ bei der Auffindung und Identifizierung von österreichischen Todesopfern.
Juli 2005
Terroranschläge in London
Zur Unterstützung der österreichischen Botschaft in London wurde vom Einsatzkommando
Cobra ein Mitarbeiter entsendet und es wurde die Flugbegleitung der Austrian Airlines für die
Destination London verstärkt.
Jänner bis Juni 2006
EU-Präsidentschaft
„Im ersten Halbjahr werden die Augen der Weltöffentlichkeit auf Österreich gerichtet sein,
dann wird unser Land den Ratsvorsitz in der Europäischen Union ausüben. Staats- und
Regierungschefs, hochrangige Vertreter der EU und vieler weiterer Staaten und
Organisationen werden in Österreich zu Gast sein“, skizzierte Innenministerin Liese Prokop
die Verantwortung während der österreichischen Präsidentschaft.
Das Einsatzkommando Cobra hat für den anerkannten und bewährten Schutz der
hochrangigen Delegationsmitglieder gesorgt. Personelle und logistische Herausforderung
war der EULAC-Gipfel (EU-Lateinamerika/Karibik) im Mai 2006 in Wien – der größte Einsatz
während der EU-Präsidentschaft. Höhepunkt war der Besuch des US-Präsidenten George
W. Bush und weiterer hochrangiger Repräsentanten der USA und der Europäischen Union
beim EU-USA-Gipfel im Juni 2006.
50
Jänner 2006:
„Karikaturenkrise“
Nach dem Erscheinen von Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Tageszeitung kam es
zu Demonstrationen in mehreren islamischen Ländern. Exekutivbedienstete des EKO
wurden zur Beobachtung der Lageentwicklung und Koordinierung bzw. Unterstützung bei
eventuellen Evakuierungen entsandt. Die Demonstrationen blieben aber durchwegs friedlich.
April 2006
Kindesrückholung aus dem Nordirak
Cobra-Beamte unterstützen die österreichisch-deutsche Hilfsorganisation Wadi und den
österreichischen Verbindungsbeamten in Ankara bei der Rückholaktion (Sicherung) eines in
den Nordirak entführten vierjährigen Kindes.
Juni 2006
Anschläge in Ägypten
Nach Bombenanschlägen im ägyptischen Dahab wurde ein EKO-Beamter zur Unterstützung
der österreichischen Vertretung entsandt.
30. Juni 2006
Einsatz bei Katastrophenhilfe
Aufgrund der akuten Hochwasserlage im Bezirk Waidhofen/Thaya wurde das EKO Cobra zur
Katastrophenhilfe angefordert und konnte in einer Mühle in Raabs/Th und in Niklasberg vier
Personen evakuieren.
Juli 2006
Libanonkrieg
Im Zuge von Kämpfen zwischen Israel und der Hisbollah im Süden Libanons kam es zu
Raketenangriffen auf die Hauptstadt Beirut. EKO-Beamte wurden zur Unterstützung der
österreichischen Vertretungen in Beirut und Damaskus bei der Evakuierung von
österreichischen Staatsangehörigen entsandt. Es gelang ihnen, den ausreisewilligen
Österreichern
und
einer
großen
Anzahl
Angehöriger
europäischer
Staaten
das
unbeschadete Verlassen des Landes zu ermöglichen, indem sie Evakuierungskonvois über
den Landweg sowie die Evakuierung durch Schiffe organisierten und teilweise begleiteten.
51
August 2006
Brände in Griechenland
Unterstützung der österreichischen Vertretung in Griechenland bei der Evakuierung von
österreichischen Urlaubern von der griechischen Halbinsel Chalkidiki aufgrund starker
Waldbrände.
Februar 2007
Geiselnahme in BAWAG-Filiale in Wien-Mariahilf
Am späten Vormittag des 27. Februar 2007 wurde das EKO Cobra zur Unterstützung bei
einer Geiselnahme angefordert. Vier Geiseln befanden sich noch in der Gewalt des
bewaffneten Täters. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Forderungen seitens des
Geiselnehmers. Nach Verhandlungen verließ der Täter mit einer Geisel die Bank und wurde
widerstandslos von EKO Cobra Beamten festgenommen.
