Rom und die Christen

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Rom und die Christen
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Inhalt:
1. Römische Provinzen zur Zeit Jesu
2. Die ersten Christen in Rom
3. Die Evangelien
4. Christenverfolgungen und Märtyrerakten
5. Die Apologeten: Tertullian und Minucius Felix
6. Laktanz
7. Ambrosius (333 - 397)
8. Augustinus (354 - 430)
9. Hieronymus (345 - 419)
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1Das römische Reich und die Christen
1. Römische Provinzen zur Zeit Jesu
Jesu Familie lebte in Nazareth (Galiläa) während der Regierung des Königs Herodes des Großen.
Dieser war 40 v.Chr. von den Römern, die das Land schon 64 v.Chr. erobert hatten, eingesetzt worden, um Unruhen in der Bevölkerung zu vermeiden, die die römische Herrschaft nur widerwillig akzeptierten. Der König konnte weitgehend unabhängig schalten und walten, solange seine Maßnahmen nicht gegen die Interessen Roms gerichtet waren. Da er 4 v.Chr. starb, muss die
Geburt Jesu spätestens in dieses Jahr fallen.
Nach dem Tod des Königs wurde das Reich unter seinen Söhnen aufgeteilt: Herodes Antipas
erhielt Galiläa, Herodes Archelaus wurde Judäa
übertragen. Da jedoch in Rom Klagen über dessen Regierung einlangten, wurde er 6 n.Chr. abgsetzt und Judäa in eine römischen Provinz
verwandelt, die ein Statthalter („Procurator“)
verwaltete.
Das Todesjahr Jesu liegt zwischen 30 und 33.
In dieser Zeit regierte in Galiläa noch immer
Herodes Antipas, in Judäa der Procurator Pontius Pilatus (seit 26 n.Chr.). In dieser sensiblen Provinz benötigte man kluge Statthalter, die es verstanden, den latenten Widerstand der Bevölkerung
still zu halten. Pilatus gehörte nicht zu diesen: wegen seiner undiplomatischen Haltung war er bereits
von Rom zurechtgewiesen worden (und wurde 36 n.Chr., nach einer weiteren Beschwerde, tatsächlich abgesetzt). Der Prozess gegen Jesus fand in Jerusalem statt, gehörte daher in den Amtsbereich
des Procurators - er war demnach allein verantwortlich für die Hinrichtung Jesu. Da sich Herodes
Antipas wegen des Passah-Fests gerade in Jerusalem aufhielt, wollte Pilatus ihm den ungeliebten
Prozess übertragen (Herodes war insofern betroffen, als Jesus aus Galiläa stammt). Mit wenig Glück,
denn Herodes lies sich die Verantwortung natürlich nicht aufhalsen und schickte Jesus wieder zurück.
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2. Die ersten Christen in Rom
Zum Jahr 49 n.Chr. berichtet der römische Historiker Sueton (Gaius Suetonius Tranquillus), dass alle Juden aus Rom ausgewiesen wurden, weil es unter ihnen Streitigkeiten gegeben habe, und zwar
„impulsore Chresto“ („auf Anstiftung des Chrestus“). Damit sind höchstwahrscheinlich Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen gemeint. Diese Notiz zeigt zweierlei:
 es gibt in dieser Zeit bereits eine Christengemeinde in Rom
 Die Römer unterscheiden noch nicht zwischen Juden und Christen
Einige Jahre später (zwischen 56 n.Chr. und 58 n.Chr.) war die christliche Gemeinde in Rom bereits
so groß, dass der Apostel Paulus ihr einen eigenen Brief (den „Römerbrief“) widmete.
3. Die Evangelien
Nach der sog. „Zwei-Quellen Theorie“ bilden das Markusevangelium und eine nicht mehr erhaltene
Spruchsammlung Jesu (sog. „Logienquelle“) die Grundlage für die Evangelien nach Matthäus und
Lukas. Da alle drei auf die Zerstörung des Tempels von Jerusalem anspielen (70 n.Chr. während
des großen jüdischen Aufstands, der von den Römern in einem mehrjährigen Krieg (66 – 70) niedergeschlagen wurde) und die Verfasser offensichtlich unmittelbar nach diesem Ereignis die Wiederkunft Christi erwarteten (sog. „Parousieerwartung“), vermutet man ihre Entstehungszeit bald nach
70 n.Chr. Die Entstehung des Johannesevangeliums, das sich teilweise deutlich von diesen drei unterscheidet, wird noch später angesetzt. Alle Evangelien wurden in griechischer Sprache verfasst,
aber es gab natürlich bald lateinische Übersetzungen, die allerdings nur in Fragmenten erhalten sind
und heute unter dem Sammelbegriff „vetus Latina“ zusammengefasst werden. Im 4.Jhd. begann
Hieronymus (s.S.10) mit einer Neuübersetzung, die sich allmählich durchsetzte und unter der Bezeichnung „Vulgata“ zur offiziellen lateinischen Bibel der Kirche wurde.
