Branchenbericht Zeitarbeit

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Branchenbericht Zeitarbeit
Prospect Regionales Monitoring
für Arbeitspolitik
in der Region Westfälisches Ruhrgebiet
- BRANCHENREPORT Zeitarbeit -
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© Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamm mbH/Stiftung Weiterbildung Kreis Unna/Wirtschaftsförderung Dortmund
Nachdruck unter Angabe der Quelle erlaubt.
Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamm mbH / Stiftung Weiterbildung Kreis Unna / Wirtschaftsförderung Dortmund Arbeitsmarktmonitoring - Branchenreport Zeitarbeit
Stand: November 2006
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Prospect - Regionales Monitoring für Arbeitspolitik
in der Region Westfälisches Ruhrgebiet
Mit dem Projekt „Prospect – Regionales Monitoring für Arbeitspolitik“ suchen die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamm mbH, die Stiftung Weiterbildung / Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Unna mbH und die Wirtschaftsförderung Dortmund
verstärkt den Schulterschluss mit den Akteuren auf dem Arbeitsmarkt: den Unternehmen, den Agenturen für Arbeit und Trägern der Grundsicherung für Arbeitslose, den
Regionalagenturen, den Kammern, den Gewerkschaften und den Weiterbildungsträgern.
Über den direkten Austausch mit den Partnern sollen Informationen zu einer Branche
gezielt gebündelt werden: Dies schafft Transparenz und eine Grundlage für gemeinsames Handeln in der Region.
Folgende Ziele werden verfolgt:
Ermittlung der Qualifizierungsbedarfe in den Unternehmen, um die bestehenden Weiterbildungsangebote und -maßnahmen besser auf die Nachfrage der Unternehmen abzustimmen
Aufspüren der Personalbedarfe und Weitergabe offener Stellen an die zuständigen Arbeitsmarktpartner
Information der Unternehmen über Fördermöglichkeiten sowie ggf. die Vermittlung
kompetenter Ansprechpartner
Ausloten von Motivation und Möglichkeiten zur Kooperation von Unternehmen untereinander bzw. mit anderen Partnern, um diese Prozesse gemeinsam anzustoßen
Ermittlung von Schlüsselproblemen in den Unternehmen der Region, wie z.B. Nachwuchsförderung, Personalentwicklung, Nachfolge in den Unternehmen, um Anstöße für
die Lösung dieser Probleme zu geben
Erkunden von Handlungsansätzen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit und Vermittlung von Beratungsangeboten und Informationen zu Themen wie Demografischer
Wandel, Moderne Arbeitszeitmodelle und Arbeitsplatzgestaltung, Gesundheitsfürsorge
oder Arbeitsschutz
Am Ende einer Branchenuntersuchung werden die gesammelten Informationen einschließlich der Handlungsempfehlungen in einem Branchenbericht veröffentlicht. Der
Dialog mit den Unternehmen und Arbeitsmarktpartnern geht weiter, um für ermittelte
Probleme/Fragestellungen kurzfristig geeignete Lösungen zu finden.
Die Finanzierung des Projekts (Projektlaufzeit: März 2006 – Dezember 2007) wird durch
die regionalen arbeitsmarktpolitischen Mittel des Landes und des Europäischen Sozialfonds, durch Mittel der Projektträger sowie der Stadt Hamm sicher gestellt.
Mit finanzieller Unterstützung des Europäischen Sozialfonds und des Landes NordrheinWestfalen
Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamm mbH / Stiftung Weiterbildung Kreis Unna / Wirtschaftsförderung Dortmund Arbeitsmarktmonitoring - Branchenreport Zeitarbeit
Inhalt
1. Methodik der Untersuchungen .......................................................... 6
2. Ausgangslage und Vorstellung des Branchenclusters ............................... 7
2.1 DER WEG ZU MINDESTKRITERIEN UND QUALITÄTSSTANDARDS ........................................8
2.2 DIE STRUKTUR DER BRANCHE ........................................................................9
2.3 DIE ZEITARBEIT IM INTERNATIONALEN VERGLEICH .................................................. 11
2.4 DIE STRUKTUR DER BETRIEBE UND GEWERBLICHEN KUNDEN DER ZEITARBEIT ....................... 12
3. Der Wirtschaftszweig in der Region Westfälisches Ruhrgebiet sowie
übergeordneten Räumen .................................................................. 14
3.1 DIE STRUKTUR DER BETRIEBE ...................................................................... 14
3.2 ENTWICKLUNG UND TRENDS ....................................................................... 16
4. Beschäftigung in der Zeitarbeit ....................................................... 18
4.1 ENTWICKLUNG DER BESCHÄFTIGTENZAHLEN ....................................................... 18
4.2 DIE STRUKTUR DER BESCHÄFTIGUNG ............................................................... 19
4.3 DIE AKTUELLE PERSONALENTWICKLUNG ............................................................ 20
4.2 AUS- UND WEITERBILDUNG ........................................................................ 22
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Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamm mbH / Stiftung Weiterbildung Kreis Unna / Wirtschaftsförderung Dortmund Arbeitsmarktmonitoring - Branchenreport Zeitarbeit
1. Methodik der Untersuchungen
Grundgedanke von Prospect ist es, die Praxis der Arbeitsmarktakteure transparenter zu machen und so zu einer verbesserten Abstimmung in der Arbeitsmarktpolitik zu gelangen. Hierbei wird auf
die Kombination unterschiedlicher Methoden zurückgegriffen. Das
forschungsbezogene Vorgehen stützt sich dabei auf eine Dokumentenanalyse und eine im Vorfeld durchgeführte Telefonbefragung
sowie daran anschließende Experteninterviews und Unternehmensbesuche. Die Bedarfserhebung geschieht als "top-down" geführte
Ermittlung. Der systematische Ablauf der Untersuchung erfolgte von
der überregionalen Betrachtung hin zu lokalen Handlungsempfehlungen. Die Auswahl der besuchten Unternehmen erfolgte aufgrund
der Ergebnisse aus der Telefonbefragung. Kriterien für die Durchführung persönlicher Gespräche waren die ermittelten Bedarfe sowie angemeldeter Informationsbedarf.
