Elegante Salons statt voller Kojen

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Elegante Salons statt voller Kojen
Donnerstag, 04.11.2010
MUNICH HIGHLIGHTS 21.10.2010
Elegante Salons statt voller Kojen
Die Munich Highlights setzen im Haus der Kunst neue
Maßstäbe für eine anspruchsvolle Kunst- und
Antiquitätenmesse. Ihre frische Präsentation und ihr
erlesenes Angebot erreicht auch ein jüngeres Publikum.
von Susanne Schreiber
MÜNCHEN. Der erste Eindruck ist überwältigend. Auf der Messe Munich Highlights
(22.-31.10) im Haus der Kunst zeigen 55 auserlesene Kunst- und Antiquitätenhändler,
wie stimmig eine gut gemachte Verkaufsausstellung mit Alter Kunst und Klassischer
Moderne aussehen kann. Da entdeckt der Messeflaneur herausragende Einzelstücke in
einem Setting, das eher an elegante Salons als an überfüllte Messekojen denken lässt.
"Die beste Kunstmesse Deutschlands hinzustellen, ist uns gelungen. Da spielen wir in
Frank C. Möller
der ersten europäischen Liga mit", stellt Konrad Bernheimer, einer der Geschäftsführer
wratet auf mit einem
24-flammiger
der Highlights, selbstbewusst fest. Da der Altmeister-Händler auch Chairman der
Kronleuchter nach
Maastrichter Tefaf-Messe ist, vermeidet er alle Anspielungen auf die weltbeste
einem Entwurf von
Karl Friedrich Schikel Antiquitätenmesse im Dreiländereck. Gleichwohl: Die Highlights sind, was Angebot und
(1781-1841).
Präsentation betrifft, eine Wucht. Das Besondere an dem Parcours durch den von den
Nazis errichteten Kunstbau ist der Wechsel von großen und kleinen, tiefen und flachen Ständen und
Gemeinschaftsständen. Ausstellungsdesigner Tom Postma hat durchgängig offene Stände entworfen, auf
die Kabuffs für den Nachschub verzichtet und für Neugier weckende Blickachsen gesorgt.
Klassizismus trifft Antike
Der Basler Antiken-Experte David Cahn und Frank C. Möller, Hamburg, singen das Hohe Lied auf die
Antike. Kleinere griechische Skulpturen und ein klassizistischer Tisch werden von einem der reichsten und
ausladendsten Schinkel-Lüster bekrönt. 1,6 Mio. Euro erwartet Möller für den 24-flammigen Kronleuchter,
der wohl aus dem Berliner Stadtpalais des Prinzen Carl stammt.
Prachtvolle Doppelstände
Wo der Klassizismus auf Klarheit setzt, schwelgt das Rokoko in floralen Formen und ästhetischer Opulenz.
Röbbig, München, und Steinitz aus Paris - seit Ewigkeiten wieder mal auf einer deutschen Messe präsent tun alles, damit sich das Auge des Besuchers auf ihrem Doppelstand auf feinste Nuancen einstellt. Der 40jährige Benjamin Steinitz bringt zwei herausragende Wandvertäfelungen mit. Die Boiserie von Johann G.
Leithner aus dem Wiener Palais des kaiserlichen Postministers Paar schafft von außen einen noblen
Rahmen (5,5 Mio. Euro). Blätter und Ranken sind hier nicht nur erhaben geschnitzt und vergoldet. Nein,
gleich dreierlei Goldtöne sorgen für den feinen Unterschied. Von klassischer Eleganz ist ein Louis XVSchreibtisch, der I. Dubois-gestempelt ist. Das Besondere an diesem repräsentativen Möbel sind
Bronzeschuhe in Form von Akanthus-Buketts. Steinitz erwartet hierfür 750.000 Euro.
