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N IK O L A U S K O P E R N IK U S , D E R G R O S S E D E U T S C H E . 1473— 1543. G E M Ä L D E IM B E S IT Z DES
I N S T I T U T S FÜ R D E U T S C H E O STA R B F .IT K R A K A U . N A C H E IN E M S T IC H DES J. V A N M E U R S
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E R R I C H T U N G DES N I K O L A U S KOPERNIKUSPREISES DES I N S T I T U T S F Ü R D E U T S C H E O S T A R B E IT
KRAKAU
Generalgouverneur Reichsminister Dr. Frank hat aus Anlass des ersten
Jahrestages der
Gründung des Instituts für Deutsche
Ostarbeit den
Nikolaus Kopernikus-Preis des Instituts für Deutsche Ostarbeit Krakau
errichtet. Der Gründungserlass hat folgenden Wortlaut:
1 .
Am 20. April 1941, dem Geburtstag des Führers und dem ersten Jahrestag der Grün­
dung des Instituts für Deutsche Ostarbeit, errichte ich zur Förderung der wissenschaft­
lichen Erforschung von Problemen aus dem Aufgabenbereich des Instituts für Deutsche
Ostarbeit hiermit den
„NIKO LAU S KOPERNIKUS-PREIS
DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE OSTARBEIT K R A K A U
2.
Der Preis beträgt jährlich 50.000 ,— Zloty.
3.
Der Preis kann im ganzen oder geteilt durch den Präsidenten des Instituts zuerkannt
werden.
Die Preisrichter schlagen dem Präsidenten des Instituts die Preisträger und die Preis­
verteilung vor.
Die Preisrichter sind:
1) der stellvertretende Präsident des Instituts für Deutsche Ostarbeit,
2) der Direktor des Instituts für Deutsche Ostarbeit,
3) der Vertreter desjenigen Faches am Institut für Deutsche Ostarbeit, aus dessen A uf­
gabenbereich die wissenschaftliche Leistung erbracht wird.
V
4.
Der Preis kann zuerkannt werden:
1) für die Bearbeitung eines durch ein Preisausschreiben des Instituts gestellten For­
schungsthemas,
2) für andere nicht durch Preisausschreiben des Instituts veranlasste wissenschaftliche
Arbeiten aus dem Arbeitsbereich des Instituts für Deutsche Ostarbeit. Der Preis kann
ausserdem zur Verleihung von Forschungsstipendien verwendet werden.
5.
Die Verleihung des Nikolaus Kopernikus-Preises des Instituts für Deutsche Ostarbeit
findet alljährlich am 20. April in Krakau statt.
6.
Die Verleihung des Preises erfolgt unter Ausschluss des Rechtsweges nach freiem Er­
messen des Präsidenten des Instituts für Deutsche Ostarbeit.
Präsident des Instituts für Deutsche Ostarbeit
Burg Krakau, den 20. April 1941.
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F R I T Z
K U B A C H ,
M Ü N C H E N
D as a s t r o n o m is c h e W e lt b ild v o r K o p e r n ik u s
Die Beschäftigung mit den Erscheinungen am Himmel, mit dem Lauf von Sonne, Mond und den
Gestirnen ist uralt, wohl so alt, als Menschen auf der Erde leben. Aussergewöhnliche Ereignisse,
wie sie die Sonnen- und Mondfinsternisse darstellen, sowie die Anschauung von der Einwirkung
der Himmelskörper und der Vorgänge am Himmel auf das irdische Geschehen führten dazu,
dass man über sie nachdachte und sich ein Bild von ihrem Ablauf zu machen versuchte. So
entstand die Himmelskunde, die Astronomie, mit als erste aller Wissenschaften. Sie hat bereits
in frühester Zeit beachtliche Leistungen aufzuweisen. Ein Blick in ihre Entwicklung lässt vor
uns eine Fülle verschiedenartiger Anschauungen entstehen, die einmal im Laufe der Zeiten das
„astronomische W eltbild“ dargestellt haben. Die Forschungen der neueren Zeit, vor allem das
verdienstvolle Werk von O. S. R e u t e r („Germanische Himmelskunde Untersuchungen zur
Geschichte des Geistes. J. F. Lehmanns Verlag, München, 1934), haben erwiesen, dass nicht nur,
wie man zuvor stets meinte, die Völker im Mittelmeerraum die Träger und Vermehrer dieser
astronomischen Kenntnisse waren, sondern dass auch die germanischen Völker im Norden Eu­
ropas, trotz der für sie ungünstigeren Bedingungen für Himmelsbeobachtungen, einen hohen
Stand himmelskundlichen Wissens ihr eigen nannten.
A uf die ersten Entwicklungsstufen der himmelskundlichen Kenntnisse und die darauf aufge­
bauten astronomischen Weltbilder der Frühzeit und des Altertums soll im vorliegenden Zusam­
menhang nicht näher eingegangen werden. W er sich dafür interessiert, sei auf das zahlreich
vorhandene Schrifttum zur Geschichte der Astronomie in der Antike verwiesen, in dem er die
Namen und Leistungen eines T h a i e s (um 600 v. ZW .), A n a x i m a n d e r (um 350 v. ZW .), P y ­
t h a g o r a s (570— 496 v. ZW .), P l a t o n (427— 347 v. ZW .), E u d o x o s (409— 356 v. ZW .) und
A r i s t o t e l e s (384— 322 v. ZW .) erfahren wird.
Die Kommentatoren des zuletzt genannten A r i s t o t e l e s haben sein die E r d e als M i t t e l p u n k t
enthaltendes, aus k o n z e n t r i s c h e n K r e i s b a h n e n aufgebautes Weltsystem gegen ein g e o ­
z e n t r i s c h e s S y s t e m a n d e r e r A r t , nämlich mit e x z e n t r i s c h e n K r e i s e n , wie sie von H i p p a r c h (160— 125 v. ZW .), dem frühesten grossen messenden Himmelsbeobachter, und C l au ­
di us P t o l o m ä u s (70— 147 n. ZW .) eingeführt worden waren, verteidigt.
Der Sieg war dem Svstem des Ptolomäus beschieden, das dieser im 2. Jahrhundert n. ZW . in
seinem unter dem Titel der arabischen Übersetzung „Almagest“ bekannten Hauptwerk nieder­
gelegt hat.
Nach dem geozentrischen W eltbild ruht die kugelförmige Erde im Mittelpunkt des Weltalls und um
sie bewegen sich im täglichen Umlauf Sonne, Mond und Sterne. Sonne, Mond und Planeten bewe­
gen sich dabei auf eigenen Bahnen in kristallenen Sphären, um die herum die Fixsternsphäre gelegt
ist, auf die abschliessend die Sphäre der Urkraft der himmlischen Bewegungen, das Weltrad oder
Primum mobile folgt. B eider endgültigen Darstellung des geozentrischen Weltbildes im ptolomäischen System führten viele uns heute selbstverständliche Gesetze und Eigentümlichkeiten im
Laufe von Sonne, Mond, Planeten und Fixsternen zur Annahme exzentrischer Sphären (d. h. von
Sphären, deren Mittelpunkt ausserhalb der Erde liegt) sowie epizyklischer Bewegungen (d. h. von
Bewegungen auf Kreisen, deren Mittelpunkte gleichzeitig Kreisbahnen beschreiben). Mit diesen
7
exzentrischen und epiziklischen Bewegungen gelang Ptolomäus die Darstellung der Himmels­
vorgänge in Übereinstimmung mit den ihm vorliegenden Beobachtungsresultaten.
Trotz seines komplizierten Aufbaues und der mit der Zeit sich häufenden Zweifel an seiner Richtig­
keit blieb diesem System eine Lebensdauer von über einem Jahrtausend bescbieden. Der äussere
Grund hierfür lag einmal in der Tatsache beschlossen, dass die katholische Kirche das ptolomäische W eltbild zu ihrem eigenen machte und jeden Angriff auf dasselbe mit ihrer Macht deckte
und zurückwies; zum ändern Mal aber darin, dass etwa von Zeitwende an eine über tausend
Jahre lange für die Naturforschung so gut wie tote Zeit währte und erst danach — und zwar in
germanischen Menschen — der Drang zu eigentlicher Naturforschung, wie sie in der Astronomie
zuletzt der obengenannte H i p p a r c h getrieben hatte, neu erwachte. Es war wohl als erster der
Deutsche J o h a n n e s M ü l l e r aus Königsberg in Franken, genannt R e g i o m o n t a n (1436— 1476),
der erkannte, dass es auf Grund der fehlenden Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen des
ptolomäischen Systems und der auf seiner Grundlage berechneten Planetentafeln mit der W irk­
lichkeit galt, erst einmal neue B e o b a c h t u n g e n zu machen und auf Grund derselben dann neu
an die Erklärung der Himmelsvorgänge heranzugehen und die beste Darstellungsart für sie zu
finden.
In dieser Auffassung verkündete sich ein Wesenskern arisch-germanischer Naturforschung, für
welche die Beobachtung der Natur selbst das Primäre und Entscheidende ist, und für die es keinen
Halt vor Dogmen gibt, die der Natur widersprechen, seien es Kirche, Bibel oder sonst wer, der sie
vertritt. Der entscheidende Neuaufbruch dieses arisch-germanischen Naturforschertums hat sich
um die Wende des 15.— 16. Jahrhunderts auf dem Gebiete der Astronomie durch den grossen
Deutschen Nikolaus K o p e r n i k u s aus Thorn und sein W erk vollzogen. Nikolaus Kopernikus
setzte die schon bei dem Deutschen Regiomontan vorhandene Erkenntnis in die Tat um und lei­
tete im Zeichen germanischen Geistes aus deutschem Blute eine neue Epoche menschlichen Den­
kens und Forschens ein, deren Ergebnis auf dem Gebiet der Astronomie das heute geltende
k o p e r n i k a n i s c h e W e l t b i l d ist.
H eim at und V olkstu m
des K o p e r n i k u s
Nikolaus Kopernikus wurde am 19. Februar 1473 als Sohn des N i k l a s K o p p e r n i g und seiner
Ehefrau B a r b a r a geb. W a t z e n r o d e zu T h o r n , der angesehenen Handels- und Hansestadt des
alten Preussenlandes, die damals für einige Zeit staatspolitisch zu Polen gehörte und heute im
Gau Danzig-Westpreussen des Grossdeutschen Reiches hegt, geboren. Seine nächsten Vorfahren
väterlicherseits stammten aus K r a k a u , einer zu jener Zeit überwiegend deutschen Stadt. Des
grossen Astronomen Vater, Niklas Koppernig, verlegte vor dem Jahre 1458 seinen Wohnsitz aus
der damaligen polnischen Hauptstadt nach Thorn, wo er schnell heimisch wurde, nachdem er etwa
1462 die Tochter des altstädtischen Schöppenmeisters Lukas Watzenrode geheiratet hatte und
bereits 1465 selbst zum Schöppenmeister gewählt worden war.
Es ist bekannt, dass die Polen aus ihrer im wesentlichen von berechtigten Minderwertigkeitsge­
fühlen genährten nationalen Überheblichkeit heraus Nikolaus Kopernikus als Polen beanspruchten
und dies vor allem in den letzten Jahrzehnten bis 1939 durch umfangreiche wissenschaftliche
Veröffentlichungen und ausgedehnte kulturpropagandistische Massnahmen zu „beweisen“ und
zu vertreten suchten. D e m g e g e n ü b e r i s t f e s t z u s t e l l e n , das s d i e Z u g e h ö r i g k e i t des
N ikolaus K o p e rn ik u s zum d e u ts c h e n V o l k s t u m in je d e r H in sich t einw andfrei
e r w i e s e n ist. A u f Grund aller uns verfügbaren zuverlässigen Nachrichten steht fest, dass die
beiden Familien Koppernig und W atzenrode der Eltern des Kopernikus deutsch waren. Nikolaus
Kopernikus selbst war sich dieser Abstammung und seines Deutschtums Zeit seines Lebens voll
8
bewusst. Als er nach seinem Studium in Krakau im Herbst 1496 die Universität Bologna bezog,
trat er dort der deutschen Landsmannschaft bei (in die nach den Satzungen nur Rechtsstudenten
deutscher Muttersprache Aufnahme fanden, und der nach den Feststellungen auf Grund des Ma­
trikelbuches bis zum Jahre 1500 nicht ein einziger Pole angehörte) und nahm im deutschen Viertel
von Bologna Wohnung. Das Gleiche gilt von seinem älteren Bruder Andreas, der schon in Krakau
sein Studiengenosse gewesen war und ihm 1498 nach Bologna folgte.
Nach seiner Rückkehr aus Italien hat Nikolaus Kopernikus die ganze folgende Zeit seines Lebens,
also rund 40 Jahre, dauernd im deutschen Ermland geweilt. Die meisten seiner Werke, amtlichen
Schriftstücke und Briefe hat er dort, seiner Zeit und seinem Stand als Domherr entsprechend, in
lateinischer Sprache verfasst. Daneben hat sich Kopernikus jedoch des Deutschen, das seine Um­
gangssprache war, auch in der Schrift bedient. So sind uns von Kopernikus Werke und Schrift­
stücke in deutscher und lateinischer Sprache erhalten geblieben und trotz aller Ansprüche, die die
Polen stellten und ihrer gewiss umfangreichen Nachforschungen, kein einziges W ort in polnischer
Sprache. Das gesamte Beweismaterial zum Deutschtum des Nikolaus Kopernikus hat
H. S c h m a u c h in seiner Arbeit „Nikolaus Coppernicus — ein Deutscher“ und ergänzend dazu
in seinem Beitrag „Nicolaus ^Coppernicus und der deutsche Ritterorden“ zusammengetragen.
A u f sie, die umfangreiches Material enthalten, und auch auf die Methoden und Versuche des
in Zusammenhang mit den polnischen Ansprüchen am meisten hervorgetretenen polnischen
Kopernikus-Forschers L. A. B i r k e n m a j e r eingehen, sei daher in diesem Zusammenhang be­
sonders verwiesen.
Noch ein W ort zur Herkunft des Namens Kopernikus. Es darf als erwiesen gelten, dass er sich
von dem Kirchdorf Köppernig bei Neisse im heutigen Ostoberschlesien herleitet. Ein Vorfahre
des grossen Astronomen — wahrscheinlich der Steinmetz N i k l o s K ö p p e r n i g (nach Schmauch
a. a. 0 .) — ist gegen Ende des 14. Jhdts. aus diesem nach Feststellungen damals dem deutschen
Volkstum zugehörigen D orf nach Krakau ausgewandert.
Sowohl die unterschiedliche eigene Schreibweise seines Namens als auch die durch die Ausein­
andersetzung mit den polnischen Ansprüchen auf Kopernikus bedingten Gründe führten im
deutschen wissenschaftlichen Schrifttum der Kopernikusforschung zur wiederholten Befassung
mit der Festlegung einer einheitlichen Schreibweise des Namens des grossen Astronomen. Es
ist hier nicht der Ort, auf diese Auseinandersetzungen und ihre Begründungen im einzelnen
einzugehen. Fest steht, dass die Schreibweise nach wie vor uneinheitlich ist. Die Hauptformen,
die Vorkommen, sind K o p e r n i k u s , K o p p e r n i k u s , C o p p e r n i c u s und seit neuestem auch
K o p p e r n i c k . Es sei hier nur daraufhingewiesen, dass uns die Schreibweise K o p e r n i k u s (mit
zweimal K und einem p) aus berechtigten Gründen als die in Zukunft e i n h e i t l i c h in Anwen­
dung zu bringende erscheint und daher im vorliegenden Beitrag auch verwendet wird.
Studium in Krakau
Über die Kindheit und Schulzeit des Kopernikus ist uns sehr wenig bekannt.Er dürfte zuerst
zusammen mit seinem Bruder Andreas die Sankt-Johannes-Schule zu T h o r n und dann viel­
leicht die Schule in K u l m besucht haben. Seit dem Tode seines Vaters im Jahre 1483 nahm sich
sein Onkel, der Bruder seiner Mutter, Lukas Watzenrode, seiner und seines Bruders an. Nach
ihrer Schulzeit kamen die beiden Brüder im Herbst 1491 zusammen zum Studium an der Jagellonischen Universität nach K r a k a u .
Zum Verständnis der Umgebung, in die Nikolaus Kopernikus damit kam, sei darauf hingewiesen,
dass damals in Krakau, als einem Mittelpunkt deutscher Kultur, das Deutschtum in der führenden
9
Bürgerschicht vorherrschte und die deutschen Studenten der Jagellonischen Universität mit
etwa 50% die stärkste Landsmannschaft bildeten. Auch geistig gesehen nahm die deutsche
Art damals an der Universität Krakau den ersten Platz ein. Es wäre — nicht nur im Hinblick
auf die Kopernikusforschung — sehr erwünscht, wenn zu dieser Gesamtfrage recht bald um­
fangreiche, auf dem heutigen Stand der Forschung stehende neue Darstellungen gegeben werden
würden.
Die Wahl der Universität Krakau zur Aufnahme seines Studiums dürfte für Kopernikus im
wesentlichen durch seinen Onkel beeinflusst, sowie durch verwandtschaftliche Beziehungen
(seine Vorfahren väterlicherseits waren ja aus Krakau nach Thorn gekommen) bestimmt worden
sein. Kopernikus gehörte in Krakau der Artisten-Fakultät an, die damals in besonderer Blüte
stand. Ihr besonders reges geistiges Leben war vielleicht noch bestimmt durch das Ringen der
überkommenen scholastischen Denkweise mit den neuen Kräften des H u m a n i s m u s , dem
sich auch Kopernikus zuwandte. Doch nicht die humanistischen Studien, die ihm für sein späteres
Leben viel mitgaben, und durch die er den Grund legte zu seiner Sicherheit in der lateinischen
Sprache und seine tiefe Kenntnis des römischen Altertums standen im Mittelpunkt seines geisti­
gen Strebens während seines Studiums in Krakau, sondern jene Gebiete, auf denen er später
seine grössten Leistungen vollbringen sollte: die M a t h e m a t i k und die A s t r o n o m i e .
Beide Wissenschaften standen damals aus den verschiedensten Gründen in hohem Ansehen
und waren an der Universität Krakau besonders gut vertreten. Als „Lehrer des Kopernikus“ —
wofür schlüssige Beweise allerdings nicht vorliegen — gilt der neben J o h a n n v o n G l o g a u
und M i c h a e l v o n B r e s l a u als Mathematiker und Astronom an der Universität Krakau
lehrende berühmte A l b e r t B l a r e r aus Brudzewo (Grosspolen), seinem Namen nach deutscher
Herkunft und wahrscheinlich der bekannten deutschen Gelehrtenfamilie gleichen Namens zu­
gehörig.
Durch seine mathematischen und astronomischen Studien dürfte Kopernikus in Krakau
auf jeden Fall mit der herrschenden astronomischen Schullehre bekannt geworden sein, wie er
im besonderen auch die Möglichkeit hatte, die Werke von P e u r b a c h (1423— 1461) und die
seines Schülers R e g i o m o n t a n (1436— 1476) zu hören. Eingehender Untersuchung bedarf die
Entscheidung der Frage, ob und in welchem Umfang Kopernikus während seines Studiums
in Krakau entscheidende Zweifel an der Richtigkeit des überkommenen astronomischen W elt­
bildes kamen.
Fest steht die Tatsache, dass Kopernikus in Krakau in astronomische Beobachtungen einge­
führt wurde. Die öfters erwähnte und Kopernikus zugeschriebene Mondbeobachtung im Früh­
jahr 1493 ist jedoch nicht erwiesen.