Gesamtzahl Unternehmen
besuchte Betriebe
Beschäftigte
Dortmund
ca. 140
12
ca. 4.900
Kreis Unna
ca. 35
13
ca. 800
Hamm
ca. 25
12
ca. 1.200
Stichprobe der
Betriebsbesuche
lag bei 18,5 %
Zielsetzung der insgesamt 37 durchgeführten Unternehmensbesuche
sowie der 5 Expertengespräche war es, Kontakte auf- bzw. auszubauen sowie die aktuelle Beschäftigungssituation und die erwartete
Personalentwicklung für das nächste Jahr mittels eines leitfadengestützten Interviews zu ermitteln.
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2. Ausgangslage und Vorstellung des Branchenclusters
Leiharbeit, Arbeitnehmerüberlassung, Personalleasing, Beschäftigungsmotor, aber auch: Arbeit zweiter Klasse oder „Sklavenarbeit“
– wohl kaum eine gewerbliche Branche löst in Deutschland mehr
Emotionen und Irritationen aus als die Zeitarbeit. Von den Gewerkschaften lange Zeit bekämpft, von der Politik skeptisch betrachtet,
von den Arbeitslosen ignoriert. Doch vielleicht auch mangels anderer Erfolgsmeldungen der Wirtschaft wird die Zeitarbeit nun langsam als gleichberechtigter Partner des Arbeitsmarktes wahrgenommen und akzeptiert.
Aber was ist Zeitarbeit eigentlich? Zeitarbeit liegt vor, wenn ein
dazu berechtigter Arbeitgeber (Verleiher) einen Arbeitnehmer
(Leiharbeitnehmer) einem Dritten (Entleiher) zur Erbringung einer
Arbeitsleistung überlässt. Der Leiharbeitnehmer schließt zwar einen
(in der Regel unbefristeten) Arbeitsvertrag mit dem Verleiher als
Arbeitgeber, erhält auch die Vergütungsleistungen von seinem Arbeitgeber, die Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers werden jedoch
beim Entleiher erbracht.1 Die gesetzlichen Regelungen dazu finden
sich im Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, kurz Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), zuletzt
geändert zum 1. Januar 2004 durch das 3. Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz III).
Abb. 1: Struktur- und Rechtsbeziehungen in der Zeitarbeit
*Arbeitsüberlassungsvertrag
zwischen zeitarbeitsfirma
und Überlassungsbetrieb
Zeitarbeitsfirma
** Arbeitsvertrag
zwischen Zeitarbeitsfirma
und Zeitarbeiter
Zahlt
vereinbarte
Vergütung
AUV*
AV**
Stellt
Arbeitskraft zur
Verfügung
Zahlt
vereinbarten
Lohn
Leistet vereinbarte Tätigkeit
Leiharbeiter
Entleihbetrieb
darf Weisungen geben
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
1
siehe dazu: Bettina Ehrenthal, „Zeitarbeit in Deutschland“, BIBB 2005
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2.1 Der Weg zu Mindestkriterien und Qualitätsstandards
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz hatte ursprünglich das Ziel, die
Beschäftigungsstabilität der Leiharbeitnehmer innerhalb der Leiharbeitsunternehmen zu gewährleisten. Dazu gab es die Vorgabe, dass
mehrere Einsätze bei verschiedenen Entleihbetrieben zu einem längeren Beschäftigungsverhältnis zusammengefasst werden sollten.
Die erste Fassung des AÜG von 1971 sollte verhindern, dass die Entleiher ausschließlich kurzfristige Auslastungsschwankungen mit
Leiharbeitern auffangen konnten. Zudem sollte die Substitution von
regulären Arbeitsplätzen vermieden werden.2
Verschiedene Reformen des AÜG dienten der Flexibilisierung der
Zeitarbeit, aber auch dem verstärkten Schutz der Arbeitnehmer. So
sind hier vor allem verschiedene Verlängerungen der Überlassungshöchstdauer (von zunächst drei auf 24 Monate), aber das Verbot der
Arbeitnehmerüberlassung im Bauhauptgewerbe von 1982 zu nennen.
Die wichtigsten Änderungen der letzten Jahre wurden jedoch im
Zusammenhang der Gesetzgebung der Hartz-Reformen zur Modernisierung des Arbeitsmarktes auf den Weg gebracht. So wurde mit
dem Jahr 2002 auch der so genannte Gleichbehandlungsgrundsatz
eingeführt, der dafür sorgen sollte, dass der Leiharbeitnehmer ab
dem 13. Beschäftigungsmonat das Recht auf gleichen Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen wie die Stammbelegschaft im Entleihbetrieb hat (equal pay and treatment). Die Neuordnung mit Wirkung
ab dem 1.1.04 schaffte unter anderem das Wiedereinstellungs- und
Synchronisationsverbot3 ab.
Der wichtigste Änderungspunkt umfasste jedoch den Grundsatz, den
Leiharbeitnehmer vom ersten Tag der Entleihung an mit den Arbeitnehmern der Kernbelegschaft gleichzustellen. Der Gesetzgeber hat
diesem Grundsatz jedoch gleichzeitig eine Umgehung beigegeben, in
dem er Abweichungen im Rahmen eines Tarifvertrages zuließ. Als
Folge dieser Neuregelung sind in den letzten Jahre zahlreiche Tarifverträge zwischen den Tarifpartnern abgeschlossen worden. Einen
Modellcharakter besitzen dabei die Vereinbarungen des DGB mit den
beiden Zeitarbeitsverbänden BZA (Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen) und IGZ (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen).
Zeitarbeit ist
mehrfach flexibilisiert worden.
Grundsatz der
Gleichbehandlung
mit Kernbelegschaft
Insgesamt sechs verschiedene Tarifeinigungen konnten bundesweit
gezählt werden (Stand: 2005). Zu den größeren Vereinbarungen
zählt auch der Tarifvertrag des AMP (Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister) mit der Tarifgemeinschaft Christ-
2
Antoni/Jahn: Boomende Branche mit hoher Fluktuation, IAB-Kurzbericht Nr.
14/2006
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Synchronisation in der Zeitarbeit meint die zeitliche Übereinstimmung zwischen
Ersteinsatz des Arbeitnehmers und Arbeitsvertragdauer beim erstmaligen Verleih.
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liche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP).
