Bundesweites Integrationsprogramm

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Bundesweites Integrationsprogramm
Bundesweites
Integrationsprogramm
Angebote der Integrationsförderung
in Deutschland – Empfehlungen zu
ihrer Weiterentwicklung
Inhalt
inhalt
Inhalt
Vorwort
7
ADas bundesweite Integrationsprogramm: Integrationsangebote
weiterentwickeln und koordinieren, Potenziale nachhaltig nutzen
9
1. Entstehung und Struktur des Berichts
12
2. Handlungsfelder und zentrale Themen
14
2.1 Sprachliche Integration
14
2.2 Bildung und Integration
17
2.3 Gesellschaftliche Integration
23
B Sprachliche Integration
30
1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld sprachliche Integration
30
2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten im Handlungsfeld sprachliche Integration
31
2.1 Bildungssprache Deutsch durchgängig fördern
31
2.1.1 Durchgängige sprachliche Bildung in Kindertageseinrichtungen und Schulen: Frühe Grundlagen legen – Bildungssprache Deutsch vermitteln
32
2.1.2 Eltern bei der sprachlichen Bildung partnerschaftlich einbeziehen und unterstützen
38
2.1.3 Sprachliche Bildung am Übergang Schule – Ausbildung: Berufsvorbereitende Deutschkenntnisse vermitteln, Ausbildungschancen stärken
40
2.1.4 Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals für die frühkindliche und schulische sprachliche Bildung
45
2.2 Grundlegende Deutschkenntnisse vermitteln: Der Integrationskurs
52
2.3 Sprachliche Bildung für Beruf und berufliche Weiterbildung: Berufsbezogene Deutschförderung weiterentwickeln
57
2.3.1 Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals im Bereich berufsbezogene Deutschförderung
59
2.3.2 Sprachbedarfsermittlung
63
2.3.3 Feststellung der Deutschkenntnisse
65
2.3.4 Koordinierung der Akteure und Angebote berufsbezogener Deutschförderung
67
2.3.5 Qualitätsanforderungen an Kursträger
69
2.3.6 Rahmenbedingungen
71
2.4 Kompetenzen für die globalisierte Welt: Mehrsprachigkeit fördern und nutzen
C Bildung und Integration 72
78
1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld Bildung und Integration 78
2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten im Handlungsfeld Bildung und Integration
79
3
inhalt
Inhalt
2.1 Eltern mit Migrationshintergrund: Bildungs- und Erziehungskompetenzen stärken, Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen unterstützen
79
2.1.1 Elternbildungsangebote
81
2.1.2 Zusammenarbeit Eltern – Schule zur individuellen Förderung des Kindes
88
2.1.3 Beteiligung von Eltern mit Migrationshintergrund an Gremien schulischer Elternvertretung
93
2.1.4 Stärkung der Rolle von Migrantenorganisationen in der Elternarbeit und Elternbildung
98
2.2 Lehramtsstudierende und Lehrkräfte mit Migrationshintergrund gewinnen
101
2.2.1 Lehrkräfte mit Migrationshintergrund – Kompetenzen und Herausforderungen
102
2.2.2 Lehramt – (k)ein Studium für Studierende mit Migrationshintergrund?
103
2.2.3 Ansätze zur Steigerung des Anteils von Lehramtsstudierenden mit Migrationshintergrund
104
DGesellschaftliche Integration
110
1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration 110
2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration
112
2.1 Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung stärken
112
2.1.1 Auf- und Ausbau tragfähiger Strukturen für die Integrationsarbeit von Migrantenorganisationen
115
2.1.2 Partizipation durch Professionalisierung der Vereinsarbeit von Migrantenorganisationen
120
2.1.3 Partizipation durch bürgerschaftliches Engagement in und durch Migrantenorganisationen
131
2.1.4 Interkulturelle Öffnung: Positive Effekte für Migrantenorganisationen 137
2.2 Gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen stärken: Interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit
138
2.2.1 Förderung der Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in anerkannten Jugendverbänden
2.2.2 Integration von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die Jugendverbandsstrukturen
E Qualität sichern, Wirkung feststellen:
Evaluation und Qualitätssicherung in der Integrationsförderung
146
150
156
1. Ausgangslage und Herausforderungen 156
1.1 Evaluation von Angeboten der Integrationsförderung in Deutschland
156
2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Evaluation im Bereich der Integrationsförderung
161
F Zusammenfassung: Zentrale Themen und Empfehlungen
des bundesweiten Integrationsprogramms
164
GAusblick: Umsetzung und weiteres Vorgehen
170
4
Inhalt
inhalt
HAnhang
172
Beteiligte Institutionen und Personen
172
Abkürzungsverzeichnis
186
Literaturverzeichnis
189
5
6
Vorwort
Vorwort
Der Auftrag des § 45 Aufenthaltsgesetz zur Erarbei-
und Ländern sind die Ergebnisse dieser Arbeit
tung des bundesweiten Integrati­onsprogramms geht
grundlegend.
zurück auf die Empfehlungen der Unabhängigen
Kommission Zuwanderung von 2001 unter Leitung
Das bundesweite Integrationsprogramm ist ein Ge-
der ehemaligen Präsidentin des Deutschen Bundes-
meinschaftswerk. Es ist das Ergebnis eines Pro-
tages, Frau Prof. Rita Süssmuth. Die Kommission
zesses, in dem sich zahlreiche Praktiker wie auch
hatte angesichts der Vielzahl paralleler Integrations-
Experten der Integrationsarbeit intensiv und umfas-
maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen
send mit den großen Themenfeldern der Integra­
dringend geraten, bestehende Programme und Ini-
tionspolitik befasst haben. Ihnen allen gilt mein be-
tiativen zu erfassen und zu systematisieren.
sonderer Dank. Hervorheben möchte ich die
vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Nicht-
Angesichts der aktuellen Haushaltssituation und be-
regierungsorganisationen und Migrantenorganisa-
grenzter Ressourcen müssen wir stärker denn je
tionen. Integration ist eine gesamtgesellschaft-
darauf achten, effektiv zu arbeiten und Synergien zu -
liche Aufgabe. Ihr Gelingen hängt ganz wesentlich
schaffen. Parallele Strukturen und Mehrfachför­
vom Engagement der Zivilgesellschaft und vom
derungen gilt es zu vermeiden.
Beitrag jedes Einzelnen ab. Gemeinsam können wir
viel erreichen. Seit 2001 sind wir bei der Integra-
Mit dem bundesweiten Integrationsprogramm hat
tion in wichtigen Feldern gut vorangekommen. Dazu
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
hat das bundesweite Integrationsprogramm einen
wichtige Grundlagenarbeit geleistet. Das vorliegende
wichtigen Beitrag geleistet.
Dokument stellt bestehende Integrationsmaßnahmen nicht nur fest, sondern enthält auch zahlreiche Ansatzpunkte für deren Fortentwicklung.
Damit bildet es einen Referenzrahmen für die zukünftige Abstimmung von Integrationsmaßnahmen
und die Zusammenarbeit in der Integrationsför-
Dr. Thomas de Maizière, MdB
derung. Auch für die Zusammenarbeit zwischen Bund
Bundesminister des Innern
7
8
a – das bundesweite integrationsprogramm
A
Das bundesweite Integrationsprogramm: Integrationsangebote
weiterentwickeln und koordinieren,
Potenziale nachhaltig nutzen
Die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutsch-
wirtschaftliche, demographische und gesellschaft-
land ist durch die Migration der letzten Jahrzehnte
liche Entwicklung Deutschlands, sie muss jedoch
vielfältiger geworden – kulturell, religiös und sprach-
gestaltet werden.
lich: Rund 15,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben heute in Deutschland – fast
Die Zusammensetzung der Bevölkerung mit Migra­
ein Fünftel der Bevölkerung, darunter 8,3 Millionen
tionshintergrund hat sich in den vergangenen
Deutsche. Rund 10,6 Millionen sind selbst nach
Jahren gewandelt, die Vielfalt der Gesellschaft in
Deutschland zugewandert. Neben 7,3 Millionen Aus-
Deutschland ist Veränderungen unterzogen: Präg-
länderinnen und Ausländern leben viele (Spät)
ten bis Anfang der 1990er Jahre Menschen aus den
Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler in Deutsch-
ehemaligen Anwerbestaaten (etwa der Türkei,
land; seit 1950 sind rund 4,5 Millionen zugewan-
Italien und dem ehemaligen Jugoslawien) sowie
dert.1 Genau bestimmen lässt sich ihre aktuelle
Aussiedlerinnen und Aussiedler das Bild der
Zahl nicht, sie wird in der amtlichen Statistik nicht
Bevöl­kerung mit Migrationshintergrund, hat sich
explizit ausgewiesen. Schätzungen reichen von 3,1
ihre Zusammensetzung in den letzten Jahren
bis 4,1 Millionen. 2 Hinzu kommen seit dem Inkraft-
durch die verstärkte Zuwanderung aus anderen
treten des neuen Staatsangehörigkeitsrechts im
Teilen der Welt verändert. Die größten Gruppen
Jahr 2000 mehr als eine Million Personen, die
der Menschen mit Migrationshintergrund in
eingebürgert wurden, sowie die Kinder von Migran-
Deutschland bilden weiterhin diejenigen mit
tinnen und Migranten, die bereits bei Geburt die
türkischem Migrationshintergrund sowie (Spät)
deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben.
Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler. Unter den
3
Diese Vielfalt ist eine Chance für die kulturelle,
Menschen, die neu nach Deutschland zuwandern,
sind heute jedoch viele Menschen aus Osteuropa –
1 Seit 2005 ermöglichen die Daten des Mikrozensus die Iden­
tifizierung von Personen mit Migrationshintergrund. Die
Hochrechnung der ausländischen Bevölkerung im Mikrozen­
sus schätzt diese auf der Grundlage der Bevölkerungsfortschreibung auf 7,3 Millionen und weicht damit von der im
Aus­länderzentralregister erfassten Zahl von 6,7 Millionen
Menschen ab. Vgl. Bundesministerium des Innern / Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2008): Migrationsbericht
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag
der Bundesregierung. Migrationsbericht 2007, Nürnberg
sowie Statistisches Bundesamt (2010): Bevölkerung und
Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund –
Ergebnisse des Mikrozensus 2008, Wiesbaden.
2 Die Unterschiede in den Schätzungen der Zahl der (Spät)Aus-
siedlerinnen und (Spät)Aussiedler erklären sich wie folgt:
Die Zahl 3,1 Millionen basiert auf dem Mikrozensus 2008 und
umfasst Personen, die selbst mit (Spät)­Aus­sied­lerstatus nach
Deutschland eingereist sind sowie ihre zeitgleich eingereisten
Ehegatten und Kinder (bis 31.12.1992 Aussiedler, ab 1.1.1993
Spätaussiedler). Die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge
und Integration der Bundesregierung kommt in ihrem 7. Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland unter Einbeziehung auch der in Deutschland geborenen
Kinder von (Spät)Aussiedlern auf die Zahl von 4,1 Millionen. 3 Bundesministerium des Innern / Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (2008): a. a. O.
insbesondere aus Polen und Rumänien –, aber
auch aus Afrika und Asien. Man könnte sagen, die
Vielfalt ist vielfältiger geworden. Integrationsförderung muss darauf reagieren.
Begriffsklärung
In diesem Bericht werden die Begriffe „Menschen
mit Migrationshintergrund“, „Migrantin / Migrant“
und „Ausländerin / Ausländer“ verwendet. Mit
dem Begriff „Migrationshintergrund“ kann die
Gesamtheit aller Menschen mit eigener Migrationserfahrung bzw. Migrationserfahrung der Eltern und
damit Integration im Generationenprozess abgebildet werden. Er ermöglicht es, auch die spezifische
Situation der zweiten und dritten Generation zu
berücksichtigen, insbesondere in den Bereichen
9
a – das bundesweite integrationsprogramm
Bildung und Arbeitsmarkt. Der Begriff soll jedoch
gleichberechtigte Teilhabe am ökonomischen,
nicht implizieren, dass alle Menschen mit Migrati-
so­zialen, kulturellen und politischen Leben zu er-
onshintergrund Integrationsbedarf haben.
möglichen. Sie sollen nicht nur Adressaten von
Integrationsmaßnahmen sein, sondern auch gesell­
Nach der Definition des Statistischen Bundesamtes
schaftliche Entscheidungsprozesse mitgestalten
gehören zu den Personen mit Migrationshinter-
können. Das Zusammenleben in Deutschland soll von
grund neben Ausländerinnen / Ausländern und
Respekt, gegenseitigem Vertrauen, von Zusammenge-
(Spät)Aussiedlerinnen / (Spät)Aussiedlern sowie den
hörigkeitsgefühl und gemeinsamer Verantwortung
in Deutschland geborenen Eingebürgerten
geprägt sein.5 Integration kann jedoch nicht verordnet
auch alle in Deutschland Geborenen mit deutscher
werden. Der innere Zusam­menhalt unserer Gesell-
Staatsangehörigkeit mit zumindest einem
schaft – die innere Verfasstheit Deutschlands – setzt
zugewanderten oder als Ausländerin / Ausländer in
Anstrengungen und Engagement beider Gruppen,
Deutschland geborenem Elternteil.4
von Menschen mit und ebenso ohne Migrationshintergrund voraus. Von allen Beteiligten werden Verände-
Eine Person mit Migrationshintergrund, die im
rungs- und Verantwortungsbereitschaft gefordert.
Ausland geboren wurde und selbst eingewandert
ist, wird als „Migrantin / Migrant“ im engeren
Ausgangsbasis der Integrationsförderung sind die
Sinn bezeichnet. Der Begriff „Ausländerin / Aus-
Bedarfe von Migrantinnen und Migranten.
länder“ wird vor allem in rechtlichen und
Dabei sind insbesondere ihre Potenziale, Kom-
statistischen Zusammenhängen verwendet. Eine be-
petenzen und Fähigkeiten in den Blick zu nehmen
sondere Gruppe bilden (Spät)Aussiedlerinnen
und damit auch die Frage, wie diese für ihre
und (Spät)Aussiedler (sowie deren Ehegatten und
individuelle Integration und die Gesellschaft
Nachkommen). Sie werden bei einzelnen Themen
eingesetzt werden können. Dies spiegelt sich auch
des bundesweiten Integrationsprogramms deshalb
im Prinzip des „Förderns und Forderns“ und der
gesondert thematisiert.
Ressourcenorien­t ierung der aktuellen Integrationspolitik des Bundes wider, die auch Grundlage
Integrationsförderung in Deutschland: Aufgaben und
Akteure
der integrationspoli­t ischen Ziele und Leitlinien
des Nationalen Integrationsplans sind.
Es gibt zahlreiche Beispiele gelungener Integration – viele Menschen mit Migrationshintergrund
Staatliche Integrationspolitik muss die Rahmenbe-
haben ihren Platz in unserer Gesellschaft gefunden.
dingungen bereitstellen, damit das Zusammen­leben
Den­noch besteht auch weiterhin Bedarf an An­ge­
in der Zuwanderungsgesellschaft als respek­t volles
boten, die ihre Teilhabechancen in der Gesellschaft
Miteinander gestaltet werden kann und die
er­höhen. Die Integration neu zugewanderter, aber
gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit
zum Teil auch bereits länger hier lebender Men­schen
Migrationshintergrund an der Gesellschaft möglich
mit Migrationshintergrund ist deshalb eine
ist. Der Staat kommt dieser Verantwortung nicht
langfristige Herausforderung und Aufgabe für Staat
zuletzt durch die im Gesetz über den Aufenthalt, die
und Gesellschaft. Für ein gutes Miteinander braucht
Erwerbstätigkeit und die Integration von Auslän-
es dabei gemeinsamen Gestaltungswillen und die
dern im Bundesgebiet (kurz Aufenthaltsgesetz)
Bereitschaft aller, die im deutschen Grundgesetz
getroffenen Neuregelungen zur Integrationsförde-
verankerten Werte anzuerkennen und für unsere Ge-
rung nach, die seit 1.1.2005 in Kraft sind. Bund und
sellschaft Verantwortung zu übernehmen.
Länder unterstützen die Integration insbesondere
durch Angebote in den Handlungsfeldern sprach-
Integrationsförderung hat das Ziel, Menschen mit
liche Integration, Bildung sowie berufliche und
Migrationshintergrund Chancengleichheit und
gesellschaftliche Integration.
4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006): Leben in Deutschland –
Haushalte, Familien und Gesundheit, Ergebnisse des Mikrozensus 2005, Wiesbaden.
5 CDU/CSU/FDP (2009): „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. 17. Legislaturperiode“, Berlin, S. 74.
10
a – das bundesweite integrationsprogramm
Integration ist jedoch mehr als die Summe ein-
Bundesebene durch die Bündelung von Aufgaben
zelner Förderangebote. Ob das Zusammenleben
und die Neu­strukturierung der Integrationspolitik
in einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft
zu überwinden. Hierzu wurde ein Grundangebot
ge- oder misslingt, entscheidet sich zu allererst
an Integrationsförderung des Bundes gesetzlich
vor Ort. Wichtig für die Gestaltung von Integra-
geregelt und ein großer Teil der Integrationsauf-
tionsprozessen sind deshalb Kommunen und
gaben – vor allem die Förderung der Deutsch-
zivil­gesellschaftliche Akteure – Wirtschaft und
kenntnisse – beim Bundesamt für Migration und
Gewerkschaften, Kirchen und Religionsgemein-
Flüchtlinge gebündelt.
schaften, Stiftungen und Vereine von Menschen mit
und ohne Migrationshintergrund. Sie sind Orte, an
Das bundesweite Integrationsprogramm ist Bestand-
denen das Miteinander der Menschen praktisch
teil dieses Prozesses der Bündelung und zugleich
erfahren werden kann.
selbst ein Instrument zur stärkeren Koordinierung
der Integrationsförderung. Nach § 45 Satz 2
Integrationsprozesse setzen auch die Bereitschaft
Aufenthaltsgesetz sollen im bundesweiten Integra­
der Menschen ohne Migrationshintergrund voraus,
tionsprogramm die Vielfalt dieser Angebote erfasst,
sich der wachsenden Vielfalt zu öffnen. Zielgruppe
strukturiert und konkrete Vorschläge für ihre
von Integrationsaktivitäten ist deshalb auch die
Weiter­ent­w icklung formuliert werden. Mit der
Mehrheitsgesellschaft. Interkulturelle Lernprozesse
Entwicklung hat das Bundesministerium des Innern
sind jedoch nicht immer einfach und brauchen
(BMI) das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Unterstützung. Auch dies ist ein Aufgabenfeld von
(Bundesamt) beauftragt. Unter der Federführung
Integrationspolitik.
des Bundesamts haben Expertinnen und Experten
aus Politik, Verwaltung, Praxis der Integrationsför-
Wozu ein bundesweites Integrationsprogramm?
derung und Wissenschaft gemeinsam drängende
Die Vielfalt der Integrationsangebote in Deutsch-
Handlungsbedarfe identifiziert und konkrete Emp-
land ist groß, ihre Koordination war lange Zeit jedoch
fehlungen und Strategien entwickelt, die direkte
eher gering ausgeprägt. Es fehlte eine übergrei-
Anwendung in der Praxis finden können. Diese
fende strategische Ausrichtung, aus der sich Ziele
sind in diesem Band zusammengestellt. In Zeiten
und Maßnahmen ableiten konnten. Die Unabhän-
knapper Haushaltsmittel kann das bundesweite
gige Kommission Zuwanderung unter Leitung der
Integrationsprogramm als Fachprozess zur Weiter-
ehemaligen Präsidentin des Deutschen Bundestags
entwicklung der Integrationsangebote auch dazu
Prof. Dr. Rita Süssmuth bezeichnete das System der
genutzt werden, Vorhaben im Vorfeld stärker
Integrationsförderung in Deutschland in ihrem
abzustimmen um beispielsweise Doppelförderung
Abschlussbericht aus dem Jahr 2001 mit dem Begriff
zu vermeiden.
des „pragmatischen Improvisierens“. Sie kritisierte
die Differenzierung von Integrationsmaßnahmen
Es bestehen enge Bezüge zwischen dem bundes-
nach dem Aufenthaltsstatus der Migrantinnen und
weiten Integrationsprogramm und dem Nationalen
Migranten sowie das Fehlen einer umfassenden,
Integrationsplan der Bundesregierung, der im Juli
strategischen Integrationspolitik.
2007 im Rahmen des zweiten Nationalen Integra-
6
tionsgipfels vorgestellt wurde. Dieser hat auf poliDie Regierung der Bundesrepublik Deutschland
tischer Ebene Leitthemen und -ziele der Integration
hat die Forderungen nach einer systematischen
mit rund 400 Selbstverpflichtungen und Empfeh-
Integrationspolitik an verschiedenen Stellen
lungen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure
aufgegriffen: Ein wesentliches Ziel des Aufenthalts-
formuliert.7 Der Koalitionsvertrag der 17. Legislatur-
gesetzes im Bereich der Integrationsförderung ist
periode sieht vor, den Nationalen Integrationsplan
es, die Frag­mentierung der Zuständigkeiten auf
6 Vgl. Unabhängige Kommission Zuwanderung (2001): Zuwanderung gestalten, Integration fördern, Berlin, S. 199.
7 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): Der Nationale Integrationsplan. Neue Wege – Neue
Chancen, Berlin sowie (2008): Nationaler Integrationsplan.
Erster Fortschrittsbericht, Berlin. Vgl. http://www.integrationsbeauftragte.de.
11
a – das bundesweite integrationsprogramm
zu einem Aktionsplan weiter zu entwickeln.8 Das
zu entwickeln, konkrete Handlungsvorschläge zu
bundesweite Integrationsprogramm leistet einen
formulieren und zu erproben. Es schafft auf diese
Beitrag zur Umsetzung des Nationalen Integrations-
Weise die Möglichkeit, die Vielfalt der Bevölkerung
plans, indem es Themen und Ergebnisse aufgreift
mit Migrationshintergrund und ihre unterschied-
und Vorschläge zu ihrer Weiterentwicklung und
lichen Integrationsbedarfe bei der Weiterentwick-
praktischen Erprobung erarbeitet. Ergänzend
lung der Angebote einzubeziehen. Sein gesetzlicher
werden auch aktuelle Handlungsbedarfe bearbeitet,
Auftrag besteht dabei nicht darin, Empfehlungen
die keinen umfassenden Eingang in den Nationalen
oder Selbstverpflichtungen verbindlich durch den
Integrationsplan gefunden haben.
Bund vorzugeben. Vielmehr sollen gemeinsam mit
9
den Akteuren der Integrationsförderung – unter
Die Interministerielle Arbeitsgruppe Integration
Berücksichtigung der Ressort- bzw. föderalen
unter der Leitung des Bundesministeriums des
Zuständigkeiten – umsetzungsorientierte Empfeh-
Innern10 hat das Mandat des Bundesamts zur Er-
lungen formuliert werden.
stellung des bundesweiten Integrationsprogramms
konkretisiert: Seine Entwicklung soll handlungs­
feldbezogen erfolgen. Damit soll es keinen übergreifenden Beitrag zur allgemeinen Debatte um Integration leisten, sondern praxisbezogene Vorschläge
1. Entstehung und Struktur des
Berichts
zur Verbesserung insbesondere der strukturellen
Integration entwickeln – zum gleichberechtigten
Im Zentrum des bundesweiten Integrationspro-
Zugang von Menschen mit Migrationshintergrund zu
gramms stehen die Handlungsfelder sprachliche Inte-
Bildung, Ausbildung, Arbeit, Wirtschaft und Ge-
gration, Bildung, berufliche und gesellschaftliche
sellschaft. In der Praxis heißt dies: Nicht umfassende
Integration sowie das Thema Evaluation der Inte-
Leitlinien, sondern ganz konkrete Fragen stehen
grationsförderung. Keines dieser Handlungsfelder
im Mittelpunkt, etwa: Was müssen Bildungseinrich-
ist in der Praxis isoliert, sie zeichnen sich alle
tungen, pä­dago­gisches Personal, aber auch Eltern
durch Überschneidungen und Abhängigkeiten
wissen und können, um Kinder beim Erwerb von
aus. Integrationserfolge in einem Bereich machen
Deutsch als Zweitsprache zu unterstützen? Wie kann
Erfolge in anderen Bereichen wahrscheinlicher.
es Kindertageseinrichtungen und Schulen gelingen,
erfolgreich mit Eltern mit Migrationshintergrund
Aus den Handlungsfeldern wurden gemeinsam
zusammenzuarbeiten? Was kann getan werden, um
mit Expertinnen und Experten gezielt Schwer-
das Know-how von Migrantenorganisationen stärker
punktthemen gewählt, für die aus Sicht der Praxis
in die Integrationsförderung einzubinden?
ein besonderer Handlungsdruck besteht. Hierbei
konnte an den Nationalen Integrationsplan ange-
Das bundesweite Integrationsprogramm bietet
knüpft werden, der bereits wichtige Handlungsbe-
einen Rahmen, solche Fragen auf Fachebene
darfe in der Integrationsförderung identifiziert und
mit Expertinnen und Experten zu diskutieren, Ideen
Bestandsaufnahmen durchgeführt hat.
8 CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 74.
9 Bezüge bestehen auch zur Deutschen Islam Konferenz (DIK), die 2006 als institutionalisierter Dialog zwischen staatlichen und
muslimischen Vertretern etabliert wurde und in der 17. Legislatur-
periode fortgesetzt wird. Die Islamkonferenz erarbeitet Emp-
fehlungen und stößt Projekte an, die der Förderung der Integration muslimischer Migrantinnen und Migranten dienen sollen.
In den Arbeitsprozessen der DIK werden Lösungen erarbeitet
für Fragen, die in erster Linie religiös bedingte Ursachen haben.
Auch Erfahrungen aus diesem Prozess sind, wenn auch in allgemein gehaltener Form, in die Erarbeitung des Integrationsprogramms eingeflossen. Zu den bisherigen Ergebnissen vgl. http://www.deutsche-islam-konferenz.de.
10 In diesem Gremium sind alle mit Integration befassten Ministerien und Beauftragten des Bundes vertreten.
12
Aus der Praxis für die Praxis wurden Empfehlungen
und Vorschläge zu den Schwerpunktthemen entwickelt. Viele Expertinnen und Experten haben in
Arbeitsgruppen, Expertengesprächen, Workshops
und Fachtagungen ihre Erfahrungen und Handlungsvorschläge eingebracht. Ergänzt wurde dieser
fachliche Austausch durch inhaltliche Recherchen
von Angeboten und Bedarfen, Analysen von Beispielen
guter Praxis sowie wissenschaftliche Expertisen
zu ausgewählten Fragestellungen. An der Entwick-
a – das bundesweite integrationsprogramm
lung der Empfehlungen war je nach Thema eine Viel-
ergänzt durch praktische Hinweise und Beispiele
zahl von Vertreterinnen und Vertretern von Bund,
guter Praxis, die Möglichkeiten zur Umsetzung der
Ländern und Kommunen sowie der Zivilgesellschaft
Empfehlungen illustrieren.
beteiligt. Eine Übersicht der Einrichtungen und Per11
sonen ist dem Anhang zu entnehmen. Aus ihrer Vielfalt
Die Empfehlungen richten sich an all diejenigen, die
leitet sich auch eine Vielfalt an Vorschlägen und Emp-
Strukturen und Angebote der Integrationsförderung
fehlungen ab. Alle Beteiligten eint dabei das Bemühen
weiterentwickeln und damit die Situation von Men-
um eine Optimierung der Integrationsangebote.
schen mit Migrationshintergrund verbessern möchten
– insbesondere an Bund, Länder und Kommunen als
Die Ergebnisse der Arbeitsprozesse zu den Handlungs-
Mittelgeber bzw. Verantwortliche für öffentlich geför-
feldern sprachliche Integration, Integration und
derte Integrationsangebote; Programmentwickler;
Bildung, gesellschaftliche Integration sowie
Träger von Angeboten und ihre Mitarbeiterinnen und
zum Thema Evaluation sind in dieser Publikation
Mitarbeiter; Ein­richtungen der Aus-, Fort- und Weiter-
zusammengefasst. Eine Besonderheit bildet das
bildung sowie Wissenschaftlerinnen und Wissen-
Handlungsfeld berufliche Integration: Hier wurde
schaftler; Stiftungen, Vereine und Initiativen der Mehr-
der Schwerpunkt auf die Themen Anerkennung
heitsgesellschaft und Migrantenorganisationen, um
ausländischer Abschlüsse und Anpassungsqualifizie-
nur einige zu nennen. Die Empfehlungen adressieren
rung gelegt, da von Expertenseite zu diesen Themen
dabei auch die interkulturelle Öffnung der Gesellschaft
dringender Handlungsbedarf gerade auch auf der
und ihrer Einrichtungen – insbesondere der öffent-
praktischen Ebene identifiziert wurde. Gegenwärtig
lichen Verwaltung und der Bildungseinrichtungen.
ist auf Bundesebene eine Gesetzesinitiative zum
Themenkomplex Anerkennung ausländischer Ab-
Angesichts der bundesweit sehr unterschiedlichen
schlüsse in Vorbereitung. Erkenntnisse, die im
Gegebenheiten können die Empfehlungen des bun-
Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms
desweiten Integrationsprogramms nur Vorschläge
gewonnen wurden, fließen in diesen Prozess ein.
bilden. Welche der hier zusammengestellten Maß-
Ausarbeitungen zu diesem Themenbereich wurden
nahmen durchgeführt werden sollen, kann letztlich
daher in die vorliegende Publikation nicht auf-
nur unter Berücksichtigung der konkreten Verhält­
genommen. Das Bundesamt für Migration und Flücht-
nisse vor Ort und der finanziellen Situation der öffent-
linge wird außerhalb des bundesweiten Integrations-
lichen Haushalte entschieden werden.
programms einzelne Beiträge zur Anerkennung
ausländischer Abschlüsse und Anpassungsqualifizie-
Datenquellen
rung in ausgewählten Berufen sowie zum Thema
Bei der Erarbeitung der Empfehlungen wurde neben
Kompetenzfeststellung veröffentlichen.
den für das bundesweite Integrationsprogramm
erstellten wissenschaftlichen Expertisen und themen-
In diesem Band werden für jedes der Schwerpunkt­­
spezifischen Forschungsarbeiten eine Reihe zentraler
themen zunächst Aufgaben, Angebote und Akteure
Datenquellen verwendet. Hierzu zählen insbesondere
dargestellt und analysiert, darauf aufbauend Hand-
die gemeinsamen Bildungsberichte des Bundes-
lungsbedarfe identifiziert und Empfehlungen und
ministeriums für Bildung und Forschung und der
Konzepte formuliert. Die Empfehlungen werden
Kultusministerkonferenz der Länder, der 7. Lagebericht
der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,
11 U. a.: Bundes- und Länderministerien, Bundesagentur für Arbeit,
Grundsicherungsstellen, Kultusministerkonferenz der Länder,
Integrationsbeauftragte, Spätaussiedlerbeauftragte, Wohlfahrts-
verbände, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Berufsund Fachverbände, Beratungsstellen, Unternehmen, Religionsgemeinschaften, Migrantenorganisationen, Migrantinnen-
organisationen, Vereine von Eltern mit Migrationshintergrund,
Träger von Integrations- und Weiterbildungsangeboten sowie
Integrations- bzw. Deutschkursen, Einrichtungen der Aus-,
Fort- und Weiterbildung im pädagogischen Bereich, Schulen,
Stiftungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierendengruppen sowie Jugendverbände und -vereine.
Flüchtlinge und Integration, der Nationale Integra­
tionsplan und sein erster Fortschrittsbericht, Publikationen aus der Reihe „Working Papers“ des Bundesamts
für Migration und Flüchtlinge, der Migrationsbericht
des Bundesministeriums des Innern und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie Daten des
Statistischen Bundesamts. Eine ausführliche Literaturliste ist im Anhang beigefügt.
13
a – das bundesweite integrationsprogramm
Zu vielen Themen liegen nur Daten für Menschen mit
die 25 Prozent der gesamten Jugendlichen in dieser
ausländischer bzw. deutscher Staatsangehörig­keit
Altersgruppe ausmachen, ist die Förderung ausbil-
vor. Insbesondere auf der Grundlage der Bildungs-
dungsbezogener Deutschkenntnisse besonders
und Arbeitsmarktstatistik sind daher nur begrenzt
relevant. In den höheren Altersgruppen ist der An-
Aussagen zur gesamten Gruppe der Menschen mit
teil der Personen mit Migrationshintergrund
Migrationshintergrund möglich. Ebenso lassen sich
dagegen deutlich geringer (19 Prozent der 35- bis
differenzierte Analysen zu einzelnen Teilgruppen –
45-Jährigen, 16 Prozent der 45- bis 55-Jährigen
etwa (Spät)Aussiedler­innen / (Spät)Aussiedler und
und 15 Prozent der 55- bis 65-Jährigen). Für diese
Eingebürgerte – nur begrenzt vornehmen. Wo
Gruppen werden insbesondere Angebote der
sachlich begründet und möglich, werden Schlüsse
berufbezogenen Deutschförderung zur Unterstüt-
aus den Daten zur Situation der Menschen mit
zung ihrer Integration in den Arbeitsmarkt und zur
ausländischer Staatsangehörigkeit auf die gesamte
beruflichen Weiterentwicklung benötigt.
Bevölkerung mit Migrationshintergrund gezogen.
Auch der Zeitpunkt der Zuwanderung, Vorkenntnisse und Lerngewohnheiten sind von Relevanz für
2. Handlungsfelder und zentrale
Themen
2.1 Sprachliche Integration
die Deutschförderung: Neuzugewanderte benötigen einführende Angebote zum Erwerb
alltagsrelevanter Deutschkenntnisse. Kinder und
Jugendliche, die erst im Lauf ihrer Schulzeit nach
Deutschland zuwandern, haben als Seiteneinsteiger
Integration führt zuerst über Sprache, Bildung und
in das deutsche Schulsystem einen kurzfristigen
Ausbildung. Gute deutsche Sprachkenntnisse sind
und intensiven Deutschförderbedarf. Für Lernunge-
die Basis für Bildungserfolge und ein eigenständiges
wohnte sind niederschwellige Angebote 14 wichtig,
Leben. Für den gleichberechtigten Zugang von Men-
Analphabeten müssen Grundkenntnisse erwerben
schen mit Migrationshintergrund zu Bildung, Aus-
und Schnelllerner benötigen einen Kurs, der Lern­
bildung, Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft sind sie
erfolge in kürzerer Zeit möglich macht.
Voraussetzung. Deutschförderung ist daher eine wichtige Säule einer aktivierenden Integrationspolitik.
Anhaltspunkte zu Sprachkenntnissen und Sprachförderbedarf lassen sich auch aus Sprachstandserhe-
In den einzelnen Phasen einer Bildungsbiografie
bungen und empirischen Untersuchungen ableiten.
ergeben sich dabei unterschiedliche Förderbe-
Studien – wie etwa die Repräsentativuntersuchung
darfe. Ganz besonders wichtig ist die Förderung
„Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland“
von Deutsch als Zweitsprache bei Kindern und
(RAM), die das Bundesamt für Migration und Flücht-
Jugendlichen: Gut ein Drittel der Kinder bis 5 Jahre
linge durchgeführt hat – arbeiten vielfach mit dem
hat einen Migrationshintergrund, bei den 5- bis
Instrument der Selbsteinschätzung der Sprachkennt-
10-Jährigen und 10- bis 15-Jährigen sind es 31 bzw.
nisse der Befragten. Von den in der RAM-Unter-
29 Prozent (2008).12 Sprachstandserhebungen im
suchung Befragten schätzte ein nicht geringer Teil
Vorschulalter und Schulstudien im Grundschulalter
die eigenen Deutschkenntnisse als mittelmäßig,
und in der Mittelstufe weisen auf Lernrückstände
schlecht oder sehr schlecht ein: 52,8 Prozent der be-
von Kindern und Jugendlichen mit Deutsch als
fragten türkischen Frauen und 37,5 Prozent der
Zweitsprache hin.13 Angebote der Deutschförderung
Griechinnen stuften sich selbst als gar nicht bis
im frühen Alter sind daher besonders wichtig. Für
mittelmäßig Deutsch sprechend ein. Bei den Frauen
die 15- bis 20-Jährigen mit Migrationshintergrund,
mit polnischer, italienischer oder einer Staatsangehörigkeit des ehemaligen Jugoslawiens waren
12 Vgl. für diesen Abschnitt: Statistisches Bundesamt (2010):
a. a. O., S. 32f.
13 Haug, Sonja (2008): Sprachliche Integration von Migranten
in Deutschland. Working Paper 14 der Forschungsgruppe des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, S. 6.
14
es jeweils rund 28 Prozent. Ein größerer Anteil der
14 Angebote, die auf bildungsferne Teilnehmende zugeschnitten sind und spezifische, grundlegende Kompetenzen
fördern sollen.
a – das bundesweite integrationsprogramm
polnischen (44,7 Prozent) als der türkischen Männer
und (Spät)Aussiedler vorgenommen worden. Dieser
(36,9 Prozent) gab an, mittelmäßig oder schlechter
Schätzung zufolge verfügen rund 300 000 EU-Bür-
Deutsch zu sprechen – deutlich mehr, als die griech-
gerinnen und -Bürger nicht über ausreichende
ischen und italienischen Männern (je 23,8 Prozent)
Deutschkenntnisse, bei erwachsenen Eingebür-
sowie die männlichen Ex-Jugoslawen (20,0 Prozent).15
gerten und (Spät)Aussiedlerinnen / (Spät)Aussiedlern
sind es rund 360 000. Insgesamt ergibt sich so eine
Doch nicht nur Ausländerinnen und Ausländer, auch
Gruppe von knapp 1,8 Millionen Menschen, die
(Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler sowie
Unterstützung beim Erwerb von Deutschkenntnissen
Eingebürgerte beherrschen nicht immer ausrei-
benötigen. Zwar sind diese Zahlen nur Schätzwerte
chend Deutsch, um im Alltag erfolgreich kommu-
und die genannten Förderbedarfe damit nicht ab-
nizieren zu können. Um Aussagen für die Planung
schließend. Es wird jedoch deutlich, welche Bedeu-
und Weiterentwicklung der bundesgeförderten
tung die Deutschförderung im Rahmen der Integra-
Integrationskurse für alle Migrantengruppen in
tion auch langfristig haben wird.
Deutschland zu erhalten, hat die Forschungsgruppe
des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
In vielen Familien mit Migrationshintergrund spielt
im Jahr 2007 in einer empirischen Untersuchung
auch die Herkunftssprache eine wichtige Rolle;
hundert zufällig ausgewählte Ausländerbehörden
der Spracherwerb von Kindern und Jugendlichen mit
schriftlich befragt, wie hoch sie den Anteil erwach-
Migrationshintergrund ist häufig von Zwei- bzw.
sener Ausländerinnen und Ausländern aus Dritt-
Mehrsprachigkeit geprägt. Hier setzen Angebote
staaten (Nicht-EU-Staaten) mit nicht ausreichenden
zur sprachlichen Bildung in Herkunftssprachen er-
Deutschkenntnissen einschätzen. Auf der Grundlage
gänzend an. Die bei uns neben dem Deutschen ge-
der Rückmeldungen wurde eine Schätzung des
sprochenen Sprachen werden von der Bevölkerungs-
Sprachstandes und der Förderbedarfe unterschied-
und Bildungsstatistik nicht erfasst. Die bedarfs-
licher Migrantengruppen vorgenommen.
gerechte Planung von ergänzenden Angeboten zur
bildungssprachlichen Förderung von Herkunfts-
Die Hochrechnung der Befragungsergebnisse zeigt,
sprachen wird dadurch erschwert. Anhaltspunkte
dass laut Einschätzung der beteiligten Ausländer­
können Schätzungen liefern, die sich auf schulische
behörden rund 1,1 Millionen erwachsene Dritt­staats-
Sprachenerhebungen stützen. Demzufolge kann
angehörige nicht ausreichend Deutsch können.16
davon ausgegangen werden, dass in Deutschland
Ausgehend von den Ergebnissen der Befragung ist
über hundert verschiedene Migrantensprachen
auch eine näherungsweise Schätzung der Deutsch­
gesprochen werden. Sie sind geografisch ungleich-
förderbedarfe der EU-Bürgerinnen und -Bürger,
mäßig verteilt und werden von unterschiedlich
der Eingebürgerten und der (Spät)Aussiedlerinnen
großen Gruppen gesprochen. Die zehn in Deutschland von Menschen mit Migrationshintergrund
15 Vgl. Babka von Gostomski, Christian (2010): Basisbericht: Berichtsband Repräsentativbefragung „Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland 2006/2007“ (RAM). Zur Situation
der fünf größten in Deutschland lebenden Ausländergruppen. Im Auftrag des Bundesministeriums des Innern. Nürnberg, S. 119 f. Die Selbsteinschätzung erfolgte getrennt nach
den Bereichen verstehen, lesen, sprechen und schreiben.
16 Von nicht ausreichenden Deutschkenntnissen wurde ausgegangen, wenn diese unter dem Niveau B1 des Gemeinsamen
Europäischen Referenzrahmens für Sprachen lagen und sich
die Personen im täglichen Leben nicht selbstständig sprachlich zurechtfinden können. B 1 setzt folgende sprachliche
Fähigkeiten bei allen Sprachkompetenzen (Hören, Sprechen,
Lesen und Schreiben) voraus: Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und es um
vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann
die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im
Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse
berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und
zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.
am häufigsten gesprochenen Sprachen sind Russisch,
Türkisch, Polnisch, Italienisch, Kurdisch, Serbisch,
Albanisch, Rumänisch, Kroatisch und Griechisch (in
absteigender Häufigkeit).17
Sprachliche Integration von Kindern und Jugendlichen
Aufgrund der engen Verknüpfung von Deutschkenntnissen und Bildungserfolgen hat die frühe und
kontinuierliche Förderung von Kindern, die Deutsch
17 Vgl. Reich, Hans et al. (2008): Sprachenbeschreibungen von
Migrantenherkunftssprachen in Deutschland. Expertise im
Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge,
Koblenz-Landau, S. 12 f.
15
a – das bundesweite integrationsprogramm
als Zweitsprache lernen, eine besondere Bedeutung.
ausreichend in Aus-, Fort- und Weiter­bildung vermit-
Sie bildet einen zentralen Schwerpunkt des Engage-
telt werden. Die Qualifizierungsangebote
ments der Länder. Diese haben ihr Engagement
für Erzieherinnen und Erzieher bzw. Lehrkräfte müssen
in der frühkindlichen Sprachförderung als Teil des
daher künftig noch stärker als bisher Anleitung
im Achten Sozialgesetzbuches beschriebenen
zum Umgang mit sprachlich hetergenen Gruppen
Bildungsauftrags der Kindertageseinrichtungen
und zur Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache
in den letzten Jahren verstärkt. Im Nationalen
geben. In den letzten Jahren wurden hierzu bereits
Integrationsplan haben sie sich dazu verpflichtet,
wichtige Schritte unternommen (vgl. B.2.1.4).
sprachliche Bildung als Querschnittsaufgabe in
den Konzepten der Kindertageseinrichtungen zu
implementieren. Sprachstandsmessungen vor der
18
Sprachliche Integration zwischen Schule und Arbeitsmarkt
Einschulung zur Identifikation individueller
Neue sprachliche Herausforderungen stellen sich
Deutschförderbedarfe und entsprechende Förderan-
für Jugendliche an der Schwelle von der Schule in die
gebote sind die Säulen der Deutschförderung der
Ausbildung. Bei vielen Jugendlichen zeigt sich hier,
Länder im frühkindlichen Bereich (vgl. B.2.1.1).
dass ihre Deutschkenntnisse noch nicht ausreichen,
Teilweise richten sich ihre Angebote dabei auch
um einen Ausbildungsplatz zu finden. Sie benötigen
an Kinder ohne Migrationshintergrund, die
gezielte Unterstützung bei der Entwicklung berufs-
besonderen Förderbedarf haben. Insbesondere im
bezogener, ausbildungsvorbereitender Deutsch-
Rahmen der frühkindlichen Deutschförderung
kenntnisse. Eine wichtige Rolle spielen dabei die
ist die Einbeziehung der Eltern wichtig. Hierzu gibt
Förderangebote des Übergangsmanagements. Aber
es unterschiedliche Ansätze, die vor Ort erprobt
auch während einer Ausbildung kann ergänzende
werden (vgl. B.2.1.2).
Deutschförderung erforderlich sein, um Jugendlichen einen erfolgreichen Abschluss zu ermöglichen
In der Schule werden Kinder häufig mit der Wissens-
(vgl. B.2.1.3). Berufsbildende Schulen und Ausbil-
vermittlung in einer Sprache konfrontiert, die ihnen
dungsbetriebe sind daher zunehmend auch Lernorte
nicht ausreichend vertraut ist. Je weiter der Fachun-
im Rahmen der sprachlichen Integration.
terricht voranschreitet, desto höher werden insbesondere die schriftsprachlichen Anforderungen.
Sprachliche Integration von Erwachsenen
Auch die schulische sprachliche Bildung fällt in die
Erwachsene haben andere Deutschförderbedarfe
Zuständigkeit der Länder. Im Nationalen Integra-
als Kinder und Jugendliche – bei ihnen stehen das
tionsplan haben sie sich verpflichtet, Kindern mit
Zurechtfinden im Alltag und das sprachlich kompe-
Defiziten im Deutschen „die Förderung zukommen
tente Handeln im Beruf im Vordergrund. Angebote,
zu lassen, die ihnen eine gleichberechtigte Teil­
die diese Aspekte aufgreifen, bilden den Schwer-
nahme an Unterricht und Bildung ermöglicht.“ Sie
punkt der staatlich finanzierten Deutschförderung.
kommen dieser Selbstverpflichtung mit unter-
Der Bund setzt hier zwei Schwerpunkte: Mit den
schiedlichen Angeboten nach (vgl. B.2.1.1) und ver-
im Aufenthaltsgesetz neu geschaffenen Integrations-
stehen dies als Aufgabe aller Lehrkräfte und Fächer,
kursen (§ 43 Aufenthaltsgesetz) fördert er seit
Schulformen und Schularten.
dem 1.1.2005 bundesweit ein Angebot der allgemein-
19
sprachlichen Deutschförderung (vgl. B.2.2). Neben
Der Umgang mit einer wachsenden Zahl von Kindern,
einem Sprachkurs, der in der Regel 600 Stunden
die Deutsch als Zweitsprache lernen, stellt auch
umfasst, besteht der Integrationskurs auch aus
pädagogische Einrichtungen und ihr Personal vor
einem Orientierungskurs, der in 45 Stunden Grund-
große Herausforderungen und erfordert spezifische
kenntnisse über die Rechtsordnung, die Geschichte
Kompetenzen, die jedoch bisher häufig noch nicht
und Kultur der Bundesrepublik Deutschland vermitteln soll. Ergänzt werden die bundesgeförderten
18 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 25.
19 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 25.
16
Integrationskurse durch berufsbezogene Deutschkurse, insbesondere im Rahmen des aus Mitteln des
Europäischen Sozialfonds geförderten ESF-BAMF-
a – das bundesweite integrationsprogramm
Programms (vgl. B.2.3). Berufsbezogener Unterricht
Ballungszentren der alten Bundesländer haben
Deutsch als Zweitsprache wird zudem auch von
bereits bis zu 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen
einigen Ländern angeboten.
einen Migrationshintergrund. 20 Rund 3,4 Millionen
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshinter­
Neben den Integrationskursen wird vor Ort eine Reihe
grund besuchen allgemeinbildende oder berufs-
von zielgruppenspezifischen und niederschwelligen
bildende Schulen. 21 Die Debatten um die demo-
Kursen insbesondere für Frauen bzw. Mütter / Eltern
graphische Entwicklung und die wachsende inter-
durchgeführt. Durch frauenspezifische Kurse sollen
nationale Konkurrenz um hoch qualifizierte
Migrantinnen angesprochen werden, denen aufgrund
Fachkräfte machen besonders deutlich, von welcher
traditioneller familiärer Bindungen der Zugang zu
Bedeutung Bildung und Wissen für diese Gruppe
den herkömmlichen Sprachförderangeboten
und die Zukunft Deutschlands sind. Bildungserfolge
schwerer fällt. Länder und Kommunen bieten vielfach
eröffnen Teilhabechancen in anderen gesellschaft-
sogenannte ‚Mama lernt Deutsch‘-Kurse an. Daneben
lichen Bereichen, insbesondere am Arbeitsmarkt.
gibt es gemeinsame Angebote für Mütter und Kinder,
Umgekehrt haben Integrationsdefizite im Bildungs-
beispielsweise die Programme „Rucksack“ und
bereich individuelle, gesellschaftliche und volks-
„Griffbereit“, die in vielen Kommunen durchgeführt
wirtschaftliche Konsequenzen.
werden. Und nicht zuletzt bieten zahlreiche
öffentliche und private Bildungsträger Sprachkurse
Die mit dem Mikrozensus 2005 erstmalig verfüg-
für verschiedene Zielgruppen an, deren institutionali-
baren Daten zur Bevölkerung mit Migrations-
sierter Deutscherwerb nicht staatlich gefördert wird,
hintergrund und aufbauende Analysen der gemein-
etwa für ausländische Doktorandinnen und Dokto-
samen Bildungsberichte von Bund und Ländern
randen mit mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland
(erstmals 2006) bestätigen, wie auch in internatio-
oder auch für Beschäftigte in Betrieben.
nalen Bildungsstudien festgestellt, den erheblichen
Einfluss, den soziale und ethnische Herkunft im
Angesichts des sehr heterogenen und stark lebens-
deutschen Bildungssystem auf Bildungserfolge
­phasen-bezogenen Bedarfs an Förderung der sprach-
bzw. -misserfolge haben. Bereits in der Grundschule
lichen Bildung wurde bei der Bearbeitung dieses
bestehen Unterschiede im Kompetenzniveau
Handlungsfelds ein biografiebegleitender Ansatz ver-
zwischen Schülerinnen bzw. Schülern mit und ohne
folgt und die folgenden Schwerpunkte aufgegriffen:
Migrationshintergrund, die im Laufe des Sekun-
ƒƒ Deutsch als Zweitsprache in Kindertageseinrichtungen und Schulen durchgängig fördern
ƒƒ Grundlegende Deutschkenntnisse im Integrationskurs vermitteln
ƒƒ Sprachliche Bildung für Ausbildung, Beruf und
berufliche Weiterbildung weiterentwickeln
ƒƒ Mehrsprachigkeit als Potenzial für Ausbildung
und Beruf nutzen
darbereichs noch deutlich zunehmen. Kinder mit
Migrationshintergrund haben mehr Schwierigkeiten auf höhere Schularten zu gelangen und auch
dort zu verweilen, in der Konsequenz ist auch
ihre Abiturientenquote und Studienbeteiligung
niedriger:22 23 Prozent der ausländischen
Schülerinnen und Schüler besuchten im Schuljahr
2007/2008 ein Gymnasium (Deutsche: 46 Prozent).
Dagegen lag der Anteil ausländischer Schülerinnen
und Schüler an Hauptschulen bei 34 Prozent
Eine Beschreibung der Angebote und Herausforderungen zu diesen Bereichen sowie Empfehlungen
und Umsetzungshinweise finden sich in Kapitel B.
2.2 Bildung und Integration
Gut ein Viertel der etwa 15,6 Millionen Menschen
mit Migrationshintergrund in Deutschland ist im
bildungsrelevanten Alter unter 25 Jahren. In den
20 Die amtliche Schulstatistik umfasst gegenwärtig nur die
Staatsangehörigkeit und nicht den Migrationshintergrund – auf diese Weise werden weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler aus Zuwandererfamilien erfasst. Um
diesem Problem begegnen zu können, hat die Kultusminister-
konferenz beschlossen, die amtliche Bildungsstatistik zu
überarbeiten und künftig auch den Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler als Merkmal aufzunehmen.
21 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 (Hg.):
a. a. O., S. 178.
22 Vgl. im Folgenden Statistisches Bundesamt (2010): a. a. O., S. 144 f, 285 ff.
17
a – das bundesweite integrationsprogramm
(Deutsche: 13 Prozent). Auch in Förderschulen waren
Bildungsniveau. 24 Auch die Entwicklung des Bil-
sie anteilig häufiger vertreten: Unter den deutschen
dungsstandes der zweiten und dritten Generation
Schülerinnen und Schülern besuchen 4 Prozent
in einzelnen Migrantengruppen ist unterschied-
eine Förderschule, unter den ausländischen sind es
lich: (Spät)Aussiedlerinnen / (Spät)­Aussiedler und
mit 7 Prozent fast doppelt so viele.
Migrantinnen / Migranten aus den ehemaligen
Anwerbestaaten weisen in der zweiten und dritten
Ausländische Schülerinnen und Schüler weisen
Generation einen deutlich höheren Anteil an
durchschnittlich schlechtere Schulabschlüsse auf als
Personen mit Hochschulreife auf als in der ersten
deutsche und erreichen seltener höhere Abschlüsse.
Generation.
40 Prozent der ausländischen Absolventinnen und
Absolventen erreichten 2008 einen Hauptschul-,
Es gibt viele Beispiele erfolgreicher Bildungsbiogra-
knapp 33 Prozent einen Realschulabschluss und 12
fien von Kindern und Jugendlichen mit Migrations-
Prozent die Fach-/Hochschulreife. Dagegen verließen
hintergrund. Sie sind ein positives Zeichen für die
nur 21 Prozent der deutschen Absolventinnen und
Auflösung des engen Zusammenhangs zwischen
Absolventen die Schule mit einem Hauptschulab-
sozialer Herkunft und Bildungserfolgen. Nicht nur
schluss, aber 32 Prozent mit der Fach-/Hochschulreife.
mit Blick auf individuelle Integrationsverläufe,
Besonders deutlich wird dieser Unterschied bei den
auch für den langfristigen Erfolg Deutschlands als
fehlenden Schulabschlüssen: Nur 1,8 Prozent der
Wissensgesellschaft müssen ihre Potenziale jedoch
Menschen ohne Migrationshintergrund verfügen
noch stärker erschlossen werden. Integration
über keinen allgemeinen Schulabschluss, bei
durch Bildung ist daher ein Gewinn für die gesamte
Menschen mit Migrationshintergrund sind es 14,2
Gesellschaft, sie ist aber auch eine Aufgabe, die alle
Prozent – fast achtmal so viele (rund 1,6 Millionen,
Bereiche des Bildungssystems umfasst. Dabei sind
alle Altersgruppen). Die geringeren Bildungser-
drei Aspekte wichtig: die Nutzung und Förderung
folge von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
(mitgebrachter) Potenziale, der Ausgleich sprach-
sind dabei primär auf soziale Faktoren und nur se-
licher Defizite und die Beseitigung von Nachteilen
kundär auf migrationsspezifische Faktoren zurück-
im Bildungssystem für Menschen mit Migrations-
zuführen. Kinder und Jugendliche mit Migrations­
hintergrund und ihre Nachkommen.
23
hintergrund leben überproportional häufig in
nissen, die es Eltern – unabhängig vom Migrations-
Bildung und Integration in der Kindertages-
betreuung und in Schulen
hintergrund – oft erschweren, ihre Kinder in der
Nach der föderalen Kompetenzordnung liegt die Ver-
Schule zu unterstützen. Das deutsche Bildungssystem
antwortung im Bereich des Bildungswesens grund-
tut sich schwer damit, dies auszugleichen.
sätzlich bei den Ländern. Diese Zuständigkeit umfasst
Familien in schwierigen sozioökonomischen Verhält-
den Schulbereich, den Hochschulbereich, die allgeIn der Bildungsbeteiligung der Bevölkerung mit
meine Erwachsenenbildung und die Weiterbildung.
Migrationshintergrund in Deutschland lassen
sich aber Unterschiede feststellen: Junge Frauen
Die Kindertagesbetreuung gehört rechtlich und
mit Migrationshintergrund sind mehrheitlich im
organisatorisch zur Kinder- und Jugendhilfe:
Bildungssystem erfolgreicher als junge Männer.
Die Gesetzgebungskompetenz liegt bei Bund und
Dennoch finden sie schwerer als diese einen
Ländern, die Ausführungskompetenz bei den
Ausbildungsplatz. Ausländerinnen und Ausländer
Ländern und Kommunen. Der Bund hat von seiner
haben im Durchschnitt das niedrigste, (Spät)­
Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler sowie Eingebürgerte ein mittleres und „Sonstige Deutsche
mit Migrationshintergrund“ das relativ höchste
23 Diese Zahlen berücksichtigen nicht diejenigen Personen, die
sich noch in Ausbildung befinden.
18
24 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 (Hg.): a. a. O.,
S. 146 f.; im ersten Integrationsbericht des Landes NordrheinWestfalen aus dem Jahr 2008 schneiden Eingebürgerte in
Bildung, Beruf und Einkommen ebenfalls besser ab als Ausländerinnen und Ausländer. Vgl. Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (2008): „Nordrhein-Westfalen. Land der neuen Integrationschancen. 1. Integrationsbericht der Landesregierung“, Düssel-
dorf , S. 192.
a – das bundesweite integrationsprogramm
konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch
insbesondere bei der sprachlichen Förderung von
die Regelung der Förderung von Kindern in Tagesein-
Kindern und Jugendlichen, der Zusammenarbeit
richtungen und Kindertagespflege im Achten Buch
mit den Eltern und der interkulturellen Öffnung
des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) Gebrauch gemacht.
der Schulen. Der Bund hat nicht nur seine zentralen
integrationspolitischen Programme – insbesondere
Bund, Länder und Kommunen haben unterschied-
die Integrationskurse – qualitativ und quantitativ
liche Maßnahmen eingerichtet, um Kinder und
verbessert, sondern auch seine mittelbar integrati-
Jugendliche mit Migrationshintergrund gezielt zu
onsfördernden Maßnahmen mit Bezug zum Bereich
fördern. Im Nationalen Integrationsplan haben sie
Bildung weiter auf die Bedarfe von Migrantinnen
umfangreiche Selbstverpflichtungen ausgespro-
und Migranten zugeschnitten. Im Hinblick auf die
chen, die unter anderem den quantitativen und quali-
Integrationsförderung sind speziell folgende
tativen Ausbau der Betreuung von Kindern unter
Selbstverpflichtungen der Länder im Nationalen
drei Jahren, die Ausweitung der Bildungspläne im
Integrationsplan und Maßnahmen der Qualifizie-
Kindergarten auf Kinder unter drei Jahren, Maß-
rungsinitiative von besonderer Bedeutung:
nahmen zur frühen Sprachförderung, Fortbildung
der Lehrkräfte im Bereich Sprachförderung oder die
Verminderung der Quoten von Schulabbrechern
betreffen. Kommunen und Träger der freien Jugendhilfe ergänzen diese Angebote.
Der Bund ist u. a. für die Kinder- und Jugendpflege, Ausbildungsförderung, Maßnahmen zur Arbeitsförderung, Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und die
außerschulische berufliche Aus- und Weiterbildung zuständig. Er kann darüber hinaus die Länder durch
Vorhaben der Bildungsforschung unterstützen. Des
ƒƒ Der Bund wird die frühe Sprachförderung mit
Integrationskursen für Eltern flankieren.
ƒƒ Die Länder verfolgen gemeinsam das Ziel, bis 2012
die Abbrecher- und Wiederholquoten deutlich
zu senken und die Angleichung der Quoten von
Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an den Gesamtdurchschnitt aller
Schülerinnen und Schüler zu erreichen (Nationaler
Integrationsplan). Die Länder streben an, bis 2015
die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss im
Bundesdurchschnitt von 8 Prozent auf 4 Prozent zu
senken (Qualifizierungsinitiative).
ƒƒ Die Länder werden gemeinsam mit entsprechenden Partnern (z. B. Bundesagentur für Arbeit
und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge)
integrationsrelevante Angebote für Migrantinnen
und Migranten von der Alphabetisierung bis zur
Berufsreife weiterentwickeln und ausbauen.
Weiteren kann der Bund mit den Ländern bei internationalen Vergleichsstudien im Bildungsbereich
zusammenwirken, ebenso bei der Förderung von Vorhaben der Wissenschaft an Hochschulen.
Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben bei
Weiterbildung
ihrem Treffen am 22. Oktober 2008 in Dresden die
Qualifizierungsinitiative für Deutschland beschlossen.
25
Angesichts der wachsenden Rolle des lebenslangen
Gemeinsam haben sich die Bundeskanzlerin und die
Lernens gewinnt zunehmend auch die Weiterbildung
Regierungschefs der Länder auf das Ziel verständigt,
an Bedeutung. Die Weiterbildungsbeteiligung von
den Anteil der Aufwendungen für Bildung und
Personen mit Migrationshintergrund ist weiterhin
Forschung in Deutschland auf zehn Prozent des Brutto-
geringer als die der Deutschen ohne Migrations-
inlandprodukts bis zum Jahr 2015 zu steigern. Die
hintergrund, der Abstand ist in den letzten Jahren
Länder haben zudem zugesagt, bis zum Jahr 2010 ver-
jedoch deutlich zurück gegangen. Die Bevölkerung
bindliche Sprachstandsfeststellungen und bis zum
mit ausländischer Staatsangehörigkeit hat ihren
Jahr 2012 eine intensivierte Sprachförderung der Kinder
Rückstand dabei noch stärker aufgeholt als die
rechtzeitig vor Eintritt in die Schule sicher zu stellen.
Personen mit Migrationshintergrund und deutscher
Staatsangehörigkeit.26 Ursächlich für die geringere
Bei der fortlaufenden Umsetzung der Qualifizierungsinitiative legen die Länder Schwerpunkte
25 http://www.aufstieg-durch-bildung.de
26 TNS Infratest im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung (2008): Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland, München, S. 64 und Öztürk, Halit: Weiterbildungsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 5/2009, Bonn, S. 24-30.
19
a – das bundesweite integrationsprogramm
Beteiligung an Weiterbildungsangeboten können
haben mit ihren Hochschulen darüber hinaus
unter anderem die sprachlichen Anforderungen von
Zielvereinbarungen abgeschlossen, um den Anteil
Weiterbildung sein, die den Zugang von Menschen
der Studierenden, der Absolventinnen und Absol-
mit Migrationshintergrund erschweren. Forschungs-
venten und des wissenschaftlichen Personals mit
ergebnisse27 zeigen einen engen Zusammenhang
Migrationshintergrund zu erhöhen. 29
zwischen den erreichten Bildungsabschlüssen und
der Teilnahme an Weiterbildungen, der bei Menschen
Heterogenität und interkulturelles Lernen
mit Migrationshintergrund, die überproportional
Das deutsche Bildungssystem muss nachhaltiger auf
keinen oder einen niedrigeren Bildungsabschluss
den demographischen Wandel reagieren, pädago-
haben, besonders deutlich zum Tragen kommt.
gische Fachkräfte benötigen Unterstützung, um
Lernerfolge heterogenerer Schülergruppen sichern
Weiterbildung betrifft nicht nur berufliche Bildung:
zu können. Die Arbeit in sprachlich, kulturell und
Auch im Bereich der interkulturellen Verständi-
religiös heterogenen Lerngruppen erfordert dabei
gung, Bildungsarbeit gegen Rechtsextremismus
besondere Kompetenzen. Interkulturelle Pädagogik
und der Vermittlung von Wissen über Gesellschaft
findet daher zunehmend Eingang in die Bildungs-
und Wertesystem in Deutschland sind Angebote
pläne der Länder, einige haben Handbücher für
der außerschulischen Jugend- und Erwachsenen-
Unterricht und Praxis der interkulturellen Bildung
bildung angesiedelt, die von Bedeutung für den
oder Handreichungen und Unterrichtsmaterialien
Bereich der Integration sind. Sie richten sich gerade
zum interkulturellen Lernen entwickelt, die
auch an Menschen ohne Migrationshintergrund.
zum Beispiel über den deutschen Bildungsserver
abrufbar sind. 30 Darüber hinaus existieren
Hochschule
Angebote zur professionellen Förderung interkul-
Hochschulen haben für die Integration durch Bildung
tureller Verständigung und zum Aufbau demo-
eine Doppelrolle: Einerseits sind sie Ausbildungs-
kratischer Konfliktlösungskompetenzen, die über
stätten für künftige Lehrende, andererseits sind sie
externe Partner an Schulen durchgeführt werden
durch ihre internationale Studierendenschaft ein
können. Viele Schulen haben in den vergangenen
Ort, an dem Integration gelebt und praktiziert wird.
Jahren Schulprogramme oder Leitbilder entwickelt,
Bildungsinländer sind an Hochschulen in Deutsch-
in denen sich ein positives Verständnis von Vielfalt
land jedoch deutlich unterrepräsentiert. Nach der
spiegelt.
18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes
hatten lediglich acht Prozent aller Studierenden des
Auch in der Lehreraus- und -fortbildung gewinnt
Sommersemesters 2006 einen Migrationshinter-
das Thema an Bedeutung. In Hamburg ist das
grund. Damit waren rund 136.000 Studierende mit
Thema „Umgang mit kultureller und sozialer
Migrationshintergrund an deutschen Hochschulen
Heterogenität“ seit 2000 eines von drei prioritären
immatrikuliert. Im Rahmen der Qualifizierungs-
Themen der Lehrerbildung. Die Beratungsstelle
initiative „Aufstieg durch Bildung“ will der Bund
Interkulturelle Erziehung am Landesinstitut
die Studienanfängerquote auf 40 Prozent eines
für Lehrerbildung und Schulentwicklung in
Jahrganges anheben. Dies bietet auch die Chance,
Hamburg bietet Qualifizierungen zum Umgang mit
Studieninteressierte mit Migrationshintergrund
kultureller Heterogenität in allen Bereichen der
verstärkt anzusprechen. Hamburg und Thüringen
Lehrerbildung an. 31
27 Vgl. Öztürk (2009), a. a. O.
28 Mit den Daten der Sozialerhebung sind identifizierbar: Eingebürgerte Studierende; Studierende, die neben der deutschen
eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen und Studierende
mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die ihre Hochschul-
zugangsberechtigung in Deutschland erworben haben – so-
genannte Bildungsinländer. Bildungsausländer sind nicht
erfasst. Es ist daher anzunehmen, dass der Anteil Studierender
mit Migrationshintergrund nach der Definition des Mikro-
zensus höher liegt, als der in der 18. Sozialerhebung angegebene Anteil.
Zur Förderung der Integration speziell von musli-
28
20
mischen Schülerinnen und Schülern hat sich die
29 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2008): a. a. O., S. 131.
30 http://www.bildungsserver.de
31 Mehr Informationen sind unter http://www.li-hamburg.de/bie abrufbar.
a – das bundesweite integrationsprogramm
Deutsche Islam Konferenz für die Einführung von
oder „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“
islamischem Religionsunterricht (IRU) aus-
als eigene Studienfächer oder im Rahmen der Betriebs-
gesprochen. Viele Länder führen bereits entspre-
wirtschaftslehre bzw. der Ethnologie angeboten.
chende Schulversuche durch. So unterstützt etwa
die Hessische Landesregierung aktiv den Prozess,
Zusammenarbeit mit Eltern
islamischen Religionsunterricht nach ver-
Bildungs- und Integrationschancen von Kindern
fassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 GG
und Jugendlichen werden stark durch das
als ordentliches Lehrfach an staatlichen Schulen
Wissen und die Unterstützung der Eltern geprägt.
einzuführen. Mit dem IRU wird der Islam im
Laut OECD ist der familiäre Einfluss auf die Lese-
Schulalltag auf Augenhöhe mit den anderen großen
kompetenz, die mathematische und natur-
Religionen in Deutschland gestellt. Wissenschaft-
wissenschaftliche Kompetenz doppelt so stark wie
liche Auswertungen von Modellversuchen belegen,
der von Schule, Lehrkräften und Unterricht. 33 Die
dass islamische Religionslehrerinnen und -lehrer
Bedeutung von Bildung, Bildungserfolgen und
eine wichtige Mittlerposition zwischen anderen
Deutschkenntnissen ist bei den meisten zugewan-
Lehrkräften, muslimischen Schülerinnen und
derten Eltern, wie auch bei denen ohne Migra-
Schülern sowie ihren Eltern einnehmen können.
tionshintergrund, anerkannt. Ihr Interesse und
ihre Motivation, sich für die Verbesserung der
Der Wissenschaftsrat, der die Bundesregierung
Bildungssituation ihrer Kinder einzusetzen, werden
und die Regierungen der Länder in Fragen der
aber häufig unterschätzt (vgl. C.2.1).
inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der
Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung
Die Länder messen der Kooperation mit Eltern im
berät, erwartet mittel- bis langfristig eine
Nationalen Integrationsplan einen hohen
Einführung des islamischen Religionsunterrichts
Stellenwert bei. Die Kultusministerkonferenz hat
und erachtet einen weiteren Ausbau islamischer
im Dezember 2007 gemeinsam mit Migrantenor-
Religionspädagogik als notwendig. Er betrachtet es
ganisationen eine Erklärung zur Zusammenarbeit
außerdem als dringlich, dass dieser von der Einrich-
mit Eltern veröffentlicht. 34 Die Landesregierung
tung theologisch orientierter Islamischer Studien
Nordrhein-Westfalen hat als erstes Land ein
in Deutschland begleitet wird. Nach Auffassung des
Elternnetzwerk von und für Eltern mit Migrations-
Wissenschaftsrates bietet eine akademische Fundie-
hintergrund ins Leben gerufen, das auch dazu
rung die Möglichkeit, plurale religiöse Normen
dient, das Know-how von Elternvereinen an andere
und Wertvorstellungen in angemessener Weise in
Eltern und ihre Organisationen weiterzugeben. 35
die akademischen wie öffentlichen Debatten
Empfehlungen des Wissenschaftsrats. Das Bundes-
Vernetzung von Bildungseinrichtungen mit anderen
Akteuren im Sozialraum
ministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Bildung ist mehr als nur Unterricht. Sie entsteht im
wird entsprechende Initiativen der Hochschulen
Zusammenwirken zahlreicher Akteure innerhalb
und Länder flankieren.
und außerhalb der formalen Bildungseinrichtungen.
einzubringen. 32 Die Bundesregierung begrüßt die
Durch die Zusammenarbeit mit außerschulischen
Interkulturelles Lernen muss auch außerhalb der
Trägern lassen sich ergänzende Lernräume schaffen.
Schule stattfinden. Wichtige Akteure sind die Träger
Erfahrungen mit gemeinwesenorientierten Inte-
der Erwachsenenbildung, ebenso wie Behörden und
grationsansätzen zeigen, dass eine sozialräumliche
Unternehmen in Bezug auf ihre Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter. Seit einigen Jahren werden an verschiedenen Universitäten „Interkulturelle Kommunikation“
32 Vgl. Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Weiterentwicklung
von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen (Januar 2010), http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678-10.pdf, S. 77 f.
33 Vgl. Organisation for Economic Development (2001): Lernen
für das Leben. Erste Ergebnisse der internationalen Schul-
leistungsstudie PISA 2000. Paris.
34 „Integration als Chance – gemeinsam für mehr Chancen-
gerechtigkeit“. Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Organisationen von Menschen mit Mi-
grationshintergrund. Berlin, 2007.
35 http://www.elternnetzwerk.nrw.de
21
a – das bundesweite integrationsprogramm
Öffnung und Vernetzung von Bildungseinrichtungen
vorbilder für Kinder mit Migrationshintergrund.
mit anderen Akteuren im Sozialraum und eine aktive
Mehr pädagogisches Personal mit Migrationshinter-
und aktivierende Elternarbeit die Probleme von
grund macht Vielfalt in der Schule bewusst und trägt
Kindern und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten
dazu bei, Chancen aufzudecken, die in dieser Vielfalt
entschärfen können. Durch gemeinschaftliche
liegen. Die Steigerung des Anteils von Menschen mit
Organisation und Vernetzung vor Ort werden neue
Migrationshintergrund in pädagogischen Berufen
Beteiligungsstrukturen geschaffen und Probleme
ist deshalb eine wichtige Aufgabe, die erstmals vom
gemeinsam dort gelöst, wo sie entstanden sind.
Verband Bildung und Erziehung im Jahr 2006 artikuliert wurde. Seither haben Akteure aus Gesellschaft
Die Einführung eines kommunalen Bildungs-
und Politik dem Thema wachsende Aufmerksamkeit
managements und bildungsbezogener Integra-
gewidmet. Der Nationale Integrationsplan regt an,
tions- und Diversitätsstrategien in den Kommunen,
darauf hinzuwirken, dass deutlich mehr Personen
die z. B. durch das Programm „Lernen vor Ort“ des
mit Migrationshintergrund für pädagogische Berufe
BMBF unterstützt werden, ermöglichen die gleich-
gewonnen, qualifiziert und eingestellt werden.36 Die
berechtigte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger
Kultusministerkonferenz und Migrantenorganisa-
am öffentlichen Leben und tragen dazu bei, ein
tionen betonen gemeinsam die Notwendigkeit der
neues Bewusstsein in Bezug auf demographische,
Erhöhung des Anteils von Lehrkräften mit Migrati-
ethnische und kulturelle Vielfalt als gesellschaft-
onshintergrund. Die Gewerkschaft Erziehung und
liche Ressource zu schaffen.
Wissenschaft fordert, an jeder Bildungseinrichtung
mindestens einen Pädagogen oder eine Pädagogin
Der Zusammenhang von Bildungsherkunft und Bil-
mit Migrationshintergrund zu beschäftigen.
dungserfolg muss so früh wie möglich aufgebrochen
Konkrete Umsetzung erfährt das Bestreben, mehr
werden. An vielen Schulen haben sich um Förderver-
Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund
eine herum Bildungsbündnisse zusammengefunden,
zu gewinnen, derzeit an mehreren Standorten in
die oftmals von Lehrkräften und Eltern gemeinsam
Deutschland (vgl. C.2.2).
getragen werden und soziale und pädagogische
Arbeit leisten. Sie initiieren neue Formen der Zusam-
Zur Förderung der Bildungschancen und -erfolge
menarbeit von Schulen, Eltern und gemeindlichem
von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter-
Umfeld. Diese reichen zum Beispiel durch Dolmet-
grund sind in der Folge des Nationalen Integrations-
scherdienste gerade auch in die Gruppen von Eltern
plans und des Bildungsgipfels vielfältige Initiativen
hinein, die in anderen Kulturen verwurzelt sind.
insbesondere vonseiten der Länder und des Bundes
Diese Initiativen wird der Bund unterstützen, um die
angestoßen worden. Um Parallelprozesse zu ver-
Bildungschancen von Kindern mit Migrationshinter-
meiden, wurden im Rahmen des bundesweiten Inte-
grund zu erhöhen. Das BMBF sieht hierfür in der 17.
grationsprogramms keine Themen aufgegriffen,
Legislaturperiode insgesamt eine Milliarde Euro vor.
die bereits in diesen Prozessen bearbeitet werden. Viel-
Jede der 16 400 Grundschulen in Deutschland braucht
mehr wird die Intention verfolgt, diese Prozesse beglei-
ein starkes Bildungsbündnis. Jedem Förderverein
tend zu unterstützen und zu ergänzen. Vor diesem
an einer Brennpunktschule soll daher auf Antrag ein
Hintergrund wurden Themen bearbeitet, die starke Be-
Bildungsbudget von bis zu 40 000 Euro zur Verfügung
züge zu anderen Handlungsfeldern haben und für
gestellt werden.
deren Weiterentwicklung eine Systematisierung der
bisherigen Aktivitäten einen wichtigen Beitrag leisten
Pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund
Pädagogisches Personal und Lehrkräfte mit Migrationshintergrund spielen eine wichtige Rolle
bei der interkulturellen Öffnung der Bildungseinrichtungen, der Zusammenarbeit mit zugewanderten
Eltern und der Wertschätzung und Förderung von
Mehrsprachigkeit. Sie sind zudem wichtige Rollen-
22
kann:
ƒƒ Eltern mit Migrationshintergrund: Bildungs- und
Erziehungskompetenzen stärken, Zusammen­
arbeit mit Bildungseinrichtungen unterstützen
36 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a.a.O., S. 65.
a – das bundesweite integrationsprogramm
ƒƒ Lehramtsstudierende und Lehrkräfte mit Migra­
tionshintergrund gewinnen.
Integrationsförderung als auch selbst Zielgruppen
von Angeboten (vgl. D.2.1).
2.3 Gesellschaftliche Integration
Bürgerschaftliches Engagement
Integration lebt vom Miteinander. Dieses kann ent-
Bürgerschaftliches Engagement kann Zugang zu
stehen, wenn Menschen sich kennenlernen, wert-
gesellschaftlichen Positionen und zu kulturellem
schätzen, sich zusammen für eine gemeinsame
Kapital (Wissen, Kompetenzen) schaffen und den
Sache engagieren, wenn sie teilhaben an der Gesell-
Aufbau von sozialem Kapital (soziale Beziehungen,
schaft und sich selbst als Teil von ihr erleben.
Netzwerkpositionen) unterstützten. Im bürger-
Gesellschaftliche Teilhabe und gesellschaftlicher
schaftlichen Engagement liegt daher ein großes
Zusammenhalt können jedoch nicht verordnet
Potenzial für die Integration (vgl. Kapitel D). Dies
werden – sie setzen auf beiden Seiten Anstren-
betrifft nicht nur Beteiligungsformen, die speziell
gungen und den Willen zur Integration voraus: Von
für das Politikfeld der Integration entwickelt
Menschen mit Migrationshintergrund erfordern
wurden, sondern das freiwillige, gemeinnützige
sie – genauso wie von Menschen ohne Migrations-
Engagement in vielen gesellschaftlichen Bereichen.
hintergrund – die Bereitschaft, die im Grundgesetz
verankerten Werte anzuerkennen, sich auf ein
Die Vielfalt der Einwanderungsgesellschaft spiegelt
Leben in Deutschland einzulassen und die eigenen
sich auch in den Formen des bürgerschaftlichen
Ressourcen zur gemeinsamen Gestaltung der
Engagements von und mit Menschen mit Migrations-
Gesellschaft einzubringen.
hintergrund wider. Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Organisationen beteiligen sich
Der Bund hat durch die im Aufenthaltsgesetz
bislang nur wenig an den Strukturen im bürger-
verankerten Orientierungskurse ein allgemeines
schaftlichen Engagement (vgl. D.2.1.3). Studien zei-
Angebot zur Orientierung in der deutschen
gen jedoch: Sie engagieren sich nicht weniger, aber
Gesellschaft für Neuzuwanderinnen und Neuzu-
häufig anders, z. B. im familiären und nachbar-
wanderer entwickelt. Gesellschaftliche Integration
schaftlichen Umfeld.
als Handlungsfeld umfasst jedoch eine große
Themenvielfalt. Initiativen zur Verbesserung des
Auf Bundesebene unterstützt das Bundesmini-
Zusammenlebens im Wohnumfeld, zur Förderung
sterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
des Dialogs und des gemeinsamen bürgerschaft-
(BMFSFJ) bürgerschaftliches Engagement im
lichen Engagements aber auch konsequentes
Rahmen der Initiative Zivil-Engagement. In dieser
Vorgehen gegen Ausländerfeindlichkeit und
Initiative werden seit 2008 unter anderem auch
Diskriminierung unterstützen die gesellschaft-
ein Modellprojekt zur Qualifizierung von Migranten-
liche Teilhabe und Integration. Im Nationalen
organisationen als Träger von Jugendfreiwilligen-
Integrationsplan wurden umfangreiche Selbst-
diensten durchgeführt und ein Forschungs-
verpflichtungen in gesellschaftlichen Bereichen
projekt zum freiwilligen Engagement von Migran-
wie Medien, Sport, Kultur, Gesundheit und Alten-
tinnen und Migranten gefördert. Das vom BMFSFJ
hilfe sowie bürgerschaftliches Engagement und
geförderte Nationale Forum für Engagement
Integration vor Ort ausgesprochen. Ange-
und Partizipation nimmt auch die Partizipation von
bote zur gesellschaftlichen Integration werden
Menschen mit Migrationshintergrund in den
insbesondere von Bund, Ländern, Kommunen
Blick und soll im Auftrag der Bundesregierung
und freien Trägern wie den Wohlfahrtsverbänden
konkrete Vorschläge für eine nationale Strategie zur
durchgeführt. Migrantenorganisationen und
Engagementförderung entwickeln. Die Engagement-
Vereine von Jugendlichen mit Migrationshinter-
strategie soll im Herbst 2010 dem Bundeskabinett
grund sind sowohl wichtige zivilgesellschaftliche
vorgelegt werden. Das Bundesamt für Migration und
Organisationen und Partner im Rahmen der
Flüchtlinge unterstützt im Rahmen seiner Projekt-
37
förderung unter anderem Integrationsprojekte zur
37 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O.
Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.
23
a – das bundesweite integrationsprogramm
In einzelnen Ländern, etwa Nordrhein-Westfalen,
durchschnittlich durch Armut, Bildungsferne und
Berlin und Sachsen-Anhalt, existieren Programme
Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Der Anteil von
zur Förderung der Selbstorganisation von Menschen
Menschen mit Migrationshintergrund ist hier be-
mit Migrationshintergrund, die gleichzeitig das
sonders hoch. Oftmals sind sie von sozialen
Engagement von Migrantenorganisationen für die
Konflikten und Segregationstendenzen geprägt,
Integrationsförderung nutzen. Die Hessische
etwa durch die Abwanderung des Mittelstandes.
Landesregierung hat ein Integrationslotsennetzwerk aufgebaut, das auch im Internet präsent ist.
Eine Förderung von Beteiligungsstrukturen kann
Auch die Kommunen fördern das Engagement und
derartigen Problemen entgegenwirken und
gehen dabei unterschiedliche Wege: Größere
Integration befördern: Zum einen wird der soziale
Städte fördern häufig eigenständige Infrastruktur-
Zusammenhalt von Menschen mit und ohne
einrichtungen wie Freiwilligenzentren und
Migrationshintergrund durch gemeinschaftliche
Seniorenbüros, kleinere Gemeinden richten eher
Aktivitäten, Netzwerke zur Selbsthilfe und daraus
engagementfördernde Anlaufstellen in der
resultierende nachbarschaftliche Kontakte befördert.
Verwaltung ein. Zunehmend sind öffentliche Ein-
Zum anderen werden durch Beteiligung die Identifi-
richtungen wie Schulen, aber auch Vereine
kation mit dem Wohnumfeld und die Übernahme von
wichtige Kooperationspartner der kommunalen
Verantwortung gestärkt. Um dies zu unterstützen,
Engagementförderungen. Von Bedeutung sind zu-
fördern das Bundesministerium des Innern und das
dem die vielfältigen zivigesellschaftlichen
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemeinwe-
Akteure: Freiwilligenagenturen und -zentren,
senorientierte Projekte vor Ort.41
38
Stiftungen – insbesondere Bürgerstiftungen, deren
Anzahl in den letzten Jahren erheblich angestiegen
Einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Inte-
ist –, Netzwerke für bürgerschaftliches Engagement
gration im Wohnumfeld leistet das Bund-Länder-
auf Bundes- und Landesebene, Kirchen bzw.
Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungs-
Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Wohl-
bedarf – Soziale Stadt“ des Bundesministeriums für
fahrtsverbände, Jugendverbände sowie Migranten-
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das der räum-
organisationen bzw. Vereine von Jugendlichen mit
lichen und sozialen Spaltung in den Städten entgegen
Migrationshintergrund.
wirken soll. Ein eigenes Handlungsfeld betrifft das
Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und
Integration im Wohnumfeld
ethnischer Gruppen. Das Programm arbeitet in 571
Im Fortschrittsbericht zum Nationalen Integrations-
Gebieten in 355 Gemeinden (Stand 2009) und wird
plan wird darauf hingewiesen, dass aufgrund
gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen
der „abnehmenden Integrationskraft des Arbeits-
finanziert.42 Auch einzelne Länder setzen einen Schwer-
marktes“, die „Integration im Stadtraum, in Ver-
punkt auf das Wohnumfeld im Zusammenhang mit
einen, Communities und anderen Organisationsformen im Wohnumfeld immer wichtiger“ werde.
Integrationsförderung. So wurden etwa in Hamburg
39
mit dem im Juli 2009 beschlossenen Rahmenpro-
Im Integrationskontext bildet das Wohnquartier
gramm „Integrierte Stadtteilentwicklung“ (RISE) der
einen wichtigen Bezugsrahmen. Handlungsbedarf
Integration von Menschen mit Migrationshinter-
besteht insbesondere in sogenannten benachteiligten
grund ein zentraler Stellenwert eingeräumt sowie
Wohnquartieren. Dort ist die Bevölkerung über-
Strategien und Qualitätsstandards zu ihrer Beteiligung
40
und Aktivierung formuliert.43
38 Vgl. Jakob, Gisela / Koch, Claudia (2007): Lokale Engagementförderung in hessischen Kommunen. Akteure, Infrastrukturen,
Instrumente, Darmstadt, S. 3.
39 Dies entspricht der Sicht des Landes Berlin. Siehe Presse- und
Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2008): a.a.O.,
S. 59.
40Vgl. Friedrich, Lena (2008): Wohnen und innerstädtische Se-
gregation von Migranten in Deutschland. Working Paper 21
der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge, Nürnberg, sowie Soziale Stadt - info 22 (2008),
Newsletter zum Bund-Länder-Programm Soziale Stadt.
24
Integration in den Wohnvierteln ist darüber hinaus
eines der zentralen Themen kommunaler Integra41 Mehr Informationen unter: http://www.integration-indeutschland.de
42 http://www.sozialestadt.de
43 http://www.buergerschaft-hh.de/Parldok/tcl/PDDocView.tcl?
mode=show&dokid=26868&page=0
a – das bundesweite integrationsprogramm
tionsförderung, primär durch die Gewährleistung
politischer Bedeutung gewonnen. Auslöser für
der strukturellen Rahmenbedingungen sowie
eine breitere politische Diskussion war die Charta
durch die Steuerung baulicher Projekte.
der Vielfalt, die unter der Schirmherrschaft der
Bundeskanzlerin durchgeführt und von der
Interkulturelle Öffnung / Diversity Management
Beauftragten der Bundes­regierung für Migration,
Im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Integra-
Flüchtlinge und Integration unterstützt wird.
tion spielt die interkulturelle Sensibilisierung und
Ebenfalls unter der Federführung der Integrati-
Öffnung der gesamten Gesellschaft, ihrer Institu-
onsbeauftragten steht die Kampagne „Vielfalt als
tionen und Organisationen eine wichtige Rolle.
Chance“, die mit intensiver Werbung und Öffent-
Interkulturelle Öffnung betrifft gleichermaßen
lichkeitsarbeit, mit Veranstaltungen und Wettbe-
Menschen mit wie ohne Migrationshintergrund.
werben für Vielfalt in Wirtschaft und Verwaltung
Sie soll dazu beitragen, Vorurteile auf beiden
eintritt. Das Bundesministerium des Innern
Seiten abzubauen: Gesellschaftlicher Zusammen-
unterstützt mit dem Pilotprojekt „Migranten in
halt in einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft
die Bundespolizei“ die interkulturelle Öffnung der
fordert von jedem die Bereitschaft, sich auf diese
Bundespolizei.
Vielfalt einzulassen.
Auch die Länder streben die interkulturelle Öffnung
Besonders wichtig ist die interkulturelle Öffnung
ihrer Verwaltung und der Gesundheits- und
von Behörden, freien Trägern, sozialen Diensten
sozialen Dienste an.44 Mehrere Landesregierungen
und des Gesundheitswesens, aber auch in der Wirt-
haben die Charta der Vielfalt unterzeichnet, um
schaft. Ihr Ziel ist die Stärkung der interkulturellen
die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung
Kompetenz aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
zu unterstützen. Prozesse der interkulturellen
ihre interkulturelle Aus- und Weiterbildung sowie
Öffnung auf kommunaler Ebene zielen darauf, den
die vermehrte Rekrutierung von Personal mit
gleichberechtigten und ungehinderten Zugang
Migrationshintergrund. Interkulturelle Öffnung
aller Einwohnerinnen und Einwohner, unabhängig
wird dabei sowohl als Personal- als auch als Organi-
von ihrer ethnischen oder kulturellen Zugehö-
sationsentwicklungsprozess verstanden: Der Begriff
rigkeit, zu den Dienstleistungen der Kommune
interkulturell betont die Gegenseitigkeit – auch
sicherzustellen. Zur Unterstützung der Kommunen
Menschen mit Migrationshintergrund und ihre
bei diesem Prozess hat etwa die Kommunale
Organisationen müssen sich gegenüber Deutschen
Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement
ohne Migrationshintergrund und anderen Zuwan-
Leitlinien zur interkulturellen Öffnung der Kommu-
derungsgruppen öffnen.
nalverwaltung veröffentlicht.
Konzepte des Diversity Managements, die zumeist An-
Interkultureller Dialog
wendung in der Wirtschaft finden, verfolgen einen
Interkultureller Dialog findet auf zwei Ebenen
umfassenderen Ansatz. Hier geht es um die Her-
statt: Zum einen dienen Dialoginitiativen
stellung von Chancengleichheit in Hinsicht auf alle
dazu, Interessen und Bedarfe von ethnischen,
wahrnehmbaren und alle subjektiven Unterschiede
religiösen und kulturellen Minderheiten der
für die gesamte Belegschaft und auf allen Hierarchie-
Mehrheitsgesellschaft bekannt zu machen und
stufen einer Organisation. In Bezug auf Menschen
insbesondere öffentliche Stellen und Träger
mit Migrationshintergrund gelangen die Vorteile
hierfür zu sensibilisieren. Zum anderen haben sie
einer ethnisch vielfältigen Belegschaft in den Fokus,
auch den Anspruch, Erwartungen der Mehrheits-
vor allem im Hinblick auf eine Öffnung von Beratungs-
gesellschaft aufzugreifen und Ängste abzubauen.
strukturen oder auf die Gewinnung neuer Kunden-
Ziel des interkulturellen Dialogs ist ein friedliches
potenziale und Erschließung ausländischer Märkte.
Zusammenleben verschiedener Ethnien, Kulturen
Konzepte der interkulturellen Öffnung und des
Diversity Managements haben erheblich an
44 Z. B. http://www.berlin-braucht-dich.de/ und http://www.hamburg.de/bist-du-dabei/62924/bist-du-dabei.html
25
a – das bundesweite integrationsprogramm
und Religionen in einer pluralistischen und
Wettbewerb „Demokratisch Handeln“, der die
demokratischen Gesellschaft. Bund, Länder aber
demokratische Haltung und demokratische Kultur
vor allen Dingen auch Kommunen und zivilge-
im gelebten Alltag von Schule und Jugendarbeit
sellschaftliche Akteure haben unterschiedliche
stärken soll. Auch verschiedene Länder wie Nord-
Initiativen gestartet, um den interkulturellen
rhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg, haben
Dialog zu unterstützen.
Antidiskriminierungsarbeit zum Schwerpunkt
ihrer Integrationspolitik gemacht, indem sie lokale
Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung
Bündnisse und Projekte gegen Diskriminierung
Verschiedene Studien zeigen, dass fremdenfeind-
fördern. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat im
liche Orientierungen und damit verbundene Dis-
August 2009 in der Justizbehörde die Arbeitsstelle
kriminierungserfahrung von Menschen mit Migra-
Vielfalt eingerichtet, in der Aufgaben im Bereich
tionshintergrund in Deutschland weit verbreitet
der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsar-
sind und Integrationsbarrieren darstellen können.
und Rassismus im Rahmen von Landesprogrammen
45
Um Diskriminierung entgegenzuwirken, wurde
beit gebündelt werden. U. a. ist sie zentrale Ansprechstelle für Fragen und Angelegenheiten der
auf Bundsebene das Allgemeine Gleichbehand-
Gleichstellung, für interkulturelle Fragen sowie zu
lungsgesetz (AGG) geschaffen, das verschiedene
Maßnahmen gegen Rassismus und Rechtsextre-
EU-Richtlinien46 umsetzt und eine zentrale Antidis-
mismus.
kriminierungsstelle eingerichtet. Zudem fördert
der Bund Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit,
Politische Bildung
Rassismus und Rechtsextremismus. Das „Bündnis
Politische Bildung will Menschen Verständnis für
für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus
politische Sachverhalte vermitteln, das demokra-
und Gewalt“ wurde im Jahr 2000 gemeinsam vom
tische Bewusstsein festigen und die Bereitschaft zur
BMI und dem Bundesministerium für Justiz als zen-
aktiven politischen Mitarbeit stärken. Damit trägt
traler Ansprechpartner und Servicestelle gegründet.
sie zur Herausbildung und Weiterentwicklung einer
Seither hat sich eine Vielzahl von Organisationen
aktiven Bürgerschaft und Teilhabe bei. Auch
angeschlossen. Das Programm „Vielfalt tut gut“
im Integrationskontext ist politische Bildung von Be-
des BMFSFJ verfolgt das Ziel, Vielfalt, Toleranz und
deutung, denn Informationen und Bildungsan-
Demokratie als zentrale Werte der gesamten
gebote über politische Landeskunde und politische
Gesellschaft zu festigen und gerade Kinder und Ju-
Beteiligungsmöglichkeiten für Menschen mit
gendliche früh für die grundlegenden Regeln
Migrationshintergrund sind eine wichtige Voraus-
eines friedlichen und demokratischen Zusammen-
setzung für gesellschaftliche Integration. Im
lebens zu gewinnen. Auch das Bundesprogramm
Bereich der politischen Bildung engagiert sich der
„kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke
Bund durch die Bundeszentrale für politische
gegen Rechtsextremismus“ des BMFSFJ unterstützt,
Bildung, die zum Geschäftsbereich des BMI gehört.
interveniert und berät bei Vorfällen mit rassistischem,
Auf Landesebene sind es die Landeszentralen für
rechtsextremistischem oder antisemitischem Hinter-
politische Bildung (außer Niedersachsen). Seit 2001
grund. Das BMBF fördert seit 1989 den schulischen
sind Menschen mit Migrationshintergrund explizit
Adressaten politischer Bildungsmaßnahmen der
45 Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund von
Rasse, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung
usw. in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige
Behandlung erfährt als eine andere Person, erfahren hat oder
erfahren würde. Vgl. Heitmeyer, Wilhelm (Hg.) (2006): Deutsche Zustände. Folge 4,GMF-Survey, Frankfurt a. M., S. 26 f.;
Gille, Martina / Sardei-Biermann, Sabine / Gaiser, Wolfgang /
Rijke, Johann de (2006): Jugendliche und junge Erwachsene
in Deutschland. Lebensverhältnisse, Werte und gesellschaftliche Beteiligung 12- bis 29-Jähriger, Wiesbaden.
46Antirassismusrichtlinie (2000/43/EG), Rahmenrichtlinie Beschäftigung (2000/78/EG), „Gender-Richtlinie“ (2002/73/EG)
und die Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter auch
außerhalb der Arbeitswelt (2004/113/EG).
26
Bundeszentrale für politische Bildung.
Migrationsspezifische Beratungsangebote
Migrationsspezifische Beratungsangebote sind ein
spezielles Förderangebot zur Begleitung von Integrationsprozessen. Die Beratung ist darauf ausgerichtet,
die Eigenverantwortlichkeit und die Hilfe zur Selbsthilfe von Menschen mit Migrationshintergrund
zu stärken. Das BMI stellt seit 2005 Fördergelder zur
a – das bundesweite integrationsprogramm
Durchführung eines Beratungsangebotes für erwach-
einen präventiven Charakter und stellen den Bezug
sene Migrantinnen und Migranten bereit, mit der
zu Erziehungskompetenzen in den Vordergrund
Umsetzung ist das Bundesamt betraut. Diese Migrati-
(vgl. C.2.1). Im Integrationskontext sind die Fragen
onsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) steht
nach der Teilhabe von Familien mit Migrations-
neuzugewanderten und bereits länger hier lebenden
hintergrund an Angeboten zur Familienbildung
erwachsenen Migrantinnen und Migranten offen und
sowie nach migrationsspezifischem Bedarf und
verfolgt einen ganzheitlichen, an den Ressourcen der
Teilnahmehürden von Bedeutung. Regelangebote
Zielgruppe ausgerichteten Integrationsansatz. Derzeit
sind Menschen mit Migrationshintergrund häufig
führen die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrts-
nicht bekannt oder sind als mittelschichtorientierte
pflege und der Bund der Vertriebenen im Auftrag des
Angebote für bildungsferne Migrantenfamilien
Bundesamts bundesweit in rund 600 Beratungsein-
nicht passgenau.
richtungen dieses Angebot durch.
