Ein langer Wunsch ging in Erfüllung

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Ein langer Wunsch ging in Erfüllung
Ein langer Wunsch ging in Erfüllung
Vor 40 Jahren, am 12. Mai 1968, wurde die Evangelische Dietrich-Bonhoeffer Kirche eingeweiht.
Pfarrerin Heike Bosien
„Sichtbares Wahrzeichen einer Gesinnung“, so titelte am 13. Mai 1968 die Esslinger Zeitung
ihren Bericht über den festlichen Einweihungsgottesdienst der Dietrich-Bonhoeffer Kirche. Unsere Kirche –
eine echte Achtundsechzigerin? Gewiss. Ihre Architektur ist Wahrzeichen einer Gesinnung. Vieles an ihr
war ungewöhnlich: Fenster bis fast zum Boden. Die Gemeinde wollte eine offene, einladende Kirche sein.
Nicht ein Rückzug, sondern ein sich Öffnen hin zu den Geschehnissen in der Welt. Einblicke gewähren,
Offenheit signalisieren, an den Straßen des Alltags gebaut, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Und im Inneren: keine Bänke, sondern freistehende Stühle. Beweglichkeit und Veränderbarkeit, Dynamik
statt Starrheit. Verschiedene Formen gottesdienstlichen Feierns sollten dort erprobt werden können. Was
uns heute so selbstverständlich und vertraut erscheint, wurde in jener Zeit hitzig diskutiert Das gehörte
dazu, wenn eine echte Achtundsechzigerin aus der Taufe gehoben werden sollte.
Die Anfänge der evangelischen Kirchengemeinde in der Parksiedlung liegen im Jahr 1958. Damals
begannen regelmäßige Gottesdienste in einem Privathaus, dann in einer Baukantine, später in der
Lindenschule und schließlich im neu gebauten Dietrich Bonhoeffer-Gemeindehaus. Schon 1957/58 lagen
die ersten Entwürfe vor für die Gesamtplanung des Gemeindezentrums mit Kindergarten, Kirche, Pfarrhaus
und Gemeindehaus. Doch Gemeindehaus und Kindergarten gingen vor, bevor man sich an den Kirchbau
machte. Die ersten Pläne der Architekten Dr. Siegler und Kunst sahen noch ganz und gar anders aus. Hätte
man sie verwirklicht, würden wir heute in einem ovalen Kirchenschiff Gottesdienst feiern.
Mit 895 000 DM waren die Baukosten der heutigen Kirche ermittelt worden. 670 000 DM sollten aus dem
allgemeinen Kirchensteueraufkommen des Kirchenbezirk Esslingen und der Evangelischen Landeskirche
erbracht werden. Die bürgerliche Gemeinde Nellingen und die Mutterkirchengemeinde Nellingen stellten je
30 000 DM zur Verfügung, der Landkreis Esslingen 3000 DM. Die Gemeindemitglieder brachten weitere
130 000 DM Spendengelder zusammen. Eine große Gemeinschaftsleistung.
Mit dem Namen Dietrich Bonhoeffer verband man von Anfang an keine Heldenverehrung, sondern eine
Verpflichtung. „Tu deinen Mund auf für die Stummen“, so heißt es in der Grundsteinplatte am Eingang der
Kirche, ein Vers aus Sprüche 31,8. Sich für diejenigen einzusetzen, die mundtot gemacht wurden, dies tat
Bonhoeffer in den Zeiten des Nationalsozialismus. Am 9. April 1945 wurde er mit 39 Jahren im
Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Für unsere Kirchengemeinde ist und bleibt die Beschäftigung
mit Dietrich Bonhoeffer immer eine Anfrage an die eigene Arbeit heute. Was heißt es heute, sich für andere
einzusetzen, Nächstenliebe praktisch werden zu lassen, spirituelle Heimat für Menschen zu sein, den Blick
über den eigenen Tellerrand hinaus nicht zu vergessen, nach Gottes Gegenwart in unserer Welt zu fragen?
Das allererste Bild, das eine meiner Töchter von der Bonhoeffer Kirche malte, zeigt nichts anderes als einen
riesigen Turm und daneben ein Kind, das freudestrahlend auf einer großen Schaukel durch die Luft
schaukelt. Dass die Kirche dieser riesige Turm ist, das ist mit den Augen eines Kindes ganz
selbstverständlich. Doch dass das freudige Schaukeln daneben seinen Platz hat, das spricht für mich für die
große Lebendigkeit der Bonhoeffer Gemeinde heute. Sie ist ein Ort für Groß und Klein, für die ersten
Zugezogenen, für die später Zugezogenen und für die Neuzugezogenen sowohl in der Parksiedlung wie im
Scharnhauser Park. Als sichtbares Wahrzeichen einer Gesinnung trägt sie mit viel Schwung zum
Zusammenleben in Ostfildern bei.
Mit einem Festgottesdienst am 29. Juni 2008 um 10 Uhr mit anschließender Matinee wird das 40-jährige
Kirchenbaujubiläum gefeiert werden. In der Woche vom 29. Juni – 6. Juli 08 wird im gr. Saal des
Gemeindehauses eine Ausstellung zum Jubiläum im Gemeindezentrum zu sehen sein und es werden
weitere Festveranstaltungen angeboten.