4. Christenverfolgungen und Märtyrerakten
Gegenüber fremden Religionen war der römische Staat prinzipiell keineswegs (und schon gar
nicht wegen reinen Glaubensfragen) feindlich eingestellt. Seine Götter waren keine „lieben“ Götter,
sondern Mächte, die durch Opfer friedlich gestimmt und deren Kulte daher sorgfältig und regelmäßig
gepflegt werden mussten - erst recht, wenn sie weit in römische Frühgeschichte zurückreichten. Diese Götter wollte das Christentum nicht durch ihren eigenen ergänzen, sondern ersetzen. Damit gefährdete das Christentum – dieser Eindruck musste sich einem Römer ganz selbstverständlich aufdrängen - Sicherheit und Fortbestand des Staates selbst, die mit der Bewahrung der religiösen Traditionen verbunden waren. Es war also der Absolutheitsanspruch des Christentums, der den langwierigen Konflikt mit dem römischen Staat auslöste. Das Opfer, das während der Verfolgungszeiten von
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der Reichsbevölkerung verlangt wurde, war ein Loyalitätsbeweis gegenüber dem römischen Staat.
Dass für den Christen ein solches Opfer auch das Bekenntnis zur Existenz der heidnischen Götter beinhaltete, konnte und wollte der Römer nicht verstehen. Da nützte es den Christen wenig, wenn sie
ihre Treue zum Kaiser als Staatsoberhaupt immer wieder ausdrücklich beteuerten.
Hinzu kam die Abneigung gegen die Christen, die im Volk verbreitet war, nicht nur, weil sie dessen bevorzugte Unterhaltungen (Zirkusspiele) verurteilten, sondern auch wegen verschiedener Gerüchte, die über ihre Religion kursierten (z.B. von Menschenopfern), und die aus Unkenntnis des Ablaufs christlicher Feiern entstanden waren. Die verbreitete Ablehnung der Christen bestätigt uns der
Historiker Tacitus (ca. 100 n.Chr.), der ihnen „odium generis humani“ (= „Hass auf die menschliche
Gesellschaft“) vorwirft. Somit waren sie ein willkommenes Angriffsobjekt in Notzeiten, in denen
Menschen seit eh und je Schuldige suchen, denen die Verantwortung für diese Not zugeschoben werden kann.
Trotz allem gab es bis ins dritte Jahrhundert keine reichsweiten und schon gar keine permanenten
Verfolgungen, sie blieben stets lokal und zeitlich begrenzt - auch die erste, die im Jahr 64 nach dem
Brand Roms von Kaiser Nero (54 - 68 n.Chr.) befohlen wurde. Er suchte Sündenböcke für diese Katastrophe, weil sich in der Bevölkerung das Gerücht hielt, der Kaiser selbst habe den Brand legen lassen (um die Stadt nach seinen eigenen Vorstellungen neu bauen zu können). Dieser Verfolgung sollen auch die Apostel Petrus (Grab unter dem Petersdom) und Paulus (Grab in der Basilika „San Paolo“ an der „Via Ostiensis“ südl. von Rom) zum Opfer gefallen sein.
Die zweite größere Verfolgung setzte unter Kaiser Domitian (81-96 n.Chr.) ein. Sogar in der
Verwandtschaft des Kaisers scheint es damals Christen gegeben zu haben (sein Cousin, der Konsul (!) Flavius Clemens, und dessen Frau Flavia Domitilla, waren unter den „wegen Gottlosigkeit“
angeklagten Opfern). Auf diese Verfolgung dürften sich der sog. 1.Petrusbrief und die Offenbarung
des Johannes, die in dieser Zeit entstanden sind, beziehen.