In allen Bundesländern werden in Kooperation mit
Das BMFSFJ fördert bundesweit die Begleitung junger
zahlreichen freien Trägern, insbesondere Fami-
Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von
lienbildungsstätten, Elternbildungsprogramme
12 bis 27 Jahren durch derzeit 417 Beratungsstellen
angeboten. Das BMFSFJ und das Bundesamt fördern
der Jugendmigrationsdienste (JMD). Die JMD bieten
ebenfalls Projekte zur Stärkung der Erziehungs-
jungen Menschen eine individuelle Integrationspla-
kompetenz der Eltern. Länder und Kommunen för-
nung auf Basis des Case Managements an. Sie be-
dern verschiedene Maßnahmen im niederschwel-
gleiten die Jugendlichen besonders während der
ligen Bereich, wie die Programme „HIPPY“,
Integrationskurse sowie am Übergang Schule – Aus-
„Rucksack“ „Acilim“ „Al-Ussra“. Sie verbinden An-
bildung – Beruf. Ihre Arbeit zeichnet sich durch
sätze der Familienbildung mit Sprachförderung,
interkulturelle Kompetenz, sprachliche Vielfalt und
vor allem zur Unterstützung des frühkindlichen
langjährige Berufserfahrung aus ebenso wie durch
Spracherwerbs (vgl. Kapitel B und C). Viele Kommunen
eine intensive Vernetzung von Schule, Ausbildungs-
fördern eigene Projekte und Beratungs­stellen zu
betrieb und Freizeiteinrichtung. So sollen die Entwick-
Erziehungskompetenz und Gewaltprävention.
lungsperspektiven junger Menschen mit Migrations-
Überregionale Beratungsangebote sind auch im
hintergrund verbessert und die Partizipation in
Rahmen einzelner Programme verfügbar, etwa die
allen Bereichen des sozialen, kulturellen und poli-
interkulturelle Familienberatung des Arbeits­k reises
tischen Lebens gesteigert werden.
Neue Erziehung e.V.
Auch einige Bundesländer fördern zielgruppenspe-
Jugendarbeit
zifische Beratung (zum Beispiel Brandenburg und
Die Jugendarbeit ist neben der Bildung und Erziehung
Sachsen-Anhalt), unterhalten spezielle Angebote wie
im Elternhaus, Kindergarten, Schule und beruflicher
Integrationslotsen, Integrationszentren, Integrati-
Ausbildung ein wichtiger, ergänzender Bildungs-
onsagenturen (etwa Saarland, Hamburg, Nordrhein-
bereich in der Freizeit der Kinder und Jugendlichen.
Westfalen), beraten Zielgruppen, die durch die
Neben verbandlich organisierter Jugendarbeit sind
MBE nicht abgedeckt sind (beispielsweise Schleswig-
die offene Jugend(sozial)arbeit sowie die Schul-
Holstein) oder haben Fachdienste für allgemeine
sozialarbeit Arbeitsbereiche, die insbesondere auch
Migrationsberatung ohne Zielgruppenfestlegung ein-
Jugendliche mit Migrationshintergrund adressieren.
gerichtet (unter anderem Thüringen). Ein der MBE ver-
Jugendvereine und -verbände sind wichtige zivil-
gleichbares Beratungsangebot fördern Bayern, Nieder-
gesellschaftliche Akteure, die zur Wertevermittlung,
sachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Bildung und Demokratieentwicklung beitragen
und die Interessen von Jugendlichen gegenüber
Familienbildung und Familienhilfe
Staat und Gesellschaft vertreten. Jugendvereine
Der Familienbildung kommt in der Integrationsför-
sind zudem Orte eigenverantwortlicher Freizeitge-
derung eine wichtige Rolle zu. Die Angebote sind
stal­t ung, an denen sich Jugendliche mit und ohne
vor allem auf Eltern und Kinder ausgerichtet, haben
Migrationshintergrund begegnen und gemein-
27
a – das bundesweite integrationsprogramm
same Aktivitäten entwickeln können. Sie werden
Integration des Landes Nordrhein-Westfalen und
aus öffentlichen Mitteln finanziell gefördert. Es
des Bundesamts seit 2007 das Projekt „spin – sport
gibt in der Bundesrepublik Deutschland derzeit
interkulturell“, das zusammen mit der Sportjugend
mehr als 90 überregionale Jugendverbände, die
NRW im Ruhrgebiet durchgeführt wird. Ziel des
das gesamte Spektrum jugendlicher Interessen
Projektes ist es, Sportvereine in die Lage zu versetzen,
und Aktivitäten widerspiegeln. Wichtig ist, dass
ihre Funktion als wichtige Orte stadtteilbezogener
sich ihre Angebote auch an den Interessen von
Integration und außerschulischen Lernens besser
Jugendlichen mit Migrationshintergrund orien-
wahrnehmen zu können und mehr Migrantinnen zu
tieren (vgl. D.2.2).
erreichen. Auch andere Länder haben Projekte und
47
Programme zur Förderung von IntegrationsmaßIntegration und Sport
nahmen im Sport initiiert. Niedersachsen fördert ein
Sportbezogene Freizeitangebote für Kinder, Ju-
Integrationslotsenprojekt, um Menschen mit
gendliche und Erwachsene fördern soziale
Migrationshintergrund in den organisierten Sport
Kontakte und Möglichkeiten der Verständigung
einzubeziehen und Sportvereine für die positiven
und Teilhabe. Mit der Festschreibung eines
Auswirkungen dieser Einbeziehung zu sensibili-
eigenen Handlungsfelds „Sport“ im Nationalen
sieren. In Hamburg wird ein mehrsprachiges Inter-
Integrationsplan wurde dem integrationsför-
net-Infor­mationsportal für junge Frauen und deren
dernden Potenzial des Sports Rechnung getragen.
Familien zu lokalen Sportangeboten entwickelt.
2008 wurde von der Integrationsbeauftragten
Damit sollen vor allem Mädchen und junge Frauen
der Bundesregierung und dem Beauftragten
mit Migrationshintergrund angesprochen und für
der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und
den Sport gewonnen werden. 50 In Hessen werden
nationale Minderheiten die ständige Arbeits-
über die Initiative „START-Sport überspringt kultu-
gruppe „Integration und Sport“ einberufen, die
relle Hürden“, Trainerinnen mit Migrationshinter-
Empfehlungen entwickelt, wie die Integration von
grund als Übungsleiterinnen ausgebildet und in
Menschen mit Migrationshintergrund in den Sport
Sportvereinen eingesetzt. Auch viele lokale Initia-
und durch den Sport verbessert werden kann.
tiven und Projekte fördern das Zusammenleben von
48
Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
Die große Bedeutung des Sports für die Integration
durch Sport – insbesondere im Rahmen des Quar-
wird durch das bundesgeförderte Programm
tiersmanagements in benachteiligten Stadtteilen.
„Integration durch Sport“ aufgegriffen. Das Pro­gramm wird vom Deutschen Olympischen Sport­
Integration und Kultur
bund und den 16 Landessportbünden bzw. den
Die kulturelle Dimension von Integration wird meist
Einrichtungen der Sportjugend umgesetzt und vom
in Bezug auf zwei Aspekte diskutiert: Erstens wird
BMI / Bundesamt gefördert. Ziel des Programms
eine Akzeptanz des in der Verfassung repräsentierten
ist die Heranführung von Menschen mit Migrations-
Wertekanons gefordert und gleichzeitig betont,
hintergrund an den Sport in Vereinen. Hierbei
dass dies nicht die Aufgabe der eigenen kulturellen
wurden im Jahr 2007 knapp 500 Stützpunktvereine
Identität der Menschen mit Migrationshintergrund
mit insgesamt etwa 38 000 Teilnehmerinnen und
bedeute. Zweitens wird darauf hingewiesen, dass
Teilnehmern gefördert. Menschen mit Migrations-
ein angemessener Umgang mit und die Akzeptanz
hintergrund stellen mit 20 900 die Mehrzahl.
von kultureller Vielfalt eine notwendige Kompetenz
49
für das Leben in einer zunehmend heterogenen
Die Stiftung Mercator fördert mit Unterstützung des
Gesellschaft sei. Im Nationalen Integrationsplan ist
Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und
der Bereich der Kultur als ein Handlungsfeld der
Integrationsförderung benannt. Angesetzt wird
47 Weitere Informationen sind unter http://www.dija.de abrufbar.
48 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2009/08/2009-08-12-boehmer-sport-bringtbewegung.html
49 Vgl. Baur, Jürgen (Hg.): Evaluation des Programms „Integration durch Sport“, Potsdam 2009.
28
hier vor allem bei der Förderung der kulturellen Bildung von Menschen mit Migrationshintergrund,
50Vgl. http://www.shemoves.hamburg.de
a – das bundesweite integrationsprogramm
der interkulturellen Öffnung der Kulturinstitutionen
sowie der Verankerung von Integration als
Querschnittsthema der Kulturpolitik und Kulturverwaltung.
Da kulturelle Bildung integrationsfördernd vor
allem vor Ort stattfindet, engagieren sich hier auch
die Länder und Kommunen in Zusammenarbeit mit
zahlreichen freien Trägern. Seit 2003 fördert beispielsweise Nordrhein-Westfalen Kunst- und Kulturprojekte etwa aus den Bereichen Theater, Musik,
Bildende Kunst, Performance, Tanz, multimediale
Projekte, die kulturelle Elemente unterschiedlicher
Nationalitäten kombinieren und die traditionellen
Grenzen auflösen.
In Fokus des vielfältigen Handlungsfelds gesellschaftliche Integration steht die aktive Teilhabe und Beteiligung von Menschen mit Migrationshinter­grund am
gesellschaftlichen Leben. Dabei geht es insbesondere
auch um die Förderung und Einbeziehung ihrer
Kompetenzen und Ressourcen. Bearbeitet werden
sollten im bundesweiten Integrationsprogramm
daher insbesondere Aspekte, mit denen ein Beitrag
zur Förderung der aktiven Mitwirkung von Menschen
mit Migrationshintergrund geleistet werden kann:
ƒƒ Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung stärken
ƒƒ Gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen
durch interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit verbessern
ƒƒ Bürgerschaftliches Engagement
Querschnittsthemen
Neben diesen Themen gibt es eine Reihe übergreifender Fragestellungen, die in allen Handlungsfeldern von Belang sind und ebenfalls Berücksichtigung gefunden haben. Dies sind insbesondere
Mitgestaltung und Partizipation, interkulturelle
Öffnung und Antidiskriminierung, Evaluation
und Qualitätssicherung sowie die Vernetzung von
Akteuren und Angeboten im Rahmen der Integration. Auch zu diesen Aspekten sind Empfehlungen
formuliert worden. Mit Ausnahme des Themas
Evaluation, für das ein eigenes Kapitel verfasst
wurde, wurden sie dabei als Querschnittsthemen in
den einzelnen Handlungsfeldern behandelt.
29
B – Sprachliche Integration
B
Sprachliche Integration
1. Schwerpunktthemen im
Handlungsfeld sprachliche
Integration
Integrationsangebote und -bemühungen in allen Hand-
als nur umgangssprachliche Deutschkenntnisse er-
lungsfeldern – Bildung, berufliche und gesellschaft-
forderlich. Schulische Leistungsfähigkeit hängt
liche Integration – sind auf Kommunikation angewie-
weniger von der allgemeinen Kommunikationsfähig-
sen. Miteinander leben setzt voraus, von anderen
keit, sondern vom Verfügen über spezifische
verstanden zu werden und andere selbst verstehen zu
Redemittel ab, die in Lernaufgaben, Lehrwerken und
können. Angebote zur Förderung der Deutschkennt-
Prüfungen verwendet werden.51 Die Lern- und Bildungs-
nisse sind daher Kern der Integrationsförderung von
erfolge von Kindern mit Migrationshintergrund
Bund und Ländern. Sie werden ergänzt durch vielfältiges
werden daher besonders auch davon bestimmt, ob sie
Engagement von Kommunen und privaten Trägern.
diejenigen sprachlichen Fähigkeiten besitzen, die
schul- und unterrichtsrelevant sind. Internationale Ver-
Die Förderung von Deutsch als Zweitsprache setzt an
gleichsstudien, insbesondere die PISA-Studien, zeigen,
den zentralen bildungsbiografischen Abschnitten
dass Jugendliche mit Migrationshintergrund im
an. Sie soll sicherstellen, dass Kindern, Jugendlichen
Durchschnitt nicht über die gleichen Lesekompetenzen
und Erwachsenen, deren Muttersprache nicht Deutsch
verfügen wie Schülerinnen und Schüler ohne Migrati-
ist, der Zugang zu Bildung, Ausbildung, Arbeit und
onshintergrund. Sind die sprachlichen Kompetenzen
anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht durch
gleich, werden Kinder mit Migrationshintergrund
fehlende Deutschkenntnisse verwehrt oder deutlich
gegenüber Kindern ohne Migrationshintergrund im
erschwert wird. Deutschförderung geschieht daher
Übergang von der Grundschule in die weiterführende
nie isoliert, sondern muss immer Bezug nehmen auf die
Schule nicht benachteiligt. Dieser Befund macht
jeweiligen Bildungsphasen, insbesondere die früh-
deutlich: Bildungssprachliche Deutschkenntnisse sind
kindliche Bildung, das Lernen in der allgemeinbilden-
zentral für den Schulerfolg und damit auch den ge-
den Schule, die Ausbildung im Betrieb und in der
samten weiteren Bildungsweg.52
berufsbildenden Schule, das Studium oder die berufliche Weiterqualifizierung. Spracherwerb ist ein viel-
Neben guten Deutschkenntnissen kann auch die
schichtiger Prozess, der nicht nur die Aneignung der
Herkunftssprache ergänzend eine wichtige Ressource
Redemittel im engeren Sinne (Wörter, Sätze, Texte etc.),
für die Integration darstellen, insbesondere in
sondern darüber hinaus die kulturellen und sozialen
bestimmten Bereichen des Arbeitsmarkts. Voraus-
Aspekte von Sprache umfasst. Er bedarf gezielter För-
setzung ist jedoch, dass sie – wie das Deutsche – auf
derung, lebt aber auch vom Erproben der Sprachkennt-
bildungssprachlichem Niveau beherrscht wird.
nisse außerhalb formaler Bildungssituationen. Auch
Vielfach entspricht die in den Familien vermittelte
informelle Lern- und Kommunikationsorte, etwa die
Herkunftssprache jedoch nicht den (Schrift-)Stan-
Familie oder der Freundeskreis, spielen daher eine Rolle.
dardsprachen der Herkunftsländer.
Um erfolgreich einen Schul- oder Berufsabschluss zu
erreichen, ein Studium zu absolvieren oder an einer
beruflichen Weiterbildung teilzunehmen, sind mehr
30
51 Vgl. hierzu insbesondere die Arbeiten von Ingrid Gogolin.
52 Vgl. Haug (2008): a. a. O., S. 21.
B – Sprachliche Integration
Angesichts der grundlegenden Bedeutung der sprach-
Jahren aus, bis Kinder, die in zwei Sprachen leben, dem
lichen Integration und des engen Zusammenhangs
Unterricht in ihrer Zweitsprache genau so folgen
zu den einzelnen Bildungsabschnitten wurde für die
können wie einsprachige Kinder.
Arbeit im bundesweiten Integrationsprogramm in
diesem Handlungsfeld ein breiter Ansatz gewählt. Im
Die Deutschförderung für Kinder sollte daher
Zentrum stand der Erwerb von (bildungssprachlichen)
möglichst früh einsetzen und Brüche an den Über-
Deutschkenntnissen in den unterschiedlichen
gängen zwischen Kindertageseinrichtungen und
bildungsbiografischen Phasen. Entwickelt werden
Schulen einerseits sowie zwischen unterschiedlichen
sollten Empfehlungen insbesondere für die Bereiche
Förderangeboten andererseits vermeiden. Die Be-
ƒƒ Deutsch als Zweitsprache in Kindertageseinrichtungen und Schulen durchgängig fördern
ƒƒ Sprachliche Bildung für Ausbildung, Beruf und
berufliche Weiterbildung vermitteln
ƒƒ Mehrsprachigkeit als Potenzial für Ausbildung und
Beruf nutzen
deutung einer früh einsetzenden, kontinuierlichen
Förderung des Deutscherwerbs wird auch im Nationalen Integrationsplan betont: Sprachliche
Förderung muss, so der Beitrag der Länder, „möglichst
früh und regelmäßig beginnen sowie systematisch
aufgebaut sein.“53 Die Förderung von Kindern und
Jugendlichen, die Deutsch als Zweitsprache lernen, ist
Dabei standen u. a. Inhalte und Methoden der sprach-
dabei nicht nur Aufgabe spezieller Förderangebote
lichen Bildung, Aus-, Fort- und Weiterbildung des
oder des Deutschunterrichts. Alle pädagogischen Fach-
Personals, Qualitätssicherung, die Verknüpfung und
kräfte sowie Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer
Anschlussfähigkeit der Maßnahmen und die Koordi-
müssen zunehmend in der Lage sein, neben ihren
nation und Kooperation der Akteure und Angebote im
pädagogischen und fachlichen Aufgaben auch die ent-
Vordergrund. Auch der Integrationskurs stand im
sprechenden sprachlichen Aspekte zu vermitteln.
Fokus der Arbeiten. Dieser breite Ansatz unterscheidet
Wichtig ist es auch, Eltern systematisch in die Förderung
die Arbeit in diesem Handlungsfeld von der Vorgehens-
der sprachlichen Entwicklung und damit auch der
weise des Integrationsprogramms in anderen Bereichen.
Bildungschancen von Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch einzubeziehen und ihnen die
Das bundesweite Integrationsprogramm knüpft dabei
hierfür erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln.
direkt an die Arbeiten des Nationalen Integrationsplans zu den Themen „Von Anfang an deutsche Sprache
Sprachliche Bildung für Kinder und Jugendliche sollte
fördern“ und „Gute Bildung und Ausbildung sichern,
Umgangssprache und Schulsprache, gesprochene
Arbeitsmarktchancen erhöhen“ an und entwickelt
Sprache und Schriftsprache, (kindliche) Kommunika-
Vorschläge zur Umsetzung einzelner Selbstverpflich-
tion und fachlichen Diskurs miteinander verbinden.
tungen aus diesen Bereichen.
Das Konzept der durchgängigen sprachlichen Bildung
setzt hier an.54 Durchgängige sprachliche Bildung
2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten
im Handlungsfeld sprachliche
Integration
2.1Bildungssprache Deutsch durch-
gängig fördern
Umgangssprachliche Fähigkeiten in der Zweitsprache
können verhältnismäßig schnell erreicht werden. Der
Erwerb bildungssprachlicher Kenntnisse dagegen
erfordert eine langfristige, kontinuierliche Förderung –
Experten gehen von einer Förderdauer von rund sechs
53 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 25.
54 Das Konzept der durchgängigen sprachlichen Bildung wurde
im Rahmen des Modellprogramms „Förderung von Kindern und
Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ (FörMig) entwickelt
und erprobt, das von 2005 bis Mitte 2009 von den zehn Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, NordrheinWestfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz,
Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein durchgeführt und
vom Bundesministerium für Bildung und Förderung unterstützt
wurde. Die Empfehlungen des bundesweiten Integrationsprogramms bauen unter anderem auf den Erfahrungen von FörMig
auf. Die Konferenz der Kultusminister der Länder konnte sich
nicht darauf verständigen, FÖRMIG nach Ende der Modellphase
als gemeinsames Programm weiterzuführen. In den bisher beteiligten Ländern wurden jedoch Transferprojekte initiiert, die
für die Weiterentwicklung und Verstetigung der gewonnenen
Erfahrungen sorgen sollen. Koordiniert wird der Transfer durch
eine vom Land Hamburg finanzierte Transferstelle an der Universität Hamburg. Vgl. http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de.
31
B – Sprachliche Integration
umfasst neben der zeitlichen auch weitergehende Di-
deren Deutschförderbedarf bei Kindern frühzeitig
mensionen. Hinter dem Ansatz steht der Gedanke
zu ermitteln. Die Einschätzung des Sprachstandes
ƒƒ gezielte, systematische sprachliche Bildung von früh
an und während der gesamten Bildungsbiografie
für Kinder und Jugendliche sicherzustellen und
Methodik und Angebote auf das Alter und die Sprachentwicklung der Kinder und Jugendlichen abzustimmen,
von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund
wird in der Regel im Alter zwischen vier und fünfeinhalb Jahren vorgenommen, um bei Bedarf vor der
Einschulung noch ausreichend Zeit für eine gezielte
Förderung zu haben. Die überwiegende Zahl der
Spracherfassungsverfahren, die in den Ländern
ƒƒ sprachliche Bildung in der Schule als Aufgabe aller
Fächer zu verstehen und in ein ganzheitliches
und aufeinander aufbauendes Gesamtkonzept einzubetten,
eingesetzt werden, ist einsprachig Deutsch. Einzelne
ƒƒ viele Beteiligte am Bildungsprozess eines Kindes einzubinden, neue Partner zu finden und Kooperationen zwischen den am Sprachbildungsprozess
Beteiligten zu fördern,
Sprachstands Fünfjähriger (HAVAS-5).55 Die Bundes-
ƒƒ wo möglich, die Erst- und Zweitsprache zweisprachig aufwachsender Kinder füreinander fruchtbar
zu machen.
Verfahren versuchen, die Mehrsprachigkeit von
Kindern mit Migrationshintergrund einzubeziehen,
etwa das Hamburger Verfahren zur Analyse des
regierung unterstützt verbindliche bundesweit
vergleichbare Sprachstandstests für alle Kinder im
Alter von vier Jahren und bei Bedarf eine verpflichtende gezielte Sprachförderung vor der Schule.56
Die Angebote zur frühkindlichen Deutschförderung
der Länder sind in den letzten Jahren deutlich
Dabei gibt es kein allgemeingültiges Konzept durch-
ausgebaut und weiterentwickelt worden. Sie haben
gängiger sprachlicher Bildung. Die Umsetzung dieser
überwiegend einen kompensatorischen Ansatz und
Grundsätze muss jeweils auf der Ebene der einzelnen
sollen migrationsbedingte Deutschdefizite vor der
Bildungseinrichtung geschehen und sich an ihren
Einschulung ausgleichen. Teilweise richten sie sich
jeweiligen Rahmenbedingungen und Bedürfnissen
auch an Kinder ohne Migrationshintergrund, die
orientieren. Die folgenden Empfehlungen geben
besonderen Förderbedarf haben. Im Vordergrund
Hinweise, wie die Umsetzung vor Ort geschehen kann.
stehen insbesondere Kommunikation und alltägliche
2.1.1
Verständigung, teilweise auch ein erstes Heranführen
Durchgängige sprachliche Bildung in Kindertageseinrichtungen und Schulen: Frühe Grundlagen legen – Bildungs-
sprache Deutsch vermitteln
an Schrift und Texte (Literacy-Erziehung). Einige
Länder finanzieren zusätzliches pädagogisches
Fachpersonal für die Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen mit hohem Anteil von Kindern mit
Migrationshintergrund (Bayern, Berlin, Hamburg,
Frühkindliche sprachliche Bildung
Hessen Niedersachsen und Rheinland-Pfalz).57 Die
Sprachliche Bildung ist ein wesentlicher Aspekt des
Mehrzahl der Länder setzt bei der frühkindlichen
Bildungsauftrages und der Integrationsleistung von
Deutschförderung auf freiwillige Maßnahmen.
Kindertageseinrichtungen. Als Einrichtungen an
Verpflichtend sind sie derzeit in Bayern, Berlin, Bran-
der Schnittstelle zur Schule tragen sie maßgeblich
denburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-
dazu bei, die Zukunftsperspektiven von Kindern –
Anhalt und Schleswig-Holstein. In Rheinland-Pfalz
mit und ohne Migrationshintergrund – zu gestalten.
können im Einzelfall Verpflichtungen ausgesprochen
Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen,
haben in ihren Familien nicht immer ausreichend
Möglichkeit, Deutsch zu hören und zu sprechen.
Frühzeitige Förderung in Kindertageseinrichtungen ist für sie daher von besonderer Bedeutung.
Alle Länder haben systematische Sprachstandsmessungen vor der Einschulung eingeführt, um beson-
32
55 Vgl. Haug, Sonja (2008): a. a. O., S. 17. Hier ist auch eine ausführliche Übersicht der einzelnen Verfahren der Länder enthalten
(Stand Mai 2008). Siehe auch Ehlich, Konrad et al. (2005):
Anforderungen an Verfahren der regelmäßigen Sprachstandsfeststellung als Grundlage für die frühe und individuelle
Förderung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund
(BMBF, Bildungsreform Band 11), Bonn, Berlin 2005.
56 Vgl. CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 59 f.
57 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2008): a. a. O., S. 114.
B – Sprachliche Integration
werden. In Nordrhein-Westfalen leiten sich aus der
maßnahmen für die Schülerinnen und Schüler und
verpflichtenden Sprachstandsfeststellung zwei
andererseits Unterstützung für das pädagogische
Jahre vor der Einschulung zusätzliche Sprachförder-
Personal im Umgang mit dieser Herausforderung,
maßnahmen ab. Hessen und das Saarland ergänzen
etwa durch entsprechende Qualifizierungsangebote.
freiwillige Vor(lauf)kurse vor der Schule durch eine
Vorklasse, sollten die Deutschkenntnisse nach dem
Schulische sprachliche Bildung fällt in die Zustän-
Besuch der Vor(lauf)kurse nicht ausreichen.
digkeit der Länder. Der Bund hat keine direkte
Zuständigkeit, setzt jedoch politische und fachliche
Übergang in die Grundschule
Impulse und unterstützt die sprachliche Bildung
Von besonderer Bedeutung sind an der Schnittstelle
in der Schule durch die Verbesserung der Rahmen-
zwischen Kindertageseinrichtungen und Grund-
bedingungen, insbesondere durch die Förderung
schulen die Kontinuität der Förderung und die Nach-
der Ganztagsschule und der Bildungsforschung.
haltigkeit der Lernfortschritte. In einigen Ländern
Sie verstehen dies als Aufgabe aller Lehrkräfte und
gibt es übergreifende Konzepte zur durchgängigen
Fächer, Schulformen und Schularten.
sprachlichen Bildung, die Brüche im Lern- und
Bildungsprozess zwischen den Bildungseinrichtungen
Mehrere Länder haben Rahmenrichtlinien bzw.
vermeiden sollen, etwa in Berlin, Hessen oder
Lehrpläne für Deutsch als Zweitsprache entwickelt,
Schleswig-Holstein. Im Nationalen Integrationsplan
etwa Bayern, Berlin, Hamburg, Thüringen und
haben sich die Länder verpflichtet, gemeinsame bzw.
Sachsen. Alle Länder bieten eine additive Förderung
eng aufeinander abgestimmte Bildungs- und Er-
„Deutsch als Zweitsprache“ an, den Schwerpunkt
ziehungspläne für Kindertageseinrichtungen und
legen sie dabei auf die frühe Förderung im Primar-
Grundschulen zu erarbeiten. Diese Selbstverpflich-
bereich sowie in der Sekundarstufe I (insbesondere
tung ist in nahezu allen Ländern umgesetzt. In Bayern,
in Haupt- und Realschulen). Für Kinder, die bei der
Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-
Einschulung Deutschförderbedarf haben, gibt es
Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ist
in einigen Ländern – etwa in Hessen und Baden-
die institutionalisierte Kooperation zwischen Kin-
Württemberg – Vor(bereitungs)klassen, durch die
dertageseinrichtungen und Grundschulen gesetzlich
die Kinder möglichst schnell an den Regelunterricht
festgeschrieben. In manchen Ländern sind die
herangeführt werden sollen. Fast alle Länder bieten
Deutschförderangebote vor der Einschulung bzw. die
zudem ergänzende Förderangebote an, in denen
entsprechenden Fortbildungsangebote für das päda-
Schülerinnen und Schüler in kleineren Gruppen ihre
gogische Personal gezielt auf die Zusammenarbeit der
Deutschkenntnisse verbessern können. Solche Förder-
beiden Bildungseinrichtungen ausgerichtet.
kurse finden zum Beispiel in Berlin, Brandenburg oder
58
Nordrhein-Westfalen statt. Ergänzt wird die DeutschSchulische sprachliche Bildung
förderung der Länder häufig durch Elternbildung
Aus der pädagogischen Praxis wird immer wieder
bzw. -beratung sowie pädagogische Angebote oder
berichtet, dass Schülerinnen und Schüler mit Deutsch
Bildungsberatung für Schülerinnen und Schüler. In
als Zweitsprache häufig nicht an den eigentlichen
Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg,
fachlichen Anforderungen des Unterrichts scheitern,
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
sondern an seinen sprachlichen Voraussetzungen.
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen
Für Schulen entsteht angesichts der wachsenden
sollen zudem Probleme mit der Zweitsprache in
Anzahl von Kindern mit unzureichenden Deutsch-
allen Fächern berücksichtigt werden.59 Einzelne
kenntnissen (in erster Linie Kinder mit Migrati-
Länder fördern zudem weitere Angebote zur
onshintergrund, aber auch Kinder mit Deutsch als
Lernunterstützung, die insbesondere auch Kindern
Erstsprache) dringender Handlungsbedarf. Dies
und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zugute
betrifft insbesondere einerseits ergänzende Förder-
kommen, wie etwa das von der Landesregierung
58 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2008): a. a. O., S. 114.
59 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2008): a. a. O., S. 120.
33
B – Sprachliche Integration
Baden-Württemberg finanzierte Programm „Haus-
haben häufig einen speziellen Förderbedarf. Für
aufgaben, Sprach- und Lernhilfen“. Ergänzt werden
Seiteneinsteiger gibt es in der Regel Vorbereitungs-
diese Regelangebote durch Angebote privater Träger,
maßnahmen, in denen sie zwischen sechs Monaten
die – oft mit bürgerschaftlichem Engagement – Schü-
und zwei Jahren von spezifisch qualifizierten
lerinnen und Schülern mit Sprachschwierigkeiten
Lehrkräften in ihrem Integrationsprozess begleitet
Unterstützung und einen geschützten Raum zur
werden. Um sowohl eine intensive Deutschförderung
Spracherprobung und Lernunterstützung bieten.
zu gewährleisten, als auch eine Integration in den
Regelunterricht und den Klassenverband zu ermög-
Rund ein Drittel der jungen Bevölkerung mit Migra-
lichen, werden Förderklassen, Intensivklassen bzw.
tionshintergrund (knapp 1,9 Millionen Personen)
Sprachlernklassen angeboten, in denen sprachinten-
ist selbst zugewandert. Viele von ihnen steigen erst
sive Fächer getrennt unterrichtet werden, während
während der Sekundarschulzeit oder der beruflichen
in den weniger sprachorientierten Fächern bereits
Ausbildung in das deutsche Bildungssystem ein. Sie
eine Integration in den Klassenverband stattfindet.
Empfehlungen
Förderangebote abstimmen und aneinander koppeln
Angebote zur sprachlichen Bildung in Kinder-
koordinierte Deutsch- und Muttersprachenförderung
tageseinrichtungen und Schulen sollten eng
im Primarbereich. Das Gesamtkonzept schließt
miteinander abgestimmt sein und aneinander
darüber hinaus die Weitebildung des pädagogischen
anknüpfen, damit Lernerfolge aufeinander
Personals für die sprachliche Bildung ein.
aufbauen können. Dies betrifft beispielsweise
Vgl. http://www.stadt-koeln.de
Deutsch(förder)unterricht, Fachunterricht,
ergänzende Hausaufgabenhilfe und ähnliche
In Baden-Württemberg wird im Rahmen der seit
Angebote.
2009 eingeführten Einschulungsuntersuchung
bei Kindern, für die ein besonderer Förderbedarf
Die zur durchgängigen Förderung notwendigen
besteht, ein runder Tisch einberufen, der sich aus
Kooperationen zwischen Bildungseinrichtungen
der Erzieherin / dem Erzieher, der Kooperations-
sowie zwischen speziellen Förderangeboten und
lehrkraft der aufnehmenden Grundschule, einer
Regelangeboten sollten verstärkt und systemati-
Ärztin bzw. einem Arzt des Gesundheitsamtes und
siert werden.
den Eltern zusammensetzt. Hier werden die individuellen Fördermaßnahmen für das Kind beraten
Die Stadt Köln hat im Jahr 2004 die Umsetzung des
und vereinbart. Durch dieses Forum können unter-
„Kölner Gesamtkonzepts zur Sprachförderung“
schiedliche Förderangebote individuell gekoppelt
beschlossen. Im Sinne einer stadtweit abgestimmten,
und langfristig geplant werden.
umfassenden bildungsbegleitenden und bildungsintegrierten Sprachförderung benennt das Konzept
In Hessen werden durch das Programm „Modell-
Handlungsschritte für einzelne Förderbereiche
regionen Integration“ ganzheitliche Handlungs-
ebenso wie zur Verbindung der Bildungsbereiche
konzepte in den Regionen umgesetzt, um die
untereinander und für die Zusammenarbeit aller
verschiedenen Ebenen und Akteure auch im Bereich
Beteiligten in Netzwerken. Einen Schwerpunkt
Bildung / Sprachförderung zusammen zu führen.
setzt das Kölner Gesamtkonzept dabei auch auf die
Zusammenarbeit mit externen Institutionen. Neben
ƒƒ Umsetzungshinweis: Anschlussfähigkeit herstellen
der Deutschförderung findet auch die Förderung von
Um Brüche des Lernerfolgs am Übergang zwischen
Mehrsprachigkeit Berücksichtigung – etwa durch
Bildungseinrichtungen zu vermeiden, sollten
34
B – Sprachliche Integration
Mechanismen gefunden werden, die sicherstellen,
Einheiten durch die zukünftigen Grundschullehr-
dass Lernstand und -fortschritte der Kinder in einer
kräfte. Zwischen beiden Bildungseinrichtungen
Bildungseinrichtung dem pädagogischen Personal
erfolgt eine enge Abstimmung, so dass ein nahtloser
in der sich anschließenden Bildungseinrichtung
Übergang der sprachlichen Förderung Gewähr
transparent gemacht werden können, etwa durch
leistet werden kann. Vgl. http://www.hamburg.de/
ein Lernportfolio. Auf Länderebene bestehen zum Teil
bildung und www.stmas.bayern.de
datenschutzrechtliche Schwierigkeiten, die im Sinne
werden sollten. Im Interesse einer vertrauensvollen
Konzepte durchgängiger sprachlicher Bildung in
Bildungseinrichtungen umsetzen
Zusammenarbeit zwischen Eltern und Bildungs-
Um ein Konzept umfassender, durchgängiger
einrichtungen ist die Zustimmung der Eltern zu
sprachlicher Bildung erfolgreich und nachhaltig in
einem Austausch von Informationen über Stand und
Bildungseinrichtungen zu verankern, müssen deren
Fortschritte der sprachlichen Bildung der Kinder von
Leitung und Mitarbeitende unterstützt werden.
zentraler Bedeutung.
Erforderlich ist vor allem die Einbindung und Quali-
der Kinder möglichst unbürokratisch überwunden
fizierung des gesamten Personals für die DeutschverDie Anschlussfähigkeit sprachlicher Förderung und
mittlung und den Umgang mit Mehrsprachigkeit.
die Nachhaltigkeit der Lernerfolge am Übergang
zweier Bildungseinrichtungen kann durch gemein-
Die durchgängige Einbeziehung des Aspekts Sprache
same Fortbildungen des pädagogischen Personals
und Sprachvermittlung in den Alltag von Kinder-
der beiden Bildungseinrichtungen (etwa von
tageseinrichtungen und Schulen ist zeitintensiv. Um
Kindertageseinrichtungen und Grundschulen) oder
das Konzept konsequent umzusetzen und nachhal-
durch gegenseitige Hospitationen der Fachkräfte der
tige Wirkungen zu ermöglichen, sind angemessene
betroffenen Bildungseinrichtungen gestärkt werden.
Stunden- und Personalzuweisungen notwendig.
Im Rahmen des Kooperationsprojektes „Sprachförderung in Kindertagesstätten unter der Mitwirkung von Grundschullehrkräften“ der
ƒƒ Umsetzungshinweis: Rahmenbedingungen und
Unterstützung für Kindertageseinrichtungen und
Schulen
Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung
Die Einführung und langfristige Umsetzung eines
übernehmen Pädagoginnen und Pädagogen
Konzepts durchgängiger sprachlicher Bildung in
aus den Grundschulen in Kooperation mit den Fach-
Kindertageseinrichtungen und Schulen berührt dort
kräften aus den Kindertageseinrichtungen die
alle Bereiche und erfordert ein systematisches und
sprachliche Förderung, um einen erfolgreichen
gesteuertes Vorgehen. Die Umsetzung eines solchen
Übergang aller Kinder in die Grundschule zu unter-
Konzepts kann zum Beispiel durch den Einsatz von
stützen. Es werden insbesondere Kinder gefördert,
Sprachunterstützungslehrerinnen und -lehrern
die nicht über die ihrer Altersgruppe entsprechenden
oder Sprachassistentinnen und -assistenten begleitet
Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und
werden. Hilfreich können auch feste wöchentliche
deren Einschulung zum folgenden Schuljahr bevor-
Treffen zum fachlichen Austausch und zur kollegi-
steht. Die sprachliche Entwicklung der geförderten
alen Beratung nicht nur für Deutsch-, sondern auch
Kinder wird dokumentiert; die standardisierten
für Fachlehrkräfte sein.
Berichte sichern die Kontinuität der sprachlichen
Förderung beim Übergang in die Grundschule.
In den Bundesländern sollten die bisherigen Erfahrungen von Kindertageseinrichtungen und
Ein ähnliches Konzept mit dem Namen „Vorkurs
Schulen – wo sinnvoll – dokumentiert bzw. evaluiert
Deutsch 240“ wird an bayerischen Kindertages-
und hieraus Standards entwickelt werden, an denen
stätten und Grundschulen umgesetzt. Hier erhalten
sich Einrichtungen und pädagogische Fachkräfte
Kinder mit Sprachförderbedarf im letzten Jahr vor
orientieren können. Hierauf aufbauend sollten auch
der Einschulung jeweils 120 Fördereinheiten durch
Qualitätsstandards zur Vermittlung von und zum
die Fachkräfte der Kindergärten und weitere 120
Umgang mit Sprache sowie interkulturelle Erziehung
35
B – Sprachliche Integration
entwickelt werden (siehe dazu auch Kapitel C). Um
sachsen, Bayern und Berlin seit 2008 ein Modellprojekt
Maßnahmen in Kindertageseinrichtungen und Schulen
durch, in dessen Rahmen Schülerinnen und Schülern
stärker zu verzahnen, sollte diese Entwicklung von
mit Migrationshintergrund an Hauptschulen er-
Standards im Dialog zwischen der Jugend- und Famili-
gänzende Deutschförderung angeboten wird. Gemein-
enministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz
sam mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft,
der Länder geschehen. Bei (Modell)Programmen
Unterrichtspraxis und Verwaltung wird ein Unter-
und Projekten sollte dem Ergebnistransfer besonders
richtskonzept zum begleitenden bildungssprachlichen
Rechnung getragen werden – etwa in Form eines
Deutschunterricht entwickelt, dessen Ziel es ist,
Leitfadens für Kindertageseinrichtungen und Schulen.
sprachliche Defizite auszugleichen, die einem erfolg-
Ein bundesweites Portal mit Beispielen guter Praxis,
reichen Schulabschluss entgegen stehen. Dabei steht
Qualifizierungs- und Materialangeboten für die Praxis
die Bildungssprache Deutsch im Mittelpunkt: Mit den
sollte die breite Umsetzung durchgängiger sprachlicher
erworbenen Kenntnissen sollen die Jugendlichen
Bildung unterstützen. Hierzu kann beispielsweise das
dem Unterricht besser folgen und sich mündlich und
bereits bestehende Informationsangebot des Deutschen
schriftlich aktiv an ihm beteiligen können. Das Projekt
Bildungsservers ausgebaut werden.
stellt Module für einen ergänzenden bildungssprachlichen Deutschunterricht von der 5. bis zur 9. Klasse
Bildungssprachliche Deutschkenntnisse in der Schule
vermitteln
bereit. Die Umsetzung begann 2009 in den beteiligten
In den Schulen kann der Deutschunterricht allein
kann durch Maßnahmen der Länder ergänzt werden,
nicht die erforderlichen, umfangreichen fach­
etwa durch Elternarbeit oder intensive Beratung
sprachlichen Anforderungen der einzelnen Schul-
und Begleitung der Jugendlichen am Übergang in die
fächer vermitteln. In allen Unterrichtsfächern ist
Ausbildung. Das Modellprojekt, das bis 2011 läuft,
daher eine systematische, koordinierte Vermittlung
wird wissenschaftlich evaluiert. Es verdeutlicht, wie
der Bildungssprache Deutsch erforderlich, damit
Bund und Länder ihre Kräfte bündeln können, ohne
die Schülerinnen und Schüler schul- und bildungs-
Zuständigkeiten aufzulösen.
Ländern an jeweils sieben Standorten. Der Unterricht
relevante sprachliche Fähigkeiten in verschiedenen
Themen- und Wissensbereichen ausbilden
können. Fachliches und sprachliches Lernen sollte
60
ƒƒ Umsetzungshinweis: Fächerübergreifende Vermittlung von Deutsch
dazu in den einzelnen Fächern stärker miteinander
In der Praxis hat es sich für Schülerinnen und Schüler
verbunden werden.
als hilfreich erwiesen, wenn bei der fächerüber­
greifenden Vermittlung von Deutsch durchgängig die
Für Kinder und Jugendliche, die zusätzlichen Deutsch-
gleichen Methoden verwendet werden. Einzelne
förderbedarf haben, um dem Fachunterricht erfolgreich
Schulen haben hierbei gute Erfahrungen etwa mit
zu folgen, können ergänzend auch extracurriculare
fächerübergreifend in der Klasse genutzten Lese-
Lernangebote zur Stärkung ihrer bildungssprachlichen
Rechtschreibkladden oder kontinuierlich fortgeschrie-
Kompetenzen bereitgehalten werden.
benen Fachglossaren gemacht.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt ge-
Besondere Lernräume für die Deutschförderung nutzen
meinsam mit Partnern in den Bundesländern Nieder­
Die besonderen Möglichkeiten, die sich in Kindertageseinrichtungen und Horten bieten, um
60 Die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz der Länder
für das Fach Deutsch in Haupt- und Realschule weisen insbesondere mit Blick auf die Unterstützung des sprachlichen Lernens
von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund
darauf hin, dass die Ausbildung sprachlicher Fähigkeiten auch
in den anderen Fächern bewusst gestärkt und weiterentwickelt
werden muss. Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder (Hg.) (2005): Beschlüsse der Kultusministerkonferenz - Bildungsstandards im Fach Deutsch für den
Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9), München, S. 7 bzw.
Dies. (2004): Beschlüsse der Kultusministerkonferenz Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss,
München, S. 7.
36
Alltagssituationen und die Interaktion der Kinder
untereinander für die sprachliche Förderung zu
nutzen, sollten systematisch und auf der Grundlage
der aktuellen Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung erschlossen werden.
Auch in Ganztagsschulen bieten sich besondere
Chancen, die Lebenswelt und Bildungsgelegen-
B – Sprachliche Integration
zu nutzen. Die zusätzliche Zeit sollte intensiv für
Lehr- und Lernmaterialien für durchgängige sprachliche Bildung entwickeln
die Sprachförderung genutzt werden. Um
Zur Umsetzung durchgängiger sprachlicher
diese Chancen für die sprachliche Bildung wahr-
Bildung – insbesondere im Fachunterricht – ist es
zunehmen, sollten die Schulprogramme und
notwendig, entsprechende Lehr- / Lernmaterialien
pädagogischen Konzepte von Ganztagsschulen
zu entwickeln. Um eine größere Verbreitung
systematisch um den Aspekt der sprachlichen
zu erreichen, sollten diese auch computergestützte
Bildung und einen bewussten Umgang mit Mehr-
Selbstlernmöglichkeiten enthalten (vgl. das
sprachigkeit ergänzt werden.
Beispiel des von der Universität Hamburgs entwi-
heiten im Alltag für die sprachliche Förderung
ckelten Qualifizierungsbausteins „durchgängige
ƒƒ Umsetzungshinweis: Durchgängige sprachliche
Bildung in Ganztagsschulen
Sprachförderung“ in Abschnitt 2.1.4 dieses
Kapitels.)
Die regionalen Serviceagenturen, die im Rahmen
eingerichtet wurden und den Schulen vor Ort
Akteure außerhalb der Kindertageseinrichtungen
und Schulen einbeziehen
Erfahrungsaustausch, den Transfer guter Beispiele
Akteure und Lernorte außerhalb von Kinder-
sowie Beratungs- und Fortbildungsangebote
tageseinrichtungen und Schulen können
ermöglichen sollen, sollten die Schulen auch bei der
wertvolle Beiträge zur Verknüpfung formeller
Verankerung von Angeboten sprachlicher Bildung
und informeller Sprachförderung leisten
unterstützen. Dies kann beispielsweise durch ein
und zusätzliche Sprechgelegenheiten schaffen.
begleitendes Coaching bei der Umsetzung von
Hierzu können insbesondere Kooperationen
durchgängigen Sprachförderkonzepten, durch
zwischen Kindertageseinrichtungen / Schulen
Unterstützung bei der Entwicklung entsprechender
und Angeboten von Migrantenorganisationen,
Schulprogramme oder durch Fortbildungsveranstal-
Einrichtungen der Jugendarbeit und zu Bibli-
tungen geschehen.
otheken und anderen Einrichtungen genutzt
des Ganztagsschulprogramms des Bundes
werden. Diese Kooperationen sollten systeCurricularen Rahmen bereitstellen
matisch gefördert werden, etwa durch die Ein-
Bildungspläne für Kindertageseinrichtungen sowie
bindung in lokale Netzwerke der sprachlichen
Bildungs-, Lehr- und Rahmenpläne für Schulen
Bildung oder durch gemeinsame Projekte
sollten durch die zuständigen Länderministerien
(vergleiche auch Kapitel C).
im Hinblick auf durchgängige sprachliche Bildung,
den Umgang mit Mehrsprachigkeit und interkul-
Bürgerschaftliches Engagement kann die profes-
turelle Erziehung systematisch überarbeitet und
sionelle Arbeit von pädagogischen Fachkräften
stärker aneinander angeglichen werden.
im Bereich sprachliche Bildung bereichern
und ergänzen, jedoch keinesfalls ersetzen. Als
Die Initiativen einzelner Länder, gemeinsame
ergänzende Angebote durch bürgerschaftliches
bzw. eng aufeinander abgestimmte Bildungs- und
Engagement eignen sich insbesondere inter-
Erziehungspläne für Kindertageseinrichtungen
kulturelle Projekte und Begegnungen, Erkundungen,
und Grundschulen zu erarbeiten – wie etwa in Hessen
sprachliche Begegnungen, Lesepaten, Lesenächte,
und Thüringen –, sollten ausgebaut und auch in
Tutorenprogramme und ähnliche Angebote.
anderen Bundesländern aufgegriffen werden. Sie
Die Kooperation von Bildungseinrichtungen mit
sollten auch die weiterführenden Schulen
Freiwilligen bzw. Ehrenamtlichen braucht ver-
einbeziehen.
lässliche, stützende und begleitende Strukturen,
um eine erfolgreiche Verbindung von professi-
Die unterschiedlichen Aktivitäten zur Förderung
oneller Arbeit und freiwilligem Engagement zu
bildungssprachlicher Fähigkeiten sollten fächer­
ermöglichen (vergleiche hierzu auch die Aus-
übergreifend in einem Gesamtsprachencurricu­lum
führungen zu bürgerschaftlichem Engagement in
verknüpft werden.
Kapitel D).
37
B – Sprachliche Integration
Angebote für Seiteneinsteiger bereitstellen
Förder-, Intensiv- bzw. Sprachlernklassen, in denen
Sprachliche Bildung bei der Umsetzung von Bildungsstandards berücksichtigen
sprachintensive Fächer getrennt unterrichtet werden,
Fragen des Stellenwerts des Bereichs Deutsch als
während in weniger sprachorientierten Fächern
Zweitsprache sowie der interkulturellen Bildung im
bereits eine Integration in den Klassenverband statt-
Qualitätsdiskurs schulischer Bildung in Deutsch-
findet, sollten auf maximal 2 Jahre begrenzt werden.
land sollten bei der Umsetzung der Nationalen
Kompetenzen und Fähigkeiten sollten nicht aufgrund
Bildungsstandards stärker Rechnung getragen
von Sprachschwierigkeiten ungenutzt bleiben; der
werden.61 Auch Herkunftssprachen als fremdsprach-
fachsprachliche Einsatz der Herkunftssprache kann
liche Angebote an Schulen haben bei der Entwick-
dabei unterstützend genutzt werden.
lung und Diskussion von Bildungsstandards bisher
nur wenig Berücksichtigung gefunden. Vor diesem
Für Seiteneinsteiger, die über eine „gymnasiale
Hintergrund sollten die von der Kultusministerkon-
Oberstufen-Berechtigung“, jedoch nicht über
ferenz der Länder entwickelten Bildungsstandards
ausreichende Deutschkenntnisse für einen direkten
und ihre Umsetzung dahingehend überprüft
Übergang in das Gymnasium verfügen, sollten
werden, wie diesen Aspekten stärker Rechnung
passgenaue Maßnahmen entwickelt werden, die
getragen werden kann.
einen raschen Erwerb bildungssprachlicher
Deutschkenntnisse und damit die Aufnahme in die
Forschungsdesiderate
gymnasiale Oberstufe ermöglichen, etwa im
Verstärkte Forschung ist notwendig zur Beschrei-
Rahmen von Vorkursen.
bung altersgemäßer Sprachentwicklung, zum
Problem der Weiterentwicklung der Sprachkompe-
ƒƒ Umsetzungshinweis: Beratungsangebote für Seiteneinsteiger
tenz in der Erst- und Zweitsprache nach der Phase
des Primärspracherwerbs (longitudinale Studien),
Um den spezifischen Förder- und Beratungsbedürf-
zur Beschreibung von Unterrichtsprozessen, zur
nissen von Seiteneinsteigern (und ihren Eltern)
Wirkung mehrsprachiger Bildungskonzepte, zur
gerecht zu werden, kann es hilfreich sein, bei den
Rolle von interkulturellen Kompetenzen in der
Schulämtern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Sprachvermittlung, zur Wirkung von Interventionen
speziell für die Beratung von Seiteneinsteigern ein-
und längerfristig angelegten Sprachbildungs-
zusetzen. Diese können gezielt auf geeignete
konzepten, zur Wirksamkeit, Praktikabilität und
Förderangebote (auch außerschulischer Träger)
Anschlussfähigkeit von Sprachstandsfeststellungs-
hinweisen und grundsätzliche Informationen über
verfahren und Sprachtests an die pädagogische
das deutsche Bildungssystem vermitteln (vergleiche
Praxis sowie zur Entwicklung von Qualitätskon-
Kapitel C). Darüber hinaus können sie Schulen dabei
zepten für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache.
unterstützen, bei Seiteneinsteigern sprachliche
und sonstige Lernschwierigkeiten zu unterscheiden,
und sie bei der Entwicklung bedarfsgerechter
Förderangebote beraten.
61 Zur Entwicklung und Umsetzung der Bildungsstandards vgl.
http://www.kmk.org/bildung-schule/qualitaetssicherung-inschulen/bildungsstandards/ueberblick.html.
2.1.2Eltern bei der sprachlichen Bildung partner-
schaftlich einbeziehen und unterstützen
Kinder lernen Sprache in Beziehungen. Der Spra-
und Weise der Kommunikationsanlässe, an denen
cherwerb wird in den ersten Lebensjahren eines
sie sich beteiligen. Intensive Interaktion der Eltern
Kindes daher maßgeblich von Eltern und Familie
mit dem Kind, die Sprechanreize schafft, unter-
geprägt. Zentral für die kindliche sprachliche
stützt die natürliche Sprachentwicklung. Eltern
Entwicklung sind die Qualität der Sprechimpulse,
mit einer anderen Erstsprache brauchen jedoch
welche an die Kinder gerichtet werden und die Art
oft Hilfe und Anleitung, wie sie ihre Kinder bei der
38
B – Sprachliche Integration
Sprachentwicklung im Deutschen zielgerichtet
Kindertagesstättenbesuch und Sprachentwicklung
fördern können.
umfassen.“62
Die Einbindung der Eltern in den Sprachförder-
Eltern mit einer anderen Herkunftssprache sollten
prozess und die Stärkung ihrer Erziehungskom-
dazu ermutigt werden, in derjenigen Sprache mit
petenzen sind bereits wichtige Bestandteile vieler
ihren Kindern zu sprechen, die sie am besten beherr-
frühkindlicher Sprachförderangebote. Häufig
schen und in der sie sich am wohlsten fühlen. Bei vielen
werden parallel zum Spracherwerb der Kinder
wird dies ihre Herkunftssprache sein. Für den Inte-
Angebote an die Eltern zur Partizipation am Alltag
grationsprozess der Familie und den Bildungsweg der
der Kindertageseinrichtung und zum Erlernen der
Kinder ist aber auch die Bereitschaft der Eltern von
deutschen Sprache oder Angebote der Bildungs- und
Bedeutung, ihre eigenen Deutschkenntnisse zu ver-
sozialen Beratung gemacht, etwa in Form beglei-
bessern. Sie sollten deshalb motiviert werden, selbst
tender Eltern-Kind-Veranstaltungen, teilweise
Deutsch zu lernen. Um dies zu unterstützen, haben die
auch als umfassende Erziehungspartnerschaften
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
(vergleiche auch Kapitel C).
linge und Integration, die Kultusministerkonferenz
der Länder und das Bundesamt für Migration und
Die intensive Zusammenarbeit mit Eltern zum
Flüchtlinge in einem gemeinsamen Schreiben Anfang
Thema Sprachförderung sollte über das Engage-
2009 Schulen in Deutschland über Integrationskurse
ment einzelner Kindertageseinrichtungen und
für Eltern informiert. Unter dem Titel „Deutsch lernen –
Schulen hinaus jedoch grundsätzlich integraler
Deutschland kennenlernen. Damit unsere Kinder bes-
Bestandteil der pädagogischen Arbeit der Bildungs-
sere Chancen haben“ hat das Bundesamt für Migration
einrichtungen sein. Wichtig ist in diesem Zu-
und Flüchtlinge im Sommer 2009 eine Motivationskam-
sammenhang die Frage, wie Eltern mit Migrations-
pagne initiiert, um Eltern für die Teilnahme an Eltern-
hintergrund systematisch und nachhaltig dabei
integrationskursen zu gewinnen (vgl. auch Kapitel C).
unterstützt werden können, die Entwicklung
der Deutschkenntnisse ihrer Kinder gezielt zu för-
Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf die
dern. Der Nationale Integrationsplan betont
Rolle der Eltern bei der sprachlichen Bildung
die zentrale Rolle der Zusammenarbeit mit Eltern
ihrer Kinder. Empfehlungen zur Zusammenarbeit
in diesem Zusammenhang. Die Länder setzen
mit Eltern werden in Kapitel C dargestellt.
sich dort für „die Einführung systematischer und
zielgerichteter Elternansprache und -information
ein, die die Themen frühe Förderung, frühzeitiger
62 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 26.
Empfehlungen
Inhalte und Formen der Zusammenarbeit mit Eltern
zur sprachlichen Förderung ausgestalten
Ansätze der Zusammenarbeit mit Eltern mit Mi-
Eltern, Kindertageseinrichtungen und Schulen
grationshintergrund sollten auch Angebote
sollten ihre Aktivitäten zur sprachlichen Förderung
zur Stärkung der Kompetenzen der Eltern zur
der Kinder aufeinander beziehen, um eine
Unterstützung des Spracherwerbs ihrer Kinder
möglichst große Wirkung zu erreichen. Die Kinder-
umfassen, etwa durch Elternbildungsprogramme
tageseinrichtungen und die Schulen sollten ihre
bzw. „Family-Learning-Kurse“. Für Elternbil-
Erwartungen an die Eltern dabei klar formulieren.
dungsprogramme sollten die Möglichkeiten der
Familienbildung als Teil der Jugendhilfe nach
Multiplikatorenprogramme erleichtern die Arbeit mit
§ 16 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz stärker
Eltern und wirken über die Kindertageseinrichtungen
genutzt werden.
und Schulen hinaus. In verstärktem Maße sollten
39
B – Sprachliche Integration
deshalb Kooperationen zwischen professionellen
Kinder verbessern können – unabhängig davon,
Sprachförderangeboten in Bildungseinrichtungen
ob die Kinder ein- oder mehrsprachig aufwachsen.
und Akteuren mit Multiplikatorenfunktion gefördert
Die Elternbriefe werden vom Arbeitskreis Neue
werden, etwa bei der Ausbildung von „Stadtteil-
Erziehung herausgegeben und erreichen über ein
müttern“ (vgl. die Ausführungen zum Projekt „Stadt-
bundesweites Netz von Jugendämtern, freien
teilmütter“ in Berlin-Neukölln in Kapitel C).
Trägern der Jugendhilfe sowie Familienbildungsund -beratungseinrichtungen rund 500 000 Eltern.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Formen der Zusammenarbeit
mit Eltern
Die Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshin-
Sprachliche Bildung als Bestandteil von Erziehungspartnerschaften einführen
tergrund bei der Förderung der sprachlichen Bildung
Im Rahmen von Erziehungspartnerschaften
ihrer Kinder kann – auf partnerschaftlicher Ebene
zwischen Elternhaus und Kindertageseinrichtung
und orientiert an den Bedürfnissen der Eltern und
bzw. Schule sollten Eltern auch über Fördermöglich-
Kinder – unterschiedliche Formen annehmen:
keiten der sprachlichen Entwicklung ihrer Kinder
ƒƒ Aufsuchende Elternarbeit
informiert und dazu ermutigt werden, ihre eigenen
ƒƒ Spielgruppen für Eltern und Kinder
Vorstellungen zu formulieren.
ƒƒ Zusammenarbeit mit Elternvereinen zugewanderter Eltern
ƒƒ Elterninformationsabende und -kongresse
ƒƒ Unterstützung bei Weiterbildungswünschen
ƒƒ Elternschulungen zu Themen der (sprachlichen)
Bildung (auch mehrsprachig)
ƒƒ Elternbildungsprogramme zur Erhöhung der
Erziehungskompetenz
ƒƒ Elternbriefe
ƒƒ Umsetzungshinweis: Sprachliche Bildung als Aspekt von Erziehungspartnerschaften
In Elterngesprächen kann die jeweils individuell
passende Vorgehensweise bei der Einbeziehung der
Eltern in die sprachliche Bildung der Kinder
gemein­sam bestimmt werden. Konkrete Inhalte und
Formen der Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtung und Eltern bei der sprachlichen
Das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Förderung der Kinder können in einer Bildungsver-
Frauen und Jugend bietet seit 2009 zwei Extra-Eltern-
einbarung gemeinsam festgehalten werden.
briefe zum Thema Sprachentwicklung und Sprachförderung an. Die neuen Elternbriefe sind neben
Forschungsdesiderate
Deutsch in weiteren neun Sprachen verfügbar:
Die Wirkung von Programmen, die Eltern aktiv in
Englisch, Polnisch, Türkisch, Arabisch, Französisch,
die Sprachförderung ihrer Kinder einbeziehen, muss
Griechisch, Italienisch, Russisch und Serbisch. Die
systematisch evaluiert und erforscht werden. Ebenso
Elternbriefe greifen Fragen rund um die sprachliche
fehlen umfassende Forschungsarbeiten zur Frage,
Entwicklung von Kindern auf und geben Eltern
welche kultursensible Ansprache notwendig ist, um
praxisnahe Tipps, wie sie die Fähigkeiten ihrer
Eltern mit Migrationshintergrund zu erreichen.
2.1.3 Sprachliche Bildung am Übergang Schule – Ausbildung: Berufsvorbereitende Deutschkenntnisse vermitteln, Ausbildungschancen stärken
Die Bedeutung von Sprache ist in Ausbildung und
berufsbezogenen Deutschkenntnissen ist deshalb zu
Arbeit kontinuierlich gewachsen. Fehlende bildungs-
einem wichtigen Bestandteil der beruflichen
sprachliche und berufsbezogene Deutschkenntnisse
Bildung und Weiterbildung von Jugendlichen mit
sind in vielen Fällen eine der Hauptursachen für
Migrationshintergrund geworden und sollte als
die geringe Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen
Auftrag aller zuständigen Bildungsinstitutionen
mit Migrationshintergrund. Die Vermittlung von
im Übergangssystem Schule – Ausbildung bzw. Be-
40
B – Sprachliche Integration
ruf verstanden werden. Herkunftssprachliche
mit ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen an,
Kenntnisse können ergänzend eine Ressource für
die auch über das Ende der Schulzeit hinausgehen
Ausbildung und Beruf darstellen. Das Erlernen
(vgl. B.2.1.1).63 Eine solche Einbindung von Sprachför-
fachsprachlicher Kenntnisse ihrer Herkunftssprache
derangeboten in lokale Netzwerke des Übergangs-
kann deshalb für Jugendliche am Übergang in den
managements findet bisher selten statt.
Beruf ebenfalls von Bedeutung sein.
Für Jugendliche, die nicht direkt in eine betriebUnterschiedliche Phasen der Vorbereitung auf
liche, schulische oder universitäre Ausbildung
eine Berufstätigkeit stellen Jugendliche und junge
wechseln (können), werden unterschiedliche
Erwachsene vor verschiedene sprachliche Heraus-
Angebote in verschiedener staatlicher Trägerschaft
forderungen, die in den Qualifizierungsangeboten
bereitgehalten. Jugendliche mit Migrationshin-
adäquat reflektiert werden müssen. Konzepte der
tergrund sind in diesen Maßnahmen überdurch-
schulischen und außerschulischen sprachlichen
schnittlich häufig vertreten. Sprachliche Bildung ist
Bildung am Übergang Schule - Ausbildung sollten
in diesen Angeboten entweder ein eigenständiger
daher an die drei Kernbereiche Berufsorientierung,
Bestandteil oder spielt zumindest indirekt eine
Ausbildungs- bzw. Berufsvorbereitung und Ausbil-
Rolle. So gibt es etwa im Rahmen des Berufsvorbe-
dungsbegleitung (auch zur Vermeidung von Ausbil-
reitungsjahres bzw. Berufseinstiegsjahres, das in
dungsabbrüchen) angelehnt sein. Eine wichtige
Baden-Württemberg für schulpflichtige Jugend-
Rolle spielt dabei das Übergangsmanagement.
liche verpflichtend ist, die keinen Ausbildungsplatz
erhalten haben, auch Klassen gezielt für Jugend-
Für Jugendliche und junge Erwachsene werden
liche ohne bzw. mit geringen Deutschkenntnissen.
sprachliche Bildungsangebote in den letzten Jahren
Auch das in Bayern angebotene Berufsintegrations-
der Sekundarstufen I und II angeboten, die vielfach
jahr verbindet Elemente der betrieblichen Praxis,
auch bereits den Eintritt ins Erwerbsleben in den
der allgemeinen sowie der berufsvorbereitenden
Blick nehmen. Diese Maßnahmen enthalten häufig
schulischen Qualifizierung mit Sprachförderung.
auch andere Elemente der berufsvorbereitenden
Qualifizierung und Beratung. Die meisten enden
Die Bundesagentur für Arbeit erprobt an 14 Stand-
jedoch mit dem Ende der Schulzeit. Projekte, die im
orten das Modellprojekt „GINCO-Ganzheitliches
Sinne einer tatsächlichen „Übergangsbegleitung“
Integrationscoaching für junge Menschen in
Sprachförderung mit Berufsorientierung und
berufsschulischen Maßnahmen“. Das Modell-
aktiver Unterstützung bei der Ausbildungsplatz-
projekt ist eines von sechs Programmelementen
suche bzw. bei den ersten Schritten in der Aus-
der „Gemeinsamen Initiative zur verbesserten
bildung verbinden und eine Kontinuität über den
Arbeitsmarktintegration von Menschen mit
Schulabschluss hinaus herstellen, werden kaum
Migrationshintergrund“ der Integrations-
durchgeführt. Erschwert wird eine solche langfris-
beauftragten des Bundes, des BMAS und der
tige Förderung über die Schulzeit hinaus unter
Bundesagentur für Arbeit. Ziel ist es, den direkten
anderem auch durch förderrechtliche Schwierig-
Übergang von Jugendlichen, die sich in einer
keiten bei der Verzahnung von Regelinstrumenten
Berufsvorbereitung an Berufsschulen befinden
aus unterschiedlichen Rechtskreisen. Ein Beispiel für
(z. B. BVJ, BGJ, Jungarbeiterklassen) in reguläre
einen übergreifenden Ansatz ist das Kooperations-
Ausbildung signifikant zu erhöhen. Hierbei haben
projekt „Chancen nutzen, Perspektiven schaffen –
die Träger große Freiheiten, ihre ganzheitlichen
Berufsorientierung und Sprachförderung für
inhaltlichen Ansätze konzeptionell den indi-
Jugendliche mit Migrationshintergrund“ des Landes
viduellen Bedarfen der Teilnehmerinnen und
Niedersachsen. In diesem Modellprojekt bietet
Teilnehmer anzupassen. Neben dem Erwerb von
Niedersachsen gemeinsam mit dem Bundesamt für
sozialen Kompetenzen spielt die Vermittlung
Migration und Flüchtlinge unterrichtsergänzende
bildungssprachliche Deutschförderung für
Hauptschülerinnen und -schüler in Kombination
63 Das Modellprojekt wird auch mit / in den Ländern Bayern und
Berlin durchgeführt, hier jedoch ohne zusätzliche ausbildungsvorbereitende Maßnahmen.
41
B – Sprachliche Integration
berufsvorbereitender Deutschkenntnisse eine
Ausbildungsvorbereitende Deutschkenntnisse
besonders wichtige Rolle.
können auch in den bundesgeförderten Jugendintegrationskursen vermittelt werden. Diese
Wichtiger Ort der berufsbezogenen sprachlichen
richten sich an nicht mehr schulpflichtige junge
Bildung für Jugendliche in einer Ausbildung ist
Erwachsene bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres
die Berufsschule. Die Länder haben im Nationalen
und werden schwerpunktmäßig dazu genutzt, die
Integrationsplan zugesagt, der berufsbezogenen
Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprachlich auf
Sprachförderung für Jugendliche besondere
Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt
Aufmerksamkeit zu schenken. Fast alle Länder
vorzubereiten. Durch die von 630 auf bis zu 945
haben mittlerweile Maßnahmen ergriffen, um die
Unterrichtseinheiten erhöhte Dauer des Jugend-
berufsbezogene Deutschförderung an berufsbil-
integrationskurses konnte ein größerer Anteil
denden Schulen zu verbessern – durch zusätzliche
berufsorientierender Sprach- und Lerninhalte auf-
Förderangebote, spezielle Ausgestaltung
genommen werden. Ergänzt wird dies durch
berufsvorbereitender Maßnahmen, Zuweisung
die Möglichkeit, im Rahmen einer Praxisphase
von zusätzlichen Lehrerstundenkontingenten
innerhalb des Kurses erste praktische Erfahrungen
oder Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte
in der Ausbildungs- und Arbeitswelt zu sammeln.
an berufsbildenden Schulen.64 Doch auch der
Im Rahmen sogenannter „Verbundprojekte“ kann
Ausbildungsbetrieb trägt erheblich zur Förderung
der Sprachkurs mit dem Erwerb eines Abschlusses
der Sprachkompetenz bei. Für ausbildende Betriebe
oder beruflicher Tätigkeit kombiniert werden.
können Modelle entwickelt und erprobt werden, die
diese gezielt in die sprachliche Bildung einbeziehen.
Die folgenden Empfehlungen sollen einen Beitrag
Dabei sollte nach Wegen gesucht werden, wie
dazu leisten, eine Strategie für die Vermittlung
Ausbildungsbetriebe als sprachliche Lernorte
berufsbezogener Deutschkenntnisse zu entwickeln,
erschlossen werden können, ohne diese sowie die
die umfassend und nachhaltig dazu beiträgt, die
dort tätigen Ausbilderinnen und Ausbilder zu
vergleichsweise geringere Ausbildungsbeteiligung
überfordern.
dieser Jugendlichen zu verbessern. Grundlage einer
Weiterentwicklung der Angebote muss dabei eine
64Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2008): a. a. O., S. 130.
genaue Beschreibung der Zielgruppen und ihrer
Bedarfe sein.
Empfehlungen
Curriculare Rahmenbedingungen bereitstellen
Sprachliche Bildung und interkulturelle Kompe-
(können), sollten noch stärker als bereits bisher zur
tenzen sollten Bestandteil der Rahmencurricula der
Verbesserung der arbeitsweltbezogenen sprach-
berufsbildenden Schulen werden. Darüber hinaus
lichen Kompetenzen genutzt werden, etwa die durch
sollte durch den Bund in seiner Zuständigkeit für
die Bundesagentur für Arbeit finanzierten Aktivie-
den Bereich der Ausbildungsverordnungen in
rungshilfen für Jüngere oder berufsvorbereitenden
Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern geprüft
Bildungsmaßnahmen. Programmträger sollten ihre
werden, in welchem Ausmaß die Vermittlung
Angebote entsprechend modifizieren. Dabei sollte
interkultureller Kompetenzen in der betrieblichen
sichergestellt werden, dass diese Kurse sowohl neu
Berufsausbildung verankert werden kann.
zugewanderten Jugendlichen mit berufsvorbereitendem Sprachförderbedarf offenstehen, als auch
Übergangsangebote systematisch für Deutsch­
förderung nutzen
Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die eine
Übergangsangebote für Jugendliche, die nach der
aber keinen Abschluss erworben bzw. trotz Abschluss
Schule nicht direkt eine Berufsausbildung antreten
sprachlichen Förderbedarf haben. Die Angebote
42
allgemeinbildende Schule in Deutschland besucht,
B – Sprachliche Integration
sollten sich an den jeweiligen Erfordernissen vor Ort
Diese sollten systematisch dokumentiert, mit Blick
orientieren und in das regionale Übergangsmanage-
auf Transfermöglichkeiten ausgewertet und der
ment eingebunden sein.
Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden etwa
im Rahmen einer Datenbank zu Beispielen guter
Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die
Praxis. Hierzu könnte gegebenenfalls das bereits
ohne Abschluss die Schule verlassen, fehlen häufig
bestehende „Good Practice Center“ zur beruflichen
aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse auch
Förderung von Benachteiligten des Bundesinstituts
grundlegende Inhalte, die in der Schule in früheren
für Berufsbildung genutzt werden.
Klassenstufen behandelt werden. Neben Angeboten
-absolventen sollten deshalb auch niederschwellige
Sprachliche Bildung an berufsbildenden Schulen
systematisch verankern
Angebote der nachholenden Bildung mit hohen
Da der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshin-
sprachlichen Anteilen gefördert werden, die
tergrund stetig ansteigt, ist der Fachunterricht in
Jugendlichen die Chance bieten, nachträglich einen
den berufsbildenden Schulen zunehmend auch
Schulabschluss zu erwerben.
Zweitsprachenunterricht. Die Rolle der berufs-
zur Förderung von Schulabsolventinnen und
bildenden Schulen im Bereich Deutsch als ZweitAktuelle Initiativen zur Koordinierung und
sprache sollte deshalb deutlicher definiert werden,
Optimierung der Angebote des Übergangsmanage-
unter anderem durch die Entwicklung spezifischer
ments und der stärkeren Orientierung am lokalen
Konzepte zur Vermittlung bildungssprachlicher,
Bedarf sollten insbesondere auch den Aspekt der
berufsbezogener Kenntnisse von Deutsch als Zweit-
berufsvorbereitenden bzw. arbeitsmarktorien-
sprache. Länder, Kommunen und Hochschulen
tierten Förderung von Deutsch als Zweitsprache bei
sollten entsprechende Qualifizierungsangebote für
der Entwicklung von lokalen Netzwerken des
Lehrkräfte an beruflichen Schulen anbieten.
Übergangsmanagements berücksichtigen. Hier
bietet die Förderinitiative des Bundesministeriums
Das Kompetenzzentrum Sprachförderung der Stadt
für Bildung und Forschung „Regionales Über-
Köln (2003 - 2007) hat ein Fortbildungsangebot
gangsmanagement“ im Programm „Perspektive
entwickelt, das eine Umsetzungsbegleitung für
Berufsabschluss“ einen geeigneten Rahmen.
Lehrkräfte von Berufskollegs sowie Lehrkräfte von
Haupt-, Real- und Gesamtschulen, die am Übergang
ƒƒ Umsetzungshinweis: Maßnahmen der niederschwelligen beruflichen Qualifizierung zur berufsvorbereitenden Deutschförderung nutzen
Schule – Beruf arbeiten, enthält. Diese Lehrerinnen
und Lehrer stehen oft vor dem Problem, in ihren
sprachlich meist heterogenen Klassen Schülerinnen
Die Bundesagentur für Arbeit fördert sogenannte
und Schüler zum Lernen zu motivieren und zugleich
Aktivierungshilfen, die sich an Jugendliche richten,
sprachlich optimal zu fördern. Im Mittelpunkt
die auf andere Weise nicht für eine berufliche Qua-
der Fortbildungen steht die Förderung von Lese-,
lifizierung motiviert werden können. Diese und
Schreib- und Sprechfertigkeit sowie von Lernbe-
ähnliche Angebote sollten noch stärker mit Mög-
reitschaft und Lernfähigkeit bei den Schülerinnen
lichkeiten der berufsvorbereitenden Förderung
und Schülern. Hinzu kommen Fortbildungen zu
von Deutsch als Zweitsprache ergänzt werden. Dabei
Grammatik, zu Mehrsprachigkeit im Unterricht,
ist zu klären, welcher Kostenträger die Finanzierung
zu ressourcenorientierter Sprachdiagnose und zu
dieser Ergänzungsangebote übernehmen kann.
Methodentraining. Die Fortbildung richtet sich
sowohl an Deutsch- als auch an Fachlehrkräfte.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Aus Erfahrungen bisheriger
Projekte lernen
Die Durchführung von getrenntem fachlichem
Hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch
Unterricht und sprachlicher Förderung bringt
Erfahrungen bereits vorhandener Modellprojekte
häufig nicht die gewünschten Ergebnisse. Der
zur berufsvorbereitenden bzw. berufsbezogenen
Vorzug ist daher integrierten Fördermaßnahmen in
Sprachförderung am Übergang Schule – Ausbildung.
Form von Spracharbeit im Fachunterricht zu geben.
43
B – Sprachliche Integration
Dies gilt sowohl für den Unterricht in Berufsschulen
kenntnisse weiterentwickelt werden. Die Materialien
im Rahmen der dualen Ausbildung als auch für die
können begleitend zum Selbstlernen oder direkt im
vollschulische Ausbildung in Berufsfachschulen.
Unterricht eingesetzt werden. Neben Online-Modulen
Dieser Aspekt sollte darüber hinaus in die von der
mit interaktiven Übungen und Animationen werden
Kultusministerkonferenz mit dem Nationalen
auch Kopiervorlagen der Trainingsmaterialien und
Integrationsplan angekündigte Überprüfung der
Internetressourcen bereitgestellt. Die Entwicklung
Wirkung bisheriger Maßnahmen berufsbezogener
der Online-Materialien wurde vom Bundesamt
Sprachförderung einbezogen werden.
für Migration und Flüchtlinge unterstützt. Weitere
65
Informationen unter: http://www.sprachtrainingƒƒ Umsetzungshinweis: Angebote an berufsbildenden Schulen
beruf.de
kerung berufsbezogener sprachlicher Förderung des
Sprachliche Bildung für Seiteneinsteiger am Übergang in die Ausbildung bereitstellen
Deutschen als Zweitsprache in berufsbildenden Schulen
Viele Jugendliche, die während ihrer Schulzeit nach
sollte eine systematische Erfassung und Auswertung der
Deutschland zuwandern, steigen erst in der Sekun-
bereits bestehenden Angebote (der Länder) zur sprach-
darschulzeit oder der beruflichen Ausbildung in das
lichen Bildung in beruflichen Schulen vorgenommen
deutsche Bildungssystem ein. Auch sie benötigen ge-
sowie bestehende Rahmenpläne, Methoden und
zielte, berufsvorbereitende Deutschförderung. Gerade
Instrumente im Feld der berufsbildenden Schulen auf
für diese Zielgruppe ist auch die Anerkennung
ihren Anteil berufsbezogener Sprachförderung hin
ihrer Herkunftssprache als Fremdsprache bedeutsam.
Als Grundlage für eine verstärkte, systematische Veran-
analysiert werden.
Ausbildungsbetriebe als Sprachlernorte nutzen
Begleitend sollte die Entwicklung didaktischer Materi-
Die Sozialpartner sollten Ausbilderinnen und Aus-
alien für den Berufsschulunterricht erfolgen, die
bilder über die Thematik sprachliche Bildung und
die Bedürfnisse von mehrsprachigen Auszubildenden
interkulturelle Kompetenzen informieren und gege-
aufgreifen. Hilfreich können hier auch computerge-
benenfalls in Zusammenarbeit mit den Kammern
stützte Online-Lerntools sein, die Möglichkeiten bieten,
entsprechende Schulungsangebote organisieren.
den Umgang mit berufsbezogener Kommunikation
einzuüben wie beispielsweise das Führen von Berichts-
Die Vermittlung von ausbildungs- und berufsbezo-
heften.
genem Deutsch als Zweitsprache ist in der Praxis
der Berufsausbildung nur begrenzt möglich. Be-
Im Rahmen des Projekts „Sprachtraining für Schule
triebe sollten bei der Ausbildung junger Menschen
und Beruf“ hat das Institut für Auslandsgermanistik /
mit einer anderen Herkunftssprache deshalb falls
Deutsch als Fremd- und Zweitsprache der Universität
erforderlich durch ausbildungsbegleitende Hilfen im
Jena neben einem Handbuch ein Online-Angebot
Rahmen der Benachteiligtenförderung nach SGB III
entwickelt, das sich sowohl an Schülerinnen und
unterstützt werden. Bei einer Ausweitung ausbil-
Schüler am Übergang von der Schule in den Beruf als
dungsbegleitender Hilfen sollte der berufsbezogenen
auch an ihre Lehrkräfte richtet. Für unterschiedliche
sprachlichen Bildung als ausbildungsbegleitender
Berufsfelder wurden Selbstlern- und Lehrmaterialien
Förderung besonderes Augenmerk gelten.
entwickelt und als Download zur Verfügung gestellt,
die Jugendliche mit Migrationshintergrund unterstützen sollen, die sprachlichen Anforderungen einer
ƒƒ Umsetzungshinweis: Unterstützung für Betriebe
im Bereich sprachliche Bildung
Berufsausbildung zu meistern. In einzelnen Modulen
Betriebe sollten bei Bedarf verstärkt organisatorische
können anhand konkreter Beispiele – etwa das Führen
Unterstützung von Forschung und Praxis der
eines Berichtshefts – ausbildungsbezogene Deutsch-
Förderung des Deutschen als Zweitsprache erhalten.
So könnten Hochschulen beispielsweise Beratungs-
65 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 27.
44
angebote für Firmen entwickeln. Eine solche
flankierende Förderung kann auch dazu beitragen,
B – Sprachliche Integration
den überproportional hohen Ausbildungsabbrüchen
dass die Aufnahme einer Berufsausbildung der
bei Migrantenjugendlichen entgegenzuwirken.
entscheidende Schritt für die Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit in Deutschland ist, ermöglicht es
Zielgruppe ausbildungsbegleitender Hilfen sind nach
vielen Jugendlichen mit Migrationshintergrund,
SGB III lernbeeinträchtigte (§ 245 SGB III) und sozial
die Notwendigkeit entsprechender Sprachkurse
benachteiligte Ausbildungssuchende (§ 15 SGB III) und /
zu erkennen. Beratungsangebote für Jugendliche
oder Auszubildende (§ 14 SGB III), die wegen der in
und Eltern mit Migrationshintergrund sollten
ihrer Person liegenden Gründe ohne die Förderung
vor diesem Hintergrund verstärkt werden und
eine Berufsausbildung nicht beginnen, fortsetzen oder
den Aspekt der sprachlichen Anforderungen einer
erfolgreich beenden können. Förderungsbedürftig sind
Berufsausbildung einbeziehen.
auch Auszubildende, bei denen ohne eine Förderung
ein Abbruch ihrer Ausbildung droht. Um ausbildungs-
Forschungsdesiderate
begleitende Hilfen umfassender zur Unterstützung
Forschung ist notwendig zu Diagnoseinstrumenten
von Auszubildenden mit Förderbedarf im Deutschen
zur Sprachstandsanalyse und Evaluation des
zu nutzen, müsste ggf. der gesetzlich förderfähige
Lernerfolgs im berufsbezogenen Deutschunterricht
Personenkreis erweitert werden.
am Übergang Schule – Ausbildung.
Träger ausbildungsbegleitender Hilfen müssen im
ƒƒ Umsetzungshinweis: Zielgruppen- und Bedarfs­
analyse
Rahmen ihrer Maßnahmen Förderunterricht
anbieten, um bestehende Defizite, insbesondere auch
Eine umfassende Analyse der Zielgruppen innerhalb der
in den berufsbildenden Schulen, aufzuarbeiten. Dazu
heterogenen Gruppe der Jugendlichen mit Migrations-
gehört bei sprachlichen Problemen der Auszubil-
hintergrund und ihrer spezifischen Bedarfe ist
denden auch gezielte Sprachförderung, deren Umfang
Voraussetzung für die Entwicklung konkreter Anforde-
und Inhalt sich am individuellen Förderbedarf
rungsprofile sowie für ergebnis- und bedarfsorientiert
orientieren. Um berufsbezogene sprachliche Bildung
gestaltete Angebote sprachlicher Bildung am Übergang
stärker als bisher im Rahmen ausbildungsbegleitender
Schule – Ausbildung bzw. Beruf und ihrer Verankerung
Hilfen anzubieten, ist eine entsprechende Qualifizie-
in einem Gesamtkonzept. Eine entsprechende Be-
rung der Dozentinnen und Dozenten notwendig, die
darfsanalyse könnte durch die Ressortforschungsein-
im Bereich ausbildungsbegleitender Hilfen tätig sind.
richtungen des Bundes durchgeführt werden.
Eltern und Jugendliche zu sprachlichen Anforderungen von Berufsausbildungen beraten
Die Einbeziehung der Eltern bei der Berufswahl
kann in Fragen der Sprachkenntnisse entscheidend
sein. Erst das Bewusstsein in den Familien,
2.1.4 Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals für die frühkindliche und
schulische sprachliche Bildung
Die Anforderungen, die sich an Fachkräfte der
vor große Herausforderungen und erfordert spezi-
sprachlichen Bildung, aber auch an andere
fische Kompetenzen, die jedoch bisher häufig noch
pädagogische Fachkräfte bei der Vermittlung von
nicht ausreichend in Aus-, Fort- und Weiterbildung
Sprache stellen, haben sich in den letzten Jahren
vermittelt werden.
gewandelt. Der Umgang mit einer wachsenden Zahl
von Kindern, die Deutsch als Zweitsprache lernen,
Sprachliche Bildung, der Umgang mit Mehrspra-
stellt pädagogische Einrichtungen und ihr Personal
chigkeit und interkulturelle Erziehung werden
45
B – Sprachliche Integration
zunehmend als Aufgabe nicht nur spezieller Förder-
Deutsch als Zweit- bzw. Fremdsprache kann eine
angebote bzw. des Deutschunterrichts, sondern
Chance bieten, bei der Neugestaltung der Studien-
auch des Fachunterrichts und des allgemeinen
angebote diese Fragestellungen in den Entwick-
pädagogischen Alltags verstanden. Sie gewinnen
lungsprozess einzubringen.
daher in allen Aus-, Fort- und Weiterbildungen
im pädagogischen Bereich an Bedeutung. Erziehe-
Da neu qualifiziertes Personal kurzfristig nicht
rinnen und Erzieher lernen in ihrer Ausbildung,
ausreichend zur Verfügung steht, um den Bedarf
Entwicklungs- und Bildungspotenziale zu diagnos-
zu decken, ist auch die Fortbildung der bereits
tizieren und sprachliche Förderkonzepte zu entwi-
berufstätigen Lehrenden und Erziehenden
ckeln. Aufgrund der Ausbildungsdauer und -breite
von Bedeutung. Die Länder haben sich 2007 im
kann die Regelausbildung jedoch häufig nicht
Nationalen Integrationsplan verpflichtet, in den
die hier erforderliche Tiefe erreichen. Fortbildungen
folgenden fünf Jahren die notwendigen Fortbil-
für Erzieherinnen und Erzieher zur frühkindlichen
dungsmaßnahmen zu stellen, die es allen Lehr-
Sprachförderung gehören zwar in allen Ländern
kräften ermöglichen, ihren Sprachbildungsauftrag
zum Regelangebot. Eine umfassende, vertiefende
im Unterricht wahrzunehmen.66 Die meisten bieten
Aufnahme der besonderen Sprachförderbedarfe
heute fachübergreifende Fortbildungsmaßnahmen
von mehrsprachigen Kindern in die reguläre
für den Unterricht „Deutsch als Zweitsprache“ und
Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher steht in
als Ergänzung Fortbildungen zur Vermittlung
der Breite jedoch noch aus.
interkultureller Kompetenz an. Die Teilnahme an
den Angeboten ist in der Regel freiwillig.
In der Mehrzahl der Länder wird das Thema
Deutsch als Zweitsprache verstärkt in alle grund-
Kompetenzen in Bezug auf sprachliche Bildung
ständigen Lehramtsstudiengänge aufgenommen.
und Mehrsprachigkeit sind jedoch nicht nur
In Berlin wurde mit dem Wintersemester 2007/08
für Erzieherinnen und Erzieher bzw. Lehrkräfte
für alle Studierenden, die einen Lehramtsabschluss
relevant. Insbesondere für folgende weitere
anstreben, ein Pflichtmodul „Deutsch als Zweit-
Berufsgruppen im pädagogischen Bereich sind sie
sprache“ eingeführt, das aus einem Grundlagen-
ebenfalls von Bedeutung: Sozialpädagogen bzw.
modul in der Bachelor-Phase und einem Aufbau-
Schulsozialarbeiter, Personal an Hochschulen,
modul in der Master-Phase besteht. Für die Ausbil-
das mit der Lehrkräfteausbildung betraut ist,
dung zum Lehramt an berufsbildenden Schulen gilt
Ausbildungspersonal in der zweiten Lehrkräfte-
das Modul „Erziehungswissenschaft und Deutsch
ausbildungsphase, im Bereich außerschulische
als Zweitsprache“. In Hamburg soll künftig ein
Sprachförderung für Kinder und Jugendliche
entsprechendes Modul in die Masterausbildung
Tätige, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie
zum Lehramt aufgenommen werden. In Nordrhein-
Leitungskräfte von außerschulischen Bildungsein-
Westfalen sollen ab dem Wintersemester 2011/2012
richtungen.
Studierende aller Lehramtsstudiengänge das
Fach „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit
Zuwanderungsgeschichte“ als Pflichtmodul
belegen. Die ersten Studiengänge werden ab dem
Wintersemester 2009/2010 angeboten.
Diese Beispiele können eine Orientierung bieten,
um künftig durchgängig in Ausbildung, Studium
und Vorbereitungsdienst von Beginn an zu vermitteln, dass pädagogische Fachkräfte neben einem
fachlichen auch einen Auftrag zur sprachlichen
Bildung haben. Die Umstellung der Studienstruktur
auf Bachelor-/Master-Studiengänge im Studienfach
46
66Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 25.
B – Sprachliche Integration
Empfehlungen
Rahmenbedingungen der Qualifizierung des päda­
gogischen Personals berücksichtigen
Aus-, Fort- und Weiterbildung der pädagogischen
Beratungs- und Informationsstellen zum Thema
Fachkräfte müssen praxisgerecht umgesetzt und
sprachliche Bildung.
in einen konzeptionellen und institutionellen
auf andere relevante Aspekte nehmen (zum Beispiel
Inhalte der Qualifizierung und Umsetzung ausgestalten
Literacy–Erziehung) und in Koordination und
Die Priorität der Aus-, Fort- und Weiterbildungen
Kooperation mit den Pädagoginnen und Pädagogen
sollte auf der Methodik und Didaktik von Deutsch
in den beteiligten Einrichtungen erfolgen.
als Zweitsprache sowie dem wertschätzenden
Rahmen eingebettet werden. Sie sollte dabei Bezug
Umgang mit Mehrsprachigkeit liegen. Fachschulen
Maßnahmen der Professionalisierung und Quali-
und Hochschulen sollten eine noch stärkere Ver-
fizierung sind dann besonders gewinnbringend,
bindung von Theorie und Praxis in der Qualifizierung
wenn sie längerfristig ausgerichtet sind, etwa in
anstreben.
Form von Fortbildungsreihen.
Die Pädagoginnen und Pädagogen in KindertagesBesondere Beachtung sollten Teilzeitstudiengänge
stätten und Schulen sollten bei ihrer Querschnitts-
finden, die eine berufsbegleitende Weiterbildung
aufgabe als Sprachvermittler durch adäquate Spiel-,
ermöglichen. Erzieherinnen/Erzieher, Lehrkräfte
Unterrichts- und Praxismaterialien unterstützt
und andere pädagogische Kräfte, die an Weiter-
werden. Die Fachverlage sollten die Anforderungen
bildungsveranstaltungen teilnehmen, sollten
sprachlich zunehmend heterogener Lerngruppen
rechtzeitig und problemlos freigestellt werden kön-
in den von ihnen entwickelten Materialien stärker
nen. Für die damit verbundenen Aufwendungen
berücksichtigen.
sollten im Voraus finanzielle und personelle
Ressourcen bereit stehen. Dies setzt aber auch entsprechendes Engagement der pädagogischen
Kräfte voraus.
Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen
Personals für den Elementar- und Primarbereich
sicherstellen
Die Länder sollten für Erzieherinnen und Erzieher
ƒƒ Umsetzungshinweis: Umsetzungsbegleitung
ein Modul „Sprachliche Bildung“ bzw. eine
Um eine nachhaltige Wirkung von Aus-, Fort- und
Zusatzausbildung verpflichtend einführen, in
Weiterbildungen sicherstellen zu können, ist eine
deren Rahmen ein vielfältiges Repertoire zur
Begleitung der Umsetzung der neuen Inhalte
Sprachstandsfeststellung und sprachlichen Bildung
und Methoden wichtig. Diese sollte die Teilnehmen-
der Kinder unter Einbeziehung von interkultureller
den dabei unterstützen, das Gelernte in ihren
Pädagogik vermittelt wird. Entsprechende Weiter-
Einrichtungen zu verankern. Sie sollte zudem die
bildungsangebote, die Theorie und Praxis der
Leitungsebene von Schulen und Kindertages-
sprachlichen Bildung verbinden, können beispiels-
einrichtungen bei der strategisch-programma-
weise von den Fachschulen für Sozialpädagogik
tischen Umsetzung begleiten. Hilfreich kann die
angeboten werden.
Einrichtung eines solchen Begleitsystems auf
der Ebene des Schulbezirks sein. Ergänzend können
Im Rahmen des Modellprojekts: „ErzieherInnen
weitere Beratungs- und Unterstützungsformen
als ExpertenInnen für Sprachförderung (PEES)“
den Transfer der Ausbildungsinhalte stärken, zum
der Technischen Universität Dortmund ist ein
Beispiel Foren und Arbeitsgruppen für einen
Curriculum für einen weiterbildenden Aufbaubil-
kollegialen Erfahrungsaustausch oder die Ein-
dungsgang Sprachförderung an Fachschulen für
richtung von „Sprachlernkoordinatorinnen und
Sozialpädagogik entwickelt worden. Im Zentrum
-koordinatoren“ an Kindertageseinrichtungen
dieser Weiterbildung steht neben Sprachdiagnostik
und Schulen – wie etwa in Hamburg – bzw. von
und Sprachförderung auch interkulturelles Lernen.
47
B – Sprachliche Integration
Studierenden dieses Aufbaubildungsgangs wird
Gelegenheiten geboten, ihr Vorwissen in berufs-
ƒƒ Qualitätsstandards für die Zusammenarbeit von
Kindergarten und Grundschule und Evaluation.
spezifischen (didaktisch aufbereiteten) Situationen
zu erproben. Sie werden durch Lehrende begleitet
Weitere Informationen unter
und unterstützt, die ihnen ergänzendes Fachwissen
http://www.mk.niedersachsen.de
vermitteln und sie zur intensiven Reflexion anleiten.
Der Aufbaubildungsgang umfasst 600 Unterrichts-
Rheinland-Pfalz fördert die Weiterbildung von
stunden und wird berufsbegleitend angeboten.
Fachkräften für die frühkindliche Deutschförderung auf der Grundlage eines seit 2008 geltenden
Die für die inhaltliche Neuausrichtung der Erzie-
Qualitätsrahmens. Landesweit wurden rund
herinnen- und Erzieherausbildung erforderlichen
1 000 Expertinnen und Experten zu „Sprachför-
Ressourcen und Strukturen sollten durch die
derkräften“ weitergebildet und ein landesweites
Einstellung zusätzlichen Personals geschaffen
Netz von über 50 Weiterbildungsanbietern
werden. Diese Forderung greift auch der Koalitions-
geschaffen. Die Sprachförderkräfte werden im
vertrag der CDU / CSU – FDP-Regierungskoalition
Rahmen des Landesprogramms „Zukunftschance
auf. Um die Höhe zusätzlicher Finanzierung
Kinder – Bildung von Anfang an“ eingesetzt, in
im Rahmen zu halten sollte geprüft werden, welche
dem jährlich rund 18 000 Kinder zusätzlich zur
Strukturveränderungen notwendig sind bzw.
normalen Bildungs- und Erziehungsarbeit in den
ob und welche Bereiche wegfallen können, um neue
Kindergärten in ihrer Sprachentwicklung gefördert
Inhalte im Bereich sprachliche Bildung aufzu-
werden. Weitere Informationen sind unter
nehmen.
http://www.sprachfoerderkraefte.de/ abrufbar.
Um eine enge Zusammenarbeit zwischen Kinder-
ƒƒ Umsetzungshinweis: Aus-, Fort- und Weiterbildung
im Elementarbereich
67
tageseinrichtung und Grundschule bei der sprachlichen Bildung zu erreichen, sollten Konzepte und
Angebote der Aus-, Fort- und Weiterbildung, die
Angebote für gemeinsame Fortbildungen von
Sprachförderkompetenzen und Kompetenzen für den
Erzieherinnen und Erziehern, Lehrkräften und
Umgang mit mehrsprachigen Gruppen für Erziehe-
Sozialpädagoginnen und -pädagogen entwickelt
rinnen und Erzieher vermitteln, sollten insbesondere
werden.
umfassen:
ƒƒ Allgemeine Spracherziehung
dung“ des Landes Niedersachsen werden Fachkräfte
ƒƒ Spezifische Sprachbildung (insbesondere für
mehrsprachige Kinder)
aus Kindergärten und Grundschulen in folgenden
ƒƒ Kenntnisse über Erst- und Zweitsprachentwicklung
Bereichen gemeinsam weiterqualifiziert:
ƒƒ Kenntnisse über Schriftsprachvorläufer
Im Rahmen des Modellprojekts „Teams für Fortbil-
ƒƒ Kenntnisse über Sprachentwicklungsprobleme
ƒƒ Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses
von Bildung und Lernen,
ƒƒ Methoden der Sprachstandserfassung / diagnostische Fähigkeiten
ƒƒ Verfahren zur Beobachtung und Dokumentation
des Entwicklungsstands und der Lernentwicklung von Kindern in Kindergarten und
Grundschule,
ƒƒ Methoden der Sprachförderarbeit
ƒƒ Anleitung zur Einbeziehung von Eltern in die
sprachliche Bildung der Kinder
ƒƒ Interkulturelle Pädagogik
ƒƒ Planung und Umsetzung von Fördermaßnahmen auf der Grundlage der Ergebnisse von
Beobachtungsverfahren unter Berücksichtigung
der Lernfelder im Orientierungsplan und der
Kerncurricula,
Die Bundesagentur für Arbeit hat im Rahmen
ƒƒ Zusammenarbeit mit den Eltern,
Migrationshintergrund“ zusammen mit der
der „Gemeinsamen Initiative für die verbesserte
Arbeitsmarktintegration für Menschen mit
Integrationsbeauftragten der Bundesregierung
67 CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 60 f.
48
und dem BMAS eine Maßnahme zur Verbesserung
B – Sprachliche Integration
der Integrationschancen von arbeitslosem
Die Zahl der Hochschulstandorte, an denen Studien-
pädagogischem Betreuungspersonal entwickelt.
gänge Deutsch als Zweitsprache angeboten werden, ist
Die Teilnehmenden werden insbesondere in
nicht ausreichend, um die geforderten Pflichtmodule
den Bereichen frühkindliche Sprachförderung,
für alle Lehramtsstudiengänge flächendeckend
interkulturelle Kompetenz sowie Kommunikation
anzubieten und den Bedarf an Fort- und Weiterbildun-
und Elternarbeit geschult. So sollen nicht nur
gen zu decken. Vor diesem Hintergrund muss zunächst
die Erhöhung der Integrationschancen von
die institutionelle Basis geschaffen werden, um
arbeitslosem pädagogischem Betreuungspersonal
die Aspekte Sprache und Interkulturalität stärker im
aufgrund der erworbenen Kompetenzen, sondern
Lehramtsstudium aufzunehmen. Die Entwicklung
auch die verbesserte Frühförderung von Kindern
einer netzgestützten und damit dezentralen Deutsch
mit Migrationshintergrund erreicht werden.
als Zweitsprache-Ausbildung mit Online- bzw. interaktiven Lernmaterialien kann die Teilnahme an Modulen
Studienfach „Deutsch als Zweitsprache“ stärker an
der Praxis orientieren
„Deutsch als Zweitsprache“ auch an Standorten ermöglichen, die keinen solchen Schwerpunkt haben.