Juni 2008
Mord und Schussabgabe auf Zugriffshund und EKO-Zugriffsteam
Am 15. Juni 2008 erschoss ein Landwirt seine Gattin mit einer Langwaffe und flüchtete
anschließend in sein Anwesen. Beim Eintreffen der EKO-Kräfte befand sich der Verdächtige
im Innenhof seines Bauernhofes. Da der Verdächtige nach kurzer Zeit die Verhandlungen
abbrach, wurde ein Zugriff unter Einbeziehung des Diensthundes durchgeführt. Der
Verdächtige verletzte den Hund mit einem Schuss aus seiner Schrotflinte tödlich.
Anschließend schoss er auf das Zugriffsteam – in Notwehr gaben nun auch Zugriffsbeamte
Schüsse ab, wodurch der Verdächtige verletzt wurde und überwältigt werden konnte.
Oktober 2008
Bankraub und Geiselnahme in Feldkirch – Festnahme des Tatverdächtigen in
Oberösterreich
Bei
einem
Banküberfall
in
Feldkirch-Tosters
wurde
eine
Angestellte
mit
einer
Faustfeuerwaffe bedroht. Der Täter verstaute die Beute und zwang die Angestellte, mit ihm
in ihrem Auto in unbekannte Richtung zu flüchten. Das Fahrzeug konnte von deutschen
Polizeikräften auf der Autobahn A8 in Richtung Salzburg gesichtet und verfolgt werden. In
Salzburg nahm die österreichische Polizei die Verfolgung des Verdächtigen auf. Auf einem
Parkplatz konnten EKO-Kräfte eine günstige Gelegenheit ausnutzen und den Verdächtigen
festnehmen. Das erbeutete Bargeld und eine Faustfeuerwaffe mit Schalldämpfer hatte er
noch bei sich.
52
Februar 2009
Rund 20 Stunden wurde im Februar 2009 verhandelt, dann „schlug“ die Cobra zu: Ein 54jähriger Steirer, der vorgegeben hatte, eine deutsche Touristin als Geisel genommen zu
haben, wurde am frühen Morgen in St. Marein festgenommen. Nachdem die Beamten die
Wohnung erstürmt hatten, stellte sich heraus, dass die Geiselnahme erfunden war.
März 2009
Am 18. März erhielt die Cobra den Auftrag, den persönlichen Schutz von Botschafter Dr.
Valentin Inzko, in seiner Doppelfunktion als European Union Special Representative for
Bosnia and Herzegovina und als High Representative for Bosnia and Herzegovina während
seines Aufenthaltes in Bosnien und den angrenzenden ehemaligen Ländern der
Volksrepublik Jugoslawien zu gewährleisten. Der von Cobra-Spezialisten durchgeführte
Sicherungsdienst wird voraussichtlich bis zur Jahreshälfte 2011 andauern.
Dezember 2009
Im Dezember 2009 verübten zwei Männer einen Bankraub in Blindenmarkt. Dabei kam es zu
einem Schusswechsel mit dem Sicherheitsmann eines privaten Sicherheitsunternehmens,
wobei einer der beiden Täter durch ein Projektil schwer verletzt wurde. Trotzdem gelang den
beiden Räubern mit ihrem Auto die Flucht. Sie fuhren auf einen Autobahn-Parkplatz, um die
Kennzeichen an ihrem Fahrzeug zu tauschen. Dabei konnten die Verdächtigen von CobraBeamten überwältigt werden. Die Täter dürften in den vergangenen Jahren bereits mehrere
Banküberfälle begangen haben.
August 2010
Einsatz in Indien
In der bei Trekkingtouristen beliebten Provinz Ladakh in der Kaschmir-Region kam es auf
Grund heftiger Regenfälle zu Hangrutschungen und Murenabgängen, die Teile der
Hauptstadt Leh verwüsteten und Dörfer verschütteten. Da dem BMeiA der Aufenthalt von
österreichischen Staatsbürgern in der Region bekannt war, wurden Angehörige des BMeiA
und ein Beamter des EKO Cobra nach Delhi entsandt um die österreichische Botschaft beim
Krisenmanagement zu unterstützen. Schon im Laufe der folgenden Woche gelang es, alle
Österreicher ausfindig zu machen und bei der Rückreise nach Österreich behilflich zu sein,
soweit es erforderlich war.