Porzellan steht für verfeinerte Lebensart
Meissen-Spezialist Gerhard Röbbig trumpft mit einer prachtvollen Handkuss-Gruppe von Meissens
Meister-Porzellanmodelleur Johann Joachim Kaendler auf, die 380.000 Euro kosten soll. Eine nur
handtellergroße Böttger-Steinzeug-Kanne von 1707 nach chinesischem Kangxi-Vorbild ist auf 145.000 Euro
Meissen-Spezialist Gerhard Röbbig trumpft mit einer prachtvollen Handkuss-Gruppe von Meissens
Meister-Porzellanmodelleur Johann Joachim Kaendler auf, die 380.000 Euro kosten soll. Eine nur
handtellergroße Böttger-Steinzeug-Kanne von 1707 nach chinesischem Kangxi-Vorbild ist auf 145.000 Euro
angesetzt. Möbel nimmt Röbbig nur ins Angebot, wenn sie sehr klein, raffiniert und elegant sind und aus
erstklassigen Ebenisten-Werkstätten kommen. Für einen Verwandlungsspieltisch von Roentgen muss der
Kenner 485.000 Euro bewilligen.
Deutschlands großer Roentgen-Händler, Otto von Mitzlaff, vermissen wir im Haus der
Kunst. War er doch schon 2004 bei den Highlights dabei, als diese in Form einer
Boutique-Messe entlang der Brienner Straße eine qualitätvolle Alternative aufmachten
zum Riemer Messe-Mix.
Skulptur trifft auf Malerei
Amor enflammt Pluto,
der Proserpina in die
Unterwelt entführt.
Diese feinste
Elfenbeinarbeit
stammt von dem
Wiener Hofbildhauer
Matthias Steinl und
findet sich am Stand
von Böhler/Blumka.
Dem vor ein paar Jahren schon auf der Kölner Messe erfolgreich eingeführten Modell
spartenübergreifender Stände folgen auch Bernheimer/Colnaghi, Bellinger, Böhler und
Blumka. Vor dem eine Spur frecheren Colnaghi-Rot paradieren eine ganze Reihe von
Cranachs und Italienern des 18.und 19. Jahrhunderts. Der farbprächtige nur von ein paar
ausländischen Gesandten beobachtete Karneval in Venedig von Vater und Sohn Boldini
gibt Bernheimer für 780.000 Euro ab. Die beiden Aktbilder von Giovanni Antonio
Pellegrini aus einer französischen Sammlung sind perfekt erhalten, unrestauriert und für
650.000 Euro zu haben.
Virtuose Elfenbeinschnitzerei
Mit einer Gruppe feiner Renaissance-Bronzen, deutschen Schnitzarbeiten und einem in sich gekehrten
Engel aus Dijon oder Paris, um 1400 gemeißelt (600.000 Euro), akzentuieren Böhler und Blumka ihre Seite.
"Matthias Steinl ist der virtuoseste Elfenbeinschnitzer, den es je gegeben hat", begeistert sich Florian EitleBöhler. Hauchzart umflattert ein Tuch die nackte Proserpina, die vom verliebten Pluto geraubt und in die
Unterwelt entführt wird. Ganz natürlich und nicht manieristisch überdreht verschränken sich hier alle Formen
im dramatischen Geschehen. Der Preis für die nur 26 cm hohe Elfenbeinskulptur mit Liechtenstein- und
Rothschild-Provenienz liegt um 2 Mio. Euro. Sie hatte im Januar 2010 in New York bei Sotheby's 1,2 Mio.
Dollar erlöst. Die Schätzung hatte bei lächerlichen 120.000 bis 150.000 Dollar gelegen.
Venus als Verkäuferin
"Wer kauft Liebesgötter?" heißt eine hinreißende Bleistift-Zeichnung der Brüder Riepenhausen: Venus
verkauft hier Amoretten. Das monumentale Blatt kostet bei LeClaire, Hamburg, 185.000 Euro. Spannende
Funde an herausragender Kunst des 19. Jahrhunderts kann der Messeflaneur auf Papier bei LeClaire, auf
Leinwand und Papier bei den Arnoldi-Livie und bei Daxer & Marschall machen. Vertreter der Düsseldorfer
Malerschule sucht der Messebesucher am besten am Stand der Galerie Paffrath, Düsseldorf, die ihr
Angebot an Werken des 19. Jahrhunderts mit einem außergewöhnlichen, pastos hingefetzten Blumenstrauß von Lovis Corinth aus dem Jahr 1921 bekrönt (850.000 Euro).