Besondere Bedeutung hat für uns der Briefwechsel zwischen C.Plinius Secundus, dem Statthalter
von Bithynien, und Kaiser Trajan aus dem Jahr 112 n.Chr. Die Anfrage des Statthalters, wie er
denn mit Christen umgehen solle, zeigt, dass es kein Gesetz gegen Christen oder auch nur verbindlichen Richtlinien gab. Die Regelung Trajans wurde offenbar von den folgenden Kaisern übernommen
und allgemein als Richtschnur verwendet:
 Keine Berücksichtigung von anonymen Anzeigen.
 Keine Fahndung.
 Sobald aber Christen vor den Statthalter gebracht werden, müssen sie ihrem Glauben abschwören
und (als „Beweis“ ihrer Loyalität) den Göttern und dem „Genius“ des Kaisers opfern.
 Keine rückwirkende Bestrafung ehemaliger Christen (nur das aktuelle Bekenntnis zählt).
 Christen, die trotz Aufforderung ihrem Glauben nicht abschwören (= „Widerstand gegen die
Staatsgewalt“), sind hinzurichten
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Die auffällige Inkonsequenz (keine Fahndung nach Christen, aber Verurteilung wegen Christentum) wurde dem römischen Staat von christlicher Seite (besonders den „Apologeten“, s.u.) natürlich
immer wieder vorgehalten. Sie zeigt, wie wenig die Magistrate an der Verfolgung persönlicher Überzeugung interessiert waren, wie sehr dagegen am Respekt vor dem Staatskult (als einigendem Band
des riesigen und multikulturellen Reiches).
Die Situation änderte sich wesentlich unter Kaiser Decius 249 n.Chr.: als im Osten die Perser, an
der Donau Goten und am Rhein Germanen das Reich in einem Mehrfrontenkrieg zum Überlebenskampf zwangen, im Inneren die Legionen in einem fortwährenden Bürgerkrieg die Wahl der Kaiser
bestimmten (die Zeit von 234 bis 285 gilt als die der „Soldatenkaiser“), schien die römische Welt aus
den Fugen zu geraten. Da sah Kaiser Decius nur mehr in der Rückbesinnung auf die alten religiösen Werte, deren Vernachlässigung den Niedergang des Reiches verschuldet habe, eine Möglichkeit
zu dessen Regeneration („regeneratio imperii“). Die Wiederbelebung der alten Kulte, die er für das
gesamte Reichsgebiet verordnete, musste sich natürlich besonders gegen die inzwischen zu beachtlicher Zahl gewachsenen Christen richten. Damit setzte die erste allgemeine Christenverfolgung
(249-250) ein. Die zweite (257 - 258) folgte unter Kaiser Valerian, die dritte (umfangreichste und
grausamste) begann 303 unter Diokletian und wurde mit unterschiedlicher Intensität von seinen
Nachfolgern bis 313 fortgeführt. Da selbst diese lange und intensive Verfolgungszeit das Christenproblem nicht lösen konnte, entschloss sich bereits 311 Galerius, der Kaiser des Ostreiches (seit 293
war das römische Imperium in eine westliche und eine östliche – gleichberechtigte – Hälfte geteilt),
zu einem ersten Toleranzedikt. Endgültig beendet wurden die Verfolgungen erst mit dem sog. Edikt
von Mailand 313 der beiden Kaiser Konstantin (für den Westen des Reiches) und Licinius (für den
Osten). Ab jetzt wurde das Christentum vom Kaiserhaus den heidnischen Kulten nicht nur gleichgestellt, sondern bevorzugt. Kaiser Konstantin gilt als erster christlicher Kaiser, jedenfalls unterstützte er die Kirche und zeigte besonderes Interesse an ihrem Streben nach Einheit (Kampf gegen
Häresien, z.B. gegen die „Donatisten“1). Berühmt ist die Legende von seiner „Vision“ vor der entscheidenden Schlacht an der Milvischen Brücke 312 (in der Nähe von Rom, im Bürgerkrieg gegen
Maxentius): am Himmel sei das Christusmonogramm
(2 griechische Buchstaben, als Abkürzung
für „Christos“: X = Ch, P = r) erschienen und die Worte „hoc signo victor eris“ („unter diesem Zei-
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eine radikale Sekte, deren Mitglieder strikt die Wiederaufnahme („Wiedertaufe“) derjenigen ablehnte, die während der
Verfolgungszeit schwach geworden waren und ihrem Glauben abgeschworen hatten. Benannt nach ihrem Gründer Donatus von Casae Nigrae in Afrika, seit 313 Gegenbischof von Karthago. Außerhalb Afrikas hatten die Donatisten wenig
Bedeutung, in Afrika allerdings waren sie eine Massenbewegung und blieben dort lebendig, bis das Christentum durch
den Islam verdrängt wurde.