Die Mehrheit der Leiharbeitnehmer wird aufgrund der Tarifbindungen weiterhin nicht nach den Prinzipien equal pay and treatment,
sondern „nach Tarif“ – und damit zumeist im Vergleich zur Stammbelegschaft des Entleihunternehmens unterdurchschnittlich bezahlt.
Die Zeitarbeitsunternehmen verweisen aber auch darauf, dass Fachkräfte durchaus über dem normalen Tarif bezahlt werden und damit
zum Teil mehr als die Kernbelegschaft verdienen.
Handlungsempfehlung 1:
Mindestkriterien und Qualitätsstandards einhalten
In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der in Zeitarbeit Beschäftigten, die aus der Arbeitslosigkeit kommend in der Branche
eine Anstellung gefunden haben, drastisch angestiegen. Auch
bei den Trägern der „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II, seien es Arbeitsgemeinschaften oder kommunale Träger, ist der Anteil der Vermittlungen in die Zeitarbeitsbranche von erheblicher Bedeutung. Zur weiterhin angestrebten Imageverbesserung und zur Steigerung der Akzeptanz
der Zeitarbeitsbranche sollten sich die Arbeitsverwaltungen
(Agenturen für Arbeit, Argen, Kommunale Träger) mit der Zeitarbeitsbranche auf die Einhaltung bestimmter Mindestkriterien
bzw. Qualitätsstandards verständigen.
2.2 Die Struktur der Branche
Die Branche ist zu großen Teilen – schon aufgrund der „Pflicht“ zu
tariflichen Vereinbarungen – in den drei größten Verbänden BZA, IGZ
und AMP organisiert. Der BZA gibt dabei eine aktuelle Mitgliederzahl
von 200 Unternehmen in NRW an, der AMP von 135 Zeitarbeitsfirmen
ebenfalls auf NRW bezogen. Nach Verbandsangaben vertreten BZA
und IGZ zusammen ungefähr die Hälfte der Leiharbeitsnehmer und
gut ein Drittel der Unternehmen in der Zeitarbeit. Welchen Stellenwert die Zeitarbeit sich inzwischen selbst gibt, kann man daran ermessen, dass die gesamte Branche (nach Aussage des BZA) ein Drittel aller Beiträge für die Verwaltungsberufsgenossenschaften zahlen.
Zwischen den verschiedenen Bundesländern gibt es signifikante Unterschiede in den Beschäftigungsanteilen der Zeitarbeit im Wirtschafsleben. Die Leiharbeitsquote differierte im Jahr 2004 zwischen
einem Anteil von 1,97 Prozent in Hamburg und 0,81 Prozent im Land
Brandenburg. In Nordrhein-Westfalen lag der Anteil der Beschäftig-
in NRW liegt jeder
67. Arbeitsplatz in
der Zeitarbeit
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ten in der Zeitarbeit an allen Wirtschaftsbereichen bei 1,49 Prozent, in Deutschland bei 1,37 Prozent.
Laut Untersuchungen des Institutes für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) ist die Leiharbeitsquote
in Ballungsräumen theoretisch höher als in ländlichen Gebieten.4 Die
letzten Jahre zeigen aber einen Aufholprozess der ländlichen Räume
gegenüber den städtischen Gebieten.
Die Nähe zu zentralen Räumen wird vom IAB damit begründet, dass
die Zeitarbeitsunternehmen in Ballungsräumen ein größeres Spektrum potentieller Entleihfirmen (einer oder verwandter Branchen)
bedienen können. Zudem wohnen mehr mögliche Leiharbeitnehmer
in Ballungsräumen und damit in der Nähe von mehr Arbeitsplätzen.
Die Ausweitung der Zeitarbeit auf suburbane Räume und ländliche
Gebiete erfolgt nach dieser Theorie erst bei einer (deutlich) stärkeren Nachfrage nach Zeitarbeit.
Abb. 2: Leiharbeitsquote in Deutschland 1998 und 2004
Hamburg
1,60
1,81
1,65
1,70
Saarland
Thüringen
0,77
Bremen
Sachsen
1,49
0,97
1,44
0,90
Niedersachsen
1,40
0,66
neue Länder
1,38
0,74
Deutschland
1,37
0,83
alte Länder
1,37
0,86
Berlin
1,33
0,89
Bayern
1,30
0,75
Rheinland-Pfalz
1,28
0,75
Hessen
0,83
Baden-Württemberg
0,82
Schleswig-Holstein
0,57
Mecklenburg-Vorpommern
0,56
-
1,63
0,84
Sachsen-Anhalt
Brandenburg
1,66
1,04
Nordrhein-Westfalen
0,31
0,50
1,97
1,25
1,20
1,11
1,06
0,81
1,00
1998
1,50
2,00
2,50
2004
Quelle: IAB 2005, eigene Darstellung
Die eben beschriebene Ausweitung auf suburbane Räume scheint der
Grund für die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen zu sein. Die
nächste Abbildung zeigt einen Vergleich der Leiharbeitsquoten nach
4
Antoni/Jahn: ebenda
10
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den verschiedenen Arbeitsmarktregionen des Landes bzw. seiner
Nachbarregionen. Die höchsten Anteile erreicht die Zeitarbeit in
den Regionen Osnabrück-Bielefeld und dem Bergischen Land teilweise mit Quoten von über 3,65 Prozent.
Die Region Westfälisches Ruhrgebiet erreicht einen – für Westdeutschland – durchschnittlichen Wert von bis zu 1,37 Prozent Anteil
an der Gesamtbeschäftigung.
Zeitarbeit ist im
Westfälischen
Ruhrgebiet eher
unterdurchschnittlich vertreten.
Abb. 3: Leiharbeitsquote im regionalen Vergleich
Quelle: IAB 2005
2.3 Die Zeitarbeit im internationalen Vergleich
Die quantitative Erfassung der Zeitarbeitsbranche in Deutschland
fällt schwer. Zwar wird die Beschäftigungsentwicklung im Rahmen
der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik von der Bundesagentur für
Arbeit zweimal pro Jahr veröffentlicht, doch gibt es keine Erhebung
auf regionaler oder gar lokaler Ebene. Somit bieten sich Analysemöglichkeiten hauptsächlich auf Bundes- und Landesebene an. Die
Zeitarbeit wird ansonsten innerhalb des Wirtschaftszweiges 74 –
Erbringung wirtschaftlicher Dienstleistungen – unter der Branchenkennung 74.5 – Personal- und Stellenvermittlung / Überlassung von
Arbeitskräften geführt. In den meisten Statistiken liegen jedoch
häufig keine Unterteilungen dritter Ordnung vor, so dass die Zeitarbeit nur selten als eigenständige Branche zu identifizieren ist.