Nikolaus Kopernikus hat in Krakau ein Studium von 4 Jahren absolviert. Er verliess die Univer­
sität, ohne einen akademischen Grad erworben zu haben und war im Spätherbst 1495 wieder in seiner
Heimat. Hier erhielt er spätestens im Oktober 1495 eine D o m h e r r n s t e l l e am F r a u e n b u r g e r
D o m s t i f t , die er seinem Onkel, dem Bischof von Ermland, Lukas Watzenrode, zu verdanken
hatte. Da sich jedoch noch einige, und zwar offensichtlich erhebliche, Schwierigkeiten einstellten,
konnte Kopernikus, wie sich aus einem wiederaufgefundenen Dokument aus Bologna ergibt,
erst zwei Jahre später, als er bereits zum Studium in Italien weilte, von dort aus durch einen
hierzu bestellten Vertreter von seinem Kanonikat Besitz ergreifen. Aus dem gleichen Dokument,
in welchem Kopernikus „presbiter“ genannt wird, ergibt sich im übrigen, dass er inzwischen
die Priesterweihe empfangen haben muss, möglicherweise vor seiner Abreise nach Italien, d. h.
vor dem Herbst 1496.
Die Beleihung mit einem Kanonikat und seine Aufnahme als Domherr in das Frauenburger
Domkapitel im Anschluss an sein Studium in Krakau sind für Kopernikus’ Lebensweg und
damit auch für seine wissenschaftliche Arbeit von entscheidender Bedeutung. Denn das Ein­
kommen aus diesen Pfründen bot dem grossen Astronomen die wirtschaftliche Grundlage für
sein ganzes späteres Leben und schuf jene enge Verbindung zu F r a u e n b u r g und zum B i s t u m
E r m l a n d , die zu seiner rund 40jährigen Wirksamkeit und Tätigkeit dort, vor allem seinem
Ruhe erfordernden astronomischen Schaffen, die Grundlage und Voraussetzung bot.
S t u d i u m u nd A u f e n t h a l t i n I t a l i e n
Mit dem Beschluss, dass Nikolaus Kopernikus in den Dienst der Kirche treten sollte, und der
durch seinen Onkel Lukas Watzenrode erwirkten Beleihung mit einem Kanonikat in Frauenburg
war die Notwendigkeit der Weiterführung des in Krakau begonnenen Universitätstudiums gegeben.
Diese erfolgte in I t a l i e n , wo der grosse Deutsche fast 7 Jahre zugebracht hat und zwar die
Zeit zwischen seinem 24. und seinem 31. Lebensjahr. Der Aufenthalt in Italien zerfällt in zwei
grosse Abschnitte: den ersten in B o l o g n a , auf den ein Aufenthalt in R o m und eine Reise in
die Heimat folgte, und den zweiten in P a d u a . Neben der Fortsetzung seiner mathematisch­
astronomischen und seiner philosophischen Studien betrieb Kopernikus in Italien das Studium
zweier neuer Fachwissenschaften: in Bologna, der damals berühmtesten Rechtsschule des Abend­
landes, oblag er dem Studium des g e i s t l i c h e n R e c h t s , das er zu Padua fortsetzte und zu
Ferrara mit der Promotion abschloss; in Padua studierte er ausserdem M e d i z i n .
Über für uns heute wichtige Gesichtspunkte des Studiums des Kopernikus in B o l o g n a wurde
oben schon einiges gesagt. Im Folgenden soll nur das ausgesprochen werden, was für sein späteres
eigentliches Lebenswerk von Bedeutung ist.
Das wichtigste Ereignis seines Bologneser Studiums war zunächst sein Zusammentreffen und
seine Zusammenarbeit mit dem Astronomen D o m i n i c u s M a r i a N o v a r a , einem Schüler
und Kenner der Gedanken R e g i o m o n t a n s . In den Bannkreis der gleichen Ideen geriet Koper­
nikus auch durch seine Bekanntschaft mit dem 1498 zu Bologna erschienenen Werke A l e x a n d e r
A c h i l l i n i s „Ü ber die Bahnbewegungen“ , das von den Gedankengängen Regiomontans stark
beeinflusst war. Gemeinsam mit seinem Lehrer Novara stellte Kopernikus im März 1497 seine
erste Himmelsbeobachtung in Italien (eine Sternbedeckung (Aldebaran) durch den Mond) an,
der weitere an Sonne, Mond und Fixsternen folgten. Wenn diese Beobachtungen auch nicht
entscheidend werden konnten, da sie zu selten und nicht planmässig angestellt wurden, so waren
es doch gute Vorarbeiten. Von grösser Bedeutung aber sind sie deshalb, weil sie zeigen, dass sich
Kopernikus des Weges bewusst war, der Voraussetzung zur Lösung der bestehenden Unstimmig­
keiten in der Erklärung der Himmelsvorgänge war: d em A u f b a u n ä m l i c h a u f g e n a u e n
und exakten
Beobachtungen.
Es dürfte ausser Zweifel stehen, dass der vertrauliche Verkehr zwischen Kopernikus und Novara,
der selbst begründete Zweifel an der Richtigkeit des ptolomäischen Systems äusserte, seine
weiteren Auswirkungen hatte. Im einzelnen kann Bindendes allerdings erst nach Auffindung
der bisher noch verschollenen Schriften des Novara gesagt werden.
Kopernikus hat im übrigen während seines Studiums in Bologna in der dortigen Artisten-Fakultät
den akademischen Grad eines „magister liberalium artium“ erworben (zwischen Oktober 1497
und Juni 1499). Er hat darüber hinaus die griechische Sprache erlernt und ist auch tiefer in
das griechische Geistesleben eingedrungen.
11
Von Bologna aus reiste Kopernikus im Frühjahr des Jahres 1500 gemeinsam mit seinem Bruder
nach R o m , wo er etwa ein Jahr verweilte. Über diese Zeit ist uns nur wenig bekannt. Kopernikus
hat in R om mathematische und astronomische Vorträge gehalten und — wie er selbst berichtet —
am 6. November des Jahres 1500 dort eine Mondfinsternis beobachtet.
Da der ihm für sein Studium bewilligte Aufenthalt in Italien ablief, musste Kopernikus
anschliessend in seine Heimat zurückkehren. Nach kurzem Aufenthalt in Frauenburg, wo er
am 27. Juli 1501 vom Domkapitel für zwei weitere Jahre Studienurlaub erhielt, reiste er erneut
nach Italien und bezog die Universität P a d u a , um sich dort, dem Wunsch des Domkapitels
entsprechend, vor allem auch dem Studium der H e i l k u n d e zu widmen, damit er nach seiner
Rückkehr dem Bischof und den Domherren mit ärztlicher Hilfe zur Seite stehen konnte. Dieser
Entschluss des Kopernikus, sich ärztlich auszubilden, war dem Domkapitel sehr willkommen,
da studierte Ärzte sehr selten waren. Die Ausübung des ärztlichen Berufes durch Geistliche
hatte im übrigen nichts Befremdliches an sich, besagen doch schon Ende des 15. Jahrhunderts
erlassene Bestimmungen des Frauenburger Domkapitels, dass die Promotion in den kirchlichen
Wissenszweigen und in der Medizin gleich gewertet werden. Für die Befassung des Kopernikus
mit der Medizin sprach im übrigen auch die damals durch die Astrologie und ihre Anschauung
vom Einfluss der Konstellation der Gestirne auf das Leben der Menschen bedingte Auffassung
der engen Verbindung zwischen Mathematik-Astronomie und Medizin.
In die Zeit seines Studiums in Padua fällt der Abschluss seines Rechtsstudiums durch die am
31. Mai 1503 an der Universität F e r r a r a , wohin Kopernikus sich wahrscheinlich der geringeren
Kosten und der leichteren Bedingungen des Examens wegen begeben hatte, erfolgte feierliche
Promotion zum Doktor des kanonischen Rechts.
Im Spätherbst des Jahres 1503 kehrte Kopernikus dann in seine Heimat zurück, ohne sein
Medizinstudium mit der Promotion abgeschlossen zu haben.
Damit haben die Jahre des Studiums und der Ausbildung sowie der inneren und äusseren V or­
bereitung auf seine künftige administrative Tätigkeit, vor allem aber auch auf sein wissenschaft­
liches Schaffen in Frauenburg und im Ermland ihren Abschluss gefunden.
W i r k s a m k e i t in F r a u e n b u r g u n d i m E r m l a n d
Nach seiner Rückkehr aus Italien wurde Nikolaus Kopernikus zunächst von seinem Onkel, dem
Bischof von Ermland, Lukas Watzenrode, in dessen Dienst berufen. In dem Kapitel-Beschluss,
der Kopernikus, nachdem er seiner Residenzpflicht beim Dom zu Frauenburg nachgekommen
war, die Erlaubnis zur Übersiedlung nach dem nahegelegenen Bischofssitz H e i l s b e r g gab,
werden besonders seine Kenntnisse und Erfahrungen in der Heilkunde und die Notwendigkeit
seines Aufenthaltes in Heilsberg wegen der schwankenden Gesundheit des Bischofs betont.
Kopernikus war in den folgenden Jahren auch in der Regel am Bischofssitz in Heilsberg an­
wesend, wo er an den politischen und verwaltungsmässigen Aufgaben seines Onkels Anteil
nahm und von wo aus er den Bischof auf vielen seiner Reisen, insbesondere auf denen zu den
preussischen Landtagen und zu den polnischen Reichstagen, begleitete.
Eine Anwesenheit in K r a k a u im Jahre 1509 benützte er, um eine Frucht seiner hellenistischen
Studien, die er auf dem Schlosse zu Heilsberg vollendet hatte, und zwar die lateinische Über­
setzung der Episteln des T h e o p h y l a c t u s S i m o c a t t a , dem Druck zu übergeben, die so das
erste Buch wurde, das die griechische Literatur im deutschen Osten vertrat.
12
Noch vor dem 1512 erfolgten Tode des Bischofs Lukas W atzenrode siedelte Nikolaus Kopernikus
als Kanzler des Domkapitels wieder nach F r a u e n b u r g über, wo er spätestens Ende des Jahres
1510 anwesend ist. Er bezog den nordwestlichen Eckturm der Wehrmauer als seine Wohnung,
die ihm einen sehr guten Blick zum Sternenhimmel bot und zugleich als seine „Sternwarte“
bezeichnet werden kann.
Zweimal noch hat Kopernikus in der Folgezeit Frauenburg für längere Dauer verlassen; vom
November 1516 bis zum November 1519 war er als L a n d p r o p s t des Domkapitels (oberster
Verwaltungsbeamter des landesherrlichen Gutes) in A l l e n s t e i n tätig und auf der dortigen
Burg des Frauenburger Domkapitels ansässig. Kaum nach Frauenburg zurückgekehrt, musste
er des inzwischen ausgebrochenen „ R e i t e r k r i e g e s “ wegen mit den meisten Domherren nach
Allenstein zurück, um dort in der festen Burg Zuflucht und Sicherheit zu suchen. Vom November
1520 bis zum Juni 1521 war er dann nochmals als Landpropst in Allenstein tätig. Während
beider Aufenthalte in Allenstein hat sich Nikolaus Kopernikus neben der Erfüllung seiner dienst­
lichen Pflichten in gleicher Weise seinen astronomischen Studien gewidmet.
Nachdem Kopernikus dann endgültig nach Frauenburg zurückgekehrt war, führten ihn auch
dann noch mehrfach Reisen nach auswärts, insbesondere zur Teilnahme an den preussischen
Landtagen, auf denen er als Vertreter des Domkapitels oder für den Bischof anwesend war.
Seine Beanspruchung für Dienste des Domkapitels reichte bis in sein hohes Alter, was durch die
uns bekannt gewordenen Tatsachen, dass er noch 1541 die Verwaltung der Dombaukasse inne­
hatte und in Landesangelegenheiten tätig war, bezeugt wird.
Die enge, durch seine langjährige Anwesenheit und vor allem durch seine administrative Tä­
tigkeit bedingte Verbundenheit mit dem B i s t u m E r m l a n d und seinen politischen Verhält­
nissen erfordert einen kurzen Überblick über dieselben. Zurzeit des Eintretens von Nikolaus
Kopernikus in das Frauenburger Domkapitel waren der Bischof und alle Domherren wie die
gesamte Bevölkerung des Bistums Deutsche. Dies blieb auch zunächst so, obwohl bereits
1464, also 9 Jahre vor der Geburt von Kopernikus, der politische Anschluss an Polen in der
Weise vollzogen worden war, dass die Schirmvogtei über das Bistum, die bisher dem
Hochmeister des Deutschordens zugekommen, auf den Polenkönig übergegangen war. In
der Folgezeit wurden die Auseinandersetzungen jedoch stärker. Polnischerseits versuchte
man auf den verschiedensten Wegen Polen als Domherren oder gar als Bischöfe durchzusetzen,
während das Frauenburger Domkapitel mit allen Kräften für die Erhaltung seines Deutschtums
kämpfte. Über den Papst gelang es dem Polenkönig schliesslich, einzelne Polen in das
Frauenburger Domkapitel hineinzubringen, sodass zur Zeit des Todes von Kopernikus
vier bzw. sechs der sechzehn Frauenburger Domherren dem polnischen Volkstum angehörten.
Die Stellungnahme, die Nikolaus Kopernikus in diesen Fragen einnahm, war stets klar und
eindeutig deutsch.
Diese Verhältnisse beeinflussten auch die Nachfolgeschaften des Bischofs L u k a s W a t z e n r o d e ,
dem zu Lebzeiten des Kopernikus die Deutschen F a b i a n v o n L o s s a i n e n (1512— 1523),
M a r i t i u s F e r b e r (1523— 1537) und J o h a n n e s D a n t i s c u s (1537— 1548) nachfolgten. Mit
Ausnahme von Dantiscus, der als Domherr ein ausschweifendes Leben geführt hatte und als
Bischof sich plötzlich ganz gegenteilig gebärdete und dem die Denkungsart der Frauenburger
Domherren in den kirchlichen Auseinandersetzungen seiner Zeit mit L u t h e r und seinen An­
hängern zu milde und tolerant war, der einige Schwierigkeiten bereitete, kam Kopernikus mit
den seinem Onkel nachfolgenden Bischöfen recht gut aus.
Neben seiner administrativen und politischen Wirksamkeit war Kopernikus während seiner
Frauenburger Zeit wiederholt auch als A r z t tätig. Alle Biographen berichten, dass er keinem
13
Armen seine ärztliche Hilfe verweigert habe. Aus den uns heute bekannten Unterlagen wissen
wir jedoch nur von den bedeutenden Zeitgenossen, denen er ärztliche Hilfe zuteil werden liess.
Oben war schon von seiner Anwesenheit als Arzt am Hofe seines Onkels, des Bischofs L u k a s
W a t z e n r o d e , berichtet worden. Auch den nachfolgenden Bischöfen, vor allem dem häufig
kränkelnden F e r b e r , sowie seinem Freunde T i e d e m a n n Gi ese, der als früherer Frauenburger
Domherr Bischof von Kulm (und nach Kopernikus’ Tode als Nachfolger von Dantiscus Bischof
von Ermland) wurde, hat Kopernikus ärztlichen Beistand geleistet. Bekannt ist die Tatsache,
dass der grosse Astronom, fast 70jährig, einer Bitte des Herzogs A l b r e c h t v o n P r e u s s e n
Folge leistete und ungeachtet der verschiedenen Konfession, was ein bezeichnendes Licht auf
seine kirchliche Stellungnahme wirft, als Arzt an das Krankenlager des herzoglichen Freundes
G e o r g v o n K u l e n h e i m nach K ö n i g s b e r g eilte, wo er sich längere Zeit aufgehalten hat.
Manche der von Kopernikus benützten medizinischen Bücher, die fast durchweg in Schweden
lagern, geben mit seinen eigenhändig hinterlassenen Notizen näheren Aufschluss über sein ärzt­
liches und medizinisches Denken.
Ein weiterer Wirkungsbereich des Kopernikus während seiner Frauenburger und seiner ermländischen Zeit war seine Befassung mit der neuen P r e u s s i s c h e n M ü n z - O r d n u n g . Die Neu­
ordnung des preussischen Münzwesens war ein dringendes Erfordernis und Gegenstand mehrerer
Sitzungen des Preussischen Landtages. Sein erstes Gutachten aus dem Jahre 1519 in d e u t s c h e r
Sprache hat Kopernikus nach nochmaliger Überarbeitung 1522 auf dem Landtage selbst vor­
getragen. Später erstellte er eine erweiterte Denkschrift in l a t e i n i s c h e r Sprache. Die V or­
schläge des Kopernikus wurden als geeignete Grundlage der erforderlichen Neuordnung empfun­
den. Sie wurden jedoch, da es zu keiner endgültigen Einigung kam, nicht verwirklicht.
Tragender Mittelpunkt all der vielfältigen, verantwortungsvollen und bedeutsamen Wirksamkeit
des Kopernikus in Frauenburg und im Ermland aber war sein a s t r o n o m i s c h e s S c h a f f e n ,
über das der folgende Abschnitt ausführlich berichtet.
A s tr o n o m is c h e s S ch a ffen und k o pern ikan isch es W eltg eb ä u d e
Aufbauend auf den Kenntnissen und Erkenntnissen, die er aus Krakau und vor allem aus Italien
mitgebracht hatte, widmete sich Kopernikus in den rund 40 Jahren seiner Frauenburger und
ermländischen Tätigkeit mit Ernst und Hingabe seinem astronomischen Studium und Schaffen.
Seine ihm als Domherr und in den anderen von ihm zeitweise versehenen Stellungen obliegenden
dienstlichen Verpflichtungen Hessen ihm hierzu an allen Orten, an denen er tätig war, die er­
forderliche Zeit.
Ihr Ergebnis war jene revolutionäre Wendung, wie sie für alle Zeiten mit der Persönlichkeit
und dem W erk des Kopernikus verbunden ist, der aus dem uralten germanischen Sucher- und
Forscherdrang heraus sein neues W eltbild schuf und mit ihm eine neue Epoche der Naturer­
kenntnis und des Geisteslebens überhaupt einleitete.
Im gesamten Denken und Schaffen des grossen Nikolaus Kopernikus sind folgende Wesenszüge
besonders offenbar, die bei allen späteren grossen arisch-germanischen Naturforschern in gleicher
Weise wieder zu finden sind:
1. Das Herangehen an die Erforschung und Erklärung der Natur mit einer bestimmten I d e e .
2. Die gleichzeitige Begründung der neuen Erkenntnis durch B e o b a c h t u n g e n .
3. Der Grundsatz, dass alles, was an Ergebnissen erzielt wird, erst vielfältigen Nachprüfungen
standhalten und jede nur mögliche Verbesserung und Begründung erfahren muss, ehe es
an die Öffentlichkeit gebracht wird.
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Mit diesen Wesenszügen wird Kopernikus für die heutige Zeit, in der wir wieder mitten in den
Auseinandersetzungen über die Grundsätze echter Naturforschung leben, ein leuchtendes Vorbild
für alle diejenigen, denen echte, auf der B e o b a c h t u n g beruhende und die W a h r h e i t suchende
Naturforschung höchstes Ziel und eigenes inneres Anliegen ist.