Die Inhalte des Faches Deutsch als Zweitsprache
sollten sich stark an den Erfordernissen der Praxis
Im Rahmen des Modellprojekts „FörMig online Durch-
orientieren. Forschung und Praxis des Lernens und
gängige Sprachförderung: Ein Qualifizierungsbau-
Lehrens von Deutsch als Zweitsprache sollten noch
stein für Lehrkräfte aller Fächer in der Sekundarstufe I“
stärker miteinander verzahnt werden.
entwickelt die Universität Hamburg aufbauend auf
den Erkenntnissen aus dem Modellprojekt „Förderung
Absolventinnen und Absolventen des Faches Deutsch
von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter-
als Zweit- bzw. Fremdsprache ist in der Regel eine
grund“ multimediale Qualifizierungsbausteine für die
reguläre Tätigkeit im Schuldienst nicht möglich (eine
Lehrkräftefortbildung zu den Themen durchgängige
Ausnahme bilden die deutschen Auslandsschulen). Sie
Sprachförderung und Umgang mit sprachlich hetero-
könnten jedoch verstärkt als Beraterinnen und Berater
genen Lerngruppen. Das Material wird in Kombination
für sprachliche Bildung in Bildungseinrichtungen –
von Präsenzlehrangeboten und Selbststudium flexibel
auch der Schule – eingesetzt werden, etwa zur Beglei-
einsetzbar sein. Das Projekt wird als Modellprojekt
tung der Umsetzung eines Konzepts durchgängiger
des bundesweiten Integrationsprogramms durch das
sprachlicher Bildung oder zur Weiterqualifizierung
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert.
des pädagogischen Personals. Dies sollte bereits
während der Ausbildung berücksichtigt werden.
Für die inhaltliche Neuausrichtung der Bachelorund Master-Studiengänge könnten die notwen-
Aus-, Fort- und Weiterbildung für die sprachliche
Bildung in allgemein- und berufsbildenden Schulen
umfassend gewährleisten
digen Ressourcen und Strukturen durch zusätzliche
Für Lehrkräfte aller Fachrichtungen, Schulformen
stellt werden. Um die Höhe zusätzlicher Finanzie-
und Schulstufen sollte ein Modul sprachliche Bildung
rung im Rahmen zu halten, sollte geprüft werden,
verpflichtend sein, das in die Vermittlung von
welche strukturellen Änderungen notwendig
Deutsch als Zweitsprache einführt und interkultu-
sind bzw. ob und welche Bereiche zugunsten
relle Kompetenzen sowie solche für den Umgang
neuer Inhalte der sprachlichen Bildung wegfallen
mit Mehrsprachigkeit umfasst. Die Akkreditierung
könnten.
Lehrkapazitäten und Finanzierung von Bildungsforschung zur Unterstützung der Länder bereitge-
neuer Bachelor- und Master-Studiengänge in allen
Lehramtsstudiengängen sollte an ein solches,
Um den hohen Bedarf an Weiterqualifizierung des
verpflichtendes Studienmodul gebunden sein, so wie
pädagogischen Personals kurz- bis mittelfristig zu
es etwa in Nordrhein-Westfalen der Fall ist. Besonders
decken, kann die Konzentration auf die Ausbil-
dringend notwendig ist die verstärkte Einführung
dung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
von Elementen der Didaktik des Deutschen als
und die Entwicklung von Online- bzw. interaktiver
Zweitsprache für die berufsbildenden Schulen.
Lernmaterialien hilfreich sein.
49
B – Sprachliche Integration
ƒƒ Umsetzungshinweis: Gesamtkonzept „Deutsch als
Zweitsprache / sprachliche Bildung“
Zur Erarbeitung von Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte
bzw. des pädagogischen Personals im Bereich sprachliche Bildung / Deutsch als Zweitsprache und eines ent-
ƒƒ Fähigkeit, die Mehrsprachigkeit von Schülerinnen
und Schülern als Potenzial wahrzunehmen und
zu fördern
ƒƒ Kenntnisse über die Bedeutung der familiären
bzw. außerschulischen Kommunikationspraxis
und die Fähigkeit, vor allem Eltern als Bildungspartner zu gewinnen
sprechenden Gesamtkonzepts sollten bestehende
Gremien wie etwa der Fachverband Deutsch als Fremd-
Die Angebote sollten mit der Praxis der Ausbildungs-,
sprache stärker genutzt werden. Gegebenenfalls kann
Berufs- und Arbeitswelt verknüpft werden. Hierzu
eine Arbeitsgruppe mit Beteiligung aller zentralen Ak-
sollten Fachkräfte aus der Praxis in die Konzipierung
teure eingerichtet werden. Das Bundesamt für Migration
von Fort- und Weiterbildungen einbezogen werden. Zur
und Flüchtlinge kann hierfür Unterstützung anbieten.
Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften können auch
die Erfahrungen der Studienkollegs an Hochschulen
ƒƒ Umsetzungshinweis: Inhalte und Praxisanbindung
der Aus-, Fort- und Weiterbildung für die schulische sprachliche Bildung
von Deutsch als Zweitsprache genutzt werden.
Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote zur sprach-
In Nordrhein-Westfalen sieht das Gesetz zur Neuge-
lichen Bildung sollten Fach(lehr)kräfte dafür sensibilisie-
staltung der Lehrerausbildung vor, dass alle Lehramts-
ren, dass die Vermittlung von fachlichen Inhalten mit
studierende Leistungen in „Deutsch für Schülerinnen
einem Eingehen auf die sprachlichen Fähigkeiten und die
und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte für alle
Mehrsprachigkeit der Kinder und Jugendlichen einher-
Lehrämter“ als eigenständiger Einheit erbringen
gehen muss. Inhalte von Studienmodulen für Lehramts-
müssen. Die Technische Universität Dortmund sowie
studierende bzw. Weiterbildungsangeboten sollten je
die Universitäten Duisburg / Essen und Köln haben
nach Intensität und Dauer insbesondere sein:
gemeinsam mit der Stiftung Mercator ein Modul
ƒƒ Kenntnisse über Zweitsprachenerwerbstheorien
„Deutsch als Zweitsprache“ für die Lehrerbildung
ƒƒ Methodisch-didaktische Aspekte der Vermittlung
des Deutschen in heterogenen Lerngruppen, die
Kenntnisse über grammatische Besonderheiten der
deutschen Sprache einschließen
entwickelt, das die Anforderungen des Gesetzes
ƒƒ Kenntnisse über Prinzipien zur Sprachaneignung,
nach Alter und Lernsituation differenziert
umsetzt und neben der wissenschaftlichen Ausbildung auch einen praktischen Anwendungsbereich als
Förderlehrkraft vorsieht. Das Modul gliedert
sich in ein Grundlagenmodul für die Bachelor-Phase
ƒƒ Kenntnisse über Prozesse, die den Spracherwerb
und das Sprachenlernen unterstützen
und einen Aufbauteil für die Master-Phase. Im
ƒƒ Diagnostische Fähigkeiten zur Feststellung
lernerspezifischer Entwicklungen
mehrsprachige und multikulturelle Lehrpraxis
ƒƒ Beispielhaft strukturelle Fremdsprachenkenntnisse
in Partnersprachen, um Fehlerdiagnosen zu erstellen,
Lernschwierigkeiten zu erkennen und individuelle
Sprachfördermaßnahmen einleiten zu können
sammenhang zwischen Erst- und Zweitsprache. In der
Bachelor-Modul werden die Studierenden auf die
vorbereitet und erhalten erste Einblicke in den ZuMasterphase sollen sie insbesondere darin geschult
werden, den Zusammenhang von fachlichem
ƒƒ Reflexion von Unterrichtskommunikation und
Kenntnisse im Umgang mit Binnendifferenzierung
im Unterricht
und sprachlichem Lernen zu durchdringen. Das
ƒƒ Kritische Auseinandersetzung mit den Einsatzmöglichkeiten von Materialien für Deutsch als
Zweitsprache- und den Fachunterricht
schulen des Landes zur Verfügung gestellt. Informa-
ƒƒ Interkulturelle Bildung
ƒƒ Weitere Schlüsselkompetenzen (zum Beispiel
Präsentationskompetenz, Moderationskompetenz, Organisationskompetenz, Empathie,
Kooperationsfähigkeit, Reflexionsfähigkeit,
Beratungskompetenz)
50
mit der Gestaltung von Fachunterricht für Lernende
Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes
Nordrhein-Westfalen hat das Modul allen Hochtionen zum Modul sind unter http://www.mercatorfoerderunterricht.de erhältlich.
Qualität der Aus-, Fort- und Weiterbildung „Deutsch
als Zweitsprache“ sicherstellen
Länder, Hochschulen und Fachverbände (und gegebenenfalls weitere Akteure) sollten gemeinsam ein-
B – Sprachliche Integration
heitliche Standards bzw. Qualitätskriterien für die
Ausbildung im Bereich Deutsch als Zweitsprache
entwickeln und umsetzen. Diese können als Grundlage
für eine weitere Ausdifferenzierung von Studien- und
ƒƒ Förderung der Sprachbewusstheit bei Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen
ƒƒ Erfassen sprachlicher Kenntnisse der Lernenden
und didaktisch-methodische Umsetzung
Ausbildungsangeboten dienen. Verbunden damit sollte
Sowie insbesondere für den Bereich der beruflichen
die Einführung eines zentralen Qualitätsmanage-
Bildung:
ments in der Ausbildung des pädagogischen Personals
ƒƒ Interkulturelle Kompetenz als Qualifikation, wo
für die jeweilige Berufsausbildung relevant
bzw. der Lehrkräfte durch die Hochschulen sein.
ƒƒ Didaktik des Lesens von Fachtexten
Instrumente der Qualitätsentwicklung und -sicherung
für den Unterricht von Deutsch als Zweitsprache
sollten in Fortbildungen an bereits tätige pädagogische
Fachkräfte bzw. Lehrkräfte vermittelt werden. Entsprechende Angebote sollten gemeinsam durch Hochschulen und Träger konzipiert und angeboten werden.
ƒƒ Intensive Kommunikation und Kooperation
zwischen Schule und Betrieb
ƒƒ (Neue) Kommunikationsformen und -regeln im
Betrieb / am Arbeitsplatz
Transparenz und Information sicherstellen
Bereits bestehende Aus-, Fort- und Weiterbildungsƒƒ Umsetzungshinweis: Qualitätsentwicklung
angebote sollten transparent und systematisch
Qualitätskriterien bzw. Standards für Aus-, Fort- und
gebündelt der Fachöffentlichkeit zugänglich
Weiterbildungen im Bereich Deutsch als Zweitsprache
gemacht werden. Bisherige Erfahrungen von
sollten die Aspekte Service-, Produkt- und Programm-
Modellprojekten sollten systematisch ausgewertet
qualität einschließen. Qualitätsmerkmal sollte dabei
und für den Transfer aufbereitet werden.
auch eine enge Verbindung von Forschung und Praxis
sein. Um neu zu entwickelnde Standards für Studien-
Es sollten regionale „Sprachzentren“ eingerichtet
gänge bzw. -module „Deutsch als Zweitsprache“ auf
werden, in denen Fortbildung und Materialent-
eine breite Basis zu stellen, sollten bei ihrer Erarbeitung
wicklung, Vernetzung zwischen den Trägern von
Hochschulinstitute für Deutsch als Zweitsprache
Ausbildungsangeboten und Schulen, Migrantenor-
beteiligt sein, ebenso die Sprach- und Trägerverbände
ganisationen sowie anderen Akteuren sprachlicher
und die Länder.
Bildung koordiniert und angeboten werden.
Didaktische Materialien entwickeln
ƒƒ Umsetzungshinweis: Informationsangebot
Es müssen hochschuldidaktische Materialien entwickelt
Hilfreich kann in diesem Zusammenhang die
werden, die das Thema für alle Richtungen und Ziel-
Entwicklung eines Online-Informationssystems sein,
gruppen des Deutschunterrichts und des Fachunter-
das von den Deutsch als Zweitsprache-Instituten
richts aufbereiten. Auch für Fort- und Weiterbildungs-
der Universitäten bzw. von Weiterbildungsträgern
maßnahmen muss didaktisches Material für die
befüllt wird und perspektivisch auch als Lern- und
einzelnen Einsatzfelder entwickelt werden. In die
Studienplattform bzw. als Forum für Expertinnen
Materialentwicklung sollten auch die Erfahrungen
und Experten, Praktikerinnen und Praktikern
von Kammern und Berufsverbänden eingehen, insbe-
genutzt werden kann (gegebenenfalls unter Weiter-
sondere bei der Erstellung von Materialien für die
entwicklung bestehender Online-Angebote).
Weiterbildung von Ausbilderinnen und Ausbildern.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Didaktische Materialien
Pädagogisches Personal mit Migrationshintergrund:
Potenziale für die sprachliche Bildung nutzen
Didaktische Materialien für die unterschiedlichen
Pädagogisches Personal und Lehrkräfte mit Migrations-
Einsatzfelder der sprachlichen Bildung sollten sich
hintergrund können eine wichtige Rolle bei der
mit neu entstandenen Herausforderungen be-
interkulturellen Öffnung der Bildungseinrichtungen,
fassen wie:
der Zusammenarbeit mit zugewanderten Eltern
ƒƒ Mehrsprachigkeit in Lerngruppe, Klassenzimmer
und Betrieb
und der Wertschätzung und Förderung von Mehrsprachigkeit und der sprachlichen Bildung
51
B – Sprachliche Integration
spielen (vergleiche hierzu Kapitel C). Für bereits hier
ƒƒ Erstellung von Sprachprofilen
tätige zugewanderte pädagogische Fachkräfte
ƒƒ Mitarbeit an Sprachförderplänen in Abstimmung
mit dem Förderunterricht Deutsch
und Lehrkräfte, die bisher häufig ausschließlich im
herkunftssprachlichen Unterricht eingesetzt werden,
sind bedarfsorientierte Qualifizierungsangebote
notwendig, um einen breiteren Einsatz zu ermöglichen.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Bedarfsanalyse
Aufbauend auf einer Bedarfsanalyse müssen passgenaue
Angebote zur Nachqualifizierung entwickelt werden,
die eine qualifizierte Tätigkeit im Bildungssystem bzw.
im Bereich der sprachlichen Bildung ermöglichen. Die
Kompetenzen mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte
sollten für ein breiteres Tätigkeitsfeld im Bereich (sprachliche) Bildung erschlossen werden). In der deutschen
ƒƒ Gestaltung eines an der Mehrsprachigkeit der
Kinder orientierten Herkunftssprachenunterrichts
ƒƒ Beratung und Kontakt zu Eltern, Schullaufbahnberatung, Übergangsentscheidungen;
ƒƒ Tätigkeit als interkulturelle Mittler bzw. Berater
für die Kindertageseinrichtungen, Schulen und
Elternhaus
ƒƒ Tätigkeit als Weiterbildner in der (beruflichen)
Jugend- und Erwachsenenbildung
ƒƒ Planung und Durchführung interkultureller
Projekte sowie
ƒƒ Zusammenarbeit mit Partnerschulen im
Ausland.
Sprache gut qualifizierte herkunftssprachliche
Lehrkräfte sollten für den Einsatz im Bereich Deutsch
Forschungsdesiderate
als Zweitsprache weitergebildet werden, insbesondere
Verstärkte Forschung ist notwendig zur Entwick-
zugewanderte Lehrkräfte, die im Ausland Deutsch
lung von Anforderungsprofilen in der Aus-,
als Fremdsprache studiert bzw. unterrichtet haben.
Fort- und Weiterbildung sowie zu der Frage, wie
diese Qualifizierungsangebote zu einer veränderten
ƒƒ Umsetzungshinweis: Einsatzbereiche für pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Bereich (sprachliche) Bildung
Praxis der Pädagogik und sprachlichen Bildung
führen können. Forschung sollte auch im Bereich
Deutsch als Zweitsprache verstärkt werden:
Die folgenden Bereiche können unter anderem für
Aufbauend auf den Erfahrungen thematisch rele-
den Einsatz von mehrsprachigen pädagogischen
vanter Graduiertenkollegs sollte ein solches spezi-
Fachkräften erschlossen werden:
fisch zur Thematik sprachliche Bildung eingerichtet
ƒƒ Sprachstandsfeststellungen und Sprachfeststellungsprüfungen in Herkunftssprachen;
werden. Dies kann im Verbund mehrerer Hochschulen geschehen.
2.2 Grundlegende Deutschkenntnisse
vermitteln: Der Integrationskurs
Bis Ende 2004 war die Deutschförderung für Auslän-
längerfristiger Aufenthaltsperspektive. Zugelassen
derinnen und Ausländer einerseits und Spätaussiedle-
werden können auch Migrantinnen und Migranten,
rinnen bzw. Spätaussiedler andererseits in verschie-
die schon seit längerer Zeit in Deutschland leben.
dene Angebote getrennt und lag in der Zuständigkeit
Die Zuständigkeit für die Umsetzung der Inte-
mehrerer Bundesministerien. Mit den durch das
grationskurse liegt beim Bundesamt für Migration
Aufenthaltsgesetz am 1.1.2005 eingeführten bundes-
und Flüchtlinge, das für die Durchführung vor Ort
einheitlichen Integrationskursen für alle Zugewan-
private und öffentliche Träger beauftragt.
derten wurde die sprachliche Grundförderung in einer
Zuständigkeit gebündelt. Damit wurde der Tatsache
Ein Integrationskurs besteht aus einem Sprach- und
Rechnung getragen, dass Sprachbedarfe von Zugewan-
einem Orientierungskurs. Der Sprachkurs ist in einen
derten unabhängig von deren Rechtsstatus sind.
jeweils 300-stündigen Basis- und Aufbausprachkurs
gegliedert. Ziel ist es, die Teilnehmerinnen und
Der Integrationskurs richtet sich in erster Linie
Teilnehmer in 600 Unterrichtsstunden à 45 Minuten
an Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer mit
bis zum Sprachniveau B1 entsprechend dem Gemein-
52
B – Sprachliche Integration
samen Europäischen Referenzrahmen (GER) zu
Lehrkräfte, die im Integrationskurs unterrichten
führen. Kenntnisse auf dieser Niveaustufe befähigen
wollen, werden vom Bundesamt für Migration und
dazu, alle wichtigen Alltagssituationen ohne die
Flüchtlinge nach standardisierten Kriterien zuge-
Hilfe Dritter sprachlich zu bewältigen. Neben dem
lassen. Um eine solche Zulassung zu erhalten, müssen
allgemeinen Integrationskurs gibt es auch Integra-
sie über ein abgeschlossenes Studium Deutsch als
tionskurse für spezielle Zielgruppen mit bis zu 945
Fremd- oder Zweitsprache verfügen. Falls sie nicht
Unterrichtsstunden:
über diese Qualifikation verfügen, müssen sie an
ƒƒ Jugendintegrationskurse für junge Erwachsene,
die auf ihren späteren beruflichen Lebensweg
vorbereitet werden sollen
ƒƒ Elternintegrationskurse, für Mütter und Väter, die
ein besonderes Interesse an Erziehung, Bildung
und Ausbildung ihrer Kinder haben
ƒƒ Frauenintegrationskurse für Frauen, die aus
religiösen oder kulturellen Gründen nicht am
allgemeinen Integrationskurs teilnehmen
können oder wollen
ƒƒ Alphabetisierungskurse für Zugewanderte, die
nicht ausreichend lesen und schreiben können
ƒƒ Förderkurse für bereits länger in Deutschland
lebende Migrantinnen und Migranten mit besonderem sprachpädagogischem Förderbedarf
einer vom Bund geförderten Zusatzqualifizierung für
Lehrkräfte in Integrationskursen teilnehmen. Je nach
Qualifikation und Unterrichtserfahrung der Lehrkräfte findet die Zusatzqualifizierung in verkürzter
(70 Unterrichtsstunden) oder unverkürzter Form (140
Unterrichtsstunden) statt. Die Zusatzqualifizierung
wird bundesweit von 19 vom Bundesamt akkreditierten Institutionen angeboten. Die Ausnahmeregelung, nach der Lehrkräfte im begründeten Einzelfall
auch ohne Vorliegen dieser Qualifikationen bzw.
Teilnahme an der Zusatzqualifizierung unterrichten
konnten, ist Ende 2009 ausgelaufen.
Für Lehrkräfte in Alphabetisierungs- und in Orientierungskursen gibt es zudem seit 2009 additive
Zusatzqualifizierungen für, die 80 bzw. 30 Unter-
Der Integrationskurs kann auch als Intensivkurs
richtsstunden umfassen. Diese Qualifizierungen
für Schnelllerner und Hochqualifizierte angeboten
können von den Lehrkräften besucht werden, wenn
werden. Der Sprachkurs umfasst hierbei 400, der
sie selbst einen Fortbildungsbedarf für sich festge-
Orientierungskurs 30 Unterrichtsstunden.
stellt haben; sie sind jedoch nicht verpflichtend.
Der Sprachkurs schließt mit der skalierten Sprach-
Entwicklungen seit 2005
prüfung „Deutsch-Test für Zuwanderer“ (DTZ) ab,
Das Bundesministerium des Innern hatte im Jahr
welcher die Sprachniveaus A2 und B1 abbildet. Wird
2005 die Firma Rambøll Management mit einer
trotz ordnungsgemäßer Teilnahme am Sprachkurs
externen Evaluation der Kurse beauftragt. Das
und am Abschlusstest das Ziel B1 nicht erreicht,
zentrale Ergebnis des Ende 2006 vorgelegten
besteht die Möglichkeit, 300 Unterrichtsstunden zu
Abschlussberichts lautete, dass sich das Integra-
wiederholen und den Test noch einmal abzulegen.
tionskurssystem etabliert und bewährt hat und
eine systematische und qualitativ hochwertige
Der 45-stündige Orientierungskurs findet nach dem
Förderung bietet. Es wurden jedoch auch Hinweise
Sprachkurs statt und hat zum Ziel, Grundkenntnisse
auf Möglichkeiten der Verbesserung des Systems
der Rechtsordnung, Geschichte und Kultur der
identifiziert, die in der Folge aufgegriffen wurden.
Bundesrepublik Deutschland zu vermitteln. Der
Weitere Veränderungen haben sich mit Inkraft-
Orientierungskurs besteht aus den drei Modulen
treten des Gesetzes zur Umsetzung von aufenthalts-
„Politik in der Demokratie“, „Geschichte und
und asylrechtlichen Richtlinien der Europäischen
Verantwortung“ sowie „Mensch und Gesellschaft“.
Union (Richtlinienumsetzungsgesetz) vom 28.
Teilnehmende, die sowohl den „Deutsch-Test für
August 2007 ergeben.
Zuwanderer“ als auch den Abschlusstest des Orientierungskurses bestehen, erhalten das „Zertifikat
So entstand eine Reihe von Neuregelungen und
Integrationskurs“, das einen erfolgreichen Besuch
Verbesserungen, u. a. die Erhöhung der Stun-
des Kurses bescheinigt.
denzahl bei den Integrationskursen für spezielle
53
B – Sprachliche Integration
Zielgruppen auf bis zu 945 Unterrichtsstunden,
zeigt, in welchen gesellschaftlichen Kontexten Mi-
die Einführung kostenloser Abschlusstests für alle
grantinnen und Migranten Deutsch nutzen
Teilnehmergruppen, die Möglichkeit, 300 Unter-
wollen bzw. müssen. Davon ausgehend werden
richtsstunden zu wiederholen sowie die Anhebung
maximal mögliche Lernziele detailliert beschrieben,
des teilnehmerbezogenen Stundensatzes von 2,05
den Niveaustufen A1, A2 und B1 des GER zuge-
auf 2,35 Euro.
ordnet und in die zwölf wichtigsten Lebensbereiche
von Migrantinnen und Migranten eingruppiert.
Parallel wurden die Integrationskurse auch inhaltlich-konzeptionell weiterentwickelt. Die
Um diese Lebensbereiche zu identifizieren und zu
überarbeitete Integrationskursverordnung, die
definieren, ging der Entwicklung des Rahmencur-
am 08. Dezember 2007 in Kraft trat, machte eine
riculums eine Recherche und Dokumentation
Aktualisierung der bis dahin bestehenden
hinsichtlich der Sprachbedarfe von Teilnehmenden
Konzepte für den allgemeinen und die speziellen
an Integrationskursen durch Befragung von Insti-
Integrationskurse erforderlich. Darüber hin-
tutionen, Kursträgern und Kursteilnehmerinnen
aus wurden zwei neue Konzepte für Intensiv- bzw.
und -teilnehmern durch die Ludwig-Maximilians-
Förderkurse entwickelt. Bis auf das neue Konzept für
Universität München voraus. Das Rahmencurri-
einen bundesweiten Förderkurs sind im Jahr 2009
culum und die Kurskonzepte stehen somit auf einer
alle neuen und überarbeiteten Konzepte in Kraft
stabilen wissenschaftlichen Basis.
getreten. Der Orientierungskurs findet seit 2008
auf der Grundlage eines bundesweit einheitlichen
Bilanz und Perspektiven
Curriculums statt.
Die Integrationskurse sind von drei längerfristigen
Trends geprägt:
Seit dem 1. Juli 2009 wird zum Abschluss des
Sprachkursteils des Integrationskurses die skalierte
Sprachprüfung „Deutsch-Test für Zuwanderer“
(DTZ) eingesetzt. Dieser Test unterscheidet sich von
der bis dahin eingesetzten Prüfung zum „Zertifikat
Deutsch“ in zwei wesentlichen Punkten:
ƒƒ Er bildet Sprachkenntnisse auf den beiden Sprachniveaus A2 und B1 des GER ab. Mit der alten
Prüfung zum „Zertifikat Deutsch“ konnte bisher
nur nachgewiesen werden, ob Sprachkenntnisse
mindestens auf dem Niveau B1 vorlagen oder
nicht.
ƒƒ Er richtet sich ausschließlich an in Deutschland
lebende zugewanderte Personen, während
die Prüfung zum „Zertifikat Deutsch“ auch an ein
internationales Publikum gerichtet war.
ƒƒ Nicht nur Neuzugewanderte, sondern gerade
auch Migrantinnen und Migranten, die schon
viele Jahre in Deutschland leben, zeigen ein
großes Interesse an den Kursen und absolvieren
sie freiwillig. Ihr Anteil beträgt über die Hälfte
aller Teilnehmenden.
ƒƒ Die Integrationskurse erreichen die wichtige Zielgruppe der Frauen: Ihr Anteil belief sich in den
vergangenen Jahren gleichbleibend auf rund zwei
Drittel.
ƒƒ Die Nachfrage nach Integrationskursen für
spezielle Zielgruppen steigt. Dennoch ist der
allgemeine Integrationskurs mit einem Anteil
von rund 60 Prozent an allen Integrationskursen nach wie vor die beliebteste Kursart.
Mit der durch die Integrationskurse eingeführten
Grundstruktur der Förderung von Deutsch als
2009 wurde auch der bundeseinheitliche Test zum
Zweitsprache wurde eine neue Qualität erreicht:
Orientierungskurs eingeführt.
Nicht mehr der Rechtsstatus der Migrantinnen und
Migranten bestimmt den Umfang und das Ziel der
Eine wichtige Grundlage für die inhaltlich-konzep-
Förderung, sondern allein ihr Bedarf, ausreichende
tionelle Weiterentwicklung der Integrationskurse
Deutschkenntnisse zu erwerben. Gut fünf Jahre
bildet das „Rahmencurriculum für Integrations-
nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zeigt
kurse – Deutsch als Zweitsprache“. Das Anfang 2008
sich, dass die Integrationskurse beachtliche Erfolge
veröffentlichte Rahmencurriculum wurde vom
erzielt haben. Mehr als 800 000 Personen haben
Goethe-Institut im Auftrag des BMI erarbeitet und
seit ihrer Einführung die Möglichkeit erhalten,
54
B – Sprachliche Integration
an einem Integrationskurs teilzunehmen. Bisher
Kursträger stärker zu entsprechen. Neben den oben
haben von ihnen etwa 600 000 Personen einen
skizzierten Veränderungen, die auf die Evaluation
von über 43 600 Integrationskursen bei rund
der Umsetzung der Integrationskurse zurückgehen,
1 500 Kursträgern im Bundesgebiet besucht oder
sind Empfehlungen zur Weiterentwicklung der
besuchen ihn gerade. Seit 2005 haben 55 Prozent
Kurse darüber hinaus auch in der Arbeitsgruppe
der Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmer
„Integrationskurse verbessern“ des Nationalen
in der Abschlussprüfung des Sprachteils des
Integrationsplan formuliert worden. Im Zentrum
Integrationskurses das B1-Niveau nachgewiesen,
stand hier eine stärkere Ausrichtung der Kurse auf
den Orientierungskurstest abgelegt und damit das
den Erfolg der Teilnehmenden.69
„Zertifikat Integrationskurs“ erhalten. Im Jahr 2009
hat der Bund 205 Millionen Euro zur Finanzierung
Eine kontinuierliche Qualitätssicherung und
von Integrationskursen zur Verfügung gestellt.
-entwicklung der Integrationskurse wird außerdem
durch die unter Leitung des BMI stehende Bewertungs-
Die Erfolgsbilanz der Integrationskurse gerade der
kommission garantiert, die den Integrationskurs
letzten zwei Jahre ist nicht nur auf die Änderung der
fachlich begleitet. Dieses Gremium, in dem Vertrete-
Rahmenbedingungen der Kurse zurückzuführen,
rinnen und Vertreter der Praxis, der Wissen-
sondern auch auf die inhaltliche Fortentwicklung
schaft, der Bundesregierung einschließlich ihrer
und Differenzierung, welche sich im weiter
Integrationsbeauftragten, des Bundesamts, der
oben beschriebenen Rahmencurriculum und in
Bundesländer sowie der kommunalen Spitzenver-
insgesamt sieben unterschiedlichen Kurskonzepten
bände zusammenarbeiten, entwickelt Verfahren der
widerspiegelt. Mit einer solchen Differenzierung
Qualitätskontrolle und optimiert das Konzept
wird den verschiedenen Bedarfen und Lebenslagen
des bundesweiten Integrationskurses. Es ist auch
von Zugewanderten Rechnung getragen. Dieser
zuständig für die Bewertung und Weiterentwicklung
Prozess zeigt, dass eine kontinuierliche Fortent-
der Lehrpläne und der Abschlusstests sowie der
wicklung von Angeboten der Integrationsförderung
Lehr- und Lernmittel. Darüber hinaus hat die Firma
maßgeblich dazu beiträgt, Angebote an den
Rambøll Management im Jahr 2009 im Auftrag des
Bedürfnissen der Zielgruppe zu orientieren und sie
Bundesamtes das Finanzierungssystem der Integrati-
damit erfolgreicher zu machen.
onskurse untersucht. Eine große Rolle spielten dabei
Ansätze zur Optimierung der Situation der Lehrkräfte.
Mit Blick auf die Stärkung der Nachhaltigkeit der
Integrationskurse führt das Bundesamt für Migration
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag
und Flüchtlinge seit 2007 ein Forschungsprojekt
auf weitere wichtige Schritte zur Optimierung der
zum „Integrationsverlauf von Integrationskursteil-
Integrationskurse verständigt.70 So sollen die Kurse
nehmern“ durch, mit dem die weitere Integration von
flexibilisiert sowie quantitativ und qualitativ auf-
Integrationskursteilnehmenden nach Abschluss
gewertet werden. Weitere Ziele bestehen darin, einen
des Kursbesuchs in einer Paneluntersuchung analy-
stärkeren inhaltlichen Bezug zum Arbeitsmarkt
siert wird.68
herzustellen und die Möglichkeit zu schaffen, die
Sprachkurse auch über das Niveau B1 hinaus weiter-
Weiterentwicklung der Integrationskurse
zuführen. Dies wird ebenfalls zu einer schnelleren
Seit seiner Einführung im Jahr 2005 ist der Integra-
Integration der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in
tionskurs mehrfach weiterentwickelt worden, um
das Berufsleben beitragen. Um diesen die Chance zu
den Bedürfnissen der Teilnehmenden und auch der
geben, mehr über die Funktionsweise des demo-
68 Siehe Rother, Nina (2008): Das Integrationspanel. Ergebnisse zur
Integration von Teilnehmern zu Beginn ihres Integrationskurses.
Working Paper 19 der Forschungsgruppe des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge, Nürnberg sowie (2009): Das Integrationspanel. Entwicklung von alltagsrelevanten Sprachfertigkeiten und Sprachkompetenzen der Integrationskursteilnehmer
während des Kurses. Working Paper 23 der Forschungsgruppe
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg.
69 Vgl. Bundesministerium des Innern (Hg.) (2006): Evaluation der
Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz. Abschlussbericht und Gutachten über Verbesserungspotenziale bei der
Umsetzung der Integrationskurse, Berlin sowie Presse- und
Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S.
15 f und S. 37 ff.
70 CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 75.
55
B – Sprachliche Integration
kratischen Rechtsstaates zu erfahren, soll der
der Integrationskurse gelegt. Im Zuge der Arbeiten
Orientierungskurs künftig 60 statt wie bisher 45
sind jedoch einzelne Empfehlungen entstanden,
Unterrichtseinheiten umfassen.
die einen Beitrag zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag dargestellten Schritte leisten können und
Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Aktivitäten
weitere Möglichkeiten zur Optimierung der Kurse
zur Weiterentwicklung der Integrationskurse
aufzeigen. Ausführliche Empfehlungen zum
wurde im Rahmen des bundesweiten Integrations-
Elternintegrationskurs als Angebot der Elternbildung
programms kein Schwerpunkt auf den Bereich
finden sich in Kapitel C.2.1.1.
Empfehlungen
Arbeitsmarktbezug stärken
Um den Integrationskurs vermehrt dazu zu nutzen,
am ESF-BAMF-Programm haben – für diese Perso-
die Teilnehmenden stärker auf die Anfor­derungen
nengruppe wird ein gesondertes Fördermodul zur
des Arbeitsmarktes vorzubereiten, bieten sich der
berufsbezogenen Sprachförderung angeboten.
allgemeine Integrationskurs, der Jugendintegrationskurs, der Förderkurs sowie der Intensivkurs an.
Nachhaltigkeit der Integrationskurse verbessern
Die Nachhaltigkeit der Lernergebnisse der Teil­
Integrationskursträger und Teilnehmende sollten
nehmerinnen und Teilnehmer der Integrations-
noch stärker bereits während der Kurse auf die
kurse soll künftig noch verbessert werden. Hierzu
berufsbezogenen Deutschkurse des ESF-BAMF-Pro-
sollte insbesondere eine stärkere Vernetzung
gramms aufmerksam gemacht werden. Bei Be-
der Kurse mit der Migrationsberatung und mit
darf sollten Teilnehmende direkt im Anschluss an
berufsbezogenen Maßnahmen erreicht und die
den Integrationskurs in einen berufsbezogenen
Abstimmung der jeweiligen Träger intensiviert
Deutschkurs im Rahmen des ESF-BAMF-Programms
werden. Ziel ist es, zwischen Abschluss des
vermittelt werden, der ihren individuellen
Integrationskurses und der Aufnahme einer wei-
Sprachständen und Qualifikationsbedürfnissen
teren Qualifizierung oder dem Eintritt in den
entspricht.
Beruf möglichst wenig Zeit vergehen zu lassen,
um Lernfortschritte zu halten.
In Hamburg wurde, gefördert durch Mittel des
ESF-Hamburg sowie durch Landesmittel, ein Projekt
Neue Medien nutzen
aufgelegt, das über aufsuchende Beratung in den
Der Einsatz von neuen Medien spielt im Rahmen
Integrationskursen für berufsbezogene Deutschkurse
der Wissens- und Kompetenzvermittlung eine
des ESF-BAMF-Programms werben und die Inte-
zunehmend wichtige Rolle. Dies gilt auch für den
grationskursabsolventinnen und -absolventen zur
Sprachunterricht. Ein Teil der Migrantinnen und
Teilnahme motivieren will. Darüber hinaus soll sicher-
Migranten, die einen Integrationskurs besuchen,
gestellt werden, dass allen, die zur Teilnahme an
muss den Umgang mit Computer, E-Mail und
einem Kurs des ESF-BAMF-Programms berechtigt sind,
Internet allerdings noch erlernen. In den Integra-
diese auch tatsächlich ermöglicht wird. Dies kann
tionskursen sollten daher – wo sinnvoll – sowohl
z. B. durch Informationen für und Vernetzung von
verstärkt Möglichkeiten der Sprachvermittlung
Unternehmern mit Migrationshintergrund erfolgen,
durch neue Medien genutzt als auch die dafür
für die die Organisation der Teilnahme ihrer Mitarbei-
notwendige Medienkompetenz entwickelt werden.
terinnen und Mitarbeiter an den Kursen übernommen
wird. Zum anderen sollen auch jene Personen zur
Jugendintegrationskurs ausbauen
Teilnahme an einer berufsbezogenen Sprachförder-
Die Jugendintegrationskurse sollten in der Fläche
maßnahme angeregt werden, die als Arbeitssuchende
verstärkt angeboten werden können, um jungen
ohne Leistungsbezug keine Teilnahmemöglichkeit
Menschen mit Migrationshintergrund den ortsnahen
56
B – Sprachliche Integration
Zugang zu einem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen
das Projekt „Starthilfen für Integrationskurse
Angebot zu ermöglichen. Dabei sollten auch die
an Hamburger Schulen, Kindertagesstätten und
besonderen Bedingungen im ländlichen Raum berück-
Einrichtungen der Elternbildung“ eingerichtet.
sichtigt werden, die ein Zustandekommen von Jugend-
Mit dem Verbundprojekt soll die Angebotsstruktur
integrationskursen häufig erschweren.
der Integrationskurse in Hamburg regional
verbessert und ausgebaut werden. Die beteiligten
Eltern verstärkt zur Teilnahme an Integrationskursen
motivieren
Träger der Integrationskurse schließen mit
Die Elternintegrationskurse bieten die Möglichkeit
Elternschulen Kooperationsvereinbarungen ab,
für Eltern mit Migrationshintergrund, Deutsch-
ermitteln gemeinsam den Sprachförderbedarf der
kenntnisse, Informationen über das Bildungssystem
Eltern, motivieren die Förderberechtigten zum
sowie zu erziehungsrelevanten Themen zu erhalten,
Deutschlernen, helfen bei der Antragstellung und
Kontakte zu Bildungseinrichtungen zu knüpfen
richten einen Integrationskurs ein. Die Kurse sollen
und sich mit anderen Eltern auszutauschen. Das An-
im vertrauten Umfeld der Kursteilnehmenden,
gebot der Elternintegrationskurse sollte daher
in der Nähe einer von den Kindern besuchten
noch bekannter gemacht werden, wie etwa durch die
Einrichtung oder, wenn möglich, in deren Räumen
Kampagne „Deutsch lernen – Deutschland kennen
stattfinden. Der erhöhte Organisations- und Koope-
lernen. Damit unsere Kinder bessere Chancen haben“,
rationsaufwand für das Zustandekommen eines
die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im
Integrationskurses auf Grundlage einer Koope-
Herbst 2009 durchgeführt hat (vgl. C.2.1.1).
rationsvereinbarung wird durch eine pauschale
interessierten Schulen, Kindertagesstätten oder
Aufwandsentschädigung in Höhe von 1 763 Euro pro
Es sollten vermehrt Elternintegrationskurse an den
Kurs aus Landesmitteln erstattet.
Kindertagesstätten oder Schulen der Kinder stattfinden, um den Eltern so aus erster Hand einen Einblick
Angebot für Hochqualifizierte attraktiver gestalten
in das deutsche Bildungssystem zu ermöglichen.
Die Rolle des Intensivkurses als „Katalysator“ für einen
schnellen Einstieg in das Berufsleben oder in ein
Um den Zugang zum Integrationskurs für Eltern
Studium für Hochqualifizierte und schnell Lernende
zu erleichtern, hat Hamburg im Dezember 2009
sollte zukünftig noch deutlicher sichtbar werden.
2.3 Sprachliche Bildung für Beruf und
berufliche Weiterbildung: Berufsbezogene Deutschförderung
weiterentwickeln
In Deutschland hat sich die Zahl der Tätigkeiten
beispielsweise im Lager-, im Verkaufs- oder im
drastisch reduziert, bei denen Deutschkenntnisse
Pflegebereich. In vielen Feldern sind in den letzten
keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Jahren durch die immer umfassenderen Qualitäts-
In nahezu allen Arbeitsbereichen sind heute unter-
sicherungs- und Dokumentationsanforderungen
schiedliche komplexe sprachlich-kommunikative
auch die Ansprüche an die schriftsprachlichen
Kompetenzen erforderlich, insbesondere für hoch
Fähigkeiten enorm gestiegen.71 Um erfolgreich
qualifizierte Tätigkeiten. Gute berufsbezogene
auf dem Arbeitsmarkt agieren zu können, sind
Deutschkenntnisse werden aber zunehmend auch
berufsbezogene Deutschkenntnisse somit ganz
bei solchen Tätigkeiten benötigt, die überwiegend
überwiegend unverzichtbar. Berufsbezogene
von niedrig qualifizierten sowie un- und angelernten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
ausgeübt werden. Dies gilt auch für Bereiche, die
früher nicht als ausgeprägt sprachintensiv galten,
71 Vgl. Grünhage-Monetti, Matilde (2009): Sprachlicher Bedarf
von Personen mit Deutsch als Zweitsprache in Betrieben.
Expertise im Auftrag des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge, Bonn, S. 59.
57
B – Sprachliche Integration
Deutschförderung bildet daher eine wichtige Säule
Menschen, bei denen berufsbezogene Deutsch-
der sprachlichen Bildung für Erwachsene.
kenntnisse zur (Re)Integration in den Arbeitsmarkt
beitragen sollen, sowie Berufstätige, die im Zuge
Erwerb und Ausbau berufssprachlicher und
der Fort- und Weiterbildung ihre berufsbezogenen
arbeitsplatzbezogener Deutschkenntnisse dienen
Deutschkenntnisse verbessern wollen bzw. müssen.
der Verbesserung der beruflichen Handlungs-
Berufsbezogene Deutsch­förderung richtet sich
fähigkeit und sind damit auch eine wichtige
daher insbesondere an Menschen in folgenden
Voraussetzung für die Teilhabe an beruflicher
Maßnahmen:
Weiterbildung. Insofern kann der berufsbezogene
Unterricht Deutsch als Zweitsprache auch ein
wichtiger Bestandteil der Personalentwicklung
sein. Vielen Unternehmen ist die Bedeutung
von Sprache und Kommunikation für den erfolgreichen Arbeitsablauf bewusst, Deutschkurse
ƒƒ Qualifizierungen im Rahmen des SGB II und III;
dazu gehören auch überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen für die Gruppe der U25 (unter 25
Jahre)
ƒƒ Innerbetriebliche Fortbildung
werden jedoch bisher selten als Instrumente der
Ein großer Teil der Angebote für Menschen mit
Personalentwicklung eingesetzt. In Betrieben,
Migrationshintergrund kann bis zum Jahr 2013
in denen z. B. aufgrund spezieller Anforderungen
durch das ESF-BAMF-Programm abgedeckt
besonderer Sprachförderbedarf besteht, sollten
werden. Die vom Europäischen Sozialfonds (ESF),
entsprechende Angebote geprüft werden. Sowohl
Programmteil „Qualifikation und Weiterbildung
Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können davon
für Personen mit Migrationshintergrund durch
profitieren, wenn Unternehmen ihre sprachlichen
berufsbezogene Maßnahmen, insbesondere berufs-
Anforderungen explizit formulieren und diese zur
bezogene Sprachkurse und Praktika“72 geförderten
Grundlage von Weiterbildungs­angeboten machen.
Kurse richten sich primär an Leistungsempfänger
Als mittel- oder langfristiges Ziel des berufsbezo-
nach SGB III und II sowie an Beschäftigte in
genen Deutschunterrichts kann auch der Erwerb
Betrieben. Für die Förderperiode 2007-2013 hat das
von formalen Berufsabschlüssen berücksichtigt
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
werden, gegebenenfalls auch die Anerkennung von
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit
Berufsabschlüssen aus dem Herkunftsland.
der Durchführung der Kurse beauftragt. Zielgruppe
des Programms sind alle nicht schulpflichtigen
In jedem Betrieb und jeder öffentlichen Institution
Personen mit Migrationshintergrund, die einer
gibt es kommunikative Regeln, welche die Beherr-
fachlichen und sprachlichen Qualifizierung für den
schung spezieller sprachlicher Register notwendig
ersten Arbeitsmarkt bedürfen. Die Kurse bestehen
machen. Darüber hinaus weisen jeder Beruf und
aus einem berufsbezogenen Deutschunterricht
jedes Berufsfeld – unabhängig vom jeweiligen
und Qualifizierungsteilen, welche je nach Bedarf
Betrieb – eigene Formen der Kommunikation auf.
der Lerngruppe Fachunterricht, Praktika und
Berufsbezogener Deutschunterricht muss vor diesem
Betriebsbesichtigungen umfassen können. Die
Hintergrund konkrete berufs(feld)- und arbeitsplatz-
maximale Gesamtförderdauer beträgt 730 Unter-
bezogene Inhalte sowie Kenntnisse über kommuni-
richtsstunden.
kative Regeln am Arbeitsplatz vermitteln. Dies macht
eine spezielle Didaktik und Methodik notwendig.
In Deutschland stehen von 2007 bis 2013 rund
Angebote müssen gegebenenfalls differenziert
330 Millionen Euro aus dem ESF zur Verfügung.
werden nach Arbeitsplatzbezogenheit, Berufs(feld)­
bezogenheit sowie Arbeitsmarktorientierung.
Berufsbezogener Deutschunterricht richtet sich an
verschiedene Zielgruppen. Zwei große Gruppen
mit unterschiedlichen Bedarfen und Lernzielen
sind dabei primär von Bedeutung: arbeitslose
58
72 Mit dem ESF werden von der EU Maßnahmen mit dem Ziel
gefördert, die Zugangschancen von Arbeitslosen zum
Arbeitsmarkt zu erhöhen, Arbeitslosigkeit zu vermeiden und
die Chancengleichheit aller beim Zugang zum Arbeitsmarkt
zu fördern. Im Rahmen des ESF legen Mitgliedstaaten und
Regionen ihre eigenen operationellen Programme vor, um auf
die Bedürfnisse vor Ort reagieren zu können. Zur Umsetzung
des ESF in Deutschland haben sowohl die Länder als auch der
Bund Programme erstellt.
B – Sprachliche Integration
Die Maßnahmen müssen zu 50 Prozent (alte
Deutschkurse im Anschluss an die Integrationskurse,
Bundesländer und Berlin) bzw. zu 25 Prozent (neue
aber auch für die Verbindung von Kursen im Rahmen
Bundesländern und ehemaliger Regierungsbezirk
des ESF-BAMF-Programms mit Maßnahmen der
Lüneburg) mit Leistungen nach SGB II oder III,
Bundesagentur für Arbeit oder der ARGEn oder
Sozialversicherungsbeiträgen, Ländermitteln,
Optionskommunen. Die folgenden Empfehlungen
kommunalen und privaten Mittel oder Eigenmit-
setzen an diesen Punkten an und wollen einen
teln der Träger kofinanziert werden. Förderfähig
Beitrag zur Weiterentwicklung und Systematisierung
sind nicht nur arbeitssuchende oder arbeitslose
der sprachlichen Bildung in Beruf und in beruflicher
Personen, sondern auch Menschen, die im Rahmen
Weiterbildung leisten.74
einer beruflichen Weiterqualifizierung berufsbegleitenden Deutschförderbedarf haben. Die ersten
Kurse haben Anfang 2009 begonnen. Auch im
Rahmen der ESF-Programme der Länder werden
2.3.1 Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals im Bereich berufsbezogene Deutsch­
förderung
unter anderem Angebote der berufsbezogenen
Deutschförderung finanziert. Sofern über das
In den Studiengängen Deutsch als Fremd- bzw.
Angebot des ESF-BAMF-Programms hinaus weitere
Zweitsprache spielt das Thema berufsbezogenes
berufsbezogene Deutschförderung im Rahmen
Deutsch bisher nur eine untergeordnete Rolle.
von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung
Die „Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Inte-
erforderlich ist, ist dies grundsätzlich möglich.
grationskursen“ des Bundesamtes für Migration
73
Bei den Inhalten solcher Weiterbildungsmaß-
und Flüchtlinge vermittelt bereits praktizierenden
nahmen müssen jedoch die beruflichen Inhalte
Lehrkräften zwar das notwendige Rüstzeug für
überwiegen.
den Umgang mit Menschen, die Deutsch als Zweitsprache lernen, jedoch steht das Thema berufsbe-
Mit der bundesweiten Implementierung des ESF-
zogenes Deutsch auch dort nicht im Mittelpunkt.
BAMF-Programms ist ein großer Schritt in Richtung
Im Rahmen des vom BMAS geförderten Netzwerks
einer umfassenden, einheitlichen und nachhal-
„Integration durch Qualifizierung – IQ“ finden unter
tigen Strategie zur Vermittlung berufsbezogener
der Regie der Koordinierungsstelle Berufsbezo-
Deutschkenntnisse unternommen worden, weitere
genes Deutsch seit 2005 regelmäßige Fortbildungen
Schritte müssen folgen. Dabei sollten, wo erfor-
für Kursleitende zu didaktisch-methodischen
derlich, auch Zielgruppen in den Blick genommen
Themen des berufsbezogenen Deutschunterrichts
werden, die bis dato nicht an Kursen des ESF-BAMF-
statt. Ziel ist es, Lehrkräften für Deutsch als Zweit-
Programms teilnehmen, weil es für sie keine
sprache Instrumente an die Hand zu geben, um den
unterstützenden Kofinanzierungsmöglichkeiten
Anforderungen im berufsbezogenen Deutschun-
gibt, insbesondere Arbeitssuchende ohne
terricht zu begegnen und damit die Qualität der
Leistungsbezug. In Hamburg etwa hat eine Daten-
Angebote zu gewährleisten. Das Fortbildungsan-
auswertung ergeben, dass rund 30 Prozent der
gebot richtet sich primär an das regionale Netzwerk
Klientinnen und Klienten von Integrationszentren
in Hamburg. Die stark zunehmende Nachfrage aus
bzw. Teilnehmenden von Integrationsprojekten in
dem gesamten Bundesgebiet dokumentiert jedoch
diese Zielgruppe fallen. Häufig handelt es sich um
den großen Weiterbildungsbedarf, der zu diesem
Frauen, deren Ehepartner berufstätig ist und die als
Thema bundesweit besteht.
Ehefrauen selbst keine Leistungsempfänger nach
SGB II oder III sind.
Berufsbezogenes Deutsch ist jedoch schon im
Fachunterricht präsent, da auch die Vermittlung
Auch das Zusammenspiel vorhandener Maßnahmen
sowie ihre Anschlussfähigkeit sollte untereinander
gestärkt werden. Dies gilt für berufsbezogene
73 Vgl. §§ 77 ff SGB III oder § 16 SGB II i.V. mit § 77, s. auch § 85 SGB III.
fachlicher Inhalte stets durch das Medium Sprache
74 In die Formulierung der Empfehlungen sind Ergebnisse der
Facharbeitskreise „Berufsbezogenes Deutsch“ und „Berufliche
Qualifizierung“ des vom Bundesministerium für Arbeit und
Soziales geförderten bundesweiten Netzwerks „IQ - Integration durch Qualifizierung“ eingeflossen.
59
B – Sprachliche Integration
geschieht. Teilweise werden der Fachunterricht bzw.
genen Sprachförderung zu erfüllen. Hierzu zählen
fachpraktische Maßnahmen durch berufsbe-
insbesondere:
zogenen Deutschunterricht ergänzt. So können
mehrere Personen für den Unterricht verantwortlich sein: auf der einen Seite die Deutsch- und auf
der anderen Seite die Fachlehrkräfte, hier insbesondere die Ausbilderinnen und Ausbilder in Betrieben
oder Weiterbildungsmaßnahmen sowie Lehrkräfte
in berufsbildenden Schulen.
Auch Fachlehrkräfte müssen auf die (deutsch)sprachlichen Probleme ihrer Teilnehmenden eingehen
können. Sie sind in der Regel jedoch nicht ausrei-
ƒƒ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Agenturen für Arbeit und Grundsicherungsstellen
ƒƒ Personalverantwortliche in Betrieben und öffentlichen Institutionen
ƒƒ Betriebs- und Personalräte
ƒƒ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kursträgern in der Konzeption und Umsetzung von
Maßnahmen
ƒƒ Personal von Migrations- und von Bildungs­
beratungsstellen
chend qualifiziert, um mit der spezifischen Lernsituation sprachlich heterogener Gruppen umzugehen.
Erste Ansätze hierzu sind bereits vorhanden. So ist
Häufig werden fachliche Defizite diagnostiziert, die
etwa die Beachtung der Bedürfnisse unterschied-
in Wirklichkeit auf (deutsch)sprachliche Verständnis-
licher Kundengruppen als Anforderung an die Mitar-
schwierigkeiten zurückgehen.
beiterinnen und Mitarbeiter der Agenturen für Arbeit
im Kompetenzmodell der Bundesagentur für Arbeit
Nicht zuletzt benötigen auch Personen, die an der
definiert. Darüber hinaus verfügt die Bundesagentur
Konzeption und Planung von Qualifizierungs-
über ein Konzept zur Vermittlung von Diversity-
oder Deutschfördermaßnahmen beteiligt sind, so-
Kompetenz in der Aus- und Fortbildung der Integra-
wie diejenigen, die Personen mit Deutsch als
tionsfachkräfte: Die Bundesagentur verfolgt damit
Zweitsprache beraten und in Kurse vermitteln, eine
eine Doppelstrategie mit einer Ausrichtung einerseits
Sensibilität für die berufsbezogenen Sprachförder-
auf die Belegschaft und andererseits auf die Kunden-
bedarfe der Kundinnen und Kunden einerseits und
orientierung. Die Inhalte des Diversity Managements
die sprachlichen Anforderungen im Berufsleben
sind Bestandteil des Qualifizierungsangebots und die
andererseits, um ihre jeweiligen Aufgaben im
Vermittlung von Diversity-Kompetenz ist in Ausbil-
Rahmen der Arbeitsvermittlung oder Konzipierung
dung und Qualifizierung der Beschäftigten und in die
und Betreuung von Angeboten der berufsbezo-
Führungskräftequalifizierung integriert.
Empfehlungen
Aus-, Fort- und Weiterbildung von Deutschlehr­
kräften sicherstellen
Die Studiengänge „Deutsch als Fremdsprache“ und
„Deutsch als Zweitsprache“ an den Hochschulen sollten
den berufsbezogenen Deutschunterricht zu einem
Studienschwerpunkt machen und den künftigen
Lehrkräften dabei insbesondere folgendes Rüstzeug an
die Hand geben:
ƒƒ Kenntnisse über berufsfeldübergreifende Kommunikationsstrukturen, -formen und Textsorten sowie die
Fähigkeit, diese zielgruppenspezifisch zu vermitteln
ƒƒ Kenntnisse der wichtigsten Lehrwerke im Bereich
berufsbezogenes Deutsch sowie die Fähigkeit,
60
diese zu bewerten und im Unterricht effektiv
einzusetzen
ƒƒ Fähigkeit zur Erstellung eigener Unterrichts­
materialien
ƒƒ Methoden zur Recherche in Betrieben zu deren
Kommunikationsstrukturen
Die Studiengänge für Deutsch als Fremd- und
Zweitsprache an deutschen Hochschulen sind in
der Regel polyvalent angelegt und vermitteln ihren
Absolventen zentrale Kompetenzen, die auch für
den Bereich der berufsbezogenen Zweitsprachen-
B – Sprachliche Integration
förderung relevant sind. Die folgenden Standorte
eingerichtet werden, das zu einer qualifizierten
berücksichtigen das Segment in ihren Studien-
Tätigkeit als Lehrkraft für berufsbezogenes Deutsch
gängen bereits jetzt mit spezifischen Angeboten:
befähigt. Dieses sollte durch spezielle Komponenten
ƒƒ Universität Bielefeld
Sowohl im Bachelor „Deutsch als Fremdsprache“
als auch im Master „Deutsch als Fremdsprache und
Germanistik“ gibt es Module, in denen regelmäßig
Lehrveranstaltungen zur Zweitsprachenförderung in der beruflichen Ausbildung und in der
beruflichen Weiterbildung von Erwachsenen
angeboten werden. Mit der Einrichtung einer
Professur mit Schwerpunkt Deutsch als Zweitsprache wurde dieses Segment deutlich gestärkt.
Mittelfristig wird der Bachelor-Studiengang unter
anderem im Hinblick auf eine stärkere Berücksichtigung von Deutsch als Zweitsprache umstrukturiert. Es ist geplant, den Studiengang in Zukunft als
Bachelor „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“
mit einer noch stärkeren Berücksichtigung der
beruflichen Zweitsprachenförderung anzubieten.
Darüber hinaus wird seit Juli 2009 im Rahmen
eines Drittmittelprojektes (EU-Programm XENOS)
die wissenschaftliche Begleitung eines Vorhabens
zur berufsbezogenen Zweitsprachenförderung
in einer Produktionsschule für Jugendliche und
junge Erwachsene durchgeführt.
ƒƒ Friedrich-Schiller-Universität Jena
Sowohl im Bachelor „Deutsch als Fremd- und
Zweitsprache“ als auch im Internationalen Master „Auslandsgermanistik – Deutsch als Fremdsprache – Deutsch als Zweitsprache“ werden
Module angeboten, die die berufsbezogene Zweitsprachenförderung thematisieren. Im Bachelor
ist dies das Modul „Deutsch als Zweitsprache
in Schule und Beruf“; im Master handelt es sich
um die Module „Fremdsprachen im Beruf
und Planungskompetenz“ und „Bildung und Ausbildung im Einwanderungsland Deutschland“.
Darüber hinaus werden am Institut für Auslandsgermanistik im Rahmen des vom Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge geförderten
Modellvorhabens „Sprachtraining für Fachunterricht und Beruf“ für Ausbildungsberufe in den
Berufsfeldern Pflege, Handel und Metall OnlineModule zur sprachlichen Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund entwickelt
(http://www.sprachtraining-beruf.de). (Siehe dazu
auch B.2.1.3)
ergänzt werden, die sich auf die lokalen oder
regionalen Gegebenheiten vor Ort beziehen.
Kompetenzen von Ausbilderinnen und Ausbildern /
Fachlehrerinnen und Fachlehrern für den Umgang
mit sprachlich heterogenen Gruppen schulen
Die neue Ausbildereignungsverordnung, die zum
1. August 2009 in Kraft getreten ist, berücksichtigt
die Anforderungen heterogener Lerngruppen. Die
gezielte Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache ist
dort nicht als explizite Aufgabe von Ausbilderinnen
und Ausbildern vorgesehen. Bei der Ausbildung von
Jugendlichen mit anderen Herkunftssprachen können
sie jedoch ebenso wie Fachlehrkräfte von spezifischen
Kompetenzen für den Umgang mit sprachlich
und kulturell heterogenen Lernergruppen profitieren.
Dies sind insbesondere:
ƒƒ Kenntnisse über die sprachlichen Bedarfe der
jeweiligen Lernergruppe
ƒƒ Sensibilisierung für die sprachlichen Hürden, die
bei der Vermittlung von Fachinhalten bestehen
könnten
ƒƒ Methodisch-didaktische Instrumente, um nichtmuttersprachlichen Personen Fachinhalte zu
vermitteln und das Verständnis dieser Inhalte zu
sichern
ƒƒ Sprachliche Entlastung von Fachtexten
Hierzu können in Zusammenarbeit von Forschung
und Praxis unter Berücksichtigung vorhandener
Ansätze Aus- und Weiterbildungsprogramme und
didaktisch-fachliche Handreichungen entwickelt
werden, die Ausbilderinnen und Ausbilder sowie
Fachlehrkräfte bei ihrer Arbeit unterstützen.
Um die sprachlichen Implikationen ihres fachlichen
Unterrichts zu reflektieren und diesen weiterzuentwickeln, sollten Fachlehrkräfte in einen intensiven
Austausch mit Deutschlehrkräften treten.
Das Amt für multikulturelle Angelegenheiten der
Wie bei der Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte
Stadt Frankfurt bietet Fortbildungen für Ausbilde-
in Integrationskursen sollte auch für den Bereich
rinnen / Ausbilder und Fachlehrkräfte an, die in
berufsbezogener Unterricht Deutsch als Zweit-
Weiterbildungsmaßnahmen tätig sind, die von der
sprache ein bundesweites Weiterbildungssystem
örtlichen Grundsicherungsstelle, der Rhein-Main-
61
B – Sprachliche Integration
Job-Center GmbH, finanziert werden. Es werden
lichen Schulen in Berlin erprobt. Finanziert wurde
zwei verschiedene Module angeboten:
das Projekt vom Berliner Senat sowie von der Europäischen Union. Mehr Informationen sind unter
Für Ausbilder und Fachlehrkräfte: Verbesserung
http://www.spas-berlin.de erhältlich
der sprachlichen Kommunikation mit Teilnehihrer Deutsch-Kompetenzen: Dieses Modul zielt
Institutionelle Akteure für sprachliche Bildung sensibilisieren
darauf ab, die Teilnehmenden so zu sensibilisieren,
Personal, das neben den Sprach- und Fachlehrkräften
dass sie fachliche Inhalte sprachlich bewusster
an der Förderung der beruflichen Integration von Per-
vermitteln können und ihre Sprache teilnehmer-
sonen mit Migrationshintergrund beteiligt ist, sollte
adäquat wählen, den Teilnehmenden aber auch
für die Themen berufsbezogenes Deutsch und Kom-
helfen können, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu
munikation mit Menschen mit Deutsch als Zweitsprache
verbessern. Im Mittelpunkt dieses Moduls steht
je nach Bedarf in unterschiedlicher Tiefe sensibilisiert
die mündliche Kommunikation.
werden. Entsprechende Maßnahmen zur Förderung
menden anderer Herkunftssprachen und Förderung
und Stärkung der Sensitivität der Mitarbeiterinnen
Für Fachlehrkräfte und alle, die Fachunterricht erteilen:
und Mitarbeiter sollten in Zusammenarbeit zwischen
„Fachtexte knacken“ – Fachtexte als besondere
Forschung und Praxis unter Berücksichtigung bereits
Herausforderung für Lernende nicht-deutscher Her-
vorhandener Ansätze entwickelt werden.
kunftssprachen: Im Rahmen dieses Moduls werden
die Schwierigkeiten thematisiert, welche die Teil-
Die Rhein-Main-Jobcenter GmbH in Frankfurt am Main
nehmenden damit haben, aus Fachtexten die Ausbil-
bietet seit 2005 zur Sensibilisierung der Mitarbeite-
dungsinhalte zu entnehmen. Lehrkräfte sollen in die
rinnen und Mitarbeiter regelmäßig praxisorientierte
Lage versetzt werden, typische sprachliche Strukturen
Qualifizierungen an. Dazu gehören neben flächen-
von Fachtexten zu erkennen und diese aufzulösen.
deckendem Trainings zu den Themen „Interkulturelle
Darüber hinaus sollen sie diese Bearbeitungsstrategien
Kompetenzen“, „Zuwanderungsgeschichte und recht-
an die Teilnehmenden weitergeben können. Weitere In-
liche Grundlagen“ sowie „Anerkennung im Ausland
formationen unter http://www.stadt-frankfurt.de/amka.
erworbener Abschlüsse“ auch halbtägige Fortbildungen
für die persönlichen Ansprechpartnerinnen und
Das 2009 beendete Modellprojekt „Integrierte
-partner sowie die Teamleitungen zu den Integrations-
Sprachförderung in Berufsvorbereitung, Berufs-
kursen und zum ESF-BAMF-Programm. Die Veranstal-
ausbildung, Jugendberufshilfe und Schule (SPAS)“
tungen werden vom Amt für multikulturelle Angelegen-
der Berliner Gesellschaft für berufsbildende
heiten der Stadt Frankfurt durchgeführt und vermittelt:
Maßnahmen e.V. (GFBM) hatte insbesondere die
Sprachförderung von Jugendlichen mit Migrations-
1.Leistungsrechtlich relevante Informationen über
hintergrund zum Ziel. Teilziele waren die Ent-
Förderprogramme im Bereich Deutsch als
wicklung von berufsfeldbezogenen Sprachförder-
Zweitsprache und detaillierte Darstellungen zu den
modulen sowie die Entwicklung und Evaluation
jeweils notwendigen Verwaltungsverfahren.
des Sprachstanderhebungsverfahren Texteasy 5.0
für Jugendliche im Übergang von der Schule in
den Beruf. Dies geschah – in Ergänzung zu vielen
2.Basisinformationen zu Zweitsprachenerwerb und
Alphabetisierung bzw. Zweitschrifterwerb.
anderen Sprachförderangeboten im Bereich
Deutsch als Zweitsprache – durch Integration von
Darüber hinaus sollen den Mitarbeiterinnen und
Sprachfördermodulen in den berufsvorbereitenden
Mitarbeitern relevante Entscheidungshilfen für
bzw. berufsausbildenden Fachunterricht (Integrierte
Qualifizierung und Vermittlung in Arbeit an die
Sprachförderung). Dazu wurden Module für
Hand gegeben werden.
unterschiedliche Berufsfelder wie etwa Gesundheit,
Körperpflege, Gastronomie, Handel, Büro oder
Weitere Informationen unter
Handwerk entwickelt und an verschiedenen beruf-
[email protected].
62
B – Sprachliche Integration
Die Vermittlungsfachkräfte in den Agenturen für
kontakte, Kontakte zu Kunden, die ebenfalls
Arbeit und den Grundsicherungsstellen sollten
einen Migrationshintergrund haben). Dies betrifft
Instrumente an die Hand bekommen, anhand
herkunftssprachliche Kenntnisse, aber auch
derer sie bei Kundinnen und Kunden fachlichen
interkulturelle Kompetenzen und Qualifikationen.
und sprachlichen Fortbildungsbedarf feststellen
Hierbei können Gewerkschaften und Arbeitge-
können. Zur Entwicklung solcher Instrumente
berverbände als Multiplikatoren auch künftig
kann das Know-how von Akteuren wie dem Fach-
eine wichtige Rolle spielen. So unterstützt z. B. die
arbeitskreis Berufsbezogenes Deutsch und von
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver-
Lehrstühlen mit Schwerpunkt berufsbezogenes
bände aktiv die weitere Verbreitung der „Charta der
Deutsch als Zweitsprache genutzt werden.
Vielfalt“ bei den Unternehmen in Deutschland.
Um eine bedarfsgerechte Vermittlung in (sprach-
Darüber hinaus sollten Personalverantwortliche als
liche) Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen,
auch Betriebs- bzw. Personalräte in die Lage versetzt
sollten die Bundesagentur für Arbeit und die
werden, fachliche und sprachliche Weiterbildungs-
Grundsicherungsstellen in Zukunft verstärkt auch
bedarfe von Menschen mit Migrationshintergrund
Leistungen von Personen in Anspruch nehmen,
zu erkennen und bei Bedarf mit geeigneten
die auf den Gebieten Deutsch als Zweitsprache
Maßnahmen decken zu können. Hierzu können in
kompetent sind.
Kooperation mit Universitätsinstituten für Deutsch
als Zweitsprache und Weiterbildungsträgern Fort-
Auch die Fach- und Führungskräfte, die in Agenturen
bildungsveranstaltungen durchgeführt werden.
für Arbeit, den Grundsicherungsstellen und den
Darüber hinaus sollten die Möglichkeiten, die das
regionalen Einkaufszentren für die Maßnahmepla-
ESF-BAMF-Programm für Beschäftigte in Betrieben
nung, den Maßnahmeeinkauf und die Vergabe von
bietet, noch bekannter gemacht werden.
Maßnahmen verantwortlich sind, sollten in der Lage
sein, die Bedarfe von Kundinnen und Kunden mit
Bildungsberatungsstellen informieren
Migrationshintergrund zu erfassen und bei Ausschrei-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bildungs-
bung und Vergabe angemessen zu berücksichtigen.
beratungsstellen müssen das Know-how erhalten,
Migrantinnen und Migranten eine fachlich
Personalverantwortliche sowie Personal- und Betriebsräte sensibilisieren fundierte Berufswegeberatung unter Einbezie-
Die Personalverantwortlichen sowie Personal-
als Zweitsprache zu bieten. Auch hierzu können
und Betriebsräte in Betrieben und öffentlichen Ins-
in Kooperation mit Universitätsinstituten für
titutionen sollten weiterhin für die Potenziale
Deutsch als Zweitsprache und Weiterbildungsträ-
sensibilisiert werden, die der Einsatz von Personen
gern Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt
mit Migrationshintergrund bieten kann (Auslands-
werden.
hung des Aspektes berufsbezogenes Deutsch
2.3.2 Sprachbedarfsermittlung
Sprachbedarfsermittlung ist ein Instrument, um
bestimmte Berufsfelder und Arbeitsabläufe
die sprachlichen Anforderungen am Arbeits-
wichtig sind.
platz einerseits und die individuellen Sprachbedürfnisse der Beschäftigten mit Deutsch als
Sprachbedarfsermittlung stellt die Grundlage für
Zweitsprache andererseits festzustellen.
(standardisierte) Kurs- und Materialentwicklungen
Befragungen, teilnehmende Beobachtungen im
dar. Mit ihr kann sich das Aufgabenspektrum
Betrieb sowie das Sammeln von Fachtexten und
von Deutschlehrkräften erweitern. Dieses kann
Arbeitsanweisungen stellen Zugänge dar, um
neben der Tätigkeit im Unterrichtsraum auch
zu identifizieren, welche sprachlichen Mittel für
die Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit
63
B – Sprachliche Integration
Betrieben und anderen relevanten Institutionen
beispielsweise der betrieblichen Weiterbildung,
sowie darauf aufbauend Kurs- und Materialentwick-
der Forschung und der begleitenden Evaluation
lung, aber auch Zusammenarbeit mit Fachleuten
umfassen.
Empfehlungen
Sprachliche Anforderungen und sprachliche Bildung
in Betrieben erfassen
Institute für Deutsch als Zweitsprache und Träger
Schulungspraxis. Diese basieren auf Interviews
von Angeboten berufsbezogener Deutschförderung
mit Führungskräften und Mitarbeitenden in
sollten sich als kompetente Partner für Betriebe und
Betrieben mit hohem Anteil an Beschäftigten mit
deren Beschäftigte anbieten. Vonseiten der Wissen-
Migrationshintergrund. Ein weiteres Produkt
schaft können Unterstützungsangebote für Unter-
stellen die Ergebnisse der sprachdidaktischen
nehmen entwickelt werden, um gemeinsam mit ihnen
Analyse von authentischen innerbetrieblichen Ge-
sowie gegebenenfalls mit Kammern bzw. Berufs-
sprächen und schriftlichen Texten in den portrai-
verbänden und Gewerkschaften sprachliche Anforde-
tierten Betrieben dar.
rungen zu formulieren und aufbauend darauf
passende Weiterbildungsangebote zu entwickeln.
Schließlich wird ein Leitfaden Bildungsanbietern
und Betrieben ein praktisches Instrument zur
ƒƒ Umsetzungshinweis: Unterstützungsangebote
Ermittlung von objektivem Bedarf und subjektiven
Unterstützungsangebote für Betriebe können insbe-
Erwartungen und Bedürfnissen der Schlüssel-
sondere die Erstellung von Korpora umfassen, welche
akteure sowie zur Entwicklung und Evaluation
die im Arbeitsleben vor Ort üblichen Kommunikations-
von passenden Angeboten bieten.
strukturen darstellen und als Grundlage für die Entwicklung von Weiterbildungsangeboten dienen können.
Mehr Informationen sind beim erhältlich unter:
http://www.die-bonn.de
In dem Projekt „Deutsch am Arbeitsplatz:
Grundlage einer organisationsbezogenen Zweit-
Sprachbedarf als Grundlage für Förderangebote
durchgängig ermitteln
sprachenförderung“ dokumentiert und analysiert
Sprachbedarfsermittlung ist für den Aufbau und die
die Studiengruppe „Deutsch am Arbeitsplatz“
Planung von berufsbezogenem Unterricht Deutsch
Kommunikation am Arbeitsplatz unter Berücksich-
als Zweitsprache essenziell. Daher muss sie sowohl
tigung betrieblicher Organisationsstrukturen und
vor als auch während des Kurses integraler Bestand-
Inhalte sowie im Hinblick auf die Zweitsprachför-
teil der Planung und Entwicklung sein.
Untersuchung zur Kommunikation im Betrieb als
derung von beschäftigten bzw. arbeitssuchenden
Migrantinnen und Migranten. Die Studiengruppe
Für die Praxiseinbindung sowohl in der Vorphase
wird von der Volkswagen Stiftung gefördert und
der Sprachbedarfsermittlung als auch während
vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung
bzw. im Anschluss der Maßnahmen ist eine konti-
geleitet. Sie besteht aus Expertinnen und Experten
nuierliche Zusammenarbeit zwischen Betrieben
aus Wissenschaft (Friedrich-Schiller-Universität
und Sprachkursträgern bzw. Beschäftigungs- und
Jena und Institut für Gesprächsforschung,
Weiterbildungsträgern wichtig.
Mannheim) und Praxis (VHS Braunschweig und
Ottakring sowie Henkel KGaA). Die Ergebnisse
werden in einer Online-Publikation veröffentlicht.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Instrumente der Sprachbedarfsermittlung
Für die Entwicklung von Sprachkursangeboten im
Eine Reihe von Firmenportraits illustrieren die
Zuge von beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildungs-
dortigen kommunikativen Anforderungen und die
angeboten sollten Unterrichtshospitationen in den
64
B – Sprachliche Integration
jeweiligen Qualifizierungsmaßnahmen stattfinden,
darfserhebung und Schulungen für Kurskonzipie-
Fachliteratur gesichtet werden sowie die Ausbilde-
rende entwickelt werden.
rinnen/Ausbilder oder Fachlehrkräfte zu den sprachlichen Anforderungen, die ihre Teilnehmenden zu
Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung hat im
bewältigen haben, befragt werden. Gleiches gilt
Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
für Kursangebote im Umfeld von Ausbildungen
eine Expertise über den sprachlichen Bedarf von Per-
und Berufsschulunterricht im Rahmen des Dualen
sonen mit Deutsch als Zweitsprache in Betrieben
Systems.
erstellt. Die empirische Untersuchung erfasst spezifische
Merkmale sprachlicher Kommunikation am Arbeits-
Für die Entwicklung von innerbetrieblichen Kurs-
platz sowie hebt den Zusammenhang zwischen Organi-
angeboten sollten Befragungen von Kolleginnen
sation der Arbeit(swelt) und Kommunikation hervor.
und Kollegen und Vorgesetzten zu den sprachlichen
Gezeigt wird, wie eine integrationsfördernde Sprach-
Anforderungen an den jeweiligen Arbeitsplätzen
didaktik die konkrete Arbeits- und Kommunikations-
stattfinden. Darüber hinaus sollten die relevanten
wirklichkeit in Unternehmen ermitteln und analy-
schriftlichen Unterlagen (Schichtpläne, Sicherheits-
sieren kann, um daraus Angebote zu entwickeln, die
bestimmungen etc.) gesichtet werden.
die Teilhabe an der Kommunikation am Arbeitsplatz
ermöglichen. Die Expertise mündet in konkreten
Vorhandene Ansätze berücksichtigen
Handlungsempfehlungen für Akteure, die im Bereich
Bereits vorhandene Arbeitsansätze im Bereich Sprach-
innerbetriebliche Weiterbildung für Personen mit
bedarfsermittlung sollten gesichtet, dokumentiert
Deutsch als Zweitsprache tätig sind. Sie ist auf den
und bewertet werden. Dafür sollten substanzielle
Internet-Seiten des Bundesamtes für Migration und
Kriterienkataloge und Arbeitsinstrumente für die Be-
Flüchtlinge als Download erhältlich.
2.3.3 Feststellung der Deutschkenntnisse
Grundlegende Voraussetzung für die Passgenauig-
Zwar gibt es grundsätzliche Leitlinien, die zur
keit einer Maßnahme ist eine qualitativ hoch-
Entwicklung von Instrumenten zur Feststel-
wertige Feststellung der berufsbezogenen Deutsch-
lung von Deutschkenntnissen dienen können,
kenntnisse der potenziellen Teilnehmenden im
doch besteht weiter die Notwendigkeit, detail-
Vorfeld. Es fehlt im deutschsprachigen Raum jedoch
lierte, zielgruppenspezifischere Prüfungen
an fundierten Qualitätskriterien für Sprachstands-
und Tests sowie die dazugehörigen Kriterien zu
feststellungen im Bereich berufsbezogenes Deutsch.
erarbeiten.
Empfehlungen
Deutschkenntnisse feststellen
Eine fachlich angemessene Feststellung der
Deutschkenntnissen neben dem Sprachniveau
Deutschkenntnisse für Leistungsbezieher nach
auch folgende Angaben erhoben werden:
SGB II und III, Personen am Übergang Schule Beruf, Berufstätige und Arbeitssuchende ohne
ƒƒ Lernerbiografie, insbesondere Deutschlernbiografie
Leistungsbezug muss sichergestellt werden.
ƒƒ Arbeitserfahrung im In- und Ausland
Um einen zielgruppenspezifischen Unterricht zu
ƒƒ Selbstlernpotenzial: Lernt der/die potenzielle Kursteilnehmende eigenständig zu Hause, wenn ja, wie
garantieren und auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen zu können,
sollten im Rahmen einer Feststellung von
ƒƒ Von den potenziellen Teilnehmenden selbst eingeschätzte sprachliche Bedarfe und Wünsche an einen
Kurs
65
B – Sprachliche Integration
Die Feststellung von Deutschkenntnissen sollte
und damit einhergehend die kommunikativen An-
folgende Ergebnisse hervorbringen:
forderungen am Arbeitsplatz in den letzten Jahren
ƒƒ Fachlich begründete Einschätzung für das
Erreichen eines für einen Beruf oder ein Berufsfeld notwendigen Deutsch-Niveaus
ƒƒ Vorschläge für entsprechende Schulungswege
dorthin
ƒƒ Fachlich begründete Einschätzung für die
sprachlich erfolgreiche Teilnahme an einer
Qualifizierungsmaßnahme bzw. Empfehlungen
zu deren Realisierung
radikal verändert: Die Arbeit wird heute von
modernen Maschinen erledigt, die der Bedienung
durch qualifiziertes Personal bedürfen. Die neuen
Formen der Arbeitsorganisation erfordern mehr
Kooperation und sprachliche Kommunikation: So
müssen etwa Störungen an Maschinen zügig gemeldet werden und die Beschreibung von Arbeitsprozessen ist für Audits und Qualitätssicherung unverzichtbar geworden. Des Weiteren profitieren verschiedene Arbeitsabläufe und das Betriebsklima davon,
Für Teilnehmende aus den Rechtskreisen SGB II /
wenn sich Mitarbeitende verschiedener ethnischer
SGB III bietet der Psychologische Dienst der
Gruppen untereinander verständigen können. Die
Bundesagentur für Arbeit einen standardisierten
Koordinierungsstelle wurde damit beauftragt,
Deutsch-Test an, welcher Hinweise zum aktuellen
ein individuell auf diesen Betrieb zugeschnittenes
allgemeinsprachlichen Niveau sowie Schlussfol-
Konzept zur sprachlichen und fachlichen Qualifizie-
gerungen zur weiteren Sprachförderung liefert.
rung der Mitarbeitenden zu entwickeln. Dazu waren
Ist eine generelle Eignungsaussage für eine
insbesondere folgende Schritte notwendig:
spezifische Weiterbildung gefragt, kann beim
Psychologischen Dienst eine psychologische
Begutachtung beantragt werden, die neben den
sprachlichen Eignungsvoraussetzungen auch
kognitive, schulische und motivationale Aspekte
von Eignung überprüft.
ƒƒ Ermittlung der Ziele und Interessen des Betriebes
ƒƒ Erhebung des konkreten Sprachbedarfs sowie der
individuellen Sprachbedürfnisse am Arbeitsplatz
ƒƒ Entwicklung eines passgenauen Unterrichtskonzepts und entsprechender Unterrichtsmodule
ƒƒ Entscheidungen darüber, welche Materialien und
Methoden eingesetzt werden sollten
Kriterien für Sprachstandsfeststellungen von Kenntnissen in berufsbezogenem Deutsch als Zweitsprache
entwickeln
ƒƒ Entwicklung von Materialien auf der Grundlage
der Sprachbedarfsanalyse
Bereits existierende Instrumente zur Feststellung
Der Kurs umfasste 100 Unterrichtseinheiten und wurde
von (berufsbezogenen) Deutschkenntnissen sollten
in der abschließenden Evaluation positiv bewertet.
gesichtet, dokumentiert und nach einheitlichen
Detaillierte Informationen unter: http://www.deutsch-
Kriterien bewertet werden. Als Ergebnis sollten in
am-arbeitsplatz.de/innerbetrieblich.html oder
einem zweiten Schritt ausführliche Kriterien für
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hg.):
ein qualitativ hochwertiges Verfahren zu entspre-
Deutsch als Zweitsprache, Heft 2/2007, S. 36 - 43.
chenden Sprachstandsfeststellungen entwickelt
und entsprechende Schulungen für Prüfungs- und
Forschungsdesiderate
Testkonzipierende angeboten werden.
Viele Indizien und erste Forschungsansätze sprechen
dafür, dass der Förderbedarf im Bereich berufsbezo-
Die „Koordinierungsstelle Berufsbezogenes
genes Deutsch von Migrantinnen und Migranten, die
Deutsch“ in Hamburg (Träger: die gemeinnützige
erst nach ihrer Ausbildung nach Deutschland einge-
Gesellschaft für Arbeit und Integration passage
wandert sind, nicht identisch ist mit demjenigen von
gGmbH) hat in den Jahren 2007 und 2008 einen
Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrations-
Deutschkurs für Angehörige eines norddeutschen
hintergrund, die überwiegend das deutsche Schul-
Produktionsbetriebes konzipiert, durchgeführt
system durchlaufen haben. Forschungsbedarf besteht
und evaluiert. In dem Betrieb arbeiten 400 Mit-
für letztere Zielgruppe sowohl für die Feststellung der
arbeitende aus 21 Nationen. Wie in vielen anderen
Deutschkenntnisse als auch für die Ausbildungs- und
Betrieben haben sich auch hier die Arbeitsweise
Unterrichtsgestaltung.
66
B – Sprachliche Integration
2.3.4 Koordinierung der Akteure und Angebote
berufsbezogener Deutschförderung
Jenseits der eigentlichen Unterrichtsinhalte und
deren Vermittlung ist der berufsbezogene Unterricht Deutsch als Zweitsprache in einen komplexen
Rahmen aus fachlichen, organisatorischen und
institutionellen Faktoren eingebunden:
ƒƒ Die Teilnehmenden haben unterschiedliche persönliche Voraussetzungen wie Sprachstand im
Deutschen, weitere Sprachen, fachliche Qualifikationen oder Alter
ƒƒ Fach- und Deutschunterricht werden in der Regel
von verschiedenen Trägern verantwortet
ƒƒ Die Teilnehmenden werden in unterschiedlichen
Rechtskreisen betreut (SGB II, SGB III) und/oder
bewegen sich in verschiedenen Institutionen
(Schule, Berufsschule, Betrieb). Sie unterliegen
damit verschiedenen Zuständigkeiten und
Förderbedingungen
ƒƒ Sowohl die Bedarfe der regionalen Arbeitsmärkte
als auch die Trägerlandschaft vor Ort sind sehr
unterschiedlich
ƒƒ Vor Ort ist eine große Bandbreite von Akteuren
involviert, insbesondere Agenturen für Arbeit und
Grundsicherungsstellen, Kommunen, Träger
(Sprachkursträger, Beschäftigungs- und Weiterbildungsträger) und Trägerkooperationen,
Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern,
Unternehmen, berufsbildende Schulen sowie
Regionalstellen bzw. ESF-Außendienstmitarbeiter
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist eine
enge Zusammenarbeit aller Akteure wichtig,
die mit der Förderung, Konzeption, Organisation
und Erteilung von berufsbezogenem Unterricht
Deutsch als Zweitsprache, Weiterqualifizierung oder
beidem gleichzeitig befasst sind. Aufgrund der
Vielfalt der Akteure und deren unterschiedlicher
Zuständigkeit sollte eine solche Zusammenarbeit
sowohl auf lokaler als auch auf Bundesebene
erfolgen.
Empfehlungen
Akteure und Angebote vor Ort koordinieren
Die berufsbezogenen sprachlichen Bildungsange-
Angebote sowie das Zusammenspiel der Akteure
bote sollten für Leistungsempfänger im SGB II
berufsbezogener Sprachförderung (Agentur
noch stärker an den regionalen Anforderungen des
für Arbeit bzw. Träger der Grundsicherung, Weiter-
Arbeitsmarktes ausgerichtet werden. Die Erfah-
bildungsträger etc.) in einem Referenzprozess
rungen der Kommunen auch aus angrenzenden
zur berufsbezogenen Deutschförderung dargestellt
Politikfeldern, wie z. B. der Kinder- und Jugendhilfe
werden.
und der Wirtschaftsförderung, sollten hierbei
stärker einbezogen werden.
Um die Zusammenarbeit im Bereich der berufsbezogenen Deutschförderung vor Ort zu unterstützen,
Während einer Maßnahme und im Anschluss daran,
sollte eine lokale oder regionale Koordinierungs-
aber auch während einer Ausbildung sollten die
stelle als Serviceleistung für die beteiligten Akteure
zuständigen Stellen ein Beratungsangebot für die Teil-
eingerichtet werden. Aufgaben einer solchen
nehmenden sicherstellen. Eine solche Beratung kann
Koordinierungsstelle sollten insbesondere sein:
fehlende berufliche und persönliche Netzwerke
kompensieren und trägt dazu bei, die persönliche und
berufliche Handlungskompetenz weiter zu fördern.
Um eine langfristige und zielorientierte Planung
und Steuerung individueller Integrationsprozesse vor
Ort zu ermöglichen, sollten sowohl auf lokaler als
auch auf regionaler Ebene die Zuständigkeiten und
ƒƒ Institutionelle Vernetzung der lokalen / regionalen Akteure
ƒƒ Organisation fachlichen Austauschs
ƒƒ Informationen über Fortbildungsmöglichkeiten,
gegebenenfalls Organisation und Durchführung
von Fortbildungen
ƒƒ Kontakt zur bundesweiten Fachstelle (siehe unten)
67
B – Sprachliche Integration
In der Koordinierungsstelle sollten Personen arbeiten,
die eine Qualifikation in den Bereichen Deutsch als
Zweitsprache und berufsbezogenes Deutsch sowie ein
ausreichendes Maß an interkultureller Kompetenz
aufweisen können.
ƒƒ Umsetzungshinweis: regionale Koordinierung
Vor Beginn einer regionalen Koordinierung sollten
die relevanten und lokal / regional spezifischen
Rahmenbedingungen für gelingende Kooperation
ƒƒ Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Kammern und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um berufsbezogene Deutschförderangebote in den Betrieben zu verankern
ƒƒ Entwicklung von Fortbildungen für Deutsch- und
Fachlehrkräfte sowie Ausbilderinnen und
Ausbilder und Information über bestehende
Angebote
ƒƒ Fachliche Beratung von Akteuren der beruflichen
Qualifizierung, zum Beispiel von Grundsicherungsträgern und Arbeitsagenturen
identifiziert werden. Wo eine Koordinierungsstelle
sinnvoller Weise angesiedelt werden sollte, muss jeweils
Informationen und Unterstützung erhalten Akteure
vor dem Hintergrund der Gegebenheiten, Interessen
der berufsbezogenen Deutschförderung (Kurs-
und Anforderungen vor Ort entschieden werden.
träger und Lehrkräfte sowie Unternehmen) bei der
Es gibt bereits unterschiedliche Modelle, in denen
Hamburger „Koordinierungsstelle Berufsbezogenes
einzelne Teilbereiche des hier in den Blick genommenen
Deutsch“. Die Koordinierungsstelle recherchiert
Feldes vernetzt und koordiniert werden, etwa auf
und bündelt Konzepte und Materialien zum berufs-
der Ebene der Kommune oder durch den Träger der
bezogenen Deutschunterricht, entwickelt innerbe-
Grundsicherung. Diese Modelle sollten evaluiert und
triebliche Weiterbildungen sowie Fortbildungen
weiterentwickelt werden.
für Multiplikatoren und begleitet den fachlichen
Austausch zwischen Praxis, Verwaltung und
Koordination und Information auf Bundesebene:
Bundesweite Fachstelle einrichten
Wissenschaft. In ihrem Internetangebot findet man
Zur fachlichen Unterstützung der Akteure der
Deutsch als Zweitsprache, Anregungen, Vorschläge
berufsbezogenen Deutschförderung vor Ort sollte
und Beispiele für die Unterrichts- und Kursplanung,
eine bundesweite Fachstelle eingerichtet werden,
Rezensionen von Lehrwerken, Termine für Fortbil-
deren Aufgaben insbesondere sein können:
dungen, Tagungsdokumentationen und Hinweise
ƒƒ Feststellung, für welche Zielgruppen Konzepte
weiterentwickelt werden müssen bzw. neue
Konzepte erforderlich sind
ƒƒ Systematische Dokumentation bereits vorhandener Projekte und Programme und Auswertung
mit Blick auf Transfermöglichkeiten
ƒƒ Informationen von Trägern und Teilnehmenden
zu Ausschreibungsverfahren des Bundes, der Länder
und der Kommunen im Rahmen der berufsbezogenen sprachlichen Bildung sowie zu Angeboten,
Inhalten etc. auf einer zentralen Seite im Internet
Materialien und Konzepte für berufsbezogene Kurse
auf aktuelle Tagungen, Informationen und Materialien zu innerbetrieblicher Weiterbildung „Deutsch
am Arbeitsplatz“ sowie ein Glossar zu wichtigen
Begriffen des berufsbezogenen Zweitsprachunterrichts. http://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de
Informationen für Träger und Teilnehmende zu
Ausschreibungsverfahren des Bundes, der Länder und
der Kommunen im Rahmen der berufsbezogenen
sprachlichen Bildung sowie zu Angeboten, Inhalten
etc. sollten auf einer zentralen Seite im Internet
ƒƒ Dokumentation und Auswertung erfolgreich
erprobter Konzepte und Aufbereitung der Ergebnisse für die (Fach)Öffentlichkeit im Rahmen einer
Datenbank mit Beispielen guter Praxis
gebündelt und leicht zugänglich dargestellt werden.
ƒƒ Beratung von Akteuren hinsichtlich ihrer Kurskonzepte
mit Beispielen guter Praxis. Hierzu könnte beispiels-
ƒƒ Information über Forschungsarbeiten und
-vorhaben
deutsch-am-arbeitsplatz.de erweitert werden, die im
ƒƒ Vernetzung und Erfahrungsaustausch der Koordinierungsstellen
rung“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales
68
Die Ergebnisse von bisherigen Programmen und
Projekten sollten der Fachöffentlichkeit zugänglich
gemacht werden, etwa im Rahmen einer Datenbank
weise die bereits bestehende Internetseite www.
Rahmen des Netzwerks „Integration durch Qualifizieund der Bundesagentur für Arbeit gefördert wird.
B – Sprachliche Integration
2.3.5 Qualitätsanforderungen an Kursträger
Sprachkursträger sowie Beschäftigungs- und
wurden Qualitätskriterien für Beschäftigungs-
Weiterbildungsträger sind für diejenigen Vorausset-
und Weiterbildungsträger etabliert. Qualitäts-
zungen für den Erfolg einer Maßnahme verantwort-
kriterien für Kursträger im Bereich Deutsch als
lich, die nicht individuell bei den Teilnehmenden
Zweitsprache finden sich in den Zulassungs-
liegen. Dies betrifft unter anderem folgende Punkte:
kriterien des Bundesamtes für Migration und
ƒƒ Zusammenarbeit mit Betrieben, Kammern,
Arbeitsagenturen und Grundsicherungsstellen
vor Ort sowie sonstigen relevanten Behörden
ƒƒ Fachliche Zusammenarbeit mit anderen Trägern
ƒƒ Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmenkonzepten
Flüchtlinge für Träger in Integrationskursen,
ebenso wie in den Bewertungskriterien für die
Auswahl der Trägerkooperationen im Rahmen des
ESF-BAMF-Programms. Darüber hinaus werden
im ESF-BAMF-Programm detaillierte Vor-OrtPrüfungen vorgenommen, die sowohl die verwaltungstechnische Umsetzung als auch die Unter-
ƒƒ Information und Beratung der Kursteilnehmenden vor, während und nach der Maßnahme
richtsqualität in den konkreten Kursen überprüfen,
ƒƒ Beschäftigung von Lehr- und Verwaltungskräften
und durch anonyme Teilnehmerbefragungen.
ƒƒ Beratung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern
unter anderem durch Unterrichtsbeobachtungen
Verbindliche allgemeingültige Anforderungen für
Träger, die Sprachkurse und Weiterqualifizierung
Im Rahmen der durch die Bundesagentur für
miteinander verbinden, gibt es jedoch noch
Arbeit vorgegebenen Zertifizierung der Träger
nicht.
Empfehlungen
Zusammenarbeit mit anderen Akteuren fördern
Die Zusammenarbeit der Sprachkursträger mit anderen
Programms ein berufsbezogener Sprachkurs im
Akteuren vor Ort wie zum Beispiel den Grundsiche-
Bereich Lager und Logistik durchgeführt. Der Kurs
rungsstellen, den Ausländerämtern, den Regional-
war ein Projekt der Kooperationsgemeinschaft
stellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge,
„Arbeitskreis Sprache“ und wurde von der
den Jugendmigrationsdiensten bzw. Migrations-
Deutschen Angestellten Akademie (DAA) und dem
beratungsstellen für erwachsene Zuwanderer oder
Bildungszentrum Handel und der Dienstleistung
Weiterbildungs- und Qualifizierungsträgern sollte im
gGmbH veranstaltet.
Sinne der Teilnehmenden so gestaltet werden, dass
diesen rasch geeignete Maßnahmen angeboten werden
Das Kurskonzept war auf die örtlichen wirtschaft-
und die entsprechende Zuweisung ebenso schnell
lichen Strukturen ausgerichtet. Ein Internet-Versand
funktioniert. Diese Zusammenarbeit bildet auch ein
hatte geplant am Standort Bad Hersfeld mit einem
Bewertungskriterium im Antragsverfahren für
96 000 m2 großem Logistikzentrum zu expandieren
Einrichtungen, die als Kursträger im Rahmen des
und dafür 3 000 - 5 000 Arbeitsplätze zu schaffen.
ESF-BAMF-Programms tätig sein wollen.
Vor diesem Hintergrund wurde dieser Kurs
konzipiert und die Ausrichtung des Qualifizie-
Zur stärkeren Nutzung von Synergieeffekten und
rungsteils des ESF-BAMF-Kurses auf den Lager- und
Anschlussfähigkeit von Angeboten können Träger-
Logistikbereich gelegt. Da es sich beim Landkreis
kooperationen eingerichtet werden, um vor Ort das
Hersfeld-Rotenburg um eine Optionskommune
gesamte thematische Spektrum an berufsbezogenem
handelt, wurden die Teilnehmenden des Kurses
Deutsch und zur Weiterqualifizierung anzubieten.
alle durch den Fachdienst des Landkreises HersfeldRotenburg als ALG II-Leistende Stelle ausgewählt.