Diese Problematik trifft auf europäischer Ebene auf ganz andere
strukturelle Einordnungen. Die Definitionen für Zeitarbeit und die
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Anforderungen an die Beschäftigung in der Branche variieren in Europa stark. Beispielsweise werden die Gebäudereiniger in den Niederlanden zur Zeitarbeit gezählt, während in Großbritannien die
Anstellung bei einem Zeitarbeitsunternehmen eher einem Berufspraktikum gleicht. Während in den Niederlanden gut zwei Drittel
aller Zeitarbeitsnehmer im Gesundheitswesen arbeiten, ist dieser
gewerbliche Bereich in Deutschland für die Zeitarbeit bislang kaum
entdeckt worden.
Aus diesem Grund ist die Vergleichbarkeit der verschiedenen Wirtschafsräume nicht gegeben. Nach Angaben des Institutes für Arbeit
und Technik ist die öffentliche Darstellung der Zeitarbeit im internationalen Vergleich fehlerhaft. Die in den neunziger Jahren oftmals genannten „5 bis 7 Prozent“ Zeitarbeitsanteil in den Niederlanden sind nach neuesten Untersuchungen und im Vergleich zu den
Strukturen in Deutschland eher bei ungefähr 2 Prozent zu sehen.
Die im Spätherbst 2006 verabschiedete europäische Dienstleistungsrichtlinie wird nach Ansicht der befragten Experten zunächst kaum
Auswirkungen auf die Unternehmen der Zeitarbeitsbranche haben.
Internationale Zeitarbeitsgesellschaften sind seit Jahren auf dem
deutschen Markt zu finden, ohne dass eine besondere Gefährdung
der heimischen Anbieter zu sehen wäre. Eine etwas andere Situation
kann sich jedoch ergeben, wenn den EU-Bürgern der neuen Aufnahmeländer der freie Zugang zu den Arbeitsmärkten gestattet wird. Ab
diesem Zeitpunkt gibt es verschiedentlich Ansichten über existenzgefährdende Veränderungen („Billigkräfte, die weniger als die Zeitarbeit kosten!“) auf dem Arbeitsmarkt.
2.4 Die Struktur der Betriebe und gewerblichen Kunden der Zeitarbeit
Die Unternehmen der Zeitarbeitsbranche differieren in ihren Strukturen stark. Es finden sich sowohl international operierende Großbetriebe als auch kleine, oftmals lediglich lokal agierende Büros. In
der Branche gilt jedoch stets: auf einen internen Mitarbeiter müssen
laut einer Unternehmenssaussage ungefähr 15 Leiharbeitnehmer
kommen, um einen rentablen Betrieb aufrechtzuerhalten.
In Nordrhein-Westfalen gab es zum Jahresende 2005 insgesamt
3.492 so genannte Verleihbetriebe. Gegenüber dem Jahr 2004 bedeutet diese Betriebszahl einen Anstieg von 4,3 Prozent, innerhalb
von zehn Jahren hat sich die Zahl der Zeitarbeitsunternehmen in
NRW verdoppelt. 21,2 Prozent aller Verleihbetriebe sind in Nordrhein-Westfalen aktiv, diese stellen aber lediglich 20,5 Prozent aller
auf einen internen
Angestellten der
Zeitarbeit sollten
15 externe MA
kommen
zu Zeit zweimal so
viele Betrieb als
vor 10 Jahren
12
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Mitarbeiter in der Zeitarbeit. Die Branche ist im Land also eher kleiner strukturiert.
Allerdings verfügt ein Drittel dieser Betriebe derzeit nicht über externe Mitarbeiter, ist also am Markt nicht aktiv oder trotz bestehender Betriebsmeldung nicht mehr existent. Mehr als ein Viertel der
Zeitarbeitsunternehmen hat weniger als zehn Leiharbeitnehmer in
Arbeitsverträgen, gut jeder zehnte Betrieb hat aber zwischen 50
und 99 externen Mitarbeitern.
Abb. 4: Verleihbetriebe nach Anzahl externer Mitarbeiter
40,0
33,4
in %
30,0
27,5
20,0
9,6
8,8
10,0
6,4
4,5
3,8
30-39
40-49
3,6
2,5
100149
150
und
mehr
0
1-9
10-19
20-29
50-99
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Wirtschaftstheoretisch wird der Zeitarbeit die beste Geschäftsentwicklung in zwei Phasen zugesagt: Während des Beginns der Phase
des konjunkturellen Aufschwungs zögern Unternehmen aufgrund der
unsicheren Geschäftserwartung mit der Ausweitung des eigenen
Personalbestandes. Sie gleichen Umsatzspitzen und kurzfristige Produktionserweiterungen zunächst mit Zeitarbeits-Mitarbeitern aus,
bevor sich die konjunkturelle Lage dauerhaft erholt. Die zweite optimale Geschäftssituation sehen Wirtschaftstheoretiker in der Phase
des abflauenden Booms und dem eventuellen Eintritt einer Stagnationsphase. Zu diesem Zeitpunkt werden seitens der Unternehmen
keine Neueinstellungen mehr vorgenommen, die eigene (immer
noch boomende) Auftragslage einschließlich auftretender Personalenpässe wird durch den Einsatz der Zeitarbeit bedient. Schlägt die
eigene wirtschaftliche Situation in Richtung Abschwung um, werden
zunächst die Mitarbeiter der Zeitarbeit aus dem Produktionsprozess
herausgenommen.
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3. Der Wirtschaftszweig in der Region Westfälisches Ruhrgebiet sowie in übergeordneten Räumen
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, liegen zur Branchenentwicklung in der Zeitarbeit nur an wenigen Stellen Daten vor, die sich auf
eine regionale Ebene herunter brechen lassen. Die nachfolgenden
Statistiken und Auswertungen beziehen sich deshalb auf die Ergebnisse der telefonischen Befragung aller Betriebe5 und der eigenen
Unternehmensbesuche des Prospect-Teams.