Leider hat uns Kopernikus nicht in so offener Weise Einblick in sein Schaffen und in die Gedanken­
gänge, die ihn bewegten, gegeben, wie dies später sein grösser Nachfolger J o h a n n e s K e p l e r
(1571— 1630) tat. Dieser Sachverhalt brachte es mit sich, dass im Laufe der Zeiten ein um­
fangreiches wissenschaftliches Schrifttum entstand, das sich vor allem mit der Frage befasste,
wie und auf welche Weise Kopernikus zu dem Grundgedanken seines neuen Weltbildes gekommen
war, dass entgegen der überlieferten ptolomäischen Anschauung und entgegen dem Sinnenschein
nicht die Erde ruht und Sonne und Planeten um sie kreisen, sondern dass die Sonne ruht und
Erde und Planeten sich um sie bewegen. Das besondere Augenmerk all dieser Erörterungen
galt vor allem der Entscheidung der Frage der Abhängigkeit des grossen deutschen Astronomen
von der Antike, in der bei pythagoräischen Mathematikern im 4. Jahrhundert v. ZW . der Gedanke
der Bewegung der Erde nachweisbar vorhanden war. Einer derselben, A r i s t a r c h v o n S a m o s
(ca. 310— 230 v. ZW .) liess die Erde gleich allen anderen Planeten um die Sonne als Mittelpunkt
kreisen und war so der erste, in der Folgezeit aber fast nicht mehr beachtete Vertreter eines
h e l i o z e n t r i s c h e n W e l t s y s t e m s . Die neueste, alle bisherigen Forschungsergebnisse und
vorhandenen Quellenmaterialien zusammenfassende und auf umfangreichen eigenen Unter­
suchungen beruhende Arbeit von E u g e n B r a c h v o g e l : „Nikolaus Koppernikus und Aristarch
von Samos“ hat abschliessend den klaren Nachweis erbracht, dass die kopernikanische Erkenntnis
selbständig und unabhängig von Aristarch entstanden ist. Sie zeigte darüber hinaus auf, welcher
Unterschied zwischen dem heliozentrischen Weltsystem des Aristarch und dem des Kopernikus
besteht und wie weit Kopernikus über Aristarch hinausführte: denn was bei letzterem ein G e­
d a n k e und eine V o r s t e l l u n g war, wurde bei Kopernikus durch Forschung gewonnene f e s t ­
g e g r ü n d e t e E r k e n n t n i s d e r W i r k l i c h k e i t . Es war wirkliche Schöpfung, die ja nicht da
vorliegt, wo ein neuer originaler Gedanke einmal aufleuchtet, sondern vielmehr dort, wo dieser
Gedanke zum herrschenden Prinzip erhoben wird und in der Gestaltung und Durcharbeitung
seine Kraft und seine Fruchtbarkeit erweist.
Der Frage der Verwurzelung des Kopernikus in den Gedankengängen deutscher und europäischer
Denker und Naturforscher, die in den Jahrhunderten unmittelbar vor ihm und zu seiner Zeit
selbst lebten und wirkten, ist kein so grösser Raum im vorliegenden Schrifttum gewidmet. Den­
noch ist ihre Behandlung zumindest ebenso bedeutungsvoll, wie die der Abhängigkeit des Koper­
nikus von Aristarch — vermittelt sie doch Einblick in die Einordnung des Kopernikus in die
Gesamtentwicklung des europäischen und deutschen Geisteslebens, vor allem aber in die Linie
der d e u t s c h e n N a t u r f o r s c h u n g , zu deren ersten Vertretern Kopernikus selbst gehört.
Wir werden daher später gerade hierauf noch einmal besonders zu sprechen kommen.
Über die astronomische A r b e i t s w e i s e des Kopernikus sind wir besser unterrichtet. Über
sie berichtet uns der Schüler des Kopernikus, R h a e t i k u s , der sich im Frühjahr 1539 aus eigenem
Antrieb von Wittenberg, wo er Professor der Mathematik war, nach Frauenburg begeben hatte,
folgendes: „Mein Herr Lehrer hat die Beobachtungen aller Zeiten mit den seinigen in eine Ordnung
gebracht und in Verzeichnisse zusammengetragen, die er immer zum Einblick bereitliegen hatte.
Wenn nun etwas festzustellen oder in die Wissenschaft und angenommene Lehre aufzunehmen
ist, schreitet er von jenen ersten Beobachtungen ausgehend bis zu seinen eigenen fort und er­
wägt sorgfältig, nach welchem Gesetze sie miteinander in Einklang zu bringen sind. Was er nun
hierbei durch richtige Schlussfolgerung aufgefunden hat, das vergleicht er mit den Lehren der
Alten und des Ptolomäus. Wenn er dann, nachdem er alles mit der grössten Sorgfalt erwogen,
15
erkannt hat, dass unter dem Zwang der Astronomie die bisherigen Hypothesen aufgegeben werden
müssen, dann stellt er endlich die neuen Gesetze für die Astronomie auf und begründet mit
Hilfe der Mathematik m streng geometrischer Beweisführung, was aus seiner Lehre durch richtige
Schlüsse hergeleitet werden kann. Schliesslich untersucht er, wie die Beobachtungen der Alten
und die seinigen zu der neuen Lehre passen. Dann erst, nachdem er soviel Mühe und Arbeit
überwunden, bestimmt er das neue Gesetz für die Astronomie.“
Die meisten seiner eigenen Beobachtungen und fast alle 27, die er in seinem Hauptwerk er­
wähnte, hat Kopernikus im übrigen in Frauenburg angestellt. Was er dort an B e o b a c h t u n g s ­
i n s t r u m e n t e n hesass, war überaus bescheiden und fast durchweg in der einfachsten Form
von ihm selbst hergestellt. Gegenstand der Beobachtungen waren meist Verfinsterungen der
Sonne und des Mondes, Sonnenhöhen sowie die Planeten. Insgesamt haben wir heute Kenntnis
von 63 Beobachtungen, die Kopernikus angestellt hat, woraus sich ergibt, dass in seinem Haupt­
werke nur der kleinere Teil derselben offen zutage liegt.
An dieser Stelle muss auch noch darauf hingewiesen werden, dass Kopernikus nicht nur selbst
Beobachtungen anstellte, sondern sich auch eigenständig das mathematische Rüstzeug bereitete,
das er zu ihrer Auswertung und zur Feststellung seines neuen Gesetzes der Astronomie benötigte.
Es ist hier nicht der Ort und steht auch nicht der Raum zur Verfügung, auf die astronomische
Seite der kopernikanischen Arbeit und die Entwicklung seines Weltbildes im einzelnen einzu­
gehen. Sorgfältige Nachforschungen haben ergeben, dass das kopernikanische System, wie es
uns endgültig aus dem Hauptwerk des Kopernikus bekannt ist, nicht auf einmal und nicht von
Anfang an in dieser Form geschaffen wurde. Vielmehr hat ihr Schöpfer, allerdings stets auf der
Grundlage der ruhenden Sonne und der um sie sich bewegenden Erde und Planeten, seine An­
schauung im einzelnen laufend verändert und verbessert und sein System insgesamt dreimal
völlig neu bearbeitet. Die erste Form liegt uns in der als „ C o m m e n t a r i o l u s “ bekannten kleinen
Schrift des Kopernikus vor, in der er etwa um 1510 die Grundgedanken seines Weltbildes für
befreundete Persönlichkeiten in h a n d s c h r i f t l i c h e r Form niedergelegt hat. Nach dieser erst
1878 wieder aufgefundenen Schrift mit dem vollständigen Titel: „N icolai Copemici de hypothesibus
motuum coelestium a se constitutis commentariolus“ bewegen sich alle Planeten in kreisförmigen
Bahnen um die Sonne, die im Mittelpunkt steht, während die Erde sich ausserdem täglich um
ihre eigene Achse dreht und dabei selbst wieder vom Mond umkreist wird. Der Fixsternhimmel
ruht und ist so weit von der Sonne entfernt, dass die Bewegung der Erde um die Sonne seinen
Anblick von der Erde aus nicht ändert. Die durch die Antike bestimmte Annahme der Gleich­
förmigkeit aller Kreisbewegungen erforderte die Zuhilfenahme doppelt-epizyklischer Bewegungen
zur Erklärung des Laufes der Planeten. Kopernikus rühmte sich im „Commentariolus“ , dass
er auf diese Weise mit nur 34 Bewegungen die Himmelsvorgänge darzustellen und zu erklären
in der Lage sei.
Während dem „Commentariolus“ , den wir als ersten Entwurf des kopernikanischen Weltsystems
bezeichnen können, also ein zwei-epizyklisches konzentrisches System zu Grunde lag, stellt
das im kopernikanischen Hauptwerk niedergelegte endgültige W eltbild ein ein-epizyklisches
exzentrisches System dar, bei dem die Sonne also nicht mehr genau den Mittelpunkt der Erd­
bewegung bildet, sondern etwas ausserhalb desselben ihren Ort hat. Die Arbeit langer Jahre,
vor allem sorgfältigste Prüfung seiner Annahmen und Vergleich ihrer Ergebnisse mit den Beobach­
tungsresultaten, führte Kopernikus zu diesem seinem W eltbild, dessen erste Fassung er zwischen
1515 und 1519 nochmals umgearbeitet und erst zwischen 1523 und 1532 in seine endgültige
Form gebracht hat.
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DAS
DOKTOR-DIPLOM
DES
NIKOLAUS
KOPERNIKUS
VON
DER
UNIVERSITÄT
FERRARA
AUS
DEM
JAHRE
1503
NICOLAI
P E R N I C I
DB
CO
T O R I N E N
REVOLVTIONIBVS
SIS
O R Ii«
« m ccclcftiam, L ibri v u
H a b « in b o c operc iam recens nato,& » d it o ,
ßudiofe k<flor,Motus ftcllarum, tarn fixarum,
quam erraticarum,cum cx uctcribus, tum « ia m
cx rccentibus obferuationibus rcftitutos:& no>
uis infupcr ac admirabilibus hypothefibu* o rnaros.Habes «ia m Tabulas cxpeditifsimas, ex
quibus cofdem ad quoduistempus quam facilli
mctalculare poteris.Igicur eme,Itg^,fruerc,
*’A i« «torru»
Norimbergar apud loh . Prtreium,
A nno
m,
n.
x m i.
T I T E L B L A T T D E R E R S T A U S G A B E DES KÖ PER N IR A N IS C H E N H A U P T W E R K E S „D E R E V O L U T IO N IB U S O R B IU M
C O E L E S T IU M “ A U S D E M JAH RE 1543
Diese Form lag also bereits lange Jahre vor, als R h a e t i k u s in Frauenburg eintraf. Doch K o ­
pernikus zögerte trotz seines und seiner Freunde Drängen mit der Veröffentlichung. Er wies
oft auf die Sitte der Pythagoräer hin, die ihre Philosophie nicht veröffentlichten, sondern stets
nur mündlich im eigenen Kreise Weitergaben. Seine Zurückhaltung war sicher nicht in der Scheu
vor dem Widerspruch, den seine Forschungsergebnisse erwecken mussten, begründet, sondern
vielmehr in der Scheu vor dem lärmenden Sich-Einmischen Nichtverstehender, wie P h i l i p p
L e n a r d in seinen „Grossen Naturforschern“ mit Recht festgestellt hat.
Mit Genehmigung seines Lehrers hatte Rhaetikus noch im Jahre seiner Ankunft in Form eines
Sendschreibens einen Vorbericht über das kopernikanische System verfasst, der unter dem
Titel „Narratio prima de libris Revolutionum Nicolai Copernici“ 1540 auch im Druck erschien.
Zwei Jahre später — nachdem Kopernikus dem Drängen seiner Freunde nachgegeben hatte —
konnte R h a e t i k u s dann in Nürnberg die Drucklegung des Hauptwerkes von Nikolaus K o­
pernikus selbst in die Wege leiten. Es erschien 1543 mit dem Titel
„Nicolai Copernici Torinensis de revolutionibus orbium coelestium Libri V I“ .
Der im hohen Alter stehende Schöpfer dieses epochalen Werkes aber war während der Druck­
legung schwer erkrankt. Es wird berichtet, dass der greise Forscher, kurz bevor er starb, noch
das erste Exemplar seines gedruckten Werkes erhielt.
Am 24. Mai 1543 verschied Nikolaus Kopernikus — über 70jährig — und wurde als Domherr
im Dome zu Frauenburg zur letzten Ruhe gebettet. Die Kenntnis der G r a b s t ä t t e ging in
der Folgezeit verloren — vielleicht führen neu angestellte Nachforschungen, die im Herbst 1939
durch den Krieg unterbrochen wurden, nach ihrer Beendigung zur Klarheit. Sein W e r k aber,
das zunächst von der Mitwelt nur gleichgültig aufgenommen worden war, wurde bald als Fanal
einer neuen Zeit bekannt. Es setzte sich allen Verfolgungen, die ihm die Hüter des Dogmas
und der geistigen Unfreiheit bereiteten, zum Trotz in langen Jahren und nach harten Kämpfen
durch und erstritt so — und das ist das grösste und bleibende Verdienst des Kopernikus —
einer n e u e n E p o c h e d e s D e n k e n s u n d F o r s c h e n s in der Geschichte der Menschheit
den Sieg.
K a m p f und D u r c h s e t z u n g d e r L e h r e des K o p e r n i k u s
Das Werk des Kopernikus war in der Zeit grösser Entdeckungen und grösser geistiger
Entscheidungen entstanden und herausgekommen. Es sei nur an den anderen grossen
Deutschen jener Zeit, an M a r t i n L u t h e r , erinnert, der 1517 seine 95 Thesen in
Wittenberg angeschlagen und damit offen seinen K am pf gegen die geistige Zwangsherrschaft
und den Dogmatismus der römischen Kirche aufgenommen hatte. Beide, Kopernikus und
Luther, sind, auch wenn sie sich in noch so vielem unterscheiden, als Glieder der ewigen
Kette des gleichen germanischen Kampfes um Geistesfreiheit zu werten. Sie kämpften beide
auf verschiedenen Ebenen. W ir wissen aus Überlieferungen, dass Kopernikus den K am pf
Luthers mit Anteilnahme verfolgte, und zusammen mit seinem Freund, dem nachmaligen
Bischof Tiedemann Giese, die Misstände der römischen Kirche offen sah. Kopernikus, der
seine eigene Lebensaufgabe darin erblickte, sein neues W eltbild zu schaffen und zur Geltung
zu bringen, glaubte jedoch, dass durch Massnahmen der Erneuerung, die er allerdings für drin­
gend notwendig hielt, der Bestand der alten Kirche noch erhalten werden könnte. So ist es zu
verstehen, dass der Mann, der als Revolutionär des Geistes einem neuen W eltbild die Bahn
brach, in dieser Hinsicht noch in der alten W elt verhaftet blieb.
Das W e r k des Kopernikus aber hatte den K am pf mit b e i d e n Kirchen zu bestehen. Die ersten
Angriffe kamen von der evangelischen Seite— und zwar von L u t h e r und von M e l a n c h t h o n .
17
Von L u t h e r stammt der Ausspruch: „D er Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren!
Aber wie die heilige Schrift anzeigt, so hiess Josua die Sonne still stehen und nicht das Erd­
reich!“ Und M e l a n c h t h o n schrieb im Herbst 1541: „Manche halten es für eine hervorragende
Leistung, eine so verrückte Sache zu machen, wie dieser preussische Sternforscher, der die Erde
bewegt und die Sonne anheftet. Wahrlich, weise Herrscher sollten die Zügellosigkeit der Geister
zähmen!“ Ein lutherischer Geistlicher, O s i a n d e r , war es auch, der, nachdem ihm 1442 von
Rhaetikus die Aufsicht über die Drucklegung des kopernikanischen Hauptwerkes in Nürnberg
übertragen worden war, eine grobe Irreführung bewirkte, indem er ohne Namensnennung —
sodass man glauben konnte, dass Kopernikus selbst ihr Verfasser sei
dem Werke eine V or­
rede einfügte, die die neue Lehre als blosse H y p o t h e s e hinstellte.
Katholischerseits hatte man sich zunächst nicht in den Streit der Meinungen eingemischt.
Während der Arbeit an seinem Werke hatte Kopernikus sogar Förderung und Interesse an
demselben durch einzelne Persönlichkeiten der katholischen Kirche erfahren. So hatte sich
1515 der Bischof P a u l v o n M i d d e l b u r g , der vom Papst mit Vorarbeiten zur Kalenderver­
besserung betraut worden war, an Kopernikus gewandt mit der Bitte, ihm hierfür auf Grund
seiner Arbeiten und Kenntnisse einen eigenen Vorschlag zu machen. Kopernikus hatte damals
geantwortet, dass seine Untersuchungen noch nicht soweit gediehen seien, dass er einen Vor­
schlag oder seine Vorarbeiten einsenden könne. 1536 hatte der Kardinal N i k o l a u s v o n S c h ö n ­
b e r g aus R om an Kopernikus geschrieben und die Bitte geäussert, dass Kopernikus sein Werk
veröffentlichen möge. Als diese Veröffentlichung dann erfolgte, hat Kopernikus diesen Brief
und eine eigene Vorrede mit W idmung seines Werkes an den damaligen Papst Paul III. als
Einleitung der „Revolutiones“ drucken lassen. Trotz dieser Einleitung aber hat die katholische
Kirche bald jenen scharfen K am pf gegen die Lehre des Kopernikus und ihre Verbreitung be­
gonnen, der dazu führte, dass 1616 die „Revolutiones“ auf den Index gesetzt wurden, und fortan
bis zum Jahre 1835 zu den für die Katholiken von Rom aus verbotenen Büchern gehörten. Äusserer
Anlass für das Verbot des Werkes des Kopernikus war der Versuch von G a l i l e i (1564— 1642),
der als einer der ersten für die kopernikanische Lehre eintrat, den Papst zu bestimmen, die
Erdbewegung als mit der Bibel vereinbar zu erklären. Galilei zog sich dadurch die Vernehmufig
und Verfolgung durch die Inquisition zu, die ihn auch, nachdem er, von ihr dazu gezwungen,
der Lehre des Kopernikus abgeschworen hatte, bis an sein Lebensende verfolgte. Die gleiche
Inquisition hatte G i o r d a n o B r u n o (1548— 1600), der das kopernikanische W erk als erlösende
Tat begrüsst und zur Anschauung von der Unendlichkeit des Weltalls verallgemeinert hatte,
im Jahre 1600 in Rom den Scheiterhaufen bereitet.
Es liegt auf der Hand, dass diese Versuche der Unterdrückung des kopernikanischen W elt­
bildes durch die Kirche von R om viele Gegner schafften, die sonst nicht aufgetreten wären,
und die den K am pf um die Durchsetzung der neuen Lehre zunächst erheblich erschwerten. Aber
wie überall so hat sich auch hier nicht das Dogma behauptet, sondern der Geist der Wahrheit
blieb siegreich.