Im Landkreis Hersfeld-Rotenburg (Hessen)
Die Meldung, Teilnehmereinschätzung und Projekt-
wurde im Jahr 2009 im Rahmen des ESF-BAMF-
beschreibung sowie das anschließende Votum
69
B – Sprachliche Integration
durch den Leistungsträger lagen in einer Hand
fachlichen Anforderungen bei der Maßnahme-
und ermöglichten eine schnelle und zielgerichtete
planung berücksichtigen, Personal auswählen
Teilnehmerauswahl. Hervorzuheben ist vor allem
und weiterbilden sowie die (potenziellen) Teilneh-
die unbürokratische Abwicklung: Hierzu wurde
menden angemessen beraten kann.
durch die Optionskommune zur Vorsprache eingeladen, um dem Träger die Möglichkeit zu geben,
Zulassungskriterien weiterentwickeln
Teilnehmende einzuschätzen, um anschließend
Für den Bereich des ESF-BAMF-Programms für
ein direktes Votum durch die ARGE zum konkreten
berufsbezogene Deutschkurse sowie weitere in
Projekt zu erhalten.
Zukunft durch das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge oder andere Stellen ausgeschrie-
Die Maßnahme konnte bereits nach drei Monaten
bene Programme müssen Zulassungskriterien
erste Erfolge verzeichnen: Fünf Teilnehmende hatten
für Träger weiterentwickelt werden, die eine Durch-
bereits eine konkrete Zusicherung auf eine Festan-
führung anhand der zuvor beschriebenen Punkte
stellung bei dem Internet-Versand erhalten. Dies lag
gewährleistet. Dabei können unter anderem die
unter anderem daran, dass sich die Teilnehmenden
Erfahrungen genutzt werden, die bei den Vor-Ort-
während der Praktikumsphasen bewähren konnten.
Prüfungen des ESF-BAMF-Programms gemacht
werden.
Integration in den Arbeitsmarkt als Leitgedanke
implementieren
Qualität der Angebote sichern
Das Ziel, die Integration der Teilnehmenden in den
Für die Qualitätssicherung bei Trägern, die berufs-
Arbeitsmarkt zu erleichtern bzw. ihre Beschäftigung
bezogenen Deutschunterricht anbieten,
zu sichern, sollte sich als Leitgedanke in den Kurskon-
müssen zusätzliche Kriterien erarbeitet werden.
zepten berufsbezogener Sprachförderung wider-
Hierzu kann insbesondere das Know-how des
spiegeln, wie es auch im pädagogischen Konzept des
Facharbeitskreises Berufsbezogenes Deutsch des
ESF-BAMF-Programms der Fall ist. Ein weiteres
Netzwerks Integration durch Qualifizierung,
wichtiges Kriterium ist die Frage, wie sprachliche in
von Universitätsinstituten mit Schwerpunkt
fachliche Unterrichtsinhalte integriert oder wie diese
berufsbezogenes Deutsch als Zweitsprache und von
sinnvoll miteinander verbunden werden können.
Programmträgern, unter anderem des Bundesamts
für Migration und Flüchtlinge herangezogen
Lehrpersonal fortbilden
werden. Desgleichen sollte festgelegt werden, wie
Die in der Kurskonzeption formulierten Lernziele und
und durch wen diese Qualitätsanforderungen
Inhalte sollten didaktisch und methodisch professi-
überprüft werden sollen und wie das Personal für
onell umgesetzt werden. Daher sollte ein Kursträger
diese Aufgabe qualifiziert wird.
in seiner Maßnahme nur entsprechend qualifizierte
Lehrkräfte beschäftigen. Dem Lehrpersonal sollte bei
der Umsetzung der Angebote Handlungsspielraum
gegeben werden, um den konkreten Bedürfnissen der
Lernergruppen gerecht werden zu können.
Träger müssen ihre Lehrkräfte bei der Umsetzung
ihrer Aufgaben unterstützen, ihnen den Fachaustausch und fachliche Begleitung sowie entsprechende
kontinuierliche Fortbildung ermöglichen. Die
Unterrichtserfahrung der Lehrkräfte sollte in die Fortentwicklung der Curricula einbezogen werden.
Träger müssen auch in der Verwaltung entsprechend qualifiziertes Personal beschäftigen, das die
70
B – Sprachliche Integration
2.3.6 Rahmenbedingungen
Um diese Handlungsempfehlungen umsetzen zu
können, ist eine Reihe von Rahmenbedingungen
notwendig.
Empfehlungen
Weitere Zielgruppen mit Förderbedarfen berück-
sichtigen
Bei der Weiterentwicklung der Angebote berufsbe-
oft durch die Kursleitenden und ohne zusätzliche
zogener Deutschförderung in Deutschland sollten
Ressourcen übernommen werden, um die Grund-
die Förderbedarfe einzelner Zielgruppen in den Blick
lagen für einen Kurs zu schaffen.
genommen werden, die bis dato nicht zu den Teilnahmeberechtigten von Angeboten im Rahmen des
Eine regionale Koordinierungsstelle sollte finanziell
ESF-BAMF-Programms zählen. Dies betrifft ins-
und personell so ausgestattet sein, dass sie alle Hand-
besondere Arbeitssuchende ohne Leistungsbezug.
lungsbedarfe abdecken kann, die sich aus ihren Aufga-
Durch alternative Kofinanzierungsmodelle sollten
ben ergeben. Eine bundesweite Fachstelle sollte öffent-
Möglichkeiten gefunden werden, die ESF-BAMF-
lich finanziert werden, fachlich jedoch unabhängig sein.
Kurse auch für diese Gruppe zu öffnen.
Programmkonzeption erstellen
Zeitlichen Umfang von Maßnahmen im Bereich SGB II
und III angemessen planen
Bei der Konzeption von Programmen, der Vergabe
Die Maßnahmen sollten zeitlich so zugeschnitten
von Fördermitteln und der Ausschreibung von
sein, dass ein integrierendes Lernen mit hetero-
Projekten sollte beachtet werden, dass
genen Gruppen angemessen realisiert werden
ƒƒ Ansätze gefördert werden, die eine frühzeitige
Verzahnung mit der Praxis vorsehen
ƒƒ die Entwicklung qualitativ hochwertiger
Angebote zur Verbesserung der kommunikativen
Kompetenz von Arbeitnehmern und Arbeitssuchenden gefördert wird
ƒƒ eine enge Kooperation mit Unternehmen, Verbänden, Kammern und Gewerkschaften
erfolgt, um eine Anbindung von Angeboten an die
Bedarfe des Arbeitsmarkts sicherzustellen
kann. Dazu gehört insbesondere die Unterstützung
für Teilnehmende mit Deutsch als Zweitsprache.
Auch unterstützende Angebote wie weiterbildungsbegleitender Unterricht sollten nach Bedarf und
flexibel angeboten werden.
Lokale Gegebenheiten bei Vergabe berücksichtigen
Die Rahmenbedingungen für die Vergabe von
Aufträgen in der Weiterbildung sollten so gestaltet
werden, dass sie die Gegebenheiten vor Ort
angemessen berücksichtigen und eine qualitative
Finanzierung sicherstellen
Weiterentwicklung der Maßnahmen in Abstim-
Den (Weiterbildungs-)Einrichtungen sollten
mung mit den Auftraggebern möglich ist.
finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden,
die Weiterbildung ihres Personals sichern, wo
Berufliche Perspektiven für Sprach- und Fachlehrkräfte eröffnen
nötig Teamteaching finanzieren, den fachlichen
Deutsch- und Fachlehrkräften sollte die Möglichkeit
Austausch von Lehrkräften realisieren und eine
gegeben werden, eine berufliche Perspektive zu
angemessene Beratung der Teilnehmenden sicher-
entwickeln: Wo möglich, sollten auch sozialversi-
stellen können.
cherungspflichtige Beschäftigungsmöglichkeiten
damit sie den Unterricht angemessen gestalten,
geschaffen oder zumindest eine an bestehenden
Sprachbedarfserhebungen bedürfen einer geregel-
Tarifen orientierte Entlohnung ermöglicht werden,
ten Finnzierung. Gegenwärtig muss diese Aufgabe
die eine Mehrbelastung der Lehrkräfte durch den
71
B – Sprachliche Integration
zusätzlichen Aufwand (Bedarfsanalyse in Betrieben,
verbände und Universitätsinstitute mit Schwerpunkt
Netzwerkarbeit) ausgleicht. Die Bedingungen für
berufsbezogenes Deutsch in der Verantwortung.
die Deutsch- und Fachlehrkräfte sollten so gestaltet
Forschungsdesiderate
werden, dass
ƒƒ sich für sie eine dauerhafte Beschäftigung mit
einer beruflichen Perspektive ergibt,
ƒƒ ihnen eine der hohen professionellen Anforderung entsprechende finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung zuteilwird,
ƒƒ sie Verantwortung auf der Handlungs- und
Gestaltungsebene des Unterrichts übernehmen
können.
Verstärkte Forschung ist notwendig zur Erstellung bzw.
Weiterentwicklung von Korpora, die Kommunikationsstrukturen in Betrieben und Institutionen liefern,
zu Instrumenten der Sprachstandsanalyse / Lernerfolgsdokumentation berufsbezogener Deutschförderung sowie zur Evaluation und Wirkung von berufsbezogenen Sprachbildungskonzepten für erwachsene Menschen mit Migrationshintergrund.
Bereits vorhandene Projekte und Programme sollten
systematisch dokumentiert und mit Blick auf Transfer-
Standards hinsichtlich der Qualität erfordern auch
möglichkeiten ausgewertet werden, etwa die im
Standards hinsichtlich der Bezahlung; dies ist bei
Rahmen von EQUAL entwickelten und erprobten Maß-
der Erstellung der Haushalte angemessen zu berück-
nahmen zur beruflichen Orientierung und Sprachför-
sichtigen.
derung von Erwachsenen mit Migrationshintergrund.
Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen ent-
wickeln
Vertreter von Maßnahmeträgern sollten gemeinsam
Die Entwicklung von standardisierten Unterrichtsma-
Grundverständnis für das Feld der berufsbezogenen
terialien und Fortbildungsmodulen für Deutschlehr-
Förderung von Deutsch als Zweitsprache und Strate-
kräfte und bei Bedarf auch für Ausbilderinnen und
gien der Umsetzung in der Praxis entwickeln. Hierfür
Ausbilder sollte, wo immer möglich, vorangetrieben
können bereits bestehende Gremien wie etwa der Fach-
werden. Hier sind die Fachverlage, aber auch die Fach-
arbeitskreis Berufsbezogenes Deutsch genutzt werden.
mit Vertretern des Faches Deutsch als Zweitsprache ein
2.4Kompetenzen für die globalisierte
Welt: Mehrsprachigkeit fördern und
nutzen
In vielen Familien mit Migrationshintergrund wird
in deren Mittelpunkt die Frage steht, ob und in
auch oder sogar ausschließlich die Sprache des
welchem Umfang herkunftssprachlicher Unterricht
Herkunftslandes gesprochen. Der Spracherwerb von
durch öffentliche Mittel gefördert werden sollte.
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Die Befürworter argumentieren u. a., die deutsche
mit Migrationshintergrund in Deutschland ist deshalb
Sprache könne als Zweitsprache nur vollständig
vielfach von Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit geprägt.
erworben werden, wenn eine gute herkunfts-
Bereits im Jahr 2001 hat eine in Hamburg durchge-
sprachliche Basis vorhanden sei. Das frühe Lernen
führte Untersuchung ergeben, dass dort jedes dritte
mehrerer Sprachen fördere zudem die Sprach-
Kind im Grundschulalter mit einer weiteren Sprache
bewusstheit. Die Gegner staatlich finanzierten
als Deutsch aufwächst.
Herkunftssprachenunterrichts sehen eine gegen-
75
seitige positive Beeinflussung beim parallelen
Über die Rolle von Mehrsprachigkeit ist in den
Lernen zweier Sprachen dagegen nicht als nachge-
letzten Jahren eine intensive Fachdebatte entstanden,
wiesen. Wegen ihrer wichtigen Bedeutung für die
Integration in Schule, Beruf und Gesellschaft
75 Vgl. Fürstenau, S.; Gogolin, I; Yağmur, K. (Hg.) (2003): Mehrsprachigkeit in Hamburg. Ergebnisse einer Sprachenerhebung an den Grundschulen in Hamburg, Münster.
72
sei der Vermittlung der deutschen Sprache der Vorzug zu geben.
B – Sprachliche Integration
Die Priorität der Deutschförderung als staatliche
onshintergrund setzen die Länder unterschiedliche
Aufgabe war im Rahmen der Entwicklung des
Akzente. Im Nationalen Integrationsplan haben
bundesweiten Integrationsprogramms unum-
sie sich verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu
stritten. Vielmehr stand hier die Frage im Mittel-
identifizieren, die Mehrsprachigkeit im Schulalltag
punkt, welchen konkreten, ergänzenden Mehrwert
angemessen verankern.79 Die Lehrpläne bzw.
Mehrsprachigkeit für einzelne gesellschaftliche
Richtlinien für das Fach Deutsch als Zweitsprache
Bereiche – insbesondere für Ausbildung und Beruf
heben fast alle hervor, dass die Berücksichtigung
und letztlich für Deutschland als Wirtschafts-
der Migrantensprachen im Fach Deutsch als Zweit-
standort – bedeuten kann. Mehrsprachigkeit kann
sprache von Bedeutung ist. So heißt es beispiels-
zumeist jedoch nur dann umfassend auf dem
weise im bayerischen Lehrplan, der von Berlin,
Bildungs- und Berufsweg genutzt werden, wenn die
Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und
Herkunftssprache auf bildungssprachlichem
Thüringen übernommen wurde: „Die Erstsprache
Niveau beherrscht wird. Dies betrifft vor allem die
ist ein bedeutender Mittler zwischen den Lebens-
Schriftsprache. Die schriftliche Beherrschung der
welten Familie und Schule. Ihre Akzeptanz und ihre
Sprache des Herkunftslandes – die schriftliche
Präsenz im Unterricht fördern den Zweitspracher-
Bilingualität –, ist jedoch weitaus seltener als die
werb. Mehrsprachigkeit erhält in einem modernen
mündliche. Diskutiert wurden deshalb konkrete
Sprachunterricht eine besondere Bedeutung.“80 Die
Möglichkeiten, wie Herkunftssprachen für den Ein-
Kultusministerkonferenz der Länder weist in ihren
satz in Ausbildung und Beruf zielgerichtet ergänzend
Bildungsstandards für das Fach Deutsch in Haupt-
zum Deutschen gefördert werden können.
und Realschule darauf hin, dass Erfahrungen mit
Mehrsprachigkeit zu vertiefter Sprachkompetenz
Vorrangige Förderung des Deutscherwerbs und Wert-
und Sprachbewusstheit führen.81
schätzung bzw. Unterstützung von Mehrsprachigkeit
sind kein Widerspruch. Einzelne Bildungspläne der
Bei der Förderung von Herkunftssprachen verfol-
Länder für den Elementarbereich streben die För-
gen die Länder unterschiedliche Ansätze: In einigen
derung sowohl der deutschen, als auch der Herkunfts-
existiert seit den 1970er Jahren muttersprachlicher
sprache an. Zwei- bzw. mehrsprachige Fördermaß-
Ergänzungsunterricht, besonders in den Sprachen
nahmen wurden von einzelnen Ländern im Rahmen
der ehemaligen Anwerbestaaten der Bundesrepublik,
des Programms „FörMig“ erprobt.77 Angebote, die das
als freiwilliges Angebot unter staatlicher Schulauf-
mehrsprachige Potenzial von Kindern in Kindertages-
sicht, etwa in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz
einrichtungen fördern, werden zusätzlich von
oder dem Saarland. Dieser Unterricht wurde in
Kommunen getragen, häufig in Form von Mutter-
der Regel mit der Intention eingerichtet, eine
Kind-Programmen wie „Griffbereit“, „Rucksack“ oder
sprachliche „Brücke“ zum Herkunftsland (der Eltern)
„Koala“. Die Förderung des Deutschen wird hierbei
zu bilden. Diese Funktion des herkunftssprachlichen
mit der Förderung der Herkunftssprache gekoppelt,
Unterrichts steht heute nicht mehr im Mittelpunkt,
Lerninhalte werden in beiden Sprachen behandelt – zu
da bei den meisten Migrantinnen und Migranten
Hause in der Herkunftssprache und in der Kinderta-
keine Rückkehrabsicht mehr besteht. Im Zuge des
gesstätte im Deutschen.
verstärkten Engagements der Länder in der Deutsch-
76
78
förderung werden die für den muttersprachlichen
Bei der Anerkennung und Förderung der Herkunfts-
Ergänzungsunterricht aufgewendeten Mittel zum
sprachen der Kinder und Jugendlichen mit Migrati-
Teil in Maßnahmen zur Förderung von Deutschkenntnissen umgeleitet. In manchen Bundesländern
76 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 (Hg.):
Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht
mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Im Auftrag der
ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland / des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung. Bielefeld, S. 166.
77 http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de
78 Weitere Informationen zu diesen Programmen sind unter
http://www.raa.de abrufbar.
wird dieser Unterricht ergänzt oder ersetzt durch
79 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 26.
80Vgl. Reich et. al. 2008: a. a. O., S. 45.
81 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.) (2005):
a. a. O., S. 7 bzw. Dies. (2004): a. a. O., S. 7.
73
B – Sprachliche Integration
herkunftssprachlichen Unterricht, der von den
Auszubildenden in ihren künftigen Arbeitsbereichen
Herkunftsländern selbst finanziert wird (sogenannter
führen.“84 Angebote die darauf zielen, das Potenzial
Konsularunterricht). So unterstützt z. B. der italie-
von Mehrsprachigkeit für Ausbildung und Beruf
nische Staat die Förderung der Italienischkenntnisse
konkret nutzbar zu machen, sind bisher eher selten.
von Kindern und Jugendlichen mit italienischem
Zu nennen sind hier einzelne Initiativen von kom-
Migrationshintergrund in Deutschland. Die
munaler Seite, wie etwa Unterricht in Türkisch als
Lehrpläne für den Konsularunterricht liegen in der
zweite Fremdsprache, Türkeikunde und türkei-
Verantwortung der Kultusbehörden der Entsende-
spezifische Wirtschaftslehre für Schülerinnen und
länder, die auch die Lehrkräfte finanzieren.
Schüler mit türkischem Migrationshintergrund,
wie er beispielsweise an einem Kölner Berufskolleg
Die Länder eröffnen Kindern und Jugendlichen
angeboten wird.
zum Teil auch die Möglichkeit, Herkunftssprachen
als Wahlpflichtfach bzw. dritte Fremdsprache oder
Bei der Förderung einer gleichberechtigten Teilhabe
als Pflichtfremdsprache / zweite Fremdsprache
von Menschen mit Migrationshintergrund in allen
zu wählen – etwa in Nordrhein-Westfalen oder
Bereichen der Gesellschaft kann auch der Zugang zu
Thüringen. In Nordrhein-Westfalen gibt es
mehrsprachigen Dienstleistungen und Informati-
herkunftssprachlichen Unterricht in staatlicher
onen eine Rolle spielen, etwa im Gesundheitswesen
Verantwortung flächendeckend – fast 900
oder im Kundenkontakt von Verwaltungen.
Lehrerstellen werden dafür eingesetzt. Ab 2010 soll
Unterschiedliche Ansätze werden hier verfolgt, die
er in den weiterführenden Schulen schrittweise
von mehrsprachigen Broschüren bis zum Einsatz
in einen Fremdsprachenunterricht überführt
von Dolmetschern bzw. Sprach- und Kulturmittlern
werden. Niedersachsen hat ein am Gemeinsamen
reichen. Sie sind ein Beitrag zur interkulturellen
Europäischen Referenzrahmen für Sprachen
Öffnung der Gesellschaft.85 Ob und wie mehrspra-
orientiertes Kerncurriculum „Herkunftssprach-
chige Dienstleistungen und Informationen zur
licher Unterricht“ als Grundlage für den Unterricht
Verfügung gestellt werden, liegt dabei jeweils im
im Primarbereich geschaffen. In Deutschland gibt
Ermessen der zuständigen Stelle.
82
83
es außerdem etwa 600 Schulen mit bilingualem
Angebot, in denen neben Deutsch auch eine
Die folgenden Handlungsempfehlungen geben
Fremdsprache als Unterrichtssprache verwendet
Ansatzpunkte für eine Förderung der Mehrsprachig-
wird. Darunter sind auch einzelne Schulen, in
keit von Menschen mit einer anderen Erstsprache
denen der Unterricht in Deutsch sowie einer der
als Deutsch, ohne dabei die Priorität der Förderung der
Hauptherkunftssprachen der Menschen mit Migra-
Kenntnisse in der Bildungssprache Deutsch infrage
tionshintergrund abgehalten wird, etwa Türkisch,
zu stellen.
Russisch oder Italienisch.
Für Ausbildung und Beruf ist Deutsch die zentrale
Sprache, aber: „Die Mehrsprachigkeit der Jugendlichen …“, so die Länder in ihrem Beitrag zum
Nationalen Integrationsplan, „… gewinnt in der Phase
der Ausbildung eine besondere Bedeutung… und
sollte, wo immer dies möglich ist, berufsbezogen
weiterentwickelt werden und zu einer Stärkung der
82 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Erlass „Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte, insbesondere im Bereich
der Sprachen“ vom 21.12.2009 (http://www.schulministerium.
nrw.de/BP/Schulrecht/Erlasse/Herkunftssprache.pdf).
83 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2008): a. a. O., S. 125.
74
84Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 27.
85 Vgl. Meyer, Bernd (2008): Nutzung der Mehrsprachigkeit von
Menschen mit Migrationshintergrund: Berufsfelder mit besonderem Potenzial. Expertise im Auftrag des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge, Hamburg, S. 73.
B – Sprachliche Integration
Empfehlungen
Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen und
Schule fördern
Fremdsprachenangebote und herkunftssprachlichen
Unterricht an Schulen koppeln
Die Anerkennung und – wo möglich – Förderung
Die erste Fremdsprache in der Schule sollte grund-
der Mehrsprachigkeit der Kinder und Jugendlichen
sätzlich als Basis für das Erlernen weiterer Fremd-
sollte als Ziel im Programm von Bildungseinrich-
sprachen und für eine Erziehung zur Mehrspra-
tungen verankert werden. Das Bewusstsein für die
chigkeit konzipiert sein. Fremdsprachenunterricht
Vielfalt der vorhandenen Kulturen und Sprachen
sollte Sensibilisierung für andere Kulturen und
sollte bei Kindern und Jugendlichen gestärkt
Kompetenzen vermitteln, die für das Leben in
werden. Die sprachlichen Erfahrungen und Kompe-
interkulturellen mehrsprachigen Gesellschaften
tenzen mehrsprachig aufwachsender Kinder sollten
und für internationale Zusammenhänge wichtig
in Kindertageseinrichtungen und Schulen verstärkt
sind, wie Sprach-, Lern-, Transfer-, Sozial-, kommu-
für die interkulturelle Erziehung aller Kinder
nikative und interkulturelle Kompetenzen.
genutzt werden.
Das Fremdsprachenangebot an Schulen sollte sich
Um dies zu unterstützen, können Bildungseinrich-
auch an den unter der Bevölkerung mit Migra-
tungen Möglichkeiten sprachlicher Begegnung
tionshintergrund gesprochenen Sprachen orien-
und gemeinsamen Sprachenlernens schaffen, durch
tieren. Verbreitete Herkunftssprachen sollten
die auch Kinder und Jugendliche, die einsprachig
an Schulen unter Berücksichtigung der hierzu ge-
in der deutschen Sprache aufwachsen, die Vielfalt der
gebenenfalls notwendigen schulrechtlichen
Herkunftssprachen und -kulturen ihrer Mitschü-
Regelungen als Alternative zur 2. bzw. 3. Fremd-
lerinnen und Mitschüler kennenlernen können.
sprachen eingeführt werden – keinesfalls jedoch
Schulen sollten darüber hinaus auch Möglichkeiten
das Englische als für die Berufswelt zentrale
zum Erwerb bildungssprachlicher Herkunftsspra-
Sprache ersetzen.
chenkenntnisse bereithalten.
Herkunftssprachlicher Unterricht muss bestimmten
Wo möglich, sollten die Erst- und Zweitsprache mehr-
Qualitätsmerkmalen genügen, damit er sich
sprachiger Kinder füreinander fruchtbar gemacht
positiv auf die Sprachentwicklung bilingual lebender
werden, um einen kumulativen Aufbau sprachlicher
Kinder oder Jugendlicher auswirken kann. Um
Fähigkeiten zu ermöglichen, etwa durch zweispra-
dies zu erreichen sollten Curricula für herkunfts-
chige Alphabetisierungsprogramme.
sprachlichen Unterricht an den Europäischen
Referenzrahmen für Sprachen orientiert, mit den
ƒƒ Umsetzungshinweis: Einbeziehung der Mehrsprachigkeit aller Kinder / Mehrsprachigkeit im
Fachunterricht
Methoden modernen Sprachunterrichts und
individuellen Lernens unterrichtet sowie stärker
mit dem Regelunterricht verzahnt werden.
In Deutschland und im Ausland sind unterschiedliche Modelle zur Einbeziehung auch der einsprachig
In allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen
aufwachsenden Kinder und Jugendlichen in die
sollte der Erwerb berufsbezogener herkunfts-
Förderung der Mehrsprachigkeit erprobt worden.
sprachlicher Kenntnisse unterstützt werden. Bei
Gute Erfahrungen wurden beispielsweise mit
Schülerinnen und Schülern mit selteneren
bilingualen Grundschulen gemacht. Diese und
Herkunftssprachen können entsprechende An-
andere Ansätze sollten systematisch ausgewertet und
gebote schulübergreifend vorgehalten werden.
auf Transfermöglichkeiten hin untersucht werden.
Berufsbezogener herkunftssprachlicher Unterricht
Für den Umgang mit mehrsprachigen Lerngruppen
in berufsbildenden Schulen kann etwa in Form
im Fachunterricht in allgemeinbildenden und
von Wirtschaftstürkisch, Wirtschaftsrussisch etc.
berufsbildenden Schulen sollten Handreichungen
angeboten werden – einzelne berufliche Schulen
bzw. Leitfäden für die Lehrkräfte entwickelt werden
setzen dies schon ein, so gibt es beispielsweise
(auch online).
an einem Kölner Berufskolleg Wirtschaftstürkisch.
75
B – Sprachliche Integration
ƒƒ Umsetzungshinweis: Anerkennung herkunftssprachlicher Kenntnisse
rationen zwischen Bildungseinsrichtungen und
Eltern entstehen können. Eltern sollten besser
Leistungen in Herkunftssprachen, die an Schulen
über die Bedeutung und Potenziale umfassender
als Fremdsprachen angeboten werden, sollten zeug-
Kenntnisse der Herkunftssprache für ihre Kinder
nisrelevant sein, unter Berücksichtigung der hierzu
informiert werden.
gegebenenfalls notwendigen schulrechtlichen
Regelungen. Das Ablegen von Prüfungen in der
Migrantenorganisationen können eine wichtige Rolle
Herkunftssprache sollte, wo praktikabel, ermöglicht
bei der Förderung von Mehrsprachigkeit spielen,
werden. Zur Anerkennung von Kenntnissen in den
etwa bei der Information und Unterstützung der Eltern
Herkunftssprachen können auch bereits existie-
bei der herkunftssprachlichen Bildung ihrer Kinder.
rende Fremdsprachenzertifikate außerschulischer
Fachlich qualifizierte Aktivitäten von Migrantenorga-
Bildungseinrichtungen genutzt werden. Sinnvoll
nisationen im Bereich der bildungssprachlichen För-
wäre die Entwicklung eines bundesweit einheit-
derung der Herkunftssprachen sollten stärker unter-
lichen Vorgehens zur Möglichkeit des Ablegens von
stützt werden. Insbesondere sollten sie verstärkt in
Schulprüfungen in Herkunftssprachen und eine
Multiplikatorenausbildungen und Weiterqualifizie-
Verständigung hierzu auf der Ebene der Kultusmini-
rungen eingebunden bzw. als Träger solcher Angebote
sterien der Länder.
qualifiziert werden, etwa durch gezielte Beteiligung
an der Projektförderung zu diesem Thema.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Herkunftssprachlicher Unterricht
Information und Transparenz sicherstellen
Zur Förderung von Herkunftssprachen können unter-
Zur Dokumentation von Angeboten der Mehr-
richtsergänzende, herkunftssprachliche Lerngruppen
sprachigkeits- / Herkunftssprachenförderung sollte
eingerichtet werden. Für die Förderung einzelner,
eine Internetplattform mit Beispielen guter Praxis,
gegebenenfalls nicht so häufig gesprochener Herkunfts-
Arbeitsmaterialien etc. eingerichtet werden.
sprachen können Sprachenpatenschaften zum Bei-
Angeknüpft werden könnte hier beispielsweise an
spiel mit Migrantenorganisationen, Volkshochschulen,
das Angebot des deutschen Bildungsservers, das
Bildungseinrichtungen etc. geschlossen werden.
bereits umfangreiche Informationen zum Thema
Sprachförderung umfasst und sich in erster Linie an
Bedarf an Lehrkräften für den Unterricht der Herkunfts-
Personen in pädagogischen Berufen richtet.
sprachen besteht in der Grundschule in den Fächern
diese Sprachen wird in Deutschland bisher nur für
Mehrsprachigkeit in der Berufsausbildung nutzen
und fördern
die Sekundarstufen ausgebildet. Die Studienmöglich-
Europäische Kooperationen während der Ausbildung
keiten für das Lehramt für die Sprachen Türkisch,
und der Aufbau binationaler Ausbildungsgänge
Polnisch, Dari/Farsi, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch
mit Ausbildungsphasen im Ausland sollten verstärkt
sollten erweitert werden.
werden. Die bestehenden Möglichkeiten des Berufs-
Italienisch, Portugiesisch, Spanisch und Russisch. Für
bildungsgesetzes, Teile der Berufsausbildung im AusAkteure der Mehrsprachigkeitsförderung einbeziehen
land durchzuführen, sollten stärker bekanntge-
Ein Beitrag zur Förderung der Mehrsprachigkeit ist
gesetz).
macht und genutzt werden (§ 2 Abs. 3 Berufsbildungs-
die Stärkung der Eltern-Kind-Kommunikation
in Familien mit Migrationshintergrund. Eltern bzw.
Angebote der Berufsberatung sollten die besonderen
Familien sollten dabei unterstützt werden, den
Kompetenzprofile und Bedürfnisse von mehrspra-
Spracherwerb der Kinder in der Familiensprache zu
chigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen berück-
fördern und Sprechimpulse aktiver und bewusster
sichtigen. Hierzu sollten interkulturell qualifizierte
zu steuern. Hierfür sollten Angebote geschaffen
und möglichst mehrsprachige Beraterinnen und
bzw. breiter eingeführt und die strukturellen Voraus-
Berater aus dem Umfeld von Schule, Weiterbildung und
setzungen bereitgestellt werden, damit Koope-
Übergangsmanagement tätigen Einrichtungen
76
B – Sprachliche Integration
beteiligt werden. Für die Berufsberatung und die Ver-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter formuliert und
mittlerinnen und Vermittler der Grundsicherungs-
diese entsprechend fortgebildet werden.
stellen sollten Leitfäden entwickelt werden, die
Anleitung zur Berücksichtigung der besonderen Kompetenzprofile und Bedürfnisse dieser Zielgruppe geben.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Einsatz von mehrsprachigem
Personal in der Kranken- und Altenpflege
Eine wichtige Rolle werden Migrantensprachen
In Berufsfeldern, in denen Mehrsprachigkeit ein
zunehmend in der Kranken- und Altenpflege
besonderer Vorteil ist, sollten Ausbildungsbetriebe
spielen. Für diese Bereiche ist daher die vermehrte
von Kammern, Gewerkschaften und Arbeitgeber-
Rekrutierung bilingualer Fachkräfte wünschenswert.
verbänden gezielt hierüber informiert werden.
Türkisch und Russisch sind hierbei insbesondere von
Bedeutung. Medizinische Fachkräfte verfügen jedoch
Sprachbezogene Themen sollten – wo relevant – in Hin-
nicht notwendigerweise über das sprachliche Wissen,
blick auf die spätere Berufsausübung modular in
um in einer Sprache, die sie nur als Familiensprache
bestehende Ausbildungsgänge integriert oder als
gelernt haben und in der sie nicht beruflich ausge-
Zusatzqualifikation angeboten und als Qualifizierungs-
bildet wurden, komplexe medizinische Sachverhalte
merkmal durch Arbeitgeber anerkannt werden.
darzulegen. Es sollten daher fachsprachliche
Neben nicht-akademischen Berufsausbildungen sollten
Fortbildungen in den häufigsten Herkunftssprachen
hierzu auch Studiengänge auf- bzw. ausgebaut wer-
für den medizinischen Bereich angeboten werden, um
den, in denen Studierende ihre herkunftssprachlichen
Personal als „Kulturmittler“ für diesen Beruf fortzu-
Kompetenzen gezielt fachbezogen vertiefen können.
bilden. Es ist beim Einsatz von bilingualem Personal
als Übersetzer darauf zu achten, dass dieses nicht nur
Mehrsprachigkeit für den Arbeitsmarkt nutzen
über die sprachlichen, sondern auch über die jeweils
Bei Auswahlverfahren sollten Fähigkeiten und
erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt.
Stärken von Menschen mit Migrationshintergrund
wie Mehrsprachigkeit stärker nachgefragt werden.
Forschungsdesiderate
Im Zuge des „diversity managements“ sollte in
Verstärkte Forschung ist notwendig zu Sprachenbe-
Unternehmen das Bewusstsein für die „Ressource
schreibungen von Herkunftssprachen; zu Modellen
Mehrsprachigkeit“ gestärkt und fremdsprachliche
der Zweisprachigkeitsförderung – insbesondere
Bedarfe seitens der Unternehmen bei der Bewer-
zu Wirkungen bzw. Erfolgen bilingualer Schulmodelle
berauswahl und der Personalentwicklung stärker
sowie zu Sprachstandsfeststellungsverfahren
berücksichtigt werden.
unter Berücksichtigung der Fähigkeiten in der Erstsprache. Mit Blick auf die Nutzung von Mehr-
Die kommunikativen Anforderungen an Sprach-
sprachigkeit im Beruf ist verstärkte Forschung er-
mittlung in Berufsfeldern, die besondere Ein-
forderlich zu Ablauf und Umfang mehrsprachiger
satzmöglichkeiten für Herkunftssprachen bieten,
Kommunikation in Berufsfeldern, in denen Mehr-
müssen genauer untersucht werden.
sprachigkeit von Relevanz ist.
Alltagssprachliche Kenntnisse in der Herkunftssprache allein befähigen in den meisten Berufsfeldern
noch nicht in ausreichendem Maß zur Kommunikation mit Kunden / Klienten. Für den Einsatz mehrsprachiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
Berufsfeldern, in denen Dienstleistungen gegebenenfalls auch in ausgewählten Herkunftssprachen
bereit gehalten werden sollen, sollte deshalb nicht
auf „ad-hoc-Dolmetscher“ zurückgegriffen werden,
sondern qualitative Mindestanforderungen an
die sprachlichen Leistungen der mehrsprachigen
77
C – Bildung und Integration
C
Bildung und Integration
1. Schwerpunktthemen im
Handlungsfeld Bildung und
Integration
Bildung ist Voraussetzung für umfassende Teilhabe
Integrationsförderung heißt folglich vor allem:
jedes Einzelnen in der Gesellschaft. Bildungsangebote
Bildungsgerechtigkeit herstellen, Bildungsbenach-
richten sich an Menschen in jedem Lebensalter mit
teiligungen abbauen und gelingende Bildungs-
sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürf-
übergänge sichern. Dieser Aufgabe widmen sich
nissen. Diese Heterogenität ist eine große Herausfor-
zahlreiche Akteure auf Bundes-, Landes- und kommu-
derung für das Bildungssystem und die Aufgabe
naler Ebene, die mit unterschiedlichen Angeboten
der Integration durch Bildung. Weichen für gelingende
die Zielgruppen Kinder, Jugendliche, Erwachsene,
Integration werden bereits im frühen Kindesalter
Eltern und pädagogisches Fachpersonal ansprechen.
86
gestellt, für einen erfolgreichen Verlauf von Integrationsprozessen sind auch die Übergänge zwischen den
Eine ganz wichtige Rolle im Bildungsprozess von
einzelnen Bildungseinrichtungen von besonderer
Kindern und Jugendlichen spielen ihre Eltern. Insbe-
Relevanz. Die Bedeutung von Bildung für den Integra-
sondere Mütter haben in diesem Zusammenhang einen
tionsprozess beschränkt sich jedoch nicht nur auf den
großen Einfluss auf das Gelingen der Integration der
curricularen Bereich, auch außerschulische Kinder-
nächsten Generation. Es ist daher besonders wichtig,
und Jugendbildung und (berufliche) Weiterbildung
Eltern über das deutsche Bildungs- und Ausbildungssys-
sind von großer Bedeutung.
tem umfassend zu informieren.87 Viele Projekte –
einzelne auch mit größerer Reichweite – und ein hohes
Der Nationale Integrationsplan betont das Ziel einer
Engagement vieler Kindertageseinrichtungen und
erfolgreichen beruflichen Erstausbildung als wesent-
Schulen versuchen, die Zusammenarbeit mit Eltern
liche Voraussetzung für gelingende Integration.
mit Migrationshintergrund langfristig und auf gleicher
Die Wirtschaft und die Bundesregierung haben sich
Augenhöhe zu gestalten. Damit auch andere Einrich-
daher im Nationalen Pakt für Ausbildung und
tungen von den hier gemachten Erfahrungen profitie-
Fachkräftenachwuchs gemeinsam und verbindlich
ren können, müssen Projektergebnisse systematisch
verpflichtet, in enger Zusammenarbeit mit den
aufbereitet und aus besonders vielversprechenden
Ländern allen ausbildungswilligen und ausbildungs-
Ansätzen Empfehlungen und Umsetzungshinweise
fähigen jungen Menschen ein Angebot auf Ausbildung
abgeleitet werden.
zu unterbreiten. Mit der Erklärung „Potenziale
erschließen, Integration fördern – Mehr Bildung und
Problematisch im Bereich Integration und Bildung ist,
Ausbildung für Jugendliche aus Zuwandererfamilien“
dass die kulturelle, sprachliche und religiöse Vielfalt,
haben die Paktpartner im Februar 2009 die Kontinuität
die prägend für die Gesellschaft ist, sich erst allmählich
ihres Engagements für die Verbesserung der Ausbil-
in Curricula, Schulbüchern, pädagogischer Praxis, der
dungsreife und die Erhöhung der Ausbildungsbeteili-
Zusammenarbeit mit Eltern sowie der Qualifizierung
gung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
bekräftigt.
86Vgl. CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 59.
78
87 Siehe hierzu auch: Beschlüsse der 19. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen
und -senatoren der Länder: Hauptkonferenz am 18. und 19.
Juni 2009 auf Schloss Krickenbeck / Nettetal.
C – Bildung und Integration
und Rekrutierung des pädagogischen Personals nieder-
Eltern geprägt. Laut OECD ist der familiäre Einfluss
schlägt. So stellen die Kultusministerkonferenz der
auf die Lese-, mathematische und naturwissen-
Länder und Organisationen von Menschen mit Migrati-
schaftliche Kompetenz doppelt so stark wie der von
onshintergrund in ihrer gemeinsamen Erklärung fest:
Schule, Lehrkräften und Unterricht.90 Familien, die
„Der Umgang mit Heterogenität und die Integration von
aufgrund einer schwierigen sozioökonomischen
Menschen mit Migrationshintergrund in das Bildungs-
Position sowie migrationsbedingter Ursachen eine
system und Erwerbsleben ist eine drängende Aufgabe.
vergleichsweise große Distanz zum Bildungssystem
Sie muss zügig und nachhaltig realisiert werden“.
haben, sind aber oftmals in ihren Möglichkeiten
88
eingeschränkt, die Bildungs-, Ausbildungs- und
Einen wichtigen Beitrag hierzu kann die verstärkte
Berufswahlprozesse ihrer Kinder zu unterstützen.91
Gewinnung von Pädagoginnen und Pädagogen,
Keine bzw. geringe Deutschkenntnisse, eine
Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund
unsichere Aufenthaltsperspektive, fehlende Infor-
leisten. Einzelne Bundesländer, Kommunen und
mationen über das deutsche Bildungssystem oder
Stiftungen haben bereits Ansätze entwickelt,
ein traditionell anderes Verständnis über die Rollen-
um junge Menschen mit Migrationshintergrund
verteilung zwischen Bildungseinrichtung und Eltern
verstärkt für den Schuldienst zu gewinnen. Auf
können jedoch dazu führen, dass sie sich von den
diesen Erfahrungen kann aufgebaut und eine um-
Anforderungen der Bildungseinrichtungen – insbe-
fassende Strategie entwickelt werden.
sondere der Schule – in Deutschland überfordert
fühlen. Darüber hinaus können fehlende Kenntnisse
Die Themen „Eltern mit Migrationshintergrund: Bil-
über Bildungssystem und Bildungsabschlüsse sowie
dungs- und Erziehungskompetenzen stärken, Zusam-
die sich daraus ergebenden Berufswahlmöglich-
menarbeit mit Bildungseinrichtungen unterstützen“
keiten auch zu elterlichen Entscheidungen über
sowie „Lehramtsstudierende und Lehrkräfte mit Migra-
Bildungskarrieren führen, die den individuellen
tionshintergrund gewinnen“ sind vor diesem Hinter-
Fähigkeiten ihrer Kinder nicht gerecht werden.92 Auf
grund die Schwerpunktthemen des bundesweiten Inte-
der anderen Seite wird aber auch das pädagogische
grationsprogramms im Handlungsfeld Bildung und
Personal in vielen Fällen noch nicht ausreichend
Integration.
auf die praktische Gestaltung der Erziehungs- und
Bildungspartnerschaft mit zugewanderten Eltern
vorbereitet.
2. Empfehlungen zur Weiter­
entwicklung von Angeboten
im Handlungsfeld Bildung
und Integration
2.1 Eltern mit Migrationshintergrund:
Bildungs- und Erziehungskompeten­
zen stärken, Zusammenarbeit mit
Bildungseinrichtungen unterstützen
Bildungs- und Integrationschancen hängen nicht
nur vom Bildungssystem und Angeboten der
individuellen Förderung ab89, sondern werden auch
stark durch das Wissen und die Unterstützung der
88 „Integration als Chance – gemeinsam für mehr Chancengerechtigkeit“. Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz
und der Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund. Berlin, 2007, S. 8.
89 Vgl. hierzu auch die von der KMK im März 2010 verabschiedete „För-
derstrategie für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler“.
Die Länder messen der Kooperation mit Eltern im
Nationalen Integrationsplan daher einen hohen
Stellenwert bei.93 Sie haben unterschiedliche Anstrengungen unternommen, um Sprachlernmöglichkeiten
90Vgl. Organisation for Economic Development (2001): Lernen
für das Leben. Erste Ergebnisse der internationalen Schul-
leistungsstudie PISA 2000. Paris.
91 Einen Überblick zum Forschungsstand und den Erklärungsansätzen für den Zusammenhang zwischen sozialer und familiärer Herkunft und Bildungserfolg bieten z. B. Friedrich, Lena /
Siegert, Manuel (2009): Förderung des Bildungserfolgs von
Migranten: Effekte familienorientierter Projekte. Abschlussbericht zum Projekt Bildungserfolge bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch Zusammenarbeit mit
den Eltern. Working Paper der Forschergruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 24, Nürnberg, S. 10-11.
92 Vgl. Fürstenau, Sara / Gomolla. Mechthild (Hg.) (2009): Migration und schulischer Wandel: Elternbeteiligung. Lehrbuch,
Wiesbaden, S. 107.
93 Eine Übersicht über Formen der Zusammenarbeit mit Eltern
bietet: „Erziehung als Auftrag von Elternhaus und Schule.
Informationen der Länder über die Zusammenarbeit von
Eltern und Schule“. (Beschluss der Kultusministerkonferenz
vom 04.12.2003, siehe http://www.kmk.org).
79
C – Bildung und Integration
für Eltern zu verbessern, Elterninformationen zum
reichen folglich von der sprachlichen Grundförderung
deutschen Bildungssystem zu verstärken und
in den Elternintegrationskursen des Bundes über
Erziehungsvereinbarungen mit Eltern anzuregen. Die
Angebote zur Stärkung der Elternbildung und
Kultusministerkonferenz hat zudem im Dezember
Erziehungskompetenz,97 bis hin zu Maßnahmen und
2007 gemeinsam mit Migrantenorganisationen eine
Initiativen, die eine stärkere Kooperation von
Erklärung zur Zusammenarbeit mit Eltern veröffent-
Elternhaus und Schule (die Beteiligung von Eltern mit
licht. Bund, Länder und Kommunen unterstützen
Migrationshintergrund in Gremien schulischer
darüber hinaus durch unterschiedliche Initiativen
Elternvertretung eingeschlossen) zum Ziel haben.
Kindertageseinrichtungen, Schulen, außerschulische
Eine wichtige Rolle spielen in diesem Themenbereich
Bildungsträger, Migrantenorganisationen, kommu-
zunehmend Vereine von Eltern mit Migrationshinter-
nale Einrichtungen und andere Akteure vor Ort, Eltern
grund oder andere Migrantenorganisationen selbst.
94
mit Migrationshintergrund in ihrer Bildungs- und
Erziehungskompetenz zu stärken, ihnen Sprachkennt-
In der Praxis der Integrationsförderung ist das Thema
nisse und Kenntnisse über das deutsche Bildungs-
„Eltern mit Migrationshintergrund“ gekennzeichnet
system zu vermitteln und die Kooperation zwischen
von Doppelungen, Angebotslücken und fehlender
Kindertageseinrichtungen und Schulen einerseits und
Abstimmung bestehender Angebote. Dies ist darauf
Eltern andererseits zu verbessern.
zurückzuführen, dass die Zuständigkeit für den
Bereich der Elternbildung nicht abschließend geregelt
Zur Einbindung der Eltern in die frühkindliche Bil-
ist. Eine systematische Steuerung wird dadurch
dung ihrer Kinder und zur Stärkung ihrer Erziehungs-
erschwert, dass eine klare strukturelle Verankerung
kompetenzen werden Angebote zur Partizipation
und finanzielle Zuständigkeit nicht gegeben ist.
am Alltag von Kindertageseinrichtungen und Schulen,
zur Deutschförderung oder zur Bildungs- und sozialen
Viele der folgenden Empfehlungen zeigen Möglich-
Beratung gemacht, teilweise in Form umfassender
keiten auf, wie pädagogische Fachkräfte,
Erziehungspartnerschaften. Projekte zur Stärkung der
Lehrerinnen und Lehrer mit Eltern mit Migrations-
Erziehungskompetenz werden von Bund und Ländern
hintergrund zusammenarbeiten können. Die Emp-
gefördert, Kommunen haben Beratungsstellen
fehlungen beziehen sich dabei vorrangig
für Eltern mit Migrationshintergrund eingerichtet.
explizit auf den schulischen Bereich. Viele der
Elternarbeit findet dabei nicht nur auf Projektebene,
Empfehlungen können jedoch auch analog im vor-
sondern auch als systematischer Bestandteil der
schulischen Bereich bzw. Übergang von der Schule
pädagogischen Arbeit von Bildungseinrichtungen
in Ausbildung und Beruf Anwendung finden.
statt. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen
Intention dieser Vorschläge ist es dabei nicht, den
hat als erstes Land ein Elternnetzwerk von und für
bereits vollen pädagogischen Alltag durch weitere
Eltern mit Migrationshintergrund ins Leben gerufen,
Aufgaben zu überfrachten. Es müssen vielmehr
das auch dazu dient, das Know-how von Eltern-
die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen
vereinen an andere Eltern und ihre Organisationen
werden, um die Zusammenarbeit mit Eltern zum
weiterzugeben.95
regulären Bestandteil der pädagogischen Arbeit zu
machen, der nicht nur ideell wertgeschätzt,
Integrationsangebote für Eltern mit Migrations-
sondern insbesondere durch zeitliche und finanzi-
hintergrund, die zur Steigerung der Bildungserfolge
elle Ressourcen unterstützt wird.
96
von Kindern und Jugendlichen beitragen sollen,
94 „Integration als Chance – gemeinsam für mehr Chancengerechtigkeit“. Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz
und der Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund. Berlin, 2007.
95 http://www.elternnetzwerk.nrw.de
96 Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden statt „Eltern mit
Migrationshintergrund“ nur „Eltern“ verwendet. In Fällen, in denen Eltern mit als auch Eltern ohne Migrationshintergrund
bezeichnet werden, wird explizit darauf hingewiesen.
80
97 Vgl. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und
Jugend (Hg.) (2006): Bestandsaufnahme und Evaluation von Angeboten im Elternbildungsbereich. Berlin, S. 149. Die Stärkung
der Erziehungskompetenz ist auch ein Schwerpunkt der vom
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Projekte
(vgl. z. B. Projektjahrbuch 2009).
C – Bildung und Integration
2.1.1 Elternbildungsangebote
Elternbildung unterstützt und begleitet Eltern in
Auch die bundesgeförderten Elternintegrations-
ihrer Aufgabe als Erziehende, vermittelt Kenntnisse
kurse (vergleiche Kapitel B) sind ein Angebot der
und Fähigkeiten und regt sie an, sich bewusst und
Elternbildung. Den Elternintegrationskurs können
reflektierend mit ihren Erziehungs- und Bildungs-
Mütter und Väter von Kindern besuchen, die in den
aufgaben auseinanderzusetzen. Dies geschieht
Kindergarten oder in die Schule gehen und die ein
vorwiegend in Veranstaltungen wie Elternkursen
besonderes Interesse an der Bildung und Ausbildung
oder -akademien, Vorträgen, Gruppen- und
ihrer Kinder haben. Der Kurs sollte in der Nähe
Projektarbeit oder in offenen Gesprächsrunden.
der von den Kindern besuchten Bildungseinrichtung
Auch Elternbriefe, Zeitschriften, Radio- und Fern-
stattfinden, idealer Weise in deren Räumen. Das
sehsendungen zu Erziehungs- und Familienthemen
Interesse an diesen speziellen Integrationskursen
können zur Elternbildung gerechnet werden.
wächst, immerhin gut ein Viertel der Teilnehmenden sind Väter. Die Möglichkeit zur Kinderbe-
Angebote der Elternbildung gleichen Informations-
treuung, die der Kurs unter bestimmten Umständen
defizite über das deutsche Schulsystem und die
bietet, ist häufig ausschlaggebend dafür, dass Eltern
Rolle der Eltern aus und vermitteln Kompetenzen für
dieses Förderangebot wahrnehmen können.
die Förderung ihrer Kinder. Dabei ist es wichtig,
Eltern auch über das duale Ausbildungssystem und den
Der Elternintegrationskurs ergänzt die Themen des
Zusammenhang zwischen Schulabschluss und
allgemeinen Integrationskurses durch die Bereiche
Berufswahlmöglichkeiten zu informieren. Bewährt
Kindererziehung und -betreuung, Bildung und
hat sich insbesondere der Einsatz von Multiplikatoren
Ausbildung. Elternbildung wird in diesen Kursen
im Rahmen von Elternbildungsangeboten – häufig
nicht nur unter dem sprachlichen Aspekt gesehen,
selbst mit Migrationshintergrund (etwa Bildungs-
sondern umfasst auch Inhalte, die Eltern in ihrer
paten, Stadtteilmütter und -väter). So werden
Erziehungskompetenz stärken und es ermöglichen
beispielsweise über das Integrationslotsennetzwerk
sollen, ihre Kinder im Bildungssystem zu unter-
in Hessen Lotsen auch im Bereich der Elternbildung
stützen. Der Elternintegrationskurs ist jedoch wie
eingesetzt. Im Fokus ihrer Arbeit stehen Wissens-
alle anderen Integrationskurse in erster Linie ein
vermittlung über das deutsche Bildungs- und Aus-
Angebot zur sprachlichen Grundförderung, in
bildungssystem, Stärkung der Bildungs- und
dessen Rahmen eine umfassende Elternbildung im
Erziehungskompetenz und Eigeninitiative der Eltern,
weiteren Sinne nicht möglich ist.
98
Unterstützung ihres Deutscherwerbs, Bildungs- und
soziale Beratung etc. Die Vorteile von Multiplika-
Es liegen bislang keine aussagekräftigen Studien zur
torenprojekten scheinen insbesondere im besseren
Langzeitwirkung von familienzentrierten Projekten
Zugang zur Zielgruppe, im Aufbau nachhaltiger Struk-
vor, in der Praxis lässt sich jedoch beobachten, dass
turen sowie der zielgruppengerechten, partner-
Elternbildungsangebote eine nachhaltige Wirkung auf
schaftlichen Unterstützung der Eltern und damit
die Familien der Teilnehmenden sowie auf die Multi-
auch der Bildungsförderung der Kinder und Jugend-
plikatoren selbst haben. Elternbildungsangebote mit
lichen zu liegen. Es sind jedoch überwiegend Mütter,
gezieltem thematischem Fokus und intensivem regel-
die Angebote zur Elternbildung und Erziehungs-
mäßigen (wöchentlichen) Programm zeigen dabei
kompetenz besuchen, Väter werden nur selten erfolg-
stärkere Wirkungen als solche mit breiten Ansätzen.99
reich angesprochen. Beispielhaft ist hier aber die
Arabische Eltern-Union e.V., die zusammen mit dem
Arbeitskreis Neue Erziehung e.V. eine Vätergruppe
zu den Themen Kultur, Gesundheit, Politik, Familie,
Schule, Ausbildung und Erziehung anbietet.
98Der Begriff wird im Folgenden als neutrale Funktionsbezeichnung verwendet – in der Praxis sind insbesondere Mütter als
Multiplikatoren in der Elternarbeit aktiv.
99 Vgl. Friedrich, Lena und Manuel Siegert (2009): a. a. O.
81
C – Bildung und Integration
Empfehlungen
Niederschwellige Ansätze des Zugangs zu Eltern mit
Migrationshintergrund wählen
Hemmschwellen gegenüber Institutionen, ungewohnte
Eltern persönlich, wiederholt und kultursensibel auch
kulturelle Vielfalt, ein fehlendes Selbstwertgefühl
im Rahmen aufsuchender Elternarbeit anzusprechen
(Zweifel an eigenen Potenzialen) und mangelnde zeit-
hilft, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie für eine
liche Ressourcen sind Hürden, die viele Eltern mit
Zusammenarbeit zu interessieren. Hilfreich sind auch
Migrationshintergrund überwinden müssen, bevor sie
feste Beratungsstellen sowie muttersprachliche
sich für die Teilnahme an Elternbildungsangeboten
Honorarkräfte und Ehrenamtliche, die als Sprach- und
entscheiden. Neben persönlicher Ansprache ist auch
Kulturmittler Eltern erreichen bzw. für diese zur
eine intensive, zielgruppengerechte Öffentlichkeitsar-
Verfügung stehen. (Zu den Rahmenbedingungen ehren-
beit wichtig, um Eltern für Bildungsangebote zu er-
amtlicher Arbeit vergleiche Kapitel D)
reichen. Information von Mund zu Mund – insbesondere
innerhalb der gleichen Community – spielt dabei eine
Bewährt haben sich auch niederschwellige Maßnahmen
wichtige Rolle. Auch Familienzentren und Mehrgenera-
im Freizeitbereich, um die Zielgruppe zu erreichen.
tionshäuser werden zunehmend wichtige Orte der
Wohnungsbaugesellschaften können zum Beispiel
Begegnung, an denen Eltern als Experten angesprochen
Kontakte vermitteln oder Hausgemeinschaften, in denen
werden können.
viele zugewanderte Familien leben, gezielt Informationen über Elternbildungsangebote zukommen lassen.
Einen niederschwelligen Ansatz der aufsuchenden
Elternbildung hat das in Hessen durchgeführte Projekt
Praxisnahe Methodik, Didaktik und Inhalte wählen
„VIP-School“ („Visiting Immigrant Parents“) gewählt. In
Bildungsangebote für Eltern sollten praxisnah sein,
diesem Projekt erhalten junge Zuwanderer-Eltern, ins-
das heißt, sie sollten Fragen aufgreifen, die für die
besondere Mütter, in regelmäßigen Hausbesuchen
Eltern in ihrem täglichen Umgang mit den Kindern
Hilfestellung und Beratung bei der Erziehung und För-
und ihrem Bildungsweg von Bedeutung sind,
derung ihrer 2 – 5 jährigen Kinder durch zweisprachige
etwa die Hausaufgaben, das Gespräch mit dem
Anleiterinnen. Zusätzlich werden Kurse und Seminare
Klassenlehrer, der Schulausflug, aber auch der Unter-
angeboten, die Eltern in ihrer Erziehungsarbeit und bei
richtsstoff selbst. Bewährt haben sich Angebote, die
der Förderung ihrer Kinder vertiefend unterstützen.
Einzel- und Gruppenformate kombinieren. Vor
allem bei Gruppenangeboten sind anfangs vertrau-
Träger von Elternbildungsangeboten sollten die Mög-
ensbildende Maßnahmen notwendig, damit die
lichkeit nutzen, ihre Angebote in (Eltern-)­­­­Integrations-
Teilnehmer auch für sensible Themen offen sind.
kursen oder anderen Veranstaltungen vorzustellen.
Um eine nachhaltige Wirkung der Angebote zu erreiElternbildungsangebote sollten sich in ihren Inhalten,
chen, ist es wichtig, bei Teilnehmenden eine Verbind-
aber auch ihren organisatorischen Rahmenbedingun-
lichkeit herzustellen, die die regelmäßige Teilnahme
gen an den Bedürfnissen der Eltern orientieren.
am Kurs gewährleistet. Dafür können Bildungsverein-
Bildungsangebote für Eltern schulpflichtiger Kinder
barungen oder -verträge mit den Eltern geschlossen
sollten inhaltlich und zeitlich auf das Schuljahr abge-
werden. Die Angebote sollten einem festen Rahmen
stimmt sein und an alltagsnahen Orten stattfinden.
folgen, jedoch durch thematische Module flexibel genug
100
sein, um kurzfristige Interessen und Bedürfnisse der
ƒƒ Umsetzungshinweis: Ansprache der Eltern
Bewährt hat sich die Ansprache über mehrere Kanäle,
module können in einem Netzwerk von Multiplikatoren-
die sowohl Komm- als auch Gehstrukturen bieten:
projekten kontinuierlich weiterentwickelt werden.
100 Vgl. Michalek, Ruth / Laros, Anna (2008): Multiplikatoren-
modelle für die Arbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund.
Expertise im Auftrag des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge, Freiburg, S. 79.
82
Beteiligten einbeziehen zu können. Diese Baukasten-
Elternbildungsangebote sollten sprachsensibel
entwickelt werden. Einsprachige Angebote auf
Deutsch verfehlen ihren Zweck, wenn die Deutsch-
C – Bildung und Integration
kenntnisse der Teilnehmenden unzureichend sind.
tegrationskurse darin, Eltern Mut zu machen, sich
Der Einsatz von Multiplikatoren als Übersetzer ist
mit Bildung zu beschäftigen, Vertrauen in Bildungs-
nur bei sprachhomogenen Gruppen adäquat
einrichtungen zu schaffen und Berührungsängste
möglich. Die Entscheidung über die sprachliche
auf beiden Seiten abzubauen. In einigen Regionen
Gestaltung der Angebote muss jeweils anhand
funktioniert die Einbettung in die Schulstrukturen
der Bedarfe vor Ort getroffen werden.
vor Ort sehr gut und mit nachhaltigem Erfolg,
in anderen muss noch an der Vernetzung und
ƒƒ Umsetzungshinweis: Sprache
Kooperation über die Bildungseinrichtungen
Um Segregation vorzubeugen und alle Teilnehmen-
hinweg gearbeitet werden. Dies kann analog auch
den gleichermaßen zu fördern, bieten sich ver-
für die niederschwelligen Frauenkurse des Bundes
schiedene Möglichkeiten an: Einerseits können
bzw. „Mama lernt Deutsch“-Kurse der Länder und
Dolmetscher für verschiedene vertretene Sprachen
Kommunen empfohlen werden.
eingesetzt werden. Elternbildungsprojekte können
andererseits zunächst auch mit sprachhomogenen
Die Möglichkeit der Teilnehmerinnen und Teil-
Gruppen beginnen und diese dann bei ausrei-
nehmer von Elternintegrationskursen zu Unter-
chenden Deutschkenntnissen der Teilnehmenden
richtshospitationen in den Bildungseinrichtungen
mischen.
ihrer Kinder ist nicht einheitlich geregelt. Schulen
und Schulleitungen sollten daher noch stärker für
Väter als Zielgruppe für Elternbildungsangebote
gewinnen
die Bedeutung von Elternarbeit sensibilisiert und
Es sollten verstärkt auch Väter für Elternbildungs-
angeregt werden.
zur Kooperation mit Elternintegrationskursträgern
angebote gewonnen werden, da sie insbesondere für Jungen wichtige Bezugspersonen sind. Auch
Die „Marke“ Elternintegrationskurs sollte gestärkt
Männer ohne Migrationshintergrund sollten
werden, indem ihr Bekanntheitsgrad an Schulen
angesprochen werden, um den Austausch und das
durch Werbemaßnahmen der Träger direkt oder über
Zusammenleben im Stadtteil zu fördern.
die Schulverwaltung erhöht wird. Erreicht werden
sollte damit, dass Räumlichkeiten der Bildungsein-
ƒƒ Umsetzungshinweis: Angebote für Väter
richtungen der Kinder noch häufiger für die
Möglichkeiten, um mehr Väter für die Teilnahme an
Elternintegrationskurse zur Verfügung stehen, als
Elternbildungsangeboten zu gewinnen, können sein:
dies bisher der Fall ist.
ƒƒ Männerpädagogische Angebote, die zur Teilnahme
an Elternbildungsangeboten motivieren
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat
ƒƒ Der Einsatz männlicher Multiplikatoren in
Elternbildungsangeboten
Teilnahme an Elternintegrationskursen durchge-
ƒƒ Ermutigung der Mütter, die Elternbildungsangebote besuchen, Themen und Informationen aus
den Veranstaltungen nach Hause zu tragen, und
mit ihrem Partner zu diskutieren
ƒƒ Aufgreifen von Themenbereichen über das Thema
Erziehung hinaus, etwa Schulerfolg, Freizeitaktivitäten mit Kind, „Arbeitsmarkt“ und Ähnliches
ƒƒ Anbieten gemeinsamer niederschwelliger Maßnahmen wie zum Beispiel Sportaktivitäten, Angebote
aus dem IT-Bereich oder handwerkliche Angebote
im Sommer 2009 eine Motivationskampagne zur
führt. Unter dem Titel „Deutsch lernen – Deutschland
kennenlernen. Damit unsere Kinder bessere Chancen
haben“ zielte die Kampagne darauf, Eltern von
Kindern mit Migrationshintergrund zur Teilnahme
an Elternintegrationskursen zu motivieren. Zu
diesem Zweck erhielten Grundschullehrkräfte und
Erzieherinnen und Erzieher an Kindertagesstätten
Mappen mit Informationen und Erfahrungsberichten
zu Elternintegrationskursen. Teil der Mappen war ein
spezielles Elternmagazin, das von ihnen an die
Elternintegrationskurse zur Kooperation zwischen
Bildungseinrichtungen und Eltern nutzen
Zielgruppe verteilt wurde. Das Elternmagazin war
Viele Integrationskursleiterinnen und -leiter sehen
verfügbar. Im Rahmen der Testphase wurden jeweils
eine der grundsätzlichen Aufgaben der Elternin-
rund 1 700 Mappen und Elternmagazine an
in deutscher, türkischer und russischer Sprache
83
C – Bildung und Integration
Kindertagesstätten und Grundschulen im gesamten
angebote zu Themen aus den Bereichen Bildung,
Bundesgebiet verteilt.
Ausbildung und Erziehung sein. Je nach Art
und Zielgruppe des geplanten Projekts können
Qualifizierung und Vernetzung von Lehrkräften in
Elternintegrationskursen sicherstellen
dabei unterschiedliche Akteure einbezogen
Viele der Teilnehmenden nutzen den geschützten
Grundsicherungsstellen, Migrantenorganisationen,
Raum und das vertrauensvolle Klima der Eltern-
Vereine und Verbände der Mehrheitsgesellschaft,
integrationskurse zu teilweise sehr persönlichen
Migrationsberatungsstellen für Erwachsene und
Gesprächen mit den Kursleitenden. Kursleiter-
Jugendmigrationsdienste, Migranten-, Ausländer-,
schulungen für Elternintegrationskurse sollten
Integrationsbeauftragte, Bildungseinrichtungen,
daher auf schwierige Situationen und Gespräche
Unternehmen.
werden, unter anderem Agenturen für Arbeit bzw.
vorbereiten und das Bewusstsein dafür schaffen,
dass die Aufgaben der Kursleitung auch in
In Hamburg führen die Bücherhallen (städtische
der sozialräumlichen Vernetzung des Kurses
Büchereien) das Ehrenamtsprojekt „Dialog in
und der Teilnehmenden sowie der Förderung
Deutsch“ durch. Das Projekt umfasst ein breites
des Kontakts zwischen Bildungseinrichtung und
Angebot an offenen, kostenlosen und unbefristeten
Eltern liegen.
Gesprächsgruppen mit bis zu acht Personen
und wendet sich an Erwachsene – insbesondere
Ein bundesweites Forum mit Möglichkeiten zum Aus-
Eltern – mit Migrationshintergrund, die nach der
tausch von Unterrichtsmaterialien und Erfahrungen
Teilnahme am Integrationskurs ihre Deutschkennt-
kann Kursleitende von Elternintegrationskursen
nisse trainieren und vertiefen wollen und noch
unterstützen. Ein entsprechendes, online-basiertes
keinen Zugang zu anderen Bildungseinrichtungen
Forum müsste sowohl die Möglichkeit zum fachlichen
gefunden haben. Die Gesprächsgruppen treffen
Austausch als auch Materialien bereitstellen.
sich einmal wöchentlich in den verschiedenen
Stadtteilbücherhallen und in der Zentralbibliothek.
Elternintegrationskurse werden unter anderem
Hier finden die Teilnehmenden einen attraktiven
aufgrund einer hohen Teilnehmerfluktuation von
Ort der Begegnung, der wichtige Eigenschaften
vielen Kursträgern als verhältnismäßig verwal-
vereint: Er ist öffentlich und gleichzeitig geschützt,
tungsintensiv eingeschätzt. Ein Erfahrungsaus-
bildungsnah mit Zugang zu modernsten Medien
tausch und eine Vernetzung der Kursträger sind vor
und doch kein Lehrbetrieb. Die Freude am prakti-
diesem Hintergrund besonders wichtig. Eine solche
schen Umgang mit der Sprache steht im Vorder-
Trägervernetzung kann bislang aber nur mittels
grund. Die Gruppen werden von Ehrenamtlichen
hohem, auch außerberuflichem Engagements von
geleitet, die kontinuierlich fachlich unterstützt
Kursleitenden erreicht werden. Eine regionale oder
werden.
überregionale Koordination zur Vorbereitung
und Vernetzung der Elternkurse kann hier Abhilfe
Träger von Elternbildungsangeboten vernetzen
schaffen. Alternativ bieten sich auch regelmäßige
Die Vielzahl an Projekten der Elternbildung und die
Arbeitsgruppen der Kursträger auf regionaler bzw.
Vielfalt der Anbieter überfordert Eltern oft bei der
kommunaler Ebene an, die auch ein Forum
Auswahl der für sie passenden Angebote. Netzwerke
bieten können, um Parallelstrukturen in der Ange-
und Kooperationen auf kommunaler Ebene können
botslandschaft für Elternkurse zu vermeiden.
dieser Überforderung gegensteuern, Information
über Angebote bündeln und dazu beitragen, dass
Integrationskursergänzende Maßnahmen entwickeln
Träger ihre Angebote aufeinander abstimmen und
Insbesondere die außersprachlichen Inhalte der
sich ergänzen.
Elternintegrationskurse können durch weitere
Angebote der Elternbildung vertieft werden, die
Bildungseinrichtungen, Familien- und Jugend-
direkt an die Kurse gekoppelt sind. Dies können
hilfe sollten gemeinsam mit Migrantenorganisa-
etwa umfassendere Informations- und Bildungs-
tionen, Elternorganisationen bzw. -vertretungen
84
C – Bildung und Integration
und Trägern von Elternbildungsangeboten
in Kindergarten und Schule sowie die Interaktion und
vor Ort Netzwerke bilden, um Eltern gezielt anzu-
Kommunikation zwischen Migrantenfamilien und
sprechen. Hierzu sollte eine Koordinationsstelle
deutschen Institutionen zu stärken. Hierzu wurde eine
eingerichtet werden, die die Vernetzungsstruktur
Fachstelle zur Förderung der strukturellen Integra-
entwickelt, moderiert und aufrechterhält. Hier-
tion von Migrantenkindern eingerichtet. In enger
für erscheinen beispielsweise Bildungsbüros
Zusammenarbeit der Fachstelle, der Kommunalver-
oder Servicestellen lokaler Bildungslandschaften
waltung und von Einrichtungen in den Bereichen
geeignet. Von den Angeboten dieser Stelle
Kindergarten und Schule wurden standardisierte
können auch Eltern ohne Migrationshintergrund
Strukturen und Verfahren zur Berücksichtigung der
profitieren.
besonderen (Bildungs-) Situation der Migrantenkinder
sowie für die Qualifizierung von Multiplikatoren
Elternbildungsangebote sollten in die Angebots-
der Bildungseinrichtungen entwickelt. Das Projekt
strukturen vor Ort eingebettet sein, um die
umfasste insbesondere:
teilnehmenden Eltern an die Bildungsinstitutionen
vor Ort heranführen zu können. Träger von Elternbildungsangeboten sollten über institutionalisierte
Strukturen verfügen und mit den Anforderungen
vor Ort vertraut sein, um auf diese zielgerichtet
reagieren zu können.
Der Aufbau und die fachliche Steuerung eines
lokalen Pools von Honorarkräften mit eigener Migrationserfahrung und zwei- bzw. mehrsprachigen
Kompetenzen auf kommunaler Ebene haben
sich zur Durchführung (auch herkunftssprachlicher) Elternbildungsprojekte bewährt.
Erfahrungen mit der systematischen Verankerung
und Förderung der Elternarbeit in regionalen
ƒƒ Entwicklung von Informationsmaterialien
ƒƒ Vernetzung mit medizinischen Einrichtungen,
Kindergärten und Schulen
ƒƒ Ausbildung von Integrationsbeauftragten an den
Grundschulen der Stadt
ƒƒ Gruppenangebote zu entwicklungs- und bildungsrelevanten Themen, die in Deutsch und in den
vor Ort am häufigsten gesprochenen Migrantensprachen angeboten werden
ƒƒ Individualisierte und integrationsspezifische
Begleitung von Eltern und Kindern bei „kritischen
Übergangsphasen“
ƒƒ Clearingstelle für individuelle und familienbezogene Entwicklungsfragen
ƒƒ Muttersprachliche Sprachstandsdiagnostik
bzw. landesweiten Netzwerken mit Migrantenorganisationen, Elternvereinen, Bildungseinrichtungen
Die erfolgreichen Ansätze des Projekts werden in ein
und anderen Akteuren der Zusammenarbeit mit
kommunales Integrationskonzept eingebracht, um
Eltern sollten dokumentiert, ausgewertet und
die Nachhaltigkeit der Arbeit und ihrer Ergebnisse
für den Transfer in andere Regionen bzw. Bundes-
zu stärken.
länder aufbereitet werden.
Multiplikatoren in Elternbildungsangeboten einsetzen
Das bis Frühjahr 2010 vom Bundesamt für Migration
Als Multiplikatoren in Elternbildungsangeboten
und Flüchtlinge geförderte Regensburger Projekt
eignen sich am besten Menschen, die sich in einer
„INMIGRA-KID“ hat dazu beitgetragen, die Bewäl-
ähnlichen Lebenslage befinden wie die Zielgruppe.
tigung der Übergänge „Vorkindergarten – Kinder-
Ein gemeinsamer kultureller Hintergrund
garten“ sowie „Kindergarten – Schule“ zu erleichtern,
erleichtert den Zugang zu Eltern. Multiplikatoren
die häufig Verunsicherungen auf familiärer und
der gleichen Herkunftssprache wie die Zielgruppe
institutioneller Ebene bei Migrantenfamilien
können diese besonders gut erreichen. Im Rahmen
verursachen. „INMIGRA-KID“ hat Migrantenfamilien
von Elternbildungsprogrammen sollte daher
mit Kindern im Alter bis sechs 6 Jahre sowie Multi-
ein Multiplikatorennetz aufgebaut werden, das
plikatoren der Bildungsinstitutionen angesprochen.
möglichst viele verschiedene Sprachen abdeckt.101
Das Projekt zielte darauf, Elternkompetenzen für den
Übertritt der Kinder
101 Michalek, Ruth / Laros, Anna (2008): a. a. O., S. 93.
85
C – Bildung und Integration
Es ist notwendig, auch Männer für diese Arbeit
zu gewinnen, wenn die Zielgruppe der Väter in
ƒƒ „Wieviel Taschengeld ist sinnvoll? – Wie lernen
Kinder den Umgang mit Geld?“
Zukunft stärker eingebunden werden soll.
ƒƒ „Wie schütze ich mein Kind vor Alkohol und
Drogen?“
Das Neuköllner Projekt „Stadtteilmütter“ quali­fiziert seit
Die Gesprächsrunden werden von Vätern oder
2004 Mütter, um Familien mit Migrationshintergrund
Müttern moderiert, die auf diese Aufgabe vorbe-
im Stadtteil zu unterstützen, die bisher wenig oder
reitet wurden. Die Gesprächsrunden finden je nach
keinen Zugang zum Erziehungssystem haben. Zum
Wunsch in Türkisch, Russisch, Deutsch oder auch
einen bietet das Projekt Vermittlung familienrelevanter
in anderen Sprachen statt. Im Jahr 2009 wurden
Informationen, zum anderen umfasst es die Quali-
an 21 Standorten 1300 Elterntalks durchgeführt.
fizierung und stundenweise Beschäftigung von
Eine interne Evaluation des Programms zeigt, dass
Migrantinnen als Beraterinnen auf Honorarbasis.
rund zwei Drittel der teilnehmenden Eltern einen
Damit zielt das Projekt darauf, Sprachfähigkeiten von
Migrationshintergrund haben. Weitere Informati-
Kindern und Eltern zu fördern, Erziehungskompetenz
onen zum Programm „Elterntalk“ sind unter
und Selbstbewusstsein der Eltern im Umgang mit
http://www.elterntalk.net erhältlich.
Bildungseinsrichtungen zu stärken, Kindertagesstätten
Kitabesuch zu werben sowie konkrete Hilfen und
Qualität der Ausbildung und Betreuung von Multiplikatoren sichern
Informationen für Familien zu vermitteln. Als Peer-
Der Erfolg von Elternbildung hängt in hohem Maße
Beraterinnen arbeiten die Stadtteilmütter auf gleicher
von der Qualität der Ausbildung der Multiplika-
Augenhöhe. So fassen die Familien leicht Vertrauen
toren ab. Empfohlen werden daher ein professioneller
und lernen vieles über Bildung, Sprache, Erziehung und
Ausbildungsrahmen und eine zertifizierte Aus-
Gesundheit dazu. Durch die Ausbildung zu semipro-
bildung von Multiplikatoren für Elternbildungs-
fessionellen Helferinnen haben die Stadtteilmütter
angebote. Ein Zertifikat gewährleistet auch, dass
eine gewisse berufliche Qualifikation und damit den
die Arbeit der überwiegend als Ehrenamtlichen
Zugang zu einer entlohnten Beschäftigung erhalten.
oder als Honorarkräfte Beschäftigten eine zusätz-
Auch ihre eigenen Erziehungskompetenzen sind
liche Anerkennung erhält. Multiplikatoren können
bei Eltern bekannt zu machen und für den frühen
deutlich gewachsen. Ihre neue Aufgabe und die Vorbild-
ein solches Zertifikat auch zur Dokumentation
funktion, die sie für andere Mütter im Stadtteil
von Qualifikationen im Zuge von Bewerbungen
haben, stärken ihr Selbstbewusstsein. Basierend auf
nutzen. Die Aus- und Weiterbildung kann über ein
den positiven Erfahrungen und Ergebnissen ist
Netzwerk von Trägern von (Eltern)bildungsange-
das Stadtteilmütter-Projekt mittlerweile auf mehrere
boten organisiert werden.
andere Kieze und Städte übertragen worden.102
Fachliche Begleitung der Arbeit der MultiplikaEltern mit Hilfe von Multiplikatoren zu Themen wie
toren ist ein wichtiges Element der Qualitäts-
Medien, Konsum und Suchtvorbeugung zu infor-
entwicklung. Gerade im Hinblick auf die hohe
mieren und ihnen die Möglichkeit zum Austausch
Belastung durch zeitintensive und größtenteils
mit anderen Eltern zu bieten, diesen Ansatz verfolgt
ehrenamtliche Arbeit ist regelmäßige Supervision
das von der Bayerischen Staatsregierung geförderte
von Expertinnen und Experten der (interkultu-
Programm „Elterntalk“. Elterntalk steht für:
rellen) Pädagogik unerlässlich. Deshalb sollte eine
Fachgespräch von Eltern für Eltern. Gastgeber sind
Betreuung der Multiplikatoren und Begleitung
Mütter und Väter, die andere Eltern zu sich nach
ihrer Arbeit örtlich oder regional etabliert werden
Hause einladen und ins Gespräch kommen über
(begleitete Erprobungsphasen, Coaching und
Fragen wie:
Supervisionen).
ƒƒ „Was kann ich tun, wenn mein Kind zu häufig und
zu lange vor dem Fernseher sitzt?“
Die Integrationsbeauftragte der Stadt Heilbronn
102 http://www.stadtteilmuetter.de
bildung eines Pools von etwa 100 Multiplikatoren
86
koordiniert und steuert die fachliche Aus-
C – Bildung und Integration
mit Zuwanderungsgeschichte. Diese werden seit
amtlichen Paten. Eine wissenschaftliche Beglei-
Herbst 2009 in 12 Grundschulen, ab Herbst 2010
tung sollte gewährleisten, dass Erfahrungen aus
flächendeckend an allen Heilbronner Kinder-
den Projekten und Bedingungen für eine möglichst
tagesstätten und Grundschulen als Mittler und
effektive Projektdurchführung systematisch
Kursleiter zur Informationen über die Themen „Wie
erfasst werden, um die anschließende Verbreitung
funktioniert die Schule?“ und „Wie funktioniert
und Übertragung der Ergebnisse zu sichern. Das
der Kindergarten?“ eingesetzt und sind auch
Modellprojekt wurde von der Bundesarbeitsge-
für Informationsgespräche zwischen Eltern und
meinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V.
Lehrern buchbar. Pro Kurs werden mehrere Treffen
koordiniert. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen
kostenfrei in Gruppen von rund acht Teilneh-
Begleitung zum Modellprojekt sind in Kürze zu
merinnen und Teilnehmern durchgeführt. Die
finden unter
Treffen werden bei Bedarf in der Muttersprache der
http://www.jugendmigrationsdienste.de und
Eltern angeboten, um intensive Diskussionen und
http://www.jugend-staerken.de.
nachhaltigen Informationsaustausch zu ermögAkademie für Innovative Bildung und Management
Angebote der Familienbildung und -beratung für
Familien mit Migrationshintergrund öffnen
und der Robert Bosch Stiftung. Nähere Informati-
Gezielte Angebote für Eltern mit Migrationshinter-
onen können unter [email protected]
grund sind wichtig. Darüber hinaus gilt es jedoch
nachgefragt werden.
auch, die bereits vorhandenen, allen zugänglichen
lichen. Die Maßnahme wird unterstützt von der
Angebote der Familienbildung und -beratung
Themenunabhängige Projektziele verfolgen
noch stärker für die Belange von Familien mit
Übergreifende Projektziele von Elternbildungs-
Migrationshintergrund zu öffnen.
angeboten sollten die Vernetzung der Eltern
untereinander und ihre Weitervermittlung an
Der Freistaat Bayern hat zur Sensibilisierung der
Angebote und Anlaufstellen im Stadtteil sein,
Erziehungsberatungsstellen für die Belange
damit Eltern motiviert werden, aktiv am Leben im
von Familien mit Migrationshintergrund eine
Stadtteil teilzuhaben. Hierbei sollten die Projekte
Qualifikationskampagne für Mitarbeiterinnen
flexibel vor Ort entscheiden können, welche Form
und Mitarbeiter der Beratungseinrichtungen
der Vermittlungs- und Vernetzungsarbeit sinnvoll
mit regelmäßigen Fortbildungsangeboten zum Auf-
ist – Handreichungen können darüber informieren.
bau interkultureller Kompetenz durchgeführt.
Im Rahmen der Jugendmigrationsdienste hat das
Forschungsdesiderate
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
Verstärkte Forschung ist notwendig zur Langzeit-
und Jugend das Modellprojekt „Ausbildungsorien-
wirkung von familienzentrierten Projekten
tierte Elternarbeit im JMD“ an bundesweit zwölf
sowie zu geschlechtsspezifischen Unterschieden
Standorten gefördert. Im Mittelpunkt stand
in der Multiplikatorenarbeit, sowohl hinsichtlich
die Unterstützung der Erziehungskompetenz von
der Arbeitsweise von Multiplikatoren als auch
Eltern mit Migrationshintergrund am Übergang
ihrer Wirkung. Zur Gewinnung neuer Multiplika-
ihrer Kinder von der Schule in die Ausbildung. Je
toren ist Forschungsbedarf zur Motivation für
nach Standort wurden unterschiedliche Schwer-
eine Tätigkeit als Multiplikator hilfreich.
punkte in der Elternarbeit gesetzt. Dazu gehörten
Informationsveranstaltungen und Seminarreihen
zum Schul- und Ausbildungssystem, individuelle
Begleitung und Beratung, aufsuchende Elternarbeit, Gründung von Elterninitiativen, Kooperation mit Schulen und weiteren Akteuren im
Bildungs- und Ausbildungsbereich, der Aufbau von
Netzwerken sowie die Einbeziehung von Ehren-
87
C – Bildung und Integration
2.1.2 Zusammenarbeit Eltern – Schule zur individuellen Förderung des Kindes
Praxisberichte von Lehrerinnen und Lehrern und
relle Kommunikation und Kooperation scheitern oft
Interviews mit Eltern zeigen, dass es Schwierig-
an den genannten Verständnisproblemen. Es zeigt
keiten in der Kommunikation zwischen Eltern mit
sich, dass die pädagogischen Ansätze der Schule
Migrationshintergrund und Lehrkräften gibt: Die
häufig nicht den Erwartungen von Eltern mit Migra-
Eltern gehen auf Lehrkräfte weniger häufig zu
tionshintergrund entsprechen. Dies stellt Schulen
und nutzen auch zufällige Begegnungen seltener
vor neue Herausforderungen bei der Gestaltung der
für Gespräche. Zudem ziehen sie aus solchen
Information für und Zusammenarbeit mit Eltern mit
Gesprächen auch einen geringeren Nutzen.
Migrationshintergrund. Dabei wird in der Wahr-
103
nehmung beider Seiten die Verantwortlichkeit für
Die Kommunikation und Kooperation zwischen
ge- bzw. misslingende Kooperation häufig dem jeweils
Lehrerinnen / Lehrern und Eltern mit einem anderen
anderen zugeschrieben. Um den Kontakt zu Eltern zu
kulturellen Hintergrund stellt für beide Seiten in
verbessern, beschreiten einige Schulen alternative
mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung dar.
Wege, sie aktiv einzubeziehen und eine Zusammen-
Obwohl rund 61 Prozent der Zuwanderer der Schule
arbeit auf gleicher Augenhöhe zu ermöglichen, etwa
sehr viel oder viel Vertrauen entgegenbringen,104
durch den Einsatz von Bildungspaten.
erschweren Verständnisschwierigkeiten die
Zusammenarbeit. Dabei beziehen sich Verständnis-
In den letzten Jahren ist ein Wandel festzustellen:
schwierigkeiten nicht nur auf die sprachliche Ebene,
Besondere Bedeutung kommt dem Engagement einer
oftmals liegen sie auch in den unterschiedlichen
zunehmenden Zahl von Eltern mit Migrationshinter-
Lebenswelten von Eltern und pädagogischem
grund zu, die als Einzelperson oder in Vereinen den
Personal begründet. Hinzu können auch familiäre
Bildungsweg ihrer Kinder unterstützen. Viele dieser
und institutionelle Erfahrungen in Deutschland
Organisationen wenden sich mit unterschiedlichsten
oder dem Herkunftsland kommen, die prägend für
Angeboten an Eltern mit Migrationshintergrund, die
die eigene Einstellung zu Bildung und Erziehung
von kompetenter Familienberatung und Informati-
sind, ein unterschiedliches Bildungsbewusstsein
onsveranstaltungen bis hin zu Weiterbildungsver-
und eine größere Distanz der Eltern zu Lehrenden
anstaltungen zu pädagogischen und bildungspoli-
und dem deutschen Schulsystem. 42 Prozent der
tischen Fragen reichen. Häufig werden Elternvereine
Zuwanderer haben zudem das Gefühl, dass Schüle-
auch von Schulen kontaktiert bzw. treten an diese
rinnen und Schüler aus Zuwandererfamilien
heran, um als Mittler zwischen Lehrenden und Eltern
nicht die gleichen Chancen haben wie deutsche Kinder.
mit Migrationshintergrund tätig zu werden. Denn
Eine Mehrheit von ihnen bemängelt bei der hier
auch viele Schulen haben erkannt, dass zugewanderte
geborenen dritten Generation die fehlende Chancen-
Eltern bereit sind, sich für die Bildung ihrer Kinder zu
gleichheit für Kinder aus Zuwandererfamilien.
engagieren, sind aber unsicher, wie sie diese Eltern
erreichen und einbinden können.
Dieses Gefühl ist besonders stark bei Familien mit
geringem sozioökonomischen Status. Ein kooperativer
Kommunikations- und Kooperationsversuche zwischen
Austausch zwischen Schulen bzw. Lehrkräften und
Eltern mit Migrationshintergrund und Schulen
Eltern mit Migrationshintergrund ist daher besonders
beschränken sich meistens auf die traditionellen
wichtig, aber auch besonders schwierig: Interkultu-
Formen Elternabende, Mitwirkung von Eltern in
Gremien und individuelle Kontakte, zum Beispiel
103 Sacher, Werner (2006): Einflüsse der Sozialschicht und des
Migrationsstatus auf das Verhältnis zwischen Elternhaus
und Schule, Nürnberg.
104 In der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil nur bei 31 Prozent;
vgl. für die Zahlen in diesem Abschnitt: Bertelsmann Stiftung
(2009): Zuwanderer in Deutschland. Ergebnisse einer
repräsentativen Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund. Durchgeführt durch das Institut für Demoskopie
Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh.
88
Beratungsgespräche. Nicht alle Eltern fühlen sich aber
von diesen Formen der Elternarbeit angesprochen.
Zur Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund benötigen Lehrkräfte Kenntnisse über migrations- und kulturspezifische Hintergründe. Auf Seiten
der Eltern wiederum müssen ausreichende Kenntnisse
C – Bildung und Integration
über das Bildungssystem vorhanden sein und Koopera-
Sowohl Eltern als auch Bildungseinrichtungen profi-
tionsangebote auch tatsächlich wahrgenommen
tieren von der gemeinsamen Arbeit. Voraussetzung
werden.
für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist der
Aufbau eines partnerschaftlichen Verhältnisses,
Gute Praxisbeispiele105 zeigen, dass auch im bestehenden
das Eltern mit Migrationshintergrund als gleichbe-
System erfolgreiche Elternarbeit entstehen kann,
rechtigte Partner anspricht und dazu ermutigt,
die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer täglichen Arbeit
ihr umfangreiches Wissen in den Erfahrungsaus-
entlastet. Der flächendeckende Transfer der Erfolgs-
tausch einzubringen und damit auch einen Beitrag
modelle ist jedoch nur mit strukturellen Verände-
zur interkulturellen Öffnung der Bildungsein-
rungen der Rahmenbedingungen von Elternarbeit
richtungen zu leisten. Erfolgreiche Elternarbeit
erreichbar. Die Entwicklung hin zu mehr Schul-
erfordert Kontinuität und langfristige Ansprech-
autonomie und die zunehmende Verbreitung von
partner, zu denen Vertrauen aufgebaut werden
Ganztagsschulen eröffnen bereits jetzt Möglichkeiten
kann. Sie sollte in den Bildungseinrichtungen der
für einzelne Schulen, alternative Formen der Eltern-
Elementarpädagogik einsetzen und in der Schule
arbeit einzuführen, durch die auch Eltern mit Migrati-
weitergeführt werden und, wenn nötig, bis hin zum
onshintergrund nachhaltig in die Bildungswege ihrer
erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung
Kinder eingebunden werden können.
andauern.
105 Ein Beispiel ist die Elternarbeit an der Grundschule in der Kleinen
Kielstraße in Dortmund. 2006 erhielt diese Grundschule den
Deutschen Schulpreis. An der Schule werden 400 Kinder aus
30 Nationen unterrichtet. Unter dem Motto „Was ist für unsere
Kinder das Beste“ wurden verschiedene Projekte und ständige
Veranstaltungen eingeführt. Gute Praxisbeispiele können zwar
anderen Schulen Anregungen geben, ihre Ausgestaltung muss
dabei aber immer an lokale Gegebenheiten angepasst werden.
Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Eltern mit
Migrationshintergrund existiert, bleibt allerdings
oft dem Zufall und dem Engagement einzelner
Eltern, Schulen und Lehrenden bzw. Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter überlassen.
Empfehlungen
Rahmenbedingungen und Qualität der Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund verbessern
Damit Kooperation und Kommunikation erfolg-
der Leitungsebene der Bildungseinrichtungen
reich gestaltet werden können, müssen Berüh-
als zentrale Aufgabe der Mitarbeiterinnen und
rungsängste auf beiden Seiten abgebaut, Zugänge
Mitarbeiter kommuniziert werden. Die Entscheidung
für Eltern mit Migrationshintergrund zum
für eine verstärkte Beschäftigung mit dem Thema
Bildungssystem erleichtert und Angebote und Bil-
Elternarbeit muss also vom gesamten Schulteam
dungseinrichtungen interkulturell geöffnet
getragen werden.
werden. Entscheidend für eine erfolgreiche Elternarbeit ist die „gleiche Augenhöhe“ aller Beteiligten.
Interkulturelle Erziehung schließt auch Eltern ohne
Offenheit, gegenseitige Wertschätzung, Respekt
Migrationshintergrund mit ein. Gemeinsame Zielrich-
und Partizipation sind wichtig für ein gelingendes
tungen der Arbeit mit allen Eltern sollten zwischen
Miteinander und erfolgreiche Bildungskarrieren.
Bildungseinrichtungen und Eltern früh erörtert und
vereinbart werden. Die interkulturelle Kooperation
Wirkungsvolle und nachhaltige Elternarbeit braucht
mit allen Eltern sollte fester Bestandteil der Konzepte
finanzielle Ressourcen – etwa für die Finanzierung
der Bildungseinrichtungen sein und in Leitbildern
von Veranstaltungen oder Lernmaterialien -, verläss-
oder Schulprofilen festgeschrieben werden. Förderan-
liche Strukturen, eine solide Vertrauensbasis und
gebote für Kinder und Angebote des Elternempower-
Zeit. Elternarbeit sollte systematischer Bestandteil der
ments sollten zusammenwirken. Zwischen Elternhaus
Tätigkeit von Bildungseinrichtungen sein und von
und Schule sollten Erziehungspartnerschaften
89
C – Bildung und Integration
gefördert werden, die darauf zielen, die Bildungsqua-
der Schulleitung angemessen berücksichtigt
lität in den Elternhäusern zu verbessern.
werden. Auch die Wertschätzung entsprechender
Bemühungen im Rahmen der Schulkultur (Leitbild,
ƒƒ Umsetzungshinweis: Interkulturelle Beraterinnen
und Berater an Schulen
Schulprofil) kann hierzu einen Beitrag leisten.
Hilfreich kann die Ernennung einer entsprechend
Bildungseinrichtungen sollten professionelle
qualifizierten Lehrkraft zum / zur Beauftragten für
Qualifizierung und Beratung für eine gute Zusam-
interkulturelle Arbeit an der Schule sein. Schul-
menarbeit mit Eltern erhalten. Hilfreich können
leitungen sollten ihr Kollegium auf Angebote der
insbesondere stadtteilbezogene, kommunale oder
interkulturellen Lehrerfortbildung aufmerksam
landesweite Netzwerke sein, in denen sich Bildungs-
machen bzw. gezielt bei den Landesinstituten
einrichtungen, externe Partner der Elternbildung
für Lehreraus- und -fortbildung entsprechende An-
und Elternvereine austauschen und Beispiele guter
gebote für ihr Kollegium beantragen.
Praxis verbreitet werden können.
Qualitätskriterien entwickeln
Einzelne Bundesländer, zum Beispiel Nordrhein-
Für die Zusammenarbeit mit Eltern sollten über-
Westfalen und Berlin, führen landesweite Eltern-
greifend Qualitätskriterien entwickelt und von den
kongresse für Familien mit Migrationshintergrund
einzelnen Bildungseinrichtungen bzw. Trägern
durch, auf denen sich Eltern über das Bildungs-
umgesetzt werden. Beteiligt werden sollten an der
system und Beratungsstellen informieren können
Entwicklung von Kriterien unter anderem Fach-
und Möglichkeiten zur Vernetzung erhalten.
verbände, Träger von Elternbildungsangeboten,
Die Berliner „Servicestelle Elternbeteiligung und
Servicestellen für Bildungsfragen – wie etwa die
Sprachförderung“ ist eine Einrichtung, die in
Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern
Kitas und Schulen arbeitet und die Vernetzung
und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA)
von Bildungsträgern im Stadtteil unterstützt. Sie
in Nordrhein-Westfalen – und Vertreter von
gehört zum Kooperationsvorhaben „Werkstatt
Pädagogikinstituten. Diese Kriterien müssen flexibel
Integration durch Bildung“ in Kreuzberg, an dem
genug sein, um die spezifischen Bedingungen
die bezirkliche Schulaufsicht und das Modellpro-
und Bedürfnisse vor Ort einbeziehen zu können.
gramm „Förderung von Kindern und Jugendlichen
mit Migrationshintergrund“ beteiligt sind.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Gütesiegel der Elternarbeit
Im Zuge eines umfassenden Qualitätsentwicklungs-
Im Oktober 2009 hat das nordrhein-westfälische
prozesses für die Zusammenarbeit mit Eltern kann
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und
(unter Einbeziehung der zentralen Akteure) auch ein
Integration eine Vätertagung veranstaltet, die sich
Gütesiegel für Eltern-Kind-Programme entwickelt
mit der veränderten Rolle der Väter in der Familie
und implementiert werden. Anregungen hierzu
auseinandergesetzt hat. Ein Themenschwerpunkt
können sich beispielsweise aus dem Zertifizierungs-
waren Väter mit Migrationshintergrund.
programm der Familienzentren in NordrheinWestfalen ergeben. Besondere Außenwirkung kann
In Baden-Württemberg wurde im Rahmen des
ein solches Gütesiegel entfalten, wenn es von
Projekts „Integration gemeinsam schaffen – für eine
den zuständigen Länderministerien vergeben wird.
erfolgreiche Bildungspartnerschaft mit Eltern
mit Migrationshintergrund“ von vielen im Integra-
Pädagogisches Personal der Bildungseinrichtungen
unterstützen
tions- und Bildungsbereich tätigen Akteuren eine
Erfolgreiche Elternarbeit erleichtert langfristig
nerschaft mit Eltern mit Migrationshintergrund
zwar vieles, bedeutet jedoch zunächst erhöhten Auf-
entwickelt. Das Projekt wird gemeinsam vom
wand für Lehrkräfte und Schulen. Der mit intensi-
Integrationsbeauftragten der Landesregierung, der
ver Elternarbeit verbundene tatsächliche zeitliche
Robert Bosch Stiftung und der Breuninger-Stiftung
Aufwand für die Lehrkräfte sollte vonseiten
durchgeführt. Daneben gibt es viele staatliche und
90
Konzeption für eine erfolgreiche Bildungspart-
C – Bildung und Integration
privat geförderte Projekte, die sich mit deutschen
oder herkunftssprachlichen, teils niederschwelligen
Angeboten der Stärkung der Elternbildung und Erziehungskompetenz widmen. Auch in Bayern ist eine
Arbeitsgruppe Elternarbeit als beratendes Gremium
des Bayerischen Staatsministers für Unterricht und
Kultus eingerichtet worden.
Dem pädagogischen Personal sollten in Fortbildungsveranstaltungen Kenntnisse über Migrationsund Integrationsprozesse sowie die Situation von
ƒƒ Fehlende Nachfragen seitens der Eltern sollten
Lehrkräfte nicht darauf zurückführen, dass diese
keine Fragen haben, sondern eher auf eine Scheu,
auf die Lehrkräfte zuzugehen. Die Initiative zur
Aufnahme von persönlichem Kontakt sollte daher
frühzeitig von den Lehrkräften ausgehen.