Unternehmensstruktur der Zeitarbeit
Dortmund Kr. Unna
Gesamtzahl Unternehmen
ca. 140
ca. 35
telef. befragte Unternehmen
95
20
vor Ort besuchte Betriebe
12
13
Beschäftigte laut tel. Befragung
2.658
1.065
Hamm
ca. 30
26
12
1.482
3.1 Die Struktur der Betriebe
In der Region sind nach der Erhebung der G.I.B. ca. 200 Betriebe mit
etwa 6.900 internen und externen Mitarbeitern tätig, von denen 151
Betriebe mit 5.209 Mitarbeitern mit Hilfe der telefonischen Befragung erfasst wurden. Dies entspricht einer durchschnittlichen Betriebsgröße von gut 35 Arbeitnehmern. Allerdings gibt es in den Teilräumen der Region durchaus unterschiedliche Betriebsgrößen. Die
durchschnittliche Mitarbeiterzahl in Hamm unterscheidet sich deutlich von den kleineren Betriebsgrößen in Dortmund und dem Kreis
Unna.
ca. 200 ZABetriebe mit 6.900
Mitarbeitern in
der Region
Abb. 5: Mittlere Betriebsgrößen im Untersuchungsraum
60
57
50
40
30
36
28
20
10
0
Dortmund
Kr. Unna
Hamm
5
im Auftrag der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung G.I.B.
im Sommer 2006 durchgeführt
14
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Die befragten Betriebe machten nur zum Teil Angaben zu ihrer Mitarbeiterzahl. Die vorliegenden Zahlen weisen aus, dass drei Viertel
der Zeitarbeitsunternehmen bis zu 100 (interne und externe) Beschäftigte haben. Lediglich jeweils jeder neunte Betrieb verfügt
über bis zu 250 oder gar über 250 Mitarbeiter. Die beiden – nach
eigenen Aussagen – größten Betriebe sind Büros eines globalen Anbieters mit Niederlassungen in Dortmund und Hamm. Hier zeigt sich
noch einmal, dass die regionalen Verleihbetriebe größer strukturiert
sind als im bundesdeutschen Schnitt, wo beinahe 85 Prozent aller
Zeitarbeitsunternehmen weniger als 100 (allerdings ausschließlich
externe) Mitarbeiter haben.
Abb. 6: Verteilung der Betriebsgrößen nach Mitarbeitern
45,0
40,0
39,6
37,7
35,0
30,0
25,0
20,0
15,0
11,3
11,3
bis zu 250
mehr als 250
10,0
5,0
0,0
bis zu 50
bis zu 100
Die in der Region agierenden Betriebe der Zeitarbeit orientieren
sich schwerpunktmäßig an den personalintensiven Branchen der Region und hier vor allem in den produktionsorientierten Wirtschaftsbereichen. Die Mehrfachnennungen der Unternehmen zeigen, dass
vier von fünf Betrieben (auch) für Kunden im produzierenden Gewerbe und der Logistik tätig sind. Die Unternehmenskunden im
Dienstleistungsbereich sind dagegen offenbar nur unterdurchschnittlich vertreten. Die Wirtschaftsbereiche Einzelhandel und Hotel/Gastronomie tauchen als Unternehmensbranche überhaupt nicht
auf, was nach Aussage der befragten Experten vor allem an den hohen Minijob-Anteilen in diesen Branchen liegt.
ZA ist vorwiegend
in den Bereichen
Metall, Elektro
und Logistik zu
finden.
Der Bereich Produktion und verarbeitendes Gewerbe wird in der
Region vorwiegend durch die Metall- und die Elektrobranche, nachrangig aber auch durch die Automobilzulieferindustrie gebildet. Die
Zeitarbeit ist zudem in vielen Logistikunternehmen in der Region
vertreten.
15
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Abb. 7: Einsatzbereiche der Zeitarbeit
im Westfälischen Ruhrgebiet
Handwerk; 2,7
Gesundheit und
Soziales; 8,1
Produktion und
Gewerbe; 40,5
UN-Dienstleistungen;
18,9
Logistik und
Transport; 29,7
3.2 Entwicklung und Trends
Die befragten Unternehmen äußerten sich beinahe vollständig positiv über die momentane Geschäftslage. Seit Mitte 2005, noch stärker bemerkbar seit Anfang 2006 ist ein deutlicher Auftragsschub zu
bemerken, der sich vor allem auf die Produktionsbetriebe und Logistik-Unternehmen bezieht, aber ebenso theoretisch im mittelständischen Handwerk und Gewerbe. Obwohl die Zeitarbeit in den letzten
Jahren insgesamt an Umsatz gewonnen hat, so berichteten einige
Zeitarbeitsbetriebe von einer zum Teil sehr ernsten und schwierigen
Situation bis zu der aktuellen Aufschwungphase des letzten Jahres.
Wirtschaftliche
Situation der ZA
ist sehr gut.
Seitdem ist die Umsatzentwicklung teilweise deutlich - verschiedentlich genannt um über 15 Prozent – gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Für das Jahr 2006 werden noch einmal exorbitante Steigerungsraten erwartet. Auch für das Jahr 2007 sehen die Experten und
Betriebe gute Entwicklungsmöglichkeiten für Umsatz und Gewinn.
Nach den Einschätzungen der befragten Experten aus Verbänden
und der Wissenschaft hat sich die Branche im Land grundlegend geändert. Auch bedingt durch die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen haben sich die Arbeitsbereiche sowie die Anforderungen an
die Arbeit verlagert. Die Weiterentwicklung von der früheren Leiharbeit zu den modernen Personaldienstleistungen scheint jedoch in
den Betrieben vor Ort noch nicht ausreichend gewünscht und vollzogen zu werden. Im Tagesgeschäft der Arbeitnehmerüberlassung
nehmen Umsatzspitzen und Urlaubsvertretungen immer noch einen
großen Raum ein. Inzwischen nehmen die ständigen Einsätze in den
Produktionsbereichen der gewerblichen Kunden zwar zu, doch ist
die Branche noch weit von den teilweise recht visionären Verbandsvorstellungen entfernt. Nach diesen Prognosen kann die Zeitarbeit
Moderne Dienstleistungen sind
kaum zu beobachten.