Diesem Geiste entsprach es, dass die Lehre des Kopernikus in der Folgezeit genauesten
Nachprüfungen an der Wirklichkeit standzuhalten hatte. Kopernikus selbst hatte hiermit den
Anfang gemacht, indem er auf Grund seiner Lehre ein Jahrbuch über den künftigen Lauf der
Planeten vorausberechnete, um die Ergebnisse dieser Vorausberechnungen mit der Wirklichkeit,
d. h. mit Beobachtungen, vergleichen zu können. Dieses Vorhaben kam jedoch nicht zur eigent­
lichen Auswirkung. Als dann nach dem Erscheinen der „Revolutiones“ und nach dem Tode ihres
Schöpfers andere die Prüfung seiner Lehre durch Beobachtungen fortsetzten, fiel das Urteil
nicht immer zu ihren Gunsten aus. Die von E r a s m u s R e i n h o l d (1511— 1553) auf der Grund­
lage der kopernikanischen Lehre erstellten Vorausberechnungen in den sogen. „ P r u t e n i s c h e n
T a f e l n “ ergaben in den meisten Fällen gute Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, oft aller­
dings auch ziemlich beträchtliche Abweichungen, die unbedingt auf Mängel in der neuen Lehre
hindeuten mussten. Dies führte dazu, dass der Schwede T y c h o B r a h e (1546— 1601), der beste
beobachtende Astronom seiner Zeit, der zur Aufklärung des Sachverhaltes umfangreichste und
genaueste Beobachtungen anstellte, zur Ablehnung des neuen Systems kam und eine eigene
Theorie aufstellte, nach der zwar die Erde als fest angenommen wird, alle anderen Planeten
aber um die Sonne kreisen, die sich selbst wieder um die Erde bewegt. Trotzdem hat T y c h o
B r a h e mit seinem Lebenswerk entscheidend zum Sieg des kopernikanischen Weltbildes bei­
getragen: denn seine Beobachtungen gaben dem grossen Astronomen J o h a n n e s K e p l e r
(1571— 1630) die Möglichkeit, eine genaue Nachprüfung der kopernikanischen Lehre vorzu­
nehmen. Ihr Ergebnis war die Feststellung Keplers, dass an die Stelle der Kreisbahnen des
Kopernikus Bahnbewegungen in (allerdings nahezu kreisförmigen) E l l i p s e n b a h n e n zu treten
hatten, für die er als Gesetzmässigkeiten die nach ihm bekannten 3 Kepler’ schen Gesezte auf­
stellte. Mit diesem Ergebnis der Forschungsarbeit Keplers war dem Sieg der Lehre des Koper­
nikus die Bahn bereitet: denn nunmehr war die Übereinstimmung der Yorausberechnungen
der Himmelsvorgänge, für die Kepler selbst seine „ R u d o l f i n i s c h e n T a f e l n “ erstellte, mit
der Wirklichkeit in bisher nie gekanntem Ausmass vorhanden.
Es darf uns Deutsche mit besonderem Stolz erfüllen, dass gerade der Deutsche Kepler es war,
der dem Werke von Kopernikus entscheidend zum Durchbruch verhalf. Es muss an dieser Stelle
jedoch auch ausgesprochen werden, dass die Feststellung dieser Tatsache als solcher uns heute nicht
mehr genügen darf. Sie muss vielmehr darüber hinaus zur Untersuchung über das wesensmässige
innere Verhältnis zwischen den beiden grossen deutschen Astronomen und Naturforschern der
Zeitenwende des 16. Jahrhunderts anregen. Dabei wird sich dann trotz aller Verschiedenheit
der beiden Persönlichkeiten und ihrer geistigen Veranlagungen ein dem deutschen Wesen zu­
tiefst verwurzelter Gleichklang einer gleichartigen Denkweise und Naturanschauung zeigen,
wie sie den grossen deutschen Naturforschern der Folgezeit ebenfalls eigen ist.
Die gleiche Untersuchung aber wird auch im Hinblick auf das innere Verhältnis zwischen K o ­
pernikus und Newton anzustellen sein. Nach ihrem Ergebnis wird dann die in der Literatur immer
wiederkehrende Feststellung, dass der Engländer N e w t o n (1643— 1727) durch rseine Lehre
und seine 3 Bewegungsgesetze das kopernikanische System g e k r ö n t habe, sicherlich neu zu
beantworten sein.
Anders steht es mit der Feststellung der Bedeutung, welche die erste Messung der Parallaxe
eines Fixsterns durch den deutschen Astronomen F. W . B es sei (1784— 1864) für die koperni­
kanische Lehre hatte: sie ergab den Nachweis der Wiederspiegelung der Bewegung der Erde
um die Sonne am Fixsternhimmel und brachte damit tatsächlich die letzte voll gültige Bestä­
tigung der kopernikanischen Weltanschauung.
Mit der Fragestellung K o p e r n i k u s — K e p l e r — N e w t o n aber haben wir bereits mitten in den
folgenden Abschnitt hineingegriffen, der den heutigen Aufgaben der Kopernikusforschung ge­
widmet sein soll und dem wir uns nun abschliessend zuwenden wollen.
D ie K o p e r n i k u s f o r s c h u n g u n d i h r e h e u t i g e A u f g a b e
In den vorhergehenden Abschnitten haben wir das Leben, Schaffen und Weltgebäude des K o­
pernikus in den wesentlichsten Punkten umrissen. Was an äusseren Angaben und Daten hierzu
benötigt wurde, lag fast durchweg — dank umfangreicher, bis in die Gegenwart sich erstrecken­
der Forschungsarbeiten — vor. Ein Eindringen in Einzelheiten hätte jedoch zu Lücken geführt,
19
die erst noch geschlossen werden müssen. Dies aber stellt keineswegs, wie man vielleicht meinen
mochte, das Kernproblem der heutigen Aufgabe der K o p e r n i k u s f o r s c h u n g dar. Dasselbe
weist vielmehr weit darüber hinaus und erfordert die Lösung wesentlich grösserer Aufgaben
Bevor wir zu diesem eigentlichen Kernproblem der heutigen Kopernikusforschung selbst vorstossen, sei eine kurze Umschau gestattet auf das, was die Kopernikusforschung bis heute
geleistet hat.
Ein Blick in die Kartei des vorliegenden K o p e r n i k u s - S c h r i f t t u m s überwältigt zunächst durch den ausserordentlichen Umfang, der aber bei näherem Überdenken der epo­
chalen Bedeutung der Persönlichkeit und des Werkes von Kopernikus und des langen inzwi­
schen verflossenen Zeitraumes von fast 4 Jahrhunderten naheliegend und selbstverständlich
wird. Aus der Fülle des Kopernikus-Schrifttums ragen folgende Gruppen besonders hervor:
a) D ie A u s g a b e n d e r W e r k e
wie in Ü b e r s e t z u n g e n :
und
S c h r i f t e n des K o p e r n i k u s in der U r s p r a c h e
Den Kern dieser Gruppe bilden naturgemäss die Ausgaben des kopernikanischen Hauptwerkes
„ D e R e v o l u t i o n i b u s “ . Hierzu sei nur kurz bemerkt, dass auf die erste Ausgabe, die 1543
m N ü r n b e r g erschien, weitere lateinische Ausgaben folgten und zwar die von B a s e l im Jahre
1566, die von A m s t e r d a m im Jahre 1617, die sog. W a r s c h a u e r A u s g a b e im Jahre 1554,
die sog. T h o r n e r S ä k u l a r a u s g a b e auf der Grundlage des Originalmanuskripts des K oper­
nikus im Jahre 1873 und eine p h o t o g r a p h i s c h e R e p r o d u k t i o n d e r N ü r n b e r g e r E r s t ­
a u s g a b e in Paris im Jahre 1927.
Daneben erschienen zahlreiche Übersetzungen des gesamten wie ausgewählter Abschnitte des
Textes, von denen uns vor allem die erste und bisher einzige vollständige deutsche Übersetzung
interessiert, die von C. L. M e n z z e r erstellt wurde, 1879 in Thorn erschien und 1939 von J. H op ­
m a n n in unverändertem Nachdruck in Leipzig neu herausgebracht wurde. Diese Übersetzung
hat bisher gute Dienste geleistet, wenn auch nicht verschwiegen werden darf, dass sie viele
Fehler und Mängel aufweist, die nur durch eine vollständig neue Übersetzung zu beseitigen sind
Daneben liegen die übrigen Schriften und die Briefe des Kopernikus — soweit sie lateinisch
geschrieben sind, z. T. auch in deutscher Übersetzung — an verschiedenen Stellen verstreut vor.
b) D a s S c h r i f t t u m ü b e r d i e V o l k s t u m s z u g e h ö r i g k e i t d es K o p e r n i k u s :
Die hierhergehongen Schriften stammen der Natur der Sache entsprechend im wesentlichen von
deutschen und polnischen Verfassern. Dabei übertrifft der Umfang des polnischen Anteils den des
deutschen — ein Beweis mehr dafür, wie der heute endgültig zerschlagene polnische Staat das Letzte
versuchte, Kopernikus mit den umfangreichsten „Beweisführungen“ für sich zu beanspruchen.
Zur Charakterisierung der Sachlage darf jedoch nicht unterlassen werden, darauf hinzuweisen,
dass nicht alles polnische Schrifttum den Anspruch der polnischen Volkstumszugehörigkeit des
Kopernikus vertritt, sondern dass unter ihm Werke auch der neuesten Zeit zu finden sind, welche
die Frage der Volkstumszugehörigkeit des Kopernikus offen lassen oder wahrheitsgemäss im
deutschen Sinn beantworten.
Das Schrifttum über die Volkstumszugehörigkeit des Kopernikus ist heute im wesentlichen
abgeschlossen, nicht nur, weü durch den deutschen Sieg des Jahres 1939 im Osten politisch
eine neue und endgültige Ordnung geschaffen wurde, sondern vor allemdeshalb, weil das d e u t ­
sc he B e w e i s m a t e r i a l in jedem Punkte hieb- und stichfest vorliegt. W ir gebrauchen dasselbe
heute nicht mehr in der Auseinandersetzung mit Polen, wir benötigen es auch in Europa wohl
nur noch in wenigen Fällen, wir werden es aber gerne jenen Geistern jenseits des Ozeans auf
den Tisch legen, die glauben, in Zukunft die Hypothese der polnischen Volkstumszugehörig­
keit des Kopernikus von der „Neuen W elt“ aus vertreten zu können.
20
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DA S K O P E R N IK A N IS C H E W E L T S Y S T E M . E IG E N H Ä N D IG E Z E IC H N U N G V O N N IK O L A U S K O P E R N IK U S.
E N T N O M M E N A U S : H. S C H M A U C H : „N IK O L A U S C O P P E R N IK U S — E IN D E U T S C H E R “
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3. D a s s o n s t i g e S c h r i f t t u m ü b e r P e r s ö n l i c h k e i t u n d W e r k d e s K o p e r n i k u s :
Es übertrifft an Umfang die beiden anderen Gruppen bei weitem. Es behandelt vor allem
B i o g r a p h i e n sowie Arbeiten über die vielfältigen E i n z e l f r a g e n der Kopernikusforschung. Zu
dieser Gruppe gehört an erster Stelle die einzige bisher vorliegende umfassende deutsche K o ­
p e r n i k u s -Bi o g r a p hie, die L e o p o l d P r o w e in Thorn bearbeitet und in den Jahren 1883/84__
also vor nunmehr nahezu 60 Jahren — in zwei Bänden (Bd. 1 in 2 Teilen die Lebensbe­
schreibung und in Bd. 2 Urkunden enthaltend) veröffentlicht hat.
Besonders hervorzuheben aus dieser Gruppe sind weiter die wenigen Schriften, die sich an Ein­
zelproblemen mit der Einordnung von Kopernikus in die europäische und deutsche Geistes­
geschichte wie in die Entwicklung der europäischen und deutschen Naturanschauung befassen.
Eine Sonderstellung nimmt das Schrifttum ein, das den Bildnissen von Kopernikus gewidmet
ist, dem ebenfalls ein besonderes Interesse gilt.
Eine eingehende Betrachtung der vorliegenden Kopernikus-Literatur ergibt, dass von der Frage
der Volkstumszugehörigkeit abgesehen, die in unserer Zeit endgültig und wissenschaftlich exakt
im deutschen Sinne entschieden wurde, die wesentlichen und grossen Probleme der Kopernikus­
forschung entweder nur in Bearbeitungen aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts oder
aber überhaupt noch nicht vorhegen. Das Letztere gilt insbesondere von einer Gesamtausgabe
der Werke und Schriften des Kopernikus, die bis heute weder im Urtext noch in einer deutschen
Gesamtausgabe vorhanden ist.
Hieraus resultieren die z w e i g r o s s e n u n d z e n t r a l e n A u f g a b e n d e r K o p e r n i k u s ­
f o r s c h u n g v o n h e u t e : 1. Die Erstellung einer neuen K o p e r n i k u s - B i o g r a p h i e , und
2. die Herausgabe einer d e u t s c h e n G e s a m t a u s g a b e d e r W e r k e u n d S c h r i f t e n
des K o p e r n i k u s .
In weltanschaulicher, wissenschafts- und geistesgeschichtlicher Hinsicht kommt der Erstel­
lung der u m f a s s e n d e n neuen B i o g r a p h i e des Kopernikus grosse Bedeutung zu. Sie hat
die Aufgabe, vom heutigen Standpunkt aus eine neue L e b e n s d a r s t e l l u n g des grossen Deut­
schen zu geben und mit ihr eine W e r t u n g seines Schaffens in Vergangenheit und Gegenwart
zu verbinden. W ir wissen, dass schon die Lebensbeschreibung weit über Prowe hinausgehen
wird, da dessen Biographie durch zahlreiche Einzelforschungen bis zum heutigen Tage an vielen
Punkten überholt worden ist. Noch grundlegender aber wird die Neugestaltung des weltan­
schaulich, wissenschafts- und geistesgeschichtlich wertenden Teiles der neuen Biographie sein
müssen, der bei P r o w e weitgehend fehlt. In ihm werden vor allem jene Probleme in den Vorder­
grund zu rücken sein, die uns heute und in der Folgezeit besonders angehen. Diese sind:
1. Die Verwurzelung von Kopernikus in der europäischen und deutschen geistesgeschichtlichen
Entwicklung. In diesem schon oben angeschnittenen Zusammenhang ist das Verhältnis des
Kopernikus zur Antike und den geistigen Strömungen Italiens und Deutschlands bis zu
seiner Zeit vom heutigen Standpunkt aus zu betrachten. Dabei ist sein Verhältnis zu den
grossen Geistern, die vor und mit ihm lebten, wie zu einem L e o n a r d o da V i n c i , vor allem
aber zu den grossen Deutschen, wie N i k o l a u s v o n K u e s , P e u r b a c h u n d R e g i o m o n t a n zu behandeln.
2. Die Auswirkung von Kopernikus auf die geistesgeschichtliche Entwicklung Deutschlands,
Europas und der Welt und ihre Naturforschung in der Folgezeit. Hierbei ist Kopernikus
als entscheidendes Glied der Geistesgeschichte Europas und der W elt wie als befruch­
tender Träger der deutschen Naturforschung zugleich zu begreifen. Das besondere Augen­
21
merk muss der Einwirkung seines Geistes auf die grossen Naturforscher gelten und der Unter­
scheidung dessen, was von diesen an kopernikanischem Geistesgut weiter entwickelt und
was an fremdem Denken hinzugenommen und an seine Stelle gesetzt wurde. Das Verhältnis
von Kopernikus zu Männern wie G i o r d a n o B r u n o , K e p l e r und N e w t o n wird dabei
im besonderen zu behandeln, und darüber hinaus das Urteil der grossen Deutschen der Folge­
zeit über Persönlichkeit und W erk des Kopernikus darzustellen sein. Auch die Betrachtung
der Stellungnahme beider Kirchen zur kopernikanischen Lehre gehört hierher.
3. Die weltanschauliche Bedeutung und Auswirkung der kopernikanischen Lehre. Sie hat aus­
zugehen von der Tatsache, dass der in dem Namen Kopernikus beschlossen liegende ger­
manische Forscherdrang und K am pf um Geistesfreiheit die neue Epoche der Geistesgeschichte
Europas und der W elt einleitete, in der wir heute leben, und zugleich eine der wesentlichsten
Grundlagen der das Grossdeutsche Reich tragenden nationalsozialistischen Weltanschauung
bildet.
Die neue Kopernikus-Biographie, die, nach diesen Gesichtspunkten erstellt, selbstverständlich
eine eingehende wissenschaftliche Klarstellung der deutschen Volkstumszugehörigkeit von K o ­
pernikus enthalten und zugleich alle noch offenen Fragen seines äusseren Lebensweges beant­
worten muss, bildet gleichzeitig einen Teil der zweiten zentralen Aufgabe der Kopernikusfor­
schung von heute: der H e r a u s g a b e e i n e r d e u t s c h e n G e s a m t a u s g a b e d e r W e r k e u n d
S c h r i f t e n v o n N i k o l a u s K o p e r n i k u s . Diese muss neben der B i o g r a p h i e alle eigenen
W e r k e und S c h r i f t e n von Kopernikus sowie sämtliche auf ihn bezügliche D o k u m e n t e in
deutscher Sprache enthalten. Ihre Erstellung erfordert daher neue deutsche Übersetzungen
aller lateinisch geschriebenen W erke, Schriften und Briefe des Kopernikus, vorweg eine die
Mängel der Menzzer’ schen Übersetzung beseitigende neue deutsche Übersetzung der „Revolutiones“ . Sie verlangt weiter die Anstellung umfassender Nachforschungen an den hierfür in
Frage kommenden Orten, insbesondere in S c h w e d e n und I t a l i e n , nach etwa noch vorhan­
denen und bisher noch unbekannten von Kopernikus stammenden oder auf ihn Bezug nehmenden
Dokumenten. Nicht zuletzt erfordert sie die Erstellung einer möglichst vollständigen K o p e r nikus-Bibliographie.
Diese Herausgabe einer würdigen deutschen Gesamtausgabe von Nikolaus Kopernikus stellt
die Erfüllung einer Ehrenpflicht der deutschen Nation einem ihrer grössten Söhne und einem
der grössten Geisteshelden der Menschheit gegenüber dar. Sie ist eine Aufgabe des Reiches,
das sie auch erfüllen wird, im Zusammenwirken mit den hierzu berufenen Kräften und im Verein
mit all jenen landschaftlich gebundenen Einrichtungen, vor allem des deutschen Ostens, denen
die Wahrung des Vermächtnisses des grossen Deutschen eigenes inneres Anliegen ist.
22
S C H R I F T T U M
N achfolgend werden die wichtigsten der im T ex t genannten W erke v on und über K opernikus m it genauen Angaben
nochm als zusammengestellt:
Nicolaus C o p p e r n i c u s aus Thorn: „Ü b er die K reisbew egungen der W eltkörper“ . Ü bersetzung m it Anm erkungen
v o n Dr. C. L. M e n z z e r . Thorn 1879. U nveränderter N eudruck der Originalausgabe m it einem neuen V orw ort
v o n Prof. Dr. J. H opm ann, Leipzig 1939.
L eop old P r o w e : Nicolaus Coppernicus. I. B and: Das Leben. 1. T eil 1473— 1512. 2. T eil 1512— 1543; II. B and: U r­
kunden. Berlin 1883/1884.
Eugen B r a c h v o g e l : „N ikolaus K oppernikus“ (1473— 1543) und A ristarch v on Sam os (ca. 310— 230 v . Chr.). In :
Zeitschrift für die Geschichte und A ltertum skunde Erm lands. H eft 78, S. 697— 767. B raunsberg 1935.
Hans S c h m a u c h : „N ikolaus Coppernicus — ein D eutscher“ . In : J om sbu rg, V ölker und Staaten im Osten und Norden
Europas. Vierteljahresschrift, Jahrgang 1, H eft2, S. 164— 191. Leipzig 1937.