ƒƒ Um die geringe Intensität des Kontakts zwischen
Eltern mit Migrationshintergrund und Lehrkräften
zu verändern, haben sich auch Hausbesuche von
Lehrkräften ohne „Problemanlass“ als proaktive
Methode bewährt. Lehrkräfte haben so die Möglichkeit, sich ein Bild von den Lebensbedingungen ihrer
Schülerinnen und Schüler zu machen.
Migranten, Integrationsangebote vor Ort, sowie
Hierzu kann die Zusammenarbeit mit Beratungs-
Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern
verbessern
diensten oder Einrichtungen der Elternberatung
Zur Verbesserung des Informationsflusses und In-
und Migrantenorganisationen, den staatlichen
formationsaustauschs zwischen Eltern und Lehr-
Instituten der Lehreraus- und -fortbildung, anderen
kräften bieten sich unter anderem Lerntagebücher
Weiterbildungsträgern und lokalen Fachschulen /
an, in welche die Lehrkräfte Woche für Woche
Hochschulen eingegangen werden.
Erfolge und Misserfolge der Schüler eintragen. Die
innerfamiliäre Risikofaktoren vermittelt werden.
Abzeichnung durch Eltern stellt sicher, dass die
Elternbezogene Maßnahmen umsetzen
Eltern über die Geschehnisse in der Schule informiert
Um sicherzustellen, dass Eltern, die keine um-
sind. Lerntagebücher können auch als Posthefte
fassenden Deutschkenntnisse haben, wichtige
zum Informationsaustausch zwischen Eltern und
Informationen verstehen, kann der Einsatz von
Lehrkräften genutzt werden.
Dolmetschern, mehrsprachigen Elternbriefen und
und nachdrücklich sollte auf die Notwendigkeit
Niederschwellige Aktivitäten der Elternarbeit anbieten
für Eltern hingewiesen werden, Deutsch zu lernen –
Soziale Elemente können in „klassische“ Eltern­
auch als Vorbild für die eigenen Kinder.
abende integriert oder als Workshops zum gegen-
ähnlichen Instrumenten sinnvoll sein. Gleichzeitig
seitigen Kennenlernen und dem Austausch über
Eine direkte Einbeziehung der Eltern in Projekte
Vorstellungen von Erziehung und Lernen gestaltet
und Unterricht vermittelt Eltern einen Eindruck
werden. Eltern können sich in unterrichtsnahen
vom Unterricht und Schulalltag ihrer Kinder.
Projekten, wie beispielsweise einem „türkischen
Lehrerinnen / Lehrer und Schülerschaft können auf
Tag“ oder einer Unterrichtseinheit zur „russischen
diese Weise Experten für die Durchführung von
Weihnacht“ engagieren, sollten aber nicht auf diese
Projekten mit Bezug zu einzelnen Herkunftsländern
Form der Teilnahme beschränkt werden.
oder zu interkulturellen Aspekten gewinnen.
Eltern als Ansprechpartner für Eltern gewinnen
ƒƒ Umsetzungshinweis: Kontaktaufnahme / Dialog
zwischen Eltern und Lehrkräften
Ein Patensystem „Eltern unterstützen Eltern“ kann
einen Weg der zielgruppengerechten Elternan-
Zur Stärkung des Dialogs und des Austauschs
sprache bilden: Eltern, deren Kinder die Schule bereits
zwischen Eltern und Lehrkräften können insbeson-
durchlaufen haben, können andere Eltern (gege-
dere die folgenden Maßnahmen hilfreich sein:
benenfalls mit gleichem Migrationshintergrund)
ƒƒ Eltern sollten im Rahmen eines ersten Gespräches
umfassend informiert werden, unter anderem
über den Stundenplan und die Fächer ihrer
Kinder, Notengebung, Schullaufbahn, Unterstützungsmöglichkeiten auch außerschulischer Art,
Erwartungen der Schule.
über die Schule, das Schulsystem, Elternarbeit und
die für das Kind nötige Unterstützung informieren.
Dieser niederschwellige Ansatz hilft, sprachliche und
kulturelle Barrieren zu überwinden, Berührungsängste abzubauen und Vertrauen in die Schule zu
91
C – Bildung und Integration
schaffen. Anregung hierfür kann etwa das Beispiel
sollten daher die besonderen Bedürfnisse von Eltern
der Kompetenzschulungen der Elternstiftung
mit Migrationshintergrund stärker beachtet werden.
Baden-Württemberg für die Zusammenarbeit mit
fremdsprachigen Eltern geben.106 Die „Aktion Zusam-
ƒƒ Umsetzungshinweis: Elternabende
menwachsen“ der Beauftragten der Bundesregierung
Schriftliche Einladungen in deutscher Sprache wer-
für Migration, Flüchtlinge und Integration fördert
den oft als unpersönlich wahrgenommen oder nicht
Bildungspatenschaften durch die Einrichtung
verstanden. Einladungen für Elternabende bzw.
regionaler Servicestellen, die Beratung und Informa-
schulische Informationsveranstaltungen sollten in
tion zu Patenschaften bieten und die Angebote vor
den Sprachen formuliert werden, die Eltern verstehen.
Ort vernetzen.
Mündliche bzw. telefonische Einladungen, gegebenenfalls gefolgt von einer schriftlichen Einladung zur
Elterngespräche auf gleicher Augenhöhe führen
Erinnerung, haben sich in der Praxis als erfolgreicher
Elterngespräche sind wichtige Elemente des Dialogs
bewährt. Zusätzlich können aktive Eltern, Bildungs-
zwischen Schule / Lehrkräften und Eltern, die systema-
paten oder andere Schlüsselpersonen, wie Vereinsvor-
tisch genutzt, dabei aber auf die Bedürfnisse von Eltern
sitzende, Muttersprachlehrer oder Imame, Werbung
mit Migrationshintergrund zugeschnitten sein sollten.
für schulische Veranstaltungen machen.
Um Lehrkräfte gezielt auf Elterngespräche mit Eltern
mit Migrationshintergrund vorzubereiten, sollten
Gruppenangebote, wie Elternabende, sollten, wenn
Elterngespräche stärker als bislang zum Bestandteil
möglich, mehrsprachig von einem Moderatorenteam
der Lehreraus- und -weiterbildung gemacht werden.
durchgeführt werden, damit komplexe Themen bei
Bedarf muttersprachlich erklärt werden können.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Elterngespräche
ƒƒ In Elterngesprächen sollten Fragen nach dem Migrationsprozess der betreffenden Familie, der Migrationsmotivation und der Sprachbiografie – wenn nötig mit
Hilfe eines Dolmetschers – geklärt werden.
ƒƒ Bei Elterngesprächen sollten nicht Kinder und Jugendliche oder andere Verwandte als ad-hocDolmetscher eingesetzt werden, da diese von dieser
professionellen Rolle überfordert sein und zudem
keine neutrale Übersetzung gewährleisten können.
ƒƒ Alle Aussagen der Lehrkräfte, Forderungen und
Wünsche an die Elternvertreter sollten klar formuliert werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
ƒƒ Für Elterngespräche kann es zudem hilfreich sein,
„neutrale“, außerschulische Orte wie Lern- und Begegnungsstätten im Stadtteil zu wählen. Dies scheint
insbesondere sinnvoll, um mögliches Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen abzubauen.
Einzelne Schulen berichten über den erfolgreichen
Einsatz von (mehrsprachigen) Verhaltensverträgen,
in denen sich Eltern zu Beginn jeden Schulhalbjahres
verpflichten, Elternabende zu besuchen. Die Verhaltensverträge können sich darüber hinaus auch auf
andere bildungsrelevante Verhaltensweisen beziehen,
indem darin für Eltern, Schülerinnen und Schüler,
Lehrkräfte und Schulleitungen konkrete Verhaltensweisen festgeschrieben werden, die der Erreichung der
Bildungsziele der Kinder förderlich sind.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Elternabende
Um eine größere Zahl von Eltern mit Migrationshintergrund für eine Teilnahme an Elternabenden
und schulischen Informationsveranstaltungen
zu gewinnen, können zum Beispiel folgende, in der
Elternabende und Elternsprechtage zielgruppengerecht gestalten
Weitere wichtige institutionalisierte Formen der
Elternarbeit sind Elternabende und Elternsprechtage.
Die Rolle und Bedeutung von Elternabenden ist
(insbesondere neu zugewanderten) Eltern mit Migrationshintergrund nicht immer klar, ihre Teilnahme
ist oft gering. Bei der Ausgestaltung dieser Angebote
106 http://www.elternstiftung.de
92
Praxis erprobte Ansätze hilfreich sein:
ƒƒ Termine, die auch Eltern im Schichtdienst die
Teilnahme ermöglichen, zum Beispiel am späten
Nachmittag oder Wochenende
ƒƒ Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern und
ihren „Produkten“, um die Neugier der Eltern zu
steigern
ƒƒ Klare, gegebenenfalls wiederholte Kommunikation, dass eine Teilnahme erwartet und für wichtig
gehalten wird
ƒƒ Einbeziehung von Eltern in die Planung
C – Bildung und Integration
ƒƒ Berücksichtigung von religiösen Feiertagen bei der
Terminfestlegung und von religiösen Essensvorschriften
ƒƒ Raum für die Kinderbetreuung, gegebenenfalls
inklusive Betreuungskraft
ƒƒ Auch Themen von besonderer Relevanz für Eltern
mit Migrationshintergrund aufgreifen, zum
Beispiel Mehrsprachigkeit, mehrtägige Klassenfahrten, Sportunterricht
und umfassend, falls möglich herkunftssprachlich,
über das Bildungssystem, Bildungswege, Anforderungen an das Elternhaus, Unterstützungsmöglichkeiten und den Zusammenhang zwischen Schulabschluss und Berufswahlmöglichkeiten zu informieren.
Erfahrungen aus Projekten zeigen, dass Bildungsberatung und Bildungsmanagement auf kommunaler
Ebene einen umfassenden Überblick über lokale
Bildungsangebote und -akteure ermöglichen kann.107
Erziehungspartnerschaften eingehen
Zwischen Elternhaus und Kindergarten bzw. Schule
Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-
sollten Erziehungspartnerschaften eingegangen wer-
Württemberg entwickelt mit Unterstützung der Robert
den, die darauf zielen, die Bildungsqualität in den Eltern-
Bosch Stiftung Materialien für Eltern mit Migrati-
häusern zu verbessern. Für eine anhaltend wirksame
onshintergrund, die bereits grundlegende Deutsch-
Erziehungspartnerschaft sind frühzeitige Begegnun-
kenntnisse besitzen. In einem zweiten Schritt werden
gen zwischen Eltern und Personal der Kindertages-
Akteure aus Schulen, Kindertageseinrichtungen,
einrichtungen bzw. Schulen besonders wichtig. Kinder-
Volkshochschulen, Migrantenorganisationen, Jugend-
gärten und Schulen sollten frühzeitig auf Eltern zugehen
pflege usw. zu Kursleitern qualifiziert, die in Tandem-
und diese über Fördermöglichkeiten der Entwicklung
projekten von Migrantenorganisationen und kom-
ihrer Kinder informieren. Darüber hinaus sollten sie
munalen Bildungseinrichtungen in ihren Kommunen
ermutigt werden, ihre eigenen Vorstellungen zu formu-
Elternkurse durchführen. Zielgruppe dieses nieder-
lieren. Grundlage für die Entwicklung von Erziehungs-
schwelligen Angebots sind Eltern, die ihre Rolle in der
partnerschaften sollte die Identifikation der Ressourcen,
Schul- und Ausbildung ihrer Kinder bereits erkannt
Kompetenzen, Interessen, Bedürfnisse, Erziehungsvor-
haben und nun weiteres Wissen und die nötigen
bilder und des Sprachgebrauchs der Eltern sein.
Kompetenzen erwerben wollen, um ihre Kinder besser
zu unterstützen. Das Material wird auch für bildungs-
Ansprechpartner und Informationen bereithalten
ferne einheimische Eltern hilfreich und bundesweit
Die Einrichtung von Integrationsbeauftragten oder
einsetzbar sein. Die Landeszentrale hat dabei den
interkulturellen Fachberatern an Schulen, wie sie
Anspruch, über die Vermittlung von Basiswissen hinaus
beispielsweise im bayerischen Gesamtkonzept Integra-
die Partizipation der Eltern zu fördern. Auch die
tion vorgesehen sind, können Anlaufstellen für Eltern
Hessische Landesregierung bietet in Kooperation mit
mit Migrationshintergrund bieten. Besonders hilfreich
verschiedenen Akteuren mehrsprachige Informationen
erscheint dabei der Einsatz von neutralen Ansprech-
für Eltern an, insbesondere die Anfang 2009 erschie-
partnern, die weder Klassen- noch Fachlehrer sind.
nene Broschüre „Unser Kind kommt in die Schule“.
Eine durchgängige Schul(laufbahn)beratung (etwa
im Schul- oder Jugendamt angesiedelt) kann dazu
beitragen, Eltern mit Migrationshintergrund gezielt
107 Vgl. ausführlich dazu „Vorschläge zur Verbesserung der
Bildungsberatung für Personen mit Migrationshintergrund – Beschluss der Bund-Länder-Kommission vom 29.03.2004.“
sowie das Programm „Lernen vor Ort“ des BMBF und deutschen Stiftungen unter http://www.lernen-vor-ort.info.
2.1.3 Beteiligung von Eltern mit Migrationshintergrund an Gremien schulischer
Elternvertretung
Ein erhöhtes Engagement von Eltern in der Schule
Schulleistung, weniger Verhaltensprobleme und
hat in der Regel auch auf die Kinder selbst
höhere angestrebte Bildungsabschlüsse.
positive Auswirkungen, vor allem in Bezug auf
Derartige Effekte haben sich insbesondere für
bessere Sprachkenntnisse, allgemein höhere
Angehörige ethnischer Minderheiten ge-
93
C – Bildung und Integration
zeigt.108 Ein hohes Engagement von Eltern mit und
ohne Migrationshintergrund ist aber auch im Sinne
einer partizipativ-demokratischen Schulkultur
Förderliche und hinderliche Bedingungen für das
Engagement von Eltern mit Migrationshintergrund in
Gremien der Elternvertretung
wichtig. Orte für das Engagement von Eltern sind
Engagierte Eltern mit Migrationshintergrund
die institutionalisierten Gremien und Formen der
halten Elternengagement für eine gute, wichtige
Elternvertretung, vor allem auf Jahrgangsstufen-
Möglichkeit, positive Effekte für die Schule und die
bzw. Schulebene.
Schülerinnen und Schüler zu erzielen. Sie engagieren
sich entweder aus eigener Initiative oder erklären
Engagement von Eltern im Allgemeinen und Eltern
sich dazu bereit, weil andere Eltern sich nicht
mit Migrationshintergrund im Besonderen ist in
beteiligen. Teilweise sehen sie sich auch aufgrund
doppelter Hinsicht wünschenswert: Zum einen kann
ihres Migrationshintergrundes und ihres damit
eine engere Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften
verbundenen „Expertenwissens“ in einer beson-
und Eltern einen stärkeren Konsens in Bezug auf
deren Verantwortung für andere Eltern mit Migra-
Erziehungsziele und Schülerverhalten zwischen
tionshintergrund. Diesen Gründen stehen jedoch
beiden herbeiführen. Zum anderen steigert sie bei den
auch ganz handfeste Erwägungen zum „Nutzen“
Eltern das Wissen über die Erwartungen der Schule
des Engagements zur Seite: Eltern versprechen sich
an sie selbst und ihre Kinder, erweitert ihre Möglich-
von ihrem Engagement bessere Informationen
keiten zur Unterstützung bei Hausaufgaben und regt
über das Geschehen in Schule und Unterricht und
den Informationsaustausch mit anderen Eltern an.
sie erwarten den Aufbau von guten Kontakten zu
Eltern können durch ihr Engagement das Gefühl der
Lehrkräften und anderen Eltern.
109
Zugehörigkeit zur Schule bei ihren Kindern erhöhen
und ihr Vertrauen in die eigenen Erfolgsaussichten
Als wichtige Ursachen für die geringe Beteiligung
stärken. Elternengagement in Familien mit Migrations-
von Eltern mit Migrationshintergrund an instituti-
hintergrund kann sich auch deshalb positiv auf
onalisierten Formen der Elternvertretung werden
die Schulleistungen der Kinder auswirken, weil es den
insbesondere unterschiedliche Auffassungen
Kindern und Jugendlichen signalisiert, dass Schule
von Eltern und Schule über die Rollenverteilung von
und Schulerfolg wichtige Bestandteile des Lebens sind.
Schule und Eltern bei der Erziehung und Bildung
des Kindes – genannt.110 Zudem wird vermutet, dass
In klassischen Gremien der Elternarbeit sind – auch
Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit Rechts-
in Schulen mit vielen Kindern mit Migrations-
vorschriften und auch eine gewisse Scheu auftreten,
hintergrund – in der Regel eher wenige Eltern mit
von Lehrkräften und Schulleitung als unbequem
Migrationshintergrund vertreten. Sie wählen
wahrgenommen zu werden. Eltern selbst nennen als
für ihr Engagement andere Formen und organi-
Gründe gegen eine Mitarbeit in Elterngremien insbe-
sieren sich zunehmend in Elternvereinen oder
sondere mangelnde Deutschkenntnisse und eine
informellen Zusammenschlüssen, um die Erziehung
damit verbundene Angst, sich zu „blamieren“, sowie
und Bildung ihrer Kinder in der Schule mit-
fehlendes Wissen über das deutsche Schulsystem.
zugestalten und andere Eltern durch Beratungsund Bildungsangebote zu unterstützen (siehe unten).
Schwerpunkte und Strategien der Zusammenarbeit
Elternvertreter mit Migrationshintergrund
sehen es häufig als ihre Aufgabe, anderen Eltern
108 Grolnick W. S.; Slowiaczek, M. L. (1994): Parents’ involvement
in children’s schooling: a multidimensional conceptualization and motivational model. Child Development, 65,
237-252 / Hill, N. E. & Taylor, L. C. (2004). Parental School
Involvement and Children’s Academic Achievement. Current directions in Psychological Science, 13, 161-164. / Hill,
N. E., Castellino, D. R., Lansford, J. E., Nowlin, P., Dodge, K.
A., Bates, J. E., and Pettit, G. S. (2004). Parent Academic Involvement as Related to School Behavior, Achievement, and
Aspirations: Demographic Variations Across Adolescence.
Child Development, 75, 1491 – 1509.
109 Vgl. Hill und Taylor (2004): a. a. O.
94
mit Migrationshintergrund ihre Unterstützung
110 Kröner, Stephan (2009): Elternvertreter mit Migrationshintergrund an Schulen. Expertise erstellt im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, S. 33. / Jäkel,
J. / Leyendecker, B. (2009): Erziehungsverhalten türkischstämmiger und deutscher Mütter von Vorschulkindern. In:
Psychologie in Erziehung und Unterricht, Heft 55, S. 1-15, sowie
Leyendecker, B. (2008): Bildungsziele von türkischen und
deutschen Eltern - was wird unter Bildung verstanden und wer
ist für die Vermittlung von Bildung zuständig? http://www.migration-boell.de/web/integration/47_1499.asp.
C – Bildung und Integration
anzubieten. Schwerpunkte der Zusammenarbeit
ihre Belange und Lebensverhältnisse oder Vorurteile
zwischen Schulen und Eltern mit Migrationshin-
und Vorbehalte gegenüber Menschen mit Migrations-
tergrund betreffen einerseits die Information und
hintergrund seitens der Schulleitung, der Lehrkräfte
Bildung von Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen /
sowie der Eltern ohne Migrationshintergrund
Schülern, andererseits aber auch die persönliche
wahr. Sie berichten von Schwierigkeiten im Kontakt
und die institutionelle Mitarbeit, beispielsweise
mit Schulleitung und Lehrkräften, insbesondere
den Einsatz für die Verbesserung der Ausstattung
unzureichende Information, zu späte oder zu geringe
der Schule oder die Initiierung von Projekten.
Kontaktaufnahme mit den Eltern sowie eine schlechte
Erreichbarkeit der Lehrkräfte. Außerdem kann es
Elternvertreter mit Migrationshintergrund und
zuweilen an Vertrauen zwischen Eltern, Lehrkräften
Schulen haben zum Teil unterschiedliche Wahr­neh-
und der Schulleitung mangeln. Darüber hinaus
mungen in Bezug auf das Engagement von Eltern
fühlen sich bei Konflikten zwischen Schülerinnen /
mit Migrationshintergrund: Schulleitungen be-
Schülern nicht alle Eltern von der Schulleitung gleich
richten, dass sich Elternvertreter mit Migrationshin-
behandelt. Eltern mit Migrationshintergrund fühlen
tergrund hauptsächlich mit Themen beschäftigten,
sich insbesondere dann nicht angesprochen bzw.
die in Zusammenhang mit Migration und Integration
reagieren irritiert, wenn die Schulleitung ihr Engage-
stehen und nennen dabei etwa den Einsatz für
ment nicht aktiv einfordert. Es können auch kulturelle
Sprachunterricht, den Abbau von Diskriminierung
Unterschiede im Alltagshandeln und der Kommu-
oder die Förderung der Integration der Schülerinnen
nikation sein, die die Zusammenarbeit erschweren,
und Schüler. Gespräche mit Elternvertretern zeigen,
etwa unterschiedliche Gewohnheiten bezüglich der
dass Themen ohne konkreten Migrationsbezug
Anrede per „Du“ oder per „Sie“ oder ein hoher Status
ähnlich viel Raum einnehmen und sie sich auch auf
von Lehrkräften in den Herkunftsländern.111 Dies
schulpolitischer Ebene engagieren.
verdeutlicht, dass Bemühungen um eine Steigerung
des Anteils von Elternvertretern mit Migrationshin-
Schwierigkeiten der Zusammenarbeit
tergrund nicht nur bei den Eltern selbst, sondern
Die Zusammenarbeit zwischen Gremien der Eltern-
bei allen in der Schule Beteiligten ansetzen müssen.
vertretung und Schulen läuft nie völlig reibungslos.
Trotz aller Schwierigkeiten – Elternvertreter mit
Aus der Perspektive von Eltern mit Migrationshinter-
Migrationshintergrund erfahren auch viel Bestärkung
grund können zu den „üblichen Reibungen“ zwischen
und positive Einstellungen durch Lehrkräfte und
Eltern und Schule jedoch noch weitere Aspekte
Schulleitungen, Offenheit gegenüber ihrer Person und
hinzukommen: Grundsätzlich können Sprachbarri-
ihren Anliegen, Interesse für ihre Lebensverhältnisse
eren und fehlende Kenntnisse über Rolle, Aufgabe und
sowie Wertschätzung ihres Engagements.
Möglichkeiten von Elternvertretern die Zusammenarbeit erschweren. Elternvertreterinnen und -vertreter
mit Migrationshintergrund nehmen aber auch
Vorbehalte oder Intoleranz, fehlendes Interesse für
111 Vgl. Plath, Ingrid / Bender-Szymanski, Dorothea / Kodron,
Christoph (2002): Dokumentation zur Situation von Schülerinnen und Schülern mit Migrationserfahrungen an Frankfurter
Schulen im Schuljahr 2000/2001, Frankfurt am Main.
Empfehlungen
Interesse für Engagement wecken
Elternvertreterinnen und -vertreter sind bereits häufig
die Förderung der Erziehungskompetenz der Eltern
seit der Kindergartenzeit ihrer Kinder in der Eltern-
unterstützen und sie stärker in den Alltag der Einrich-
arbeit engagiert. Es empfiehlt sich, bereits in diesen
tung einbinden – wie etwa das Programm „HIPPY“.112
Institutionen mit Maßnahmen zur Förderung des
Engagements von Eltern mit Migrationshintergrund
zu beginnen. Als dafür besonders geeignet erweisen
sich im Kindergartenalter beginnende Projekte, die
112 HIPPY (Home Instruction für Parents of Pre-school youngsters) ist ein zweijähriges Familienbildungsprogramm, das
Eltern befähigt, mittels täglicher Übungen und Spiele die
soziale und kognitive Entwicklung ihrer Kinder zu fördern.
95
C – Bildung und Integration
Persönliche Ansprache spielt bei der Gewinnung von
higkeit im Deutschen als Voraussetzung, kann jedoch
Eltern mit Migrationshintergrund für die Mitarbeit
auch ohne perfekte Deutschkenntnisse gelingen.
in einem Elterngremium eine wichtige Rolle. Es
Hier sollte bei Lehrkräften und Eltern ohne Migra­
sollte dabei jedoch sichergestellt werden, dass die
tionshintergrund ein Bewusststein dafür geschaffen
angesprochenen Eltern auch wissen, was konkret von
werden, auf eventuelle Lücken im Deutschen Rück-
ihnen verlangt wird. Unterschiedliche – oft unausge-
sicht zu nehmen und die Arbeit und das Know-how
sprochene – Rollenverständnisse von Elternvertretung
von Eltern mit Migrationshintergrund unabhängig
können dazu führen, dass Elternvertreterinnen und
von ihren Deutschkenntnissen wertzuschätzen.
-vertreter augenscheinlich inaktiv sind, jedoch selbst
primär auf Anfragen seitens der Schule warten und für
Informelle und formelle Elternarbeit in der Gruppe
nutzen
die Wünsche anderer Eltern bereitstehen zu sollen.
Feste werden von vielen Lehrkräften als geeignete,
davon ausgehen, im Rahmen ihres Engagements
niederschwellige Möglichkeiten zur Initiierung von
Wertschätzung für das Engagement von Eltern mit
Migrationshintergrund zeigen
Elternengagement, zum Auflösen von Blockaden
Der Interaktion zwischen Lehrkräften und Eltern
gesehen. Gemeinsame Aktivitäten von und für
ist wichtig, um Eltern für die Mitarbeit in Gremien
Eltern im informellen Rahmen – beispielsweise ein
zu gewinnen. Hier gilt es, den Eltern gegen-
„Kaffeeklatsch“ in der Schule – können dazu
über Offenheit zu signalisieren und aufeinander
beitragen, dass sich Eltern mit Migrationshinter-
zuzugehen. Die Zusammenarbeit mit engagierten
grund und andere Eltern und Lehrkräfte besser
Eltern kann sich aus Lehrersicht durchaus
kennenlernen und über Möglichkeiten zur Mitwir-
schwierig gestalten, beispielsweise in Gesprächen
kung am Schulleben informieren.
und zur Förderung der Identifikation mit der Schule
um Probleme mit den Kindern. Lehrkräfte sollten
erhalten – etwa zur Gesprächsführung in interkul-
Themen von Relevanz für Eltern mit Migrations­
hintergrund aufgreifen
turellen Situationen.
Eltern engagieren sich insbesondere dann, wenn
hierbei Unterstützung durch Fortbildungen
sie ihre Vorlieben und Interessen dabei einbringen
Wichtig für die Unterstützung des Engagements
können und ihre Themen und Bedürfnisse „wieder
von Eltern mit Migrationshintergrund in Elterngre-
finden“. Hier kann es ein Ansatzpunkt für die
mien ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit
Schulen sein, Themen zu identifizieren, die von
allen Eltern über kulturelle Unterschiede hinweg.
besonderer Relevanz für Eltern mit Migrationshin-
Diese gelingt nicht immer reibungslos – mangelnde
tergrund sind und sie bei Bedarf zum Bestandteil
Offenheit und Akzeptanz, (unbewusste) Vorurteile,
von Engagement in Elterngremien zu machen.
mangelndes Interesse sowie fehlendes Wissen über
die kulturellen Besonderheiten der Familien mit
ƒƒ Umsetzungshinweis: Identifikation von Themen
Migrationshintergrund vonseiten der Eltern ohne
Eine einfache Möglichkeit hierzu ist der Einsatz
Migrationshintergrund können die gemeinsame
von kurzen Fragebögen zu Themenwünschen vor
Zusammenarbeit erschweren. Informations- und
Elternabenden.
Sensibilisierungsveranstaltungen können hier
hilfreich sein. Solche Veranstaltungen können in
Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen
entwickelt und angeboten werden.
Vernetzung und Institutionalisierung – Unter­
stützung der Zusammenarbeit durch öffentliche
Einrichtungen bereitstellen
Es existieren viele städtische Einrichtungen, die
Strategien und Ansätze, das Engagement von Eltern
sich um die Integration von Menschen mit Migra­
mit Migrationshintergrund in Elterngremien zu
tionshintergrund bemühen und die auch eng mit
stärken, müssen auch eventuelle sprachliche Bar-
Migrantenorganisationen vernetzt sind. Die Arbeit
rieren im Blick haben. Mitarbeit in Elterngremien hat
dieser Einrichtungen wird an den Schulen und
ein gewisses Maß an Verständnis- und Ausdrucksfä-
von den Elternvertreterinnen und -vertretern mit
96
C – Bildung und Integration
Migrationshintergrund aber oftmals noch nicht
Erziehungsberechtigter nicht-deutscher Herkunfts-
hinreichend wahrgenommen. Eine stärkere Vernet-
sprache als beratende Mitglieder, so sie nicht bereits
zung der auf Integration ausgerichteten städtischen
Mitglieder sind.
Einrichtungen, der privaten Akteure wie zum Beispiel
Bürgerstiftungen und der Vereine von Eltern mit
§ 109 des Hessischen Schul-Gesetzes (HSchG) sieht Re-
Migrationshintergrund mit den örtlichen Schulen
gelungen für eine stärkere Repräsentanz von Eltern
kann die Zusammenarbeit zwischen Eltern mit
mit Migrationshintergrund in den Schuleltern-
Migrationshintergrund und Schulen unterstützen.
beiräten vor: Eltern in Schulen mit mindestens 10
und höchstens 50 Prozent Anteil ausländischer
Schulbeiräte gründen
Schülerinnen und Schüler wählen pro 25 ausländische
In Großbritannien, Kanada und den USA sind
Kinder in der Primarstufe und Sekundarstufe, pro 20
„School Councils“ ein weit verbreitetes Instrument zur
ausländische Jugendliche in der Sekundarstufe II und
Beteiligung von Eltern bei der Ausgestaltung des
pro 50 ausländische Jugendliche in der Berufsschule je
Schullebens. Nach diesem Vorbild könnten auch an
einen Elternvertreter für die Dauer von 2 Jahren. Diese
deutschen Schulen Schulbeiräte installiert werden,
Elternvertreter gehören dem Schulelternbeirat mit
in denen neben den Eltern, auch andere Vertreter der
beratender Stimme an. Diese Regelung sichert eine
unterschiedlichen im Stadtviertel lebenden Gruppen
schulinterne Einbindung von Eltern mit Migrations-
vertreten sind. Der Schulbeirat engagiert sich für
hintergrund in die Strukturen der Elternvertretung. In
die Schule, wird bei der Einstellung von Lehrkräften
Hessen sind zudem die Gremien mit Elternbeteiligung
und Schulleitern miteinbezogen, kann Geld für die
auf Stadt-, Kreis- und Landesebene miteinander
Schule sammeln und für diese werben. Dadurch
verflochten, so dass ein Austausch stattfinden kann.
können Eltern leichter motiviert werden, sich auch
Nach § 114 Abs. 8 HSchG können auch Repräsentanten
über die Dauer des Schulbesuchs der eigenen Kinder
ausländischer Eltern als Gäste an den Sitzungen der
hinaus für eine Schule zu engagieren.
Kreis- bzw. Stadtelternbeiräte teilnehmen. Für Gast-
113
redner besteht die Möglichkeit, auf Probleme hinzuBei der Übertragung des Modells auf deutsche
weisen oder Vorschläge zu unterbreiten. So können
Schulen sollte bei der Errichtung von neuen
Belange von Eltern mit Migrationshintergrund auch
Gremien jedoch vorher geprüft werden inwieweit
über diese Gremien einfließen. Auch die spezifische
es ausreicht, bereits bestehende Schulgremien in
Interessenvertretung für Eltern mit Migrationshin-
ihrer Funktion aufzuwerten.
tergrund ist in Hessen stärker ausgeprägt: Durch das
Gremium der Vertretung ausländischer Eltern besteht
Ein gutes Beispiel, wie Eltern mit Migrationshinter-
ein eigenständiges Konstrukt, das es ausländischen
grund in Gremien schulischer Elternvertretung
Eltern ermöglicht, ihre Belange gebündelt einfließen
in institutionalisierter Form eingebunden werden
zu lassen. Dies eröffnet ihnen die Möglichkeit der
können, bietet das Berliner Schulgesetz. In § 75 ff des
Organisation ihrer Interessen.114
Berliner SchulG finden sich folgende Vorschriften
zur Schulkonferenz: Die Schulkonferenz ist das
Forschungsdesiderate
oberste Beratungs- und Beschlussgremium der
Ein Großteil der verfügbaren deutschsprachigen
schulischen Selbstgestaltung. Mitglieder sind neben
Literatur zum Thema Elternarbeit und Migrations-
Vertretern der Schulleitung, Lehrer, Erziehungs-
hintergrund beschränkt sich auf eine Sammlung von
berechtigten und Schüler auch ein Vertreter der
Beispielen guter Praxis und erfahrungsbasierenden
nicht der Schule angehört, sowie bei Schulen mit
Empfehlungen. Eine systematische Überprüfung der
über 50 Schülern nicht-deutscher Herkunftssprache
Wirksamkeit von Ansätzen einer stärkeren Zusammen-
zusätzlich eine Schülerin / ein Schüler und ein
arbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund, in- und
113 Bainski, Christiane et al. (2004): Schule und Migration. In:
Heinrich-Böll-Stiftung und die Bildungskommission der
Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Selbständig Lernen - Bildung
stärkt Zivilgesellschaft - Sechs Empfehlungen der Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung, Weinheim, S. 189-233.
außerhalb von Elterngremien, ist bislang kaum erfolgt.
Angesichts der wachsenden Bedeutung des Themen114 Kröner, Stephan (2009): a. a. O., S. 12.
97
C – Bildung und Integration
bereichs sind in diesem Kontext daher weitere quali-
gement von Eltern mit Migrationshintergrund
tative und quantitative Untersuchungen erforderlich
feststellbar und relevant für die Entwicklung von
– insbesondere zum Engagement im Primarbereich.
speziellen Angeboten sind.
Nicht geklärt ist darüber hinaus die Frage, ob
herkunftslandbezogene Unterschiede im Enga-
2.1.4 Stärkung der Rolle von Migrantenorganisationen in der Elternarbeit und Elternbildung
Vereine zugewanderter Eltern, aber auch andere Mi-
Dialogpartner, Brückenbauer, Multiplikatoren oder
grantenorganisationen, unterstützen Bildungs-
Bildungspaten. Um Eltern mit Migrationshintergrund
einrichtungen und Eltern in ihrer Kommunikation
zu erreichen und für den Bildungserfolg ihrer Kinder
und Kooperation. Die genaue Zahl der Vereine von
zu aktivieren, werden sie daher zunehmend von
Eltern mit Migrationshintergrund in Deutschland ist
Bildungsinstitutionen angesprochen. Vereine von
nicht bekannt. Sie hat in den letzten Jahren jedoch
Eltern mit Migrationshintergrund115 zeigen großes
zugenommen – einzelne Vereine haben bereits eine
Engagement und haben wichtiges Know-how in
lange Tradition. Vorbild vieler Elternvereine ist die
diesem Bereich aufgebaut.
erfolgreiche Arbeit der spanischen Elternvereine, die
sich bereits früh entschieden haben, für die Integra-
Unterschiedliche Angebote und Aktivitäten haben sich
tion ihrer Kinder in das deutsche Schulsystem und in
für Elternvereine als effektiv und zielgruppengerecht
die deutsche Gesellschaft sowie für die gleichzeitige
erwiesen, um Eltern mit Migrationshintergrund zu
Förderung des muttersprachlichen Unterrichts einzu-
erreichen, z. B. zweisprachige Informationsangebote
treten. Heute erreicht über zwei Drittel der spanischen
zu bildungs- und ausbildungsrelevanten Themen.
Schülerinnen und Schüler mindestens die Fachober-
Migrantenorganisationen bieten häufig vor Ort
schulreife. Der Bund der Spanischen Elternvereine
Seminare an, die Eltern stärken sollen, den Entwick-
in der B.R.D. e.V. (Confederación de Asociaciones
lungsprozess ihrer Kinder zu unterstützen (etwa der
Españolas de Padres de Familia en la R.F.A.) hat sich
Verein Bildungslotse Nürnberg e.V.). Eine Einbettung,
daher im Nationalen Integrationsplan verpflichtet,
Kooperation und Vernetzung der von ihnen angebo-
seine Erfahrungen an andere Migrantenorgani-
tenen Programme mit Einrichtungen vor Ort – etwa
sationen weiterzugeben. In Nordrhein-Westfalen
Kindertageseinrichtungen, Schulen, Jugendsozial-
stellt der Bund der Spanischen Elternvereine seine
arbeit, Jugendberufshilfe, JMD, freie Träger, Integra-
Erfahrungen und Arbeitsmethoden in der interkultu-
tionskurse – ist dabei vorteilhaft. Vereine von
rellen Elternarbeit zur Förderung des Schulerfolgs von
Eltern mit Migrationshintergrund verleihen über diese
Migrantenkindern auch anderen Eltern im Rahmen
konkreten „Dienstleistungen für Eltern“ hinaus auch
des Projektes „Schlaue Kinder starker Eltern“ zur
den Interessen der Eltern Gewicht. Sie können helfen,
Verfügung. Die Türkische Gemeinde in Deutschland
die Angst vor Schulen abzubauen, Missverständnisse
hat mit ihren Mitgliedsorganisationen Föderation
zu vermeiden oder auszuräumen und den Kontakt zur
Türkischer Elternvereine, der Föderation Türkischer
Schule zu verbessern. Die Vereinsarbeit will dabei das
Lehrervereine und dem Bundesverband Türkischer
individuelle Engagement von Eltern für ihre Kinder
Studierendenvereine die Kampagne „Bildung für die
oder die Arbeit von Elterngremien aber nicht ersetzen.
Zukunft“ gestartet (mehr unter ww.veli.tgd.de).
Als Maßnahme zur Stärkung der Aktivitäten von
Die Anerkennung der Bedeutung von Elternver-
Eltern in den Bildungseinrichtungen bildet die
einen und Migrantenorganisationen im Bereich
Bildung und Integration hat in den letzten Jahren
zugenommen. Elternvereinen sind wichtig als
98
115 Neben Elternvereinen gibt es weitere institutionalisierte Organisationsformen, in denen Migrantinnen und Migranten
zu Bildungsfragen zusammenarbeiten.
C – Bildung und Integration
staatlich anerkannte Einrichtung der Weiterbildung
Folge, dass ihre Aktivitäten mit einer Berufstätigkeit
„Academia Española de Formación“ (spanische
„jongliert“ werden müssen (vergleiche hierzu auch
Weiterbildungsakademie e.V.) Multiplikatorinnen
Kapitel D). Elternvereine schätzen dies aufgrund ihrer
aus, die in Dortmund und Köln „Frauenkurse“ mit
hohen und mit steigender Nachfrage von Bildungs-
Müttern aus Kindertageseinrichtungen und
einrichtungen und Eltern kontinuierlich wach-
Grundschulen durchführen. Ziel dieser Kurse ist es,
senden Arbeitsbelastung als kritisch ein. Sie befinden
die Mütter an die Schulen heranzuführen und
sich in einer Zwickmühle: Ihre Rolle als Mittler im
Elternpartizipation in den Schulen zu fördern.
Bildungsprozess wird zunehmend wichtiger, oft
stehen sie aufgrund ihrer ehrenamtlichen Struk-
Der mehrfach ausgezeichnete Interkulturelle
turen jedoch am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Die
Bildungs- und Förderverein für Schüler und Studenten
Erwartungen, die seitens der Bildungseinrichtungen
e.V. (IBFS) führt im Rahmen des Projektes „Pro
an Eltern-Migranten­organisationen bestehen, sind
Bildung!“ Elternbildungsseminare zu den Themen
dabei nicht immer klar artikuliert bzw. strukturiert.
Elternbildung, Gesundheit und Medien in enger
Elternvereine berichten auch von Schwierigkeiten,
Zusammenarbeit mit mehreren Partnerschulen im
das Vertrauen der Schulen zu gewinnen.
Ruhrgebiet durch.
116
Schulen haben oft nur geringe Kenntnis und InforRahmenbedingungen der Arbeit von Elternvereinen
mation über vorhandene Migrantenorganisationen
Vereine von Eltern mit Migrationshintergrund haben
und deren Mitwirkungsbereitschaft. Auch für
in der Regel keine hauptamtlichen Strukturen –
Schulen ist die Zusammenarbeit mit Vereinen zu-
Ehrenamtlichkeit und bürgerschaftliches Engage-
gewanderter Eltern aufgrund der schwierigen
ment sind Kernelemente ihrer Arbeit. Dies hat zur
Erreichbarkeit der in der Regel ehrenamtlich arbeitenden Vereine nicht immer einfach zu initiieren
116 http://www.ibfs-ev.org
bzw. zu verstetigen.
Empfehlungen117
Aufgaben und Rolle der Elternvereine konkretisieren
Ziel von Elternvereinen sollte die Unterstützung der
Rahmenbedingungen des Engagements von Elternvereinen gewährleisten
Integration von Kindern und Jugendlichen in das
Elternvereine benötigen zur Erfüllung ihrer
deutsche Bildungssystem unter Berücksichtigung
Aufgaben die Unterstützung der Institutionen der
der Herkunftskultur sein. Über diese grundlegenden
Mehrheitsgesellschaft. Förderlich für ihr Enga-
Aspekte hinaus sollte jeder Elternverein seine Ziele
gement können insbesondere die Unterstützung
und Methoden genau definieren.
durch Paten, finanzielle Mittel sowie die Freistellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für
Zunehmendes Interesse für die Unterstützung
ehrenamtliche Tätigkeiten durch Arbeitgeber sein.
von Eltern mit Migrationshintergrund zeigen aber
Wichtig sind darüber hinaus feste Ansprechpartner
auch andere Migrantenorganisationen. Insbe-
für Elternvereine bei Bildungseinrichtungen bzw.
sondere diesen, oftmals kleineren und mit den An-
auf der Ebene der lokalen Bildungsverwaltung.
forderungen der Elternarbeit nicht vertrauten
Organisationen kann mittels Weiter- und Fort-
Zusammenarbeit mit Schulen gestalten
bildungsveranstaltungen Unterstützung bei der
Zur Unterstützung der Zusammenarbeit von
Zielfindung und -erreichung angeboten werden.
Schulen und Vereinen von Eltern mit Migrationshintergrund sollten verbindliche Rahmenvereinbarungen auf lokaler, regionaler oder auch
117 Viele der Empfehlungen, die in Kapitel D für die Rolle von Migrantenorganisationen formuliert werden, gelten auch für
Elternvereine. Sie werden hier nicht noch einmal aufgeführt.
Landesebene entwickelt werden, in denen
die Zusammenarbeit von Schulen mit außerschu-
99
C – Bildung und Integration
lischen Institutionen für die Bereitstellung von
Vereine profitieren können. Die Gründung von
Angeboten geregelt ist. Elternvereine sollten von
Netzwerke sollte von Bund, Ländern und – auf lokaler
Bildungseinrichtungen nicht nur als Vermittler
Ebene – von Kommunen einerseits, aber auch von
nachgefragt, sondern auch in die Gestaltung der
privaten Akteuren wie Stiftungen unterstützt werden.
Zusammenarbeit mit Eltern und die Schulgremien-
Auch Dachverbände von Migrantenorganisationen
arbeit einbezogen werden. Bildungseinrichtungen
oder die Arbeitsgemeinschaften der Ausländerbeiräte
benötigen hierfür systematische Informationen
sollten eine aktive Rolle beim Aufbau von Netzwerken
über Angebote und Bedarfe von Elternvereinen.
von Elternvereinen spielen. Dabei ist auch die nach-
Eine professionelle Begleitung der Kooperation för-
haltige Weiterführung der Netzwerkarbeit nach
dert die Nachhaltigkeit der Zusammenarbeit
der ersten – eventuell aus Projektmitteln bestrittenen –
und eine Kooperation auf gleicher Augenhöhe.
Anschubfinanzierung sicherzustellen.
118
Elternvereine vor Ort sollten aktiv den Kontakt mit
Bildungseinrichtungen suchen und umgekehrt.
Als ersten Schritt zur Netzwerkbildung wünschen
sich im Bildungsbereich aktive Migrantenorganisa-
Eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung
tionen ein „offenes Forum“ mit neutraler Modera-
beugt auch in der Zusammenarbeit zwischen
tion. Dazu sollte zunächst ein kleiner aktiver Kreis
Elternvereinen und Schulen Konflikten vor. Hierfür
aus Migrantenorganisationen gegründet werden,
muss das Vertrauen zwischen Vereinen und Schulen
der Themenvorschläge aus der Politik aufgreift und
vielerorts noch aufgebaut werden.
diskutiert sowie eigene Themen einbringt.
Migrantenorganisationen in interkulturelle Bildung
einbeziehen
ƒƒ Umsetzungshinweis: Gründung von Elternnetz­
werken
Migrantenorganisationen werden von Schulen bisher
Folgende Aspekte sollten bei der Gründung und
kaum als Partner für interkulturelle Bildungsaktivi-
Weiterführung von Elternnetzwerken Berücksichti-
täten einbezogen. Migrantinnen bzw. Migranten und
gung finden:
Migrantenorganisationen sollten nicht auf die Rolle
ƒƒ Netzwerke sollen ihre Mitglieder in der eigenständigen und an den eigenen Bedarfen ausgerichteten
Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten
unterstützen.
ergänzender Nachhilfeangebote oder Dolmetschertätigkeiten in Konfliktsituationen reduziert werden,
sondern auch in die Entwicklung und Durchführung
interkultureller Bildungsangebote von schulischen
und außerschulischen Partnern eingebunden werden.
Professionalisierung von Elternvereinen unterstützen
Um ihre Arbeit noch umfassender ausführen zu
können, benötigen Elternvereine wie andere
Migrantenorganisationen auch Unterstützung bei
ihrer Professionalisierung. (Ausführliche Empfehlungen zur Professionalisierung von Migrantenorganisationen finden sich in Kapitel D.)
ƒƒ Die Vernetzung von Elternvereinen über nationale
bzw. ethnische Wurzeln hinweg funktioniert auf
Basis des gemeinsamen Interesses „das Wohl
unserer Kinder“; allerdings benötigt es Zeit, einen
gemeinsamen Rahmen für Kooperation zu finden,
der verschiedene Perspektiven und Arbeitsweisen
integriert.
ƒƒ Netzwerke können unterschiedlich gestaltet werden.
Von lockere Runden, über eine Stelle zur Koordination von Migrantenorganisationen, die in der Elternarbeit aktiv sind bis zu eigenständigen, aber staatlich
unterstützten Gruppen wird aus der Praxis die
letztgenannte Form als effektivste beschrieben.
Elternnetzwerke gründen und fördern
Das im März 2006 gegründete „Elternetzwerk Nord-
Netzwerke von Elternvereinen können kleineren und
rhein-Westfalen. Integration miteinander“ ist
neu gegründeten Vereinen und Initiativen Unter-
ein Zusammenschluss von Vereinen, Initiativen und
stützung bieten, da sie von den Erfahrungen größerer
Interessenvertretungen von Eltern mit Migrations-
118 Vgl. für Rheinland-Pfalz: Otten, Matthias (2008): Interkulturelle Bildung an Ganztagsschulen: Ein neues Kooperationsfeld für Migrantenorganisationen? In: Bildungsforschung,
Jahrgang 5, Ausgabe 1, http://www.bildungsforschung.org/
index.php/bildungsforschung/article/viewFile/95/97.
100
hintergrund unter der Schirmherrschaft des
Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und
Integration. Das Ministerium möchte mit dem
Netzwerk einen Rahmen und finanzielle Unterstüt-
C – Bildung und Integration
zung bieten, um die Brückenfunktion der engagierten
Eltern mit Migrationshintergrund zu stärken. Heute
engagieren sich fast 50 Vereine und Institutionen
in diesem Elternnetzwerk. Das Elternnetzwerk unterstützt Eltern, die sich zu bildungspolitischen und
pädagogischen Fragen weiterbilden möchten. Zu
seinen Aktivitäten gehören:
ƒƒ Hilfe bei der Vernetzung der Vereine und der
Umsetzung konzeptioneller und methodischer
Ansätze
ƒƒ Ausbildung von Eltern zu Multiplikatoren in einer
Elternakademie
ƒƒ Öffentlichkeitsarbeit zu den Aktivitäten der
Elternorganisationen.
ƒƒ Familienberatung und Informationsveranstaltungen für und mit zugewanderten Eltern
in Nordrhein-Westfalen
2.2 Lehramtsstudierende und Lehrkräfte
mit Migrationshintergrund gewinnen
Auch mit Blick auf die geringe Anzahl pädago-
werden [muss] in Deutschland, dass junge Menschen
gischer Fachkräfte offenbart sich die unterdurch-
mit Zuwanderungsgeschichte sich auch für den
schnittliche Beteiligung von Menschen mit
Lehrerberuf entscheiden“. Seither haben Akteure
Migrationshintergrund am Bildungssystem in
aus Gesellschaft und Politik der Steigerung des
Deutschland: Ihr Anteil bei Lehrerinnen und
Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund
Lehrern liegt bei etwa 1,2 Prozent – allerdings
in pädagogischen Berufen wachsende Aufmerksam-
schwanken die Angaben teilweise beträchtlich.
keit gewidmet.
119
Auch in Kindertageseinrichtungen sind nur wenige
Fachkräfte mit Migrationshintergrund beschäftigt.
Der Nationale Integrationsplan regt an, bei der
Ähnlich ist die Situation in der außerschulischen
Personalrekrutierung durch geeignete Maßnahmen
Jugend- und Erwachsenenbildung: Sowohl in der
der Werbung und Einstellung darauf hinzuwirken,
allgemeinen als auch in der beruflichen Weiter-
dass deutlich mehr Personen mit Migrations-
bildung sind Lehrende bzw. Ausbildende sowie Trai-
hintergrund für pädagogische Berufe gewonnen,
nerinnen und Trainer mit Migrationshintergrund
qualifiziert und eingestellt werden.120 Die Kultus-
deutlich unterrepräsentiert im Vergleich zu ihrem
ministerkonferenz und Migrantenorganisationen
Anteil an der Bevölkerung. Eine stärkere Teilhabe an
betonen gemeinsam die Notwendigkeit der
pädagogischen Berufen ist deshalb mit Blick auf
Erhöhung des Anteils von Lehrkräften mit Migrati-
den gleichberechtigten Zugang zu hoch qualifizierten
onshintergrund. Die Gewerkschaft Erziehung und
Berufen bedeutsam. Der Aus- und Weiterbildung bzw.
Wissenschaft fordert, an jeder Bildungseinrichtung
verstärkten Beschäftigung pädagogischen Personals
mindestens einen Pädagogen oder eine Pädagogin
mit Migrationshintergrund sollte aber auch deshalb
mit Migrationshintergrund zu beschäftigen.
besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, da sie
Konkrete Umsetzung erfährt das Bestreben, mehr
angesichts der wachsenden Heterogenität der Kinder
Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund
und Jugendlichen zur interkulturellen Öffnung
zu gewinnen, derzeit an mehreren Standorten in
von Schulen beitragen und eine Vorbildfunktion für
Deutschland. Eine umfassende Analyse bestehender
Schüler und Schülerinnen einnehmen.
Ansätze, ihre bundesweite Verbreitung und Weiterentwicklung fehlt bislang jedoch.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) wies im
Jahr 2006 erstmals darauf hin, dass „es … Normalität
119 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 (Hg.):
a. a. O., S. 139 f. Diese Zahl bezieht sich auf Lehrkräfte mit
ausländischer Staatsangehörigkeit.
120 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 65.
101
C – Bildung und Integration
2.2.1 Lehrkräfte mit Migrationshintergrund –
Kompetenzen und Herausforderungen
Pädagogisches Personal und Lehrkräfte mit Migra-
curricular und materiell bemerkbar machen. Bei
tionshintergrund spielen eine wichtige Rolle bei
der Diskussion um eine vermehrte Einstellung von
der interkulturellen Öffnung von Bildungseinrich-
Lehrkräften mit Migrationshintergrund ist zu
tungen, der Zusammenarbeit mit zugewanderten
beachten, dass diese zwar auch für integrations-
Eltern und der Wertschätzung und Förderung von
spezifische Aufgabenbereiche wichtig sind, dass
Mehrsprachigkeit. Sie werden zudem als wichtige
Lehrkräfte mit Migrationshintergrund aber in der
Rollenvorbilder für Kinder mit Migrationshin-
gesamten Breite des schulischen Spektrums zum
tergrund wahrgenommen. Mehr Lehrkräfte mit
Einsatz kommen sollen. Die Frage nach der schul-
Migrationshintergrund machen Vielfalt in der Schule
praktischen Bedeutung der spezifischen Res-
bewusst und tragen dazu bei, Chancen aufzudecken,
sourcen von Lehrerinnen und Lehrern mit Migra-
die in dieser Vielfalt liegen. Ihrer Beteiligung an
tionshintergrund wurde von der Stabstelle des
der Entwicklung von Lehr- und Lernmitteln, in
Integrationsbeauftragten der Stadt Stuttgart mit
Führungspositionen und der Lehreraus- und -fortbil-
Projektmitteln des Bundesamtes aufgearbeitet und
dung kommt eine wichtige Funktion zu.
für die Öffentlichkeit dokumentiert.121
Darüber hinaus können sie Kompetenzen
Der Arbeitsmarkt für Lehrkräfte in Deutschland
mitbringen, die für den pädagogischen Alltag, den
Die Ausbildung und Einstellung von Lehrkräften fällt
Umgang mit Schülern und Eltern eine besondere
in die Zuständigkeit der Länder. Nach Berechnungen
Bereicherung darstellen: Aufgrund ihrer eigenen
des Deutschen Philologenverbands werden in den
migrations- und integrationsspezifischen Er-
nächsten zehn Jahren rund 320 000 Lehrerinnen
fahrungen haben Lehrkräfte mit Migrationshinter-
und Lehrer von insgesamt 785 000 aus dem aktiven
grund häufig einen besseren Blick für die verbor-
Dienst ausscheiden, das sind rund 40 Prozent. Auch
genen Ressourcen von Schülern und Schülerinnen
wenn man den Rückgang der Schülerzahlen berück-
mit Migrationshintergrund. Zwar ist ein eigener
sichtigt, müssen in Deutschland mindestens 290 000
Migrationshintergrund nicht automatisch mit
dieser ausscheidenden Lehrkräfte ersetzt werden.
qualifizierten interkulturellen Kompetenzen gleich-
Da im gleichen Zeitraum voraussichtlich aber nur
zusetzen. Jedoch können Lehr- und andere päda-
210 000 Lehramtsbewerberinnen und -bewerber
gogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund
ihre Ausbildung abschließen werden, werden in den
eine größere Sensibilität für mögliche Konflikte
nächsten zehn Jahren rund 80 000 Lehrerstellen
und Herausforderungen haben, die sich für Kinder,
nicht oder nicht adäquat durch voll ausgebildete
Jugendliche und Eltern mit Migrationshintergrund
Lehrkräfte besetzt werden können.122
im Alltag der Bildungseinrichtungen ergeben
können. Dies kann zu einer verbesserten Qualität
Diese Zahlen müssen bei der Wahl eines Lehramts-
der Eltern-Lehrer-Beziehung führen, von der das
studiums jedoch differenziert betrachtet werden,
gesamte Schulklima profitieren kann.
denn die Einstellungschancen für Lehramtsabsolventen sind stark von Schulart und Schul-
Zudem können Lehrkräfte mit Migrationshinter-
fächern abhängig. Die Kultusministerien der
grund Vorbehalten in Lehrerkollegien entgegen-
Länder bieten deshalb auf ihren Internetseiten
wirken und interkulturelle Perspektiven auf Schule
ständig aktualisierte Informationen zu Ein-
und Unterricht eröffnen. Lehrkräfte mit einer
stellungsprognosen und -voraussetzungen. Zusätz-
Migrationsbiografie sind Beispiele gelungener Inte-
lich hat die Kultusministerkonferenz die offene
gration und nehmen eine nicht zu unterschätzende
Amtschef-Arbeitsgruppe „Laufbahn / Besoldung /
Rolle als Vorbilder gesellschaftlicher Heterogenität
Versorgung im Schulbereich“ und die Kommission
an Schulen wahr. Die interkulturelle Öffnung
in Bildungseinrichtungen sollte sich jedoch nicht
nur auf das Personal beziehen, sondern sich auch
102
121 http://www.stuttgart.de/migranten-machen-schule
122 http://www.bildungsserver.de/innovationsportal/bildungplus.html?artid=480
C – Bildung und Integration
für Statistik im Rahmen der Stralsunder Erklärung
im Verhältnis zur jeweiligen Gesamtanzahl Studie-
vom 06.03.2009 gebeten, einen Vorschlag für eine
render auf fast alle Studiengänge gleich. Die einzige
gemeinsame Strategie zur Deckung des Lehrkräfte-
Ausnahme bilden Lehramtsstudiengänge: 12 Prozent
bedarfs unter Berücksichtigung der Kapazitäten in
aller Studierenden ohne Migrationshintergrund
den Lehramtsstudiengängen und im Vorbereitungs-
entscheidet sich für ein Lehramtsstudium. Bei den
dienst zu erarbeiten.
Studierenden mit Migrationshintergrund beläuft
123
sich dieser Anteil auf nur 6 Prozent.124 Zwar gibt es
Initiativen der Länder zur Deckung des Lehr­
kräftemangels
keine repräsentative empirische Untersuchung zu
Die Länder haben unterschiedliche Kampagnen und
Jugendlicher bzw. Studierender mit Migrations-
Lösungsansätze entwickelt, um dem Lehrkräfte-
hintergrund können aber vor allem das geringe
mangel entgegenzuwirken. So finden sich bundes-
Sozialprestige, kaum wahrgenommene Karriere-
weite Kampagnen einzelner Bundesländer, die mit
möglichkeiten, schlechte Vorerfahrungen während
breit angelegten Werbeaktionen das Ansehen des
des eigenen Schulbesuchs sowie Ängste, den
betreffenden Bundeslandes als Arbeitgeber für Lehr-
Anforderungen im Staatsdienst nicht gewachsen zu
kräfte wie auch den Stellenwert des Lehrerberufes
sein, als Ursachen der geringen Studienbeteiligung
an sich steigern wollen. Viele Bundesländer bieten
angenommen werden. Zudem können Zweifel,
Interessenten auch weitere, hauptsächlich finanzi-
ob eine ausländische Staatsangehörigkeit einer
elle Anreize durch höhere Einstiegsgehälter, eine
Ausübung des Berufs im Beamtenverhältnis
schnelle Verbeamtung, Fortbildungsoffensiven für
entgegensteht, die Berufswahl verhindern. In vielen
Lehrkräfte oder weniger Unterrichtsstunden. Andere
Familien mit Migrationshintergrund zählt der Beruf
Maßnahmen umfassen die Aufstockung der Studien-
der Lehrerin / des Lehrers nicht zu den klassischen
plätze, sowie Lehrkräfte- und Referendariatsstellen
Aufsteigerberufen – dies stellt ein zusätzliches
in gesuchten Fächern und Schularten. Einige Länder
Hindernis bei der Berufswahl dar, zumal Eltern mit
betreiben gezielt Werbung bei Schülerinnen und
Migrationshintergrund häufig einen großen Einfluss
Schülern, um über den Lehrerberuf zu informieren.
auf das Berufswahlverhalten ihrer Kinder haben.
Auch die Beschäftigung sogenannter Quer- und
Auch die Studienabbruchquote unter Studierenden
Seiteneinsteiger ohne Lehramts-, aber mit einem
mit Migrationshintergrund ist höher als bei anderen
Fachstudium wird von einigen Ländern als Mittel
Studierenden. Viele künftige Lehrkräfte mit Mi-
zur Deckung des Lehrkräftemangels insbesondere
grationshintergrund kommen demnach erst gar nicht
in den naturwissenschaftlichen Mangelfächern
bis an die Schwelle des Berufes. Die Ursachen hier-
eingesetzt. Strategien, die gezielt bereits hier
für sind noch nicht ausreichend erforscht, entspre-
lebende Lehrerinnen und Lehrer mit ausländischen
chend schwierig ist die Entwicklung von Lösungs-
Ausbildungen für eine pädagogische Tätigkeit
strategien. Ein wichtiger Aspekt, der von Studierenden
(vergleiche Kapitel D) oder Jugendliche mit
mit Migrationshintergrund (aller Fächer) genannt
Migrationshintergrund für ein Lehramtsstudium
wird, sind fehlende Unterstützungsangebote während
gewinnen sollen, werden nach aktuellem Kenntnis-
des Studiums, in denen die sehr spezifischen Anfor-
stand nicht ausreichend berücksichtigt.
derungen dieser Studierendengruppe aufgegriffen
den Gründen, ausgehend von Erfahrungsberichten
werden, etwa im fachsprachlichen Bereich. Es ist dabei
2.2.2Lehramt – (k)ein Studium für Studierende
mit Migrationshintergrund?
Laut Statistischem Bundesamt ist die Verteilung von
Studierenden mit bzw. ohne Migrationshintergrund
123 http://www.kmk.org/presse-und-aktuelles/meldung/ergebnisse-der-325-plenarsitzung-der-kultusministerkonferenzam-5-und-6-maerz-2009-in-stralsund.html
eine wichtige gemeinsame Aufgabe aller Beschäftigten im Bereich der Ausbildung und Einstellung von
Lehrkräften dafür Sorge zu tragen, dass mehr
Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund
124 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.) (2006): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in
der Bundesrepublik Deutschland 2006. 18. Sozialerhebung
des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch HIS
Hochschul-Informations-System, Berlin, S. 46.
103
C – Bildung und Integration
einen Abschluss erreichen, die zweite Phase der Aus-
Migrationshintergrund berät. Ein Netzwerk mit
bildung erfolgreich durchlaufen und einen Weg
weit über 200 Mitgliedern ist entstanden, das
in den Beruf finden. Das dargestellte Problem
intensiv für den Lehrberuf unter Abiturientinnen
fehlender pädagogischer Fachkräfte (Lehrkräfte) mit
und Abiturienten wirbt, angehende Lehrkräfte
Migrationshintergrund hat seine Ursache auch in
mit Migrationsbiografie ehrenamtlich berät und
den Problemen bei der Anerkennung von im Ausland
Studierenden Patenschaften zur Examensvorberei-
erworbenen Berufsabschlüssen.
tung anbietet.125 Im Rahmen der Lehrerwerbetage
des Ministeriums für Schule und Weiterbildung
2.2.3Ansätze zur Steigerung des Anteils von
Lehramtsstudierenden mit Migrations­
hintergrund
an den Studienseminaren im Land hat das Thema
„Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte“ einen
besonderen Schwerpunkt. Gemeinsam mit dem
Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsge-
Mehrere Aspekte sind von besonderer Bedeutung,
schichte Nordrhein-Westfalen hat das Bundesamt
wenn es um die Entwicklung von Ansätzen geht, mehr
für Migration und Flüchtlinge im März 2010 einen
Jugendliche mit Migrationshintergrund gezielt für
Bundeskongress „Lehrkräfte mit Migrationshinter-
ein Lehramtsstudium zu gewinnen und darüber
grund: Potenziale gewinnen, Ausbildung begleiten,
hinaus sicherzustellen, dass sie das Studium erfolgreich
Personalentwicklung gestalten“ veranstaltet. Damit
beenden und den Schritt vom Studium in den Beruf
sollte Expertinnen und Experten aus Wissenschaft
schaffen. Diese beziehen sich auf die Aufwertung des
und Praxis, Vertretern der Landes- und Bundes-
Lehrerberufs und der Institution Schule bei der Ziel-
politik sowie bildungspolitischen Akteuren ein
gruppe, die Identifikation mit dem Beruf Lehrer, den Ab-
Forum geboten werden, um über Möglichkeiten
bau informeller Zugangsbarrieren zum Lehramts-
zur Steigerung des Anteils an Lehrkräften mit
studium und zum Beruf sowie die Sensibilisierung von
Migrationshintergrund zu diskutieren und Koordi-
Bildungseinrichtungen und Schulleitungen für
nationsstellen für Netzwerke einzurichten.
die Bedeutung der interkulturellen Öffnung der
Lehrerschaft.
Die drei Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin
haben eine Kooperation verabredet und in den ersten
Konkrete Umsetzung erfährt das Bestreben, mehr
Schritten auch bereits aufgenommen, um sich über
Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund zu
Einstellungsmöglichkeiten für Menschen mit Migrati-
gewinnen, derzeit an mehreren Standorten in Deutsch-
onshintergrund in den Vorbereitungsdienst und den
land: Im Jahr 2008 wurden in Hamburg und Düssel-
Schuldienst zu verständigen und länderübergreifende
dorf durch einen eigens für Abiturientinnen und Abitu-
Fachtage für die Seminarleitungen in der zweiten
rienten ausgerichteten „Schülercampus: Migranten
Phase der Lehrerbildung vorzubereiten.
werden Lehrer“ (Hertie Stiftung, Zeit Stiftung, Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-West-
Das Projekt „Migranten machen Schule!“ der Stabs-
falen) Jugendliche mit Migrationshintergrund gezielt
abteilung für Integration der Landeshauptstadt
zur Aufnahme eines Lehramtsstudiums motiviert. Im
Stuttgart will Schülerinnen und Schüler mit Migrati-
Frühjahr 2010 fand ein solcher Schülercampus auch
onshintergrund (und ihre Eltern) für den Lehrerberuf
in Bayern statt, mit dem zugleich ein Netzwerk für
interessieren, indem es Lehrkräfte mit Migrations-
Lehrkräfte mit Migrationshintergrund initiiert wurde.
hintergrund als Vorbilder zeigt.126 Zusätzlich vermit-
In Nordrhein-Westfalen werden diejenigen Teilnehmer
teln in Baden-Württemberg „Studienbotschafter“
des „Schülercampus“, die sich für ein Lehramtstudium
(Studierende ab dem 2. Semester) ihre eigenen Er-
entschieden haben, durch Patenschaften aus dem
fahrungen an Schülerinnen und Schüler, um die
Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte
Studienwahl zu erleichtern. Kooperationspartner sind
(siehe unten) durch das Studium begleitet.
neben den pädagogischen Hochschulen, den Univer-
In Nordrhein-Westfalen wurde eine Landeskoordinationsstelle eingerichtet, die Lehrkräfte mit
104
125 http://www.raa.de/mehr-lehrkraefte-mit-zuwanderung.html
126 http://www.stuttgart.de/migranten-machen-schule
C – Bildung und Integration
sitäten und Seminaren für Lehrerbildung (2. Phase)
Die Fulbright-Kommission128 ermöglicht Lehramtsstu-
die Schulverwaltung und die für Schule und Lehrer-
dierenden mit Migrationshintergrund Studienaufent-
bildung zuständigen Ministerien. Grundgedanke des
halte in den USA.
Projekts ist es, bedarfsgerechte Unterstützungsmaßnahmen zu initiieren und verstärkt die Ressourcen der
Die ZEIT-Stiftung führt Orientierungskurse zur Studien-
Lehrpersonen mit Migrationshintergrund zu nutzen.
und Berufswahl durch, in denen sich Jugendliche
mit Migrationshintergrund ein eigenes Bild vom Lehr-
MiCoach an der Universität Bremen ist ein verpflich-
amtsstudium und vom Lehrerberuf machen können.
tendes Modul der Lehrerausbildung, in dessen Rahmen
Schließlich veranstalten Universitäten Schnupperstu-
Lehramtsstudierende Schülerinnen und Schülern das
dien in Projektwochen oder bieten Lehramtsstudie-
Lehramtsstudium nahebringen. Auch die Initiative
renden Unterstützung beim Erwerb des akademischen
„Berlin braucht Dich“ des Beauftragten für Integration
Deutsch oder beim Umgang mit Diskriminierung
und Migration des Landes Berlin und des Beruflichen
(entsprechende Angebote gibt es an Lehrstühlen der
Qualifizierungsnetzwerks für Migrantinnen und
Universität Bremen und der Universität Tübingen).
Migranten (BQN) in Berlin will Lehramtsstudierende
Deutschlandweit gibt es viele gute Ideen, Projekte,
mit Migrationshintergrund anwerben.
Netzwerke, Initiativen und Forschungsvorhaben, die
bislang aber nur selten länderübergreifend bekannt
Stiftungen berücksichtigen (zukünftige) Lehramtsstu-
sind. Auf Initiative des Netzwerks für Lehrer mit
dierende mit Migrationshintergrund oder Interessierte
Zuwanderungsgeschichte in Nordrhein-Westfalen
in ihren Programmen: Mit der Einrichtung ihres
wird ein von Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Horizonte-Programms will die Hertie-Stiftung dazu
geförderter, bundesweiter Kongress das Thema aus
beitragen, dass mit einem höheren Anteil an
wissenschaftlicher und praxisbezogener Perspektive
Lehrkräften mit Migrationshintergrund die gesell-
einem breiten Publikum aus Wissenschaft und Praxis
schaftliche Realität auch in den Klassenräumen
vorstellen. Die folgenden Empfehlungen sollen auch
verstärkt abgebildet wird. Horizonte soll dabei helfen,
dazu beitragen, die Erfahrungen und erfolgreich
junge Menschen für den Lehrberuf zu begeistern
eingesetzten Instrumente der Projekte, Programme
und Lehrerkollegien um engagierte Nachwuchskräfte
und Initiativen stärker zu verbreiten.
zu bereichern. Zum Wintersemester 2009/10 werden
15 Stipendien für Lehramtsstudierende in Frankfurt,
Darüber hinaus hat das Bundesamt ein Konzept für
Berlin und Hamburg ausgeschrieben. Partner sind
eine deutsch-türkische Koproduktion entwickelt,
die jeweiligen Universitäten vor Ort, die Kultusministe-
die das Berufsbild „Lehrerin / Lehrer“ und Wege und
rien sowie in Hamburg die ZEITStiftung und die
Unterstützungsmöglichkeiten während Studium
Jürgen Sengpiel Stiftung. Die Deutsche Telekomstiftung
und Referendariat in einer türkischsprachigen
fördert künftig verstärkt die Ausbildung von Lehr-
Fernsehsendung vorgestellt hat. Ausschnitte der
kräften in den so genannten MINT-Fächern Mathe-
Sendung sind auf der Internet­seite des Bundesamts
matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik .
für Migration und Flüchtlinge veröffentlicht.
127 http://www.telekom-stiftung.de/dtag/cms/content/TelekomStiftung/de/407602
128 http://www.fulbright.de/diversity0/lehramtsstudierende.html
127
Empfehlungen
Kompetenzen und Potenziale von Lehrkräften mit
Migrationshintergrund benennen und fördern
Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sind
gelungener Integration. Sie dürfen nicht auf die
zunächst Fachlehrkräfte wie alle anderen auch.
Funktion interkultureller Krisenmanager oder
In diesem Sinne sind sie positive Vorbilder
Übersetzer reduziert werden. Die Entscheidung für
105
C – Bildung und Integration
oder Funktion muss jeder Lehrkraft überlassen
Image des Lehrerberufs verbessern, Informationen
zum Berufsbild bereitstellen
bleiben.
Dem geringen Ansehen des Lehrerberufs in der Ge-
die Übernahme einer entsprechenden Rolle
sellschaft an sich wie auch in der peer group vieler
Interkulturelle Kompetenz ist nicht notwendiger-
Jugendlicher kann mittels breit angelegter Informati-
weise Konsequenz des Migrationshintergrunds.
onskampagnen entgegengewirkt werden, die ge-
Zusätzlich zur positiven Einstellung einer Lehrerin /
zielt Jugendliche und Eltern mit Migrationshinter-
eines Lehrers gegenüber sprachlicher und
grund adressieren. Solche Initiativen sollten auch über
kultureller Heterogenität ist auch eine Professiona-
Einstellungschancen, Einstellungsvoraussetzungen
lisierung bzw. professionelle Vermittlung interkul-
(Lehrerinnen und Lehrer auch ohne deutsche
tureller Kompetenz (interkulturelle Konfliktlösung,
Staatsangehörigkeit) und Karrieremöglichkeiten
Umgang mit Heterogenität) notwendig.
informieren. Um eine möglichst große Reichweite zu
ermöglichen, sollten entsprechende Aktivitäten
Spezifische Ressourcen von Lehrpersonen mit Migrationshintergrund nutzen
gemeinsam von den zentralen Akteuren des Bildungs-
Lehrkräfte mit Migrationshintergrund können
ties geplant und umgesetzt werden.
systems und mit Vertretern von Migrantencommuni-
neben Kenntnissen in Herkunftssprachen und
dem Einblick in andere Traditionen und Kulturen
ƒƒ Umsetzungshinweis: Informationskampagne
auch eine interkulturelle Perspektive auf Schule
Speziell auf die Gewinnung von Lehramtsstu-
und Unterricht mitbringen. Diese interkulturelle
dierenden mit Migrationshintergrund angelegte
Perspektive kann die Schule bereichern und
Kampagnen sollten vorab definieren, welche
Schulentwicklung fördern. Schulleitungen und
Zielgruppen erreicht werden sollen: alle Studienbe-
Kollegien müssen verstärkt angeregt und
rechtigte mit Migrationshintergrund oder nur solche
befähigt werden, diese migrationsbedingten
mit biografischem Bezug zu bestimmten Kulturen.
Ressourcen von Lehrpersonen mit Migrationshin-
Entsprechende Initiativen sollten auch Bezug
tergrund zu nutzen.
nehmen auf die Wahrnehmung, der Lehrerberuf
würde nur eine Tätigkeit in Deutschland ermögli-
Zugangsbarrieren zum Lehramtsstudium abbauen
chen, was einem möglichen Wunsch, später in das
Herkunftsland zurückzukehren, entgegensteht.
Um Strategien zu entwickeln, mehr Studienberechtigte mit Migrationshintergrund für ein Lehr-
Informationsseiten für Lehramtsanwärter und
amtsstudium zu interessieren, ist es erforderlich,
Lehramtsanwärterinnen der Länder zu Einstellungs-
die – allgemeinen oder zielgruppenspezifischen –
chancen könnten, wie zum Beispiel in Hamburg,
Gründe zu identifizieren, die einem Lehramts-
auf ihr besonderes Interesse an der Einstellung von
studium möglicherweise entgegenstehen und
Lehrkräften mit Migrationshintergrund hinweisen.129
darauf aufbauend zielgruppengerechte Informationen und Angebote zu entwickeln.
Information, Beratungs- und Orientierungsangebote
durchführen
Fehlende finanzielle Ressourcen sind generell ein
Zur Motivation für ein Lehramtsstudium können
Hindernis für die Aufnahme eines Studiums.
Beratungsangebote zur beruflichen Orientierung
Stipendienprogramme können Abhilfe schaffen.
mit Blick auf Jugendliche allgemein und potenzielle
Subjektive Gründe gegen ein Lehramtsstudium,
Studierende mit Migrationshintergrund noch
insbesondere solche, die auf Befürchtungen
stärker genutzt werden:
vor Diskriminierung und eigenen schlechten
Erfahrungen mit der Schule basieren, sollten ernst
genommen und durch frühzeitige Informationen
und entsprechende Beratungsangebote entgegengewirkt werden (siehe unten).
106
ƒƒ Neben der allgemeinen Berufsberatung kann, wie
an vielen Schulen bereits üblich, eine spezielle
129 http://www.hamburg.de/vorbereitungsdienst/64646/
einstellungschancen-referendare.html
C – Bildung und Integration
Berufs- und Studienorientierung am Gymnasium
sinnvoll sein. Sie erfolgt durch eine Lehrerin /
einen Lehrer, die / der mit den Universitäten und
ihren allgemeinen und fachbezogenen Studienberatern zusammenarbeitet.
ƒƒ Anonyme Online-Orientierungsverfahren mit
detaillierter Rückmeldung für künftige Lehramtsstudierende bieten eine gute Möglichkeit
der Selbsteinschätzung und Selbstorientierung.
Angehende Studierende können dabei überprüfen, ob sie die persönlichen Voraussetzungen
für den Lehrerberuf mitbringen.130
ƒƒ „Studienbotschafter“ (Mentoren, Patenprogramme) – Studierende, Referendarinnen und
Referendare oder Lehrkräfte mit Migrationshintergrund – können ihre eigenen Erfahrungen
in der Universität, im Vorbereitungsdienst und
Referendariat an Schülerinnen und Schüler
weitergeben.
ƒƒ Eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund, die z. B.
in einer Landeskoordinierungsstelle angesiedelt ist,
kann interessierten Abiturientinnen und Abiturienten Orientierung und Information vermitteln.
ƒƒ Berufsinformationszentren und Berufsberaterinnen und -berater sollten für das Thema „Lehrer
mit Migrationshintergrund“ im Rahmen der
neutralen, auf das individuelle Eignungs- und
Interessensprofil des Einzelnen (unabhängig ob
mit oder ohne Migrationshintergrund) abzielenden Beratungsstrategie sensibilisiert werden.
ƒƒ „Schnupperstudien“ an Universitäten bieten eine
gute Möglichkeit, zukünftige Studierende umfassend zu beraten und zu informieren und ihnen
einen realistischen Einblick in den Studienalltag
zu gewähren. Derzeit existierende Angebote sind
aber überwiegend nicht lehramtsorientiert.
Die Zielgruppe erreichen
Die Ansprache potenzieller Studieninteressierter
mit Migrationshintergrund sollte über mehrere
Kanäle erfolgen und die besonderen Bedürfnisse der
Zielgruppe und die Wege, über die man sie erreichen
kann, berücksichtigen. Mit einzelnen Ansätzen wurden
bereits Erfahrungen in Deutschland gesammelt:
ƒƒ Direkte Ansprache der Jugendlichen, zum Beispiel
über Lehrkräfte und Migrantenorganisationen
ƒƒ Informationsangebote für Eltern, Lehrkräfte,
Schulleiterinnen / Schulleiter, Schülerinnen /
Schüler, zum Beispiel durch:
ƒƒ Schülercampus ( vgl. das Konzept der ZEITStiftung)
ƒƒ Workshops zum Berufsbild Lehrerin / Lehrer
(zum Beispiel RAA Nordrhein-Westfalen /
Netzwerk Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte)
ƒƒ Frühe Laufbahnberatung und Hinführung
zum Lehramtsstudium, beispielsweise
über Lehramtsstudierende, die als fester Bestandteil des Curriculums der Lehrerausbildung Schülerinnen / Schüler über das
Lehramtsstudium informieren und coachen
(zum Beispiel MiCoach an der Universität
Bremen).
Zusätzlich könnten über herkunftssprachliche
Medien wie Fernsehen und Tagespresse Eltern sowie
Schülerinnen und Schüler direkt angesprochen
werden.
Studienabbruchquote verringern
Die Studienabbruchquote unter Studierenden
mit Migrationshintergrund ist höher als bei
Der Lehrerberuf wird auch im Internet vorgestellt.
Studierenden ohne. Hier kann neben Stipendien die
Der deutsche Bildungsserver bündelt diese Seiten
Etablierung eines Mentoren- oder Patenprogramms
und bietet unter http://www.lehrer-werden.de
gegensteuern. Weitere hilfreiche Angebote sind
ein Portal mit umfassenden Informationen zum
Coachingprogramme und Schreibwerkstätten
Berufsbild, Studium, Vorbereitungsdienst, und Links
an Universitäten zur Unterstützung bei Sprach-
zu relevanten Seiten der Bundesländer. Diese – und
problemen, vor allem im Bereich akademisches
weitere online verfügbare – Informationen zum
Deutsch. Unterstützung kann auch beim Umgang
Lehramtsstudium sollten dahingehend analysiert
mit individueller Diskriminierungserfahrung
werden, ob sie die Zielgruppe der Jugendlichen
wichtig sein. Unterstützungsbedarf besteht auch
erfolgreich ansprechen, oder gegebenenfalls eine
in der 2. Phase der Lehrerbildung („Referendariat“),
Weiterentwicklung oder Ergänzung erforderlich ist.
in der die Lehramtsanwärter mit den spezifischen
Anforderungen des Schulalltags (Sprachkompetenz
130 Vgl. z. B.: Lehramtsstudium in Baden-Württemberg, Selbsttest und Information http://www.bw-cct.de
im Unterricht, Kooperation im Kollegium, Elternkontakte usw.) konfrontiert sind.
107
C – Bildung und Integration
Erforderlich ist insbesondere eine Information der
und mit geeigneten Medien (Print, Internet) allen
Studierenden mit Migrationshintergrund über die
Interessierten zur Verfügung gestellt werden. In
für ein erfolgreiches Absolvieren des Vorbereitungs-
einem zweiten Schritt können verschiedene Aktivi-
dienstes unabdingbaren Sprachkenntnisse. Es hat
täten in Form von Modellprojekten bildungsbiogra-
sich in der Praxis gezeigt, dass bei Migrantinnen und
fisch differenziert miteinander verbunden werden,
Migranten der ersten Generation häufig Probleme
um einen umfassenden Ansatz aus bestehenden
in der Bewältigung der Unterrichtssprache (Recht-
Bausteinen zu entwickeln (und gegebenenfalls
schreibung, Grammatik, Artikulationsfähigkeit)
durch weitere Aspekte zu ergänzen). Wichtige An-
bestehen. Die Information muss mit Angeboten über
sprechpartner für ein solches Vorhaben sind
Sprachkurse usw. und ggf. deren Finanzierbarkeit
neben den bereits aktiven Einrichtungen und Projekt-
verbunden sein.
trägern unter anderem die Kultusministerkonferenz bzw. die Kultusministerien der Länder,
Netzwerke auf- und ausbauen
Lehrerverbände und Universitäten.
Studierende, Referendarinnen und Referendare
und Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshinter-
Forschungsdesiderate
grund können von ihren Erfahrungen gegenseitig
Das Thema Lehrkräfte bzw. Lehramtsstudierende
profitieren. Einen Rahmen für einen solchen
mit Migrationshintergrund wird bisher nur
Erfahrungsaustausch bietet der Auf- und Ausbau
vereinzelt in Forschungsprojekten berücksichtigt.
von Netzwerken, auch schon für Studierende und
Grundsätzlich sind in diesem Themenbereich
Referendarinnen und Referendare, die Migran-
zu den jeweiligen Zielgruppen Schülerinnen /
tenorganisationen einbeziehen, Multiplikatoren
Schüler, Eltern, Studierende, Lehrkräfte, Schulen
ausbilden, interkulturelle Fortbildungen an-
und Universitäten noch viele Fragen offen. Diese
bieten und Abiturientinnen / Abiturienten und
betreffen vor allem informelle Hindernisse bei
Lehramtsstudierende betreuen. Bund, Länder
der Wahl des Studienfachs, die Rolle der Eltern im
und Kommunen aber auch Stiftungen sollten die
Berufswahlprozess, das Ansehen des Lehrerberufs
Gründung von Netzwerken fördern, die Lehramts-
allgemein, Brüche im Studium bzw. Ursachen,
studierende und Lehrer mit Migrationshinter-
die den erfolgreichen Abschluss für das Lehramt
grund unterstützen.
verhindern und Schwierigkeiten an der Schnittstelle
zwischen Studium und Beruf. Zusätzlich fehlen
Einstellungskorridore gewähren
Erkenntnisse aus quantitativ orientierten Quer- und
Um kurzfristig eine Erhöhung des Anteils von Lehr-
Längsschnittstudien, die für die Entwicklung einer
kräften mit Migrationshintergrund zu erreichen,
dauerhaften und zielorientierten Lösungsstrategie
kommen besondere Einstellungsverfahren in
unverzichtbar sind.
Betracht: Eine Möglichkeit, die gegenwärtig kontrovers diskutiert wird, ist eine Quotenregelung
Vor einer detaillierten Analyse sollte eine kritische
für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. Da-
Auseinandersetzung mit vorhandenen Daten
neben wird vereinzelt auch im Rahmen einzelschul-
erfolgen und die Datenlage gegebenenfalls anhand
bezogener Stellenausschreibungen die Möglichkeit
neuer Erhebungen aktualisiert werden. Hierzu
genutzt, bilinguale und / oder bikulturelle
sollten auch bereits vorhandene Daten bei Behörden
Erziehung zur Einstellungsvoraussetzung zu
oder Ministerien herangezogen werden.
machen.
Umfassenden Ansatz zur Steigerung des Anteils von
Lehramtsstudierenden mit Migrationshintergrund
entwickeln
Um einen länderübergreifenden Erfahrungsaustausch zu diesem Themenbereich zu ermöglichen,
sollten zunächst alle Maßnahmen dokumentiert
108
109
D – Gesellschaftliche Integration
D
Gesellschaftliche Integration
1. Schwerpunktthemen im
Handlungsfeld gesellschaftliche Integration
Gesellschaftliche Integration bedeutet Teilhabe und
gesellschaftliche Integration gelegt. Der Nationale
Mitgestaltung der Gesellschaft. Inwiefern sie
Integrationsplan hält fest: „Ob Migrantinnen und
erfolgreich ist, lässt sich insbesondere am Grad der
Migranten ihre Kompetenzen zur Geltung bringen
Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund
können, hängt auch von den sozialen Bedingungen
am sozialen, politischen und kulturellen Leben
und Barrieren ab, auf die sie treffen.“131 Mit den
erkennen. Aspekte wie die Mitgliedschaft in Organisa-
hier vorgestellten Empfehlungen im Bereich
tionen, bürgerschaftliches Engagement aber auch der
gesellschaftliche Integration soll ein Beitrag dazu
Zugang zu Angeboten der außerschulischen Bildung,
geleistet werden, die sozialen Bedingungen so
zur gesundheitlichen Versorgung, zu kulturellen
zu gestalten, dass Menschen mit Migrationshin-
Angeboten sowie zu sozialen Beratungsstellen und den
tergrund ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in die
allgemeinen sozialen Regeldiensten (etwa Sozial- oder
Gestaltung des Gemeinweisens vor Ort einbringen
Familienberatungsstellen), spielen dabei eine Rolle.
und Teil einer aktiven Bürgergesellschaft werden
können, in der „möglichst viele Menschen
Drei Entwicklungen lassen sich im Bereich der
Verantwortung übernehmen und Eigeninitiative
Förderung gesellschaftlicher Integration in den
entwickeln.“132
letzten Jahren insbesondere beobachten:
ƒƒ Integrationsangebote verfolgen zunehmend potenzialorientierte Ansätze: Im Fokus stehen die
Ressourcen und Kompetenzen von Menschen mit
Migrationshintergrund und die Frage, wie sie
diese bei der Gestaltung ihrer Integration und für
das Zusammenleben vor Ort einbringen können
ƒƒ Das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe von
Menschen mit Migrationshintergrund wird zunehmend durch die Förderung von Selbstorganisation verfolgt
ƒƒ Angebote richten sich verstärkt auch an Menschen ohne Migrationshintergrund, um
das Thema interkulturelle Öffnung stärker zu
verankern.
Unter dem Leitthema „gesellschaftliche Teilhabe
von Menschen mit Migrationshintergrund stärken“
werden drei Aspekte in den Blick genommen, die
die Mitwirkung von Menschen mit Migrationshintergrund – insbesondere im Gemeinwesen vor
Ort – fördern:
ƒƒ Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung
ƒƒ Gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen am
Beispiel der interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit
ƒƒ Bürgerschaftliches Engagement
Migrantenorganisationen sind Foren der Selbstorganisation und der gesellschaftlichen Betei-
Hinter allen Themen, die im Rahmen des bundes-
ligung. Sie sind wichtige zivilgesellschaftliche
weiten Integrationsprogramms bearbeitet werden,
steht der Gedanke, die Partizipation von Menschen
mit Migrationshintergrund zu stärken. Ein besonderer Schwerpunkt hierauf wird im Handlungsfeld
110
131 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 13.
132 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 14.
D – Gesellschaftliche Integration
Organisationen und Partner im Rahmen der
dazu kann die Jugend(verbands)arbeit leisten. Auf
Integrationsförderung als auch selbst Adressat von
Verbandsebene gibt es hierzu bereits einzelne,
Angeboten der Integrationsförderung. Im Natio-
wirkungsvolle Initiativen. Die Jugendverbandsar-
nalen Integrationsplan wird ihre wichtige Rolle für
beit wird jedoch bisher nicht bundesweit und auf
die Integration konkretisiert: Sie bilden Brücken
allen Verwaltungsebenen unter dem Blickwinkel
zwischen Menschen mit und ohne Migrationshin-
der Partizipationsförderung von Jugendlichen
tergrund: Migrantinnen und Migranten können
mit Migrationshintergrund betrachtet. Die im
Migrantenorganisationen die Notwendigkeit
bundesweiten Integrationsprogramm entwickelten
eigener Integrationsbemühungen nahebringen.
Empfehlungen sollen eine breite Umsetzung
Der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund
interkultureller Öffnungsprozesse in der Jugend-
und der Politik können sie die Perspektiven,
verbandsarbeit unterstützen und damit zu einer
Potenziale aber auch Probleme der Menschen ver-
stärkeren gesellschaftlichen Teilhabe von Jugend-
mitteln, die sie vertreten. Der Stärkung von
lichen mit Migrationshintergrund beitragen.
Migrantenorganisationen kommt aufgrund
ihres partizipations- und integrationsfördernden
Eine große Verantwortung dafür, ob der Zusam-
Potenzials hohe Bedeutung zu. Das zum Teil schon
menhalt in einer Gesellschaft gelingt, trägt
seit Jahren bestehende Engagement von Migran-
die Zivilgesellschaft. Bürgerschaftliches Engage-
tenorganisationen anzuerkennen und künftig
ment – das klassische Ehrenamt aber auch neue
verstärkt zu unterstützen, ist ein wichtiger Beitrag
Formen des freiwilligen Engagements – spielt
zu einer nachholenden Integrationsförderung.
daher traditionell eine ganz besondere Rolle in
Bund, Länder, Kommunen und nichtstaatliche
der Integrationsförderung. Bürgerschaftliches
Organisationen sollten Migrantinnen, Migranten
Engagement in und durch Migrantenorganisa-
und ihre Organisationen stärker in Planung
tionen kann die Partizipation von Menschen mit
und Gestaltung von Integrationsmaßnahmen ein-
Migrationshintergrund erhöhen. Im gemein-
beziehen, so die Forderung des Nationalen
samen Engagement von Menschen mit und ohne
Integrationsplans.
Migrationshintergrund können neue Gemein-
133
Im Rahmen des bundesweiten
Integrationsprogramms sollen hierzu konkrete
schaften und ein Zusammengehörigkeitsgefühl
Möglichkeiten aufgezeigt werden.
unabhängig von der Herkunft entstehen. Dabei
kann und soll das bürgerschaftliche Engagement
Die Integration von Jugendlichen mit Migrations-
professionelle Sozialarbeit nicht ersetzen. Es
hintergrund ist von besonderer Bedeutung. Gelingt
kann jedoch ergänzend einen wichtigen Beitrag
die Integration der Kinder und Jugendlichen
zur Integration leisten und dabei auf die Kompe-
nicht, wird ihnen auch als Erwachsene oftmals
tenzen und Kenntnisse der Migrantinnen und
der Zugang zu vielen gesellschaftlichen Bereichen
Migranten selbst zurückgreifen. Im Nationalen
erschwert. Die Lebenssituation junger Menschen
Integrationsplan wird diese besondere Rolle des
mit Migrationshintergrund ist jedoch zum Teil
bürgerschaftlichen Engagements hervorgehoben.
durch Integrationsdefizite und Benachteiligungen
Integration, so der Beitrag des Bundes im Natio-
gekennzeichnet, insbesondere im Bildungssystem.
nalen Integrationsplan, ist ohne die vielfältigen
Um dies zu verändern, ist die Förderung einer
Aktivitäten der Zivilgesellschaft nicht möglich.134
besseren Teilhabe junger Menschen mit Migrations-
Auch der 2009 entwickelte Nationale Engagement-
hintergrund an außerschulischer Bildung – wie z. B.
plan greift das Engagement von und mit Menschen
durch die Teilnahme an den Jugendfreiwilligen-
mit Migrationshintergrund auf.
diensten –, an demokratischem Lernen, an jugendpolitischer Interessensvertretung und an sinnvoller
Bürgerschaftliches Engagement ist in allen Hand-
Freizeitgestaltung besonders wichtig. Einen Beitrag
lungsfeldern der Integration von Bedeutung. Es
133 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 13.
134 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 20.
111
D – Gesellschaftliche Integration
wurde daher bei der Entwicklung der Empfehlungen
informelle Zusammenschlüsse. Von Bedeutung für die
des bundesweiten Integrationsprogramms als Quer-
Integration können auch interkulturelle Vereine sein,
schnittsthema behandelt. Besonders häufig werden
in denen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft
Empfehlungen zum freiwilligen, gemeinwesenori-
engagieren. Diese Gruppen können in besonderem
entiertem Engagement in der Integrationsförderung
Maße Brücken über Herkunftsgrenzen hinweg bauen.
im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration
formuliert, aber auch in den anderen Kapiteln finden
Im Blickfeld des bundesweiten Integrationsprogramms
sich Schnittstellen.
und der hier ausgesprochenen Empfehlungen stehen
Organisationen, die sich nachweislich in der Integrationsarbeit engagieren, nicht nur nach innen wirken,
2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten
im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration
2.1 Migrantenorganisationen als Akteure
der Integrationsförderung stärken
sondern auch eine Brücke zwischen Menschen mit und
ohne Migrationshintergrund bilden können. Auf
gesellschaftliche Integration zielen dabei alle Aktivitäten von Migrantenorganisationen ab, die die
Teilhabe ihrer Mitglieder bzw. Zielgruppen an den
gesellschaftlichen Einrichtungen und Prozessen
mittelbar oder unmittelbar fördern.
In Deutschland gibt es eine große Vielfalt an Orga-
Die Zahl der Migrantenorganisationen in Deutschland
nisationen, in denen sich Menschen mit Migrations-
ist bislang nicht erhoben worden. Eine Annäherung
hintergrund zusammenschließen. Diese Organi-
bietet das Bundesausländervereinsregister, das alle
sationen engagieren sich neben den traditionellen,
Vereine ausländischer Drittstaatsangehöriger
anerkannten Trägern in der Integrationsförderung,
registriert und diese 2001 mit 16 000 bundesweit an-
manche von ihnen schon seit Jahrzehnten. „Die“
gegeben hat.136 Die bisher einzige Vollerhebung
Migrantenorganisation existiert dabei jedoch ebenso
von Migrantenorganisationen wurde in Nordrhein-
wenig, wie „die“ Migrantin oder „der“ Migrant.
Westfalen 1999 durch das Zentrum für Türkeistudien
135
und das Institut für Politikwissenschaft der WestfäMigrantenorganisationen sind im Hinblick auf
lischen Wilhelms-Universität Münster im Auftrag der
Aufgaben und Ziele, Zusammensetzung der Vereins-
Landesregierung durchgeführt und konnte über 2 200
mitglieder und Organisationsgrad sehr heterogen:
Organisationen ermitteln.137
Neben religiösen, kulturellen oder politischen
Vereinen, gibt es Organisationen bestimmter Zuwan-
Die Kenntnisse über Entwicklung und Einsatzfelder
derungsgruppen, Vertriebenenverbände, Studieren-
sind detaillierter, wenn auch nicht repräsentativ
denvereinigungen, Fachverbände bzw. anerkannte
belegt. Neben den in Westdeutschland bekannten,
Träger der Sozialarbeit, Sportvereine, Unternehmer-
klassischen, herkunftshomogenen (Kultur-)Ver-
verbände oder Bildungsträger. Migrantenorganisa-
einen wurden in den letzten Jahren zahlreiche
tionen können auch ausschließlich ganz bestimmte
neue, zum Teil auch heterogene Vereine gegründet,
Zielgruppen ansprechen, etwa Frauen, Mütter,
die Integrationsförderung als einen ihrer Arbeits-
Männer, Väter, Eltern, Senioren oder Jugendliche. Seit
schwerpunkte definieren. In Ostdeutschland ist eine
einigen Jahren beginnen sie verstärkt, ihre Angebote
steigende Bereitschaft zur Selbstorganisation zu
auch für Menschen anderer Herkunftsgruppen zu
beobachten. Insbesondere im letzten Jahrzehnt sind
öffnen. Neben wenigen bundesweit agierenden Dach-
zudem zahlreiche Migrantinnenorganisationen mit
verbänden ist die Mehrzahl der Organisationen vor
allem vor Ort engagiert, als eingetragene Vereine oder
135 Unter Migrantenorganisationen werden im vorliegenden
Text Vereinigungen verstanden, die überwiegend von
Zugewanderten gegründet wurden und deren Mitglieder
vornehmlich Menschen mit Migrationshintergrund sind.