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in den Betrieben der gewerblichen Kunden durchaus ganze Schichten, Produkt- oder Projektteams übernehmen.
Im industriellen Bereich finden sich derartige Einsätze jedoch lediglich in sehr großen Betrieben mit sehr speziellen Arbeitsbereichen.
Im Dienstleistungssektor ergeben sich nach Einschätzung der befragten Experten durchaus Möglichkeiten für „Komplettlösungen“ in den
Betrieben. Allerdings ist im Rahmen der Untersuchung lediglich ein
Beispiel in Ostwestfalen bekannt geworden, bei dem ein Krankenhaus über die Zeitarbeit ein komplettes Operationsteam engagiert.
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4. Beschäftigung in der Zeitarbeit
Die Zeitarbeit bekommt für die wirtschaftlichen Bereiche eine stetig
steigende Bedeutung. Zwar liegt der Anteil der Leiharbeitnehmer an
der Gesamtbeschäftigung in Deutschland bei lediglich 1,5 Prozent
(2005), doch lässt sich seit einigen Jahren ein deutlicher Anstieg der
Mitarbeiterzahl feststellen. Wie sich auf den nächsten Seiten zeigen
wird, stehen dabei vorwiegend nur bestimmte gesellschaftliche,
soziale bzw. berufliche Gruppen den Unternehmen der Zeitarbeit
tatsächlich zur Verfügung oder werden von den Auftraggebern nachgefragt.
Es lässt sich ein
deutlicher Anstieg
der Beschäftigung
in der ZA feststellen.
4.1 Entwicklung der Beschäftigtenzahlen
In den letzten zehn Jahren hat die Zeitarbeit in Deutschland den
durchschnittlichen Bestand ihrer Mitarbeiterzahlen um über 150
Prozent steigern können. Waren im Jahr 1996 noch gut 175.000
Leiharbeitnehmer registriert, so erhöhte sich diese Zahl bis zum
Jahresende 2005 auf fast 444.000 Mitarbeiter.
Abb. 8: Durchschnittliche Jahresmitarbeiterzahl
in der Zeitarbeit in Deutschland seit 1996
500.000
400.000
300.000
200.000
100.000
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Jedoch unterliegt die Beschäftigung in der Zeitarbeit im Jahresverlauf deutlichen Schwankungen. So weist eine Statistik des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) für das Jahr 2005 eine Mitarbeiterzahl
aller Zeitarbeitsunternehmen in Höhe von über 975.000 Personen
aus. Nach einer Studie des IAB6 lag die durchschnittliche Beschäftigungsdauer eines Leiharbeitnehmers im Jahr 2003 bei 4,7 Monaten
(1996: 8,1 Monate). Es zeigt sich, dass die Zeitarbeitsunternehmen
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Antoni/Jahn: Boomende Branche mit hoher Fluktuation, IAB-Kurzbericht Nr.
14/2006
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während des Jahres mehrere Einstellungsperioden, aber vor allem
auch eine große Periode der Freisetzung von Mitarbeitern erleben.
Der Höchststand der Mitarbeiterzahlen wird innerhalb des Jahres
regelmäßig im Spätsommer bzw. im Herbst erreicht. Bis zum Januar
des darauf folgenden Jahres reduzieren die Unternehmen ebenso
trotz neuer Anstellungen regelmäßig die Zahl ihrer Beschäftigten um
zehn bis zwanzig Prozent.
In Dortmund und Hamm sowie im Kreis Unna sind ungefähr 6.900
Personen bei Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Aufgrund der
Einschätzungen der befragten Betriebe sind die Beschäftigtenzahlen
innerhalb eines Jahres um fünf bis zehn Prozent gestiegen. Damit
ergäbe sich eine Erhöhung der regionalen Beschäftigungszahl um ca.
350 bis 700 Personen innerhalb eines Jahres. Mehr als die Hälfte
aller befragten Zeitarbeitsbetriebe hat in den letzten zwölf Monaten
ihren Mitarbeiterbestand vergrößert.
bis zu 700 Beschäftigte im letzten Jahr in der
Region hinzugekommen.
4.2 Die Struktur der Beschäftigung
Die Zeitarbeit ist weiterhin eine Männerdomäne. Ungefähr drei Viertel aller Leiharbeiter sind männlich. Der Frauenanteil in der Zeitarbeit hat sich seit den achtziger Jahren kaum verändert. Im Jahr
2002 gab es mit 27 Prozent Frauenanteil die höchste Beschäftigungsquote, die in den Jahren 2003 und 2004 aber wieder auf unter
22 Prozent sank. Mit 26,6 Prozent geben die telefonisch befragten
Unternehmen der Region eine leicht höhere Frauenquote an.
Der Ausländeranteil unter den Leiharbeitnehmern ist mit 18,7 Prozent (2003) überdurchschnittlich hoch, geht aber seit Mitte der
neunziger Jahre, als noch jeder vierte Beschäftigte ein Ausländer
war, kontinuierlich zurück.
in der ZA arbeiten
tendenziell jüngere und männliche
Ausländer
Die Beschäftigungsstrukturen sind auf Vollzeitverträge ausgerichtet.
Teilzeitverträge gibt es bei den Zeitarbeitsunternehmen in der Region lediglich für acht Prozent aller Mitarbeiter, Verträge für Minijobs haben sogar nur ein Prozent der Beschäftigten.
Woher kommen die Mitarbeiter in der Zeitarbeit? Die Branche weist
darauf hin, dass im Jahr 2005 deutschlandweit mehr als siebzig Prozent der neu eingestellten Mitarbeiter aus der Arbeitslosigkeit bzw.
als Ersteinstellung in die Zeitarbeit gewechselt sind. Knapp 30 Prozent der Mitarbeiter sind aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis zur Zeitarbeit gewechselt, aber beinahe die Hälfte aller
neuen Mitarbeiter kamen aus dem ALG1-Bezug bzw. waren bis zu
einem Jahr arbeitslos gemeldet. Jeder siebte Beschäftigte in der
Zeitarbeit war vorher mehr als ein Jahr lang arbeitslos.
gut zwei Drittel
der neuen ZAMitarbeiter kamen
2006 aus der Arbeitslosigkeit.