*
*
*
Zur B ildbeigabe a nach S. 16:
W O R T L A U T
DE S
D O K T O R D I P L O M S
A U S G E S T E L L T
IN
V O N
F E R R A R A
N I K O L A U S
AM
31. M A I
K O P E R N I K U S
1503
(O riginal im A rch ivio N otarile di Ferrara)
1503 — D ie u ltim o mensis M aijs, Ferrarie in episcopali palatio, sub lodia h orti, presentibus testibus voca tis et rogatis
Spectabili viro dom ino Joanne Andrea de Lazaris, siculo panorm itano almi Juristarum gym nasij Ferrariensis M agnifico
R ectore, Ser. B artholom eo de Siluestris, cive et n otario Ferrariensi, L u dou ico quon dam Baldasaris de R egio, cive Fer­
rarie et bedello U niversitatis Juristarum civitatis Ferrarie et aliis.
Venerabilis ac doctissim us vir dom inus N icolaus Copernich de Prusia, Canonicus Varm iensis et scholasticus ecclesie
S. Crucis Vratislauiensis: qui studuit B on onie et Padue, fu it approbatus in Jure Canonico nem ine penitus discrepante,
et doctoratus per prefatum D om in u m G eorgium Vicarium antedictum etc.
P rom otores fuerunt
D . Philippus Bardella et
•n * * • t
.
. ,
■
.
ü . A ntom us Leutus qui ei dedit m sigm a
.,
cives rerran enses etc.
*
*
*
Zur Bildbeigabe b nach S. 20:
W O R T L A U T
DES
E IG E N H Ä N D IG E N
A U S F R A U E N B U R G V O M
15. J U N I
B R IE F E S
1541 A N
DES
H ERZO G
N IK O LAU S
K O P E R N IK U S
A L B R E C H T V O N P R E U S S E N
(Original im Staatsarchiv zu K önigsberg)
„D u rch lauch ter und hochgeborner Fürst, genediger H erre!
M eyne vlessige und gutwillige D inste sein Euer fürstlichen G naden alle Z eit bereith. Euer fürstlichen G naden, auf
euer B re f und Schreiben tu ich wissen und zu erkennen: N ach dem ich an königlicher M aiestät zu Polen D octori Joanni Benedicto geschreben habe, m einen besten Vleis nach zu erkundigen, wie dem erentvesten und gestrengen H er­
ren G eorgio v o n K unhaim , Euer fürstlichen D urchlaucht A m tm an , in seiner Swacheit m ochte geholfen werden, hett
m ich verh offt, es solde m it dem selbigen B rifsboten A n tw ort gefallen sein. So hab ich bisher v o m obgenanten D octor
keinen B rif u borkom en. D as m ich w undert. H abe ich Euer fürstlichen Gnaden der Sachen halben nichts eigentlichs
wissen zu schreiben. B yn nach derhalben gesint, m it zufelliger B otsch a ft dem selbiger D o cto r w idderum b zu schreiben
in der selbigen Sachen, alz dan was ich v o n em erfaren werde, w il ich an V erzog zustellen E uer fürstlichen Gnaden,
der ich meine vlessige und unverdrossene D inste tu dem utiglich bevolen. D atu m Frauenburg X V . Junii 1541.
Euer fürstlichen Durchlaucht
stetiger D yn er N icolaus C opem icus“ .
A u f der R ückseite: „D e m durchlautigen und h ochgebornen v on G ots G enoden A lbrechten M argraven zu Branden­
burg, in Preussen und W enden H erzog, B urggrofen zu N orenberg und Fürsten zu R ü gen, m einem gnedigisten H erren.“
23
S C H IN K E LS S C H L O S S E N T W Ü R F E
V O N
D R .
C A R L
V O N
L O R C K ,
FÜ R DEN OSTEN
S E E H O F
I N
O S T P R .
Carl Friedrich Schinkel, dessen hundertjährigen Todestag wir in diesem Jahre am 13. Oktober
begehen werden, hat seit 1815 von Berlin aus nicht nur in Preussen, sondern weit über Preussen
hinaus die Baukunst seines Zeitalters mitbestimmt. Die Wirkung, die er ausübte, war über­
raschend universal. Er verdankte sie in erster Linie der werbenden Kraft seiner Kunst, welche
von der Kulturrevolution seiner Zeit getragen wurde. Mit umwälzender W ucht hatte sein Lehrer
und Freund Friedrich Gilly, der 1800 in blühender Jugend starb, die Baumeister aus den Fesseln
des Spätbarock befreit. Was jener begann, vollendete Schinkel in den dreissig Jahren seiner weit­
wirkenden Führerschaft. Mit unvergleichlicher Folgerichtigkeit hat er den neuen Stil, den jungen
preussischen Stil in allen Zweigen der Baukunst, der Raumkunst und des Handwerks durch­
geführt.
Aber Schinkel hätte nicht den heute wieder neu vorbildlichen Stil schaffen können ohne die
bestechende Eigenart seines Künstlertums. Er hat ein eignes persönliches Element hinzugefügt.
Es war ein nach ihm nicht wieder erreichtes Können, das ihm seinen Rang sichert und dem er
seinen europäischen Erfolg verdankte, jene kostbare, im späteren 19. Jahrhundert ganz verloren
gegangene Kunst, mit höchstem Feinsinn sehr einfach zu bauen.
W ir können es überall beobachten, dass er das Eigenste und Beste seiner Persönlichkeit gab.
Während seiner Hauptschaffenszeit erschloss sich ihm im Osten ein gewaltiges Neuland. Das
Gesicht Preussens war damals wirtschaftlich und kulturell wieder neu nach dem Osten gewendet.
Der ausgedehnte Ostraum öffnete sich spontan der deutschen Kultur wie so oft in der Geschichte
Mitteleuropas. Schönstes Beispiel dafür sind Schinkels Bauentwürfe für die Aufgaben, die ihm
im Osten gestellt wurden. Für West- und Ostpreussen, für den Warthegau und für das heutige
Generalgouvernement ist denn auch, schon rein zahlenmässig, eine Fülle von Arbeiten Schinkels
entstanden, Regierungsbauwerke, Militärbauten, Kirchen und Schulen. Der künstlerisch gross­
zügigste und persönlichste Anteil unter ihnen entfällt jedoch auf die Schlösserentwürfe.
Im dünnbesiedelten, städtearmen Ostraum ist das Land in ganz anderem Masse als in West- und
Mitteleuropa vorherrschend. Osteuropa ist ein Land der Gutshäuser. Kulturträger sind dort
neben den Städten und Klöstern die Herrenhäuser des flachen Landes. Dazu kommt, dass der
Grundbesitz dort jahrhundertelang in gleichen Händen lag. Ein Schloss aber war für die Geistes­
haltung in der Rom antik überdies ein Lieblingsgegenstand, Inbegriff von historischen Erinne­
rungen oder Assoziationen und Kulturdenkmal in besonders ausgeprägtem Sinne.
So traf vieles zusammen, um die Schlossbaukunst Schinkels zu einem Höhepunkt hinzuführen.
An einigen der bedeutendsten Planungen möchte ich den Charakter untersuchen, welchen Schin­
kel für die Auftraggeber seiner Kunst im Osten gefunden hat.
Zunächst eine Übersichtsliste. Schon in der ersten frühen Schaffenszeit eröffnet die Reihe das
Gutshaus O w i n s k an der Warthe für Herrn von Treskow 1805 bis 1806. Nach den Befreiungs­
kriegen folgte ein grosszügiger Entwurf, U h l k a u im Danziger Werder, 1815 für den Danziger
Senator Muhl geschaffen. Eine mächtige Säulenhalle vor der Hauptfront, erster Vorgedanke für
das Alte Museum in Berlin, zeichnet die Anlage aus.
Im Jahre 1822 begann die Beschäftigung mit dem grossen Schloss des Grafen Arthur Potocki
in Krzescowicze, ( K r e s s e n d o r f ) bei Krakau. Gleichzeitig wurde von 1821 bis 1824 für den Für-
S C H L O S S K R E S S E N D O R F . E IG E N H Ä N D IG E R E N T W U R F S C H IN K E L S .
F O T O S A M M L U N G DES S C H IN K E L -M U S E U M S N R . 2361
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F O T O S A M M L U N G DES S C H IN K F .l.-M U S E U M S NR. 1378
SCHLOSS
KRESSENDORF
VOR
DEM
1940 ERFOLGTEN
U M B AU
S C H LO SS K R E SS E N D O R F . H E U T IG E R Z U S T A N D
sten Anton Radziwill das Jagdschloss A n t o n i n bei Ostrowo gebaut. In den dreissiger Jahren
schlossen sich noch mehrere umfangreiche Landschlösser des Ostens an. 1834 arbeitete Schinkel
seine Entwürfe für K u r n i k bei Posen für den Grafen Dzialinski als Umbau eines Barockschlosses.
Schliesslich entstand 1837 die gewaltige Gesamtanlage B r o d y in Galizien für den Fürsten W itt­
genstein und noch 1840 Umbaupläne für die Ruine W e r k y bei W ilna für den gleichen Bauherrn.
In diesem Jahrzehnt liegen ja auch die weitbekannten Riesenpläne für Orianda auf der Krim
am Schwarzen Meere als Lustschloss der Kaiserin von Russland und für das Königsschloss auf
der Akropolis zu Athen für den König von Griechenland, letzte späte titanische Pläne, die uner­
füllbare Wunschbilder bleiben sollten.
Ausgeführt sind von Ostschlössern vier. 1. Owinsk, gemeinsam mit L. Catel; 2. Antonin, genau
nach dem Entwurf entstanden; 3. Kurnik in einer zwar nicht im Stil, doch im einzelnen von
Schinkels Plan abweichender Gestalt; 4. schliesslich Kressendorf, das ein fesselndes Problem
geworden ist. Die grossen ersten Entwürfe Schinkels sind nicht gebaut, aber das heutige Schloss
und die Nachrichten über Schinkels Anwesenheit dortselbst lassen viele Fragen offen.
Unausgeführt blieben das frühe, ganz griechisch gehaltene Landhaus Uhlkau bei Danzig und das
gewaltige, wahrhaft fürstlich gross entworfne Brody in Galizien. Sie waren unausführbar wie jene für
den fernen Südosten Europas erträumten Werke der höheren Baukunst Orianda und Akropolis.
Owinsk
In Owinsk liess Sigismund Otto von Treskow von 1804 bis 1806 durch Ludwig Catel und Schinkel
das grosse langgestreckte Gutshaus erbauen. Ich bilde die Fassade nach dem Zustand um 1860 ab,
nach einer farbigen Lithographie aus dem Dunckerschen Schlösseralbum. Der Bau zeigt eine
sehr eigenwillige Ordnung. Das Kellergeschoss hat kleine Rundfenster. Das Untergeschoss dar­
über ist niedrig und mit auffallend kleinen Fenstern versehen. Erst darüber erhebt sich das zweite
Geschoss als ein in grossen Fenstern geöffnetes Hauptstockwerk. Die traditionelle Bauordnung’ des
Barock scheint geradezu auf den K o p f gestellt zu sein. Wenn auch vermutlich der Bauherr oder
der Bauzweck hier als Ursache mitgewirkt haben, so spricht doch deutlich die Baurevolution aus
Schinkels frühster Epoche mit, welche unter Gillys Einfluss stand. Der Mittelrisalit hat im Ober­
geschoss drei gekuppelte Fenster, das mittlere ist mit einem Bogen überhöht, eine Form, wie sie
der frühe Schinkel wiederholt angewendet hat, z. B. ähnlich in Bärwinkel und in Buckow. Die
dicht bei dicht stehenden Fenster sind ein kennzeichnendes Merkmal, das wir später im Oberge­
schoss des Schauspielhauses zu Berlin und des Schlösschens in Tegel wiederfinden.
Vorzüglich schön ist die innere Ausmalung, welche Schinkel, der eben aus Italien zurückkehrte,
mit besonderer Liebe entworfen hat, nicht unähnlich den altrömischen Wandmalereien, doch
strenger und preussischer gewendet.
Zur Anlage gehören zwei symmetrische Torhäuser mit hoher Bogendurchfahrt, vorzüglich fein
gegliederte Gebäude, die ich kein Bedenken trage, Schinkel zuzuschreiben.
Uhlkau
Uhlkau war das Landgut eines reichen Danziger Kaufherrn, des Senators Abraham Ludwig Muhl,
der Uhlkau von dem Engländer Brewer 1809 für 70000 Taler und 40 Dukaten Schlüsselgeld
gekauft hatte. 1815 liess er von dem damals im Beginn seiner künstlerischen Erfolge stehenden
Schinkel die baureifen Entwürfe hersteilen. Die Risse sind verschollen. Schultz und Bergau
haben sie noch 1869 im Danziger Privatbesitz gesehen und ausführlich beschrieben. Schinkel
25
war damals von den Säulenhallen so eingenommen, dass er den Entwurf ganz von ihnen beherr­
schen lässt. Die gesamte Langseite des Hauses öffnet sich in einem mächtigen Portikus, eine
eindrucksvolle Vorstufe der Säulenfront des Alten Museums in Berlin. Auch der Ehrenhof des
U-förmigen Gebäudes ist an seinen drei Seiten mit Säulenhallen umgeben. Eine besondere Ein­
richtung, die im Spätwerk Orianda wiederkehren wird, sind die Glasfenster, welche im Winter
zwischen die Säulen des Portikus eingesetzt werden können, um dem Klima des Ostens entge­
genzuwirken. Für den Hauptsaal hatte Schinkel grosse Ölgemälde vorgesehen, deren Ausführung
er selbst übernehmen wollte. W ir entsinnen uns, dass er eben die Epoche die dekorativen W and­
malereien, der riesigen Dioramen und Panoramen hinter sich hatte. Das Schinkelmuseum
verwahrt aus dem Humbertschen Hause in Berlin ähnliche sehr schöne Wandbilder.
Uhlkau wurde nicht gebaut. In späten Jahren hat Schinkel diese frühen Entwürfe wiedergesehen,
gerade als er sich mit Orianda beschäftigte. Seitdem sind sie nur noch einmal 1869 aufgetaucht;
es ist sogar nach der perspektivischen Ansicht in Danzig eine Photographie damals hergestellt
worden. Aber Zeichnungen und Photographie sind heute unauffindbar geworden.
Muhl war nicht imstande, den aufwendigen Bau durchzuführen. Die letzte Nachricht, die ich
im Danziger Stadtarchiv ermitteln konnte, besagt in ihrer lapidaren Kürze: Die Firma A. L.
Muhl e. C. in Danzig machte 1819 Konkurs.
Antonin
Gleichzeitig mit Kressendorf 1822 beschäftigte Schinkel ein anderer Schlossbau. In der kurzen
Zeit von 1822 bis 1824 plante und baute Schinkel für den Fürsten Radziwill das Jagdschloss
Antonin bei Ostrowo. Antonin wurde ein besonders eigenartiger und ungewöhnlicher Bau. Der
Kern des Gebäudes ist achteckig, vier Pavillons sind darangesetzt, sodass ein kreuzförmiger
Grundriss entsteht wie bei einer Kirche. Die Flügel sind drei Stock hoch, der Mittelteil hat
vier Stockwerke und ist von einem hohen achtseitigen Zeltdach abgeschlossen, das von einer
Aussichtsplattform und dem zinnenbekrönten Mittelschornstein überragt wird.
Wenn man eintritt, offenbart sich die in der Tat ungewöhnliche Lösung in ihrer ganzen Kühn­
heit. Der gesamte Mittelbau ist ein einziger offner Saalraum, um den rings in zwei Stockwerken
Galerien laufen, welche die Verbindung mit den Wohnräumen der Flügel herstellen. Eine breite
Mittelsäule trägt die achtstrahlige Decke. Sie ist von vier kolossalen Kaminen umgeben, welche
für die erforderliche Beheizung sorgen. Der Jagdcharakter ist durch Jagdgemälde, Hirschgeweihe,
Waffenschränke und dergl. betont hervorgehoben.
Antonin war von vornherein als Holzbau geplant und steht heute noch in vorzüglicher Erhaltung
und behaglicher Bewohnbarkeit in den riesigen Forsten der Begüterung. Besondere Vorkehrungen
für die Feuer Sicherheit und Regenfestigkeit waren vorgesehen. Schinkel hat für den holzreichen
Osten mehrfach den Blockhauskau in verzahnten Balkenwänden entworfen, so z. B. eine kleine
Kirche für das D orf Willenberg und eine grössere evangelische Kirche für Heilsberg.
Der Bau hängt in seiner Sternstruktur mit den Zentralbaugedanken Schinkels zusammen, die
ihn vielfach beschäftigt haben. Die Beziehung eines Ganzen auf einen Mittelpunkt kehrt in den
Strukturen bei ihm häufig wieder, wie sie ja eine Grundstruktur des klassizistisch-romantischen
Zeitalters ist, ungeachtet, ob es sich um gräzisierende Bauwerke handelte.
26
Kressendorf
Kressendorf bei Krakau ist hinsichtlich seiner Ausführung für die Forschung ein spannendes
Problem geworden.
Der erste Entwurf für den Grafen Arthur Potocki, ein monumentaler klassischer Block mit zwei
Höfen, ist seit 1823 bis ins Einzelne von Schinkel ausgearbeitet und 1826 veröffentlicht worden.
Das Schloss ist danach jedoch nicht gebaut. Es steht gleichwohl als ein grosses und schönes
Bauwerk vor uns. Doch sieht es völlig andersartig aus. W er hat für den Grafen Arthur Potocki
den Ausführungsentwurf geschaffen? Trägt der vor uns stehende Bau das Gepräge von Schinkels
K unst? Hat Schinkel an der heutigen Gestalt einen massgeblichen Anteil?
Das sind die Fragen, zu deren Lösung ich an Hand der bis heute auffindbaren Nachweise und
Quellen beitragen möchte. Was wir wissen, sind diese Tatsachen:
Zur Jahreswende 1822 auf 1823 schrieb der Graf Arthur Potocki am 28. Dezember 1822 an Schin­
kel: Der Graf Raczynski habe ihm in Aussicht gestellt, dass Schinkel bereit wäre, ihm für den
geplanten Bau eines Landhauses bei Krakau einen jungen Mann, seinen Schüler, zuzusenden. Als
Zeitpunkt schlage Potocki Ende März oder Anfang April vor. Jener solle nach seinem Besuch
an Ort und Stelle zu Schinkel zurückkehren, um ihm seine lokalen Untersuchungen mitzuteilen
und nach Schinkels Ideen die Baupläne zu zeichnen. Potocki wünsche, Schinkels Bedingungen
zu erfahren und hoffe, dass jener junge Mann schon einige praktische Erfahrungen habe und sich
für einige Jahre ganz in den Dienst Potockis begeben würde, sofern er ihm Zusage.
Am 7. Januar (1823) akzeptierte Potocki die Bedingungen Schinkels und gab als Zeitpunkt des
Eintreffens von Persius oder eines anderen Schinkelschülers den 8. bis 10. April an, keinesfalls
später.
Am 10. Juni (1823) dankte Potocki Schinkel für die freundliche Übersendung von Persius (er
schreibt: Ms. Persicus), von dem er ausserordentlich zufriedengestellt sei.
Diese Briefe, französisch geschrieben, liegen in der Staatsbibliothek Berlin, wohin sie aus der
leider nach Schinkels Tode in alle W elt zerstreuten Briefsammlung Schinkels gelangt sind.