112
136 Hunger, Uwe (2005): Ausländervereine in Deutschland –
Eine Gesamterfassung auf der Basis des Bundesausländervereinsregisters. In: SelbstHilfe – Wie Migranten Netzwerke
knüpfen und soziales Kapital schaffen, Freiburg.
137 Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung,
Kultur und Sport (Hg.) (1999): Selbstorganisationen von
Migrantinnen und Migranten in NRW: wissenschaftliche
Bestandsaufnahme. Düsseldorf.
D – Gesellschaftliche Integration
dem Zweck entstanden, Frauen und Familien mit
im Aufnahmeland wandelt sich dies. Für die nach-
Migrationshintergrund zu beraten, weiter-
folgenden Generationen übernehmen Migranten-
zubilden oder anderweitig zu unterstützen.
138
Einen
organisationen stärker eine Sozialisationsfunktion,
wichtigen Beitrag zur Integration leisten Eltern-
indem sie Angebote für die Tradierung der Kultur
vereine unterschiedlicher Migrantencommunities,
und Werte des Herkunftslandes schaffen und damit
deren Arbeit auf die Stärkung der Bildungspartizi-
auch identitätsstützend wirken. Eine zentrale
pation ausgerichtet ist (vgl. C.2.1). Auch Religions-
Aufgabe üben die Organisationen überdies als
gemeinschaften agieren vor Ort immer mehr
Interessenvertretung aus: Als Dachverbände
im Bereich Integrationsförderung. Empowerment139
bemühen sie sich um die Durchsetzung spezifischer
hat dabei stets eine entscheidende Rolle bei der
Interessen ihrer Mitglieder auf Bundesebene.
Herausbildung von Migrantenorganisationen und
Als kleine lokale Zusammenschlüsse vertreten
ihren Aktivitäten gespielt.
sie die Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem unmittelbaren Umfeld.
Migrantenorganisationen verfügen nur vereinzelt
Sie sind Ansprechpartner für Politik, Wirtschaft
über hauptamtliche Strukturen, ganz überwiegend
und Verwaltung, aber auch für die Öffentlichkeit
arbeiten sie ehrenamtlich, insbesondere auf lokaler
und übernehmen insoweit eine Brückenfunktion
Ebene. Eine Ausnahme bilden vor allem die wenigen
zwischen Zuwanderungsgruppen und der Mehr-
deutschlandweit organisierten Dachverbände
heitsgesellschaft ohne Migrationshintergrund.
von Migrantenorganisationen und von Organisationen von (Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aus-
Migrantenorganisationen haben sich oft auf
siedlern. Über die Engagement-Schwerpunkte
Themenfelder spezialisiert, die in der Integrations-
in Migrantenorganisationen selbst ist noch zu wenig
förderung eine wichtige Rolle spielen. Dabei kann
bekannt, das Engagement der Vereine wird von
es sich um Aktivitäten im Bildungsbereich handeln,
Menschen ohne Migrationshintergrund kaum
wie die schulergänzende Förderung von Kindern
wahrgenommen.
oder Elternbildung, um Frauenrechte, Diskriminierungsabbau, Stadtteilintegration, Dolmet-
Migrantenorganisationen können unterschiedliche
scherdienste oder um medizinische Versorgung
Funktionen wahrnehmen: Für Neuzuwanderinnen
und Gesundheitsprävention bzw. Suchtberatung.
und Neuzuwanderer erfüllen sie eine Schutz-
Integrationsförderndes Engagement kann auch
funktion, weil sie Hilfestellungen in verschiedenen
die Bereiche Kultur, Sport und Freizeitgestaltung
Lebenslagen und die Möglichkeiten des Austau-
umfassen. Viele Migrantenorganisationen decken
sches mit anderen bieten. Mit längerer Verweildauer
mehrere Bereiche und zielgruppenspezifische
Angebote ab. Auch zur interkulturellen Öffnung
138 Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend hat Rambøll-Management in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Darmstadt eine
Studie zu Migrantinnen-Organisationen in Deutschland
durchgeführt. Für die fast abgeschlossene Studie konnten
im Rahmen einer Bestandsaufnahme 255 MigrantinnenOrganisationen identifiziert werden, von denen 124 an der
Befragung teilgenommen haben. Die Studie soll bestehende Kenntnislücken schließen und Handlungsempfehlungen
zur Unterstützung der Migrantinnen-Organisationen
entwickeln.
139 Der Begriff Empowerment stammt aus der Psychologie
und Sozialpädagogik. Für ihn existiert keine anerkannte
deutsche Übersetzung, er lässt sich am besten mit „Selbstbemächtigung“ oder auch „Selbstkompetenz“ umschreiben. Empowerment umfasst Strategien und Maßnahmen,
die Menschen dabei helfen sollen, ein selbstbestimmtes
und unabhängiges Leben zu führen. Sie sollen ermutigt
werden, eigene Stärken zu entdecken und in die Lage versetzt werden, ihre Belange selbstständig zu vertreten und
ihre Lebensräume eigen bestimmt zu gestalten. Zusätzlich
sollen sie durch effektive Förderung befähigt werden, ihre
Interessen zu artikulieren und sich am politischen Prozess
zu beteiligen.
von Vereinen und gesellschaftlichen Einrichtungen
können Migrantenorganisationen einen Beitrag
leisten: Die verantwortliche Mitgestaltung in
einer partnerschaftlichen Kooperation zwischen
Migrantenorganisationen und öffentlichen und
privaten Einrichtungen, wie Bildungsträgern sowie
klassischen, anerkannten Organisationen der
Integrationsförderung, kann deren interkulturelle
Öffnung nachhaltig fördern. Voraussetzung ist, dass
der Dialog auf „gleicher Augenhöhe“ stattfindet.
Die Organisationen sind zudem selbst auch Orte, an
denen Menschen mit Migrationshintergrund
aktiv werden und ihre Kompetenzen einbringen können. Sie kennen die Bedürfnisse organisierter, aber
113
D – Gesellschaftliche Integration
auch nicht organisierter Menschen mit Migrations-
insbesondere auf regionale Vernetzung, Beratung
hintergrund und schließen mit ihren Angeboten
und Weiterbildung, auf Partizipation an Projekt-
oft Lücken in der Integrationsarbeit. Sie erreichen
förderungen sowie auf eine infrastrukturelle oder
Menschen gerade dort, wo staatliche Regeldienste
in Einzelfällen sogar auf institutionelle Förderung
oder anerkannte Träger oft an ihre Grenzen stoßen:
von Migrantenorganisationen. In den Kommunen
ƒƒ Sie finden Zugang zu und genießen das Vertrauen
von Menschen mit Migrationshintergrund,
die Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen in Deutschland gemacht haben.
ƒƒ Sie sind Anlaufstellen für Menschen mit Migrationshintergrund mit geringen Deutschkenntnissen, die Rat und Unterstützung suchen.
stehen teilweise finanzielle Mittel für die Vereinsarbeit von Migrantenorganisationen bzw. für
sogenannte ausländische Vereine zur Verfügung.
Nordrhein-Westfalen hat ein differenziertes
Konzept der Förderung von Migrantenorganisationen durch unterschiedliche, ergänzende
ƒƒ Sie sind Informations- und Kommunikationsplattform für Menschen mit Migrationshintergrund
gleicher Herkunft oder Religion („Kulturoase“);
dies bleibt auch für gut integrierte Menschen
nach langem Aufenthalt in Deutschland wichtig.
Bausteine: Projektförderung/Zuschüsse für Selbst-
ƒƒ Sie werden aufgesucht von Menschen mit Migrationshintergrund, die durch positive Mund-zuMund-Propaganda innerhalb der Community von
der Organisation erfahren haben.
haben, landesweite Fachberatung für Organisa-
organisationen (wobei die Eigenanteile durch
bürgerschaftliches, freiwilliges Engagement erbracht werden können), Förderung interkultureller
Zentren und niederschwelliger Integrationsvortionen und ein breit gefächertes Fortbildungsangebot. Zudem wurden die Migrationsfachdienste
zu Integrationsagenturen umstrukturiert, deren
Aufgabe auch die Beratung lokaler Migrantenor-
Bisherige Entwicklungen zur Stärkung von Migrantenorganisationen
ganisationen ist. Das landesweite Fördeprogramm
Migrantenorganisationen werden von Bund,
von Kommunen, in denen in der Regel auch
Ländern, Kommunen und privaten Trägern
Migrantenorganisationen eingebunden sind bzw.
zunehmend als Experten für die bedarfsgerechte
gefördert werden.
KOMM-IN NRW unterstützt Integrationsvorhaben
Ausrichtung von Integrationsangeboten nachgefragt. Eine gleichberechtigte Einbeziehung,
Die Stadt Bielefeld arbeitet seit Jahrzehnten eng
Nutzung und Anerkennung ihrer Kompetenzen
mit etwa 40 Migrantenorganisationen zusammen,
bei der Gestaltung von Integrationsangeboten
unterstützt finanziell und organisatorisch deren
sowie eine systematische Stärkung als Akteure der
Aktivitäten und lädt etwa viermal jährlich zu
Integrationsförderung findet bundesweit bisher
einem Informationsaustausch ein. Ziel ist, Migran-
in unterschiedlichem Umfang und nicht auf allen
tenorganisationen als aktive Partner im Prozess
Ebenen programmatisch umfassend statt.
kommunaler Integrationsarbeit und -förderung zu
140
gewinnen, beraten und unterstützen, zu begleiten
Länder und Kommunen erkennen die Bedeutung
und sie im Zusammenwirken von Kommune
von Migrantenorganisationen zunehmend
und allen anderen lokalen Institutionen und
an und unterstützen ihre Partizipation häufig
Angeboten als mitgestaltende Partner in Netzwerke
durch spezifische Förderkonzepte. Sie setzen
einzubinden. Im Rahmen des KOMM-IN Projekts
„Förderung von Bildungs- und Integrationsbe-
140 Ergebnis einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Auftrag gegebenen Abfrage bei den Ländern zu
Förderkonzepten, die explizit auf Migrantenorganisationen
zugeschnitten sind sowie einer Recherche zu Kooperationen von Kommunen und Migrantenorganisationen, einer
exemplarischen Umfrage unter Migrantenorganisationen
zu den Rahmenbedingungen ihres Engagements und zu
Weiterbildungs- und Förderbedarfen sowie einer Abfrage
bei Bildungsträgern zu spezifischen Weiterbildungsangeboten für Migrantenorganisationen. Insbesondere auf diesen
Recherchen beruhen die folgenden Ausführungen.
114
auftragten in Migrantenselbstorganisationen in
Bielefeld“ wurde diese langjährige Zusammenarbeit optimiert durch
ƒƒ die Sammlung aktueller Informationen über
aktive Vereine, ihre inhaltlichen Schwerpunkte,
Zielsetzungen, Anliegen und Bedarfe,
D – Gesellschaftliche Integration
ƒƒ die Benennung verbindlicher Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner aus den Migrantenorganisationen für die Stadt Bielefeld oder
andere Behörden und Einrichtungen,
2.1.1 Auf- und Ausbau tragfähiger Strukturen
für die Integrationsarbeit von Migrantenorganisationen
ƒƒ die systematische Bearbeitung der Themen
„Integration, Bildung und Arbeitsmarkt“ in den
Vereinen und
grationsförderung wichtige Kompetenzen
ƒƒ die Schulung der sogenannten Bildungs- und
Integrationsbeauftragten für diese Aufgaben.
Inwiefern Migrantenorganisationen für die Inteund Ressourcen entwickelt und eine nachhaltig
wirkende Arbeit etabliert haben, hängt insbesondere von zwei Faktoren ab: Einerseits der Dauer
ihres Bestehens und damit der Erfahrung, die sie in
Sowohl die Vernetzung der Organisationen unter-
der Integrationsarbeit sammeln und den Kon-
einander als auch die Kooperationen zwischen
takten, die sie knüpfen konnten; andererseits von
Kommune und Migrantenorganisationen haben positive
den Rahmenbedingungen ihres Engagements.
Effekte hervorgebracht: Die Kommune hat mehr
Die Erwartungen, die in Bezug auf Kooperation,
Informationen zu Migrantenorganisationen vor Ort.
Vernetzung, Weiterbildungsangebote oder Mitglie-
Zudem hat sich ein Diskurs über Ziele, Inhalte und
derbetreuung an Migrantenorganisationen gestellt
Wege zur Integration entwickelt. Durch die Ver-
werden, sind in den letzten Jahren stetig gestiegen.
netzung wurde auch ein neuer, im Rahmen des
Ihre personellen, finanziellen, hauptamtlichen und
KOMM-IN Projekts geförderter „Interkultureller Eltern-
räumlichen Ressourcen sind jedoch häufig nicht
verein“ gegründet. Migrantenorganisationen
entsprechend gewachsen. Daher ist es notwendig,
sehen ihr Engagement zudem öffentlich anerkannt
die Partizipation von Migrantenorganisationen an
und wertgeschätzt.
Förderstrukturen zu erleichtern.
Unter dem Leitthema „gesellschaftliche Teilhabe
Da die Integrationsarbeit von Migrantenorganisati-
stärken“ ist es besonders von Bedeutung, Migranten-
onen überwiegend durch freiwilliges Engagement
organisationen in die Lage zu versetzen, ihr Potenzial
geleistet wird, stoßen die Organisationen oft an ihre
noch konkreter und umfangreicher zu nutzen, mit
Grenzen. Migrantenorganisationen beginnen
ihren Kompetenzen den Integrationsprozess zu fördern
ihr Engagement in der Regel ohne eigene Geschäfts-
und dabei auch die nötige Anerkennung zu erfahren.
räume und technische Ausstattung und leisten
Bund, Länder, Kommunen und gesellschaftliche Insti-
ihre Integrationsarbeit zumindest zu Anfang oft
tutionen können die Selbstorganisation von Menschen
von zu Hause aus. Solche erschwerenden Rahmen-
mit Migrationshintergrund und ihr Engagement
bedingungen verhindern, dass ihre Potenziale voll
unterstützen, indem sie – je nach Organisationsgrad
genutzt werden können. Sie führen auch dazu,
der Migrantenorganisationen – insbesondere
dass bei Dritten, insbesondere potenziellen Zuwen-
ƒƒ tragfähige Strukturen für die Integrationsarbeit von Migrantenorganisationen auf- und
ausbauen,
ƒƒ das bürgerschaftliche Engagement in und durch
Migrantenorganisationen fördern,
ƒƒ Migrantenorganisationen bei der Professionalisierung unterstützen,
ƒƒ und die Zusammenarbeit von Institutionen,
Organisationen und Netzwerken mit Migranten­
organisationen fördern.
dungsgebern, der Eindruck mangelnder Professionalität entsteht. Auch freiwilliges Engagement
braucht jedoch hauptamtliche Unterstützung und
Organisation. Finanzielle Förderung durch staatliche Stellen oder private Stiftungen ist aber überwiegend an Projekte gebunden. Deren Realisierung
hängt wiederum davon ab, ob die Träger über ein
Mindestmaß an Professionalität und Basisstruktur
für Antragstellung und Projektdurchführung
verfügen, etwa in Form von Vereinsräumen oder
hauptamtlich Tätigen. Dies ist bei Migrantenorganisationen häufig (noch) nicht der Fall.
Als Voraussetzung für diese Prozesse ist jedoch auch die
interkulturelle Öffnung von gesellschaftlichen Einrich-
An der umfangreichen Projektförderlandschaft in
tungen, Organisationen und Netzwerken notwendig.
Deutschland partizipieren Migrantenorganisationen
115
D – Gesellschaftliche Integration
daher bisher nur in einem geringen Umfang. Der
können daher oft nicht ausreichend an den Strukturen
überwiegende Anteil der Projektmittel wird aufgrund
der Integrationsarbeit partizipieren. Großer Bedarf
gewachsener Strukturen der Integrationsförderung
besteht hinsichtlich einer infrastrukturellen För-
und wegen der hohen formalen Trägerkriterien auf
derung, die einen wesentlichen Baustein zur Stärkung
allen staatlichen Ebenen primär von Wohlfahrtsver-
der Partizipationschancen bilden kann, sowie
bänden, von (Spät)­Aussiedlerorganisationen und über
hinsichtlich passgenauer Angebote zur Weiterbil-
den Paritätischen Wohlfahrtsverband in geringem
dung und Kompetenzerwerb. Doch auch die (ideelle)
Umfang auch von Migrantenorganisationen in
Anerkennung der Vereinsarbeit ist von zentraler
Anspruch genommen. Zudem ist Projektförderung in
Relevanz, um Migrantenorganisationen ein integra-
der Regel zeitlich befristet. Die Projektantragstellung,
tionsförderndes und nachhaltiges Engagement zu
-durchführung und die Weiterführung der
ermöglichen. Denn häufig findet das vielfältige, auf
Integrationsarbeit nach Projektabschluss sind auf
Integration ausgerichtete Engagement von Menschen
hauptamtliche Strukturen angewiesen. Ohne diese
mit Migrationshintergrund und ihren Organisationen
gehen Know-how, Mitarbeiterkompetenzen und der
weitgehend außerhalb des Blickfeldes der Öffentlich-
Zugang zur Klientel nach Projektende verloren.
keit ohne Migrationshintergrund statt. Das führt dazu,
dass ihre Leistungen nicht immer ausreichend
Migrantenorganisationen sind zudem kaum über
wahrgenommen und anerkannt, sondern häufig eher
Fördermöglichkeiten und Netzwerke informiert und
mit Skepsis betrachtet werden.
Empfehlungen
Zielgröße für Förderung festlegen
Zur Förderung von Migrantenorganisationen
und flächendeckend umgesetzt werden. Hierbei
sollten Zielgrößen festgelegt werden. Als
sind drei Aspekte von Bedeutung:
quantitativer Maßstab für gleichberechtigte
Teilhabe sollte herangezogen werden:
ƒƒ Grundausstattungsförderung
ƒƒ Infrastrukturelle Förderung
ƒƒ Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund
in Projekten und Maßnahmen, an den Angeboten kultureller, sozialer, medialer, bürgerschaftlicher, sportlicher Einrichtungen
ƒƒ Anteil von Migrantenorganisationen, die
bereits Träger von Projekten und Maßnahmen
im Integrationsbereich sind
ƒƒ Grad der Einbindung von Migrantenorganisationen in die kulturelle, soziale,
mediale, bürgerschaftliche, sportliche
Infrastruktur
ƒƒ Unterstützung bei der Projektförderung
Berlin hat ein Mehrsäulenkonzept zur umfassenden
Integrationsförderung entwickelt (Integration
durch Bildung, Integration durch Stärkung des sozialräumlichen Zusammenhalts, Integration durch
interkulturelle Öffnung, Integration durch Partizipation und Stärkung der Zivilgesellschaft), in dem
Projekte von Migran­ten­organisationen für die Integrationsförderung einen besonderen Stellenwert
haben. Projekte werden bevorzugt bewilligt, wenn
Bedarfsgerechte Fördermodelle anbieten
sich Organisationen der Mehrheitsgesellschaft
Migrantenorganisationen haben aufgrund ihrer
und Migrantenorganisationen zu so genannten
verschiedenen Organisationsgrade unter-
Tandemträgerschaften zusammenschließen. Im
schiedliche Unterstützungsbedarfe. Um tragfähige
Rahmen der Projektförderung kann in Berlin auch
Strukturen für ihre Integrationsarbeit zu schaffen
ehrenamtlich geleistete Arbeit als finanzieller
und die vorhandenen Strukturen zu stärken
Eigenanteil anerkannt werden. Die Grundsätze für
und zu stabilisieren, sollten verschiedene Modelle
die Vergabe von Zuwendungen des Berliner Senats
der Förderung bzw. der Partizipation an vor-
ermöglichen in Ausnahmefällen eine langfristige
handenen Förderprogrammen weiterentwickelt
Förderung von Projekten über die Regelförderzeit
116
D – Gesellschaftliche Integration
hinaus, wenn die umgesetzten Maßnahmen sich als
Projekt „Migrantenselbstorganisationen – Starke
unverzichtbar bewähren.
Partner in der Kommune“. Mit einem Höchstbetrag
von bis zu 1000 Euro förderte die Stadt im Jahr
Von den EU-Ländern haben u. a. Schweden und
2008 Sachkosten für Bildungsmaßnahmen von
Portugal staatliche Programme zur Förderung von
Migrantenorganisationen. Die Maßnahmen waren
Migrantenorganisationen aufgelegt. In Schweden
darauf gerichtet, die Bildungsteilhabe sowie die
gibt es ca. 3000 Migrantenorganisationen. Seit
Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen
1976 können sie staatliche Unterstützung erhalten.
mit Migrationshintergrund zu verbessern und
Das Budget für die institutionelle Förderung
hierzu auch Eltern zu unterstützen. Das Projekt
betrug 2009 19 Millionen Schwedische Kronen,
wurde in Kooperation zwischen dem Integrations-
was etwa 1,9 Millionen Euro entsprach. Über
büro der Stadt Dortmund und der Freiwilligen-
die Verwendung der Mittel können die geförderten
agentur Dortmund durchgeführt und im Rahmen
Organisationen im Rahmen der Zielvorgaben
des Landesprogramms KOMM-IN gefördert.
selbst verfügen. Ihre Arbeit muss jedoch auf
Integrationsförderung in den Bereichen Sprache,
Infrastrukturförderung gewähren
Kultur, Identität, Demokratie und Teilhabe in
Um eine langfristige strukturelle Stärkung von
der schwedischen Gesellschaft ausgerichtet sein.
Migrantenorganisationen, Nachhaltigkeit und
Für neu gegründete Migrantenorganisationen
Qualität ihrer Integrationsarbeit zu gewähr-
wurde die Möglichkeit einer maximal dreijährigen
leisten, sollte eine Infrastrukturförderung er-
Etablierungs-Förderung eingerichtet. In Portugal
möglicht werden, die mit sozialen, interkulturellen
werden beispielsweise Migrantenorganisationen
und gemeinschaftsfördernden Aufgaben ver-
gefördert, welche Arbeitsschwerpunkte in den
bunden wird. Sie sollte eine Regelfinanzierung
Bereichen internationaler Austausch, Einsatz für
von Personal- und Sachkosten umfassen. Zudem
Gleichberechtigung in den Bereichen Bildung,
sollten Kriterien entwickelt werden, um eine
Kultur, Kommunikation oder im Bereich Wissen-
gleichberechtigte Teilhabe von Migrantenorgani-
schaftliche Forschung zu Formen der ethnischen
sationen gemäß vorab festgelegter Zielgrößen zu
Diskriminierung nachweisen.
erreichen.
Grundausstattung fördern
Eine Infrastrukturförderung zum Aufbau nachhal-
Es sollte eine Grundausstattungsförderung für
tiger Organisationsstrukturen von Migrantenor-
integrativ arbeitende Migrantenorganisationen mit
ganisationen gibt es in Thüringen und Nordrhein-
geringem Organisationsgrad gewährt werden, um
Westfalen. Das Thüringer Ministerium für Soziales,
sie in der Phase des Organisationsaufbaus zu
Familie und Gesundheit stellte für die Jahre 2008
unterstützen. Möglichkeiten einer Grundausstat-
und 2009 jeweils 98 000 Euro zur Förderung
tungsförderung sollten je nach dem Tätigkeitsfeld
der Ausländervereinsarbeit bereit. Nordhrein-
von Vereinen von Kommunen, Ländern oder dem
Westfalen fördert Migrantenorganisationen durch
Bund zur Verfügung gestellt werden.
das Programm „Gewährung von Zuschüssen für
Selbstorganisationen von Migrantinnen und
ƒƒ Umsetzungshinweis: Grundausstattungsförderung
Migranten“ mit maximal 15 000 Euro pro Haushalts-
Grundausstattungsförderung sollte Mittel für
jahr. Im Rahmen des Programms „Förderung von
Vereinsräume, Nebenkosten, Geschäftsbedarf, tech-
Interkulturellen Zentren und niederschwelligen
nische Ausstattung oder ähnliche elementare
Integrationsvorhaben“ können Migrantenorgani-
Bedingungen umfassen und ein kontinuierliches
sationen in Nordrhein-Westfalen bis zu 20 000 Euro
bürgerschaftliches Engagement unterstützen.
Unterstützung pro Jahr für Betriebskosten erhalten
sowie bis zu 5000 Euro für Einzelprojekte.
Einzelne Länder und Kommunen bieten eine
Grundausstattungsförderung für Migrantenorga-
Je nach Tätigkeitsfeld der Vereine und Netzwerke
nisationen an, etwa die Stadt Dortmund mit dem
obliegt es den Kommunen, den Ländern oder dem
117
D – Gesellschaftliche Integration
Bund Möglichkeiten einer Infrastrukturförderung
Sozialgesetzbuches aus dem Budget des Jugend- und
zu prüfen. Diese bietet sich insbesondere für thema-
Sozialamts.
tisch spezialisierte Migrantenorganisationen an.
So kann bspw. eine Kommune eine hauptamtliche
Förderkriterien für Migrantenorganisationen öffnen
Personalstelle in einer Migrantenorganisation
Um Migrantenorganisationen vermehrt an der
fördern, damit diese für sie Beratungsleistungen für
Projektförderung teilhaben zu lassen, ist eine
ihre Community anbietet.
stärkere interkulturelle Öffnung der Projektförderung von Bund, Ländern, Kommunen und
Frankfurt am Main arbeitet seit 2001 im Bereich der
Stiftungen erforderlich. Neben Projektfördermit-
Gesundheitsförderung mit der Migrantinnen-
teln im Bereich Integration sollten auch weitere
organisation Maisha e.V. zusammen, einer Selbsthil-
Fördermitteltöpfe Migrantenorganisationen als
fegruppe afrikanischer Frauen in Deutschland: Im
potenzielle Mittelempfänger berücksichtigen, z. B.
Frankfurter Gesundheitsamt wurde in Kooperation
im Umweltschutz oder in der Kulturarbeit. Durch
mit Maisha e.V. die „Afrikasprechstunde“ einge-
die interkulturelle Öffnung der Zuwendungskrite-
richtet, in der Allgemeinmedizinerinnen sich um die
rien, Vergabeeckpunkte und -richtlinien können
gesundheitlichen Anliegen ihrer Patientinnen
mittelbar alle Bevölkerungsgruppen und ihre
kümmern. Die Migrantenorganisation hat bei der
Organisationen gleichermaßen von Fördermitteln
Information der Patientinnen über dieses spezielle
profitieren.
Angebot und der Vertrauensbildung eine Schlüsselfunktion: Maisha übernimmt die Informations-
Trägerkriterien bzw. Fördervoraussetzungen in der
arbeit, hat ein eigenes Büro neben dem Warteraum,
Projektförderung sollten modifiziert werden, da
empfängt die Patienten (auch in ihrer Muttersprache)
sie für den Großteil der Migrantenorganisationen –
und organisiert die Termine. Da sich zahlreiche Besu-
aber auch für viele andere kleine, ehrenamtlich
cherinnen der Afrikasprechstunde in unsicheren
arbeitende Organisationen – Ausschlusskriterien
Lebenslagen befinden oder am Rande des Existenz-
sind. Dies betrifft etwa den finanziellen Eigenanteil
minimums leben, können sie sich Medizin oder
bei der Projektförderung, die obligatorische
einen regulären Arztbesuch nicht leisten. 90 Prozent
Mitgliedschaft in ausgewählten Verbänden,
der Patientinnen sind daher ausschließlich beim
insbesondere den Wohlfahrtsverbänden, sowie die
Gesundheitsamt in Behandlung.
Bedingung, die an eine Anerkennung als Träger
geknüpft sind. Eine Veränderung der Trägerkrite-
Seit seiner Einrichtung wurde das Angebot ausgebaut.
rien der Projektförderung ermöglicht eine neue
Eine Clearingstelle bei Maisha e. V. ist nun der
Verteilungsstruktur vorhandener Fördermittel
Afrikasprechstunde vorgeschaltet. Hier wird vorab
und erleichtert (insbesondere kleinen) Migranten-
geklärt, ob die Anliegen gesundheitlichen, kultu-
organisationen den Zugang zu gleichberechtigter
rellen oder eher sozialen Ursprungs sind. Anfangs als
Teilhabe an nachhaltiger Projektarbeit.141
Angebot für afrikanische Frauen gedacht, wurde das
Angebot auch auf Familien und andere Nationali-
In Trägerkriterien für Migrantenorganisationen
täten und auf zwei halbe Tage ausgeweitet. Seit 2001
sollten Vereinbarungen zur Mitarbeit in Integrati-
hat sich die „Afrikasprechstunde“ zur „Internatio-
onsnetzwerken vor Ort verankert sein.
nalen Humanitären Sprechstunde“ weiterentwickelt
und steht auch Menschen anderer Herkunft offen.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Förderkriterien
Die humanitären Sprechstunden und die dafür
Grundsätzlich müssen für Migrantenorganisationen
notwendige vernetzende Arbeit im Vorfeld werden
die gleichen Qualitätsanforderungen und Träger-
aus Haushaltsmitteln der Stadt Frankfurt finanziert:
kriterien wie für andere Träger gelten. Dennoch sind
Das Amt für Gesundheit stellt „Bordmittel“ für
folgende Aspekte zu berücksichtigen (viele der
Fachpersonal und Räumlichkeiten, die Clearingstelle
folgenden Vorschläge können grundsätzlich für
wird aus Mitteln des Frauenreferats finanziert und
Medikamente entsprechend der Maßgaben des
118
141 Dies gilt auch für andere kleine, ehrenamtliche Organisationen.
D – Gesellschaftliche Integration
kleine, überwiegend ehrenamtlich arbeitende
Bundesministerium des Innern und dem Bundes-
Organisationen angewendet werden unabhängig
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und
davon, ob ihre Mitglieder einen Migrationshinter-
Jugend erarbeitete Förderrichtlinie soll zukünftig
grund haben oder nicht):
die umfassende Mitwirkung von Migrantenorgani-
ƒƒ Bei der Förderung sollte die begrenzte finanzielle
Ausstattung vieler Migrantenorganisationen
berücksichtigt werden, beispielsweise durch die
Anrechnung bürgerschaftlichen Engagements auf
den finanziellen Eigenanteil.
sationen gestärkt werden. Hierzu unternimmt das
ƒƒ Mit Blick auf die räumliche Konzentration der
Bevölkerung mit Migrationshintergrund sollte
von der Voraussetzung einer bundesweiten
Tätigkeit des Antragstellers als Förderkriterium
für die Bundesförderung Abstand genommen
werden. Sinnvoller erscheint die Einführung eines
Kriteriums, das auf eine angemessene Verteilung
in den Kernregionen der Bevölkerung mit
Migrationshintergrund oder auf die Kooperation
mit Migrantenorganisationen anderer Herkunftsgruppen gerichtet ist.
ƒƒ Da die formellen Anforderungen für die Antragstellungen für viele Migrantenorganisationen zu hoch
sind, sollte insbesondere für Erstantragsteller das
Beratungsangebot erhöht werden. Niederschwellige
Beratungsangeboten für Migrantenorganisationen
sollten in der Projektförderung eingerichtet
werden, um gleichberechtigte Partizipation zu
ermöglichen.
ƒƒ Darüber hinaus sollten verstärkt Mittel für Weiterbildungsmaßnahmen bereitgestellt werden, etwa
zur Konzeptentwicklung, zur Antragstellung sowie
zum Projekt- und Vereinsmanagement.
ƒƒ Zum Ausgleich der Benachteiligungen von
Migrantenorganisationen in der Trägerlandschaft
bzw. zur Erhöhung ihres Anteils als Projektträger
kann in begründeten Fällen eine zeitlich befristete
Sonderförderung sinnvoll sein – in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Berlin werden
solche Sonderförderungen bereits erfolgreich
umgesetzt. Inwiefern eine solche Sonderförderung
sinnvoll ist, kann nur vor Ort – vonseiten der
jeweiligen Kommune bzw. des Landes – selbst
entschieden werden. Folgende Modelle können
verfolgt werden:
Bundesamt die folgenden Schritte:
ƒƒ Verstärkte Berücksichtigung von Migrantenorganisationen bei der Durchführung gemeinwesenorientierter Projekte
ƒƒ Erhöhung der Beratungsangebote des Bundesamts für Migrantenorganisationen, um Unterstützung bei der Projektkonzeption zu leisten
ƒƒ Begleitung von Projekten von Migrantenorganisationen durch Evaluationen
ƒƒ Verstärkte Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen für Migrantenorganisationen wie
etwa Multiplikatorenschulungen sowie
inhaltliche und organisationsbezogene Weiterbildungen
ƒƒ Verstärkte Förderung von Tandem- und
Mentoring-Projekten zwischen Migrantenorganisationen und anerkannten Trägern
ƒƒ Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement als Eigenanteil an finanziellen Mitteln
Im Jahr 2009 wurde der Anteil von Projekten
von Migrantenorganisationen in der Projektförderung des Bundesamts erhöht: Von insgesamt
100 neuen Projekten, die gefördert wurden,
sind 27 Projekte von Migrantenorganisationen.
Damit hat sich der Anteil der neuen Projekte
von Migrantenorganisationen gegenüber 2008
verdreifacht. Zusätzlich wurden 2009 insgesamt
32 Fortsetzungsprojekte, die 2008 und früher
begonnen haben, von Migrantenorganisationen
durchgeführt.
ƒƒ Bevorzugte Förderung von Migrantenorganisationen bei gleicher Qualifikation
Über die Empfehlungen zu den nationalen Projekt-
ƒƒ Bevorzugte Förderung von Migrantenorganisationen in bestimmten Handlungsfeldern, in denen
sie besondere Kompetenzen haben (etwa mit
Blick auf die Erreichung der Zielgruppe)
Fonds – insbesondere der Europäische Integrations-
ƒƒ Bereitstellung von Extra-Fördermitteln für
Mentoring- oder Tandem-Projekte
fördermitteln hinaus sollten auch die Europäischen
fonds und der Europäische Flüchtlingsfonds – stärker für Migrantenorganisationen geöffnet werden.
Aus Mitteln von Bund, Ländern oder Stiftungen
sollten Kofinanzierungsmöglichkeiten für EU-geförderte Projekte bereitgestellt werden. So kann
Die Projektförderung des Bundesamts für Migration
eine stärkere Partizipation von Migrantenorganisa-
und Flüchtlinge hat ihre Förderkriterien stärker
tionen bei der Projektförderung aus Europäischen
interkulturell geöffnet. Durch die gemeinsam vom
Fonds erreicht werden.
119
D – Gesellschaftliche Integration
Migrantenorganisationen über Fördermöglichkeiten
informieren
die Herausgabe bzw. Finanzierung von kommentierten
Fördermöglichkeiten und -verfahren sollten transpa-
rungen der Förderprogramme enthalten.
Verzeichnissen von Fördermittelgebern, die Erläute-
renter gemacht werden. Zum einen sollte es öffentliche
Wettbewerbsaufrufe bzw. Ausschreibungen geben,
Fördermittelgeber sollten durch gezielte Informations-
damit sich alle Träger gleichermaßen über Förder-
veranstaltungen für Migrantenorganisationen über die
möglichkeiten informieren können. Zum anderen ist
eigenen Förderschwerpunkte und Verfahren berichten,
es sinnvoll, Migrantenorganisationen gezielt zu
hier sind Detailinformationen zu den aktuellen
informieren und die bislang etablierten „Komm-
Förderrichtlinien und der Antragsabwicklung sinnvoll.
Strukturen“ (informierte Träger kommen auf fördernde
Institutionen zu) durch „Geh-Strukturen“ (fördernde
Alternative Fördermöglichkeiten erschließen
Institutionen gehen auf potenzielle Träger zu) zu
Zur Stärkung von Migrantenorganisationen sollten
ersetzen. Der Abbau von Informationsdefiziten ist eine
auch alternative Fördermöglichkeiten erschlossen
Voraussetzung, um Migrantenorganisationen – aber
werden. Stiftungen, aber auch privaten Unter-
auch andere, ehrenamtlich arbeitende Organisationen
nehmen sollten Migrantenorganisationen als Ko-
– stärker an den Förderstrukturen teilhaben zu lassen.
operationspartner und Projektträger näher
gebracht und Kooperationen unterstützt werden.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Geh-Strukturen etablieren
Staatliche Einrichtungen können im Rahmen ihrer
Als hilfreich erwiesen haben sich Informationen und
Möglichkeiten Kontakte zwischen diesen Akteuren
Handreichungen, die sich explizit an Migrantenorga-
herstellen und Förderpartnerschaften unterstützen,
nisationen richten. Empfohlen wird Bund und Ländern
etwa durch entsprechende Veranstaltungen.
2.1.2 Partizipation durch Professionalisierung
der Vereinsarbeit von Migrantenorganisationen
Migrantenorganisationen werden immer häufiger als
Partner für die Projektarbeit oder auch für die Entwicklung von Integrationskonzepten angefragt. Um
ƒƒ Durchführung von Integrationsprojekten
im „Tandem“ mit einem anerkannten Träger auf
gleicher Augenhöhe
sie jedoch zunächst in die Lage versetzt werden,
ƒƒ Mentoring bzw. Patenschaft durch anerkannten
Träger
den damit zusammenhängenden Ansprüchen gerecht
ƒƒ Vernetzung
solche Kooperationen eingehen zu können, müssen
zu werden. Aber auch unabhängig von externen
Kooperationsanfragen verfolgen integrativ arbeitende
Nicht alle Strategien sind dabei für jede Migranten-
Migrantenorganisationen selbst häufig das Ziel, ihr
organisation sinnvoll oder durchführbar. Dies hängt
Engagement auf eine solidere Basis zu stellen, da sie
vor allem mit ihren unterschiedlichen Organisa-
häufig gerade im Hinblick auf das Vereinsmanage-
tionsgraden zusammen. Daneben ist zu beachten, dass
ment an ihre Grenzen stoßen. Bisher wurden insbeson-
die identifizierten Strategien auf unterschied-
dere folgende Strategien zur Professionalisierung von
lichen Ebenen angesiedelt sind, sie können daher
Migrantenorganisationen identifiziert:
auch parallel bzw. gleichzeitig wirksam sein.
ƒƒ Organisation im Dachverband
Organisation im Dachverband
ƒƒ Bereitstellung von für Migrantenorganisationen spezifischen Angeboten zu Beratung und Weiterbildung
Auf die Professionalisierung von Migrantenorgani-
ƒƒ Qualifizierung von Migrantenorganisationen zu
Trägern von Weiterbildungen, Multiplikatorenausbildungen und Beratungen
Dachverband zu organisieren. Solche Zusammen-
120
sationen hat es nachweislich positive Effekte, sich im
schlüsse sind auch wichtig, um einen professionellen
Ansprechpartner für den Dialog und die Kooperation
D – Gesellschaftliche Integration
mit Dritten darzustellen. Vorteile einer Mitglied-
Artikulation gemeinsamer Interessen der Menschen
schaft in einem Dachverband sind insbesondere:
mit Migrationshintergrund spielen.
ƒƒ Dachverbände bieten Informationen, Beratung
und Unterstützung
69 der rund 90 Migrantenorganisationen in Essen
ƒƒ Sie übernehmen die Repräsentanz der Vereinsinteressen gegenüber Dritten
Der Verbund ist Anlaufstelle zur Beratung für inte-
ƒƒ Sie erleichtern Vernetzungsprozesse, ermöglichen
die Mitgliedschaft und Mitarbeit in Gremien
und schaffen Kooperationsmöglichkeiten, zum
Beispiel mit Weiterbildungsträgern
ƒƒ Sie werden zum Teil durch öffentliche Mittel
gefördert (deren Vergabe an Dachverbandsstrukturen geknüpft ist), zum Beispiel die Jugendringe
Derzeit bekannte Modelle der Mitgliedschaft in / des
Zusammenschlusses zu einem Dachverband sind:
ƒƒ Herkunftsheterogener Dachverband, dem Migrantenorganisationen verschiedenster Herkunft
angeschlossen sind (z. B. die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in
Deutschland e.V.)
ƒƒ Herkunftshomogener Dachverband, dem
ausschließlich Migrantenorganisationen eines
Herkunftslandes angehören (z. B. der Verband der
Griechischen Gemeinden in Deutschland)
ƒƒ Interessenorientierter Dachverband (z. B. die
Deutsche Jugend in Europa e.V.)
ƒƒ Beitritt zu einem Dachverband, der ursprünglich
für deutsche Organisationen eingerichtet wurde
(z. B. zum Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband)
sind Mitglied im Verbund der Immigrantenvereine.
grationsfördernde Aktivitäten, Ansprechpartner zur
Unterstützung von Projekten und hat die Aufgabe,
Maßnahmen zur Fortbildung und zur Professionalisierung für die angeschlossenen Vereine umzusetzen.
Um dies leisten zu können, wird der Verbund von der
Stadt Essen gefördert. In einer Kooperationsvereinbarung sind die Aufgaben des Verbunds festgehalten:
ƒƒ Der Verbund verpflichtet sich, seine Vereinsaktivitäten und seine Vermittlungsarbeit so zu
verstärken, dass diese zur Weiterentwicklung der
kommunalen Integrationsarbeit und zur Vernetzung beitragen.
ƒƒ Der Verbund begleitet und unterstützt die Essener
Migrantenorganisationen in ihrer Eigenständigkeit durch die Organisation von Beratungsund Informationsangeboten als Hilfestellung im
Umgang mit Behörden, Institutionen und potenziellen Zuwendungsgebern.
ƒƒ Er fördert Austausch und Zusammenarbeit der
Migrantenorganisationen untereinander, ist offen
für neue Organisation und sichert die Zusammenarbeit mit Institutionen, Fachdienststellen und
Organisationen.
ƒƒ Der Verbund kann Gemeinschaftsinitiativen und
Projekte entwickeln und diese in das Konzept für
die interkulturelle Arbeit einbringen.
Der Zusammenschluss von Migrantenorganisationen
Die Mitgliedschaft in deutschen Dachverbänden ist
in herkunftshomogenen Dachverbänden kann
Ausdruck einer selbstbewussten Artikulation eigener
seinen Mitgliedern Unterstützung, Hilfeleistung, An-
Interessen innerhalb der Assoziationsstrukturen des
erkennung, Wissen und Verbindungen bringen. Er
Aufnahmelandes. Sie setzt einerseits die Anerkennung
beinhaltet aber auch ein gewisses Risiko der Abschlie-
der Migrantenorganisationen durch die bestehenden
ßung gegenüber heterogen zusammengesetzten
Verbandsstrukturen voraus und benennt Kriterien für
Assoziationen. Der Zusammenschluss zu herkunfts-
eine Mitgliedschaft in diesen, die Migrantenorgani-
heterogenen Dachverbänden ermöglicht breitere
sationen nicht ausschließen. Andererseits fordert sie
Bündnisse entlang gemeinsamer Bedarfe und Anliegen.
von den Migrantenorganisationen selbst einen bereits
Dies setzt aber eine grundlegende Organisations-
fortgeschrittenen Integrationsprozess. Eine besondere
bereitschaft mit Menschen mit Migrationshintergrund
Rolle kommt solchen Dachverbänden des Aufnahme-
anderer Herkunftsländer voraus. Herkunftsheterogene
landes zu, die über Mitgliedschaft zugleich Zugänge
Dachverbände als breite Bündnisse von Migranten-
zu speziellen Förderprogrammen und -mitteln ermög-
organisationen können dabei einen größeren Einfluss
lichen. So sind etwa Mitgliedschaften in Wohlfahrts-
auf politische Entscheidungsprozesse nehmen und
verbänden oder Jugendringen eine Voraussetzung
zudem eine stärkere Rolle bei der Identifizierung und
zur Förderfähigkeit und Antragstellung bei wichtigen
121
D – Gesellschaftliche Integration
Förderprogrammen oder auch für die Übertragung
Häufig sind zielgruppen- oder themenspezifische
bestimmter Aufgaben der Integrationsförderung.
Beratungs- und Weiterbildungsangebote generell
Auch ein Zugang zu politischen Strukturen und
offen für alle Zielgruppen und damit auch für
Entscheidungsprozessen, wie Anhörungs- und andere
Migrantenorganisationen. Erfahrungen zeigen
Beteiligungsrechte, wird oft erst durch Mitgliedschaft
jedoch, dass diese in der Regel ganz spezifische, auf
in Dachverbänden möglich.
ihren Bedarf zugeschnittene Angebote benötigen.
Spezifische Angebote zu Beratung und Weiterbildung
für Migrantenorganisationen
Gerade Frauen mit Migrationshintergrund engagieren
Umfragen unter Migrantenorganisationen im Rahmen
in vielen bürgerschaftlichen Organisationen zeigt sich
des bundesweiten Integrationsprogramms haben
aber in der Praxis, dass sie dabei seltener Leitungsposi-
bestätigt, dass diese einen hohen Bedarf an organisa-
tionen einnehmen als Männer und frauenspezifische
tionsbezogener Beratung und Weiterbildung haben.
Belange in den Organisationen häufiger zurück-
Betroffen davon sind insbesondere Bereiche
gestellt werden. Es gibt nur wenige bürgerschaftliche
wie Vereinsrecht und Vereinsmanagement, Projekt-
Organisationen von Migrantinnen, die frauenspezi-
management, Mittelakquise und Antragstellung,
fische politische Interessen vertreten. Dadurch können
Buchhaltung und Öffentlichkeitsarbeit, sowie
Frauen auch in Migrantenorganisationen häufig ihre
Organisations- und Vereinsentwicklung. Darüber hi-
Kompetenzen in Leitungs- und Führungsaufgaben
naus haben sie themenbezogenen Weiterbildungs-
nicht angemessen entwickeln und ihre spezifischen
bedarf hinsichtlich ihrer eigenen Beratungstätigkeiten,
Belange nur eingeschränkt vertreten. Auch die
etwa zu Schulformen, rechtlichen Fragen wie zum
Vernetzung von Frauen mit Migrationshintergrund
Aufenthaltsgesetz oder über das Gesundheitssystem.
ist noch wenig entwickelt und dadurch eine eigene
Punktueller und langfristiger Beratungs- und
Interessenvertretung nur eingeschränkt möglich. Um
Weiterbildungsbedarf besteht sowohl bei Vorständen
dies zu ändern, sind gezielte Weiterbildungsangebote
als auch bei Mitgliedern.
für Migrantinnen erforderlich, die in Migrantenorga-
sich aktiv in bürgerschaftlichen Organisationen. Wie
nisationen engagiert sind. Bestehende, zielgruppenSpezifische Beratungs- und Weiterbildungsan-
übergreifende Bildungsmaßnahmen sind jedoch meist
gebote für Migrantenorganisationen gibt es
inhaltlich, methodisch-didaktisch und bezüglich
gegenwärtig nur vereinzelt. Bestehende Angebote
der Rahmenbedingungen kaum auf die Zielgruppe
gliedern sich insbesondere in:
der engagierten Frauen bzw. Multiplikatorinnen
ƒƒ Beratungsangebote und Entwicklungsbegleitung
für Migrantenorganisationen
ƒƒ Thematisch orientierte Weiterbildungsveranstaltungen zu organisationsbezogenen Themen wie
Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit usw.
ƒƒ Bildungsangebote für Multiplikatoren mit den
Zielen, Kompetenzen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements zu stärken, (politische)
Teilhabemöglichkeiten zu erweitern und Vernetzungsprozesse zu initiieren
ƒƒ Bildungsangebote für Multiplikatoren mit den
Zielen, Einwanderer bei der Bewältigung spezifischer Problemlagen zu unterstützen
ƒƒ Weiterbildungsangebote im Rahmen unterschiedlicher Lotsenprojekte (Integrationslotsen,
Bildungslotsen)
ƒƒ Informationspoole zur Gewinnung von Referentinnen und Referenten
122
ausgerichtet. Die Konferenz der Gleichstellungs- und
Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen
und -senatoren der Länder hat in ihrer 19. Konferenz
im Juni 2009 die Bundesregierung darum gebeten,
die Qualifizierung von Frauen und Mädchen mit
Migrationshintergrund in ihrem bürgerschaftlichen
Engagement durch spezifische Förderprogramme
zu unterstützen und dabei insbesondere auch Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen für Frauen in
Migrantenorganisationen zu berücksichtigen.142
Durchführung von Integrationsprojekten im „Tandem“
Die gemeinsame Durchführung von Projekten
durch Migrantenorganisationen und Vereine oder
142 Beschlüsse der 19. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren
der Länder: Hauptkonferenz am 18. und 19. Juni 2009 auf
Schloss Krickenbeck / Nettetal.
D – Gesellschaftliche Integration
Einrichtungen vor Ort (etwa Jugendeinrichtungen,
Bundesland insgesamt deutlich geringer als in
kulturelle Zentren, Begegnungsstätten, Sport-
den westdeutschen Ländern und eine Vernetzung
vereinen, Wohlfahrtsverbänden etc.) wird als
auf lokaler Ebene häufig nicht möglich ist. Die
Tandem bezeichnet. Tandems können durch die
Etablierung nachhaltiger Netzwerkstrukturen ist
enge Zusammenarbeit zweier Organisationen
jedoch oft schwierig. Zum einen fehlt es teilweise an
zu positiven Effekten führen, insbesondere zur
dauerhaftem Engagement der beteiligten Organisa-
Professionalisierung von Migrantenorganisationen,
tionen, zum anderen sind aber auch unterstützende
zur interkulturellen Öffnung von Organisationen
Rahmenbedingungen wie öffentliche Anerken-
mit und ohne Migrationshintergrund oder zur
nung, Räumlichkeiten oder professionelle Leitung
Vernetzung der Integrationsarbeit vor Ort. Beide
oftmals nicht gegeben.
Träger bringen unterschiedliche Erfahrungen,
Kontakte und fachliche Kompetenzen ein, so dass
Nur vereinzelt haben Migrantenorganisationen
beide voneinander lernen können.
Kenntnis über lokale Integrationsnetzwerke und
noch seltener sind sie dort als Mitglieder engagiert.
Erfahrungen mit Tandem-Projekten zeigen jedoch,
Lockere Kooperationen zwischen Organisationen
dass diese Form der Zusammenarbeit für die be-
mit und ohne Migrationshintergrund sind zwar
teiligten Träger teilweise Schwierigkeiten mit sich
vorhanden und nehmen auch zu; eine systema-
bringt. Probleme entstehen insbesondere
tische Vernetzung von Institutionen der Mehrheits-
ƒƒ durch unterschiedliche Organisationsgrade,
gesellschaft mit Migrantenorganisationen existiert
bislang jedoch nicht. Netzwerkarbeit, welche das
ƒƒ bei der Regelung rechtlicher und organisatorischer Fragen,
Ziel hat, Integrationsprozesse zwischen Menschen
ƒƒ bei der Verständigung über die Kompetenzen und
Verantwortlichkeiten gegenüber (potenziellen)
Zuwendungsgebern.
bzw. Migranten zu unterstützen, kann jedoch ohne
ohne Migrationshintergrund und Migrantinnen
die Mitarbeit von Menschen mit Migrationshintergrund und ihren Organisationen nicht glaubwürdig
und erfolgreich sein. Eine bundesweite Analyse
Vernetzung
verschiedener kommunaler Integrationsnetzwerke
Netzwerke bieten Austausch, Bündelung und
zeigt, dass der Anteil von Migrantenorganisationen
Weitergabe von Wissen, gegenseitige Beratung
in diesen Netzwerken relativ gering ist. Dies weist
und Vermittlung wichtiger Ansprechpartner.
darauf hin, dass ein Großteil des organisierten
Dadurch tragen sie zum Kompetenzerwerb, zur
lokalen Integrationsgeschehens und der Abstim-
Professionalisierung und zur stärkeren
mung von Aktivitäten in Netzwerken in diesem
gesellschaftlichen Teilhabe ihrer Mitglieder bei.
Bereich ohne die Beteiligung von Migrantenorgani-
Einzelne Bundesländer wie Brandenburg,
sationen geschieht.
Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen unterstützen die Vernetzung von Migrantenorganisati-
Teilweise ist die mangelnde Partizipation von
onen bereits erfolgreich.
Migrantenorganisationen auch ein Problem der
Unvereinbarkeit von hauptamtlichen und
Netzwerke von Migrantenorganisationen stärken
ehrenamtlichen Strukturen. Kleine, rein ehren-
den Zugang ihrer Mitgliedsorganisationen zum
amtlich arbeitende Migrantenorganisationen
gesellschaftlichen Leben, unterstützen Organisati-
können ressourcenbedingt kaum längerfristige
onen (etwa bei der Öffentlichkeitsarbeit) und geben
Kontakte zu Integrationsnetzwerken aufbauen, an
ihnen die Möglichkeit, sich noch zielgerichteter
Sitzungen (während der Arbeitszeit) teilnehmen
in lokale Integrationsaktivitäten einzubringen.
oder sich an migrationspolitischen Diskussionen
Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern
beteiligen. Zahlreiche Kommunen, in denen
nimmt die Bedeutung von landesweit organisierten
Hauptamtliche und freiwillig Engagierte vor Ort
Netzwerken von Migrantenorganisationen zu,
gut zusammenarbeiten, gehen hier jedoch mit
da die Anzahl von Migran­tenorganisationen pro
gutem Beispiel voran und setzen die Empfeh-
123
D – Gesellschaftliche Integration
lungen der kommunalen Spitzenverbände zur
dungsakademie AEF – sind bisher die Ausnahme.
gesellschaftlichen Integration durch Partizipation
Dennoch bieten auch Migrantenorganisationen
und bürgerschaftliches Engagement aus dem
Weiterbildungsangebote an, diese finden in
Nationalen Integrationsplan um. Diese legen den
der Regel jedoch eher sporadisch, informell, in
Kommunen nahe „bürgerschaftliches Engage-
nicht institutionalisierten Formen und durch nicht
ment von, für und mit Migranten zu unterstützen
immer ausreichend geschulte Mitarbeiterinnen
und zu fördern“ sowie „Menschen mit Migrations-
und Mitarbeiter statt. Zudem treten Migrantenor-
hintergrund stärker an den Entscheidungs- und
ganisationen im Rahmen von Projektförderungen
Gestaltungsprozessen in den unterschiedlichsten
auch vermehrt als Aus- oder Weiterbilder von
Bereichen des sozialen und politischen Lebens zu
Integrationslotsen, Bildungslotsen, Multiplika-
beteiligen“.
toren auf. Neben der Notwendigkeit, Angebote
143
der klassischen Weiterbildungsträger auch für
Qualifizierung von Migrantenorganisationen zu
Trägern von Weiterbildungen, Multiplikatorenausbildungen und Beratungen
Migran­tenorganisationen bereit zu halten, besteht
Migrantenorganisationen als staatlich anerkannte
diese bei Eignung zu Bildungsträgern zu quali-
Bildungsträger – wie etwa die Spanische Weiterbil-
fizieren und anzuerkennen. Die staatliche Aner-
auch der Bedarf, die Arbeit der Organisationen
in diesem Arbeitsfeld zu professionalisieren und
kennung als Weiterbildungsträger in der Erwach143 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 32
senenbildung wird durch die Bundesländer über
Gesetze geregelt.
Empfehlungen
Organisation im Dachverband anstreben
Migrantenorganisationen sollten die Möglich-
Spezifische Angebote zu Beratung, Weiterbildung für
Migrantenorganisationen entwickeln und umsetzen
keiten prüfen, sich an einen bestehenden
Die Weiterbildungsbedarfe von Migrantenorgani-
Dachverband anzuschließen oder die Gründung
sationen sollten von Bund, Ländern und Kommunen
eines eigenen Dachverbands zu organisieren.
sowie den klassischen Trägern der Weiterbildung –
Dabei muss jedoch beachtet werden, dass
insbesondere Volkshochschulen, Bildungswerken,
Dachverbände auch eigene Interessen verfolgen,
Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung
die nicht immer mit denen kleiner Vereine und
– stärker wahrgenommen und aufgegriffen werden.
Migrantenorganisationen übereinstimmen
müssen. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile jeweils
Weiterbildungsangebote für Migrantenorganisati-
abzuwägen.
onen sollten regelgefördert und kontinuierlich ermöglicht werden, um längerfristige Expertise sowie
Dachverbände sollten ihre Aufnahmekriterien
auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Nachfragestruk-
überprüfen, da diese teilweise für viele Mi-
turen aufbauen zu können. Migrantenorganisati-
grantenorganisationen schwer bis gar nicht zu
onen sollten dabei in die Konzeption von Angeboten
erfüllen sind. Dies gilt insbesondere für Mit-
einbezogen werden.
gliederzahlen, Mitgliedsbeiträge oder etwa die
bundesweite Ausrichtung von Verbänden.
Aus öffentlichen Mitteln finanzierte Weiterbildungseinrichtungen sollten sich von Migrantenorgani-
Eine Professionalisierung von Migrantenorgani-
sationen bei der Gestaltung von Weiterbildungsange-
sationen durch Zusammenschlüsse zu eigenen
boten beraten lassen.
Dachverbänden oder den Anschluss an einen
bestehenden Dachverband sollte Gegenstand der
Weiterbildungsangebote für Migrantenorganisati-
Förderpolitik werden.
onen sollten auf die Professionalisierung und auf
124
D – Gesellschaftliche Integration
Entwicklungsprozesse der Organisationen und der
Angebote für Migrantenorganisationen müssen sich
beteiligten Mitglieder zielen. Sie sollten nicht nur die
inhaltlich an ihrem oft heterogenen Bedarf orientieren.
Vorstände der Migrantenorganisationen, son-
Angeboten werden sollten Weiterbildungen zum
dern auch die Mitglieder einbeziehen, die die Inte-
Erwerb von Schlüsselkompetenzen sowie themenspe-
grationsarbeit in der Praxis umsetzen. Hier ist ein
zifische Qualifizierungen. Wichtig sind Angebote zu
Vorgehen gefragt, mit dem vorhandene Ressourcen
vereinsspezifischen Kenntnissen, zu Kenntnissen für
und Potenziale und auch die Leistungen der Migran-
den Bereich des bürgerschaftlichen Engagements oder
tenorganisationen „aufgespürt“ werden können.
der Antidiskriminierungs- und Antirassismusarbeit.
Es sollten gezielt Weiterbildungsangebote für
Entwickelt, gefördert und angeboten werden sollten
Migrantinnen entwickelt werden, die sie
sowohl Seminare bzw. Schulungen für homogene
dabei unterstützen, verantwortliche Positionen
als auch für heterogene Gruppen etwa bezüglich
in Migrantenorganisationen einzunehmen.
der Herkunft, des Geschlechts oder auch der Altersstufe. Je nach Bedarf und thematischen Bezügen
Mit Blick auf Beratungsangebote für Migranten-
sollten insbesondere Empowerment-Seminare für
organisationen sollten Kriterien guter Beratung
Frauen- und Jugendorganisationen oder auch für
definiert werden. Es wird empfohlen, beispiel-
Vertreterinnen und Vertreter von Organisationen nur
gebende Angebote zu identifizieren und diese
einer Community in „geschützten Räumen“ statt-
umfassend zu evaluieren. Empfohlen wird zudem
finden können. Dazu gehören auch entsprechende
die Entwicklung von Qualitätsindikatoren bzw.
Mentoringprogramme.
-standards für Weiterbildungsangebote. Weiterbildungen für Migrantenorganisationen sollten von
Migrantenorganisationen sollten bei der Bedarfser-
Trägern angeboten werden, die als Institution
mittlung, Analyse und Konzeption von bedarfsge-
nachweislich interkulturell geöffnet sind bzw. über
rechten Weiterbildungsangeboten rechtzeitig einge-
interkulturelle Leitlinien verfügen.
bunden werden. Zu prüfen ist, ob Modelle möglich
sind, bei denen sie als Auftraggeber Kooperationen mit
Bildungsgutscheine sollten auch an Migrantenorga-
Weiterbildungsträgern bilden. So könnte die frühzei-
nisationen vergeben werden können.
tige und passgenaue konzeptionelle Abstimmung von
Weiterbildungsträgern mit Migrantenorganisationen
ƒƒ Umsetzungshinweis: Entwicklung von Weiter-
bildungsangeboten
als wichtiges Qualitätskriterium für die Beurteilung
von Bildungsangeboten für Migrantenorganisationen
Angebote für Migrantenorganisationen müssen sich
und damit auch als Kriterium für die Förderung aus
organisatorisch an ihrem oft heterogenen Be-
staatlichen oder privaten Mitteln gelten.
darf orientieren: Kleine, mittlere und große Vereine
benötigen unterschiedliche Weiterbildungen. Zu-
Die Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration
dem muss unterschieden werden zwischen einer
und Demokratie, Brandenburg e. V. (RAA) haben im
Vereinsarbeit auf Bundesebene und der Basisarbeit
Auftrag der Integrationsbeauftragten des Landes das
vor Ort.
Management-Handbuch für Migrantenorganisationen „KOMMIT“ herausgegeben. Das Handbuch soll
Weiterbildungsträger müssen berücksichtigen, dass
Migrantenorganisationen bei Fragen und Problemen
ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
unterstützen, die sich aus der Vereinsgründung und
von Migrantenorganisationen in der Regel nur
bei der Vereinsführung ergeben. Es ist im Rahmen des
Weiterbildungen wahrnehmen können, die zeitlich
Projektes „KOMMIT- Kompetenzen von Migrantinnen
mit einer Berufstätigkeit vereinbar sind und deshalb
und Migranten stärken“ der Integrationsbeauftragten
idealerweise am Wochenende stattfinden sollten.
des Landes entstanden. In einer Seminarreihe wurden
Weiterbildungsangebote sollten kostengünstig sein,
Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorga-
da sie sonst von ehrenamtlich arbeitenden Migran-
nisationen über neun Monate für die Vereinsarbeit
tenorganisationen nicht wahrgenommen werden.
qualifiziert. Themen des Handbuchs sind u. a. Projekt-
125
D – Gesellschaftliche Integration
management, Vereinsrecht, betriebswirtschaftliche
beteiligen sich die Integrationsbeauftragten der
Grundlagen, Öffentlichkeitsarbeit, Moderation und
Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und
Fundraising. Die Publikation kann über das Büro der
Mecklenburg-Vorpommern sowie das Bürgernetz-
Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg
werk Bürgerschaftliches Engagement.
bestellt und unter http://www.masgf.brandenburg.de/
(http://www.raa-brandenburg.de)
media/lbm1.a.1333.de/ib_kommit.pdf) herunter
geladen werden.
Die Bertelsmann Stiftung will mit ihrem Leadership-Programm junge Führungskräfte in Migranten-
Ausgehend von der Initiative Brandenburgs betei-
organisationen stärken, da sie die zukünftige
ligen sich alle ostdeutschen Bundesländer an einem
strategische Ausrichtung der Organisationen maß-
Projektvorhaben, das Migrantenorganisationen
geblich bestimmen werden. Das Programm ist
durch Empowerment- und Fortbildungsmaßnahmen
ein Qualifizierungs- und Vernetzungsangebot für
zu Themenfeldern aus ihrer Praxis miteinander
junge Verantwortungsträger aus Migrantenorgani-
vernetzen und fördern soll. Das Projekt EmPa
sationen, die sich bundes-, landesweit oder regional
„Migrantenorganisationen stärken – das Qualifizie-
für Integration engagieren. Das Programm zielt
rungsprogramm 2009“ baut auf den Erkenntnissen
auf die Stärkung ihrer individuellen Handlungs-
des KOMMIT-Projektes auf und hat das Ziel, das
kompetenzen. Durch die Professionalisierung der
bürgerschaftliche Engagement von Menschen mit
Nachwuchskräfte sollen auch Ansprechpartner
Migrationshintergrund in den neuen Bundesländern
aus Zuwanderermilieus zu Fragen der Integration
durch ein kostenloses Weiterbildungsprogramm
für Politik und Gesellschaft identifiziert und
zu stärken. Darüber hinaus sollen die Vernetzung der
der Austausch mit ihnen ermöglicht werden. Die
Migrantenorganisationen in den neuen Bundeslän-
Qualifizierungsmaßnahmen umfassen folgende
dern vertieft und Akteure der Mehrheitsgesellschaft
vier Bereiche: Demokratische Spielregeln, Kommuni-
für das Thema Partizipation sensibilisiert werden.
kation & Public Relations, Leadership und Projekt-
Menschen mit Migrationshintergrund, die sich
management. Die Bertelsmann Stiftung übernimmt
in Migrantenorganisationen oder in der Migrations-
die Reise-, Übernachtungs- und Seminarkosten.
arbeit in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt,
Jeder Teilnehmer erhält am Ende der Qualifizierung
Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern enga-
ein Zertifikat. (www.bertelsmann-stiftung.de,
gieren und gute Deutschkenntnisse haben, können
Programmbereich Demokratie und Integration).
an Weiterbildung zu Themenkomplexen wie den
folgenden teilnehmen:
ƒƒ Vereinsrecht und Finanzen, Fundraising
Fachberatung für Migrantenorganisationen anbieten
Auf Landesebene sollten Fachberatungen für Migrantenorganisationen eingerichtet werden, die die
ƒƒ Projektmanagement/Projektarbeit
Aspekte Weiterbildung, Beratung und Organisati-
ƒƒ Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
onsentwicklung unter einem Dach vereinen. Ziel der
ƒƒ Präsentationstechniken
Beratungsstellen sollte es sein, Migrantenorgani-
ƒƒ Vernetzung und Kooperation
sationen soweit zu qualifizieren, dass sie in der Lage
ƒƒ Rechtliche Rahmenbedingungen
ƒƒ Zivilgesellschaft und zivilgesellschaftliches
Engagement
ƒƒ Umgang mit Diskriminierung
ƒƒ Partizipation von Migrantenorganisationen
Das Projekt wird von der RAA Brandenburg in
Kooperation mit der Integrationsbeauftragten des
Landes durchgeführt. Gefördert wird das Projekt
aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds und
des Landes Brandenburg. Als Kooperationspartner
126
sind, mit Kommunen, Verwaltung, Wohlfahrtsverbänden etc. auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren, an Projektförderung zu partizipieren und
in ihrer Brückenfunktion gestärkt zu werden.
Die Fachberatung sollte u. a. folgende Aufgaben
wahrnehmen:
ƒƒ Beratung zu Fördermöglichkeiten, Vereinsrecht,
Entwicklungsbegleitung etc.
ƒƒ Informationsvermittlung / Informationsdatenbanken etwa zu Weiterbildungsangeboten
D – Gesellschaftliche Integration
ƒƒ Weiterbildungsseminare zu Projektmanagement,
Vereinsmanagement, Empowerment etc.
ƒƒ regelmäßige Fachberatung zum Thema Vereinsgründung
ƒƒ Unterstützung bei der Mittelakquise
ƒƒ Hilfe und Vermittlung in Kooperationsprozessen
insbesondere für Tandemprojekte
ƒƒ Coaching für Projektdurchführungen (auch für
Tandemprojekte)
ƒƒ allgemeiner Informationsdienst
ƒƒ Zusammenarbeit mit den Akteuren der Integrationsförderung
ƒƒ Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen bzw. zu Institutionen
ƒƒ Politische Bildung, vor allem im Hinblick auf
Beteiligungsmöglichkeiten
ƒƒ Unterstützung beim Zugang zu öffentlichen und
privaten Mitteln (Antrags- und Verwendungsnachweise)
Zur Beratung und Begleitung von Migrantenorgani-
ƒƒ Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten
sationen auf lokaler / regionaler Ebene sind darüber
ƒƒ Konzeptionsberatung/Projektberatung
hinaus auch andere Modelle möglich:
ƒƒ Erweiterung der Einrichtungen der Regelberatung des Bundes und der Länder um spezifische
Angebote für Migrantenorganisationen
ƒƒ Einrichtung einer Stelle zur Beratung und Weiterbildung (bzw. einer Stelle zur Koordinierung derselben) durch kommunale Integrationsbeauftragte
ƒƒ Einrichtung von kommunalen Beratungsgremien
aus sachverständigen Bürgern, die in kommunalen Gremien mitwirken
ƒƒ Unterstützung bei der Gründung von Vereinen
(Beratung, Satzungsfragen)
ƒƒ Beratung zu Förderrichtlinien (Kommune, Bund,
Land, EU)
ƒƒ Mobile Bibliothek mit relevanten Themen der
Migration und Integration
Ziele des von der Jugendwerkstatt Frohe Zukunft
in Halle (Saale) getragenen Projekts sind die Professionalisierung von Migrantenorganisationen,
ƒƒ Bereitstellung kostenloser Weiterbildungsseminare
die Motivierung und Unterstützung des Aufbaus
ƒƒ Erhöhung der Beratung in der Projektförderung
durch Länder, Kommunen und Stiftungen
Verknüpfungen zwischen dem Landesnetzwerk
weiterer Organisationen und die Schaffung von
Migrantenselbstorganisationen und Institutionen
Die qualifizierte Absicherung und Ausweitung der
der Mehrheitsgesellschaft. Von 2009 bis 2011
Leistungen von Migrantenorganisationen ist das
werden pro Förderjahr ca. 40 Migrantinnen und
Ziel der regionalen und landesweiten Fachberatung
Migranten aus Sachsen-Anhalt qualifiziert,
MigrantInnenselbsthilfe beim Paritätischen in
gefördert wird das Projekt aus Mitteln des Europä-
Nordrhein-Westfalen. Sie berät und qualifiziert
ischen Integrationsfonds und des Landes Sachsen-
Migrantenorganisationen seit dem Jahr 2000, damit
Anhalt. Teilnahmevoraussetzung ist, dass sich
diese mit Kommunen, Verwaltung, der Jugendhilfe,
die Teilnehmenden aktiv in einer der Organi-
Wohlfahrtsverbänden, Beratungsstellen und
sationen des „Landesnetzwerks Migrantenselbst-
anderen auf gleicher Augenhöhe kooperieren
organisationen“ engagieren.
können. Die Fachberatung MigrantInnenselbsthilfe
wird vom Ministerium für Generationen, Familie,
Informationsfluss verbessern
Frauen und Integration des Landes Nordhrein-
Es sollte umfassende Information und Öffentlich-
Westfalen gefördert und berät auch Organisationen,
keitsarbeit über die verschiedenen Möglich-
die dem Paritätischen nicht angeschlossen sind.
keiten der Weiterbildung sowie deren Anbieter
(http://www.migrantenselbsthilfe.paritaet-nrw.org)
bereitgestellt werden, die explizit oder zumindest auch für Migrantenorganisationen geeignet
Im Rahmen des Projektes „Empowerment von
sind.
MigrantInnen zum nachhaltigen Gelingen der
Integration und zur Förderung des Interkulturellen
Zudem sollte ein Online-Informationspool einge-
Dialogs“ (EFI) wurde eine Servicestelle für Migran-
richtet und kontinuierlich aktualisiert werden,
tenorganisationen in Sachsen-Anhalt eingerichtet,
der über spezifische Beratungs- und Weiterbil-
die folgende Leistungen anbietet:
dungsmöglichkeiten für Migrantenorganisationen
127
D – Gesellschaftliche Integration
informiert, damit die Angebote sowohl von Bera-
werden, wenn die Partner die Projektkonzeption
tungsstellen als auch von Migrantenorganisationen
gemeinsam entwickeln. Der zeitliche Mehraufwand
leichter gefunden werden können.
von Tandems in ihrer Aufbauphase sollte bei der
Förderung beachtet werden.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Informationspool
Ein solcher Informationspool kann auch die Suche
Migrantenorganisationen und anerkannte Träger
nach Referentinnen und Referenten zu spezi-
sollten auch selbst Kriterien aufstellen, die mögliche
fischen Themen ermöglichen. Dachverbände sollten
Partner oder das gemeinsame Vorhaben erfüllen
diesen Service für ihre angeschlossenen Migranten-
sollten, wie:
organisationen bereitstellen. Da Bedarfe besonders häufig bei Initiativen bestehen, die keinem
ƒƒ Interkulturelle Öffnung der Träger
Dachverband angehören, sind darüber hinaus auch
ƒƒ Ähnliche Arbeitsschwerpunkte
Landes- und kommunale Integrationsbeauftragte
ƒƒ Zielgruppenerreichung
gefragt. Angeknüpft werden könnte an den von
ƒƒ Gemeinsame Projektentwicklung
der Bundeszentrale für politische Bildung geführten,
online zugänglichen Expertinnen- und Expertenpool.
Die Förderung von Tandemprojekten sollte mit einer
Strukturförderung der Migrantenorganisationen
Integrationsprojekte im „Tandem“ mit anerkannten
Trägern durchführen
einhergehen.
Länder und Kommunen sollten Kontakt- und
Tandemprojekte sollten durch Prozessberatung /
Begegnungsmöglichkeiten für etablierte Träger
Coaching / Supervision des Tandemprojekts be-
und Migrantenorganisationen schaffen, um
gleitet werden, um die Kooperation zu erleichtern –
Tandems zu erleichtern.
auch über die Anfangsphase hinaus. Zudem sollte
eine Plattform für den Erfahrungsaustausch für
Das Land Sachsen-Anhalt sieht die vorrangige För-
Tandem-Träger eingerichtet werden.
derung von Tandemprojekten vor. Zudem soll die
Entwicklung von gemeinsamen Projektkonzeptionen
ƒƒ Umsetzungshinweis: Tandemprojekte
unterstützt werden: Im Rahmen des Projekts „Empower-
Bei der Entwicklung und Förderung von Tandem-
ment von MigrantInnen zum nachhaltigen Gelingen
projekten sollte beachtet werden, dass beide Partner
der Integration und zur Förderung des Interkulturellen
eine gewisse Übereinstimmung hinsichtlich ihrer
Dialogs“ wird in Kooperation mit dem Land eine
Aufgaben haben.
Tagung veranstaltet, auf der Migrantenorganisationen
und etablierte Träger gemeinsam Ideen, Inhalte und
Um Tandemprojekte durch eine Strukturförderung
Ziele für erste Tandemprojekte entwickeln sollen.
für die beteiligten Migrantenorganisationen zu
begleiten, gibt es unter anderem folgende Möglich-
Damit im Rahmen von Tandemprojekten sowohl
keiten: Aufwandsentschädigung für bürgerschaft-
Migrantenorganisationen als auch anerkannte
liches Engagement und für materielle Auslagen,
Träger gleichberechtigt agieren können, beide von
Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement
der Zusammenarbeit profitieren und die Qualität
als finanziellen Eigenanteil, Förderung von
der Arbeit gewährleistet wird, sollten Kriterien für
hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
die Durchführung von Tandem-Projekten ent-
und / oder Minijobs sowie von Räumlichkeiten und
wickelt werden. Die fördernde Stelle sollte darauf
technischer Ausstattung.
achten, dass nicht nur die großen Träger Mitteldabei unterstützt werden, federführend die
Mentoring bzw. Patenschaft durch anerkannten
Träger fördern
Projektanträge zu stellen, um ihnen den damit
Zur Professionalisierung und Organisationsent-
verbundenen Professionalisierungsprozess zu
wicklung von Migrantenorganisationen sollten Paten-
ermöglichen. Tandems sollten nur dann gefördert
schaftsprojekte gefördert werden, bei denen ein
empfänger sind. Migrantenorganisationen sollten
128
D – Gesellschaftliche Integration
anerkannter Träger die Strukturentwicklung und
Professionalisierung von Migrantenorganisationen
begleitet.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Patenschaften vermitteln
ƒƒ Kooperation der Verwaltung mit dem Netzwerk, etwa
durch die Einbindung des Netzwerks in lokale und
Landesgremien oder durch gemeinsame Aktivitäten
Die Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg
Um Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten
fördert die Vernetzung der Migrantenorganisationen
zwischen Migrantenorganisationen und etablierten
im Land insbesondere durch die zwei Mal jährlich
Trägern zu schaffen, kann es hilfreich sein, auf
stattfindenden sogenannten Migrantentreffen.
lokaler Ebene Veranstaltungen durchzuführen, bei
Durch diese Treffen, die von der Integrationsbeauf-
denen interessierte Migrantenorganisationen mit
tragten finanziert werden (inklusive Fahrtkosten für
etablierten Vereinen zusammengebracht werden,
Teilnehmende) wurde eine Vernetzungsplattform für
die bereit sind, eine Migran­tenorganisation bei ihrer
Migrantenorganisationen geschaffen. Ziel ist es, die
Organisationsentwicklung zu unterstützen.
Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund am Integrationsprozess zu fördern und so zur
Netzwerke von Migrantenorganisationen gründen
Verbesserung der Integrationsarbeit in Brandenburg
Netzwerkpartner sollten berücksichtigen, dass
beizutragen. So ist das Netzwerk etwa Mitglied im
Netzwerke zwar schnell gegründet werden können,
Landesintegrationsbeirat.
ihre Weiterführung aber dauerhaftes Engagement
braucht. Hier sind die Bereitschaft zu Verantwor-
In Sachsen-Anhalt haben Vertreterinnen und Ver-
tungsübernahme sowie die Klärung von Zuständig-
treter von über 40 Migrantenorganisationen 2008 das
keiten in den beteiligten Migrantenorganisationen
„Landesnetzwerk Migrantenselbstorganisationen“
genauso notwendig wie die Benennung fester
(LAMSA) gegründet. Das ehrenamtlich organisierte
Ansprechpartner.
Netzwerk will die politischen, wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Interessen der Bevölkerung
Die Vernetzung von Migrantenorganisationen
mit Migrationshintergrund vertreten und versteht
über Herkunftsgruppen hinweg funktioniert auf
sich als legitimierter Ansprechpartner der Landes-
Basis des gemeinsamen Interesses. Netzwerke
regierung sowie aller anderen relevanten Organisati-
sollten ihre Mitglieder in der eigenständigen und
onen auf Landesebene. Das Landesnetzwerk arbeitet
an deren Bedarfen ausgerichteten Entwicklung von
öffentlichkeitswirksam durch Fachveranstaltungen
Handlungsmöglichkeiten unterstützen.
und durch die Teilnahme an landesweit oder regional
bedeutsamen Maßnahmen. Zudem wird mit den
Bund, Länder und Kommunen sollten Netzwerke
Medien in Sachsen-Anhalt zusammen gearbeitet, um
zur Professionalisierung und Stärkung der Teilhabe
das Thema Zuwanderung und Integration der
von Migrantenorganisationen ideell und wo
Mehrheitsgesellschaft nahe zu bringen. Das Netzwerk
möglich auch finanziell unterstützen.
trifft sich vierteljährlich in Räumlichkeiten des
Ministeriums für Gesundheit und Soziales des Landes
ƒƒ Umsetzungshinweis: Förderung von Netzwerken
von Migrantenorganisationen
Unterstützt werden können die Bildung und nachhal-
Sachsen-Anhalt. Bei Bedarf berichtet die Integrationsbeauftragte über aktuelle integrationsbezogene
Themen. LAMSA nimmt auch teil an den von der
tige Etablierung von Netzwerken insbesondere durch
Integrationsbeauftragten veranstalteten Netzwerk-
folgende Maßnahmen:
treffen der Migrationssozialarbeit.
ƒƒ Bereitstellung fester Räumlichkeiten durch Land
oder Kommune
ƒƒ Ideelle Unterstützung von Land und Kommune
(Politik wirbt öffentlich für das Netzwerk)
ƒƒ Einrichtung einer vom Land oder der Kommune
finanzierten Geschäfts- oder Koordinierungsstelle
ƒƒ Professionalisierung des Führungspersonals in
Migrantenorganisationen
(Vgl. http://www.lamsa.de)
Migrantenorganisationen in Integrationsnetzwerke
einbinden
Eine stärkere Vernetzung von Migrantenorganisationen und Organisationen der Mehrheitsgesellschaft
sollte angestrebt werden. Dort, wo Migrantenorgani-
129
D – Gesellschaftliche Integration
sationen mit aktiver, öffentlich sichtbarer politischer
Unterstützung agieren, lassen sich auch andere
Institutionen (Träger der Migrationsarbeit, Kirchen,
Schulen, Arbeitgeber) leichter für die Vernetzung
und Zusammenarbeit gewinnen. Politik kann
(durchaus kostenneutral), etwa durch die Teilnahme
an Aktivitäten der Migrantengruppen oder der
öffentlichen Würdigung des Engagements, wichtige
Signale der Anerkennung setzen.
Insgesamt sollte ein Diskussionsprozess in den Netzwerken professioneller Akteure der Integrationsförderung mit dem Ziel eingeleitet werden zu prüfen,
ob und wie eine gemeinsame Netzwerkarbeit
mit ehrenamtlich engagierten Migrantenorganisationen umgesetzt werden kann. Wichtig ist die
gleichberechtigte und wertschätzende Zusammenarbeit mit beidseitigem Kompetenztransfer.
ƒƒ Zusammenarbeit der kommunalen Integrationsnetzwerke mit örtlichen Ausländer- bzw. Integrationsbeiräten, welche im lokalen Bereich
agierende Migrantenorganisationen kennen, kann
ein Weg sein, integrativ arbeitende Migrantenorganisationen zu erreichen.
ƒƒ Öffentlich sichtbare Unterstützung und Begegnung
von Politik und Migrantenorganisationen
kann für andere Akteure zur vertrauensbildenden
Maßnahme werden, so dass sich auch weitere
Institutionen / Einrichtungen für eine gemeinsame
Netzwerkbildung gewinnen lassen.
ƒƒ Integrativ arbeitende Migrantenorganisationen
sollten auch gezielt über die unterschiedlichen
vorhandenen kommunalen Integrationsnetzwerke
informiert und eingeladen werden.
ƒƒ Fahrtkostenzuschüsse für rein ehrenamtlich arbeitende Migrantenorganisationen durch
Kommunen, Bürgerstiftungen etc. können die
Teilnahme von Migrantenorganisationen
darüber hinaus erleichtern.
Ein Beispiel für vernetztes Arbeiten von Migranten-
Migrantenorganisationen, die stärker an den Inte-
organisationen mit anderen Organisationen und
grationsnetzwerken partizipieren wollen, können
kommunalen Einrichtungen ist das „Zentrum für
über die Regionalstellen des Bundesamts oder
Integration und Migration“ (ZIM) in Erfurt. Das ZIM
die Kommunen Informationen erhalten und an ent-
ist Beratungs- und Kulturzentrum und Anlaufstelle
sprechende Netzwerke vermittelt werden. Eben-
für Migrantinnen und Migranten, Menschen
so sollten Migrantenorganisationen von sich aus
ohne Migrationshintergrund aber auch für am
über ihre Integrationsaktivitäten auf örtlicher
Integrationsprozess beteiligte Ämter, Behörden und
Ebene informieren.
Institutionen. Im strukturell und finanziell mit dem
Zentrum arbeiten vier Migrantenorganisationen
Migrantenorganisationen zu Trägern von Weiter-
bildungen qualifizieren
mit zwei einheimischen Organisationen zusammen.
Im Zuge der Professionalisierung von Migrantenor-
Über einen Kooperationsvertrag haben sie sich
ganisationen ist es einerseits von Bedeutung, dass
gemeinsamen Zielen verpflichtet. Die Stadt finan-
anerkannte Träger der Erwachsenenbildung die
ziert die Miet- und Betriebskosten sowie anteilige
Weiterbildungsbedürfnisse von Migrantenorgani-
Programmkosten. Durch die unmittelbare Zusam-
sationen erkennen und praxisrelevante Angebote
menarbeit von Migranten- und einheimischen
in Zusammenarbeit mit ihnen entwickeln und
Organisationen können interkulturelle Erfahrungen,
bereitstellen. Andererseits sollten parallel auch Mi-
Besonderheiten und Erfordernisse verschiedener
grantenorganisationen selbst als Träger von Weiter-
Zuwanderungsgruppen berücksichtigt werden.
bildungen unterstützt werden.
Amt für Sozial- und Wohnungswesen verknüpften
Die Vereine werden in ihrer Vereinsarbeit durch
die im ZIM angesiedelte Fach- und Servicestelle für
Die für die Anerkennung von Weiterbildungsträger
Integration und Migration unterstützt.
zuständigen Stellen der Länder sollten gezielt
Informationen und Beratung für Migrantenorga-
ƒƒ Umsetzungshinweis: Einbindung von Migrantenorganisationen in kommunale Integrationsnetzwerke
130
nisationen anbieten, um ihre Bildungsarbeit durch
anerkannte Qualitätsstandards abzusichern und
Unterstützt werden kann die Einbindung von Migran-
sie darin unterstützen, sich als staatlich aner-
tenorganisationen in kommunale Integrationsnetz-
kannter Bildungsträger der Erwachsenenbildung
werke insbesondere durch folgende Maßnahmen:
zu qualifizieren.
D – Gesellschaftliche Integration
Zur Qualifizierung von Migrantenorganisationen
Weiterbildungsträger, ein bundesweites oder
zu Trägern von Multiplikatorenausbildungen,
landesweite Netzwerke organisiert werden und sollte
Integrations- bzw. Bildungslotsen und Beratungen
ein Zertifikat als Nachweis umfassen.
sollten Qualitätsstandards entwickelt werden.
Hierzu sollte geprüft werden, ob das Bundesamt für
Die Academia Española de Formación (AEF) –
Migration und Flüchtlinge und / oder die Länder
Spanische Weiterbildungsakademie e.V. verfolgt seit
gegebenenfalls in Kooperation mit landesweiten
ihrer Gründung im Jahr 1984 das Ziel, ein inter-
Netzwerken oder etablierten Weiterbildungsträ-
kulturelles Bildungsangebot zu entwickeln, das
gern solche Standards entwickeln können.
sowohl vom Inhalt als auch von der Methodologie
her den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen
Qualifizierungsmaßnahmen, durch die Migranten-
mit Migrationshintergrund in Deutschland gerecht
organisationen befähigt werden, sich als Träger der
wird, um deren Lebensqualität zu verbessern. Die
Erwachsenenbildung anerkennen zu lassen, sollten
AEF ist bisher das einzige derartige bikulturelle
von Mittelgebern auf Bundes- und Landesebene
Projekt einer Bildungseinrichtung mit staatlicher
finanziell gefördert werden.
Anerkennung in Deutschland (nach dem Weiterbildungsgesetz in Nordrhein-Westfalen) geblieben. Die
ƒƒ Umsetzungshinweis: Qualitätssicherung und
Qualifizierung zu Trägern von Multiplikatorenausbildungen und Beratungen
AEF bietet u. a. Multiplikatorenschulungen für die
Elternarbeit in und mit Migrantenorganisationen
sowie Seminare zur Förderung eines qualifizierten
Die Qualifizierung von Migrantenorganisationen
Vereinsmanagements in den Migrantenorganisati-
zu Trägern der Weiterbildung könnte über etablierte
onen – auch über die spanische Community hinaus.
2.1.3 Partizipation durch bürgerschaftliches
Engagement in und durch Migranten­
organisationen
Das bürgerschaftliche Engagement von Menschen
Umfassende repräsentative Daten über das frei-
mit Migrationshintergrund und ihrer Organi-
willige und bürgerschaftliche Engagement
sationen spielt eine wichtige Rolle im Integrations-
von Menschen mit Migrationshintergrund und
prozess, wenn es gesellschaftliche und politische Be-
ihren Organisationen in Deutschland liegen
teiligungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten
bisher nicht vor.146 Verschiedene Studien und
erschließt und fördert.
144
Engagierte Menschen
mit Migrationshintergrund erwerben neben
sprachlichen auch personenbezogene und Sachkompetenzen, wie Selbstbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und
Institutionenkenntnisse.145 Aus der aktiven
Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an den Diskussionen und Entscheidungen
vor Ort wächst die Identifikation mit dem Wohnumfeld.
144 Aktivitäten, die auf eine Abschottung gegenüber der Gesellschaft zielen, können, auch wenn sie freiwillig und unent-
geltlich ausgeübt werden, nicht als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet werden. Vgl. Huth, Susanne (2007): Bürgerschaftliches Engagement in Migrantenselbstorganisationen:
integrationsfördernd oder -hemmend? in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, Jg. 38, H. 3, Berlin, S. 74.
145 Vgl. Huth (2007), a. a. O., S. 75.
146 In der Migrantenstichprobe des zweiten Freiwilligensurveys
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (BMFSFJ) aus dem Jahr 2004 sind nur Migrantinnen und
Migranten vertreten, die eine 30minütige Telefonbefragung
in deutscher Sprache absolvierten. In der Stichprobe wurden
überproportional viele (Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aus-
siedler befragt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ für die
Gesamtheit der zugewanderten und hier geborenen Menschen mit Migrationshintergrund. Die Zahlen einer Repräsentativbefragung von türkischstämmigen Migrantinnen und
Migranten analog zum Freiwilligensurvey durch die Stiftung
Zentrum für Türkeistudien im Auftrag des BMFSFJ (2004)
zeigen, dass annähernd zwei Drittel der türkischstämmigen
Menschen in Vereinen, Verbänden, Gruppen oder Initiativen
aktiv sind. Ein Drittel der Aktiven beteiligt sich sowohl in deutschen Zusammenhängen als auch in türkischen, 9 Prozent in
interkulturellen Zusammenhängen. Die Beteiligung in interkulturellen und deutschen Vereinigungen war höher, wenn
gemeinsame Anliegen und Interessen von Deutschen und Türkischstämmigen berührt wurden. (Rosenbladt, Bernhard von
(2000): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Ergebnisse
der Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit
und bürgerschaftlichem Engagement Band 1: Gesamtbericht,
Schriftenreihe des BMFSFJ. Stuttgart S. 39 und 43).
131
D – Gesellschaftliche Integration
Sozial­berichte147 weisen auf drei Aspekte von beson-
Mögliche Kooperationspartner
derer Bedeutung für die Engagementförderung:
Lokale Einrichtungen der Engagementförderung
Erstens ist ein höheres Bildungsniveau förderlich für
können wichtige Kooperationspartner für Migranten-
die Beteiligung an freiwilligem Engagement – dies
organisationen sein. Zu den lokalen, häufig zivilge-
gilt für Menschen mit und ohne Migrationshinter-
sellschaftlichen Einrichtungen der Engagementför-
grund in gleichem Maße. Zweitens engagieren sich
derung zählen etwa 300 Freiwilligenagenturen und
Menschen mit Migrationshintergrund zu anderen
-zentren148, Seniorenbüros, Selbsthilfekontaktstellen
Themen und in anderen Formen als Menschen ohne
oder auch mittlerweile über 200 Bürgerstiftungen.
Migrationshintergrund. Engagement in eigen-
Diese Einrichtungen der Engagementförderung sind
ethnischen Kontexten, etwa in der Kulturarbeit, spielt
nicht nur in der Vermittlung von Engagementmög-
eine große Rolle, wobei dieses Engagement
lichkeiten vor Ort tätig, sondern oft auch Netzwerk-
mehrheitlich auf das Leben in Deutschland und
knotenpunkte im kommunalen Raum, Sprachrohr für
nicht auf das Herkunftsland gerichtet ist. Zudem
Interessen der Engagierten und zuweilen auch Berater
sind bei ihnen informelle Engagementformen der
von Einrichtungen, Vereinen, Verbänden, Kommu-
nachbarschaftlichen und familiären Selbsthilfe
nalverwaltungen oder Unternehmen in Fragen guter
stärker ausgeprägt. Drittens ist die interkulturelle
Rahmenbedingungen der Engagementförderung.
Öffnung des bürgerschaftlichen Engagements,
Ihnen kommt zumeist eine Doppelrolle zu: Sie stellen
seiner Strukturen und Einrichtungen notwendig.
Mittel für lokale Engagementprojekte bereit und
bieten zugleich eine Plattform, auf der sich Menschen
Eine Reihe von vereinsinternen und -externen
mit und ohne Migrationshintergrund für gemein-
Faktoren hemmen dabei den Auf- und Ausbau von
same Themen einsetzen können. Bislang gehören Men-
bürgerschaftlichem Engagement in Migrantenor-
schen mit Migrationshintergrund jedoch nur
ganisationen, insbesondere:
punktuell in einzelnen Einrichtungen der Engagement-
ƒƒ Fehlende hauptamtliche Strukturen
ƒƒ Förderung von Engagement häufig nur durch
zeitlich befristete Modellprojekte
ƒƒ Fehlende Kenntnisse etwa in Bezug auf vereinsrechtliche Fragen, kommunale Strukturen,
Projektmanagement
ƒƒ Fehlende Räumlichkeiten, Büro-Ausstattungen
und finanzielle Mittel
ƒƒ Mangelnde Zugänge zur Öffentlichkeit
ƒƒ Fehlende interkulturelle Öffnung und Kompetenzen in vielen deutschen Einrichtungen /
Organisationen / Unternehmen / Behörden, die
einer Vernetzung im Wege stehen
ƒƒ Insgesamt fehlende oder geringe Förderung/Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement
(Engagierte und Engagement werden selten
sichtbar)
förderung zu der Zielgruppe der Freiwilligen. Auch
die 400 Ausländer- bzw. Integrationsbeiräte sind
mögliche Partner für Kooperationen im Bereich des
bürgerschaftlichen Engagements.
Erste Ansätze der Zusammenarbeit und des Austausches sind bereits entstanden. So gibt es
eine informelle Kooperation zwischen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen
(bagfa) und dem Bundesverband der Ausländer- und
Integrationsbeiräte in Deutschland (BAB), die
noch auf Länder- und lokaler Ebene zu erweitern
wären. Einzelne Wohlfahrtsverbände – etwa die
Caritas – haben eigene Aktivitäten unternommen, um
den Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Jugendfreiwilligendiensten zu erhöhen. Für die kommenden Jahre deutet sich die
Entwicklung von nachhaltigen Infrastrukturen der
Engagementförderung in den Ländern an. In Hessen
147 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(Hg.) (2005): Freiwilliges Engagement in Deutschland 19992004. Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement,
Berlin; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (Hg.) (2005): Freiwilliges Engagement von Türkinnen
und Türken in Deutschland, Berlin; Huth, Susanne (2007): Bürgerschaftliches Engagement von Migrantinnen und Migranten
– Lernorte und Wege zu sozialer Integration, Frankfurt a.M.
132
148 Freiwilligenagenturen haben es sich zur Aufgabe gemacht,
zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements beziehungsweise des Ehrenamtes beizutragen. Je nach Träger –
in der Regel Kirchen, Wohlfahrtsverbände, freie Initiativen,
Städte und Landkreise – und Arbeitsweise nennen sie sich
auch Freiwilligenzentren, Freiwilligenzentralen und Freiwilligen- oder Ehrenamtsbörsen.
D – Gesellschaftliche Integration
hat 2010 erstmalig eine Fachtagung zum Thema
wird das Selbsthilfepotenzial von Migrantinnen und
„Bürgerschaftliches Engagement von Menschen mit
Migranten beziehungsweise ihrer Organisationen ge-
Migrationshintergrund“ gemeinsam mit der Landes-
bündelt und gestärkt. Es sollen durch das Projekt
Ehrenamtsagentur und den Kommunalen Spitzenver-
verbindliche interkulturelle Vertretungsstrukturen
bänden stattgefunden. Auf der Ebene der Länder sind
in den Migrantenorganisationen geschaffen werden,
insbesondere auch fachlich an die Bedarfe angepasste
um so die partnerschaftliche Interessenvertretung
Fortbildungsangebote von Bedeutung, wie sie mit
in der regionalen Netzwerk- und Gremienarbeit zu
sogenannten „Mobilen Kompetenzteams“ der Länder
ermöglichen. Durch eine stärkere Zusammenarbeit mit
derzeit mit Unterstützung des Bundes aufgebaut
Migrantenorganisationen wird der Zugang zu Migran-
werden (Programmförderung für diese Teams im
tengruppen verbessert und der programmbezogene
Rahmen der Förderung für die „Freiwilligendienste
Wissenstransfer erheblich gesteigert.
aller Generationen“).
Das systematische bürgerschaftliche Engagement
Um Migrantenorganisationen in die kooperative Netz-
von Unternehmen – Corporate Citizenship oder
werkarbeit einzubeziehen, wurde in das Programm
Unternehmensbürgerschaft genannt – hat als
„Perspektive Berufsabschluss“ des Bundesministeriums
Bestandteil der Unternehmenskultur in Deutschland
für Bildung und Forschung im November 2009 das
noch eine vergleichsweise junge Tradition. Immer
Begleitprojekt „Mit MigrantInnen für MigrantInnen –
mehr Unternehmen engagieren sich für das Gemein-
Interkulturelle Kooperation zur Verbesserung
wohl und übernehmen so eine zusätzliche gesell-
der Bildungsintegration“ aufgenommen. In einer
schaftliche Verantwortung. Zivilgesellschaftliche
Pilotierung an acht Förderstandorten (Kiel, Marburg,
Partnerorganisationen können durch diese Form der
Dortmund, Darmstadt, Bielefeld, Schwerin, Saar-
Kooperation von vielen Kompetenzen der Wirtschaft
brücken, Leipzig) sollen der bisherige Stand der Mitwir-
profitieren, etwa in den Bereichen Management,
kung von Migrantenorganisationen im Netzwerk
Netzwerkarbeit oder Innovation. Bislang gibt es
der regionalen Akteure und ihre Mitwirkungsmöglich-
jedoch kaum Kooperationen von Unternehmen mit
keiten analysiert werden. Im weiteren Projektverlauf
Migrantenorganisationen.