Die
angeführten
Einsätze
stehen
stellvertretend
für
viele
umfangreiche
und
aufsehenerregende Einsätze der vergangenen 32 Jahre, darunter die Sicherung
53
hochrangiger Staatsgäste, der Schutz österreichischer Missionen im Ausland, die
Beendigung weiterer Geisellagen und die Mitwirkung an komplexen Kriminalfällen.
4.3 Chronik des Einsatzkommandos Cobra
Allgemeines
Juli 2002
Am 1. Juli 2002 wurden neben dem Headquarter des Einsatzkommandos Cobra in Wiener
Neustadt drei weitere Standorte in Graz, Linz und Innsbruck im Vollbetrieb installiert.
Jänner 2003
Mit 1. Jänner 2003 wurden drei operative Außenstellen in den Bundesländern Kärnten,
Salzburg und Vorarlberg im Vollbetrieb aufgenommen.
April 2003
Das Einsatzkommando Cobra feierte in einem Festakt in Anwesenheit des Bundeskanzlers
Dr. Wolfgang Schüssel, des Bundesministers für Inneres Dr. Ernst Strasser und vielen
weiteren Gästen sein 25jähriges Bestehen.
Mai 2005
Mit der Eingliederung des Polizeieinsatzkommandos Wien und der Eröffnung des Standortes
„Wien“ wurde die Sondereinheitenreform abgeschlossen.
Juli 2007
Die neue Air-Marshal-Ausbildungsstätte in Wiener Neustadt wurde in Anwesenheit von
Austrian-Vorstand Alfred Ötsch offiziell von Innenminister Günther Platter eröffnet.
Jänner 2008
Am 24. Jänner 2008 zeigte der ORF zum 30-jährigen Bestehen des Einsatzkommandos
Cobra im Format „Menschen & Mächte“ eine Dokumentation über die österreichische
Sondereinheit. Zu sehen sind neben geschichtlichen Abrissen unter anderem Bilder vom
Belastungsparcours aus der Ausbildung, bisher nicht veröffentlichte Aufnahmen der
Sondereinheit und die spektakuläre Geiselbefreiung in der Justizvollzugsanstalt Graz Karlau
im Jahr 1996.
54
April 2008
Der Kommandant des EKO Cobra, Generalmajor
Bernhard
Treibenreif,
Festveranstaltung
begrüßte
anlässlich
des
bei
der
30-jährigen
Bestehens der Sondereinheit am 9. April 2008
Jordaniens König Abdullah II. bin al-Hussein, früher
selbst aktiv in einer Spezialeinheit, und seine Frau
Königin Rania, Bundespräsident Dr. Heinz Fischer,
Vizekanzler, Finanzminister Mag. Wilhelm Molterer und Innenminister Günther Platter sowie
viele andere Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland.
August 2009
Ausmusterung des Grundausbildungslehrgangs des EKO Cobra
„Heute stehen 31 junge Männer vor mir, die nicht nur die normale
Polizei-Grundausbildung geschafft haben, sondern nun auch die
Ausbildung bei der Spezial- und Elite-Einheit Einsatzkommando
Cobra mit Erfolg absolviert haben. Sie tragen dazu bei, Sicherheit
in
Österreich
aktiv
und
engagiert
zu
gestalten“,
sagte
Innenministerin Maria Fekter bei der Ausmusterungsfeier.
August 2010
Neue Dienststelle des EKO Cobra Mitte in Linz
Innenministerin Dr. Maria Fekter eröffnete am 6. August 2010 die neue Dienststelle des
Einsatzkommandos Cobra, Standort Mitte in Linz. Die neue Unterkunft ist auf die
Anforderungen der Sondereinheit ausgerichtet und garantiert optimale Bedingungen für
erfolgreiche Einsätze und eine gute Ausbildung.