Ludwig Persius ist danach in seinem zwanzigsten Lebensjahre als Schinkelschüler in der Zeit
von Anfang April bis Anfang Juni 1823 bei Potocki gewesen, um sich über Lage und nähere
Einzelheiten des geplanten Landhauses Kressendorf zu orientieren. Potocki hat auch den A uf­
trag an Schinkel gegeben, die Ideen für den Bau zu entwerfen, dessen rissmässige Ausarbeitung
damals durch Persius erfolgen sollte.
Die frühe Tätigkeit von Persius für Schinkel bei der Vorbereitung der Planungen für Kressendorf
war bisher völlig unbekannt. Der spätere Hofarchitekt zweier Könige wurde von Schinkel in
den wichtigsten Arbeiten für den Kronprinzen in Charlottenhof und bei der grossen Nikolai­
kirche in Potsdam als besonders bevorzugter Mitarbeiter herangezogen.
Im Jahre 1826 erschien das 7. Heft von Schinkels Publikation seiner Bauentwürfe: Sammlung
architektonischer Entwürfe, enthaltend teils Werke, welche ausgeführt sind, teils Gegenstände,
deren Ausführung beabsicht wurde, Berlin 1819 bis 1840, 174 Tafeln in Kupferstich und Litho­
graphie. Das H eft von 1826 enthielt auf den Tafeln 43 bis 48 der Gesamtreihe Ansichten, Grund­
risse, Durchschnitte und Dekorationsentwürfe für Krzeszowice, wie Schinkel den Namen schrieb.
27
Im Begleittext gab Schinkel an, er sei z. Zt. ohne Kenntnis, ob der Bau ausgeführt worden sei.
In den Jahren 1832 bis 1835 bereiste Schinkel in einem zusammenhängenden Zyklus von Dienst­
reisen die preussischen Provinzen. 1832 wurde zunächst Schlesien besucht. Von Neisse aus machte
Schinkel einen Abstecher nach Krakau „in eigenen Angelegenheiten“ , wie er im amtlichen Dienst­
reisebericht schrieb. Mit eigenen Angelegenheiten pflegte er Privataufträge zu bezeichnen. Ich
vermute, dass Schinkel damals bei Potocki in Kressendorf und Krakau war und dass es sich
damals um Wiederaufnahme der Kressendorf-Arbeiten gehandelt haben kann.
Einige Zeit später taucht aus dem Dunkel, das über der Ausführung des ersten KressendorfEntwurfs liegt, eine weitere, nicht unwichtige Nachricht auf.
Graf Athanasius Raczynski veröffentlichte 1836 bis 1841 seine bedeutsame Geschichte der neue­
ren deutschen Kunst in drei Bänden. Zuerst erschien unter diesem Datum in Berlin die deutsche
Übersetzung von Friedrich Heinrich von der Hagen, etwas später in Paris 1838 bis 1842 unter
dem Titel: „Histoire de l’art moderne en Allemagne“ das Original. Athanasius Raczynski wie
auch sein Bruder Eduard standen in engeren Beziehungen zu Schinkel, wie einer von ihnen ja
auch den Auftrag Potockis vermittelt hatte. Nach Schinkels Wandbilder-Entwürfen für die Säu­
lenhalle des Alten Museums in Berlin ist die Episode „Entstehung der Malerei“ durch einen Stich
von J. C. Thäter der Kunstgeschichte Raczynskis vorangestellt, und es existiert darüber ein
Brief Raczynskis an Schinkel, aufbewahrt im Schinkel-Archiv zu Berlin.
Der dritte Band des Werkes ist „Friedrich Schinkel gewidmet von A. Raczynski“ . A u f Seite 153
bis 163 der deutschen Ausgabe ist eine wichtige Schinkelquelle enthalten: „H ier folgt das Ver­
zeichnis der vornehmsten Werke Schinkels, wie er selber es mir mitgeteilt hat“ .
Unter Nr. 37 ist darin aufgeführt: „Desgleichen (d. h. Entwurf) zum Schloss und zur Kirche in
Krzescowice bei Krakau, einem Landgute des Grafen Potocki“ .
Hier haben wir die von Schinkel selbst angegebene Bestätigung, dass er für Potocki und zwar
für Kressendorf sowohl das Schloss, — was wir schon wussten — , wie auch die Kirche entworfen
hat, was wir noch nicht wussten.
Schinkels Bemerkung über den Schlossentwurf kann sich auf den 1826 veröffentlichten Ent­
wurf beziehen, kann jedoch auch eine weitere Tätigkeit, die 1832 erfolgt wäre, betreffen.
In der späteren Forschung ist durch Schinkels Schwiegersohn Alfred Freiherrn von W olzogen
ein misslicher Irrtum hervorgerufen. Er gab 1862 bis 1864 in drei Bänden Schinkels handschrift­
lichen Nachlass heraus und stellte im vierten Bande ein Verzeichnis der Schinkelsammlung des
Schinkelmuseums auf. Darin setzte er Schinkels Entwürfe für Kressendorf bei Krakau nach P o­
sen, indem er Krzesowice, Kreis Samter, Regierungsbezirk Posen, mit Krzeszowice bei Krakau
verwechselte (W olzogen, IV , 254 bis 256).
Vom ersten Entwurf bilde ich zur Gegenüberstellung die schöne Gesamtansicht nach Schinkels
Handzeichnung im Schinkel-Museum Berlin ab. Sie ist eigenhändig gezeichnet und auch signiert,
und es ist kein Zweifel, dass Schinkel auch die anderen Risse selbst ausgearbeitet hat und nicht
Persius, wie es der Brief Potockis vom 28. 12. 1822 anfänglich als Arbeitsplan andeutete. Der
Entwurf zeigt einen mächtigen zweistöckigen Baublock in Scheinquaderwerk mit einem kleinen
Viertelsgeschoss, hoher Attika und nach innen gezogenen Dächern. In der Vorderseite ist der
Mittelrisalit von 5 Achsen vorgezogen und vor ihm ist auf 6 dorischen Säulen ein Balkon vor­
gelegt. Die Gesamtfront hat 4 ~ 5 -y 4 Achsen, die Seitenfassaden 12 Achsen.
28
SCHLOSS
KRESSENDORF. F R O N TA N S IC H T . NACH
EINER
BESTANDSAUFNAHME
DES
ARCHITEKTEN
ZYMUND
HENDEL
IN
KRAKAU
VON
1893
■» II
S C H IN K E L -S K IZ Z E N B L A T T M I T V IE R S C H L O S S E N T W Ü R F E N . O R IG . IM S C H IN K E L -M U S E U M
E IG E N H Ä N D IG E E N T W Ü R F E S C H IN K E L S
O B E N : S C H L O S S B R O D Y IN G A L IZ IE N . F O T O S A M M L U N G D E S S C H IN K E L -M U S E U M S N R . 1087 a
U N T E N : L A G E P L A N V O N S C H L O S S B R O D Y . O R IG . IM S C H IN K E L -M U S E U M
Der Grundriss sah zwei Höfe vor und zwischen ihnen einen breiten Mitteltrakt. Mit grösser Soresamkeit und eingehenden Teilzeichnungen war die Innenausstattung angegeben.
Das heutige Schloss Kressendorf lässt von dem ersten Schinkelentwurf nichts erkennen und es
ist für uns nun die spannende Frage, ob es auch vom Schinkelstil nichts erkennen lässt. Der
Mittelteil mit 7 Achsen Breite ist zweistöckig mit einem oberen Viertelsgeschoss. Ihm ist ein
Balkon vorgelagert der auf 8 schlanken Holzsäulen steht. Beiderseits schliessen sich etwas
zuruckgesetzt Seitenflügel an, die m Eckpavillons enden, nicht ganz symmetrisch, m it 2 Achsen
im Verbmdungsteil, und 2 beziehungsweise 3 Achsen im Pavillon.
Das hervorstechendste Merkmal des schönen Gebäudes sind die vier an den Ecken des Mittel­
traktes sieh erhebenden Türmchen mit Aussiehtsräumen. In ihnen begegnen wir einem von
Schinkel selbst nicht selten angewendeten Baugedanken. Das 1822 von Schinkel umgebaute
Schlösschen Tegel, das er für Hum boldt entwarf, zeigt die gleichen vier Aussiehtsloggien. Zwei
w chtige Kirchenentwürfe für Berlin haben gleichfalls die Einfassung des Baubloks durch vier
kleine Turme Der erste nicht ausgeführte Plan der Friedrich-Werder-Kirche von 1824 wird von
vier zweistöckigen Türmchen überragt. Ein Entwurf für die Kirche der Oranienburger Vor­
stadt von 1828 ist gleichfalls mit vier Türmen gezeichnet, deren erstes Geschoss durch eine zierucne kleine Konsolenreihe getragen wird.
Schmke1 hat ferner auf einem unbenannten Skizzenblatt des Schinkels-Archivs, das ich hier
a bilde, mehrere palastähnliche Gebäude entworfen, die auch jene Vierergruppe von Ecktürm­
chen an dem mittleren Hauptbaublock zeigen. Diese Gedankenskizzen zeigen weiterhin die wich­
tigeAufgliederung des Gesamtgebäudes in einen beherrschenden Mittelteil, von dem niedrigere
Verbm dungsgliederzu den Seitenflügeln führen. Auch dies sind Baugedanken, die in dem a n ­
geführten Kressendorf wiederkehren.
Gerade Persius war es, der die turmartigen Aussichtsloggien häufig verwendete und recht eigent­
lich in der Baukunst jener Zeit verbreitet hat. Das Winzerhaus und die eigne W ohnung von
Persius in Potsdam ferner das Römerbad im Charlottenhof-Bezirk sind Abteilungen von jenen
ersten Ideen bei Schinkek Schliesslich endete die Reihe bei der Orangerie im Park von Sanssouci
un m dem Pfingstberg-Belvedere. Die Bauform aber stammt aus Italien. Ihr klassisches, jedem
Itahenfahrer als Wahrzeichen Roms bekanntes Urbild ist die Villa Medici auf dem Pincio, hoch
über Rom . Jede in der romantischen Zeit im Norden gebaute Wiederholung soll ein italienisches
an aus in rmnerung rufen. Unmerkhch ist der Klassizismus zum Nachbilden italienischer
rSautormen ubergegangen.
B i, dorthin können wir die kleinen Anssichtstürme auf dem Schloss Kressendorf verfolgen. Aber
Z V ? f ,
V t “ ? “ Scb™ S “ - * irU id ‘ “
besonders zierlichen Ausführung etwas
über Schinkel aus? Em Kenner Sehinkelscher K un.t wird in der Gliederung der vier T iL nauffr e n d w "? “ d
der F “ 8t“ Türnmr.hmnngen des Bauwerkes eine Schmuckund r ^ i g V d T h W e d ^ e , etwas preziöse Detailausbildnng entdecken, welche uns so lebhaft
und uandng be,Schm k.1 n.eht bekannt ist. Diese an sich anmutige» Merkmale zeigen „ic h ,
die Meisterschaft Schinkels, mit höchstem Feinsinn sehr einfach zu bauen.
Besonders die Seitenansicht von Kressendorf bestätigt dieses Urteil. Ich bilde den Zustand von
ab den eine Bestandsaufnahme des Architekten Zymund Hendel in Krakau zeigt Es
wurden damals auch Umbaupläne von Hendel vorgelegt, welche jedoch nur Projekt blieben
e waren „m it aller Dekorationssucht jener Zeit behaftet und sind glücklicherweise nicht zur
Ausführung gekommen , wie mir Architekt Horstmann schreibt, welcher die jüngste Instand-
29
setzung geleitet hat. Der Aufriss Hendels zeigt die Seitenfassade von Kressendorf und bestätigt
in dem unruhigen Vor und Zurück der Gebäudeteile, auch in dem sehr schönen achteckigen
Pavillon, jene etwas preziöse Feinteiligkeit, welche nicht mehr Schinkel angehören kann.
Die Entscheidung aus alledem muß wie folgt dargestellt werden: Nachdem der erste grossartige
Entwurf Schinkels von 1823 bis 1826 nicht zur Ausführung kam, ist Schinkel persönlich 1832
bei dem Bauherrn gewesen. Die sichtbare Frucht seines Besuches war die kleine Kirche von
Kressendorf. Sie ist ein reiner und klarer Hausteinbau mit gotischen Formbestandteilen. Ich
bilde ihre Hauptfassade ab, die in einfachster Form geradezu monumental Schinkels Wesensart
zeigt.
Ein weiteres Ergebnis von Schinkels Besuch ist vielleicht in der Gesamtanlage des Hauptbau­
blocks des Schlosses zu erkennen. Es ist nicht völlig unwahrscheinlich, dass hier in der Aus­
führung Schinkelsche Ideen weiterleben. Die Unsymmetrie der Seitenteile, die Unruhe der Seiten­
flügel-Ansicht, die zierliche und besondere Ausschmückung von allen Baudetails sind künst­
lerisch später als Schinkel und können einem ausführenden Baumeister angehören, der in den
vierziger oder fünfziger Jahren gearbeitet hat.
Soeben wird in der „B urg“ im ersten Heft des Jahrganges II, 1941, von Erich Randt eine Über­
sicht über die Archive des Generalgouvernements gegeben. Daraus geht hervor, dass sich das
umfangreiche Familienarchiv aus dem Potocki-Palais in Krakau nunmehr im Staatsarchiv in
Krakau befindet (H eft 1/1941 S. 49). Dort sind die weiteren abschliessenden Ergebnisse ver­
mutlich zu erwarten. Dort müssen sich, wenn sie überhaupt erhalten sein sollten, die Briefe
Schinkels an den Grafen Arthur Potocki befinden und vielleicht auch Skizzen oder Risse, die
ihm Schinkel übersandt hat. Dort ist vielleicht der unbekannte Baumeister zu finden, der unter
Nachwirkung von Baugedanken Schinkels den heutigen Bau von Kressendorf ausgeführt hat.
Kurnik
Kurnik liegt etwa zwanzig Kilometer südlich von Posen. Das alte, zuletzt im 17. Jahrhundert
ausgebaute Wasserschloss des Grafen Dzialinski zeigte Barockgiebel und hohe Mansarddächer.
Der Besitzer wünschte, wie Schinkel schreibt, das Schloss in „eine frühere Architektur des Mittel­
alters umzuändern“ und „für die landschaftliche Umgebung malerischer anzuordnen“ . „E s ward
dabei die Berücksichtigung vorgeschrieben, den grössten Teil der Mauern beizubehalten, dem
Äussern sowohl als dem Innern mehr Grossartiges zu geben und doch die Kosten des Baues
nicht ausser Verhältnis zu erhöhen.“
1834 legte Schinkel die Pläne der Öffentlichkeit vor. Sie nehmen in seiner Sammlung architek­
tonischer Entwürfe die Tafeln 127 bis 130 ein, die Zeichnungen liegen im Schinkel-Museum,
Mappe X X I c, Blatt 114 bis 117. Er hat unter geschickter Verwendung des stehenden Mauer­
werks aus dem Barockschloss eine gotische Kastellburg gemacht. Durch das Vorziehen einer
Aussenmauer gewann er ein geräumiges Vorhaus mit grösser doppelläufiger Treppe und durch
Aufstocken ein ganzes Obergeschoss. Gotisierende Zinnenkränze, Türmchen und Türme wurden
angefügt. Die Frontmitte ist durch vier Stockwerke in grossen Fenstern geöffnet. Grossen
Wert hat Schinkel wie häufig in späteren Jahren auf die flachen, nach innen gezogenen Dächer
gelegt, und auf die kunstvolle Entwässerung, die hier in zwei kleine Regenhöfe geleitet werden
sollte, von wo der Abflusskanal unmittelbar in den Burggraben führte.
Der Bau ist in der Tat neugotisch ausgeführt, doch abweichend von dem Entwurf. Sein Haupt­
merkmal ist ein grösser gotischer Bogen, der die Fassade beherrscht. Wie weit auch daran Schinkel
selbst beteiligt ist, ist nicht quellenmässig zu belegen. Der Stil deutet auf seine Art und Weise hin.
30
n im 1
r m m
Schinkel glaubte wie sein Zeitalter in einem Schlossbau durch gotisierende Einzelheiten die
Stimmung des Mittelalters und „etwas mehr Grossartiges“ hervorrufen zu können. W ir haben
heute gelernt, dass jede Stil-Wiederholung vergangener Bauformen zu einer künstlerischen
Unklarheit fuhrt und dem Eigen-Charakter des Baumeisters wie seiner Zeit nicht gerecht werden
kann. So mutet uns die gotisierende Verbrämung des alten Barockschlosses wie eine Kulissen­
malerei an. Ich habe die tiefere Erklärung dieser Geisteshaltung Schinkels ausführlich in meinem
Schinkel, Berlin 1939, im Kapitel „Altdeutscher Styl“ , S. 93 ff., herauszuarbeiten gesucht. Schinkel
war es heiliger Ernst mit den mittelalterlichen Formbestandteilen, die er verwendete. Er hat
es mehrmals ausgesprochen, dass er durchaus glaubte, ein neues, vollendeteres Werk ausführen
zu können, dem die alten Bestandteile einen besonderen Reiz des Altertümlichen verliehen.
Wie grosses Interesse gerade dieser Schinkelentwurf seiner Zeit gefunden hat, geht aus einem
feinausgearbeiteten Modell hervor, das Georg Gottfried Kallenbach am 30. November 1839 an
die Königliche Kunstkammer in Berlin geschenkt hat. Von dort ist es ins Schinkel-Museum
gekommen.
B r o d y und W e r k y
Im März 1837 teilte Schinkel dem Fürsten Ludwig Wittgenstein mit, dass die Pläne für das
Schloss des Fürsten in Arbeit seien. Am 21. Mai 1837 konnte er ihm die Pläne und die Erläuterun­
gen dazu überreichen. Am 13. September 1837 schickte Schinkel an den Fürsten nach Brody in
Galizien weitere Erläuterungen für den Schlossbau.
Drei Jahre später ist eine neue Situation eingetreten. Fürst Wittgenstein schreibt an Schinkel,
die Schlosspläne von 1837 seien noch nicht ausgeführt, er habe jetzt, 1840, ein altes Schloss bei
Wilna an der Wilia gekauft, dessen Umbau er gern durch Schinkel vornehmen lassen wolle.
Es folgen zwei weitere Briefe Schinkels, in denen er sich bereit erklärt, den Umbau zu über­
nehmen. Er rät, von allzu weitgehenden Umbauten abzusehen, da die ihm überschickten Be­
standsaufnahmen ein wohlerhaltenes Gebäude mit schönem klassischem Giebel zeigen. Er sendet
schon, da ihm grosse Eile anempfohlen sei, Zeichnungen mit Angabe der geplanten Verbindungs­
flugei zwischen dem Hauptgebäude und den Seitengebäuden. Für den Giebel wie auch für Mauer­
nischen empfiehlt er Zinkgussfiguren aus der Fabrik von Geiss in Berlin.
Der letzte Brief Schinkels ist vom 10. Juli 1840 datiert. Schinkel klagt darin über eine Behin­
derung seines rechten Armes. Kurze Zeit später erfolgte der geistige Zusammenbruch Schinkels,
bis ihn der Tod nach einem Jahre am 13. Oktober 1841 erlöste.
Im Jahre 1933 gelangten aus Neuwied in das Schinkel-Museum die Originalzeichnungen Schinkels
zu einer gewaltigen Schlossanlage, signiert und datiert 1837. Da Fürst Wittgenstein erst 1840
den Besitz Werky bei Wilna erworben hat, können die schönen aquarellierten Pläne nicht Werky
zum Gegenstand haben, wie Wolzogen gemeint hat.