Empfehlungen
Strukturen bürgerschaftlichen Engagements von und
in Migrantenorganisationen fördern
Die Engagementförderung in und durch Migrantenorganisationen sollte durch hauptamtliche
Personalstellen kontinuierlich unterstützt werden.
amtlichen (zum Beispiel Zertifikat, Ehrenamtspass),
Unkostenerstattung, Anerkennung für Paten,
persönliche Wertschätzung und die Erwähnung in
Öffentlichkeitsarbeit
Migrantenorganisationen, welche die ehrenamtlichen Strukturen innerhalb ihres Vereins ausbauen
Das BMFSFJ fördert seit Dezember 2008 ein Pro-
wollen, wird die Beachtung folgender Aspekte
jekt des Instituts INBAS-Sozialforschung über
empfohlen: Freiwillig Engagierte benötigen
„Qualifizierung zum Freiwilligenmanagement“,
ƒƒ kontinuierliche und feste Ansprechpartner
in dem durch umfassende Bestandsaufnahmen
Beispiele guter Praxis für die Förderung und
ƒƒ Angebote, die sich am konkreten Bedarf / Interesse
orientieren
Unterstützung des bürgerschaftlichen Engage-
ƒƒ Qualifizierung und professionelle individuelle
Beratung und Begleitung
unter anderem in Migrantenorganisationen
ƒƒ eine Würdigung ihrer Arbeit, zum Beispiel durch
die Anerkennung der Qualifizierung zum Ehren-
dingungen und Unterstützungsstrukturen zu
ments von Menschen mit Migrationshintergrund
erhoben werden, um adäquate Rahmenbeanalysieren.
133
D – Gesellschaftliche Integration
Unterstützung von Migrantenorganisationen, z. B.
organisationen auf kommunaler wie auf Landes-
bei der Akquise von Mitteln und der Weiterentwick-
ebene sowie deutsche Einrichtungen der Frei-
lung der Vereinsstrukturen, Qualifizierung von
willigenarbeit. Für beide Zielgruppen entwickelte
bürgerschaftlich Engagierten und der Einsatz in ver-
das Projekt in enger Zusammenarbeit mit den
schiedenen Arbeitsfeldern sind nur einige der
jeweiligen Kooperationspartnern Fortbildungs-,
Tätigkeiten von Integrationsagenturen in Nordrhein-
Qualifizierungs- und Unterstützungsangebote, um
Westfalen, die zum Teil ebenfalls Migrantenselbstor-
die Rahmenbedingungen für ihre ehrenamtliche
ganisationen sind.
Arbeit im Bereich Integration zu verbessern. So
wurden mit Ausländerbeiräten und Migranten-
Kooperation von Migrantenorganisationen mit
Einrichtungen der Engagementförderung vor Ort
unterstützen
vereinen Qualifizierungsmaßnahmen und Fortbil-
Empfohlen wird die Kooperation mit starken
Öffnungsprozesse eingeleitet und begleitet wurden.
Netzwerkpartnern, beispielsweise den Stadtverwal-
Um die Projektergebnisse übertragbar zu machen,
tungen, Integrationsbeauftragten von Kommunen
wurden alle durchgeführten Aktivitäten und
dungen konzipiert und durchgeführt, während mit
und für Freiwilligeneinrichtungen interkulturelle
und Ländern, zivilgesellschaftlichen Partnern
Maßnahmen evaluiert und auf den Internetseiten
wie etwa Freiwilligenagenturen oder auch Partnern
des Projektes dokumentiert. Ein weiterführendes
aus der Wirtschaft.
Ziel von „Gemeinsam engagiert“ war die Vernetzung und strukturelle Verbindungen zwischen
Migrantenorganisationen sollten enge Kontakte
bürgerschaftlich engagierten Migrantenorganisati-
und Kooperationen mit den Einrichtungen der
onen und Einrichtungen der Freiwilligenarbeit auf
Engagementförderung entwickeln. Die Einrich-
regionaler und Landesebene.
tungen ihrerseits sollten ebenfalls den Kontakt mit
(Vgl. http://www.gemeinsam-engagiert.net).
Migrantenorganisationen suchen.
Die interkulturelle Öffnung der (Jugend)FreiwilligenÖffentlich geförderte Einrichtungen der Engagement-
dienste sollte weiter vorangetrieben werden und
förderung sollten ihre Weiterbildungsangebote
Migrantenorganisationen vermehrt als Partner
für Hauptamtliche und freiwillig Engagierte gezielt
für die (Jugend)Freiwilligendienste gewonnen und
auch für Engagierte bzw. Multiplikatoren aus
qualifiziert werden. Die Aktivitäten der etablierten
Migrantenorganisationen anbieten.
Träger der (Jugend)Freiwilligendienste zur
Erhöhung des Anteils von Engagierten mit Migrati-
Einrichtungen der Engagementförderung sollten
onshintergrund sollten unterstützt werden.
Migrantenorganisationen als Einsatzfelder für
bürgerschaftliches Engagement erkennen. Sie
ƒƒ Umsetzungshinweis: (Jugend)Freiwilligendienste
sollten verstärkt mit Migrantenorganisationen ko-
Um mehr Menschen mit Migrationshintergrund für
operieren, um Menschen mit Migrationshinter-
die (Jugend)Freiwilligendienste zu gewinnen,
grund für bürgerschaftliches Engagement zu
können insbesondere folgende Schritte hilfreich sein:
gewinnen. Hilfreich können Ansätze einer aufsu-
Erschließung von Zugängen zur Zielgruppe, Weiter-
chenden Partizipationsförderung sein.
entwicklung der Kommunikationsstrategien und
spezifischen Vernetzungen, Qualifizierung des
Von 2007 bis 2010 haben das Bundesamt für Migra-
pädagogischen Personals / bzw. Berücksichtigung
tion und Flüchtlinge und das Bayerische Staats-
der Belange von Freiwilligen mit Migrationshinter-
ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie
grund im pädagogischen Begleitangebot der Frei-
und Frauen das Kooperationsprojekt „Gemeinsam
willigendienste.
engagiert“ der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns und des Landesnetzwerks
Um mehr Menschen mit Migrationshintergrund für
Bürgerschaftliches Engagement Bayern gefördert.
die Freiwilligendienste zu gewinnen, fördert das
Zielgruppen des Modellprojektes waren Migranten-
BMFSFJ das Projekt „Qualifizierung von Migranten-
134
D – Gesellschaftliche Integration
organisationen als Träger von Jugendfreiwilligen-
einer aufsuchenden Partizipationsförderung und
diensten“. Als erste Migrantenorganisation wurde
Information in den Communities erprobt werden.
die Türkische Gemeinde in Deutschland im Tandem
mit dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpäda-
Die Kommune Chemnitz hat Migrantenorganisati-
gogik als Träger von Jugendfreiwilligendiensten wie
onen bei der Entwicklung ihres Rahmenplans zur
dem Freiwilligen Sozialen Jahr oder dem Freiwilligen
Integration von Migranten/Migrantinnen vom Juni
Ökologischen Jahr qualifiziert. Weitere Informati-
2008 beteiligt. Neben den Fachämtern der Stadt
onen unter: http://www.mo-freiwilligendienste.de
wurden auch der Ausländerbeirat und das 1999
gegründete Integrationsnetzwerk für Migrantinnen
Wichtige Erfahrungen über Zugangsstrategien zur
und Migranten bei der Erstellung des Rahmenplans
Zielgruppe, zur Kooperation mit Migrantenorgani-
hinzugezogen. Im Netzwerk arbeiten nach
sationen, zur Berücksichtigung interkultureller
Vorgaben einer entsprechenden Kooperationsver-
Aspekte beim Einsatz junger Menschen mit Migra-
einbarung Vertreterinnen und Vertreter von allen
tionshintergrund sowie bei der Bildung regionaler
geförderten Vereinen und Migrantenorganisati-
Netzwerke wurden auch im Programm „Freiwil-
onen, der Polizei, Sprachkursträgern, der Volkshoch-
ligendienste machen kompetent“ gewonnen,
schule und der Ausländerbehörde zusammen.
das gefördert vom BMFSFJ sowie aus ESF-Mitteln
von 2007 bis 2010 Rahmenbedingungen für die
Das Programm „Modellregionen Integration“ der
Inklusion benachteiligter sowie junger Menschen
Hessischen Landesregierung ist auf eine enge
mit Migrationshintergrund erprobte. Das BMFSFJ
Zusammenarbeit mit den Kommunen angelegt, um
wird die Implementierung der Ergebnisse in die
strukturelle Integration zu fördern. Dabei wird ein
breitere Praxis unterstützen. Weitere Informationen
besonderes Augenmerk auf die Kooperation mit den
unter: http://www.fwd-kompetent.de/
Migrantenselbstorganisationen gelegt.
Für den Zeitraum 2009 – 2011 haben der Deutsche
Mit einem Integrationskonzept unter dem Titel
Caritasverband und IN VIA Deutschland für das
„Verschiedene Kulturen – Leben gemeinsam
Freiwillige Soziale Jahr in katholischer Trägerschaft
gestalten“ will die Landesregierung von Rheinland-
finanziert aus Projektmitteln des Caritasverbands
Pfalz den Prozess der Integration in Rheinland-Pfalz
das Modellprojekt „Mehr junge Menschen mit
gestalten. Zur Umsetzung des Integrationskonzeptes
Migrationshintergrund ins FSJ“ aufgelegt. An dem
wurden Arbeitsgruppen gebildet. In ihnen beraten
Projekt beteiligen sich bundesweit 14 katholische
Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung
Träger mit dem Ziel, eine Steigerung um weitere 200
und des Landesbeirats für Migration und Integration
Freiwillige mit Migrationshintergrund zu erreichen
über Maßnahmen, Zielvereinbarungen und Selbst-
und die gewonnenen Erfahrungen nachhaltig ins
verpflichtungen, mit denen die Ziele des Integrati-
Trägerspektrum zu übertragen.
onskonzeptes erreicht werden können. Hierbei sind
auch Migrantenorganisationen beteiligt.
Migrantenorganisationen in die Entwicklung und Umsetzung von Integrationskonzepten einbinden
Bei der Zusammenarbeit und der Einbeziehung in
Migrantenorganisationen sollten stärker in Bera-
Verwaltung sollte die Heterogenität von Migran-
tungsgremien eingebunden werden. Konzepte zur
tenorganisationen stärker berücksichtigt werden.
stärkeren Teilhabe sollten nicht unter Ausschluss von
Berücksichtigung finden müssen beispielsweise
Teilhabe entwickelt werden. Eine direkte Beteiligung
die besonderen Belange von Migrantinnen­
von Migrantenorganisationen im Vorfeld von
organisationen oder von Migrantenorganisationen
Entscheidungsprozessen sowie an der Erarbeitung
in den östlichen Bundesländern.
die Integrationsförderung vonseiten der Politik und
integrationspolitischer Konzepte auf Bundes-,
Landes- und kommunaler Ebene sollte weiter ausge­
Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorga-
baut werden. Um dies zu gewährleisten, sollten Wege
nisationen, die an der Entwicklung von Integra-
135
D – Gesellschaftliche Integration
tionskonzepten beteiligt sind, sollten über trans-
Teilhabe vor Ort“ durchgeführt, das die Programme
parente und partizipative Verfahren bestimmt
„XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ und
werden. Teilweise wird diese Vertreterfunktion be-
„Soziale Stadt“ verbindet. Das Projekt wurde gefördert
reits von Ausländer- und Integrations(bei)räten
durch die Bundesministerien für Arbeit und Soziales
übernommen.
sowie für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und aus
Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF).
Zusammenarbeit von engagementfördernden Unternehmen und Migrantenorganisationen stärken
Engagementfördernde Unternehmen und solche,
Qualifizierung von Engagierten in Migranten-
organisationen ermöglichen
die sich zukünftig im Bereich Integration einsetzen
Die Fortbildungsangebote im Rahmen der soge-
wollen, sollten Kooperationen mit Migrantenorga-
nannten „Mobilen Kompetenzteams“ sollten sowohl
nisationen eingehen.
engagierten Menschen mit Migrationshintergrund
gerecht werden, als auch den Bedürfnissen von
Sportvereine, deren Mitglieder und Kunden vorwie-
Migrantenorganisationen als Träger wichtiger Teile
gend Menschen mit Migrationshintergrund sind,
dieses Engagements entsprechen.
können eine wichtige Funktion als Scharnier zum
Arbeitsmarkt übernehmen. Konzepte, die es zum Ziel
Forschungsdesiderate
haben, gerade schwierig zu vermittelnde Jugendliche
Die Datenlage und der Kenntnisstand über bürger-
in Ausbildungen zu bringen, könnten hier geeignete
schaftliches Engagement von Menschen mit Migrations-
Ansatzpunkte finden. Hier sind Jugendliche und
hintergrund und ihren Organisationen müssen
ihre Eltern erreichbar für Angebote der Integration in
verbessert werden. Gefördert und vorangetrieben
den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
werden sollten Grundlagenforschung und die Erhebung planungs- und handlungsrelevanter Daten
In Rahmen des Projekts „Patenschaften zwischen
zur Partizipation von Menschen mit Migrationshinter-
Unternehmen und Vereinen“ entwickelten der
grund mittels multimethodischer Forschungsansätze
türkische Unternehmerverband MUT zusammen mit
(quantitativ-repräsentative sowie qualitative).
den Sportvereinen Rhenania Hamborn, Dersimspor
Insbesondere sind hier Untersuchungen zu Motiven, zu
und FSV Duisburg, dem Stadtportbund und dem
Umfang und Barrieren in allen Bereichen des bürger-
Rhein-Ruhr-Institut an der Universität Duisburg-Essen
schaftlichen Engagements nötig.
ein Modell, um das arbeitsmarktpolitische Potenzial
von Sportvereinen zu nutzen. Projektziele waren u. a.
ƒƒ Kindern aus Migrantenfamilien, die noch zur
Schule gehen, über die Vereine Perspektiven für
eine künftige Ausbildung, Praktika und Ausbildungsplätze vermitteln.
ƒƒ Eltern, die in der Regel wenig über das deutsche
Ausbildungssystem wissen, von kompetenten
Akteuren realistische und verständliche Informationen über die Möglichkeiten einer Ausbildung
für ihre Kinder zur Verfügung stellen. Der Unternehmerverband MUT hatte dabei eine vermittelnde
Rolle zwischen den Sportvereinen und verschiedenen Unternehmen, Verbänden und Kammern, zu
denen er Kontakt hat, übernommen.
ƒƒ Partnerschaften zwischen lokalen Unternehmen
und den Sportvereinen initiieren.
Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Handlungsorientierung der Forschung: Beachtet werden sollte
dabei, dass Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit staatlichen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen
Akteuren in konkrete Interventionen auf kommunaler,
Landes- und Bundesebene überführt werden sollten.
Auch die Engagementforschung bedarf der
interkulturellen Öffnung. Dazu gehört, dass in jeder
Forschung über bürgerschaftliches Engagement auch
Engagement in Migrantenorganisationen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus sollten Migrantenorganisationen in Forschungskonzeptionen und
-durchführungen einbezogen werden. Zudem sollten
Ausgrenzungsmechanismen und sozialräumliche
Aspekte genauso mit in den Blick genommen werden
Das Projekt wurde in den Jahren 2007 / 2008 im
wie Dynamiken aufseiten der Mehrheitsgesellschaft
Sonderprogramm „Beschäftigung, Bildung und
sowie Erkenntnisse der Ungleichheitsforschung.
136
D – Gesellschaftliche Integration
2.1.4 Interkulturelle Öffnung: Positive Effekte
für Migrantenorganisationen
Die interkulturelle Öffnung der Gesellschaft und
ihrer Institutionen und Organisationen stellt eine der
zentralen Voraussetzungen dar, um Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung
zu stärken. Die durch Einwanderung veränderte
Zusammensetzung unserer Gesellschaft muss sich
auch in öffentlichen Einrichtungen, Dienstleistungen
und rechtlichen Grundlagen widerspiegeln. Dies
ist notwendig, um Menschen mit Migrationshintergrund als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger,
Klientinnen und Klienten, Nutzerinnen und Nutzer
ƒƒ Behörden sollten die Kooperation mit Migrantenorganisationen zur interkulturellen Öffnung ihrer
Einrichtungen nutzen
ƒƒ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten interkulturelle Schulungen erhalten, um für bewusste
und unbewusste Diskriminierungen von
Menschen mit Migrationshintergrund sensibilisiert zu werden
ƒƒ Bei der Neubesetzung von Stellen sollten Menschen
mit Migrationshintergrund berücksichtigt und in
Ausschreibungen „Personen aller Nationalitäten“
explizit zur Bewerbung aufgefordert werden.
sowie Kundinnen und Kunden zu akzeptieren um auf
ihre Bedürfnisse mit adäquaten Angeboten reagieren
zu können.
Die Kommunen Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen,
Gelsenkirchen, Herne, Mülheim a.d.R. und Oberhausen haben sich zusammengetan, um interkom-
Zugangsbarrieren für Menschen mit Migrations-
munale Arbeitsansätze in der Integrationsarbeit
hintergrund und ihre Organisationen zu Instituti-
zu entwickeln. In ihrem Projekt „Kommunen als
onen, Diensten und Fördermöglichkeiten können
zukunftsfähige Arbeitgeberinnen“, haben sie sich auf
nur durch interkulturelle Öffnungsprozesse
die gemeinsamen strategischen Ziele verständigt,
beseitigt werden. In diesem Zusammenhang geht
interkulturelle Kompetenz als Qualitätsmerkmal in
es vor allem um die interkulturelle Öffnung von
der Verwaltung zu verankern, insbesondere im Perso-
Behörden und ihren Förderkriterien, freien Trägern
nalmanagement, und den Anteil der Beschäftigten
und Verbänden, Netzwerken, der Forschung
mit Zuwanderungsgeschichte langfristig ihrem Anteil
aber auch der Migrantenorganisationen selbst. (Zur
an der Stadtbevölkerung entsprechend zu erhöhen.
interkulturellen Öffnung von Förderkriterien,
Integrationsnetzwerken, Bildungsträgern und der
Ein Ergebnis dieses KOMM-IN-Projektes ist das Hand-
Forschung zu Migrantenorganisationen vgl. weiter
lungsbuch „Vielfalt schafft Zukunft“ mit fünf Einzel-
vorne in diesem Kapitel).
heften, das in die Vielfalt der Beteiligten, aber auch
die Komplexität der Aufgabenstellung und Heraus-
Interkulturelle Öffnung von öffentlichen Verwaltungen weiterentwickeln
forderungen für Kommunen als zukunftsorientierte
Öffentliche Verwaltungen sollten die eigene inter-
die erarbeitete Definition für das Qualitätsmerkmal
kulturelle Öffnung als Teil einer auf Nachhaltigkeit
interkulturelle Kompetenz, die Zielgruppe der jungen
Arbeitgeber wiedergibt. Themen der Hefte sind u.a
angelegten Organisations- und Personalent-
Talente mit Zuwanderungsgeschichte und Möglich-
wicklung schrittweise weiter voranbringen. Dazu
keiten, diese Gruppe gezielter anzusprechen, Impulse
werden insbesondere folgende Schritte empfohlen:
für eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit
ƒƒ Behörden sollten zunächst den Status Quo ermitteln und eine Bedarfsanalyse erstellen
ƒƒ Für einen verbindlichen und nachvollziehbaren
Öffnungsprozess wird die Formulierung von
Selbstverpflichtungen oder Zielvereinbarungen
empfohlen
ƒƒ Behörden sollten ein Diversity- bzw. interkulturelles Leitbild entwickeln, um die eigene interkulturelle Öffnung schrittweise voranzubringen
auf dem Ausbildungs- und Fachkräftemarkt sowie
Erfolgsfaktoren für eine interkommunale Zusammenarbeit. Die Hefte stehen als Download kostenlos zur
Verfügung. Weitere Informationen unter:
http://www.integration-interkommunal.net
Interkulturelle Öffnung von anerkannten Trägern der
Integrationsförderung unterstützen
Die interkulturelle Öffnung von freien Trägern
setzt ebenfalls die Entwicklung eines Diversity-
137
D – Gesellschaftliche Integration
Leitbilds bzw. eines interkulturellen Leitbilds
voraus, um die eigene interkulturelle Öffnung als
Teil einer auf Nachhaltigkeit angelegten Organisations- und Personalentwicklung schrittweise
voranzubringen.
jugendpolitischen Programmatik eine große
Vielfalt auf
ƒƒ stehen im Prinzip der Pluralität und der eigenständigen Wertsetzung – eines der konstitutiven
Merkmale der Kinder- und Jugendverbandsarbeit
in der Bundesrepublik Deutschland.
Integrationsprojekte von anerkannten Trägern
sollten auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit
Dies macht Jugendverbände zu einem bedeutenden
Migrationshintergrund beschäftigen. Anerkannte
Sozialisationsfeld. Kinder und Jugendliche
Träger sollten die Kooperation mit Migrantenor-
(mit und ohne Migrationshintergrund) erleben
ganisationen zur interkulturellen Öffnung ihrer
ein Lernumfeld, das nachhaltig die positive
eigenen Einrichtungen nutzen.
Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen
stärkt. Jugendverbände bieten die Möglichkeit,
Interkulturelle Öffnung von Migrantenorganisationen
voranbringen
kommunikative, soziale, methodische und
Migrantenorganisationen sollten die Kooperation
„Demokratie im Konkreten“ zu lernen. Sie können
mit freien Trägern der Mehrheitsgesellschaft zur
innerhalb ihres Verantwortungsbereiches einen
interkulturellen Öffnung ihrer eigenen Ein-
wichtigen Integrationsbeitrag leisten.
verbandsspezifische Kompetenzen aufzubauen und
richtungen nutzen.
In den §§ 11 ff SGB VIII (Achtes Buch SozialgesetzHerkunftshomogene Migrantenorganisationen
buch – Kinder- und Jugendhilfe) wird der rechtliche
sollten die Kooperation mit Migrantenorganisa-
Rahmen der Jugendarbeit für entsprechende
tionen anderer Gruppen zur interkulturellen Öffnung
Leistungen zugunsten aller jungen Menschen
ihrer eigenen Einrichtungen nutzen.
in Deutschland festgelegt. Damit haben zwar
alle Jugendlichen in Deutschland formal die
Migrantenorganisationen sollten die Mitwirkung
gleichen Zugangsmöglichkeiten zu Angeboten
an interkulturellen Netzwerken suchen.
der Verbände, allerdings bestehen für Jugendliche
mit Migrationshintergrund in der Praxis zum Teil
2.2 Gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen stärken: Interkulturelle
Öffnung der Jugendverbandsarbeit
erhebliche Zugangsbarrieren. Eine große Herausforderung liegt daher in der interkulturellen und
sich auf beide Geschlechter beziehenden Öffnung
verbandlich organisierter Jugendarbeit. Ziel-
In Jugendverbänden lernen Kinder und Jugendliche,
richtung einer solchen interkulturellen Öffnung
sich in selbst organisierten Gruppen zu bewegen,
ist zum einenn die Förderung der Partizipation
sie üben demokratische Prozesse und übernehmen
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in
Verantwortung für andere. Kinder- und Jugendver-
Jugendverbänden. Zum anderen sind mit dem Ent-
bände
stehen eigener Vereine von Jugendlichen mit
ƒƒ ermöglichen Kindern und Jugendlichen, ihre
eigenen Interessen zu entfalten, zu formulieren
und zu vertreten
ƒƒ bieten die Chance, an gesellschaftlichen
Prozessen teilzunehmen
Migrationshintergrund neue Akteure in die Jugendverbandslandschaft getreten, die jedoch noch
nicht in gebotenem Maße von den vorhandenen
Strukturen der Jugendverbandsarbeit profitieren
können. Erforderlich ist daher auch die Integration
von Vereinen jugendlicher Migrantinnen und
ƒƒ stellen Orte gemeinsamen Lebens und Lernens
dar und leisten gemeinschaftliche Hilfe und
Beratung bei persönlichen Fragen und Konflikten
arbeit. Hier steht die beschränkte Förderdauer
ƒƒ weisen in ihrer weltanschaulichen Ausrichtung,
in ihren pädagogischen Ansätzen und ihrer
nachhaltiger Strukturen und Angebote zur Unter-
138
Migranten in die Strukturen der Jugendverbandsvon Modellprojekten der Schaffung notwendiger
stützung der interkulturellen Öffnung entgegen.
D – Gesellschaftliche Integration
Jugendverbände initiieren Prozesse der interkul-
Horizontal kooperieren die verschiedenen Jugend-
turellen Öffnung ihrer Arbeit und Angebote in
verbände in ihren Dachverbänden, den Stadt-,
eigener Zuständigkeit. Einzelne Aktivitäten zur
Kreis und Landesjugendringen. Auf Bundesebene
interkulturellen Öffnung und für die Einbeziehung
gehören zurzeit 24 Verbände, 16 Landesjugendringe
der Interessen von Jugendlichen mit Migrations-
und 5 Anschlussverbände dem Deutschen Bundes-
hintergrund gibt es sowohl auf der Ebene der
jugendring (DBJR) an. Vereine von Jugendlichen
Bundesverbände als auch auf der Ebene einzelner
mit Migrationshintergrund sind im DBJR (noch)
Landesjugendringe. Sie zielen darauf, Jugendliche
nicht als Vollmitglied vertreten. Der Bund der
mit Migrationshintergrund für die Idee der
Allevitischen Jugendlichen in Deutschland (AAGB)
Jugendverbandsarbeit zu begeistern, strukturelle
ist jedoch Anschlussmitglied. Über verschiedene
Barrieren in den Verbänden und Ringen abzubauen
Landesjugendringe, konfessionelle Verbände und
und Vereine von Jugendlichen mit Migrations-
die djo-deutsche Jugend in Europa151 sind mehrere
hintergrund in ihrer inhaltlichen und organisa-
Vereine jugendlicher Migranten mittelbar Mitglied
torischen Aufbauarbeit zu unterstützen. So hat
im DBJR.152 Der DBJR vertritt nach eigenen Angaben
sich der Deutsche Bundesjugendring im Rahmen
5,5 Millionen Jugendliche.
der Umsetzung des Nationalen Integrationsplans
verpflichtet, weiterhin den Kontakt zu Migranten-
Ziel der Jugendringe ist es, über Verbandsziele
organisationen bzw. Vereinen von Jugendlichen
hinaus an der Lösung allgemeiner Jugendprobleme
mit Migrationshintergrund zu suchen und
mitzuwirken. Die Jugendringe und -verbände
bestehende Beziehungen zu intensivieren. Zudem
werden meist aus den für Jugendliche zuständigen
will er den Organisationen beratend zur Seite
Ministerien und Jugendämtern finanziert. Auf
stehen.
Dauer angelegte Förderungen werden in der Regel
149
Auch andere Akteure geben Impulse für
die interkulturelle Öffnung der Jugendverbands-
nur an Verbände vergeben, die Mitglied in einem
arbeit, etwa das BMFSFJ, Landesjugendministerien
Jugendring und als Träger der Kinder- und Jugend-
und Landes- und kommunale Jugendämter,
hilfe offiziell anerkannt sind. Prinzipiell können
jugendpolitische Gremien oder das „Netzwerk
sich alle Jugendverbände um eine Mitgliedschaft
interkultureller Öffnung der Jugendverbandsarbeit
in den Jugendringen bewerben, sofern sie den
und -forschung“ (Nijaf).
satzungsgemäß vorgegebenen Anforderungen
entsprechen. Allerdings ist dies besonders für
Organisationsstrukturen und Finanzierung der Jugendverbände
kleine Vereine nicht einfach. Auf Bundesebene
Jugendverbände werden von Jugendlichen
über 25 000 Mitglieder und Vereinsaktivitäten in
gegründet, geleitet und bestehen aus jugendlichen
mehr als der Hälfte der Bundesländer. Auch auf
Mitgliedern.
Landesebene ist in vielen Landesjugendringen die
150
Sie sind in unterschiedlichen
erfordert die Mitgliedschaft im DBJR beispielsweise
Bereichen aktiv, zum Beispiel im Freizeitbereich,
Aktivität in mindestens der Hälfte der Kreise und
im Sport, im sozialen, gesellschaftlichen und
Städte Voraussetzung für eine Mitgliedschaft. Auf
umweltbezogenen Bereich, in der Partei- oder Ge-
Kreisebene gibt es bei den Jugendringen in der
werkschaftsarbeit.
Regel keine quantitativen Kriterien.
Jugendverbandsarbeit findet unter anderen
Die grundlegende Zuständigkeit für die Sicherung
Rahmenbedingungen als Vereinsarbeit Erwach-
der örtlichen Angebote und Leistungen der Träger
sener statt und verfolgt andere inhaltliche Ziele.
der Jugendverbandsarbeit liegt bei den Kommunen,
Die größeren Jugendverbände differenzieren
sich vertikal in Orts-, Landes- und Bundesebene.
149 Vgl. http://www.dbjr.de/index.php?lang=&m=4&id=115&
year=2007&
150 In der Jugendarbeit wird keine Unterscheidung zwischen
Verbänden und Vereinen vorgenommen.
151 Die djo war ursprünglich ein Verband der Vertriebenen-
jugendlichenvereine, etabliert sich jedoch zunehmend als
Dachverband von VJM.
152 Zu den Mitgliedern auf Bundesebene gehören der Assyrische Jugendverband Mitteleuropa, die Vereinigung der Jugendverbände aus Kurdistan, Integration, der Jugend- und
Studentenring der Deutschen aus Russland und der Verband
der Russischsprachigen Jugend in Deutschland.
139
D – Gesellschaftliche Integration
d.h. den Jugendämtern vor Ort. Mit Blick auf die
langfristigen Organisationsentwicklungsprozesses
ebenfalls wichtige Landes- und Bundesförderung
zu erreichen. Unterschieden werden drei Ebenen
befinden sich kleine Verbände jedoch teilweise
der interkulturellen Öffnung: die individuelle, die
in einem Dilemma: Sie können oftmals die quan-
strukturelle und die (jugend)politische Ebene.153
titativen Kriterien des Fördermittelgebers auf
Landes- oder Bundesebene nicht erfüllen und sind
Öffnungsprozesse auf der individuellen Ebene
zu klein, um sich den Jugendringen anzuschließen.
betreffen die Vereinsmitglieder. Dabei geht es zum
Gleichzeitig können sie aber auch nur schwer größer
einen darum, die Angebote von Jugendverbänden so
werden, weil die entsprechende (finanzielle) Unter-
zu gestalten, dass verstärkt Jugendliche mit Migra-
stützung an die Mitgliedschaft in einem Jugendring
tionshintergrund daran teilnehmen können, diese
gekoppelt ist. Hiervon sind Vereine von Jugendlichen
mitgestalten und auch für den Verein gewonnen
mit Migrationshintergrund als tendenziell noch
werden. Zum anderen geht es um Sensibilisierungs-
junge und kleine Vereine ohne Anschluss an die
angebote für die bereits vorhandenen Mitglieder.
Ringstrukturen häufig betroffen. Hinzukommt, dass
Auf der strukturellen Ebene kommt es darauf an,
der staatliche Zuschuss an die Jugendringe nicht
die interne und externe Darstellung des Verbands
proportional zu der Anzahl der Mitgliedsverbände
hinsichtlich des Anspruchs auf interkulturelle
wächst. Daraus kann eine Konkurrenzsituation
Öffnung zu überprüfen und zu verändern. Zudem
zwischen anerkannten und neuen Jugendverbänden
wird die Zusammensetzung der haupt- und ehrenamt-
entstehen. In mehreren Jugendringen hat ein Diskus-
lichen Mitarbeitenden eines Jugendverbands
sionsprozess begonnen, wie Vereine jugendlicher
hinsichtlich der Einbeziehung von Menschen mit Mi-
Migrantinnen und Migranten dennoch unterstützt
grationshintergrund in den Blick genommen.
werden können. Exemplarisch sei auf die Einführung
(Jugend)politisch sollte eine Institution, die sich inter-
der Anschlussmitgliedschaft oder auf die Aktivitäten
kulturell öffnet, öffentlich Stellung beziehen und den
der Landesjugendringe Baden-Württemberg, Bayern
Stellenwert sowie die politischen Veränderungs-
und Nordrhein-Westfalen verwiesen.
forderungen, die sich aus einer Öffnung ergeben,
auch innerhalb der verschiedenen Gremien
Ziele interkultureller Öffnung der Jugendverbandsarbeit
der Jugendverbandsarbeit kommunizieren.
Förderung der Partizipation in Jugendverbänden
Die interkulturelle Öffnung der Jugendverbände
Eine erste Zielrichtung der interkulturellen Öffnung
kann von zwei Seiten initiiert werden: Zum einen
der Jugendverbandsarbeit ist die Förderung der
kann der Impuls zur interkulturellen Öffnung
Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshin-
von der Verbandsspitze ausgehen. Interkulturelle
tergrund in den Jugendverbänden, Jugendringen
Öffnung wird dann oft hauptamtlich getragen.
und Jugendinitiativen der Mehrheitsgesellschaft.
Wichtig ist jedoch, dass die begleitenden Diskussi-
Gemeinsames Erleben ermöglicht Kindern und
onen auf allen Ebenen geführt werden. Problema-
Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund,
tisch kann dabei sein, dass die Mitglieder an der
neue Sichtweisen einzunehmen und interkulturelle
Basis andere Handlungsbedarfe und -felder sehen
Kompetenz zu erwerben. Darüber hinaus stellt
als die Organisationsspitze. Ressourcen für die zum
die interkulturelle Öffnung eine Strategie der Mit-
Teil als „pädagogisches Luxusproblem“ wahrge-
gliedergewinnung für Vereine dar, deren Mitglieder-
nommene interkulturelle Öffnung sind an der
zahlen rückläufig sind. Für die Jugendverbände
Basis nicht immer einfach aktivierbar. Die interkul-
stellen Auseinandersetzungen über Fragen der inter-
turelle Öffnung einer Organisation kann aber auch
kulturellen Öffnung daher richtungweisende
von der Basis selbst initiiert werden und von dort
Weichen für die Zukunft.
in die obere Ebene getragen werden. Ein solcher
Prozess benötigt engagierte Schlüsselpersonen,
Da interkulturelle Öffnung auf mehreren Ebenen
die die Basis begeistern können und zugleich fähig
erforderlich und wirksam ist, ist das Ziel der
Öffnung eines Verbands nur auf dem Weg eines
140
153 Vgl. Jagusch (2007): a. a. O.
D – Gesellschaftliche Integration
sind, den Gedanken der interkulturellen Öffnung
jugendpädagogischen Themen zu bieten. Auf der
in Gremien und Mitgliederversammlungen
(jugend)politischen Ebene bedeutet Empowerment
hineinzutragen.
die Einbeziehung von Vereinen jugendlicher
Migrantinnen und Migranten in Stellungnahmen,
Anerkennung und Integration der Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Jugendverbandsstrukturen
die übergreifend jugendpolitisch relevante
Die zweite Zielrichtung der interkulturellen Öffnung
der Jugendverbandsarbeit ist die Integration der
Daten zur interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit
Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Während im Bereich der Öffnung von anerkannten
in bestehende Jugendverbandsstrukturen. Neben
Jugendvereinen das Forschungsinteresse gestiegen
Migrantenorganisationen haben sich in den
ist,154 muss für den Bereich der Vereine von Jugend-
vergangenen Jahren zunehmend Vereine von Jugend-
lichen mit Migrationshintergrund konstatiert
lichen mit Migrationshintergrund gegründet. Für
werden, dass diese bis auf wenige Ausnahmen
viele Jugendliche mit Migrationshintergrund stellen
noch nicht in den Blick der Wissenschaft gerückt
sie eine Art Schutzraum dar, der es ihnen ermöglicht,
sind. Derzeit gibt es nur wenige Daten zu Vereinen
sich in der Gesellschaft zu orientieren, zu agieren und
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
diese mitzugestalten. Diese Vereine leisten vielerorts
mitsamt ihren Zielen und Angeboten.155 In den
wertvolle Beiträge zur Sozialisation von Jugendlichen
ostdeutschen Bundesländern und insbesondere
mit Migrationshintergrund und engagieren sich zu-
in ländlichen Regionen sind nur wenige Vereine
nehmend in jugendpolitischen Interessensver-
jugendlicher Migranten bekannt. Im städtischen
tretungen und Zusammenschlüssen. Einige werden
Raum und insbesondere in Ballungsräumen
bereits als selbstverständliche Akteure der Jugend-
organisieren sich Jugendliche mit Migrationshin-
verbandsarbeit anerkannt. Es ist jedoch erforderlich,
tergrund dahingegen häufiger in eigenen
dass sich die mehrheitsgesellschaftlichen Akteure der
Vereinen.
Entwicklungen betreffen.
Jugend(verbands)arbeit stärker als bisher mit ihren
Strukturen, Engagementschwerpunkten, Werteori-
Gesicherte Erkenntnisse über die Anzahl junger
entierungen und Förderbedarfen auseinandersetzen.
Menschen mit Migrationshintergrund in Jugendverbänden liegen bisher ebenfalls nicht vor.
Für die Anerkennung und Partizipation dieser
Es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass „die
neuen Gruppen, Vereine und Verbände steht insbe-
Angebote der Jugendverbände unterdurchschnitt-
sondere Empowerment im Vordergrund. Analog
lich von Kindern mit Migrationshintergrund
zu den im vorherigen Abschnitt genannten drei
genutzt werden“.156 Während manche Jugendver-
Ebenen der interkulturellen Öffnung bedeutet dies
bände einen Anteil von Kindern und Jugendlichen
für die individuelle Ebene, dass Maßnahmen zur
mit Migrationshintergrund von weit über 40
individuellen Selbst- und Handlungsermächtigung
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und
deren Organisationen ergriffen werden müssen.
Dazu zählen beispielsweise Empowerment-, Antidiskriminierungs- oder Antirassismustrainings.
Auf der strukturellen Ebene setzen Kooperationen
von etablierten Trägern der Jugendverbandsarbeit
mit Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie Weiterbildungsmaßnahmen
an, die darauf zielen, diesen Vereinen Zugang
zu den Ressourcen der Jugendverbandsarbeit zu
verschaffen und Hilfe bei strukturellen Fragestellungen, wie vereinsrechtlichen, finanziellen oder
154 Zu nennen ist insbesondere ein Kooperationsprojekt zwi-
schen der Fachhochschule Köln und dem Deutschen
Jugendinstitut, das seit November 2008 zu „Interkultureller Öffnung in der verbandlichen Jugendarbeit – Stand,
Hindernisse und Möglichkeiten der Realisierung“ forscht.
Das Forschungsprojekt ist darauf fokussiert, eine systematische Erhebung von Ansätzen interkultureller Öffnung der
Jugendverbände sowie Möglichkeiten der Verbesserung zu
generieren.
155 Im Rahmen eines vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Projekts hat das Institut für Veranstaltungsund Projektmanagement (IVP GbR) in Kooperation mit IDA e.V.
eine Datenbank der in Deutschland tätigen Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund entwickelt, in der rund
270 Vereine eingetragen sind. Die Datenbank ist einsehbar
unter http://www.idaev.de/service/vereine-junger-migranten.
156 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(2005): a. a. O., S.72.
141
D – Gesellschaftliche Integration
Prozent haben, sind in anderen nahezu ausschließ-
Workshops, Tagungen, Qualifizierungen,
lich Jugendliche ohne Migrationshintergrund
Empowerment bzw. die Aufnahme von Vereinen
aktiv. Jugendverbände mit einem hohen Anteil von
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter-
in die Verbandsstrukturen, Broschüre und Arbeits-
grund sind etwa die Gewerkschaftsjugend und
hilfen, Aktionsprogramme oder Positions-
die Deutsche Sportjugend, die djo-Deutsche Jugend
papiere. Die Veranstaltungen dienen dabei primär
in Europa, die sich zunehmend als Dachverband
der interkulturellen Sensibilisierung bzw.
für Vereine von Jugendlichen mit Migrationshin-
dem interkulturellen Lernen. Rund ein Fünftel
tergrund etabliert, sowie Verbände, die Träger der
der bekannten Projekte ist darauf ausgerichtet,
offenen Jugendarbeit sind.
Empowermentmaßnahmen für Jugendliche
mit Migrationshintergrund oder deren Vereine zu
Die Praxisentwicklung der interkulturellen Öff-
implementieren.
nung der Jugendverbandsarbeit wird insbesondere
durch das Informations- und Dokumentations-
In Bezug auf die Reichweite der Projekte zeigt sich,
zentrums für Antirassismusarbeit e.V. (IDA) analy-
dass sich lokale und überregionale Projekte relativ
siert und für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht:
ausgewogen gegenüber stehen. Lokale Projekte sind
IDA führt eine Datenbank zur interkulturellen
in der überwiegenden Zahl in größere Projektzusam-
Öffnung der Jugendverbandsarbeit, die rund 150
menhänge eingebunden, wie das Aktionsprogramm
Projekte (Stand August 2009) umfasst. Erhoben
des Bayerischen Jugendrings „Multi Action – aber
wurden Projekte, Konzepte und Initiativen die
wie!“. Ein Beispiel aus dem Bereich Integration von
seit 2001 von Jugendverbänden, Jugendringe und
Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter-
Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshinter-
grund in die Jugendverbandsarbeit ist das Programm
grund zur interkulturellen Öffnung durchgeführt
„Integration durch Sport“ des Deutschen Olym-
wurden. Die folgenden Ausführungen beziehen
pischen Sportbundes, das vom Bundesministerium
sich zu einem wesentlichen Teil auf die Analyse der
des Innern / Bundesamt gefördert wird.
Datenbank durch das IDA.
Die Landschaft der Projekte hat sich hinsichtlich der
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der bisher
Ansätze und Träger in den letzten Jahren deutlich
in Deutschland von unterschiedlichen Trägern
differenziert. Bemerkenswert ist der relativ hohe
lancierten Projekte zur interkulturellen Öffnung ist
Anteil an Projekten, die von Vereinen jugendlicher
die Ebene, auf der sie angesiedelt sind. Der größte Teil
Migrantinnen und Migranten durchgeführt werden.
der bisherigen Maßnahmen betrifft die individuelle,
Dies ist ein Indiz dafür, dass sie sich zunehmend quali-
pädagogische Ebene. Hier sind etwa Veranstaltungen
fizieren und partizipieren (wollen) und als Akteure
oder Veröffentlichungen zur Sensibilisierung der
der Jugendverbandsarbeit Anerkennung finden. Der
Mitglieder von Jugendverbänden zu nennen. Einen
ebenfalls hohe Anteil an Jugendringen lässt auf die
relativ hohen Anteil machen darüber hinaus
Bedeutung der Ringe als Motoren und Unterstützer
Maßnahmen auf der strukturellen, innerverband-
von Jugendvereinen bei der Implementierung und
lichen Ebene aus. Sie fokussieren eine strukturelle
Initiierung von neuen Themen schließen.
Veränderung der Verbände. Ob und inwieweit dies
Daten allerdings nicht geschlossen werden. Einige
Förderliche und hemmende Faktoren der interkulturellen Öffnung
Organisationen haben darüber hinaus auf der
Wenngleich bislang keine wissenschaftlichen
(jugend)politischen Ebene eigene Leitlinien zur inter-
Ergebnisse vorliegen, die Gründe für den Erfolg bzw.
kulturellen Öffnung entwickelt, etwa der Kreisjugend-
Misserfolg bisheriger Maßnahmen der inter-
ring Nürnberg-Stadt oder der Bayerische Jugendring.
kulturellen Öffnung identifizieren, lassen sich dennoch
bislang gelungen ist, kann aus den vorliegenden
einige Faktoren benennen, die eine interkulturelle
Ein überwiegender Teil der bekannten Projekte
Öffnung der Jugendverbandsstrukturen befördern bzw.
ist aktionsorientiert und umfasst beispielsweise
erschweren können.
142
D – Gesellschaftliche Integration
Vereinsexterne förderliche Faktoren
das Aspekte aus dem Bereich der Vereins- und
Vielfach spielen externe Anreize wie spezifische
Jugend(bildungs)arbeit thematisiert. Dazu gehören
Fördermittel oder gesellschaftspolitische Diskurse,
Strukturen der Vereinsarbeit, Vereinsrecht, Projekt-
die auch Auswirkungen auf die Diskussionsprozesse
management, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und
innerhalb der Jugendverbandsarbeit haben,
Finanzierung. Im Wesentlichen geht es dabei um
eine wesentliche Rolle bei der Konzipierung von Maß-
Empowerment von Vereinen von Jugendlichen mit
nahmen einzelner Jugendverbände. Gezielte
Migrationshintergrund sowie darum, die organisa-
Fördermaßnahmen können die Vereine dazu
torischen und finanziellen Hürden des Vereinslebens
motivieren, spezielle Projekte zu entwickeln oder Bil-
zu meistern, um so eine nachhaltige und selbstorga-
dungsangebote in Anspruch zu nehmen, was ohne
nisierte Jugend(bildungs)arbeit zu entwickeln. Neben
externe Anreize häufig nicht möglich wäre. Zudem
den Seminaren wurde ein Flyer unter dem Titel
können die Diskurse in den Dachverbänden zur
„Durch den Dschungel der Vereinsarbeit“ publiziert,
Implementierung von Maßnahmen zur interkultu-
der die wesentlichen Arbeitsthemen kompakt bündelt.
rellen Öffnung in den Verbänden beitragen.
Zudem wurden individuelle Beratungs- und Coachinggespräche sowie eine Reihe dezentraler Seminare für
Aufgrund ihrer Komplexität und Langfristigkeit ist
einzelne Vereine junger Migrantinnen und Migranten
die interkulturelle Öffnung ein Prozess, der nicht
durchgeführt (vgl. http://www.idaev.de).
über die aktuelle Regelarbeit der einzelnen Jugendverbände abgedeckt werden kann. Haupt- und
Finanzielle Förderung und Hauptamtlichkeit
ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
spielt auch bei der Strategie des Empowerments
benötigen professionelle Qualifizierung und eine
von Vereinen jugendlicher Migranten eine ent-
externe Begleitung der Prozesse.
scheidende Rolle. Aufgrund ihres Status quo
(Ehrenamtlichkeit, keine lange Vereinstradition,
Die Jugendbildungsstätte Unterfranken des Bezirks-
kaum Erwachsenenverbände mit Mentorenrolle,
jugendrings Unterfranken bildet „interkulturelle
wenig Kontakte zu anerkannten Jugendverbänden
Coaches“ für die Jugendarbeit aus, bietet Seminare zur
und deren Interessensvertretungen) sind sie auf
interkulturellen Öffnung an und begleitet Öffnungs-
gezielte Unterstützung angewiesen. Förderlich
prozesse von Jugendverbänden und -ringen mit
sind Projektzusammenhänge, die spezifische För-
einem eigens zu diesem Zweck entwickelten 6-Stufen-
derung – insbesondere aber nicht ausschließlich auf
Programm (vgl. http://www.jubi-unterfranken.de).
finanzieller Ebene – für Vereine von Jugendlichen
mit Migrationshintergrund zur Verfügung stellen.
Auch bei dem maßgeblich vom BMFSFJ geförderte
Informations- und Dokumentationszentrum für Anti-
Vereinsinterne förderliche Faktoren
rassismusarbeit e.V. (IDA), einem Fachverband von
Da interkulturelle Öffnung als Prozess auf den ge-
derzeit 27 Jugendverbänden, steht die Entwicklung
samten Verband angelegt sein sollte, ist es hilf-
und Begleitung von Prozessen der interkulturellen
reich, wenn dieser von Beginn an auf mehreren
Öffnung im Zentrum. Das IDA bietet u. a. Beratung
Ebenen verankert wird. Sowohl haupt- und ehren-
und Unterstützung von Jugendverbänden an, die sich
amtlich Aktive wie lokale und überregionale
interkulturell öffnen wollen sowie die Organisation
Ebenen sollten in den Prozess einbezogen werden,
und Durchführung von Seminaren und Schulungen
um ein möglichst umfassendes Bild der Herausforder-
zur interkulturellen Öffnung. Zudem hat das IDA
ungen und Veränderungsbedarfe entwickeln zu
die eigenen Verbandsstrukturen für VJM geöffnet
können und zu gewährleisten, dass die Konzeption
(aktuell sind der Bund der Alevitischen Jugendlichen,
nicht an den Realitäten der Praxis vorbei ent-
die DIDF-Jugend sowie die Deutsche Jugend aus
wickelt wird. Erfolgversprechend sind Maßnahmen,
Russland, DJR-Mitgliedsverbände aus dem Spektrum
die durch einen hohen Grad an Beteiligung ausge-
der VJM-Mitglieder). Seit 2001 entwickelte das IDA
zeichnet sind, auch Jugendliche mit Migrations-
ein spezielles Qualifizierungskonzept für Vereine von
hintergrund und Vereine jugendlicher Migranten
Jugendlichen mit Migrationshintergrund,
einbeziehen und langfristig ausgerichtet sind.
143
D – Gesellschaftliche Integration
Seit über 25 Jahren organisiert das Jugendwerk der
der Jugendarbeit wie auch die finanzielle Förderung
Arbeiterwohlfahrt Niederrhein verbandliche Aktivi-
bei der Schaffung hauptamtlicher Stellen. Hierzu
täten von Kindern und ehrenamtliches Engagement
werden Kooperationsstrukturen zwischen aner-
von Jugendlichen. Das Bundesamt für Migration und
kannten Vereinen und Vereinen von Jugendlichen
Flüchtlinge hat das Projekt „IMUS – Integration
mit Migrationshintergrund aufgebaut. Zudem
von Migrantinnen und Migranten und (Spät)Aussiedle-
wollen die im Landesjugendring aktiven Vereine
rinnen und (Spät)Aussiedlern in die Jugendverbands-
ihre Konzepte zum interkulturellen Lernen und zur
arbeit“ des Jugendwerks der AWO gefördert. Ziel des
interkulturellen Öffnung weiterentwickeln. Um die
Projekts war die Integration von Jugendlichen mit
verschiedenen Organisationsebenen miteinander
Migrationshintergrund in die Jugend(verbands)arbeit
zu verbinden, werden drei Stadtjugendringe modell-
und ihre Qualifizierung zu Multiplikatorinnen und
haft beim Prozess der interkulturellen Öffnung
Multiplikatoren. Durch aufsuchende Jugendarbeit
unterstützt. Gleichzeitig werden Fortbildungen
konnten die Mitarbeiterinnen des Projekts Jugend-
angeboten, um die Idee der interkulturellen Öffnung
liche mit vorwiegend russischen Migrationshinter-
in die Stadtjugendringe und Ortsgruppen zu tragen.
grund gewinnen. An diese Phase der aufsuchenden
Der Interkulturelle Selbstcheck des Landesjugend-
Jugendarbeit schloss sich eine Phase der klassischen
rings ermöglicht auch Vereinen auf Lokalebene ohne
Jugendarbeit an, mit dem Ziel der Gruppenkon-
hauptamtliche Unterstützung einen niederschwel-
solidierung. Das Jugendwerk der AWO bot der Gruppe
ligen Zugang zu diesem Thema. Das Projekt wird
Qualifizierungsseminare und Unterstützung in
durch das Ministerium für Generationen, Familie,
verschiedenen Bereichen an. Die auf Bezirksebene
Frauen und Integration des Landes Nordrhein-
begonnene Öffnung des Jugendwerks der AWO blieb
Westfalen finanziert und von der Fachhochschule
auch bundesweit nicht ohne Folgen. 2004 brachte das
Köln begleitend evaluiert.
Jugendwerk der AWO Niederrhein auf dem Bundeskongress einen Antrag zur interkulturellen Öffnung
Jugendverbände haben den Anspruch, „offen für
des Jugendverbandes ein.
alle“ zu sein. Es besteht jedoch teilweise eine
Diskrepanz zwischen diesem Anspruch und der
Ferner erweist es sich als förderlich, Projekte einzelner
Vereinspraxis. Dort, wo Jugendvereine offen und
Jugendverbände in größere Projektzusammenhänge
selbstreflexiv mit diesem Widerspruch umgehen
einzubetten, um möglichst große Synergieeffekte
und ihre Vereinspraxis auf Exklusionsmechanismen
erzielen zu können. Dort, wo beispielsweise Jugend-
hin untersuchen und diese zu verändern versuchen,
ringe als Initiatoren von größeren Projektzusam-
kommen Prozesse der Öffnung besser in Gang.
menhängen agieren, lässt sich eine Verbreitung der
Projekte bei vielen Jugendverbänden beobachten.
Der Stadtjugendring Stuttgart (SJR) engagiert sich
seit vielen Jahren im Bereich der interkulturellen
Ein Beispiel für die Umsetzung eines Öffnungs-
Öffnung. Im Laufe des Prozesses wurden und
prozesses von zwei voneinander unabhängigen
werden alle Komponenten einer interkulturellen
Organisationsebenen ist das „Projekt Ö“ in
Öffnung berücksichtigt: Er förderte aktiv Vereine
Nordrhein-Westfalen. Es wird vom Landesjugendring
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund,
Nordrhein-Westfalen und seinen Kooperations-
änderte seine Strukturen und initiierte zahlreiche
partnern, den kommunalen Jugendringen Bochum,
pädagogische Projekte. Die Mitglieder des Stadtju-
Siegen und Wuppertal, durchgeführt. Im Rah-
gendrings Stuttgart betrachten die interkulturelle
men des Projekts Ö will der Landesjugendring
Öffnung als Prozess, in dem sie „das Thema Inter-
Nordrhein-Westfalen Vereine von Jugendlichen mit
kulturalität immer wieder aufgreifen, überprüfen
Migrationshintergrund gezielt unterstützen um
und weiterentwickeln“.
sie mittelfristig in den Landesjugendring zu
integrieren und an seinen Ressourcen teilhaben zu
Der SJR hat bereits früh ein eigenes Referat ein-
lassen. Dies betrifft insbesondere Informationen
gerichtet, das Jugendgruppen in Migrantenvereinen
über Strukturen und rechtliche Rahmenbedingungen
pädagogisch begleiten, sie qualifizieren und unter-
144
D – Gesellschaftliche Integration
stützen und den Aufbau neuer Gruppen anregen
feriert werden. Wenn Projekte der interkulturellen
und fördern soll. Es entstand neben eine Struktur, in
Öffnung von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der sich bestehende Vereine jugendlicher Migranten
der Jugendverbände zusätzlich zu den normalen
etablierten und die eher losen Zusammenschlüsse
Regelaufgaben durchgeführt werden, ohne dass
gestärkt wurden. Durch diese gezielte Förderung
explizit hauptamtliche Stellen zur Verfügung stehen,
konnten die Vereine die Arbeitsweisen eines Jugend-
kann dies ebenfalls Prozesse der Öffnung behindern.
rings in einem geschützten Raum kennenlernen.
In den 90er Jahren wurde die parallele Struktur
Für Vereine von Jugendlichen mit Migrations-
aufgebrochen: Durch eine Satzungsänderung wurde
hintergrund ist es von Bedeutung, ob sie als
kleinen Vereinen die Aufnahme in den SJR Stuttgart
positive und legitime Vereine, oder als segregativ
ermöglicht. Der SJR Stuttgart unterstützte die
wahrgenommen werden. In ländlichen Gegenden
Vereine jugendlicher Migranten bei der Verfassung
existieren darüber hinaus nur wenige Räume, in
von Vereinssatzungen und führte sie individuell
denen sich Jugendliche mit Migrationshintergrund
in die Arbeit des SJR Stuttgart ein. Die quantitative
organisieren können.
Öffnung des SJR Stuttgart war schon Ende der 1990er
Jahre abgeschlossen.
Vereinsinterne hemmende Faktoren
Die notwendige Langfristigkeit von Prozessen der
Im weiteren Verlauf konzentrierte sich der SJR auf
interkulturellen Öffnung kann in der Praxis mit den
die qualitative Öffnung und initiierte zahlreiche
Vereinsrealitäten kollidieren: Der Vereinsalltag ist
pädagogische Projekte. Die Fachbereiche Fortbil-
häufig nicht auf langfristige Maßnahmen ausge-
dung und Interkulturelles wurden miteinander ver-
richtet, sondern auf Projekte, die für Jugendliche in
knüpft. Jugendleiterinnen und Jugendleiter aus
einem begrenzten zeitlichen Rahmen durchführbar
Vereinen von Jugendlichen ohne Migrationshinter-
sind. Langfristigkeit kann besser auf der Ebene der
grund wurden so für die interkulturelle Öffnung
Verbandsfunktionäre und der hauptamtlich Be-
ihres eigenen Verbandes sensibilisiert. Die Doppel-
schäftigten gewährleistet werden, über die viele Ver-
strukturen, Vereine von Jugendlichen mit Migrati-
eine aber nicht in ausreichendem Maß verfügen.
onshintergrund auf der einen Seite, die deutschen
Verbände auf der anderen Seite, wurden in allen
Erschwerend kann es außerdem sein, wenn
Bereichen aufgehoben.
interkulturelle Öffnung als Einzelprojekt implementiert wird und nicht als Organisations-
Der SJR Stuttgart nutzte ein Qualitätsentwicklungs-
entwicklungsprozess angelegt ist, der Selbstbild
projekt des Landesjugendrings um Kriterien der
und Struktur des Vereins als solchen betrifft.
interkulturellen Öffnung in einen Qualitätsentwick-
Organisationsentwicklungsprozesse stellen Vereine
lungsprozess einzubinden. Interkulturelle Öffnung
vor die Herausforderung, eine Balance zwischen
wurde überprüfbar und messbar. Die Überprüfung
notwendiger Veränderung und gleichzeitiger
mündete in die Leitlinien für die interkulturelle
Erhaltung des Vereinsprofils zu finden. Dabei kann
Arbeit des SJR Stuttgart. Eine Überprüfung der Fach-
es zu einer Verunsicherung der Vereinsmitglieder
und Dienstleistungsbereiche im SJR Ende 2004 ergab,
kommen, die sich wiederum hemmend auf den
dass Migrantengruppen in allen Bereichen integriert
Öffnungsprozess auswirken kann.
sind und das Serviceangebot wahrnehmen.
Auch räumliche Aspekte können die interkulturelle
Vereinsexterne hemmende Faktoren
Öffnung erschweren: Wenn ein Jugendverband vor
Hinderlich für eine interkulturelle Öffnung der
Ort nicht in Stadtteilen und sozialen Räumen agiert,
Jugendverbände sind teilweise die durch bestehende
in denen Kinder und Jugendliche mit Migrationshin-
Förderkriterien vorgegebenen Rahmenbedingungen,
tergrund leben, kann der Zugang zu den Commu-
wie etwa die zeitlich begrenzte Projektförderung.
nities von Menschen mit Migrationshintergrund
Häufig können nach dem Abschluss eines Projekts
erschwert werden. Der Zugang zur Zielgruppe der
erzielte Erfolge schwer in den Vereinsalltag trans-
Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
145
D – Gesellschaftliche Integration
gehört zu den größten Herausforderungen einer inter-
Entwicklung hat zu einer Diskussion über die Zusam-
kulturellen Öffnung. Dabei gilt es mit einem
menarbeit von Akteuren der außerschulischen und
Dilemma umzugehen: Durch die Fokussierung auf
schulischen Jugendarbeit geführt. Zunehmend
Jugendliche mit Migrationshintergrund werden
engagieren sich Einrichtungen der außerschulischen
möglicherweise Differenzen erst hervorgebracht, die
Jugendbildung, auch Jugendverbände, in Schulen.
vorher nicht virulent waren. Auch kann erfolgreiche
Zahlreiche lokale Jugendringe sind z. B. in Ganz-
interkulturelle Öffnung für die Verbände bedeuten,
tagsschulen für die Betreuung am Nachmittag zum
sich mit den – nicht immer offensichtlichen – Ex-
Beispiel in Schülercafés verantwortlich.
klusionsmechanismen innerhalb der Jugendverbände
auseinandersetzen zu müssen.
Eine Studie zur Partizipation und Positionierung
von Menschen mit Migrationshintergrund und
Auch eine – wahrgenommene oder tatsächliche –
Migrantenorganisationen in Rheinland-Pfalz aus
Konkurrenzsituation durch die Einbeziehung von
dem Jahr 2008 kommt zu dem Schluss, dass die
Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshinter-
Zusammenarbeit von Migrantenorganisationen
grund in die Strukturen der Jugendverbandsarbeit
und Schulen im Kontext der Ganztagsschule eine
kann die interkulturelle Öffnung erschweren.
gute Möglichkeit darstellt, bürgerschaftliches
Insbesondere dann, wenn vorhandene Fördermittel
Engagement von Menschen mit Migrationshinter-
von Jugendringen nicht proportional zur Anzahl
grund zu aktivieren. Allerdings sind solche
der Mitgliedsvereine steigen, sondern auf immer
Kooperationen bisher relativ gering ausgeprägt.157
neue Vereine umverteilt werden müssen. Der
Zu den Kooperationspartnern im Bereich der
zumeist geringe Bekanntheitsgrad vieler Vereine
interkulturellen Bildung zählen bisher vorwiegend
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
anerkannte Akteure der Jugendarbeit.
kann die Kooperation zwischen anerkannten Jugendverbänden und Vereinen jugendlicher
Bevor das Projekt „Jugendarbeit Friedrich-Ebert-
Migranten erschweren. Sie sind zudem nicht immer
Schule“ im Januar 2008 startete, gab es im Stadtteil
als eigenständige Vereine organisiert, sondern
Nordwest von Elmshorn, der durch einen hohen
etwa als (unselbstständige) Jugendabteilungen von
Migrantenanteil geprägt ist, viele Probleme
Migrantenorganisationen. Eine Mitgliedschaft im
mit Vandalismus. Auf Initiative und unter der
Jugendring kann dadurch erschwert werden.
Trägerschaft des Einwandererbunds e.V. (Mitglieder
aus 19 Nationalitäten) wurden Konzepte für eine
2.2.1 Förderung der Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in an­
erkannten Jugendverbänden
offene, pädagogische Freizeitgestaltung erarbeitet
und umgesetzt, die eine Begleitung, Beschäftigung
und Betreuung von Kindern und Jugendlichen auf
dem Schulhof der Friedrich-Ebert- Schule vorsehen.
Ein wichtiger Aspekt der interkulturellen Öffnung der
Dabei wurden gezielt auch Eltern angesprochen
Jugendverbände ist die stärkere Nutzung der An-
und einbezogen.
gebote der Vereine durch Jugendliche mit Migrationshintergrund. Sie sind gegenwärtig seltener Mitglied
Durch diese Form der Zusammenarbeit zwischen
in anerkannten Jugendverbänden, nutzen dafür
Kommune und Migrantenorganisation konnten
aber häufig Einrichtungen der offenen Jugendarbeit
die Vandalismusprobleme beseitigt werden.
bzw. offene Angebote von Jugendverbänden. Viele
Dabei spielten insbesondere die Kooperationen
Jugendverbände arbeiten bereits erfolgreich mit
und die Netzwerkarbeit eine Rolle: Gemein-
solchen Angeboten und sind zudem Träger offener
sam mit der nahe gelegenen Hauptschule Koppel-
Jugendclubs und Jugendhäuser.
damm werden im Rahmen einer AG junge
Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer Zeit
in der Schule, dies hat sich mit der Einführung
von Ganztagsschulen noch einmal verstärkt. Diese
146
157 Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und
Frauen Rheinland-Pfalz (Hg.) (2008): Die Partizipation und Positionierung von Migrantinnen und Migranten und
ihren Organisationen in Rheinland-Pfalz. Forschungsbericht
zum Projekt, Mainz, S. 41.
D – Gesellschaftliche Integration
Menschen zu Schulhofbetreuer-Assistenten
mit Partnern durchführt. Elmshorn fördert das
ausgebildet. Sie betreuen einmal wöchentlich
Jugendangebot mit einer halben pädagogischen
eine der Schulen im Stadtteil. Eine Ideenwerkstatt,
Stelle, zudem stehen die Räumlichkeiten der
eine mehrtägige Kinderolympiade, Stadtteil-
Schule kostenlos zur Verfügung. Weitere finanzi-
feste, Aktionen zum Weltkindertag oder Work-
elle Unterstützung bekommt das Projekt von drei
shops zur Interkulturellen Begegnung sind
Geldinstituten und dem Kriminalpräventivenrat
weitere Angebote, die das Projekt gemeinsam
Schleswig-Holstein.
Empfehlungen
Status Quo feststellen und Ausschlussmechanismen
identifizieren
Angebote interkulturell öffnen und Zugang zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund verbessern
Um den in vielen Jugendverbänden bereits
Angebote von Jugendverbänden sollten so gestaltet
begonnenen Prozess der interkulturellen Öffnung
sein, dass auch Jugendliche mit Migrationshinter-
weiter voranzubringen, sollten die erheblichen
grund sich angesprochen fühlen und diese aktiv
Potenziale und Möglichkeiten der Jugendverbands-
mitgestalten können. Die gemeinsame Entwicklung
arbeit offensiv deutlich gemacht werden. Bei der
neuer Angebote durch Jugendliche mit und ohne
Fortentwicklung der interkulturellen Öffnung
Migrationshintergrund ist dabei zentral.
sollten sich die Handelnden in den Verbänden auch
der (subtilen) Ausschlussmechanismen bewusst
Jugendverbände sollten gezielt Strategien entwickeln,
werden, die Angebote der Jugendverbandsarbeit in
um eventuelle Vorurteile und Hemmungen bei
ihrer Wirkung einschränken und Jugendliche mit
Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Vereinen
Migrationshintergrund gegebenenfalls ausgrenzen
jugendlicher Migranten abzubauen und so eine
können. Entsprechend müssen Akteure der
größere Zahl von Jugendlichen mit Migrationshinter-
Jugendverbandsarbeit selbstkritisch ihre Angebote
grund mit ihrer Arbeit anzusprechen.
und die Strukturen der jeweiligen Institutionen
hinterfragen und nach Wegen suchen, damit sich
Jugendverbände sollten die offenen Angebote der
Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker von
Jugendarbeit ausbauen und weiterentwickeln,
der Jugendverbandsarbeit angesprochen fühlen.
da diese Jugendliche mit Migrationshintergrund
besonders gut erreichen. Folgende Rahmenbe-
ƒƒ Umsetzungshinweis: Standortbestimmung
Jugendverbänden wird die Anwendung (bzw.
Weiterentwicklung) von sogenannten Interkulturellen Selbstchecks (ISC) empfohlen. Die ISC
bestehen aus einem Fragenkatalog, der Verbandsstrukturen, Verbandspolitik, Öffentlichkeitsarbeit,
Freizeitangebote sowie Bildungs- und Fortbildungsangebote im Hinblick auf die Teilhabe von
Menschen mit Migrationshintergrund und
die Sensibilisierung der Mitglieder für den Themenkomplex Integration / interkulturelle Öffnung
hinterfragt. ISC können eine erste hilfreiche
dingungen sind förderlich, um Jugendliche mit
Migrationshintergrund zu erreichen:
ƒƒ Niederschwelligkeit des Zugangs
ƒƒ Verankerung im sozialräumlichen Umfeld der
Jugendlichen
ƒƒ Bereitstellung individueller Mitgestaltungsmöglichkeiten
ƒƒ Möglichkeit, Angebote ohne Vereinsmitgliedschaft wahrnehmen zu können
ƒƒ Kooperationen von Jugendverbänden und
anderen Einrichtungen der offenen Jugendarbeit
Möglichkeit sein, den Status Quo festzustellen und
daraus resultierende Veränderungsmöglichkeiten
Interkulturelle Öffnung korreliert teilweise mit der
zu entwickeln. Anregung hierzu kann der
Öffnung für Jugendliche aus prekären Lebens-
Interkulturelle Selbstcheck des Landesjugendrings
bedingungen. Um diese Zielgruppen zu erreichen
Nordrhein-Westfalen bieten.
müssen besondere Zugangswege entwickelt
147
D – Gesellschaftliche Integration
werden. Hilfreich können dabei der Dialog und die
setzes – gezielt Personen mit Migrationshinter-
Zusammenarbeit mit Trägern von Projekten und
grund in Stellenausschreibungen zur Bewer-
Maßnahmen sein, die sich an diese Zielgruppe
bung aufzurufen und sie bei Neueinstellungen
richten bzw. aufsuchende Jugendarbeit anbieten.
angemessen zu berücksichtigen.
Empfohlen wird eine intensivere Zusammenarbeit von
Aktive interkulturell schulen
Jugendverbänden mit Schulen und Migrantenorgani-
Die Qualifizierung von haupt- und ehrenamtlich
sationen. Dadurch können auch neue Zielgruppen
Aktiven der Jugendarbeit durch Fortbildungen
erschlossen werden. Eine Kooperation mit Schulen
zu interkulturellem Lernen und interkultureller
verschiedener Schulformen bietet die Möglichkeit, ge-
Öffnung ist eine hilfreiche Maßnahme zur Qualitäts-
zielt auch auf Kinder und Jugendliche aus bildungs-
steigerung und Unterstützung der interkulturellen
fernen Kontexten in Haupt-, Real-, oder Förderschulen
Öffnung in den Jugendverbänden. Empfohlen
zuzugehen, die häufig von den Angeboten der Jugend-
wird hierzu die Aufnahme entsprechender – obligato-
arbeit nicht angesprochen werden und sich nicht in
rischer – Fortbildungsangebote in die bundesland-
Jugendverbänden engagieren.
spezifische Jugendleiterausbildung (Jugendleiter-
158
Card / Juleica). Alle Schulungen sollten dabei stets
ƒƒ Umsetzungshinweis: Jugendliche mit Migrationshintergrund für Jugendvereine gewinnen
auch Möglichkeiten zur Selbstreflexivität beinhalten.
Zugänge zu Vereinen entstehen in der Regel durch
Freunde oder Familienmitglieder. Es wird daher
Gefördert werden sollten darüber hinaus mehr Multi-
empfohlen, Kooperationen mit Migrantenorganisa-
plikatorenausbildungen für interkulturelles
tionen (etwa Elternvereine und Religionsgemein-
Lernen und interkulturelle Öffnung in der verband-
schaften) einzugehen, um Eltern zu erreichen und
lich organisierten Jugendarbeit.
über Freizeitangebote und außerschulische Lernmöglichkeiten in Jugendvereinen zu informieren.
Die Jugendbildungsstätte Unterfranken hat in einem
vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Um Jugendliche mit Migrationshintergrund für die
geförderten Projekt haupt- und ehrenamtlichen Mit-
Angebote der Jugendvereine zu gewinnen, sollte
arbeiterinnen und Mitarbeitern in Jugendverbänden
weniger auf schriftliche Informationsmaterialien
und -ringen, der Stadtjugendämter sowie weiterer
und mehr auf direkte Ansprache zurückgegriffen
Träger der offenen Jugendarbeit „Bildungsschecks
werden. Eine Möglichkeit dazu kann etwa die
zur interkulturellen Öffnung“ angeboten. Diese
Vorstellung der eigenen Vereinsarbeit in Schulen, bei
Bildungsschecks sollten es den Einrichtungen ermög-
Stadtteilfesten oder ähnlichen Veranstaltungen sein.
lichen, ihren Bedürfnissen entsprechende personelle
Leistungen im Bereich der interkulturellen Öffnung
Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter mit Migrationshintergrund als Funktionsträger in Vereinen stärken
bzw. Qualifikation bei der Jugendbildungsstätte
Die Zusammensetzung der haupt- und ehrenamt-
anträge stellen zu müssen. Ein Eigenanteil entfiel für
lichen Mitarbeitenden eines Jugendverbands
die teilnehmenden Einrichtungen.
Unterfranken abzurufen, ohne dabei eigene Förder-
sollte mit Blick auf die Einbeziehung von Menschen
Es wird empfohlen, – unter Beachtung der Vor-
Jugendverbände themenbezogen vernetzen und
Beispiele guter Praxis austauschen
gaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsge-
Ein verstärkter Austausch von Jugendverbänden über
mit Migrationshintergrund analysiert werden.
Maßnahmen interkultureller Öffnung kann dazu
158 Anknüpfungspunkte hierzu bietet etwa das Programm
„Kooperation von Jugendarbeit und Ganztagsschule“ des
Landesjugendrings Rheinland-Pfalz. Im „Positionspapier
der hessischen Jugendverbände zur Ganztagsschule in
Hessen“ beziehen darüber hinaus die im Hessischen Jugendring organisierten Jugendverbände Position und fordern verbindliche Strukturen und Rahmenbedingungen
für eine Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule.
148
beitragen, neue Anregungen zu geben. Jugendverbände, die bisher wenig Zugang zu Prozessen der
interkulturellen Öffnung gefunden haben, können
auf diese Weise wichtige Anstöße zur Aktivierung
einer interkulturellen Öffnung erhalten.
D – Gesellschaftliche Integration
Eine solche thematische Vernetzung ist – über das be-
Erforderlich ist ein Erfahrungsaustausch und Dialog
stehende Netzwerk interkultureller Jugendverbands-
der verschiedenen staatlichen Zuwendungsgeber
arbeit und -forschung hinaus – zu unterstützen, um
auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene über
auch Verbände zu erreichen, die sich bislang nicht mit
Modelle, Praktiken und Herausforderungen der
dem Thema auseinandergesetzt haben.
interkulturellen Öffnung.
Zur Vernetzung sollten auch neue Medien, wie Inter-
Interkulturelle Öffnung erfordert die Bereitstellung von
netplattformen, genutzt werden. Einen Ansatzpunkt
personellen und finanziellen Ressourcen in Jugend-
bietet die Datenbank des Fachverbandes IDA e. V.,
ringen und Jugendverbänden. Um den Prozess der
auf welcher Jugendverbände Initiativen und Projekte
interkulturellen Öffnung langfristig sicherzustellen
zur interkulturellen Öffnung vorstellen können.
und eine fachkompetente Begleitung zu gewährleisten,
ist die Beschäftigung hauptamtlicher Mitarbeiter
ƒƒ Umsetzungshinweis: Vernetzung
unumgänglich. Hierzu ist die gezielte Bereitstellung
Eine Vernetzung ist sowohl horizontal zwischen den
von Finanzmitteln durch die Regelförderung der
einzelnen Jugendverbänden notwendig als auch
Kinder- und Jugendpläne als auch durch zusätzliche
vertikal zwischen Jugendringen und Mitgliedsver-
Projektförderung notwendig.
bänden auf den unterschiedlichen Ebenen (lokal, regional, landes- und bundesweit), die bisher oft
Eine externe Begleitung und Beratung von Jugendver-
unabhängig voneinander agieren. Die großen Dach-
einen und -ringen durch Fachleute aus dem Bereich
verbände und Jugendringe können hier (weiterhin)
der interkulturellen Organisations- und Personalent-
unterstützend agieren und die Notwendigkeit
wicklung kann hilfreich sein, um die verschiedenen
der interkulturellen Öffnung in Ausschüssen, Bundes-
Schritte zur interkulturellen Öffnung professionell zu
und Landeskonferenzen bekräftigen.
unterstützen.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
Im Jahr 2007 wurde zwischen dem Land Baden-
und Jugend fördert das Modellprojekt „JiVE – Jugend-
Württemberg und den dortigen Jugendverbänden ein
arbeit international – Vielfalt erleben“ und arbeitet
Bündnis für die Jugend vereinbart. Das Bündnis fördert
dabei mit Partnern wie der Fachstelle für internatio-
die bereits 2006 gestartete Integrationsoffensive in der
nale Jugendarbeit und der deutschen Nationalagentur
Kinder- und Jugendarbeit, im Rahmen derer Projekte
„Jugend für Europa“ zusammen. JiVE besteht aus drei
zur interkulturellen Öffnung der offenen und der
Teilprojekten:
verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit unterstützt
ƒƒ „Interkulturell on Tour“, durch das nachhaltige Kooperationsstrukturen zwischen Organisationen der
internationalen Jugendarbeit und Migranten(selbst)organisationen aufgebaut werden sollen;
ƒƒ dem Europäischen Freiwilligendienst, in den verstärkt
Jugendliche mit Migrationshintergrund und Migrantenorganisationen eingebunden werden sollen;
ƒƒ bilateralen Fachkräfteprogrammen, die die Qualifizierung von Fachkräften der internationalen Jugendarbeit und der Migrationsarbeit befördern sollen.
werden. Die Integrationsoffensive beruht auf der Übereinkunft der Verantwortlichen der Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten und des Landesjugendrings Baden-Württemberg, die bislang getrennten
Förderprogramme der Integrationsarbeit für verbandliche und offene Jugendarbeit in einem gemeinsamen
Kooperationsprojekt zusammenzuführen. Mit den
jährlich insgesamt 100 000 Euro sollen Träger vor
Ort bei der Planung und Umsetzung ihrer Integrationsprojekte fachlich beraten und finanziell unterstützt
werden. Zudem wurde eine Projektfachstelle mit 40 Pro-
Unterstützende Maßnahmen von staatlichen Stellen
und Mittelgebern bereitstellen
zent Stellenumfang geschaffen.
Interkulturelle Arbeit der Jugendverbände sollte
Insgesamt wurden im Förderzeitraum 2006/2007
durch begleitende Maßnahmen unterstützt werden.
16 Projekte, im Förderzeitraum 2007/2008 19 Projekte
Dabei sollten staatliche Stellen und Mittelgeber
vor Ort gefördert. Die maximale Fördersumme pro
folgende Aspekte beachten:
Projekt betrug für den Projektzeitraum 2006/2007
149
D – Gesellschaftliche Integration
3 500 Euro, in der laufenden Periode 4 000 Euro. Die
Integration und interkulturelle Arbeit in den Mittel-
Projekte werden als erfolgreich eingeschätzt, da
punkt stellen. So besteht zum Beispiel das Förder-
es gelungen sei, die Netzwerkbildung auf Landes- wie
programm „ Integration in die Jugendarbeit“ bereits
Bundesebene voranzubringen sowie Kooperationen
seit mehr als 10 Jahren und unterstützt Jugend-
mit Migrantenorganisationen und spezifische
verbände und Jugendringe. Gefördert werden
Angebote zu schaffen, die auf die Ressourcen von
niederschwellige Maßnahmen und Projekte, welche
Jugendlichen mit Migrationshintergrund ausgerichtet
die Integration und Selbstorganisation Kinder und
sind (vgl. http://www.integrationsoffensive.de).
Jugendlicher mit Migrationshintergrund fördern.
Hierfür verfügt das Programm über ein Budget
Der Bayerische Jugendring vereint in seinem
von 165 000 Euro pro Jahr. Das Aktionsprogramm,
Aktionsprogramm „Integration“ unterschiedliche
welches für 2002 bis 2007 angesetzt war, wurde von
Förderprogramme und Projekte, die die Themen
2008 bis 2012 verlängert. (Vgl. http://www.bjr.de)
2.2.2 Integration von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die
Jugendverbandsstrukturen
Neben der Öffnung von Jugendverbänden für Jugend-
unterstützen und den Vereinen von Jugendlichen
liche mit Migrationshintergrund sollte auch die
mit Migrationshintergrund Hilfe bei Etablierung
Integration bereits bestehender Vereine jugendlicher
und Aufbau von effektiven Strukturen bieten. Auch
Migranten in die Jugendverbandsstrukturen ange-
diese Ebene der interkulturellen Öffnung ist ein
strebt werden.
langfristiger Prozess. Handlungsleitendes Prinzip
159
Jugendliche mit Migrationshinter-
grund sind bereit, sich gesellschaftlich zu engagieren
im Umgang mit Vereinen von Jugendlichen mit
und zu partizipieren. Dies sollten Politik, zuständige
Migrationshintergrund sollte die Anerkennung der
Behörden und die anerkannten Jugendverbände
Potenziale der Jugendlichen und der Vereine sein.
Empfehlungen
Kooperationen zwischen Jugendverbänden / -ringen
und Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund stärken
Erfolgversprechend ist die Implementierung von Ko-
hinaus gesellschaftspolitische oder thematische
operationsstrukturen und Projekten zwischen
Übereinstimmungen haben. Zudem sollten sich
anerkannten Jugendverbänden und Vereinen von
beide Partner vorab über Form und Intensität der
Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dabei
Zusammenarbeit verständigen.
kann ein Transfer der im Rahmen von Projekten der
internationalen Jugendarbeit gewonnenen Erkennt-
Um Kooperationen mit Vereinen von Jugendlichen
nisse über Kooperationen hilfreich sein.
mit Migrationshintergrund aufzubauen, sollten
160
diese zunächst über die Strukturen der Jugendhilfe
Voraussetzungen für gelingende Kooperationen
bzw. über Jugend(verbands)arbeit informiert
sind, dass die Verbände bereits Prozesse der
werden. Durch aktive und gezielte Informations­
interkulturellen Öffnung angestoßen und darüber
arbeit der anerkannten Jugendverbände über
159 Neben diesen Empfehlungen, gelten analog die zum Thema
„Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung“ entwickelten Handlungsempfehlungen.
160 Siehe Erfahrungsbericht des vom BMFSFJ geförderten Projektes «InterKulturell on Tour», www.interkulturell-on-tour.de
150
Möglichkeiten, Formen und Inhalte der Jugendarbeit, können Vereine von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund auch an der Ressource
„Wissen“ partizipieren.
D – Gesellschaftliche Integration
Zum Aufbau von Kooperationen ist es hilfreich,
Jugendverbandsarbeit sollte als Förderziel in
wenn hauptamtliches Personal des Jugend-
die Kinder- und Jugendpläne von Bund und Ländern
ringes bzw. -verbandes zur Unterstützung des
aufgenommen werden. Die Jugendringe sollten
weniger etablierten Partners zur Verfügung
darüber hinaus in die Lage versetzt werden, auf
gestellt wird.
die neuen Herausforderungen der Integration von
Selbstorganisationen junger Migrantinnen und
ƒƒ Umsetzungshinweis: Aufbau von Kooperationen
Migranten flexibel zu reagieren.
Bewährt haben sich die aktive Suche nach Kooperationspartnern und das aktive Zugehen auf ein-
Jugendringe auf Bundes-, Landes-, Kreis- und lokaler
zelne Vereine. Dabei sollten etablierte Verbände die
Ebene sollten nach Möglichkeiten suchen, Vereine
beschränkten (personellen, zeitlichen und
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
die Infrastruktur betreffenden) Ressourcen der vor-
mit unterschiedlichen Organisationsgraden in die
nehmlich ehrenamtlich arbeitenden Vereine von
Ringstrukturen zu integrieren. Dies sollte sowohl
Jugendlichen mit Migrationshintergrund berücksich-
durch die Ermöglichung von Mitgliedschaft als
tigen. Vereine junger Migrantinnen und Migranten
auch durch niederschwellige Beteiligungsformen
sollten wiederum die Bereitschaft zu strukturierten
erreicht werden. Insgesamt sollten die Zugangsbe-
Arbeitsprozessen mitbringen. So können Situationen
dingungen zu Jugendringen diskutiert, überprüft
der momentanen Überforderung verhindert werden.
und gegebenenfalls modifiziert werden. Folgende
Strategien werden vorgeschlagen:
Bei der Initiierung erster gemeinsamer Aktivitäten
der Verbandsmitglieder sollte die Durchführung
Jugendringe sollten neben Ressourcen für die Weiter-
auf niederschwelliger Ebene und auf Augenhöhe
bildung bzw. Juleica-Schulungen der eigenen
angesiedelt sein.
Mitglieder auch Ressourcen für Vereine jugendlicher
Migrantinnen und Migranten bereitstellen, damit ein
Bei der Initiierung von verbindlichen Kooperationen
Dialog auf gleicher Augenhöhe möglich wird. Arbeits-
sollten auf Leitungsebene zunächst Kriterien für
kreise in Jugendringen sollten geöffnet werden.
mögliche Partnerverbände aufgestellt werden.
Wenn konkrete Kooperationen geplant sind, sollten
Jugendringe können über die Möglichkeit weiterer
beide Partner überlegen, auf welchen Ebenen
niederschwelliger Förderungen informieren, ohne
zusammengearbeitet werden soll, wie intensiv die
sogleich die Kriterien für eine Mitgliedschaft zu
Zusammenarbeit sein soll und welchem Verband
verändern.
welche Aufgaben zukommen sollen. Insbesondere
die Übernahme der Formalitäten (z. B. Mittel-
Jugendringe sollten auch neue und niederschwel-
bewirtschaftung) kann vom etablierten Träger
lige Modelle der Mitgliedschaft entwickeln, z. B.:
übernommen werden. Unterstützung sollte auch
zur Verankerung nachhaltiger Strukturen nach
Projektende angeboten werden.
Entsteht der Wunsch nach verbindlicher Zusammenarbeit, kann der Jugendring oder –verband die
Mittelakquise für gemeinsame Projekte übernehmen.
Wichtig ist dabei die gemeinsame Planung und
Umsetzung.
Partizipation von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Ringstrukturen stärken
Die Integration von Selbstorganisationen junger
Migrantinnen und Migranten in die Strukturen der
ƒƒ Anschlussmitgliedschaften mit beschränkten
Rechten für Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, bis die Kriterien einer Vollmitgliedschaft sowie die formale Anerkennung
als Träger der Kinder- und Jugendhilfe erfüllt sind
ƒƒ Vollmitgliedschaft auf Probe, die nach einem
festgelegten Zeitraum im Hinblick auf die
Möglichkeiten einer dauerhaften Vollmitgliedschaft überprüft wird
ƒƒ Schnuppermitgliedschaften ohne Mitgliedsbeiträge für einen begrenzten Zeitraum
ƒƒ Aktiv teilnehmende bzw. im Ring engagierte
Verbände können automatisch als Mitglieder
angesehen werden
151
D – Gesellschaftliche Integration
Der Landesjugendring Schleswig-Holstein e.V. hat
anderen wird das Netzwerk in der Öffentlichkeit
2010 den Beschluss gefasst, Integration und Inklusion
ideell durch prominente Patinnen und Paten unter-
in der Jugendarbeit speziell bei den Jugendver-
stützt aus den Bereichen Kultur, Sport und Politik
bänden zu stärken. Konkrete Zielsetzungen sind,
(z. B. Vertreterinnen und Vertreter von Landesmini-
jungen Menschen mit Migrationshintergrund die
sterien, Landrätinnen und Landräten, Bürgermeiste-
Partizipation im Verbandsbereich zu ermöglichen,
rinnen und Bürgermeistern).
eine Öffnung für Einzelpersonen bzw. für Gruppen
und Initiativen anzustreben, bestehende Angebote
Das Netzwerk wurde von und für Schülerinnen und
entsprechend auszurichten und gegebenenfalls
Schüler initiiert, die aktiv gegen Diskriminierung
neue zu entwickeln. Ganz konkret wurde 2010 der
und im Besonderen gegen Rassismus vorgehen und
Bund der Allevitischen Jugendlichen in Deutsch-
dadurch zu einer gewaltfreien, demokratischen
land – Regionalverband Norden – als Vollmitglied
Gesellschaft beitragen wollen. Die Mitgliedschaft im
in den Landesjugendring aufgenommen. In einem
Netzwerk setzt eine Beteiligung von mindestens
Leitantrag bekennen sich die Mitgliedsverbände des
70 Prozent aller direkten Angehörigen einer Schule
Landesjugendrings zu einer Kultur der Vielfalt und
voraus. Unterstützt wird das Netzwerk durch eine
dazu, junge Menschen mit Migrationshintergrund
Bundes- sowie Landeskoordinationsstellen. Eine
verstärkt in ihre Arbeit einzubeziehen.
nachhaltige Engagementförderung wird durch die
finanzielle Unterstützung der Koordinationsstellen
Kooperation und Vernetzung vor Ort verstärken
durch verschiedene Akteure auf Bundes- und
Eine stärkere Vernetzung von Vereinen von
Landesebene) ermöglicht (vgl. http://www.schule-
Jugendlichen mit Migrationshintergrund, Jugend-
ohne-rassismus.org).
verbänden, Einrichtungen der offenen Jugendarbeit,
der Migrationsarbeit, Migrantenorganisationen und
Die Einbeziehung der Kompetenz und Expertise der
von Schulen vor Ort ist sinnvoll, um die Zielgruppe
Vereine jugendlicher Migrantinnen und Migranten in
der Jugendlichen besser zu erreichen und den
jugendpolitische Fragestellungen stärkt die Partizipa-
fachlichen Austausch über erfolgreiche Modelle der
tion und Anerkennung. Vereine von Jugendlichen mit
Jugendarbeit zu verbessern.
Migrationshintergrund sollten daher noch stärker
Ein Projekt, das an der Förderung des bürgerschaft-
neben ist es auch von Bedeutung, dass sich die in
lichen Engagements in der Schule ansetzt und dabei
Netzwerken beteiligten Organisationen auch (jugend)
auch durch seine Zusammenarbeit mit anderen
politisch für die Teilhabe von Vereinen von Jugend-
Institutionen und Organisationen vor Ort profitiert,
lichen mit Migrationshintergrund einsetzen, etwa
ist das bundesweite Schüler-Netzwerk „Schule
durch das Verfassen gemeinsamer Stellungnahmen.
in vorhandene Netzwerke aufgenommen werden. Da-
ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Das Projekt
beschäftigt sich seit 1995 mit interkulturellen Frage-
Da Vereine von Jugendlichen mit Migrationshinter-
stellungen aus der Perspektive der Diskriminierung
grund vor allem auf lokaler Ebene häufig nicht
und ist mittlerweile mit über 550 beteiligten Schulen
bekannt sind, ist eine aktive Recherche der Organi-
das größte Schüler-Netzwerk in Deutschland. Es baut
sationen zunächst notwendige Voraussetzung
mit dem Ansatz der nonformalen Bildung auf die
für Vernetzung und Kooperationen. Hilfreich wäre
klassischen Rahmenbedingungen der Jugendarbeit,
die (Selbst-)Präsentation von Vereinen auf einer
Partizipation, Freiwilligkeit, Engagement und
öffentlich zugänglichen Datenbank – analog zu der
Verantwortung, auf. Das Projekt wird bereits von
bei IDA e.V. angesiedelten Plattform zum Austausch
vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund
über interkulturelle Projekte.
aktiv mitgestaltet. Dabei wird zum einen mit
Schulen unterstützen, insbesondere Jugend(freizeit)
Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
interkulturell öffnen
einrichtungen, Integrationsbeauftragte, Migran-
Neben der Förderung der Partizipation von Jugend-
tenorganisationen und Jugendringe vor Ort. Zum
lichen mit Migrationhintergrund in anerkannten
Partnerorganisationen kooperiert, die die Arbeit der
152
D – Gesellschaftliche Integration
Verbänden, ist auch die Öffnung der Vereine
Jugend die Aufnahme in die Landesjugendringe an.
jugendlicher Migrantinnen und Migranten selbst
Sie kooperiert mit Verbänden und Organisationen
Teil der interkulturellen Öffnung der Jugend-
wie der Naturfreundejugend Deutschlands, der
verbandsarbeit. Allerdings kann von gerade
Gewerkschaftsjugend, der Caritas oder Schülerver-
entstehenden Vereinen nicht unmittelbar erwartet
tretungen. In Nordrhein-Westfalen unterstützt die
werden, dass sie sich vor ihrer Konsolidierung
DIDF die Arbeitsgruppe interkulturelle Öffnung des
schon für Mitglieder anderer Herkunftsgruppen
Landesjugendrings.
öffnen. Man sollte ihnen für diesen Prozess daher
ausreichend Zeit geben.
Jugend(verbands)arbeit in Migrantenorganisationen
aufbauen
Um im Sinne der interkulturellen Öffnung mit
Die stärkere Vernetzung und Kooperation von an-
anerkannten Jugendverbänden auf Augenhöhe
erkannten Trägern der Jugendverbandsarbeit
kooperieren zu können und in Netzwerken,
mit Migrantenorganisationen kann dazu beitragen,
Dachverbänden, Projektbeiräten und Fachorgani-
dass sich mehr Jugendliche mit Migrationshinter-
sationen mitarbeiten zu können, ist weiteres Enga-
grund selbst organisieren. Dieser Ansatz ist auch
gement gefragt. Alle Empfehlungen, die sich an
deshalb sinnvoll, weil Migrantenorganisationen Ju-
anerkannte Jugendverbände, Weiterbildungsträger
gendliche mit ihren Angeboten bislang häufig
sowie Mittelgeber richten und die Partizipation
nicht erreichen.
von Vereinen junger Migrantinnen und Migranten
verfolgen, unterstützen gleichzeitig deren interkul-
Das Land Hamburg fördert beim Dachverband der
turelle Öffnung (vgl. D.2.1.2).
internationalen Jugendverbände eine Vollzeitstelle
zur Beratung und Unterstützung der Vereine
Um die interkulturelle Öffnung des eigenen Ver-
und Jugendverbände. Dabei geht es insbesondere
eines voranzubringen, können Vereine von
um die Förderung der Selbstorganisation von
Jugendlichen mit Migrationshintergrund fol-
Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie um
gende Strategien verfolgen:
die Koordinierung von Vereins und Nationalitäten
ƒƒ Kooperationen mit anderen Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
ƒƒ Kooperationen mit anerkannten Jugendverbänden
ƒƒ Anschluss an Dachverbände
übergreifenden Aktivitäten.
Unterstützung und Förderung von Jugendarbeit in
Migrantenorganisationen durch anerkannte Träger
der Jugend(verbands)arbeit ist wichtig, weil Ersteren
häufig Kenntnisse über Methoden der selbst orga-
ƒƒ Toleranz- und Antidiskriminierungsarbeit
innerhalb des Vereines
nisierten Jugendarbeit und über die Strukturen der
Möglichkeiten der Öffnung von Vereinen jugend-
Die Weiterbildung von jungen aktiven Nachwuchs-
licher Migrantinnen und Migranten können etwa
kräften in Migrantenorganisationen sollte durch
am Beispiel der Jugendorganisation der Föderation
Multiplikatorenschulungen gefördert werden.
demokratischer Arbeitervereine (DIDF) dargestellt
Hierzu sollten Jugendringe ihre Schulungen für
werden: Die DIDF-Jugend versucht eine Brücke
Nachwuchskräfte aus Migrantenorganisationen
zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrations-
öffnen. Dies kann zur interkulturellen Öffnung und
hintergrund aufzubauen. Sie engagiert sich in der
Verbesserung der Jugendarbeit beitragen.
Jugendhilfe fehlen.
politischen Bildungsarbeit sowie in den Bereichen
Kultur und Sport. Als Teil der deutschen Bürgergesellschaft bemüht sich die Organisation darum,
sich in die Strukturen der deutschen Jugendver-
Partizipation von Vereinen von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund durch staatliche Förderung
unterstützen
bandsarbeit zu integrieren. Sie ist Mitglied in vielen
Integration von Vereinen von Jugendlichen mit
Stadtjugendringen, auf Landesebene strebt die DIDF-
Migrationshintergrund in die Strukturen der
153
D – Gesellschaftliche Integration
Jugend(verbands)arbeit sollte in die Kinder- und Ju-
Projektförderung sollte im Hinblick auf Vereine
gendpläne von Bund und Ländern einbezogen
junger Migrantinnen und Migranten nicht nur den
werden. Die Regelförderung für die Jugendringe
Abbau von Integrationsdefiziten fördern, sondern
sollte berücksichtigen, dass Jugendringe für die
auch den Aufbau professioneller Jugendarbeit.
neue Herausforderung der Integration von Vereinen
jugendlicher Migranten in die Ringstrukturen
Gefördert werden sollten Kooperationen von Vereinen
Unterstützung benötigen.
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und von
Migrantenorganisationen mit anerkannten Jugend-
In Ergänzung zu der Regelförderung könnten
verbänden. Wichtig ist dabei die Bereitstellung von
Etablierungsbeiträge für kleine Vereine geschaffen
Ressourcen (finanziell, strukturell, logistisch), die eine
werden. Zusätzlich sollten Fördermodelle entwi-
Kooperation mit anerkannten Vereinen ermöglichen.
ckelt werden, für deren Inanspruchnahme Vereine
jugendlicher Migranten kein hauptamtliches
Multiplikatorenschulungen für Nachwuchskräfte
Personal brauchen, etwa Multiplikatorenausbil-
in Migrantenorganisationen können die Förderung
dungen.
von Selbstorganisation junger Migrantinnen und
Migranten unterstützen.
Die interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit sollte in Jugendämtern bzw. in Jugendhilfe-
Forschungsdesiderate
ausschüssen langfristig verfolgt werden. Vereine
Um interkulturelle Öffnungsprozesse nachhaltig und
jugendlicher Migrantinnen und Migranten sollten
praxisnah unterstützen zu können, werden fundierte
neben Jugendringen und -verbänden in den
Kenntnisse benötigt. Insbesondere fehlen Untersu-
Jugendhilfeausschüssen vertreten sein. Die Vereine
chungen, die Grundlagenforschung zu Vereinen von
sollten als kompetente Ansprechpartner bei
Jugendlichen mit Migrationshintergrund und ihren
migrationspezifischen, kulturellen und religiösen
Engagementschwerpunkten leisten (beispielsweise
Fragestellungen beteiligt werden.
eine bundesweite Bestandsaufnahme dieser Vereine).