„Das Einsatzkommando Cobra ist ein wesentlicher Faktor für die Erhaltung des hohen
Sicherheitslevels in unserem Land. Österreich verfügt über ein europaweit einzigartiges Netz
an Sondereinheiten. Die maximale Einsatzentfernung beträgt 100 Kilometer. Das garantiert
die rasche Einsatzbereitschaft der Sondereinheit im ganzen Bundesgebiet", sagte
Innenministerin Fekter bei der Festrede.
55
Besuche und nennenswerte Ereignisse
Juni 2003
Das CTC-Team des EKO Cobra wurde „Olympiasieger“ der Sondereinheiten.
Die GSG 9 veranstaltete 1983 die erste Combat Team Conference (CTC). Seit 1995 wird der
internationale Bewerb alle vier Jahre – inoffiziell als Olympiade der Sondereinheiten –
abgehalten. Der Bewerb wird in Form eines Zehnkampfes ausgetragen. Die Szenarien
orientieren sich auf hohem Niveau am einsatztaktischen und einsatztechnischen
Aufgabenspektrum von Spezialeinheiten.
Das EKO Cobra lag seit Beginn (bei einem Teilnehmerfeld von bis zu 50 Mannschaften
weltweit) immer im Spitzenfeld.
Jänner 2004
Am 27. Jänner 2004 besuchten der Justizminister der USA, John Ashcroft, sowie weitere
Delegationsmitglieder
unter
Führung
des
Innenministers
Dr.
Ernst
Strasser
das
Einsatzkommando Cobra in Wiener Neustadt.
Juni 2006
Am 26. Juni 2006 folgten die Landeshauptmänner von Wien, Dr. Michael Häupl, von
Niederösterreich, Dr. Erwin Pröll, und des Burgenlandes, Hans Niessl, der Einladung und
besuchten die Ausbildungs- und Einsatzzentrale des Einsatzkommandos Cobra in Wiener
Neustadt.
September 2006
Im Beisein von Innenministerin Liese Prokop besuchte der Minister für Inneres von Quatar,
S.E. Sheikh Abdulla Bin Nasser Al-Thani, am 20. September 2006 die Ausbildungs- und
Einsatzzentrale in Wiener Neustadt.
56
Mai 2007
Der Innenminister des Fürstentums Liechtenstein, Dr. Martin Meyer, und Botschafterin I. D.
Maria Pia Kothbauer Prinzessin von und zu Liechtenstein beehrten am 3. Mai 2007 die
Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt.
April 2008
Zum Festakt anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Einsatzkommandos Cobra am 9.
April 2008 kamen der jordanische König S.M. Abdullah II ibn Al Hussein und seine Gattin
I.M. Rania Al Abdullah zu Besuch.
Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, Vizekanzler Mag.
Wilhelm Molterer und Innenminister Günther Platter
besuchten
ebenfalls
die
Ausbildungs-
und
Einsatzzentrale in Wiener Neustadt.
August 2008
Besuch durch den 2. Präsidenten des Nationalrates Dr. Michael Spindelegger sowie weiterer
Delegationsmitglieder am 29. August 2008.
Oktober 2009
Der Staatssekretär im deutschen Bundesministeriums des Inneren Dr. August Hanning
besuchte am 21. Oktober 2009 das Einsatzkommando.
November 2009
Vizekanzler und Finanzminister DI Josef Pröll besuchte im Beisein von Innenministerin Dr.
Maria Fekter am 26. November 2009 das Einsatzkommando Cobra.
Juni 2010
Im Beisein des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit Dr. Herbert Anderl besuchten
Interpol-Präsident Boon Hui Khoo und weitere Delegationsmitglieder am 1. Juni 2010 die
Ausbildungs- und Einsatzzentrale in Wiener Neustadt.
Der Regierungschef des Herzogtums Liechtenstein Dr. Klaus Tschütscher beehrte am 18.
Juni 2010 die Ausbildungs- und Einsatzzentrale des Einsatzkommandos Cobra in Wiener
Neustadt.