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chen wirst du Sieger sein“). Daraufhin habe er die Waffen seiner Soldaten mit diesem Zeichen versehen und seinen Gegner endgültig besiegt.
395 erklärte Kaiser Theodosius das Christentum schließlich zur alleinigen Staatsreligion. Trotz
dieser Unterstützung fand es den wichtigen Zugang zur Schicht der gebildeten Heiden nur sehr zögernd. Selbst am Ende des vierten Jahrhunderts gab es noch eine starke heidnische Opposition unter
der Führung altadliger Familien, wie der Symmachi oder der Nicomachi. Um auch in diesen Kreisen
akzeptiert werden zu können, war es für christliche Schriftsteller unumgänglich, die alte heidnische
Literatur, die gerade in jener Zeit besonders verehrt und gepflegt wurde (zahlreiche Philologen
kümmerten sich liebevoll um Neuausgaben alter Texte und um ausführliche Kommentare zu den
meistgelesenen und meistbewunderten Autoren), zu berücksichtigen und in stilistischer Hinsicht als
Vorbild zu akzeptieren.
Einen Eindruck vom Ablauf der Christenprozesse vermitteln uns die Märtyrerakten („acta, orum“ = „Protokoll“), die von den Gläubigen aufbewahrt und jährlich beim Fest des jeweiligen Märtyrers als erbauendes Beispiel furchtlosen Bekenntnisses vor der Gemeinde verlesen wurden. Die ältesten lateinischen Protokolle, die uns erhalten sind, die acta Scillitanorum aus dem Jahr 180 (überhaupt der älteste lateinische christliche Text), beschreiben den Prozess der Christen aus der nordafrikanischen Stadt Scillium. Der betont sachliche Stil (mit stereotypen Formeln, wie „proconsul dixit: ...“) verleiht dem Dokument ein gewisses Mass an Authentizität. Es zeigt, dass den Christen keine Möglichkeit zu einer eigentlichen Verteidigung geboten wurde (der Versuch eines Beteiligten, die
christliche Position zu erklären, wird vom leitenden Prokonsul barsch unterbunden). Sie wurden lediglich aufgefordert, ihre Zugehörigkeit zum Christentum zu widerrufen. Das Bekenntnis, Christ zu
sein („Christianus sum“) genügte offenbar für eine Verurteilung.
5. Die Apologeten: Tertullian und Minucius Felix
Da es den Christen nicht erlaubt war, sich vor einem Richter zu verteidigen, taten sie dies eben in
schriftlicher Form. Daher gehören zu ihren frühesten literarischen Werken Verteidigungsschriften
(„Apologien“).
Tertullian (160 - 220) stammte aus Afrika (Karthago). Er war zum Juristen ausgebildet und arbeitete bis zu seinem Übertritt zum Christentum (wann das war, wissen wir nicht) als Rechtsanwalt in
Rom. Er schloss sich, seinem kämpferischen und ungestümen Naturell entsprechend, einer radikalen
Sekte (den asketischen „Montanisten“) an. In seinem „Apologeticum“ (aus dem Jahr 197), das in
Form einer fingierten Gerichtsrede abgefasst ist, greift er vehement das Heidentum an und versucht,
alle Vorwürfe, die man gegen das Christentum erhebt, nicht bloß zu widerlegen, sondern nach Möglichkeit auf seine Gegner zurückzuwerfen. Empört hält er den Römern vor, dass Christen nicht wegen
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irgendwelcher Verbrechen verurteilt würden, sondern allein wegen ihres Namens, die Prozesse also
gar keine legale Grundlage hätten.
Von ganz anderer Natur zeigt sich Minucius Felix (genaue Lebensdaten sind nicht bekannt, jedenfalls später als Tertullian und ebenfalls aus Afrika) in seinem Dialog „Octavius“ (ca. 200 n.Chr.).