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Abb. 9: Vorangegangene Beschäftigungssituation
der Zeitarbeitnehmer in Deutschland 2006
Erstanstellung
9%
aus Job heraus
29%
ALG2-Bezug
14%
ALG1-Bezug
48%
Quelle: Bundesverband Zeitarbeit; eigene Darstellung
4.3 Die aktuelle Personalentwicklung
Die Betriebe der Zeitarbeit suchen dringend und inzwischen auch
beinahe verzweifelt vor allem Handwerker und Facharbeiter für die
Produktion. Im Herbst 2006 schien das Angebot an Schlossern, Drehern, (Aluminium-)Schweißern, Installateuren, Elektrikern, Schreinern und selbst Malern vollständig abgebaut zu sein. Ähnliches gilt
für adäquate Kommissionierer/Logistikhelfer und für Produktionshelfer.
Betriebe haben
große Probleme,
Facharbeiter und
Handwerker einzustellen.
Die Betriebe versuchen hauptsächlich über Zeitungsanzeigen, an
neue Mitarbeiter zu gelangen. Initiativbewerbungen gibt es in der
Zeitarbeit nur sehr selten. Die Zusammenarbeit mit den öffentlichen
Arbeitsverwaltungen gestaltet sich in der momentanen Situation als
schwierig. Der Agentur für Arbeit wird im Allgemeinen bescheinigt,
sie sei in ihrer Vermittlungstätigkeit für die Zeitarbeit zu langsam
und ineffizient. Den ARGEN und dem Kommunalen JobCenter Hamm
werden zum Teil eine besserer und schnelle Zusammenarbeit mit
der Zeitarbeit attestiert, jedoch fehlt es im SGBII-Bereich aus Sicht
der Betriebe offenbar an geeigneten Bewerbern.
Einhellig herrscht bei Verbänden und Betrieben die Einschätzung
vor, dass ein eklatanter Fachkräftemangel (auch im Dienstleistungsbereich) nicht nur im Westfälischen Ruhrgebiet zu beobachten ist.
Inzwischen bekommen die Unternehmen selbst damit Probleme,
gewerbliche Hilfskräfte für die Zeitarbeit anzuwerben.
Die Branche erwartet von ihren Mitarbeitern neben Fachkenntnissen
vor allem Flexibilität und Mobilität. Bewerber ohne Führerschein
und Fahrzeug werden beispielsweise von vielen Betrieben nicht eingestellt.
Alle Komponenten – unterdurchschnittliche Bezahlung, schlechte
Arbeitsbereiche, unsichere Beschäftigungssituation, Anforderungen
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an die berufliche Erfahrung, hohe Anforderungen an Flexibilität und
Mobilität sowie die weiterhin schlechte Akzeptanz der Zeitarbeit –
führen dazu, dass die meisten Betriebe der Region inzwischen Aufträge mangels geeigneter Mitarbeiter ablehnen müssen.
Die Situation der Branche wird dadurch erschwert, dass in der Region einen harten Konkurrenzkampf in Verbindung mit einem deutlichen Rückgang der Margen zu beobachten ist. Verschiedentlich wiesen die befragten Betriebe darauf hin, dass der Druck auf die so
genannten Verrechnungspreise so stark gestiegen ist, dass mit den
Unternehmenskunden Verträge geschlossen werden, die unterhalb
der Gewinnzone der Zeitarbeit liegen.7
Handlungsempfehlung 2
Runder Tisch Zeitarbeit und Veranstaltung mit Verbänden
durchführen
Die neuen Arbeitsgemeinschaften und kommunalen Träger sind
seit dem 1. Januar 2005 die neuen Träger der Grundsicherung
für Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Zeitgleich mit dieser Arbeitsmarktreform lässt sich auch eine
wachsende Beschäftigtenzahl in der Zeitarbeit ausmachen.
Ein regionaler Austausch der Träger der Grundsicherung mit
Verbandsvertretern der Zeitarbeitsbranche kann zu einer besseren lokalen Zusammenarbeit, zu einer Optimierung der Schnittstellen und somit auch zu einer passgenaueren Vermittlung in
Zeitarbeit beitragen.
Handlungsempfehlung 3
Informationsvermittlung an Arbeitslose zu Zeitarbeit verstärken und optimieren
Ein großer Teil der Arbeitsuchenden und Arbeitslosen steht der
Zeitarbeitsbranche noch immer relativ skeptisch gegenüber.
Gerade für diese Zielgruppe bieten sich aber auch gute Chancen
zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Der Abbau von
Hemmnissen und die Steigerung der Akzeptanz kann durch eine
verstärkte Informationsvermittlung über die Branche, Tarife,
arbeitsrechtliche Regelungen und beruflichen Perspektiven erreicht werden. (Bsp. Kommunales JobCenter Hamm).
Beispiel: Allgemein wird von einem Anteil der Sozialversicherungsbeiträge
und Verwaltungskosten von ca. 80% des Stundenlohns ausgegangen. So liegt
der Verrechnungspreis bei einem Stundensatz im Helferbereich von 7,00 €
bei (7,00 * 180%) 12,60 €. Viele Unternehmenskunden zahlen jedoch maximal 12,00 € /Stunde für ungelernte Helfer an die Betriebe.
7
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4.2 Aus- und Weiterbildung
Die Betriebe der Zeitarbeit bilden – nicht nur in der Region – nur
zögernd aus. Die betrieblichen Angebote beschränken sich hauptsächlich auf den Ausbildungsbereich der Bürokaufleute. Technische
Ausbildungsberufe werden in der Zeitarbeit nur höchst selten angeboten.
Gut 30 Prozent der befragten Zeitarbeits-Unternehmen in der Region bilden aus. Alle Betriebe bilden dabei Bürokaufleute bzw. Kaufleute für Bürokommunikation aus. Technische Berufe wurden nicht
genannt.