57
Juli 2010
„YPD-Challange“: Einsatztraining beim EKO Cobra
Beim Besuch des Einsatzkommando Cobra erhielten die YPD-Praktikanten einen Einblick in
das Training und die Ausbildung der Spezialeinheit. Nach einer Vorführung auf der
Hindernisbahn und dem Seiltechnikturm gab es die Möglichkeit zum praktischen Training für
die Praktikanten.
Dezember 2010
Der erste stellvertretende Innenminister der russischen Föderation Mikhail Suchodolskij,
stattete am 7. Dezember 2010 in Begleitung des russischen Botschafters in Österreich
Sergej Netschajew sowie einer hochrangigen Delegation des russischen Innenministeriums
dem EKO Cobra einen Arbeitsbesuch ab.
Anlässlich des Besuches wurde eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den
russischen Spezialeinheiten und dem EKO Cobra vereinbart. Da Russland 2014 die
Olympischen Winterspiele und 2018 die Fußballweltmeisterschaft ausrichtet, waren für die
Delegationsmitglieder vor allem die Einsatzkonzepte bei Sportgroßveranstaltungen, wie der
Euro 2008, von besonderer Bedeutung.
4.4 Besondere Personenschutzdienste
Juni 2006
Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, anlässlich der EUPräsidentschaft Österreichs
58
Mai 2007
Staatsbesuch des Präsidenten der Russischen Föderation Vladimir Putin in Wien
September 2007
Besuch seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. in Wien und Mariazell
September 2007
Besuch seiner Heiligkeit des 14. Dalai Lama im Stift Melk
59
Personenschutzdienste des EKO Cobra außerhalb Österreichs
Seit März 2009
Schutz des „European Union Special Representative for Bosnia and Herzegovina and High
Representative for Bosnia and Herzegovina“, Dr. Valentin Inzko, während seines
Aufenthaltes in Bosnien und den angrenzenden Länder der ehemaligen Volksrepublik
Jugoslawien.
4.5 Auswahlverfahren beim Einsatzkommando Cobra
Zur
Ergänzung
des
Personalstandes
veranstaltet
das
EKO
Cobra
jährlich
ein
Auswahlverfahren für Exekutivbedienstete des Bundesministerium für Inneres und der
nachgeordneten Dienststellen.
Dieses Verfahren gliedert sich in zwei Teile:
1. Teil: EKO-spezifische Auslese sowie eine psychologische Eignungsuntersuchung (2
Tage)
2. Teil: medizinische Untersuchung und Hearing (1 Tag)
Der erste Tag beginnt mit der Vorselektion, die sich in vier Abschnitte unterteilt:
•
Seilklettern: Aus freiem Hang muss eine Strecke von drei Metern ohne Zuhilfenahme von
Beinen bzw. Füßen überwunden werden.
•
Bauchaufzug: Ein bei einer Sprossenwand über der obersten Sprosse angebrachter
Medizinball muss aus hängender Lage gleichzeitig mit beiden Füßen berührt werden.
•
Stahlstrickleiter: Mit Hilfe einer Stahlstrickleiter müssen die Bewerber beginnend vom
dritten Stock eines hohen Gebäudes in den fünften Stock gelangen.
60
•
Streckenschwimmen. Es muss eine Strecke von 25 Metern schwimmend mit am Rücken
fixierten Armen überwunden werden.
Nur bei positiver Bewältigung dieser Anforderungen dürfen die Bewerberinnen und Bewerber
zum Schießleistungsparcours und Hallenhindernisparcours antreten. Der zweite Tag umfasst
die psychologische Eignungsuntersuchung.
Jene Beamtinnen und Beamten, die die Mindestpunktezahl erreichen, werden in eine
leistungsmäßige Punktereihung aufgenommen und gemäß dieser Reihung zum zweiten Teil
geladen.
Der dritte Tag (zweiter Teil der Auslese) beginnt mit der medizinischen Untersuchung und
endet mit einem Hearing vor einer siebenköpfigen Kommission.
Bedarfsorientiert werden nach der Reihung des Endergebnisses die besten 20 bis 30
Bewerberinnen und Bewerber für die nächste Ausbildungseinheit aufgenommen.
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