Auf Verständigung bedacht, im Stil betont Cicero, also den noch immer unumstrittenen Meister der
lateinischen Sprache, nachahmend, bemüht er sich, den gebildeten Heiden nicht so sehr zu attackieren als vielmehr zu gewinnen. In dieser Schrift erzählt er in „Ich“-Form von einem einige Zeit zurückliegenden Ausflug mit seinem inzwischen verstorbenen Freund Octavius und dem Heiden Caecilius am Strand von Ostia: es ist ein milder Frühlingstag, das Meer umspült ihre Füße ..., da wirft
Caecilius, wie bei Heiden üblich, einer Statue der ägyptischen Göttin Sarapis eine Kusshand zu. Darüber entspinnt sich eine Diskussion zwischen Octavius und Caecilius, eigentlich keine Diskussion,
sondern (ganz in der Art der philosophischen Dialoge Ciceros!) zwei lange Vorträge, in denen zuerst
der Heide seine Vorwürfe gegen das Christentum vorbringt, danach Octavius diese Vorwürfe widerlegt, wobei der Autor selbst als Diskussionsleiter fungiert. Octavius argumentiert natürlich so überzeugend, dass sich sein Gegner geschlagen gibt und spontan zum Christentum übertritt. Die eigentliche Auseinandersetzung bettet der Autor also in eine idyllische Rahmenhandlung, auch darin ganz
dem Vorbild Cicero folgend. Interessant ist der Dialog u.a. wegen der systematischen Aufzählung aller möglichen Vorwürfe, die Heiden gegenüber Christen vorzubringen pflegten, und von denen wir
auf diesem Weg erfahren (die christenfeindliche Literatur ist aus begreiflichen Gründen nur in Fragmenten erhalten).
6. Laktanz
Auch Laktanz war Afrikaner, lebte allerdings rund hundert Jahre nach Tertullian (um 300, genaue
Daten sind nicht bekannt). Rhetoriklehrer mit bester Kenntnis der alten Literatur, stilistisch auch
er ein eifriger Nachfolger Ciceros, eher Schöngeist als Kämpfer, und Gegner eines allzu eifrigen
Märtyrertums, übersteht er die diokletianische Verfolgung und wird unter Kaiser Konstantin sogar
Erzieher dessen Sohnes.
In zweierlei Hinsicht darf er als Pionier gelten: er schafft mit „de mortibus persecutorum“ das
erste christliche Geschichtswerk (das u.a. zwei wichtige Dokumente enthält: die Schilderung der
Schlacht an der Milvischen Brücke 312 n.Chr. und eine Abschrift des Mailänder Edikts – s.S. 5) und
mit den „divinae institutiones“ die erste lateinische Gesamtdarstellung des christlichen Glaubens.
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7. Ambrosius (333 - 397)
Ambrosius war Sohn des Statthalters von Gallien – damals eine sehr bedeutende Position - und
später selbst Statthalter von Oberitalien. 333 in Trier (in einer bereits christlichen Familie) geboren,
bekam er seiner hochadeligen Herkunft entsprechend die beste Ausbildung (sogar - zu seiner Zeit bereits eine Seltenheit - in Griechisch). Als 374 der Bischof von Mailand starb, tauschte er auf
Wunsch der Gläubigen sein Amt als Statthalter gegen das des Bischofs ein. Er zeigte sich als Bischof
ebenso tüchtig wie zuvor als Statthalter und verteidigte energisch und unerschrocken die Interessen
der Kirche gegen äußere und innere Gegner. Vehement kämpfte er um die Einheit und Unabhängigkeit der Kirche. Die Einheit der Kirche sah er vor allem in der Sekte der Arianer bedroht (die die
Dreieinigkeit leugneten), die Unabhängigkeit durch die damals noch immer starke heidnische Opposition und deren Einfluss auf den Kaiser. Sogar gegen den Kaiser selbst (Theodosius 392) trat er auf
und zwang ihn wegen einer allzu blutigen Strafaktion gegen aufständische Bürger in Griechenland
zur öffentlichen Buße! Seine Auseinandersetzung mit der heidnischen Opposition spiegelt sich unter
anderem im berühmten Streit um den Viktoria-Altar wider, der vor langer Zeit (29 v.Chr.) unter
Kaiser Augustus im Sitzungssaal des Senats aufgestellt worden war und als Symbol heidnischer
Tradition noch immer große Bedeutung hatte (vor Sitzungsbeginn brachte man ein Opfer dar). Unter
den christlichen Kaisern des 4.Jahrhunderts wurde er entfernt, doch bemühten sich heidnische Kreise
um seine Rückführung, besonders Symmachus, der deswegen 384 beim Kaiser (Valentinian II) vorstellig wurde. Ambrosius antwortete mit zwei Briefen und setzte sich beim Kaiser (mit der Drohung
der Exkommunikation!) tatsächlich gegen Symmachus durch. Damit war dem Kaiser erstmals erfolgreich die Rolle eines „Sohnes der Kirche“ aufgezwungen worden, der als Untertan Gottes in religiösen Fragen auch der Autorität der Kirche zu gehorchen habe.