Michel Erhard verlieh
der Büste des
Heiligen Bernhardin
die Züge eines vom
Leben gezeichneten
Mannes. Bernhard
Decker hat sie
entdeckt und bietet
sie auf den Highlights
Georg Laue, der eine Sammlung von Prunkbestecken aus Renaissance und Barock
(10.000 bis 250.000 Euro) sowie eine wichtige Elfenbein-Skulptur bereit hält, tritt
zusammen mit dem Skulpturenhändler Sascha Mehringer und dem erst 23-jährigen
Filippo Benappi auf. Auch der junge Turiner ist Spross einer alteingesessenen
Kunsthändlerfamilie. Sein "Showstopper" ist eine kleine Goldgrundtafel des böhmischen
"Meisters des Hohenfurter Altars" mit einem Bischof und einem Heiligen (2,5 Mio.
Euro).
Noble Geschenke
Dass den qualitätsbewussten Highlights-Gesellschaftern ein großer Wurf gelungen ist,
bestätigt sich auch auf den zweiten Blick. Daniela Kumpf trumpft mit einer KPM-Uhr von
Heiligen Bernhardin
die Züge eines vom
Leben gezeichneten
Mannes. Bernhard
Decker hat sie
entdeckt und bietet
sie auf den Highlights
an.
Noble Geschenke
Dass den qualitätsbewussten Highlights-Gesellschaftern ein großer Wurf gelungen ist,
bestätigt sich auch auf den zweiten Blick. Daniela Kumpf trumpft mit einer KPM-Uhr von
1766 auf (450.000 Euro) aus dem Besitz der Mutter von Friedrich August III., Kurfürst
von Sachsen. Über dem exakt laufenden Uhrwerk thront die Personifikation der Ewigkeit
(Aeternitas), deren Augen von einem Tuch bedeckt sind: Sie sieht nicht die einzelne Stunde, sie wacht über
den steten Kreislauf und die Zeit an sich.
Affen musizieren
Am Stand von Gertrud Rudigier ist die Straßburger "Affenkapelle" aus Fayence (über 500.000 Euro)
Hingucker und Magnet. Denn des Menschen Alter Ego legt sich mächtig ins Zeug, um Musik zu machen und
seine Leidenschaften auszuleben. Der Majolika-Experte Caviglia aus Lugano hat nicht nur einen großen,
farbig gefasst Buddha aus Terrakotta mitgebracht - eine Chinoiserie made in Turin (155.000 Euro) sondern auch feine Majolika und Porzellan. Peter Mühlbauer, der Generalist aus Pocking, bietet u.a. einen
Prunk-Spiegel an, der mit Horn und Schildpatt reich verziert ist. Obwohl um 1700 entstanden, ist noch altes
Glas drin (58.000 Euro).
Vom Leben gezeichnet
Bernhard Decker, Frankfurt, ist immer eine Anlaufstelle, wenn es um außergewöhnliche Skulptur geht. Mit
Michel Erharts Mönchsbüste des Hl. Berhardin von Siena nimmt die sakrale Skulptur erstmals stark
individualisierte Züge an (150.000 Euro). Kunsthistorisch und ästhetisch herausragend sind die Kölner
Thronmadonna, die wohl aus dem Clarenaltar stammt (350.00 Euro) und ein lebensnah charakterisierter
Prophet mit Bartschatten aus Tirol (100.000 Euro). Decker sieht in seinem Stil engste Parallelen zum
Werkstattbetrieb der Brüder Michael und Friedrich Pacher.
Die moderne Kunst ist überall
Zwischen all den Alten Meistern blitzt zwischen drin immer wieder Kunst bis 1960 auf. In
großen Ständen demonstrieren die Galerie Thomas, München, und die Galerie Salis und
Vertes, Salzburg, Marktpower. Thomas mit Munch, Münter, und einer großen
Tischgesellschaft von Carl Hofer aus dem Jahr 1943 (395.000 Euro). Mit Noldes
Ein ungewöhnliches
dramatischem Gemälde "Die Strolche" spricht Thomas diejenigen an, die der Blumen
Bild von Emil Nolde:
und Blüten überdrüssig sind (480.000 Euro). Picassos "Paloma"-Bildnis von 1952/53
Die "Strolche" von
1912 stellt die Galerie dürfte eines der teuersten Werke der Messe sein. Thomas von Salis setzt es auf 6,5
Thomas aus.