Auch einzelne Projekte von oder mit Vereinen von
Bund, Länder und Kommunen sind wichtige
Jugendlichen mit Migrationshintergrund könnten im
Partner, um Jugendringe und -verbände bei der
Rahmen von Praxisforschung begleitet und hinsicht-
interkulturellen Öffnung ihrer Organisationsstruk-
lich ihres Beitrags zur Unterstützung interkultureller
turen zu unterstützen. Mehrere Ebenen können
Öffnungsprozesse bewertet werden. Die Jugendarbeit
dabei von Relevanz sein:
von Migrantenorganisationen sollte im Hinblick
ƒƒ Zuständige Behörden sollten den fachlichen
Dialog mit Jugendringen und Vereinen junger
Migranten suchen. Neben dem fachlichem
Austausch sollte es hierbei auch um die Vereinbarung konkreter Schritte gehen.
ƒƒ Die Förderung eines offenen Dialogs zwischen anerkannten Jugendverbänden und Vereinen
jugendlicher Migrantinnen und Migranten auf
lokaler, Kreis-, Landes- und Bundesebene kann
den Abbau gegenseitiger Unkenntnis und/oder
Skepsis unterstützen. Hilfreich ist hierfür die
Bereitstellung von Strukturen (etwa Finanzierung
von institutionalisierten Treffen, Tagungen etc.)
und Räumlichkeiten.
ƒƒ Weiterbildungen Hauptamtlicher und freiwillig
Engagierter zu interkulturellem Lernen und
interkultureller Öffnung sollten finanziell
gefördert werden.
154
darauf analysiert werden, welche Weiterbildungsangebote Migrantenorganisationen brauchen,
um im Bereich der interkulturellen Öffnung qualitativ
hochwertige Angebote entwickeln zu können.
155
E – Qualität sichern, Wirkung feststellen
E
Qualität sichern, Wirkung feststellen:
Evaluation und Qualitätssicherung in
der Integrationsförderung
1. Ausgangslage und Herausforderungen
Für Projekte und Programme der Integrationsförderung
Projektförderung zeigt sich, dass Unklarheiten im Um-
in verschiedenen Handlungsfeldern, wie etwa in den
gang mit dem Thema Evaluation bestehen und
Bereichen Sprache, Bildung, berufliche und gesell-
insbesondere Träger kleinerer Projekte oft Schwierig-
schaftliche Integration, ist die Qualitätssicherung wäh-
keiten haben, Qualitätssicherungs- und Evaluati-
rend der Durchführung sowie der Nachweis von
onsansätze zu finden, die den Erfordernissen ihres
Wirkungen von zunehmender Bedeutung. Auch im
Projekts entsprechen. Bei der Weiterentwicklung der
Nationalen Integrationsplan (NIP) wird betont, dass
Integrationsangebote in Deutschland spielt
„Evaluierung und Monitoring wichtige Instrumente des
daher auch das Thema Evaluation eine wichtige Rolle
Qualitätsmanagements und der Politiksteuerung
und wurde im bundesweiten Integrationsprogramm
sind. Mit ihnen können beispielsweise Transparenz und
aufgegriffen. Da Qualitätssicherung und Evaluation
Öffentlichkeit über die komplexen Wirkungszusammen-
in allen Handlungsfeldern von Bedeutung sind, werden
hänge sowie über Kosten und Nutzen von Integrations-
sie hier gebündelt aufgegriffen und Empfehlungen
maßnahmen hergestellt werden. Sie tragen zu einer
zum Einsatz und zur Durchführung von Evaluationen
Qualifizierung von Strategien, Konzepten und Projekten
in der Integrationsförderung formuliert. Das Kapitel
bei, da in Evaluationsprozessen erkannte Fehlentwick-
richtet sich insbesondere an Projektträger, aber auch an
lungen zu Umsteuerungen genutzt werden können.“
Mittelgeber in der Integrationsförderung. Die Empfeh-
161
lungen beziehen sich dabei auf die drei genannten
Im Sinne einer zielgerichteten Planung, Durchführung
Interventionsbereiche – mögliche Schritte der Planung
und Bewertung von Projekten, ergeben sich für die
und Beratung vor Projektbeginn, unterstützende
Evaluation von Programmen und Projekten der Inte-
Instrumente und Methoden im Projektverlauf sowie
grationsförderung daraus im Wesentlichen drei
den Nachweis von Wirkungen am Ende eines Projektes.
Aufgabenfelder: Beratungsprozesse vor Projektbeginn,
Eingegangen wird auch auf das Integrationsmonito-
die Bewertung und Optimierung der Projektdurchfüh-
ring und auf Vorstudien zur Projektkonzeption, die
rung sowie der Nachweis über die Zielerreichung
Grundlage von Evaluationen und Monitoringansätzen
bzw. die Wirkungen von Projekten und Programmen
sein können. Die Darstellung wird ergänzt durch
der Integrationsförderung. Evaluationen tragen
Praxisbeispiele verschiedener Evaluationsansätze.
damit zu einer bedarfsgerechten Ausrichtung der Projektziele, einem effektiven Ressourceneinsatz während
des Projektverlaufs und zum Nachweis der erreichten
Wirkungen nach Projektende bei.
1.1 Evaluation von Angeboten der Integrationsförderung in Deutschland
Der Begriff Evaluation stammt von dem lateinischen
Die großen Programme der Integrationsförderung
Wort „valor“, d. h. „Wert“, und der Vorsilbe e/ex ab, und
werden heute in der Regel bereits evaluiert (vgl.
bedeutet so viel wie „Bewertung“, bzw. einen Wert
die Beispiele in diesem Kapitel). Aus der Erfahrung der
aus etwas ziehen.162 Grundsätzlich kann Evaluation
161 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.)
(2007): a. a. O., S. 121.
162 Meyer, Wolfgang / Höhns, Gabriela (2002): Was ist Evaluation?
In: Wissenschaftliche Diskussionspapiere Heft 59. Schriften-
reihe des BIBB, Bonn. S. 3.
156
E – Qualität sichern, Wirkung feststellen
als jede methodisch kontrollierte, verwertungs- und
von Projekten der Integrationsförderung oft sinnvoll
bewertungsorientierte Form des Sammelns,
unterstützen, etwa wenn es um die Ermittlung des
Auswertens und Verwertens von Informationen be-
konkreten Förderbedarfs einer bestimmten Personen-
zeichnet werden. Der Begriff bezeichnet dabei
gruppe geht. Vorstudien können beispielsweise
auch das Resultat des Evaluationsprozesses selbst,
auf Grundlage bereits vorliegender Untersuchungen
also die Dokumentation der Wertaussagen und
und Erfahrungsberichte, Experteninterviews oder
Empfehlungen in einem Evaluationsbericht oder -gut-
durch standardisierte Befragungen der Zielgruppe er-
achten. Im Gegensatz zum Integrationsmonitoring,
stellt werden.
163
welches auf der Grundlage ausgewählter und im
Zeitverlauf regelmäßig erhobener Indikatoren Aus-
Verdeutlicht werden kann der Nutzen einer solchen
kunft über den Stand und den Verlauf von Inte-
Vorstudie durch das Beispiel einer explorativen
grationsprozessen im Allgemeinen geben kann,
Vorstudie des Deutschen Jugendinstituts zum Thema
kann die Evaluation die Frage nach den Wirkungen
„Interkulturelle Kompetenz durch internationale
von Integrationsmaßnahmen (Programmen
Kinderbegegnung“. Ziel dieser im März 2008 abge-
und Projekten) beantworten und deren Umsetzung
schlossenen Untersuchung war, neben einer ersten Be-
bewerten.
standsaufnahme, die Identifikation des programmatischen und anwendungsbezogenen Stellenwerts
Ziel von Evaluationen ist es, die Effizienz (tun wir
interkultureller Kompetenz bzw. interkultureller Lern-
die Dinge richtig?) und die Effektivität (tun wir die
prozesse in internationalen Begegnungen für Kinder.
richtigen Dinge)
Zudem wurden Experteneinschätzungen bezüglich
164
von Projekten und Programmen,
den Umsetzungsprozess und seine Ergebnisse zu
der Eignung der Altersgruppe für internationale
bewerten sowie den Erfolg einer Maßnahme nachzu-
Begegnungen und interkulturelle Lernprozesse er-
weisen. Weiterhin kann eine Evaluation Aufschluss
hoben und Erfahrungen bisheriger internationaler
und Informationen über die Wirkungen und die
Kinderbegegnungen untersucht. Die Ergebnisse
Wirkungszusammenhänge von Projekten geben.165
der Vorstudie stützen die Annahme, dass besonders
Die Orientierung auf Wirkungen schon während des
Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren von
Projektverlaufes ist damit ein wichtiges Instrument
interkulturellen Lernerfahrungen profitieren. Aus Sicht
der Qualitätssicherung für Projekte, da hiermit
der befragten Expertinnen und Experten können inter-
Hinweise zur Verbesserung der konzeptionellen
nationale Kinderbegegnungen einen wichtigen Beitrag
und inhaltlichen Ausrichtung aufgenommen und
für den Erwerb interkultureller Kompetenz und für den
umgesetzt werden können.
Abbau fremdenfeindlicher Einstellungen leisten.
Unterstützung für eine ziel- und bedarfsorientierte
Projektplanung durch Vorstudien
haltigkeit internationaler Kinderbegegnungen auf die
Entwicklung interkultureller Kompetenz zu gewinnen,
Vorstudien bzw. die Ermittlung und damit die Ent-
führt das Deutsche Jugendinstitut gegenwärtig –
wicklung einer zielgruppengerechten Projektaus-
aufbauend auf den Ergebnissen der Vorstudie – eine
richtung können Grundlage für Evaluationen
Evaluation solcher Projekte durch. Ziel ist es, aus der
und Monitoringverfahren sein. Die durch Vorstudien
Perspektive der befragten Kinder zu klären, inwiefern
gewonnenen Erkenntnisse können jedoch die Planung
und unter welchen Bedingungen internationale
und inhaltlich passgenaue Ausrichtung
Kinderbegegnungen dazu beitragen, interkulturelles
166
Um fundierte Erkenntnisse zum Einfluss und zur Nach-
163 Kromrey, Helmut (2001): Evaluation – ein vielschichtiges
Konzept. Begriff und Methodik von Evaluierung und Evaluationsforschung. Empfehlungen für die Praxis. In Sozialwissenschaften und Berufspraxis, Jg. 24, H. 2, S. 106.
164 ISO 9000: 2005.
165 Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge
und Integration (Hg.) (2009): Integration in Deutschland. Erster
Integrationsindikatorenbericht: Erprobung des Indikatorensets
und Bericht zum bundesweiten Integrationsmonitoring, Berlin.
166 Sanders, James (Hg.) (2006): Handbuch der Evaluationsstandards, Wiesbaden, S. 5.
Lernen zu fördern und interkulturelle Kompetenz zu
entwickeln. Die Untersuchungsbefunde sollen zur
Weiterentwicklung und Qualitätssicherung sowie zur
Verbreitung erfolgreicher Programme und Formate
beitragen.167
167 Deutsches Jugendinstitut (2009): Interkulturelle Kompetenz
durch internationale Kinderbegegnung. Abrufbar unter: http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=816
157
E – Qualität sichern, Wirkung feststellen
Integrationsmonitoring
ranking wird hierüber ausdrücklich nicht angestrebt.
Ergänzend zur Evaluation einzelner Integrations-
Als Datenquellen dienen u. a. der Mikrozensus, die
maßnahmen ist in den letzten Jahren auch das
Daten der Statistischen Ämter der Länder und des
Integrationsmonitoring bzw. die Integrationsbe-
Bundes sowie die Integrationskursgeschäftsstatistik
richterstattung von wachsender Bedeutung.
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Die
Regelmäßige Erhebungen und Messungen anhand
Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen werden auf
ausgewählter Indikatoren können helfen, den Stand
Grundlage des vorliegenden Pilotberichts bis Ende des
der Integration in einzelnen Handlungsfeldern fort-
Jahres 2010 eine länderübergreifende Auswertung
laufend abzubilden. Integrationsmonitoring kann
zum Stand der Integration von Menschen mit Migra-
dazu genutzt werden, Entwicklungen systematisch
tionshintergrund vornehmen. Diese soll zukünftig in
zu erfassen, und kann ein wichtiges Instrument zur
einem zweijährigen Turnus durchgeführt werden.
strategischen Steuerung der Integrationspolitik
auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sein.
Eine wachsende Zahl von Kommunen hat eine
Aussagen über die Wirkung von Projekten oder
kommunale Berichterstattung eingeführt bzw. tut
Programmen können mit einem Integrationsmoni-
dies gegenwärtig. Mit den aus solchen Berichts-
toring jedoch nicht direkt nachgewiesen werden.
systemen gewonnen Informationen für die
Mit Blick auf die Frage der Messbarkeit von Integra-
kommunale Ebene können politische Zielsetzungen
tionserfolgen sieht der Koalitionsvertrag vor, den
und die Zielstellungen von Programmen und
Nationalen Integrationsplan zu einem Aktionsplan
Projekten der Integrationsförderung an unterschied-
mit klar definierten und zu überprüfenden Zielen
liche und sich verändernde Bedingungen vor Ort
weiter zu entwickeln.168
angepasst werden. Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement hat zusammen
Auf der fünften Integrationsministerkonferenz
mit mehreren Kommunen ein Integrationsmonitoring
der Länder im März 2010 haben die für Integration
erarbeitet. Dabei wurden 27 Indikatoren in 10 Hand-
zuständigen Ministerinnen und Minister / Sena-
lungsfeldern ausgewählt. Die Handlungsfelder sind,
torinnen und Senatoren die Notwendigkeit eines
orientiert an den vier Dimensionen der Integration
länderübergreifenden Integrationsmonitorings
(strukturelle Integration, kulturelle Integration,
unterstrichen. Zur Entwicklung und Abstimmung
soziale Integration und identifikatorische Integra-
eines Kernsets von Indikatoren für ein Integrations-
tion) auf die Wirkungen kommunalen Handelns
monitoring auf Länderebene wurde bereits 2008
ausgerichtet. Bei der Auswahl der Indikatoren wurde
eine länderoffene Arbeitsgruppe „Indikatorenent-
besonders berücksichtigt, dass die Erhebung der
wicklung und Monitoring“ eingerichtet. Diese hat ein
entsprechenden Daten von den Kommunen geleistet
Indikatorenset entwickelt und pilothaft in Bayern,
werden kann. Der begrenzte Aufwand erhöht die
Berlin, Brandenburg, Hessen Nordrhein-Westfalen,
Chance auf eine breite Umsetzung des Monitorings in
Niedersachsen und Rheinland-Pfalz erprobt.
den Kommunen.169
Ziel des Integrationsmonitorings der Länder ist es, den
Auf Bundesebene wurde unter Federführung der
Integrationsprozess anhand von validen und nach-
Beauftragten der Bundesregierung für Migration,
vollziehbaren Indikatoren messbar zu machen. Die 28
Flüchtlinge und Integration im Jahr 2008 ein
Indikatoren umfassen neben demographischen Grund-
umfangreiches Indikatorenset mit 100 Indikatoren
daten zur Zuwanderung und zur Zusammensetzung
aus 14 Themengebieten entwickelt, das die Grund-
der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund
lage für ein Integrationsmonitoring auf Bundese-
auch Kennzahlen aus den Bereichen frühkindliche
bene bietet. Im Juni 2009 hat die Beauftragte auf
Bildung und Sprachförderung, Schule und Ausbildung,
dieser Grundlage den ersten Integrationsindikato-
Arbeit und Einkommen, Gesundheit, Wohnen sowie
renbericht auf Bundesebene vorgestellt. Der Indi-
Kriminalität, Gewalt und Diskriminierung. Ein Länder168 CDU/CSU/FDP (2009): a.a.O., S. 74.
158
169 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanage-
ment (2006): Integrationsmonitoring, Materialen Nr.
2/2006. Köln.
E – Qualität sichern, Wirkung feststellen
katorenbericht beschreibt für ausgewählte Hand-
Beispiele einer Handlungsanleitung zur erfolgreichen
lungsfelder den Stand der Integration, zeigt
Projektdurchführung unter Einbeziehung der
erfolgreiche Bereiche und identifiziert weiteren
beteiligten Partner und unter Berücksichtigung der
Handlungsbedarf.
verschiedenen Prozessebenen sind in einer Übersicht
170
der „Aktion zusammen wachsen“ des BMFSFJ und
Begleitende Evaluation als Unterstützung der Projektsteuerung
der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und
Begleitende Evaluationen werden mit dem Ziel
zusammengestellt.172 Dort sind die wichtigen
durchgeführt, den Verlauf und die erbrachten
Bausteine erfolgreicher Projektarbeit wie Organisa-
Leistungen einer Maßnahme durch kontinuierliches
tion, Vorbereitung, Projektmanagement, Kommuni-
Beobachten sicherzustellen. Damit können die
kation und Projektabschluss praxisnah aufbereitet.
Arbeitsweise eines Projektes transparent dargestellt,
Das Qualitätssicherungskonzept umfasst ein Gerüst
Informationen über mögliche Probleme der Koope-
unterschiedlicher Qualitätskriterien, an denen sich
ration und bei Zusammenarbeit der Projektpartner
Projektdurchführende orientieren können, sowie ein
gesammelt und damit das Erreichen des Projektzieles
Raster zur Selbstbewertung und Überprüfung der
unterstützt werden. Entsprechende Evaluationen
Qualitätskriterien,173 welches für verschiedene Formen
können von externen Gutachtern oder von den
von Projekten zur Verfügung steht. Die Qualitäts-
Projektdurchführenden selbst umgesetzt werden.
kriterien sind in zwei übergeordnete Bereiche,
Gutachter informieren sich beispielsweise über
institutionelle Rahmenbedingungen und unterstüt-
Probleme im Projektablauf, analysieren in Projekt-
zende Prozesse sowie Begleitung der Partnerschaft,
datenbanken erfasste Daten, werten diese aus
unterteilt. Institutionelle Rahmenbedingungen und
und geben Hinweise zur Verbesserung der Projekt-
unterstützende Prozesse beschreiben, ob die defi-
durchführung. Wird die begleitende Evaluation
nierten Ziele des Projektes von einer durchgeführten
von den Mitarbeitern eines Projektes selber durch-
Bedarfsanalyse abgeleitetet sind und inwieweit eine
geführt, können sie dabei durch projektspezifisch
Arbeits- und Budgetplanung für das Projekt erstellt
ausgerichtete Handlungsanleitungen unterstützt
ist. Das Projektmanagement sowie die einzelnen
werden.
Schritte der Projektumsetzung können damit durch
Integration für Projekte von Bildungspatenschaften
ein projektbezogenes Monitoring begleitet und
Einen gesetzlichen Auftrag zur begleitenden Eva-
unterstützt werden. Das Kriterienraster kann anhand
luation hat das Aufenthaltsgesetz für den bundesge-
eines Fragebogens – der entlang der Qualitätskriterien
förderten Integrationskurs vorgesehen (§ 43 Abs. 5
erstellt ist – von den Projektdurchführenden ausge-
AufenthG). Im Auftrag des Bundesministeriums
füllt und somit als Checkliste verwendet werden.
des Innern hat Rambøll Management im Jahr 2006
diese Evaluation durchgeführt. Dabei standen
Bei größeren Programmen der Integrationsförderung
vor allem Fragen bezüglich der Durchführung und
kommen zur begleitenden Bewertung und ggf.
Finanzierung des Integrationskurses (vergleiche
Nachsteuerung von Prozessen aufwendigere quanti-
Kapitel B) im Mittelpunkt der Untersuchung.
tative Steuerungsinstrumente zum Einsatz. So ist
Die Evaluation wurde in Form einer 12 Monate
zwischen dem Bundesamt für Migration und Flücht-
dauernden begleitenden Untersuchung durchge-
linge und den Wohlfahrtsverbänden für die
führt. Auf Grundlage der Ergebnisse wurde die
bundesfinanzierte Migrationsberatung für erwach-
Integrationskursverordnung geändert.171 Explizit
sene Zuwanderer ein Controlling vereinbart
nicht im Fokus der Evaluation stand die Über-
worden, das im Jahr 2010 begonnen wurde. Mit dem
prüfung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der
Controllingkonzept zur Migrationssozialberatung des
Integrationskurse.
Landes Schleswig-Holstein, das 2007 erstmals in
zwei Pilotregionen erprobt wurde, sollen Wirkung
170 Für weitere Informationen zum Indikatorenset sowie zum Integrationsmonitoring auf Bundesebene vgl. http://www.integrationsbeauftragte.de.
171 Bundesministerium des Innern (Hg.) (2006): a. a. O., S. 1.
172 http://www.aktion-zusammen-wachsen.de/index.php?id=78.
173 http://www.aktion-zusammen-wachsen.de/data/downloads/
webseiten/Selbstbewertung_Stufe_1.pdf.
159
E – Qualität sichern, Wirkung feststellen
und Erfolge aufbereitet und transparent gemacht
Abschließende Evaluation zum Nachweis von Wirkungen
werden. In einem „Zuwanderer-Integrations-
Evaluationen können auch am Ende der Laufzeit
Management“ (ZIM) sind Oberziele für die Migrations-
eines Projekts oder Programms erfolgen. Hier bezieht
sozialberatung vereinbart, zu denen Unterziele
sich die Evaluation zumeist auf die Bewertung der
aus den Bereichen kognitive Integration, ökonomische
Zielerreichung und die Überprüfung der erreichten
Integration, identifikative Integration und soziale
Wirkungen. Ziel einer abschließenden Evaluation
Integration benannt werden. Durch die Festlegung
kann es dabei sein, einen Zusammenhang zwischen
von Kennzahlen und quantifizierbaren Zielgrößen
einer Maßnahme und eingetretenen Veränderungen
können die Zielrichtung der Integration geschärft,
bzw. Wirkungen nachzuweisen. Damit soll zum
Stärken und Schwächen im Zusammenspiel der
einen die Frage nach dem sachgerechten Einsatz
Akteure identifiziert und Verbesserungen angeregt
der Fördermittel beantwortet werden. Zum anderen
werden. Zu jährlich festgelegten Auswertungs-
können damit erfolgreiche und beispielhafte Projekte
schwerpunkten fasst das Innenministerium
der Integrationsförderung identifiziert werden.
Schleswig-Holstein die Erkenntnisse aus den vierteljährlichen Erhebungen in Berichten zusammen.174
Besonders bei Projekten der sprachlichen Bildung
von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, gibt es
Auch viele Kommunen setzen Evaluationsansätze und
eine Vielzahl von Untersuchungen zur Wirkung der
Controllingverfahren zur fortlaufenden Verbesserung
Programme, d.h. zur Entwicklung des Sprachstandes
der eigenen Integrationsförderung ein, um die in den
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. So hat die
Kommunen vorhandenen Angebote enger aufei-
Stiftung Mercator eine breit angelegte Wirkungseva-
nander abzustimmen und damit ihre Wirksamkeit zu
luation des von ihr unterstützten Förderunterrichts
verbessern. So zum Beispiel in den Städten Arnsberg,
durchgeführt. Der Mercator-Förderunterricht zielt
Essen, Wuppertal und dem Kreis Paderborn. Die
auf die sprachliche und fachliche Unterstützung
Stadt Herten hat im Jahr 2005 ihre Integrationsarbeit
von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshin-
neu ausgerichtet und für verschiedene Handlungs-
tergrund der Sekundarstufen I und II sowie auf die
felder der Integrationsarbeit gemeinsam mit allen be-
berufspraktische Vorbereitung zukünftiger Lehrer.
teiligten Partnern Ziele formuliert und diese in
Lehramtsstudierende bieten außerschulischen
einem Integrationskonzept zusammengefasst. Eine
Unterricht an, der für die Schüler kostenfrei ist. Die
Wirksamkeitsüberprüfung der Integrationsarbeit
Studierenden werden für diese Aufgabe von ihrer
in Herten hat gezeigt, dass damit alle laufenden
Hochschule in speziellen Seminaren vorbereitet und
Aktivitäten im Bereich der Integrationsförderung
begleitet. Die Evaluation des Projektes durch das
zielorientiert gesteuert werden können und ein
Europäische Forum für Migrationsstudien unter-
funktionierendes Netzwerk zwischen den Akteuren
sucht die Wirkung dieser Förderung. Die Ergebnisse
der Integrationsarbeit aufgebaut wurde.
sind dabei durch den Vergleich mit einer Kontroll-
175
176
gruppe abgesichert. Den Ergebnissen zufolge
Die genannten Beispiele der begleitenden Evalua-
trägt der Förderunterricht erheblich zur Verbesse-
tion zeigen, dass Ansätze und Kriterien für be-
rung der Schulleistung in Deutsch, Mathematik und
gleitende Evaluationen immer auf die individuellen
Englisch bei. Schülerinnen und Schüler mit Mi-
Gegebenheiten eines Projekts oder Programms
grationshintergrund konnten von der Förderung
ausgerichtet und angepasst sein müssen.
durch Studierende der gleichen ethnischen Herkunft
besonders profitieren. Die im Projekt als Förder-
174 Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein (2007):
Wirkung und Erfolge der Migrationssozialberatung, Controllingkonzept.
175 Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration Nordrhein-Westfalen (2007): Integration als Chance
für Nordrhein-Westfalen und seine Kommunen. Potenziale
nutzen – aus Erfahrungen lernen.
176 Vgl. http://www.integration-herten.de sowie Stadt Herten
(Hg.) (2009): Integrationsarbeit der Stadt Herten. Wirksamkeitsüberprüfung durchgeführt durch die KGSt.
160
lehrkräfte eingesetzten Lehramtsstudierenden
stufen den persönlichen und professionellen Nutzen
des Projekts als sehr hoch ein.177
177 Europäisches Forum für Migrationsstudien (2009): Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Evaluation des Projekts der Stiftung Mercator. Bamberg.
E – Qualität sichern, Wirkung feststellen
Die vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) produ-
menden gewonnen werden.180 Ergebnisse zur Entwick-
zierte „Sendung mit dem Elefanten“ richtet sich mit
lung der Sprachkenntnisse werden nach Abschluss der
altersgemäßen Bildungsinhalten gezielt an Vor-
dritten Befragungswelle im Jahr 2010 vorliegen.
schulkinder. Um die Bildungsinhalte auch für Vorschulkinder mit Migrationshintergrund zu öffnen,
Extern evaluiert wurde das „Akademikerprogramm“
wurden umfangreiche Begleitmaterialien zur
der Otto Benecke Stiftung, das Weiterqualifizie-
gezielten Sprachförderung erstellt (DVDs, Hörbücher,
rungen für zugewanderte Akademikerinnen und Aka-
Begleitinformationen für Sprachförderkräfte).
demiker anbietet. Im Rahmen dieser Evaluation,
Damit soll ein medial unterstütztes Förderkonzept
die durch Rambøll Management durchgeführt wurde,
geschaffen werden, welches in Kindertagesstätten
wird durch die Befragung (ehemaliger) Stipendiaten
und in Familien zur Anwendung kommt. Zur
parallel zur Durchführung des Programms, neben der
Überprüfung der Eignung und Effizienz der Begleit-
Zufriedenheit der Teilnehmenden mit den Kursen
materialien wurde das Institut für Empirische Mehr-
und der finanziellen Förderung, auch die Wirksamkeit
sprachigkeitsforschung der Universität Mannheim
des Programms untersucht. Damit sollte insbesondere
mit einer Evaluation beauftragt. Die vom BMFSFJ in
die Frage beantwortet werden, inwieweit durch das
Auftrag gegeben Studie untersucht die Eignung der
Programm auch eine qualifikationsadäquate beruf-
Materialien für die Sprachförderung, die praktische
liche Integration erreicht wird.181
178
Umsetzbarkeit der Materialien und die Zuwächse der
Sprachkompetenzen der Kinder. Der Nachweis von
Evaluation spielt auch auf der Ebene einzelner
Veränderungen der Sprachkompetenz (Wirkungen)
(kleinräumiger) Integrationsprojekte eine wichtige
bei Kindern, die mit den Fördermaterialien gelernt
Rolle. Bei kleineren Projekten kann die Projektarbeit
haben, steht im Mittelpunkt der Untersuchung. Diese
auch durch Formen der Selbstevaluation begleitet
sollen durch eine Zeitreihenuntersuchung (Vorher-
und abgebildet werden, z. B. durch regelmäßige
Nachher- Untersuchung) sowie durch entsprechende
Projektberichte oder die turnusmäßige Einschät-
linguistische Methoden analysiert werden.179
zung aller Projektbeteiligten zum Stand der
Projektumsetzung. Grundsätzlich ist beim Einsatz
Die Evaluation der Umsetzung des bundesgeförderten
von Evaluationen jedoch zu bedenken, dass nicht
Integrationskurses durch die Firma Rambøll
für alle Projekte und Initiativen eine Evaluation
Management wurde ergänzt durch eine Untersuchung
auch wirklich sinnvoll ist. Bei kleineren Projekten
der Wirkung der Kurse. Im Rahmen der wissen-
gilt es hier, den Aufwand und Nutzen abzuwägen.
schaftlichen Begleitforschung des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge wird dazu das Evaluationsprojekt „Integrationsverlauf von Integrationskursteilnehmern“ durchgeführt. Im Mittelpunkt der
Untersuchung steht die Veränderung der Sprachkenntnisse von Integrationskursteilnehmerinnen und
-teilnehmern. Um diese zu untersuchen, wird in einer
2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Evaluation
im Bereich der Integrationsförderung
Längsschnittstudie eine Gruppe von Teilnehmenden
sowie von Nicht-Teilnehmenden (Kontrollgruppe) an
Mit den folgenden Empfehlungen sollen Vorschläge
drei verschiedenen Zeitpunkten (bzw. zwei im Fall
für die Weiterentwicklung und Förderung der
der Kontrollgruppe) zur Entwicklung des Sprachstandes
Evaluation im Bereich der Integrationsförderung
befragt. Damit sollen vor allem Erkenntnisse über
gemacht werden. Die Anwendung verschiedener
die Veränderung der Deutschkenntnisse der Teilneh-
Evaluationsinstrumente in Projekten und Programmen soll dabei als ein „Kann“ und kein „Muss“
verstanden werden.
178 http://www.mazem.uni-mannheim.de/projekte/evaluationsstudie_sprachfoerderung_mit_dem_elefanten/index.html.
179 Siehe hierzu die Reihe Bildungsforschung des BMBF: http://www.bmbf.de/publikationen/2713.php
180 Rother, Nina (2008): a. a. O., S. 11.
181 http://www.bmbf.de/pub/abschlussbericht_evaluation_akp.p
161
E – Qualität sichern, Wirkung feststellen
Absicht der Empfehlungen ist es, einen Beitrag zur
wie Projektträger, Auftraggeber, Evaluatoren und
Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses
andere Beteiligte die Besonderheiten des „Evalua-
von Evaluation im Bereich der Integrationsförde-
tionsgegenstandes Integrationsförderung“ ange­
rung zu leisten und Vorschläge dafür zu entwickeln,
messen berücksichtigten können.
Empfehlungen
Bedarfsgerechte Evaluationsformen planen
Projektträger und Mittelgeber sollten zu Beginn
keine zusätzlichen, nicht leistbare Aufgaben
eines Projektes oder Programms gemeinsam
entstehen. Bei Bedarf sollten sie für die jeweils er-
entscheiden, ob und wenn ja, welche Evaluations-
forderlichen Ansätze der Selbstevaluation fort-
ansätze für das Projekt gewählt werden.
gebildet werden. Projektträger und ggf. Mittelgeber sollten zudem vor Projektbeginn gemeinsam
Vor Beginn eines Projektes sollten zwischen dem
Erwartungen, Anforderungen und den beste-
Mittelgeber und dem Projektträger gemeinsam die
henden Bedarf zum Thema Selbstevaluation
Ziele und Erwartungen an die Evaluation verein-
identifizieren, so dass bei Bedarf projektbezogene
bart werden. Beim Einsatz externer Evaluatoren
Inhalte und Workshops zum Thema angeboten
sollten Projektträger, Mittelgeber und Evaluatoren
werden können.
gemeinsam die Ziele und Erwartungen der Evaluation abstimmen und vereinbaren.
Zielgerichtete Projektumsetzung durch begleitende
Evaluationen sicherstellen
Die Bedeutung, Möglichkeiten und Grenzen von
Um zu einer effektiveren Ressourcensteuerung
Evaluation im Bereich der Integrationsförderung
beizutragen sollten begleitende Evaluationen
sollten den Akteuren der Integrationsförderung
folgende Bereiche des zu untersuchenden Projekts /
vermehrt kommuniziert werden. Praxis und
Programms einbeziehen:
Forschung der Evaluation sollten es stärker als
ihre Aufgabe auffassen, Mittelgeber und Träger
ƒƒ Finanzielle Mittel
über die Möglichkeiten und Grenzen von Evalu-
ƒƒ Sachmittel
ation im Bereich der Integrationsförderung zu
ƒƒ Fortbildung des Personals
informieren und damit zur Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Evaluation
Begleitende Evaluationen können darüber hinaus
im Bereich Integrationsförderung beitragen
mit Aussagen zu folgenden Aspekten die Projekt-
und falschen Erwartungen an Evaluationen
umsetzung unterstützen:
vorbeugen.
Selbstevaluation als niederschwelligen Evaluationsansatz nutzen
Instrumente der Selbstevaluation sollten von
Trägern verstärkt genutzt werden. Hierbei sollte
sichergestellt werden, dass seitens des Projektträgers
ƒƒ Rückkopplung von ersten Erfolgen, Ergebnissen
und Schwierigkeiten
ƒƒ Bewertung der Zusammenarbeit der beteiligten
Akteure innerhalb und außerhalb des Projekts /
Programms
ƒƒ Zeitorganisation
dafür ausreichend Know-how, Personal und Arbeitszeit zur Verfügung steht bzw. entsprechendes
Know-how durch Schulungen aufgebaut wird.
ƒƒ Umsetzungshinweis: Bewertung der Zusammenarbeit
Eine laufende Bewertung der Zusammenarbeit kann
Durch Maßnahmen im Bereich der Selbstevaluation
beispielsweise durch turnusmäßige Gesprächs-
und der laufenden Bewertung der Projektumset-
runden zu den Stärken und Schwächen der Zusam-
zung, sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
menarbeit erfolgen und ggf. durch schriftliche
162
E – Qualität sichern, Wirkung feststellen
Vereinbarungen zum weiteren Vorgehen ergänzt
Der gegebenenfalls erforderliche methodische und
werden. Auch andere Ansätze der Selbstevaluation
empirische Arbeitsaufwand einer Wirkungs-
können hier unterstützend eingesetzt werden.
evaluation sollte schon bei Projektbeginn berücksichtigt werden.
Zur Unterstützung der zielorientierten Arbeit eines
Projekts / Programms können anhand von Prozessindikatoren Erkenntnisse über die „Leistung“
ƒƒ Umsetzungshinweis: Frühzeitige Planung von Wirkungsevaluationen
gewonnen werden. Hierzu sollten zentrale Daten
Bereits zu Beginn eines Projekts kann hierzu
etwa zu den erreichten Personen, systematisch
beispielsweise eine Projektdatenbank aufgebaut
dokumentiert werden.
werden, in die Informationen zu den Teilnehmenden aufgenommen werden, so dass diese bei
Das systematische Benennen und Dokumentieren
einer späteren schriftlichen oder mündlichen Be-
von mittel- und langfristigen Projektzielen, der
fragung kontaktiert werden können. Der dafür
dafür erforderlichen Schritte und, soweit möglich,
erforderliche finanzielle und personelle Aufwand
quantifizierbarer Werte für diese Ziele können eine
sollte in die Projektplanung einbezogen werden.
kontinuierliche Überprüfung der Projektumsetzung und damit die Zielerreichung eines Projekts /
Rolle der Evaluatoren festlegen
Programms unterstützen.
Evaluatoren von Angeboten der Integrationsförderung müssen über ausreichendes Kontextwissen
ƒƒ Umsetzungshinweis: Prozessindikatoren
zu diesem Themenbereich und den jeweiligen
Prozessindikatoren sollten an den Unterzielen und den
Zielgruppen verfügen, um das Zusammenwirken
Oberzielen eines Projekts / Programms ausgerichtet
einzelner Faktoren bewerten zu können.
sein. Unterziele sind mittelbare Ziele, die zur
Erreichung der Oberziele beitragen. Soweit möglich,
können feste Zielgrößen für Ober- und Unterziele
benannt werden, die in bestimmten Zeiträumen zu
erreichen sind. Durch die laufende Beobachtung der
Prozessindikatoren und den kontinuierlichen Abgleich
der geplanten Zielgrößen können die Projektumsetzung laufend überprüft und der aktuelle Stand der
Projektumsetzung abgebildet werden. Dies kann auch
als Controlling bezeichnet werden.
Wirkungen durch Schlussevaluationen nachweisen
Im Rahmen einer Wirkungsevaluation können
besonders eindeutige Aussagen über die Wirkung
von Programmen / Projekten gewonnen werden,
wenn man der Frage nachgeht, was ohne die
Intervention des Projektes geschehen wäre. Hierzu
hat sich der Einsatz von Kontrollgruppen und
damit der Vergleich einer Gruppe, die Teil des Projekts war und einer, bei der dies nicht der Fall war,
bewährt.
Für die Validität der Ergebnisse ist es von Bedeutung, dass die ausgewählte Vergleichsgruppe und
die teilnehmende Gruppe in relevanten Merkmalen übereinstimmen.
163
F – Zusammenfassung
F
Zusammenfassung: Zentrale Themen
und Empfehlungen des bundesweiten
Integrationsprogramms
Im Rahmen des bundesweiten Integrationspro-
Integrationsangebote kontinuierlich weiterentwickeln
gramms haben Vertreterinnen und Vertreter staat-
Integrationsangebote sollten kontinuierlich weiter-
licher und zivilgesellschaftlicher Institutionen
entwickelt werden, um auf geänderte Erfordernisse
und Organisationen unter der Federführung des
und Rahmenbedingungen reagieren zu können.
Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über
Eine fachliche Begleitung und regelmäßige Überprü-
Handlungsbedarfe und Möglichkeiten zur Weiter-
fung der Ergebnisse und Wirkung von Programmen
entwicklung der Angebote der Integrationsför-
und Projekten trägt maßgeblich dazu bei, Angebote
derung beraten. Im Fokus der Arbeiten standen die
noch stärker an den Bedürfnissen der Zielgruppe zu
Handlungsfelder sprachliche Integration, Bildung
orientieren und einen effizienten Einsatz von Förder-
und gesellschaftliche Integration sowie über-
mitteln zu gewährleisten. Die Wirkung von Integra-
greifende Fragestellungen, etwa interkulturelle
tionsförderung hängt zudem in besonderem Maß
Öffnung und Antidiskriminierung, Evaluation und
von der Bereitschaft der Beteiligten zur Kooperation
Qualitätssicherung, Vernetzung von Akteuren
und Abstimmung von Zielen, aktuellen Angeboten
und Angeboten sowie Förderung des bürgerschaft-
und künftigen Vorhaben ab. Zur Weiterentwicklung
lichen Engagements.
der Integrationsarbeit ist es weniger erforderlich,
eine Vielzahl neuer Stellen und Einrichtungen zu
Entstanden ist eine Vielzahl konkreter Empfehlungen
schaffen. Vielmehr muss es darum gehen, die Arbeit
zur bedarfsgerechten Ausrichtung und stärkeren
in den aktuellen Strukturen zu verbessern.
Koordinierung von Integrationsangeboten. Diese
sollten nicht die Handlungsfelder in ihrer Breite
Beispiel hierfür ist die kontinuierliche Qualitäts-
abbilden; vielmehr sollten einzelne Aspekte heraus-
entwicklung des Integrationskurses des Bundes:
gegriffen werden, für die ein besonderer Handlungs-
Das Konzept des Integrationskurses nach § 43
bedarf besteht. Mit diesen praxisbezogenen Vor-
Aufenthaltsgesetz wurde auf der Grundlage einer
schlägen soll ein Beitrag zur Stärkung der aktiven
Evaluation, einer engen Abstimmung der beteilig-
Teilhabe und Mitgestaltung von Menschen mit
ten Institutionen und einer fachlichen Begleitung
Migrationshintergrund in den Bereichen Sprache,
durch eine Bewertungskommission kontinuierlich
Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt und Gesellschaft
weiterentwickelt. Mit der Differenzierung in sechs
geleistet werden. Von besonderer Bedeutung ist
Kurskonzepte wurde unterschiedlichen Lernbe-
dabei die Förderung und Einbeziehung ihrer Kompe-
dürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
tenzen und Ressourcen. Dies spiegelt sich auch im
Rechnung getragen. Dieser Prozess zeigt: Die
Entstehungsprozess der Empfehlungen wider, in den
kontinuierliche Fortentwicklung von Angeboten
Migrantinnen und Migranten und ihre Organisati-
trägt maßgeblich dazu bei, sie erfolgreicher zu
onen zu jedem Thema eingebunden waren.
machen.
Im Folgenden werden zentrale Empfehlungen zu
den Handlungsfeldern zusammengefasst. Ausführ-
Deutschkenntnisse früh und umfassend fördern – Herkunftssprachen nutzen
liche Analysen der einzelnen Themen, vertiefende
Deutschkenntnisse sind als Grundlage für einen
Empfehlungen und Vorschläge zu ihrer Umsetzung
erfolgreichen Bildungsweg, den Zugang zum Arbeits-
sind in den entsprechenden Kapiteln B bis E dieser
markt und gelingende Integration entscheidend. Nicht
Publikation dargestellt.
allein alltags-, sondern gerade auch bildungssprach-
164
F – Zusammenfassung
liche Deutschkenntnisse sind hierfür Voraussetzung.
Ihr Erwerb erfordert jedoch eine langfristige,
kontinuierliche Förderung. Durchgängige sprachliche
Bildung, die Brüche im Lern- und Bildungsprozess
tungen und Schulen sein. Eltern sollten konkrete
Anleitung dafür erhalten, den Deutscherwerb
ihrer Kinder zu unterstützen.
vermeidet und unterschiedliche Lernorte einbezieht,
Qualifizierung des pädagogischen Personals ausbauen
gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung.
ƒƒ Ein Modul „sprachliche Bildung“ bzw. eine
Zusatzausbildung für Erzieherinnen und Erzieher
sollte verpflichtend eingeführt werden, um ein
vielfältiges Repertoire zur Sprachstandsfeststellung, sprachlichen Bildung und zum Umgang mit
Mehrsprachigkeit zu vermitteln. Entsprechende
Fort- und Weiterbildungsangebote können von
den Fachschulen für Sozialpädagogik angeboten
werden.
Der Umgang mit der wachsenden Zahl von Kindern
und Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache stellt
Bildungseinrichtungen und pädagogisches Personal
vor große Herausforderungen. Er erfordert spezifische
Kompetenzen, die Bestandteil von Aus-, Fort- und
Weiterbildung sein müssen. Die Vermittlung von ausbildungs- und berufsbezogenen Deutschkenntnissen
ist zu einem wichtigen Bestandteil der beruflichen
Bildung und Weiterbildung geworden. Neben guten
Deutschkenntnissen können auch Herkunftssprachenkenntnisse eine wichtige Ressource für bestimmte
Bereiche des Arbeitsmarkts sein. Folgende Empfehlungen sind in diesem Zusammenhang von besonderer
Bedeutung, die in Kapitel B vertiefend dargestellt sind:
Bildungssprachliche Deutschkenntnisse früh und
umfassend fördern
ƒƒ Damit Kinder und Jugendliche mit Deutsch als
Zweitsprache schul- und bildungsrelevante
sprachliche Fähigkeiten in verschiedenen
Themen- und Wissensbereichen ausbilden
können, muss in allen Unterrichtsfächern eine
systematische, koordinierte Vermittlung der
Bildungssprache Deutsch erfolgen.
ƒƒ Kinder und Jugendliche, die ergänzenden
Deutschförderbedarf haben um dem Fachunterricht erfolgreich zu folgen, sollten zusätzliche,
qualifizierte Lernangebote zur Stärkung ihrer
bildungssprachlichen Kompetenzen erhalten.
ƒƒ Die Kooperation zwischen Kindertageseinrichtungen, Grund- und weiterführenden Schulen sowie zwischen speziellen Förder- und Regelangeboten zur sprachlichen Bildung sollte verstärkt
und systematisiert werden, um die Nachhaltigkeit
von Lernerfolgen zu sichern. Geschehen kann
dies etwa durch gemeinsame Fortbildungen des
pädagogischen Personals oder Lernportfolios,
die Lernstand und -fortschritte der Kinder im
Zeitverlauf dokumentieren.
Eltern in die Sprachentwicklung der Kinder einbeziehen
ƒƒ Eine intensive Zusammenarbeit mit Eltern zum
Thema sprachliche Bildung sollte Bestandteil der
pädagogischen Arbeit von Kindertageseinrich-
ƒƒ In die Ausbildung von Lehrkräften aller Fachrichtungen sollte ein Modul „sprachliche Bildung“
verpflichtend aufgenommen werden, das in die
Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache und
den Umgang mit Mehrsprachigkeit einführt.
ƒƒ Netzgestützte Lernmaterialien sollten entwickelt
werden, um die Teilnahme an Pflichtmodulen
und Weiterbildungen „Deutsch als Zweitsprache“
auch an Standorten zu ermöglichen, die keinen
solchen Schwerpunkt haben.
Ausbildungsfähigkeit durch berufsbezogene Deutschkenntnisse stärken
ƒƒ Bei der Entwicklung von Curricula für den Unterricht an berufsbildenden Schulen sollten (fach-)
sprachliche Kompetenzen und interkulturelle Kompetenzen als systematische Bestandteile berücksichtigt werden.
ƒƒ Übergangsangebote für Jugendliche, die nicht
direkt eine Berufsausbildung antreten (können),
sollten bei Bedarf stärker zur gezielten Verbesserung der arbeitsweltbezogenen sprachlichen
Kompetenzen genutzt werden. Initiativen zur
Koordinierung und Optimierung der Maßnahmen des Übergangsmanagements sollten
systematisch Angebote der ausbildungsvorbereitenden Deutschförderung berücksichtigen.
Berufliche Qualifizierung und Integration durch berufsbezogene Deutschförderung unterstützen
ƒƒ Ausbildungsbegleitende Hilfen sollten stärker
gezielte Sprachförderung umfassen, deren
Umfang und Inhalt sich am individuellen Förderbedarf orientiert.
ƒƒ Angebote zur Förderung berufsbezogener
Deutschkenntnisse sollten als Bestandteil der
beruflichen Fort- und Weiterbildung ausgebaut
werden. Unternehmen sollten ihren Beschäf-
165
F – Zusammenfassung
tigten bei entsprechendem Bedarf die Teilnahme
an Maßnahmen zur arbeitsplatzrelevanten
Deutschförderung ermöglichen.
ƒƒ Für den berufsbezogenen Unterricht „Deutsch als
Zweitsprache“ sollte ein bundesweites Fortund Weiterbildungsangebot für Lehrkräfte eingerichtet werden.
ƒƒ Vor Ort sollte eine enge Zusammenarbeit und
Abstimmung der Träger berufsbezogener Deutschförderangebote mit den Grundsicherungsstellen,
den Agenturen für Arbeit, den Ausländerämtern,
den Regionalstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und anderen Weiterbildungs- und Qualifizierungsträgern erfolgen,
um eine schnelle und bedarfsorientierte Vermittlung der Teilnehmenden zu ermöglichen und
zu vermeiden, dass Lernerfolge durch Wartezeiten zwischen Maßnahmen verlorengehen.
ƒƒ In Integrationskursen sollte noch stärker auf die
berufsbezogenen Deutschkurse des ESF-BAMFProgramms aufmerksam gemacht werden. Bei
Bedarf sollten Teilnehmende direkt im Anschluss
an den Integrationskurs in einen berufsbezogenen Deutschkurs vermittelt werden, der ihren
individuellen Sprachständen und Qualifikationsbedürfnissen entspricht.
ƒƒ Lokale / regionale Koordinierungsstellen für berufsbezogenes Deutsch sollten eingerichtet werden,
um den fachlichen Austausch und die Vernetzung
der Handelnden, die vor Ort mit der Förderung,
Konzeption, Organisation und Erteilung von
berufsbezogenem Deutschunterricht und Weiterqualifizierung befasst sind, zu koordinieren.
ƒƒ Zur fachlichen Unterstützung der Akteure der berufsbezogenen Deutschförderung sollte eine
bundesweite Fachstelle eingerichtet werden. Ihre
Aufgaben sollten in der Bedarfsanalyse, der Dokumentation vorhandener Angebote und Konzepte,
der Bereitstellung von Fachinformationen und
Entwicklung von Fortbildungen, der Beratung und
Vernetzung sowie der fachlichen Zusammenarbeit
mit Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften,
Kammern, der Bundesagentur für Arbeit und dem
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegen.
Mehrsprachigkeit als Kompetenz in der globalisierten
Welt nutzen und fördern
ƒƒ Verbreitete Herkunftssprachen sollten an Schulen
unter Berücksichtigung der gegebenenfalls
notwendigen schulrechtlichen Regelungen als
Alternative zur 2. bzw. 3. Fremdsprache eingeführt werden.
166
ƒƒ In berufsbildenden Schulen sollte der Erwerb
berufsbezogener herkunftssprachlicher Kenntnisse unterstützt werden. Für seltenere Herkunftssprachen können entsprechende Angebote
schulübergreifend durchgeführt werden.
ƒƒ Bestimmte Berufsfelder bieten besondere Einsatzmöglichkeiten für Herkunftssprachen, etwa
Behörden oder das Gesundheitswesen, aber auch
der Tourismussektor und exportorientierte Unternehmen. Alltagssprachliche Kenntnisse in der
Herkunftssprache allein befähigen in den meisten
Berufsfeldern jedoch noch nicht in ausreichendem
Maß zur Kommunikation mit Kunden. Für den
Einsatz mehrsprachiger Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sollte nicht auf „ad-hoc-Dolmetscher“
zurückgegriffen, sondern diese Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter gezielt fortgebildet werden.
Bildungschancen stärken – Bildungserfolge erhöhen
Die PISA-Untersuchungen zeigen: Bildungs- und Integrationschancen von Kindern und Jugendlichen
sind geprägt von den sozialen, familiären und sprachlichen Rahmenbedingungen in denen sie aufwachsen.
Nachhaltige Bildungsförderung ist somit auf die
Unterstützung durch die Eltern bzw. Familien angewiesen. Der Bildungsbereich ist auch ein wichtiges Berufsfeld, zu dem Menschen mit Migrationshintergrund noch nicht ausreichend Zugang finden: Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sind immer noch
die Ausnahme an Schulen in Deutschland. Zur Unterstützung der Erziehungs- und Bildungskompetenz
von Eltern mit Migrationshintergrund einerseits und
zur Stärkung des Anteils von Lehramtsstudierenden
und Lehrkräften mit Migrationshintergrund andererseits sind folgende Punkte von besonderer Bedeutung,
die in Kapitel C weiter ausgeführt sind:
Bildungs- und Erziehungskompetenzen durch Elternbildungsangebote stärken
ƒƒ Zur Unterstützung von Eltern mit Migrationshintergrund sollten Elternbildungsangebote
gefördert werden. Diese sollten niederschwellige
Ansätze des Zugangs zu Eltern mit Migrationshintergrund nutzen und verstärkt auch Väter als
Zielgruppe einbeziehen. Die Angebote sollten vor
Ort vernetzt und gesteuert werden und sich am
konkreten Bedarf der Eltern orientieren.
ƒƒ Der Erfolg von Elternbildung hängt in hohem
Maße von der Qualität der Arbeit ab. Ein
professioneller Ausbildungsrahmen und eine
zertifizierte Ausbildung von Multiplikatoren
F – Zusammenfassung
sowie Qualitätsstandards sollten entwickelt und
umgesetzt werden.
ƒƒ Elternintegrationskurse sollten noch stärker dazu
genutzt werden, Eltern an die Bildungseinrichtungen ihrer Kinder heranzuführen, eventuelle
Vorbehalte auf beiden Seiten abzubauen und
eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen. Die Kurse sollten mit weiterführenden
Angeboten der Elternbildung verknüpft werden.
Kompetenzen von Migrantenorganisationen und
Elternvereinen einbeziehen
ƒƒ Migrantenorganisationen und Elternvereine
sollten verstärkt qualifiziert werden, Elternbildungsangebote durchzuführen. Hierbei können
Organisationen vom Know-how bereits aktiver
Elternvereine und -netzwerke profitieren.
ƒƒ Bund, Länder und Kommunen sollten den Aufbau von Netzwerken von Elternvereinen
unterstützen und die Kompetenzen der Vereine
stärker in die Bildungsarbeit einbinden. Dabei
ist eine Angliederung an bestehende Netzwerke
vor Ort anzustreben, um Parallelstrukturen zu
vermeiden.
Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und
Eltern fördern
ƒƒ Nachhaltige Elternarbeit braucht finanzielle
Ressourcen, verlässliche Strukturen, eine solide
Vertrauensbasis und Zeit. Elternarbeit sollte
systematischer Bestandteil der Tätigkeit von Kindertageseinrichtungen und Schulen sein und von der
Leitungsebene als zentrale Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommuniziert werden.
ƒƒ Integrationsbeauftragte oder interkulturelle
Fachberaterinnen und -berater an Kindertageseinrichtungen und Schulen können zentrale
Ansprechpartner für Eltern und pädagogische
Fachkräfte sein.
ƒƒ Kindertageseinrichtungen und Schulen sollten
professionelle Qualifizierung und Beratung
für die Zusammenarbeit mit Eltern erhalten. Dies
kann insbesondere durch stadtteilbezogene,
kommunale oder landesweite Netzwerke geschehen, in denen sich Bildungseinrichtungen,
externe Partner der Elternbildung und Elternvereine austauschen und fortbilden können.
ƒƒ Zwischen Elternhaus und Kindertageseinrichtung
bzw. Schule sollten verbindliche Erziehungspartnerschaften eingegangen werden, die darauf
zielen, die Bildungsqualität in den Elternhäusern
zu verbessern.
Eltern mit Migrationshintergrund für die Mitarbeit in
Elterngremien gewinnen
ƒƒ Eine enge Kommunikation zwischen Lehrkräften
und Eltern ist wichtig, um Eltern mit Migrationshintergrund für die Mitarbeit in institutionalisierten Gremien der Elternvertretung zu gewinnen, in
denen sie bisher unterrepräsentiert sind.
ƒƒ Schulen sollten Themen, die von besonderer
Relevanz für Eltern mit Migrationshintergrund
sind, zum Bestandteil der Arbeit von Elterngremien machen.
ƒƒ Strategien und Ansätze, das Engagement von
Eltern mit Migrationshintergrund in Elterngremien zu stärken, müssen eventuelle sprachliche Barrieren im Blick haben.
Mehr Menschen mit Migrationshintergrund für das
Lehramt gewinnen
ƒƒ Formelle und informelle Zugangsbarrieren zum
Lehrerberuf für Menschen mit Migrationshintergrund sollten mit Blick auf den gleichberechtigten
Zugang zu hoch qualifizierten Berufen abgebaut
werden.
ƒƒ Es sollten Initiativen ergriffen werden, um gezielt
Jugendliche mit Migrationshintergrund für den
Lehrerberuf zu interessieren. Hierzu wurden bereits
innovative Ansätze entwickelt, die weitere Verbreitung finden und in einem umfassenden Gesamtkonzept gebündelt werden sollten. Dazu zählen unter
anderem der Einsatz von Studienbotschaftern,
Informationsveranstaltungen und Workshops zum
Berufsbild Lehrerin / Lehrer, Werbung über herkunftssprachliche Medien und eine Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen.
Kompetenzen von Lehrkräften mit Migrationshintergrund nutzen
ƒƒ Lehrkräfte mit Migrationshintergrund müssen in
erster Linie als Fachlehrkräfte wahrgenommen
werden. Sie dürfen nicht auf die Funktion
interkultureller Krisenmanager oder Übersetzer
reduziert werden.
ƒƒ Menschen mit Migrationshintergrund sind nicht
automatisch interkulturell kompetent. Lehrkräfte
mit Migrationshintergrund können aber eine
interkulturelle Perspektive auf Schule und Unterricht mitbringen und eine Vorbildfunktion für
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund einnehmen. Schulleitungen und Kollegien
müssen verstärkt angeregt und befähigt werden,
diese Ressourcen von Lehrkräften mit Migrationshintergrund zu nutzen.
167
F – Zusammenfassung
Netzwerke für (künftige) Lehrkräfte mit Migrationshintergrund aufbauen
ƒƒ Studierende, Referendarinnen und Referendare und
Lehrkräfte mit Migrationshintergrund können von
ihren Erfahrungen gegenseitig profitieren. Einen
Rahmen für einen solchen Erfahrungsaustausch bieten Netzwerke, die eng mit der Bildungsverwaltung
zusammenarbeiten, Migrantenorganisationen einbeziehen, Multiplikatoren ausbilden, interkulturelle
Fortbildungen anbieten und Abiturientinnen / Abiturienten und Lehramtsstudierende betreuen. Der
Aufbau solcher Netzwerke sollte gezielt unterstützt
werden.
Gesellschaftliche Teilhabe und aktive Mitgestaltung
fördern
Im Zentrum der gesellschaftlichen Integration steht
sollten Kooperationen von Migrantenorganisationen mit Einrichtungen der Engagementförderung unterstützt werden.
Professionalisierung von Migrantenorganisationen
unterstützen
ƒƒ Migrantenorganisationen benötigen Unterstützung für die Professionalisierung ihrer Arbeit. Es
sind (weitere) Angebote zu Weiterbildung und
zum Kompetenzerwerb erforderlich, die sowohl
themen- als auch organisationsbezogen sein
müssen. Wichtig ist die flächendeckende Bereitstellung von Angeboten zu Beratung, Weiterbildung und Coaching, die gezielt die Interessen von
Migrantenorganisationen aufgreifen.
ƒƒ Um passgenaue Angebote zu entwickeln, sollten
Anbieter von Weiterbildungsangeboten und
Migrantenorganisationen zusammenarbeiten.
die aktive Teilhabe und Mitgestaltung von Menschen
mit Migrationshintergrund am gesellschaftlichen
Leben. Dabei geht es insbesondere auch um die
Förderung und Einbeziehung ihrer Kompetenzen
und Ressourcen. Insbesondere die Teilhabe vor
Ort fördert die strukturelle und soziale Integration
und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Wichtig ist
in diesem Zusammenhang auch das bürgerschaftliche Engagement. Migrantenorganisationen können
Orte des Engagements von Menschen mit Migrationshintergrund sein und nicht zuletzt durch ihre Brücken-
Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen
verstärken
ƒƒ Die Kooperationen zwischen Migrantenorganisationen und etablierten Trägern der Integrationsförderung für die Durchführung von Integrationsprojekten im „Tandem“ sowie ihre Einbindung in
Netzwerke sollte unterstützt werden.
ƒƒ Die Kompetenzen von Migrantenorganisationen
sollten in die Entwicklung von Integrationskonzepten auf Bundes-, Landes- und kommunaler
Ebene einbezogen werden.
funktion wichtige Aufgaben im Integrationsprozess
übernehmen. Wichtig für eine bessere Teilhabe
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist die
Jugend(verbands)-ar­beit. Zu diesen Aspekten
können insbesondere die folgenden, in Kapitel D konkretisierten, Empfehlungen ausgesprochen werden:
Zugang von Migrantenorganisationen zu Förder­
programmen gewährleisten
ƒƒ Formelle und informelle Zugangsbarrieren zu Förderprogrammen sollten identifiziert und ein gleichberechtigter Zugang von Migrantenorganisationen
zu Projektfördermitteln sichergestellt werden.
ƒƒ Förderprogramme sollten Möglichkeiten vorsehen,
Migrationenorganisationen beim Aufbau einer
Grundausstattung und Infrastruktur für ihre Arbeit
zu unterstützen.
Interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit
unterstützen
ƒƒ Die Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Jugendverbänden sollte
gefördert werden.
ƒƒ Jugendverbände und -ringe sollten interkulturelle
Öffnung als Teil ihrer Organisationsentwicklung
verankern. Sie brauchen hierfür jedoch finanzielle
Unterstützung und hauptamtliche Begleitung. Daher
sollten (zeitlich begrenzt) Finanzmittel aus Regelund Projektförderung zur interkulturellen Öffnung
der Jugendverbandsarbeit bereit gestellt werden.
ƒƒ Die interkulturelle Fortbildung von Haupt- und
ehrenamtlichen sollte gestärkt werden, etwa
durch die Aufnahme entsprechender obligatorischer Angebote in die Jugendleiter-Card.
Migrantenorganisationen als Orte des bürgerschaftlichen Engagements nutzen
Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in
die Jugend(verbands)arbeit integrieren
ƒƒ Zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in und durch Migrantenorganisationen
ƒƒ Zur Integration der Vereinen von Jugendlichen
mit Migrationshintergrund in die Strukturen
168
F – Zusammenfassung
der Jugend(verbands)arbeit sollten passgenaue
Angebote zu Weiterbildung und Empowerment für
die Vereine entwickelt und bereitgestellt werden.
ƒƒ Kooperationen von Vereine von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund mit anerkannten Jugendverbänden sollten gefördert werden. Jugendringe sollten Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in ihre Verbandsstrukturen integrieren, auch um ihnen den Zugang zu staatlichen
Fördermitteln zu ermöglichen.
Vernetzung und fachlichen Austausch fördern
ƒƒ Jugendverbände, Einrichtungen der offenen
Jugendarbeit, Migrantenorganisationen, Einrichtungen der Integrationsförderung und Schulen
sollten stärker gemeinsam an der Partizipationsund Engagementförderung von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund arbeiten.
ƒƒ Das Thema „Interkulturelle Öffnung der Jugend(verbands)arbeit“ sollte als politisches Ziel
langfristig verfolgt werden. Hierbei sollte eine
bundesweite Vernetzung den fachlichen
Austausch unterstützen.
Qualität sichern – Wirkung überprüfen
Standards der Evaluation von Integrations­
förderung entwickelt werden.
Evaluation und Programmentwicklung stärker verbinden
ƒƒ Bei der Entwicklung neuer Förderprogramme
sollten, wenn möglich, zunächst Vorstudien
initiiert und deren Ergebnis für die Programmentwicklung genutzt werden.
ƒƒ Modellprojekte sollten von Beginn an durch
Evaluationen begleitet werden, welche die Projektumsetzung unterstützen und bewerten, dabei
Schwächen und Stärken des Projekts aufzeigen
und Empfehlungen zur Weiterentwicklung
sowie Hinweise zur Übertragbarkeit des Projektes
liefern.
Wirkung von Sprachförderung analysieren
ƒƒ Programme und Konzepte zur Förderung des
frühkindlichen Erwerbs des Deutschen als Zweitsprache sollten auf ihre Wirkung hin evaluiert
werden.
ƒƒ Dabei sind insbesondere Längsschnittstudien von
Bedeutung, die die Entwicklung der Sprachkenntnisse der Teilnehmenden im Zeitverlauf verfolgen.
Evaluation kann einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätsentwicklung, Nachhaltigkeitssicherung und
bedarfsgerechten Ausrichtung von Angeboten sowie
zum effektiven Ressourceneinsatz leisten. Zur
Weiterentwicklung dieses Feldes sind insbesondere
die folgenden Empfehlungen von Bedeutung, die
in Kapitel F vertieft werden:
Evaluation als Bestandteil von Integrationsförderung
etablieren
ƒƒ Bereits bei der Projektplanung sollten Projektziele klar definiert und die dafür erforderlichen
finanziellen und personellen Ressourcen
zur Verfügung gestellt werden. Wenn möglich
sollten für die Projektziele operationalisierbare
Zielgrößen benannt werden.
ƒƒ Im Projektverlauf sollten Evaluationen als notwendiger projektbegleitender Prozess der
Qualitätsentwicklung verstanden werden, der
damit laufend das Erreichen der geplanten
mittel- und langfristigen Projektziele überprüft
und Hinweise zur Verbesserung im Umsetzungsprozess liefert.
ƒƒ Aufbauend auf den allgemeinen Standards für
Evaluation der Deutschen Gesellschaft für
Evaluation sollten, wo erforderlich, spezifische
169
G – Ausblick
G
Ausblick: Umsetzung und
weiteres Vorgehen
Viele der im bundesweiten Integrationsprogramm
zielgerichteter an den Bedarfen von Migrantinnen
behandelten Themen sind mit den hier vorgestellten
und Migranten auszurichten und effektiver zu
Empfehlungen nicht abgeschlossen – einzelne
gestalten – etwa im Bereich der Zusammenarbeit
werden in den nächsten Jahren weiter an integrati-
mit Eltern oder bei der Öffnung von Förderpro-
onspolitischer Bedeutung gewinnen. Dies betrifft
grammen für Migrantenorganisationen. Andere –
insbesondere die Förderung bildungssprachlicher
wie die Gewinnung von Lehrkräften mit Migrations-
Deutschkenntnisse von Kindern und Jugendlichen,
hintergrund – erfordern einen längeren Atem und
die Stärkung der Zusammenarbeit mit Migran-
zum Teil auch strukturelle Veränderungen.
tenorganisationen oder auch die Gewinnung von
Menschen mit Migrationshintergrund für pädago-
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird
gische Berufe. Andere Themen und Fragestellungen
im eigenen Zuständigkeitsbereich und gemeinsam
der Integrationsförderung können kurzfristig
mit unterschiedlichen staatlichen und nicht-
an Relevanz gewinnen und neue, gemeinsame
staatlichen Akteuren konkrete Veränderungen zu
Lösungsansätze erfordern. Die Arbeitsweise des bun-
einzelnen Themen anstoßen. Es wird den Umset-
desweiten Integrationsprogramms kann auch
zungsprozess begleiten, dokumentieren und evalu-
künftig hierfür genutzt werden: Die gezielte Auswahl
ieren. So vielfältig wie die Empfehlungen können
einzelner Themen mit konkretem Handlungs-
dabei auch die Schritte zu ihrer Umsetzung sein:
bedarf, die intensive Beschäftigung mit diesen
Von der Entwicklung von Leitfäden und Handrei-
Themen unter Einbeziehung vieler sachverständiger
chungen, über neue Formen der Zusammenarbeit,
Akteure, die gemeinsame – auch kontroverse –
Modellprojekte und veränderte Förderrichtlinien
Diskussion von Zusammenhängen, offenen Fragen
bis hin zur Neugestaltung von Verfahrensabläufen
und möglichen Lösungen und letztlich die
sind ganz unterschiedliche Prozesse denkbar.
Formulierung von Vorschlägen zur Weiterentwick-
Viele der begonnenen Fachdialoge können auch
lung und Verbesserung der Angebote und Rahmen-
künftig fortgeführt werden – das Bundesamt
bedingungen.
wird denjenigen, die sich auch weiterhin fachlich
austauschen und koordinieren möchten, hierzu
Mit der Vorlage dieser Publikation ist der Prozess zur
einen Rahmen bieten. Auch Themen, die nicht
Erstellung eines bundesweiten Integrationspro-
Bestandteil des Aktionsplans zur Umsetzung des
gramms abgeschlossen und der gesetzliche Auftrag
Nationalen Integrationsprogramms sind, können
des § 45 Aufenthaltsgesetz erfüllt. Die wichtigsten
dabei aufgegriffen werden.
Themen des Integrationsprogramms werden in den
Prozess des Aktionsplans zur Umsetzung des Nationalen Integrationsplans eingebracht und in diesem
Rahmen umgesetzt.
Das bundesweite Integrationsprogramm ist mehr
als eine Publikation. Es lebt von der Umsetzung
der Ideen und Empfehlungen, die in diesem Band
zusammengestellt sind. Viele können kurzfristig
einen Beitrag dazu leisten, Integrationsangebote
170
171
H – Anhang
H
Anhang
Beteiligte Institutionen und Personen
Mitglieder der Steuerungsgruppe des bundesweiten Integrationsprogramms
172
Bekir Alboga
Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.
Roberto Alborino
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege
Nele Allenberg
Evangelische Kirche in Deutschland, Kirchenamt der EKD
Dr. Uda Bastians-Osthaus
Deutscher Städtetag
Ingo Behnel
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration (ehemals)
Barbara Cremer
Innenministerium Baden-Württemberg
Veronika Dicke
Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein
Heidemarie Donner
Bundesministerium des Innern
Dorothea Fohrbeck
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Dr. Uwe Franke
Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz
Dr. Ralf Geisler
Evangelische Kirche in Deutschland, Kirchenamt der EKD
Margit Gottstein
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration
Andreas Hauk
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes
Brandenburg
Helmut Huber
Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung (ehemals)
Evelyn Jäger
Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein
Regina Jordan
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Kenan Kolat
Türkische Gemeinde in Deutschland e. V.
Stephan Kramer
Zentralrat der Juden in Deutschland
Monsignore Wolfgang Miehle
Deutsche Bischofskonferenz
Ulrich Mohn
Deutscher Städte- und Gemeindebund
Leo Monz
Deutscher Gewerkschaftsbund
H – Anhang
Hermann Müller
Innenministerium Baden-Württemberg (ehemals)
Susanne Müller
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Monika van Ooyen
Bundesministerium für Bildung und Forschung (ehemals)
Günter Piening
Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration
Dr. Klaus Ritgen
Deutscher Landkreistag
Anton Rütten
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration
Nordrhein-Westfalen
Rupert Sandfuchs
Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung
Gisela Schewell
Bund der Vertriebenen e. V.
Jürgen Schröder
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Sabine Schulte-Beckhausen
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Dr. Alexander Schumacher
Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale
Minderheiten im Bundesministerium des Innern
Andreas Staible
Bundesagentur für Arbeit
Brigitte Tann
Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit
und Verbraucherschutz
Mehmet Tanriverdi
Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände e. V.
Prof. Dr. Katrin Weiss
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes
Brandenburg
Beteiligte Expertinnen und Experten im Handlungsfeld sprachliche Integration
Heinz Ackermann
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Prof. Dr. Bernt Ahrenholz
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Rainer Aliochin
Ausbildungsring Ausländischer Unternehmer e. V., Nürnberg
Berrin Alpbek
Türkische Gemeinde in Deutschland e. V.
Dr. Hans-Joachim Althaus
TestDaf-Institut
Prof. Dr. Claus Altmayer
Universität Leipzig / Gesamtverband Moderne Fremdsprachen
Prof. Dr. Ernst Apeltauer
Universität Flensburg
Dr. Olaf Bärenfänger
Universität Leipzig
Julia Bartel
Bundesagentur für Arbeit
Wolfgang Barth
Arbeiterwohlfahrt AWO Bundesverband e. V.
Doreen Barzel
Stiftung Mercator
Prof. Dr. Rupprecht Baur
Universität Duisburg-Essen
Dr. Dagmar Beer-Kern
Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (ehemals)
173
H – Anhang
174
Monika Benedix
Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V.
Doris Beneke
Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V.
Ute Bernau
Verband Deutscher Privatschulverbände e. V.
Dr. Beate Blüggel
Deutscher Volkshochschulverband e. V. (ehemals)
Thomas Bösenberg
ARGE Hamburg
Helga Büchel
Behörde für Bildung und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg
Dr. Eva Chen
Universität Jena
Carola Cichos
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Lamine Conte
Haus Afrika e. V.
Andrea Daase
Arge Herford (ehemals)
Kristin Degener
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Marianne Demmer
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V.
Dr. Silvia Demmig
Universität Jena
José Antonio Diaz
Bund der Spanischen Elternvereine in der Bundesrepublik
Deutschland e. V.
Wolfgang Dichans
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Kirsten Dick
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Veronika Dicke
Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein (ehemals)
Ulrike Dimpl
Amt für multikulturelle Angelegenheiten, Frankfurt am Main
Dr. Doris Edelmann
Pädagogische Hochschule Zürich
Birgit Eiber
Bundesagentur für Arbeit
Prof. Dr. Havva Engin
Pädagogische Hochschule Karlsruhe (ehemals)
Gabriele Erpenbeck
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration
Prof. Dr. Hermann Funk
Universität Jena / Gesamtverband Moderne Fremdsprachen
Dorothee Gaile
Amt für Lehrerbildung Hessen
Michael Garske
Landkreis Oberhavel
Andreas Germershausen
Büro des Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und
Migration
Prof. Dr. Ingrid Gogolin
Universität Hamburg / Deutsche Gesellschaft für Erziehungs­
wissenschaft e. V.
Dott. Matilde GrünhageMonetti
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e. V.
Detlef Heints
Stadt Köln, Amt für Weiterbildung, Kompetenzzentrum Sprach­
förderung (ehemals)
OTL Hans-Jürgen Heiß
Bundesministerium der Verteidigung
H – Anhang
Lutz Herfurth
Studienkolleg der Fachhochschule Nordhausen
Agnes Heuvelmann
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des
Landes Nordrhein-Westfalen
Katrin Hirseland
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Dr. Franz Huber
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München
Prof. Dr. Barbara John
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Berlin
Gundula Kanz
Städtische Kindertageseinrichtungen im Jugendamt
der Stadt Hamm
Andreas Klepp
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e. V.
Wilfried Knerr
Jugendamt der Stadt Nürnberg
Oliver Kohrs
Grone-Bildungszentrum für Gastronomie und Ernährung GmbH
Prof. Dr. Uwe Koreik
Universität Bielefeld / Fachverband Deutsch als Fremdsprache e. V.
Prof. Dr. Christian Krekeler
Fachhochschule Konstanz
Christina Kuhn
Universität Jena
Martin Lange
Universität Kiel / Fachverband Deutsch als Fremdsprache e. V.
Prof. Dr. Gudula List
Deutsches Jugendinstitut e. V.
Dr. Michael Maier-Borst
Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,
Flüchtlinge und Integration
Maja Maslac
Universität Jena
Gabriele Meier-Darimont
Hessisches Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit
Achim Meyer auf der Heyde
Deutsches Studentenwerk e. V.
Heribert Miethaner
Deutsches Erwachsenen-Bildungswerk e. V. (ehemals)
Werner Möller-Tacke
Schulamt für den Kreis Herford
Leo Monz
Deutscher Gewerkschaftsbund
Maria-Theresia Münch
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.
Prof. Dr. Ursula Neumann
Universität Hamburg
Prof. Dr. Udo Ohm
Universität Jena (ehemals)
Monika van Ooyen
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Dr. Andreas Paetz
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Mag. Verena Plutzar
Universität Wien
Prof. Dr. Gabriele PommerinGötze
Universität Erlangen-Nürnberg
Christiane Rausch
Universität Jena
Jens Reimann
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Richard Resch
Landesverband Katholischer Kindertagesstätten e. V.
175
H – Anhang
Prof. Dr. Claudia Riemer
Universität Bielefeld
Irmgard Rüther
Otto Benecke Stiftung e. V.
Milica Sabo
Universität Jena
Claudia Schanz
Niedersächsisches Kultusministerium / Kultusministerkonferenz
der Länder
Roland Schauer
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Steffi Schieder
Universität Erlangen-Nürnberg
Martina Schmerr
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V.
Manfred Schreiner
Verband Bildung und Erziehung e. V.
Anneke Schröder-Dijkstra
Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein
Regina Selker
Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein
Dr. Edwin Semke
Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft gGmbH
Marianne Spohner
Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main
Dr. Monika SpringerGeldmacher
Hauptstelle der Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern
und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien des Landes NordrheinWestfalen e. V.
Annelie Strack
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V.
Ernst Strohmaier
Verein Deutsche Jugend aus Russland e. V.
Petra Szablewski-Cavus
Passage, Gemeinnützige Gesellschaft für Arbeit und Integration mbH,
Hamburg (ehemals)
Youhanizou Tall
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals)
Brigitte Tann
Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der
Freien und Hansestadt Hamburg
Mehmet Tanriverdi
Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in
Deutschland e. V.
Erika Theißen
Begegnungs- und Fortbildungszentrums muslimischer Frauen e. V., Köln
Asel Ulukbek
Bundesverband ausländischer Studierender e. V.
Albina Voblikova
Universität Jena
Rosina Walter
berami berufliche Integration e. V.
Gabriele Weber
Sächsisches Staatsministerium für Kultus / Kultusministerkonferenz
der Länder
Frank Zeidler
ARGE Hamburg
Zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für diesen
Themenbereich: Katrin Hirseland / Youhanizou Tall (ehemals) / Jens Reimann / André Kühne (ehemals) /
Sybille Thomsen / Dirk Wollner
176
H – Anhang
Beteiligte Expertinnen und Experten im Handlungsfeld Bildung und Integration
Aysegül Aktürk
Lehramtsreferendarin, Rothenburg ob der Tauber
Mehmet Alpbek
Föderation Türkischer Elternvereine
Ernest Ampadu
Deutsch-Ghanaischer Elternverein e. V. Düsseldorf
Sevgani Asani
Romy Bartels
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Cahit Basar
Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte in NordrheinWestfalen
Uta von Bechthold-Domhöver
Afro KID Nürnberg e. V.
Maria Berger-Senn
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Baden-Württemberg /
Kultusministerkonferenz der Länder
Andrea Bergmayr
Deutscher Kinderschutzbund e. V., „Starke Eltern – Starke Kinder®“
Reinhard Berndt
Afro KID Nürnberg e. V.
Inna Bougaterewa
Russische Elterninitiative Ostheim
Nora Boutaoui
Universität Frankfurt
Quang Huy Bui
Verein der Vietnamesen Leipzig e. V.
Annemie Burkhardt
Berufliches Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten
in Berlin
Ercan Can
Selam Bildungs- und Begegnungsstätte e. V.
Ute Cüceoglu
Förderkomitee: Bildung öffnet Türen e. V., Dortmund
José Antonio Diaz
Bund der Spanischen Elternvereine in der Bundesrepublik
Deutschland e. V.
Serpil Dursun
Bildungslotse Nürnberg e. V.
Detlef Duschek
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Günter Ebert
Bildungsmanager Stadt Nürnberg
Dr. Ludwig Eckinger
Verband Bildung und Erziehung e. V.
Mahmoud El-Hussein
Arabische Eltern Union e. V.
Rolf Erdmeier
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Simone Fahmy
Mosaik e. V. – interkulturelle Anlaufstelle für muslimische Familien,
Nürnberg
Lena Fester
Internationaler Bund e. V.
Claudia Finke
Gemeinnützige Hertie-Stiftung
Lena Friedrich
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals)
Marcus Friedrich
Universität Erlangen-Nürnberg
177
H – Anhang
178
Dr. Sara Fürstenau
Universität Hamburg
Sieglinde Glaab
Von-der-Tann-Schule, Regensburg
Trudi Götz
„Deutsch im Koffer“, Regensburg
Dr. Tobias Haaf
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Hatice Hagar
Grund und Hauptschule Vigeliusschule, Freiburg
Britta Hawighorst
Universität Hamburg
Bettina Heckmanns
Internationaler Bund Bielefeld
Janusz Heppner-Weinreich
Haus Afrika e. V., Saarbrücken
Julia Herdramm
Grundschule Kleine Kielstraße, Dortmund
Katrin Hirseland
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Susanne Hofmann
Magistrat der Stadt Marburg
Renate Holley
BW Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH, Nürnberg
Dr. Artur Kalnins
Spanische Weiterbildungsakademie
Günter Kampf
Stadt Regensburg, „Inmigra-KiD“
Prof. Dr. Yasemin Karakasoglou
Universität Bremen
Ayfer Khodja
Selam Bildungs- und Begegnungsstätte e. V.
Gudrun Kiener
Robert Bosch Stiftung GmbH
Martina Kindsmüller
Stadt Regensburg, „Inmigra-KiD“
Josef Kraus
Deutscher Lehrerverband
Prof. Dr. Stephan Kröner
Universität Erlangen-Nürnberg
Andrea Kuhn
Martin-Behaim-Gymnasium Nürnberg
Joachim Leisgang
Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Mittelfranken
Diana Liberova
Stadt Nürnberg, Projekt „Eltern lernen Deutsch an Schulen“
Aldo Loiero
CGIL – Bildungswerk e. V.
Olga Lucas Fernàndez
CGIL – Bildungswerk e. V.
Mohamed Maiga
Haus Afrika e. V.
Ph. D. Tatiana Matthiesen
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
Dr. Ruth Michalek
Pädagogische Hochschule Freiburg
Hamideh Mohagheghi
Muslimische Akademie in Deutschland
Katja Morgenstern
Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern
Dr. Susanne Mortensen
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
H – Anhang
Jean-Pierre Muteba
Afro K.I.D. Nürnberg e. V.
Özlem Nas
Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Hamburg
Charity Okezie
Internationales Center für Deutsche und Immigranten e. V.
Radwan Othman
YEKMAL Verein der Eltern aus Kurdistan in Berlin e. V.
Elke Picker
Elternstiftung Baden-Württemberg
Harald Pinzner
OstD, Martin Behaim Gymnasium Nürnberg
Vicky Pompizzi
CGIL Bildungswerk e. V.
Isidora Randjelovic
Bashe Rroma e. V., Rroma Elternverein Berlin
Elisabeth Rangosch-Schneck
Stadt Stuttgart, Stabsabteilung für Integrationspolitik
Jens Reimann
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Martina Rithaa
Koordinierungsstelle „Ausbildungsorientierte Elternarbeit im Jugendmigrationsdienst“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
Dr. Carolin Rotter
Ruhr-Universität Bochum
Nadia Rouhani
Berufliches Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten
in Berlin
Sonja Schlusche
Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH, Nürnberg
Thomas Seidl
Martin-Behaim-Gymnasium, Nürnberg
Dr. Kismet Seiser
Stadt Regensburg, „Inmigra-KiD“
Dr. Ulrich Seiser
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Maria-Theresia Simmler
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Dr. Ekaterina Skakovskaya
Deutscher Kinderschutzbund e. V., „Starke Eltern – Starke Kinder ®“
Ralf Sommer
Ludwig-Uhland-Hauptschule, Nürnberg
Ute Strait-Aouichi
Islamische Gemeinde Nürnberg IGN
Adnan Sunbol
Islamisches Zentrum Hessestraße, Nürnberg
Buket Temel
Lehramtsstudentin Universität Berlin
Dr. Regina Trüb
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Erden Uyan
Deutsch-Türkische Elterninitiative Köln-Chorweiler /
Deutsch-Türkischer-Elternverband Köln und Umgebung
Murat Vural
Interkultureller Bildungs- und Förderverein für Schüler & Studenten,
Bochum
Wladimir Weinberg
Russische Elterninitiative Ostheim
Maria Wilhelm
Amt für Kultur und Freizeit der Stadt Nürnberg
Eva Woelki
Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrebildung, Offenburg
179
H – Anhang
Serap Yilmaz
Internationaler Bund e. V.
Martin Zeitler
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Dr. Antonietta P. Zeoli
Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen
aus Zuwandererfamilien, Düsseldorf
Zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für diesen
Themenbereich: Dr. Regina Trüb / Martin Zeitler
Beteiligte Expertinnen und Experten im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration
180
Renée Abul-Ella
Al Dar Arabischer Frauenverein e. V.
Filiz Arslan
Fachberatung MigrantInnenselbsthilfe Nordrhein-Westfalen im
Paritätischen Wohlfahrtsverband
Ali-Murat Asefoglu
Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland
Mehmet Ata
Jugendverein der Föderation der demokratischen Arbeitervereine e. V.
(DIDF), Köln
Berivan Aymaz
Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände BAGIV e. V. /
NAVEND - Zentrum für Kurdische Studien e. V.
Romy Bartels
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Hai Bluhm
Song Hong e. V.
Marion Bradl
Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns
Kirsten Bruhns
Deutsches Jugendinstitut
Dr. Stefan Bundschuh
IDA Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus­
arbeit e. V.
Gülay Candemir
Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V.
Florencio Chicote
Türkische Gemeinde in Deutschland e. V.
Svend Clausen
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Annette Dahms
Kreisjugendring Stadt Nürnberg
Serpil Dalgic
Frauen lernen gemeinsam Bonn e. V. / Migrantinnentreff Gülistan
Florian Dallmann
Deutscher Bundesjugendring
Sidar A. Demirdögen
Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V.
Dr. Karamba Diaby
Landesnetzwerk LAMSA
Antonio Diaz
Academia Española de Formación - Spanische Weiterbildungsakademie
German Djanatliev
Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg
Mirze Edis
IG Metall, ThyssenKruppStahl
Ginga Eichler
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rolf Erdmeier
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
H – Anhang
Hanim Ezder
Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e. V.
Daniel Grein
Deutscher Bundesjugendring
Thorsten Groß
Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern
Ihor Habelyev
Jugendmigrationsdienst der Arbeiterwohlfahrt, Nürnberg
Dr. Mohamed Hamdali
Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg
Ralf Harnisch
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Alexandra Harstall
Frauen lernen gemeinsam Bonn e. V., Interkultureller Mädchentreff
Azade
Peter Herrmann
Bayerischer Jugendring / Evangelische Jugendsozialarbeit in Bayern
(ehemals)
Agnes Heuvelmann
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration
Nordrhein-Westfalen
Katrin Hirseland
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Regina Hochdörfer
Phoenix-Köln e. V.
Bertram Höfer
Kreisjugendring Stadt Nürnberg
Thomas Hoffmann
djo - Deutsche Jugend in Europa
Andrea Hoffmeier
Bund der Deutschen Katholischen Jugend e. V.
Susanne Huth
INBAS-Sozialforschung GmbH
Doris Hutter
Haus der Heimat e. V.
Birgit Jagusch
Universität Duisburg-Essen
Jae-Soon Joo-Schauen
Agisra e. V.
Musa Kirbas
IG Metall
Simone Kalisch
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V.
Dr. Artur Kalnins
Academia Española de Formación – Spanische Weiterbildungs­
akademie
Nilgün Kamalak
Interkulturelles Migrantinnenzentrum IMAZ e. V.
Dr. Ansgar Klein
Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
Doris Klingenhagen
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V.
Elke Knabe
Freie Journalistin
Kenan Kolat
Türkische Gemeinde in Deutschland e. V.
Dr. Jörg Kruttschnitt
Diakonisches Werk Bayern
Kenan Küçük
Arbeitskreis Migration des Paritätischen Wohlfahrtsverbands / Forum
der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband
Jamal Lagnaoui
Diên Hông – Gemeinsam unter einem Dach e. V.
Thomas Lang
Kreisjugendring Stadt Nürnberg
181
H – Anhang
182
Sonia Leao-Sitals
Imbradiva e. V.
Dr. Klaus Lefringhausen
Integrationsbeauftragter a.D. Nordrhein-Westfalen
Tshikudi Londji
Jugendhilfe Afrika 2000 e. V.
Stefan Lutz-Simon
Jugendbildungsstätte Unterfranken, Bayerischer Jugendring
Sonja Marko
Ver.di Bundesverwaltung
Dr. Claudia Martini
Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,
Flüchtlinge und Integration
Leo Monz
Deutscher Gewerkschaftsbund
Nicole Möhle
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals)
Behshid Najafi
Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband / agisra e. V.
Dr. Siglinde Naumann
Institut für Bildungsforschung und Familienberatung
Manh Tan Nguyen
Diên Hông – Gemeinsam unter einem Dach e. V.
Jens Nieth
Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbunds
Irena Nowak
Phoenix-Köln e. V. Kultur- und Integrationszentrum
Beate Oertel
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Cemalettin Özer
Mozaik Gemeinnützige Gesellschaft für Interkulturelle Bildungs- und
Beratungsangebote mbH
Giovanni Pollice
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)
Alain Raymond
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Martin Reiszky
Büro des Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und
Migration
Katrin Riedel
Bundesjugendwerk der Arbeiterwohlfahrt
Vicente Riesgo Alonso
Academia Espanola de Formacion – Spanische Weiterbildungsakademie
Volker Rossocha
Deutscher Gewerkschaftsbund
Gerlinde Röhm
Landesjugendring Baden-Württemberg
Anton Rütten
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration
Nordrhein-Westfalen
Meral Sagdic
Stadtjugendring Stuttgart
Gisela Schewell
Bund der Vertriebenen e. V.
Dr. Robin Schneider
Büro des Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und
Migration
Wolfgang Schollmeyer
Stadtjugendring Siegen
Lisa Scholz
Diakonisches Werk Bayern
Christine Schubert
Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Nürnberg
Deniz Sert-Celik
Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V.
H – Anhang
Alexander Smienk
Bayerischer Jugendring
Axel Stammberger
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Susanna Steinbach
Kreisjugendring Rems-Murr
Helmut Stoll
Diakonisches Werk Bayern
Shimeles Tassew
Bundesnetzwerk Internationale / Interkulturelle Gärten
Hetav Tek
Djo - Deutsche Jugend in Europa
Maja Tölke
SJD - Die Falken
Christiane Trachternach
Landesjugendring Nordrhein-Westfalen
Peter Trube
IG Metall
Marissa Turaç
Landesjugendring Nordrhein-Westfalen
Eren Ünsal
Türkische Gemeinde in Deutschland e. V.
Ramazan Vardaroglu
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
Irina Vavitsa
IG Metall
Miguel Vicente
Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Rheinland-Pfalz
Virginia Wangare-Greiner
Maisha e. V., Selbsthilfegruppe Afrikanischer Frauen in Deutschland
Dimitrij Wasserblaj
Jugendverband Integration
Tilmann Weickmann
Landesjugendring Berlin
Christian Weis
Deutscher Bundesjugendring
Prof. Dr. Karin Weiss
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes
Brandenburg
Manfred Wittmeier
Hessischer Landesjugendring
Huseyin Yilmaz
Deutscher Gewerkschaftsbund Bezirk Hamburg
Zuständige Mitarbeiterin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für diesen Themenbereich:
Nicole Möhle (ehemals)
183
H – Anhang
Beteiligte Expertinnen und Experten zum Thema Evaluation
184
Martha Aykut
Landeshauptstadt Stuttgart, Stabsabteilung für Integrationspolitik
Doreen Barzel
Stiftung Mercator
Prof. Dr. Hiltraud CasperHehne
Universität Göttingen
Dr. Doris Dickel
Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,
Flüchtlinge und Integration
Prof. Dr. Dieter Filsinger
Katholische Hochschule für Soziale Arbeit, Saarbrücken; Hochschule
für Technik und Wirtschaft des Saarlandes
Prof. Dr. Barbara GasteigerKlicpera
Pädagogische Hochschule Weingarten
Gerhard Gleichmann
Verband Deutscher Privatschulverbände e. V.
Friederike de Haas
Sächsische Ausländerbeauftragte (ehemals)
Michaela Heckershoff
Bundesministerium der Finanzen
Erhard Heintze
Die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales,
Bremen
Dr. Franz Huber
Qualitätsagentur am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungs­
forschung, München
Prof. Dr. Barbara John
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Berlin
Heinz Knoche
Deutsches Rotes Kreuz e. V.
Ulrich Kober
Bertelsmann Stiftung
Thomas Kufen
Integrationsbeauftragter der Landesregierung NordrheinWestfalen im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen
und Integration
Dr. Thomas Kunz
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals)
Heinz Müller
Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e. V. (ism)
Monika van Ooyen
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Dr. Ingrid Plath
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung
Prof. Dr. Gabriele PommerinGötze
Universität Erlangen-Nürnberg
José Povedano
Paritätischer Wohlfahrtsverband e. V.
Dr. Alfred Reichwein
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement
Dr. Klaus Ritgen
Deutscher Landkreistag
Jeanine Rudolph
Landeshauptstadt Wiesbaden, Einwohner- und Integrationsamt
Prof. Dr. Knut Schwippert
Universität Hamburg
Dr. Marina Seveker
Universität Münster
H – Anhang
Anke Soll-Paschen
Diakonisches Werk e. V.
Ulrike Westphal
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und
Gesundheit
Zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für diesen
Themenbereich: Katrin Hirseland, Dr. Thomas Kunz (ehemals), Robert Gölz
185
H – Anhang
Abkürzungsverzeichnis
186
AAGB
Bund der alevitischen Jugendlichen in Deutschland
AEF
Academia Española de Formación
AGABY
Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns
AGG
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
AGJF
Arbeitergemeinschaft Jugendfreizeitstätten
ALG
Arbeitslosengeld
AQUA bzw. AQUAMigration
Akademiker/-innen qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt
ARGE(n)
Arbeitsgemeinschaft(en)
AufenthG
Aufenthaltsgesetz
AWO
Arbeiterwohlfahrt
BA
Bundesagentur für Arbeit
BAB
Bundesverband der Ausländer und Integrationsbeiräte
BAG
Bundesarbeitsgemeinschaft
bagfa
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen
BAMF
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
BiBB
Bundesinstitut für Berufliche Bildung
BLK
Bund-Länder-Kommission
BMAS
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
BMBF
Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMFSFJ
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BMI
Bundesministerium des Innern
BMWi
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
BQN
Berufliches Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten
BVFG
Bundesvertriebenengesetz
DAA
Deutschen Angestellten Akademie
DaF
Deutsch als Fremdsprache
DaZ
Deutsch als Zweitsprache
DBJR
Deutscher Bundesjugendring
DGB
Deutsche Gewerkschaftsbund
DIE
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
DIHT
Deutsche Industrie- und Handelskammertag
DIPF
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung
DQR
Deutscher Qualifikationsrahmen
H – Anhang
DST
Deutscher Städtetag
EFI
Empowerment von Migrantinnen und Migranten zum nachhaltigen Gelingen
der Integration und zur Förderung Interkultureller Kompetenz
EFMS
Europäisches Forum für Migrationsstudien
EQUAL
Aus dem Europäischen Sozialfonds geförderte Gemeinschaftsinitiative EQUAL
ESF
Europäischer Sozialfonds
EU
Europäische Union
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
FörMig
Modellprogramm „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrations­
hintergrund“
GdP
Gewerkschaft der Polizei
GER
Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen
GEW
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
GFBM
Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen e. V.
GG
Grundgesetz
HAVAS-5
Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstands Fünfjähriger
HIPPY
Home Instruction for Parents of Pre-school Youngsters
HIS
Hochschul-Informations-System
HSchG
Hessisches Schulgesetz
IDA
Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.
IG
Industriegewerkschaft
Iglu
Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung
IHK
Industrie- und Handelskammer
IMAG
Interministerielle Arbeitsgruppe
ISC
Interkulturelle Selbst Checks
JMD
Jugendmigrationsdienst
KGSt
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement
KMK
Kultusministerkonferenz
KMU
Klein- und mittelständische Unternehmen
LAMSA
Landesnetzwerk Migrantenselbstorganisation
LBE
Landesnetzwerk bürgerliches Engagement
LJR
Landesjugendring
MBE
Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer
MGFFI
Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration [des Landes
Nordrhein-Westfalen] (ehemals)
NiJaf
Netzwerk interkultureller Jugendverbandsarbeit und -forschung
OBS
Otto-Benecke-Stiftung
187
H – Anhang
188
OECD
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
PEES
ErzieherInnen als ExpertenInnen für Sprachförderung (PEES)
PISA-Studie
Program for International Student Assessment-Studie
RAA
Regionale Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus
Zuwandererfamilien
RAM
Repräsentativuntersuchung „Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland“
SchulG
Schulgesetz
SchuMi
Schule und Migration
SES
Senior Experten Service
SGB
Sozialgesetzbuch
SJR
Stadtjugendring
SoR-SmC
Schule ohne Rassismus – Schule mit Chance
SPAS
Leistungsstipendienprogramm für ausländische Studierende
TestDaf
Test Deutsch als Fremdsprache
VBE
Verband Bildung und Erziehung
VHS
Volkshochschule
VJM
Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
XENOS
Das vom ESF geförderte Programm „XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“
ZIM
Zentrum für Integration und Migration
H – Anhang
Literaturverzeichnis
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Bertelsmann Stiftung, Gütersloh.
bürgerschaftlichem Engagement, Berlin.
Beschluss der Bund-Länder-Kommission vom
Bundesministerium für Familie, Senioren,
29.03.2004:
Frauen und Jugend (Hg.) (2005):
Vorschläge zur Verbesserung der Bildungsberatung
Freiwilliges Engagement von Türkinnen und
für Personen mit Migrationshintergrund.
Türken in Deutschland, Berlin.
189
H – Anhang
Bundesministerium für Familien, Senioren,
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Impressum
Herausgeber:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Frankenstr. 210
90461 Nürnberg
http://www.bamf.de
Bearbeitung:
Katrin Hirseland, Katharina Koch, Nicole Möhle,
Dr. Regina Trüb, Jens Reimann, Robert Gölz
Redaktion:
Katrin Hirseland
Layout:
KonzeptQuartier ® GmbH, Fürth
Druck:
Bonifatius GmbH Druck-Buch-Verlag, Paderborn
Stand:
Juli 2010
Bezugsquelle:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Referat 313 – Öffentlichkeitsarbeit Integration
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http://www.integration-in-deutschland.de
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