Nachhaltige Wirkung übte Ambrosius durch seine Hymnen und seine allegorische Bibelauslegung aus (d.h. die Erzählungen der Bibel werden nicht wörtlich genommen, sondern in übertragenem
Sinn gedeutet). Hymnen gab es zwar schon lange in der Kirche (Plinius berichtet in seinem Brief an
Kaiser Trajan 112 davon), doch wurden sie von Ambrosius besonders als Bestandteil der Liturgie
gefördert. Er selbst schrieb eine Vielzahl solcher Lieder, die, wie später Augustinus aus eigener Erfahrung erzählt, den Zuhörer zutiefst bewegen konnten. Der berühmteste Hymnus, der mit Ambrosius
in Verbindung gebracht wird, das „Te Deum“, stammt freilich nicht aus seiner Hand. Die Legende
erzählt, dass er und Augustinus bei dessen Taufe 387 diesen Hymnus gemeinsam zum ersten Mal
aufgrund göttlicher Eingebung gesungen hätten.
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8. Augustinus (354 - 430)
Augustinus wurde 354 in Afrika geboren und erhielt eine gediegene Ausbildung in Rhetorik, die er
384 als staatlich besoldeter Redelehrer in Mailand (damals Kaiserresidenz!) ausgiebig nutzen konnte.
Niemand geringerer als Symmachus hatte ihm durch seine Empfehlung diese Stellung verschafft.
Aber statt der damit in Aussicht gestellten steilen Karriere wählte Augustinus nach seiner Bekehrung im Jahr 387 das zurückgezogene Leben eines Mönchs in Afrika.
Sein Weg zum Christentum war allerdings keineswegs geradlinig verlaufen: allen Bemühungen
seiner zutiefst gläubigen Mutter Monnica zum Trotz begegnete er anfangs (noch in Afrika) dem
Christentum mit der unter den Gebildeten verbreiteten Reserviertheit, bis ihn ein Buch Ciceros
(„Hortensius“, in dem zur Hingabe an die Philosophie aufgerufen wird) so stark aufwühlte, dass er
sich zu einer Neuorientierung seines bis dahin völlig dem Dieseits gewidmeten Lebens gedrängt fühlte. Zunächst allerdings folgte er dem Manichäismus (einer Sekte, die nicht die Alleinherrschaft eines
einzigen Gottes, sondern das Nebeneinander zweier in ständigem Kampf liegender Mächte lehrte).
Als ihm dieser auf seine beständigen Fragen keine befriedigenden Antworten mehr geben konnte,
überließ er sich resignierend dem Skeptizismus (da weder Gott erkannt, noch sein Werk verstanden
werden könne, sei es besser und ehrlicher, gar nichts zu glauben). Als Rhetoriklehrer in Mailand
fand er als nächstes Gefallen am Neuplatonismus, der damals, gerade in heidnischen gebildeten Kreisen, als Gegengewicht zum Christentum lebendig war. Schließlich öffnete ihm Ambrosius, der Bischof von Mailand (s.S. 8), dessen Predigten er eigentlich wegen ihrer vielgerühmten Beredtsamkeit,
also aus beruflichen Gründen, hören und studieren wollte, durch seine allegorische Interpretation den
Zugang zur Bibel, und damit auch zum Christentum, das ihm bis dahin gerade wegen seiner Ablehnung der Hl.Schrift – deren simpler Stil erschien ihm wenig vereinbar mit einem Werk aus Gottes
Hand – versperrt geblieben war. Noch immer unentschlossen und zögernd, erhielt er den endgültigen
und entscheidenden Anstoß zur Bekehrung durch die Erzählung über Antonius, einen ägyptischen
Einsiedler (der als Begründer des Mönchtums gilt), dessen asketisches Leben im Westen zwar noch
weitgehend unbekannt, im Osten dagegen bereits von Legenden umwoben war. Tief beeindruckt von
dieser Radikalität, sein Christentum zu verwirklichen, entschied Augustinus, schon lange unglücklich
über seine Unentschlossenheit und seinen als sinnlos empfundenen Beruf als Lehrer hohler Rhetorik,
ebenso vollständig mit seinem bisherigen Leben zu brechen. Ostern 387 ließ er sich von Ambrosius
taufen und übersiedelte bald darauf nach Afrika, wo er mit wenigen Freunden ein Leben in Abgeschiedenheit führte. Vor der Übersiedelung starb seine Mutter, die den so lange ersehnten Tag seiner
Taufe noch erleben durfte, in Italien.