Sie sind vielmehr jene in Schinkels Briefen erwähnten Zeichnungen für das galizische Schloss,
das ich mit Brody identifizieren möchte.
Es ist eine mächtige Gesamtanlage. Das Hauptschloss besteht aus einem grossen Baublock
mit Bogenfenstern, zwei Innenhöfen, und an der Vorder- wie an der Rückfront angesetzten
Seitenflügeln. Diese Flügel enden an der Hauptseite in zwei hohen flankierenden Türmen. Die
Flügel der Rückseite enden in zwei kuppelgewölbten Kapellen.
31
A u f der rechten Seite des Hauptgebäudes liegt ein ausgedehnter Bau, welcher die Pferdeställe,
Wagenremisse und eine hohe Reitbahn enthält. A u f der linken Seite ist’ eine Gärtnerei geplant,
mit grossen langgestreckten Treibhäusern. W eiter zurück im ansteigenden Gelände liegt hinter
den Stallungen eine Meierei mit Kuhställen.
Vor dem Schloss sind breite halbrunde Terrassen angelegt, die bis zu einem schiffbaren Gewässer
herabführen, an dessen Ufer die weitausgedehnte Gesamtanlage malerisch im ansteigenden,
bewaldeten Gelände liegt.
Der eigenwillige Gesamtplan wird beherrscht durch die gewaltigen Türme, welche das Schloss
flankieren. Das Schloss selbst ist in beiden Stockwerken von hohen Bogenfenstern gegliedert,
11 an jeder Seite des quadratischen Blockes. Sie stehen sehr dicht gereiht und nehmen mit dem
Prinzip der Reihe ein Kunstmittel wieder auf, das Schinkel in allen Epochen ausgesprochen
bevorzugt. Der eigenartige Baublock ist ohne sichtbare Dachfläche mit nach innen gezogenen
Dächern, auch dies ein Merkmal, das den Baumeister von seinen Anfängen an beschäftigt hat.
An Kühnheit und Eigenart sucht die Anlage ihresgleichen. Man wird an dem Ungewöhnlichen
des Entwurfs die nächste Verwandtschaft zu den Riesenplänen von Orianda und der Akropolis
verspüren. In Brody aber ist, wie ich meinen möchte, Schinkel noch um einige Grade näher
an sein eigenstes Element herangekommen. Jene Gebäude arbeiten im grossen Gesamtbilde mit
herkömmlichen Mitteln, wenn auch im kühnsten Masstabe. Brody aber wagt den letzten Schritt
in ganz unbetretne Gebiete der Architektur. Vielleicht, dass diese gewagte Fremdartigkeit mit
dazu beigetragen hat, den Bauherrn von der Ausführung abzuhalten, ebenso wie die grosse
Kostspieligkeit der aufwendigen Anlage. So ist also auch dies Traumschloss des späten Schinkel
ein unwirklicher Traum des Baumeisters geblieben.
Erst 1840 erwarb Wittgenstein W erky. Ob Schinkels Angaben für den Ausbau der Ruine, ins­
besondere für den Bau der Zwischenglieder zwischen dem Mitteltrakt und den Seitengebäuden
durchgeführt wurden, bleibt noch festzustellen.
A u f dem Skizzenblalt, welches ich für Kressendorf abbildete, stehen die beiden unteren Ein­
fälle in enger Verwandtschaft zu Brody. W ir können mit ihrer Hilfe immer enger den künst­
lerischen Charakter von Schinkels Ideen zu einem Schlossgebäude bestimmen. Er nähert sich
wieder, nun jedoch ganz befreit von griechischen Zutaten, dem ersten Entwurf von Kressendorf.
Ein Schloss hat für Schinkel die Struktur eines wuchtig aufragenden gleichsam kristallinischen
Blockes, ohne jede Konzession an überlieferte Klein Verzierungen. Darin spricht denn aus dem
tiefsten Wesen des Künstlers ein preussisches Merkmal, und es ist nicht zu übersehen, wie er
in den hochfliegenden Spätwerken dem preussischen Stil seiner Anfänge und seiner reifen Meister­
werke noch einmal stärksten Ausdruck gegeben hat.
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Das Problem der Neugestaltung Deutscher Kunst auf dem Gebiete der Malerei in Polen bedarf im
Zuge der kunsthistorischen Forschung einer eingehenden Befassung mit den schöpferisch in diesem
Raum tätigen, blutsmässig dem deutschen Volkstum ungehörigen Meistern, ihren Schulen und
Kunstrichtungen, der Mentalität ihrer Werke und Stil und Technik ihrer Arbeiten. Dem muss
als logische Unterbauung ein zusammenfassender Überblick vorangestellt werden, der eine ge­
nerelle Einführung in das Gesamtgebiet deutscher Malerei in Polen vermittelt.
Die enge Verbundenheit des Reiches der ersten Piasten mit dem Reich der deutschen Kaiser hat
in einer Reihe wertvoller Handschriften Niederschlag gefunden, die teils im Reiche geschaffen
wurden, teils in Polen unter unmittelbarem deutschem Einfluss entstanden. Eine Geschichte
der deutschen Buchmalerei des 11. Jahrhunderts ist unvollständig, wenn sie nicht der drei pracht­
vollen Handschriften gedenkt, die damals in bzw. für Polen entstanden: das Evangeliar aus Plozk1),
der Emmeraner Evangelien-Kodex im A rchiv des Domkapitels in Krakau2) und das Sakramentarium aus Tinz3).
Ornamentfreudig, lebhaft und volkstümlich die Jugendgeschichte Christi erzählend, steht das
Evangeliar aus Plock in engem Zusammenhang mit böhmischen Malereien, vor allem dem um 1085
entstandenen Krönungsevangeliar Wratislaws II. in der Prager Universitätsbibliothek, das sei­
nerseits wieder einer grösseren süddeutschen Gruppe angehört4). Direkt aus Süddeutschland, und
zwar aus Regensburg, stammt der berühmte Emmeraner Evangelien-Kodex, der ursprünglich
für das Benediktinerkloster Tinz bei Krakau bestimmt war und den wohl die Gemahlin Wladislaus
Hermanns und Tochter Kaiser Heinrichs III., Judith, um das Jahr 1099 als Geschenk für das von
ihr begründete Kloster mitbrachte. In streng geschlossenen Formen sehen wir hier Christus in der
Mandorla thronend, Evangelisten und Heiligengestalten. Von höchstem Interesse ist das Blatt,
das unter säulengetragenen Rundbögen zwei Kaiser, Heinrich (den I. und III. ?) und Kaiser
Konrad II. zeigt, Reichsapfel und Szepter in den Händen haltend; in der unteren Reihe stehen
unter ähnlichen Rundbögen drei Äbte. Es zeugt von dem Reichtum des künstlerischen Lebens
unter Wladislaus Hermann, an dem seine deutsche Gemahlin wohl besonderen Anteil hatte,
wenn sich aus seiner Regierungszeit noch ein dritter bedeutender K odex erhalten hat. Es ist das
ebenfalls für das Kloster Tinz gearbeitete Sakramentarium, das der majestätischen Ruhe des
Emmeraner Evangelien-Kodex gegenüber eine bewegtere, dynamischere Formensprache zeigt
und dessen künstlerische Herkunft wohl in Köln zu suchen ist.
Im 12. Jahrhundert kommen die Einflüsse vor allem aus dem Westen. Das Evangeliar aus Kruszwic im Gnesener Kapitelarchiv5) ist von Walicki6) wohl richtig mit der Schule von Helmarshausen
(bei Paderborn) in Verbindung gebracht worden. Die dargestellten Szenen aus dem Leben Christi,
je zwei auf einer Seite, zeigen die knappe, von strengen Konturen umrissene, energische Bildspra­
che, wie sie die niedersächsischen Handschriften des Kreises um Heinrich den Löwen auszeichnet.
Historisch interessant ist das Widmungsbild, auf dem dem Papste Damasus die Handschrift über­
reicht wird. Eine andere Handschrift, das jetzt in Leningrad befindliche „Buch der acht Prophe­
x) K opera: D zieje malarstwa w Polsce I : T af. 3— 4, A b b . S. 15— 16.
2) W alicki-Starzynski: D zieje sztuki polskiej S. 21.
3) K opera I : T a f. 1— 2.
4) vgl- K . M. S w oboda: Z u m deutschen A nteil an der K un st der Sudetenländer, B rünn-Leipzig 1938 S. 13
5) K opera I : S. 6— 10.
6) W alicki-Starzynski: S. 25.
33
ten“ 7), scheint ein Beleg für die Bedeutung zu sein, die die Zisterzienser nicht nur für die Bau­
kultur, sondern auch für die darstellenden Künste im Osten gewannen. Von der malerischen Aus­
schmückung ihrer Kirchen haben sich leider (in Jgdrzejöw und Sulejöw) nur geringe Reste erhalten.
Die Beziehungen aber, die das „B uch der acht Propheten“ zu dem allerdings späteren Psalter aus
dem Zisterzienserinnenkloster Trebnitz sowie zur thüringisch-sächsischen Malerschule aufweist
(in Thüringen lag das bedeutende Zisterzienserkloster Schulpforta), machen eine Vermittlerrolle
des Ordens wahrscheinlich. Mit ihren asketisch strengen, dabei leidenschaftlich bewegten Gestal­
ten und Szenen, ihrer kühn stilisierten und doch von scharfer Naturbeobachtung zeugenden Tier­
ornamentik ist diese Handschrift ein ausserordentlich fesselndes Werk hochromanischer Buch­
malerei.
Die ebenfalls in Leningrad aufbewahrte, aus Polen stammende „Genesis“ 8) gehört schon dem 13.
Jahrhundert an. A u f dem Hauptblatt sind in eine kunstvoll verschlungene Ornamentik feinge­
zeichnete Rundbilder aus der Geschichte der Schöpfung und des ersten Menschenpaares eingefügt,
deren lebendiger Realismus schon zur Frühgotik hinüberleitet.
Hatten die bisher aufgezeigten, sehr bedeutenden Werke deutscher Malerei in Polen im wesent­
lichen dynastischen oder kirchlichen Beziehungen ihre Entstehung verdankt, so musste die nach
dem Mongolensturm von 1241 in grossem Masstab einsetzende deutsche Besiedlung des Ostrau­
mes für das deutsche Kunstschaffen in Polen eine Verdichtung und grössere Bodenständigkeit
bewirken. Es kom m t hinzu, dass von nun an stets die lebhaftesten Wechselbeziehungen zu den
ebenfalls deutsch besiedelten, südlich angrenzenden Karpatengebieten bestanden. Freilich haben
sich aus dem eigentlichen 14. Jahrhundert kaum malerische Zeugnisse in Polen erhalten; diese
Gründerzeit scheint ihre Kraft vor allem den grossen Bauten zugewandt zu haben. Ein vereinzel­
tes Kreuzigungsbild aus einem Krakauer Evangeliar um die Jahrhundertmitte9) steht österreichi­
scher Buchmalerei nahe10). Gegen Ende des Jahrhunderts dagegen stehen wir plötzlich vor einer
reichen Gruppe von Handschriften, die nun, den Vorgängen in Architektur und Plastik entspre­
chend, eng mit Böhmen Zusammenhängen11).
Der „Isidorus Hispalensis“ der Warschauer Nationalbibliothek12) und das 1397 datierte Graduale
der Karmeliter in Krakau13) schliessen sich unmittelbar den sogenannten Wenzelhandschriften an,
jenen von dem unfähigen Nachfolger Karls IV. inspirierten Schöpfungen, in denen eine dekadente
Hofkunst sich in üppiger Phantasie und unersättlicher Ornament- und Fabulierfreude auslebt,
wobei zugleich in den Drolerien, nicht ohne Zusammenhang mit der französischen Buchmalerei,
ein neuer frischer Wirkhchkeitssinn sich Bahn bricht14). Eingehendere Untersuchung wird hier
noch köstliche Funde machen können. Die Miniaturen der Gnesener Bibel von 141415) schliessen
sich einer etwas jüngeren, ebenfalls böhmischen Gruppe an, die vor allem durch das Hasenburger
Missale von 1409 vertreten wird16).
7) K opera I : S. 23— 28; 32.
8) K opera I : T af. 6 ; A b b . S. 30.
9) K opera I: S. 35.
10) vgl. das bei Stange, D eutsche Malerei der G otik, B d. I — I I abgebildete Material.
u ) In seinem A u fsatz „D ie kunsthistorische Stellung der Marienkirche in K rakau“ („D ie B urg“ II , 1, S. 81— 88) hat
H . G. Oliass a u f den analogen V organ g in der Architekturgeschichte hingewiesen.
la) K opera I: S. 46— 49.
13) K opera I : S. 51— 56.
vgl. B urger-Schm itz-B eth, D ie deutsche Malerei v o m ausgehenden M ittelalter bis zum Ende der Renaissance,
S. 164— 176.
16) K opera I : S. 67.
u )
le) vgl. H . Jerchel, Das H asenburgische Missale v o n 1409, die W enzelsw erkstatt u nd die M ettener Malereien v o n 1414.
In : Ztschr. des D eutschen Vereins für Kunstw issenschaft 4 (1937), S. 218— 241.
34
Auch im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts entstehen in Polen noch Handschriften wie das
Graduale von Lgczyca (Lentschütz) 146717) oder das für den Sohn Kasimirs IV ., Wladislaus
Warnenczyk, gemalte Gebetbuch18). Die Führung hat jedoch im 15. Jahrhundert die Tafel­
malerei übernommen. Schon im 13. Jahrhundert sind Tafelbilder in Polen bezeugt19); erhalten
ist davon nichts. Sehen wir von einigen problematischen Madonnenbildern ab, die vielleicht noch
am Ende des 14. Jahrhunderts entstanden, so stehen wir zuerst auf festem Boden bei dem 1425
datierten Epitaph des Wierzbeta (Gregor?) von Branice im Krakauer Nationalmuseum29).
Ich habe an anderer Stelle schon darauf hingewiesen, dass dieses kostbare W erk einem schlesischen
Meister zuzuschreiben ist, demselben nämlich, der den schönen Marientod aus Langendorf im
Breslauer Diözesanmuseum schuf21). Durch das ganze Jahrhundert hindurch bleibt das Schlesische
das Grundelement der hauptsächlich in Krakau und im südlichen Polen blühenden Tafelmalerei.
Im Anschluss an die Breslauer Hedwigstafel und verwandte schlesische Werke entsteht im „dunajecschlesischen“ , dem in die heutige Slowakei übergreifenden Siedlungsgebiet, eine Gruppe von A l­
tarbildern, deren Hauptwerke der Altar von Matzdorf in derZipsund der Bartholomäusaltar von
Niedzica sind22). In stärkstem Masse strahlt dann der 1447 in Breslau geschaffene Barbara-Altar
nach Osten aus. In Polen begegnen wir seinem Einfluss bei dem Altar aus der Krakauer Domini­
kanerkirche23), in der schönen Beweinung aus Chomranice im Diözesanmuseum Tarnow24) und
noch bei den Passionsszenen des um 1480 entstandenen Altars in Olkusch25). Hier freilich trifft er
bereits mit einer späteren, lyrisch gefühlsbetonteren schlesischen Stilwelle zusammen, die in Schle­
sien wohl durch das Wartenberg-Epitaph von 146826) eingeleitet und innerhalb des dezimierten
Breslauer Bestandes vor allem noch durch die Bilder des Marienaltars der Elisabeth-Kirche27) ver­
treten wird. Im Karpatengebiet hat diese Stilwelle im Geburtsaltar der Ägidienkirche zu Bart­
feld28) und der Elisabethlegende am Kaschauer Hochaltar29) sehr schöne Denkmäler hinterlassen,
deren Beziehungen zu Olkusch und ähnlichen Werken in Polen noch zu erforschen sind39).
Eine besondere Gruppe bilden einige Krakauer Altäre der zweiten Jahrhunderthälfte. Der ober­
deutsche, vor allem österreichisch gefärbte Stilcharakter, der den Dreieinigkeitsaltar von 1467
im Dom31), den Altar aus Mikuszowice32), den Augustineraltar im Nationalmuseum33), den Mater
dolorosa-Altar (jetzt in der Marienkirche)34) kennzeichnet, hängt wohl einerseits mit jenem „ober­
17) K opera I : S. 68— 73.
18) K opera I : T af. 7, A b b . 60— 62.
10) K opera I : S. 31.
20) W alicki, Malarstwo polskie X V w ieku, S. 59.
21) Spätgotische Malerei in Polen (M itteilungen der D eutschen A kadem ie 1940), S. 271.
22) vgl. M. Csanky, A szepesi es sarosi tablakepfesteszet 1460-ig (D ie Malerei in der Zips u nd im K om ita t Saros bis
1460), B udapest 1938.
23) W alicki T af. 16— 23.
24) W alicki T af. 27.
26) W alicki T af. 57— 63.
26) B raune-W iese, Schlesische Malerei und Plastik des M ittelalters, Leipzig 1929, T af. 200— 201.
27) vgl. H . Lossow , D er Marienaltar in der Elisabeth-K irche zu Breslau. In : Jahrbuch der Preuss. Kunstsam m lungen
1939, S. 127— 140.
28) K . Sourek, K unst in der Slowakei, Prag 1939, T a f. 323— 328.
29) Sourek T af. 309— 312.
30) vgl. T. Gerevich, Zw iqzki sztuki w ?gierskiej z P olsk ? (D ie Beziehungen der ungarischen K unst zu P olen). In dem
Sam melwerk „P olsk a a W ?g ry “ (P olen und U ngarn), B udapest-W arschau 1936, S. 123— 126.
31) W alicki T af. 28— 33.
32) W alicki T a f. 34— 37.
3S) W alicki T af. 38— 44.
34) W alicki T af. 64— 71.
35
deutschen Wanderzug“ des Spätmittelalters zusammen35), andererseits aber sicher auch mit der
Person der Königin Elisabeth, der Tochter Kaiser Albrechts II. und Gattin Kasimirs IV. Diese
bedeutende Frau, die z. B. Veit Stoss den Auftrag zum Grabmal ihres verstorbenen Gatten erteilte,
ist sicher auch bei den Aufträgen für diese grossen Altäre beteiligt gewesen. In der Art, wie in
diesen Altären das oberdeutsche Stilgut zu einer etwas groben, kräftig untersetzten Formensprache
bei leuchtend bunter Farbigkeit umgewandelt wird, prägt sich unverkennbar ein Krakauer Lokal­
stil aus. Namentlich der Krakauer Augustineraltar mit Szenen aus der Jugend und Passion Christi
gehört in der Beziehung zu den eigenartigsten und packendsten Werken spätgotischer Malerei im
deutschen Kunstbereich.
Der oberdeutsche Einstrom führt dann in der Dürerzeit in Krakau zu dem Auftreten bedeutender
süddeutscher Künstler vor allem aus Nürnberg. Die Malwerke freilich, die der grösste von ihnen,
Veit Stoss, in Krakau schuf, die gemalten Tafelbretter am Marienaltar, sind verloren36). Nur die
wild bewegten Flügelbilder des Altars von Ksiqznice Wielkie (1491)37), die den Tafeln des Meisters
in Münnerstadt (Franken) merkwürdig verwandt sind, geben uns vielleicht eine Spiegelung dieser
Malerei. In vollem Licht erscheint uns dagegen die Kunst des Dürer-Schülers Hans von Kulmbach,
der im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts in Krakau tätig war. A u f dem Altar, den er 1511 für
das Kloster Na Skalce fertigstellte, trägt der linke König die Züge Sigismunds; auch sonst ist in
der Landschaft und bei manchen Typen des Reiterzuges Polnisches spürbar. Zu den schönsten
Landschaftsschilderungen der deutschen Malerei gehören Kulmbachs versonnene Bilder aus der
Katharinenlegende, die jetzt, wenig beachtet, an den Pfeilern der Marienkirche hängen. Auch bei
dem Johannesaltar in der Floriani-Kirche überrascht die — hier dramatische — Landschaftsge­
staltung; daneben sind diese Bilder durch die Stifterbildnisse wertvoll, die uns Krakauer Patrizier
jener Zeit überliefern.