Der neue Ausbildungsberuf des Personaldienstleistungskaufmann
/-kauffrau soll erstmals im Jahr 2008 angeboten werden. Während
jedoch die Zeitarbeitsverbände durchaus positiv zu diesem neuen
Berufsbild stehen, sehen die befragten Betriebe eher Probleme in
der erfolgreichen Durchführung der Ausbildung und die Weiterentwicklung zu einem Disponenten. Dies wird unter anderem damit
begründet, dass junge und unerfahrene Mitarbeiter als Personaldisponenten nach der Lehrzeit kaum in der Lage wären, wesentlich
ältere und berufserfahrene externe Mitarbeiter zu akquirieren und
zu betreuen. Damit ist dieser Ausbildungsgang für die Zeitarbeitsbetriebe jedoch zunächst nicht attraktiv.
Der Personaldienstleistungskaufmann wird in
von den Betrieben
skeptisch betrachtet.
Darüber hinaus sehen die Zeitarbeitsunternehmen fast keine Ausbildungsmöglichkeiten für ihre externen Mitarbeiter. Hier ergeben sich
bislang fast überhaupt keine Berührungspunkte zu ihren gewerblichen Kundenbetrieben.
Handlungsempfehlung 4:
Möglichkeiten zur Einführung der Verbundausbildung in der
Zeitarbeit prüfen
Einen Beitrag zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze in
der Region könnte ein Ausbildungsverbund-Modell mit Zeitarbeitsunternehmen, Bildungs- und Qualifizierungsträgern und
regionalen Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftszweige
leisten.
Zusätzliche Ausbildungsplätze könnten durch eine enge Zusammenarbeit von Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber, die die
administrative Abwicklung der Ausbildung übernehmen und von
Ausbildungsbetrieben, die die praktische Ausbildung der Jugendlichen übernehmen, entstehen.
Gerade Jugendliche mit besonderen Problemlagen könnte ein
solches Modell den Einstieg in den Ausbildungsmarkt ermöglichen. Hierzu könnte ein Bildungs- und Qualifizierungsträger als
dritter Verbundpartner unterstützende Leistungen anbieten.
Vorbild könnte das Modell „Reaktiva“ aus der Region OWL sein.
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Ein ähnliches Bild ergibt sich im Bereich der beruflichen Weiterbildung. Ungefähr 30 Prozent der telefonisch befragten Betriebe gaben
an, dass sie ihre Mitarbeiter für Weiterbildungen freistellen. Aber
nach den Ergebnissen der Unternehmensbesuche zeigt sich, dass
lediglich die internen Mitarbeiter beruflich weitergebildet werden.
Diese Möglichkeit besteht für externer Arbeitnehmer in der Zeitarbeit so gut wie nicht. Zwar bieten die auch international vertretenden Unternehmen teilweise EDV gestützte freiwillige Möglichkeiten
an, die aber zu Lasten der Freizeit der Mitarbeiter gehen. So beschränken sich die Angebote für die externen Mitarbeiter hauptsächlich auf den Bereich Staplerscheine und Schweißerscheine.
Begründet wird die fehlende Bereitschaft zur Freistellung hauptsächlich mit der Beschäftigungsstruktur der externen Mitarbeiter.
Leiharbeitnehmern, die länger als ein oder zwei Wochen nicht an
einen Kundenbetrieb abgegeben werden können, müssen im Allgemeinen mit ihrer Entlassung rechnen. Längerfristig geplante und
länger andauernde Weiterbildungen lassen sich so jedoch nicht gestalten. Angesprochen auf die Möglichkeiten, Mitarbeiter in verleihfreien Zeiten zu besser ausgebildeten und damit auch besser (teurer) verleihbaren Mitarbeitern zu machen, wurden von den befragten Zeitarbeitsunternehmen nicht befürwortet.
Die Zeitarbeit
bildet externe MA
beruflich nur sehr
selten weiter.
Ungefähr jeder sechste Zeitarbeitsbetrieb in der Region übernimmt
die Kosten für die Weiterbildung seiner Angestellten. Während der
Befragung wurden dabei EDV- und Arbeitssicherheitsschulungen genannt, aber auch der Bereich der Kundenakquise wurde genannt.
Handlungsempfehlung 5
Möglichkeiten für vernetzte Qualifizierung der Zeitarbeitsmitarbeiter schaffen
Die Zeitarbeitsbranche meldet einen steigenden Bedarf nach
gut ausgebildeten Fachkräften und Hilfskräften mit Fachkenntnissen. Die bisherigen Qualifizierungen für Arbeitsuchende und
Arbeitslose, z.B. im Bereich Lager/Logistik oder CNC, können
diese Bedarfe nur bedingt abdecken.
Um den hohen Personalbedarf nach qualifiziertem Personal decken zu können, sollten sich die Zeitarbeitsunternehmen in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Grundsicherung nach
dem SGB II und den regionalen Bildungs- und Beschäftigungsträgern an passgenauen Qualifizierungsmaßnahmen beteiligen.
(Hochregal-Stapler, CNC, usw.)
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Fazit: Die Branche hat sich im Tagesgeschäft inzwischen weitgehend
von ihrem schlechten Image befreien können. Die konkreten Verbesserungen für Bewerber und Mitarbeiter sind jedoch noch nicht bei
allen Jobsuchern verinnerlicht worden.
Die von einem Verband geäußerten These, die Zeitarbeitsunternehmen seien die „wahren“ Weiterbildungsträger, weil sie Arbeitslose
in Arbeit bringe und gleichzeitig deren beruflichen Kompetenzen
erweitere, ist sicherlich zu weit gegriffen. Gleichzeitig ist aber auch
nicht von der Hand zu weisen, dass die Zeitarbeit gerade für schwer
vermittelbare Langzeitarbeitslose eine echte Beschäftigungschance
darstellt.
Die Vermittlungszahlen der Arbeitsverwaltungen aus dem Herbst
2006 zeigen, dass die Zeitarbeit ein wichtiger Partner auf dem Arbeitsmarkt geworden ist. Sollten die Betriebe weiterhin an der Verbesserung der Einsatzsituation ihrer externen Mitarbeiter arbeiten,
sollte sich auch verloren gegangenes Vertrauen wieder zurück gewinnen. Wird schließlich die Zeitarbeit als ganz normaler – attraktiver - Arbeitgeber angesehen, dürften auch die Überlegung der Politik zu Mindestlöhnen dieser Branche nicht mehr schaden können.
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