Aber gerade durch seine asketische Lebensführung schien er nach dem Tod des Bischofs von
Hippo Regius (einer Stadt an der nordafrikanischen Mittelmeerküste) in den Augen des Volkes der
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geeignetste Nachfolger zu sein. Ganz gegen seinen Willen wurde er somit 395 Bischof. Mit ähnlicher
Energie wie Ambrosius, mit dem er in freundschaftlichem Briefwechsel stand, hatte auch er in seinem neuen Amt, nicht eben tolerant gegenüber Sekten und anderen Gegnern, um die Einheit der Kirche zu kämpfen. 430 starb er, als die Vandalen, die über Spanien plündernd in Afrika eingedrungen
waren, die Stadt belagerten.
Seine „confessiones“ (397 geschrieben, 13 Bücher) berichten in den ersten 9 Büchern von seinem
Leben. Da er keine bloße Selbstbiographie, sondern seinen Weg zur Bekehrung beschreiben wollte,
endet der erzählende Teil mit seiner Taufe, also dem letztendlich doch noch erreichten Ziel, und dem
Tod der Mutter kurz darauf. Die Erzählung beinhaltet zugleich eine Art „Beichte“ (über die Irrwege,
denen er im Laufe seines Lebens gefolgt ist), und Dankesgebete an Gott, (der ihn trotz dieser Irrwege zum Ziel geführt hat), die den Konfessionen stellenweise einen eigentümlichen Hymnenstil verleihen. Das 10.Buch versucht eine psychologische Selbstbetrachtung, die Bücher 11 bis 13 eine Interpretation der biblischen Schöpfungsgeschichte.
Als 410 nach dem Überfall der Goten Rom geplündert wurde - eine bis dahin für unmöglich gehaltenen Katastrophe - sah sich wieder die alte heidnische Meinung bestätigt, dass mit der Abkehr
von den Göttern, die Rom doch groß gemacht hätten, auch deren Schutz verlorengegangen und daher
das Christentum am Unglück schuld sei. Als Antwort darauf schrieb Augustinus das letzte große
apologetische Werk des frühen Christentums, die 22 Bücher „de civitate Dei“ („über den Gottesstaat“, von 413 bis 426). Durch die Trennung des irdischen (sichtbaren) Reiches vom überirdischen
Reich Gottes, das allein unvergänglichen Wert besitze, löste er die noch von seinen Vorgängern (u.a.
Ambrosius) verteidigte Verbindung der Kirche mit dem römischen Staat, und half ihr damit, den
Untergang des römischen Reiches zu überstehen.
9. Hieronymus (345 - 419)
Auch er erhielt eine erstklassige Ausbildung und lernte die alte lateinische Literatur gründlich
kennen. Nach seiner Bekehrung 367 entschied er sich für ein asketisches Leben, wurde Sekretär des
Papstes Damasus in Rom und zog sich schließlich nach Bethlehem in sein Kloster zurück, das er
selbst 386 gegründet hatte. Er arbeitete 16 Jahre lang (390 - 406) an der Neuübersetzung der Bibel,
für die er eigens Hebräisch gelernt haben soll (ob er wirklich Hebräisch konnte, ist nicht sicher). Seine Übersetzung konnte sich nur langsam gegen die alte (die sogenannte „vetus Latina“) durchsetzen,
erst ab dem 9.Jahrhundert war sie Allgemeingut. Im 13.Jahrhundert nannte man sie „Vulgata“ (ergänze: „editio“), sie blieb bis 1979 (!) offiziell gültig.