Mio. Euro an. Eine hinreißende Aktzeichnung mit Kreide von Ernst Ludwig Kirchner aus
der Dresdner Zeit gibt von Salis für 385.000 Euro ab. Eine Kreidezeichnung mit "Flussdampfern", auch um
1909, hat Thole Rotermund parat, der Spezialist für Moderne auf Papier (für knapp 300.000 Euro).
Kleine Formate für das Wohnzimmer
Die Stuttgarter Galerie Schlichtenmaier hat Teile der Sammlung Reinheimer kaufen können, darunter ein
brillantes "Kleines Rotes Bild" (1968) von Emil Schumacher (200.000 Euro). Von Peter Brüning fasziniert
die schön rhythmisierte Abstraktion, "Komposition Nr. 115" von 1962 (62.000 Euro). Kleine Formate
dominieren auch am Stand der Galerie Ludorff, Düsseldorf. Carl Hofers "Mädchen mit Amaryllis" von 1939
ist für 390.000 Euro zu haben. Für Gabriele Münters herrlich schlichte Ansicht einer Dorfkirche aus dem
Jahr 1908 muss der Kunstfreund 890.000 Euro hinblättern. Wer für große Namen weniger berappen will,
findet zwei schöne Liebermann-Pastelle mit Motiven aus seinem reichhaltigen Wannseegarten-Repertoire
(89.000; 145.000 Euro).
München wird wieder Drehscheibe für Antiquitäten
Die Munich Highlights haben ihre Feuertaufe im Haus der Kunst prachtvoll bestanden. Sie nennen sich im
Untertitel stolz "Internationale Kunstmesse München 2010". Zehn Neuaussteller kommen aus dem Ausland.
Da könnten es ruhig noch ein paar mehr werden. Um neues, jüngeres Publikum zu erreichen, erscheinen
Die Munich Highlights haben ihre Feuertaufe im Haus der Kunst prachtvoll bestanden. Sie nennen sich im
Untertitel stolz "Internationale Kunstmesse München 2010". Zehn Neuaussteller kommen aus dem Ausland.
Da könnten es ruhig noch ein paar mehr werden. Um neues, jüngeres Publikum zu erreichen, erscheinen
Informationen nicht als Katalog, sondern in Kooperation mit der Zeitschrift AD. Das fruchtet, wie zahlreiche
Mehrfach-Reservierungen zeigen. Da es in München keinen zentralen Ort für alle Kunst- und
Antiquitätenhändler gibt, haben sich drei parallele Messen entwickelt. Wenn sich die Kunst Messe München
im Postpalast (HB v. 15.10.), die Nockherberg-Messe und die Highlights weiterhin im Profil so klar und
deutlich unterscheiden, dann hat jeder Kunstfreund etwas davon. Er kann in drei nicht ermüdenden
Rundgängen das gesamte Spektrum der Branche in Augenschein nehmen und dann kaufen. Bedingung ist
ein einheitlicher Termin für alle drei Veranstaltungen.
Auch auf Reisen
verzichtete der Adel
nicht auf feines
Porzellan und
exotische Grtränke.
Der Reisekoffer mit
dem Seladon-Service
ist bei Röbbig zu
finden.
Highlights - Internationale Kunstmesse München
Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1, Eingang West
22.-31.10.2010 täglich 11-19, 1.11 bis 18h
Eintritt 12 Euro mit Messemagazin
www.munichhighlights.com
55. Kunst München-Messe im Postpalast
Wredestraße 10, an der Hackerbrücke
Bis 24.10., täglich 11-19 h
www.kunstmesse-muenchen.com
83. Kunst & Antiquitäten München
Festsaal des Paulaner am Nockherberg
Hochstraße 77
22.10.-1.11, täglich 11-19 h, Mi bis 21 h
www.kunst-antiquitaeten.de
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