Weniger bedeutend, aber als Hofmaler in angesehener Stellung, hat Hans Dürer damals den CebesFries in der Krakauer Burg ausgeführt und einige Tafelbilder hinterlassen, so ein lebensgrosses
Bildnis König Sigismunds. V on anderen damals in Polen tätigen Malern sei noch des Lenz von Kitzingen gedacht und des Georg Pencz aus Nürnberg, der den von Peter Flötner geschaffenen Sil­
beraltar in der Sigismundkapelle des Doms mit Bildern verzierte38).
Von der gleichzeitigen Buchmalerei ist im allgemeinen Bewusstsein nur der prachtvolle BehaimK odex lebendig, der das Leben der deutschen Handwerker in Krakau schildert39). Fast unbekannt
ist in Deutschland noch die Fülle kostbarer Handschriften, mit der die Malerei des Mittelalters in
Polen damals ausklingt. Auftraggeber ist in erster Linie der H of, Johann Albrecht und der grosse
Renaissancefürst Sigismund I. Auch hier machtvolles Einströmen süddeutscher Formsprache.
Noch dem Geiste des 15. Jahrhunderts verhaftet das Graduale Johann Albrechts im Krakauer
Dom (1496)40). Etwa gleichzeitig mit dem Behaim-Kodex (um 1505) entstanden das Pontifikale
des Erasmus Ciolek41) : prunkvolle H of- und Kirchenversammlungen in überperspektivisch tiefen
Räumen mit Säulen und gotischen Gewölben; ein Kreuzigungsbild, das hinter der symmetrisch
35) vgl. H .
A u bin, D er oberdeutsche W anderzug des Spätm ittelalters. In :
36) vgl. E .
Lutze, V eit Stoss, Berlin 1938.
Jom sbu rg 2
(1938), S.
304— 318.
37) W alicki T a f. 72— 75.
38) vgl. T . X . K ruszynski, Jerzy P encz z N orym bergi ja k o tw orca m alow idel try p ty k u w kaplicy zygm untow skiej
(G eorg Pencz aus N ürnberg als Schöpfer der Malereien des T riptychon s in
der
Sigism und-K apelle).
storji Sztuki i K u ltu ry 2. 1933/34.
39) D er D eutsche Verein für K unstw issenschaft bereitet in V erbindung m it dem In stitu t für D eutsche O starbeit eine
Veröffentlichung dieses K o d e x m it originalgetreuen farbigen W iedergaben v or.
*°) K opera I I : T a f. 1— 7; A b b . S. 4— 5.
« ) K opera I I : S. 6— 13; T af. 7.
36
In : Biule
aufgebauten Hauptgruppe eine reiche Landschaft mit Schlössern, Flüssen und Alpengipfeln eröff­
net. Traditioneller sind die Initialen in dem Missale des Erasmus Ciolek42), Szenen aus der Kindheit
und Passion Christi; renaissancehaft ist hier nur die Rahmung der Seiten durch phantastische Säu­
len und Girlanden. Das Gebetbuch Sigismunds I. im Britischen Museum43) überliefert uns u. a.
ein Bild des alternden Königs, wie er kniend aus der Hand des Gekreuzigten die Hostie entgegen­
nimmt. Der Gekreuzigte ist ganz im Geiste der gleichzeitigen Nürnberger Malerei (Dürer, W olf
Traut u. a.) gestaltet. Das Bildnis gewinnt in der damaligen Malerei immer mehr Raum. Reich an
Bildnissen sind vor allem die für Sigismunds Kanzler Christoph Szydlowiecki geschaffenen Hand­
schriften44). Stärksten Einfluss der Donauschule (Altdorfer, junger Cranach) zeigen die Miniaturen
im Gebetbuch der Königin Bona (Oxford, Bodleiana)45).
Mit den genannten Werken ist diese Handschriftengruppe noch nicht erschöpft; sie bietet der
deutschen Forschung ein besonders reiches und dankbares Feld. Eine reiche Produktion an H olz­
schnitt und Buchillustration steht ihr zur Seite, ebenfalls ganz oberdeutschen Charakters. So hat
z. B. Hans Baidung Grien für ein Krakauer Missale ein ausdrucksvolles Kreuzigungsbild geschnit-
Wie in Deutschland folgt dieser mächtigen Blüte der Dürerzeit im weiteren Verlauf des 16. Jahr­
hunderts Stille. Gegen Ende des Jahrhunderts ist der Schlesier Martin Kober als Hofmaler in Kra­
kau tätig, der u. a. ein machtvolles Bildnis Stephan Bathorys in Lebensgrösse schafft47). Daneben
treten flämische Künstler auf. Das bedeutendste W erk der Flächenkunst in der zweiten Jahr­
hunderthälfte sind die in Brüssel für König Sigismund August, nach Entwürfen hauptsächlich von
Michael van Coxien angefertigten Bildteppiche in den Sälen der Krakauer Burg48). 1589 tritt der
Maler Jakob Mertens aus Antwerpen in die Krakauer Zunft ein; von ihm stammt eine Verkündi­
gung in der Marienkirche49).
Im 17. Jahrhundert wird ein Danziger Maler von hoher Bedeutung namentlich für die Bildnisma­
lerei in Polen: Daniel Schultz50). Meister eines freien, selbstbewussten Bildnisstils, hat er die K ö ­
nige Johann Kasimir und Johann Sobieski, ferner zahlreiche Adlige in bedeutenden Bildnissen
festgehalten, die durch zwei Danziger Stecher, Wilhelm Hondius und Jeremias Falck, zu weiter
Verbreitung gelangten. Daneben freilich sind niederländische, italienische und französische Künst­
ler in Polen tätig.
Im 18. Jahrhundert erlangt die deutsche Kunst auch auf dem Felde der Malerei ihre volle Herr­
schaft in Polen zurück. Zwar sind ihre bedeutendsten Schöpfungen, die gewaltigen Fresken, die
Decken und Wände der grossen Barockkirchen vor allem auch im östlichen Polen bedecken, noch
so gut wie unerforscht. Das Kuppelfresko der Dominikanerkirche in Lublin (noch 17. Jahr­
hundert)51), die Fresken Joseph Meyers in der Lubliner Kathedrale (1755— 58), die des Schlesiers
42) K opera I I : S. 20— 26.
4S) K opera I I : S. 27— 29; T af. 14.
44)
45)
So das Privileg für das K loster O patow (K op era I I , T af. 13).
K opera
II:
S.
32— 33.
46)
K opera
II:
S.
56.
47)
K opera
II:
S.
159.
4®) vgl. M. G?barow icz und T . M ankowski: A rasy Z ygm u n ta A ugusta (D ie B ildteppiche Sigism und Augusts). In:
R oczn ik K rakow ski 29 (1937).
49) K opera I I : S. 180.
50) vgl. W . D rost, Danziger Malerei, B erlin-Leipzig 1938.
61) W alicki-Starzynski: S. 173.
37
Karl
Piltz
noch
nere,
Lukas Hübel in der Piaristen-Kirche zu Lubieszow (1762— 65)52), die Deckenmalereien von
in Krakau53) sind nur mehr oder minder zufällig herausgegriffene Beispiele aus der Fülle des
zu Erforschenden. Unsere Darstellung muss sich deshalb im Folgenden auf die bescheide­
aber doch würdig vertretene Tafelmalerei beschränken.
Unter den sächsischen Königen treten deutsche Tafelmaler noch nicht besonders hervor. Der Dres­
dener Hofmaler Louis de Silvestre kann ja nur indirekt der deutschen Kunst zugerechnet werden.
In allen polnischen Schlössern begegnen dem Reisenden die prunkvoll repräsentativen Bildnisse
Augusts des Starken und später seines Sohnes Augusts III. von der Hand dieses gebürtigen Fran­
zosen. Auch Canaletto, der von Dresden aus Polen bereiste und reizvolle Veduten vor allem aus
Warschau geschaffen hat54), ist ja nicht eigentlich ein deutscher Künstler. Eher schon darf der in
Ungarn geborene, in Deutschland gebildete Adam Manyoki in den deutschen Kunstkreis einbezo­
gen werden. V on 1717— 23 und dann wieder von 1738— 56 war er Dresdner Hofmaler. Das Bild­
niskabinett des Schlosses Lazienki in Warschau bewahrt von ihm eine Reihe reizvoller Bildnisse
sächsisch-polnischer Fürsten und Fürstinnen55). Auch polnische Adlige hat er porträtiert; bekannt
ist sein Kinderbildnis des jungen Grafen Sulkowski56).
Vor kurzem ist darauf hingewiesen worden, dass damals deutsche Malerei in beträchtlichem Um­
fang auch durch den Kunsthandel nach Polen eingeführt wurde67).
An der elegisch-schönen Blüte der Kunst unter Stanislaus August ist dann in der Malerei vor allem
Wien beteiligt. Bacciarelli, der Hofmaler des Königs, ist zwar in Italien geboren, hat aber seine
Schulung wesentlich in Dresden und Wien erhalten. Seine allegorischen Bilder im Warschauer
Schloss und im Palais Lazienki58), seine in unzähligen Wiederholungen begegnenden Bildnisse des
Königs dürfen deshalb durchaus in den Kreis der deutsch-mitteleuropäischen Malerei einbezogen
werden. Von ähnlichen Schöpfungen in deutschen Patrizierhäusern seien hier die Wandbilder im
Warschauer Fuggerhause genannt.
Von dem am Ende des 18. Jahrhunderts (neben Franzosen wie Norblin und Vigee-Lebrun) in
Polen tätigen Deutschen sind am bedeutendsten zwei Wiener Bildnismaler: Joseph Grassi59) und
Johann Christian Lampi60). Vertreter des vornehm gedämpften, spätes Rokoko und frühen Klassi­
zismus duftig verschmelzenden Stiles der Wiener Füger-Schule, werden sie trotz der bewegten
Zeiten von den polnischen Adeligen mit Aufträgen überhäuft. In polnischen Adelssammlungen
wird noch manches reizvolle W erk dieser Spätkultur zu entdecken sein. Lampi ging später nach
Petersburg, wo er geradezu den R u f eines Malerfürsten genoss.
Aufschlussreich, aber den Rahmen dieses Überblicks sprengend wäre schliesslich eine Untersu­
chung darüber, wie sich auch noch in der national betonten polnischen Malerei des 19. Jahrhun­
derts deutsche Einflüsse geltend machen.
62) W alicki-Starzynski: S. 204.
53) W alicki-Starzynski: S. 203.
M) vgl. T . Saw icki, W arszaw a w obrazach Bernarda Belotta-Canaletta (W arschau in den Bildern von Bernardo Belotto-C analetto). W arschau 1927.
“ ) vg l. B . Lazar, M an yoky-T anu lm an yok (M anyoki-Studien) in : M agyar M üveszet 1926 ( I I ), S. 91— 101; 463— 474.
66) K opera I I : S. 255.
57) vgl. N . v . H olst, Sam m lertum und Kunstgutw anderung in O stdeutschland und den benachbarten Ländern bis
1800. In : Jahrbuch der Preuss. Kunstsam m lungen 60 (1939), S. 111— 126.
58) K opera I I : S. 273— 276.
69) K opera I I : S. 286— 290;
60) K opera I I : S. 284— 285;
38
T af. 45— 46.
T a f. 44.
WICHTIGSTES
SCHRIFTTUM
M. W a l i c k i , J. S t a r z y r is k i: D zieje sztuki polskiej (G eschichte der polnischen K un st). W arschau 1936.
F . K o p e r a : D zieje malarstwa w Polsce (G eschichte der Malerei in P olen). B d. I — I I , K rakau 1925— 26. O bw ohl
völlig veraltet und lückenhaft (das grosse Gebiet der barocken Freskom alerei wird z. B. überhaupt nicht er­
w ähnt), ist dieses W erk vorläufig als Materialsam mlung n och unentbehrlich.
M. W a l i c k i : M alarstwo polskie X V wieku (D ie polnische Malerei des 15. Jahrhunderts), W arschau 1938. Eine kür­
zere französische Ausgabe erschien 1937 in Paris unter dem T itel „L a peinture d ’ autels et de retables en Pologne
au tem ps des Jagellons“ .
E. B e h r e n s : Spätgotische Malerei in Polen. In : M itteilungen der D eutschen Akadem ie 1940, S. 268
273.
E. B e h r e n s : D eutsche Bildniskunst in Polen. E bendort S. 265— 267.
T i e m e - B e c k e r : Allgem eines L exikon der bildenden Künstler. Leipzig 1907 ff.
M. W a l l i s : Sztuka ob ca w zbiorach polskich (Ausländische K un st in polnischen Sam m lungen), W arschau 1935.
Enthält gerade die deutschen Bilder sehr unvollständig. Y gl. dazu die kritischen Bem erkungen v o n K . E. Si­
m on, „A usländische K unst in Polen“ in Z eitschrift für K unstgeschichte 1936, S. 140— 150.
39
ENTWICKLUNG UND G L IE D E R U N G D E R DEUTSCHEN
B E V Ö L K E R U N G I N D E R T U C H M A C H E R ST A D T
TOM ASZOW -M AZ.
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O
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G
,
K
R
A
K
A
U
Städte haben gewöhnlich einen Geburtenunterschuss und vergrössern ihre Einwohnerzahl nur
durch den Zuzug aus ihrer näheren oder weiteren Umgebung. Eine günstige Entwicklung der
Einwohnerzahl ist also bei Städten niemals ein Hinweis auf ein günstiges Verhältnis zwischen
Geburten und Sterbefällen, lässt auch keine Schlüsse zu auf ein höheres durchschnittliches Le­
bensalter oder auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung. In der Stadt holfen viele, eine bessere
und schnellere Aufstiegsmöglichkeit und vielseitige Berufsaussichten zu finden. Auch für körper­
lich Schwache und für einseitig Begabte findet sich in der Stadt leichter eine Verdienstmöglichkeit
als in einer ländlichen Umgebung, und schliesslich hat die Stadt seit jeher schon Menschen aufge­
nommen, die wegen der Übervölkerung auf dem Lande keinen ausreichenden Lebenserwerb mehr
finden konnten. Zur Vergrösserung der Einwohnerzahl der Städte liefern also alle Berufsschichten,
alle sozialen Schichten und Angehörige der verschiedenen Rassen ihren Beitrag. Das gilt allge­
mein für alle Städte.
In einer Industriestadt liegen die Verhältnisse etwas anders. Die Bewegung der Einwohnerzahl
ist nicht bedingt durch eine freiwillige Zu- oder Abwanderungsbewegung von Angehörigen aller
Schichten, sondern ist bedingt durch den Menschenbedarf, den die Industrie, bzw. die Unter­
nehmer haben. Damit ist aber gleichzeitig ausgedrückt, dass Fabrikstädte nicht wahllos Men­
schenmassen ansaugen, sondern dass sich nur jeweils nach der Art der Industrie eine bestimmte
Auslese für den Aufenthalt und die Ansiedlung in der Stadt entschliessen wird.
Jeder Industriezweig verlangt ganz bestimmte Fähigkeiten körperlicher Art, besondere handwerk­
liche Geschicklichkeiten oder auch besondere geistige Veranlagungen. Grosstädte mit einer viel­
seitigen Industrie haben dementsprechend auch einen Bedarf an Menschen verschiedener Bega­
bung und verschiedener geistiger und seelischer Beschaffenheit, Städte, in denen nur eine einzige
Industrieart vertreten ist, werden auch nur ihren Bedarf an Menschen aus einer verhältnismässig
begrenzten Schicht decken. Die Neuerrichtung oder Erweiterung einer neuen Grosserzeugungs­
stätte kann in kurzer Zeit ein erhebliches Ansteigen der Bevölkerungszahl nach sich ziehen; an­
dererseits können wirtschaftliche Schwierigkeiten und damit Einschränkung der Erzeugung oder
die Verwendung von Maschinen anstelle der menschlichen Arbeitskräfte ein plötzliches Abwandern
grösserer Bevölkerungsteile zur Folge haben. Auch hierbei wird nur wieder eine Auslese bestimm­
ter Berufe betroffen. Der Rassenkundler sieht aber in einer Bevölkerung solcher Industriestädte
nicht nur Berufs- oder Wirtschaftsgruppen oder soziale Schichten, sondern die rassischen Ver­
schiedenheiten innerhalb der Einwohnerschaft. Es muss auch hier wieder betont werden, dass es
keineswegs Zufall ist, dass Menschen mit einem bestimmten Aussehen eine besondere Neigung zu
bestimmten Berufen besitzen. Berufsgliederung, soziale Schichtung und rassische Beschaffenheit
einer Bevölkerung stehen in enger Beziehung zueinander, wie auch die sichtbare Leistung und die
Befähigung einer Bevölkerung eng mit der rassischen Beschaffenheit verknüpft sind.
Bereits die äusseren Umstände bei der Gründung einer neuen Ansiedlung schaffen eine rassische
Auslese der Ansiedler und damit der ersten Bewohner. Wenn die ersten Siedler auf völliges Neu­
land gesetzt werden, in dem sie unter grösseren persönlichen Entbehrungen und schwierigsten
Verhältnissen in den ersten Jahren noch nicht die Früchte ihrer Arbeit geniessen können, dann
wird sich eine andere rassische Auslese einfinden als wenn die Siedlung bereits soweit vorbereitet
40
ist, daß ein wirtschaftlicher Aufstieg im voraus gesichert erscheint. Bei der Gewinnung neuen
Lebensraumes durch kriegerische Handlungen wird stets die nordische Rasse einen entscheiden­
den Anteil haben; zur Sicherung des neuen Lebensraumes durch bäuerliche Kolonisation, die
mit Zähigkeit und Ausdauer das neu Gewonnene erhält, werden sich vorwiegend Menschen fälischer Rasse bereitfinden. Sind aber bereits alle Gefahren und Schwierigkeiten beseitigt, die einem
gesicherten Leben im Wege stehen können, sodass es nur der Übersiedlung bedarf, um in der
neuen Umgebung ungestört die gewohnte Arbeit, das gewohnte Handwerk oder eine sonstige
Tätigkeit wieder aufzunehmen, dann werden sich in solchen neuen Siedlungen auch zahlreiche
Menschen finden, die lieber in ihrer angestammten Heimat weitere soziale Beschränkungen auf
sich genommen hätten, als sich in der Fremde einem ungewissen Schicksal auszusetzen.
Die Stadt Tomaszow-Maz. entstand im Anfang desl9. Jh. Sie ist eine Gründung des Grafen Anton
von Ostrowski. Er war bestrebt, sein durch die Napoleonischen Feldzüge schwer heimgesuchtes
Land durch Schaffung einer einheitlichen Industrie wirtschaftlich wieder gesunden zu lassen. Nach­
dem die ersten Versuche der Errichtung einer Eisenindustrie durch den Vater Graf Thomas von
Ostrowski an der schlechten Beschaffenheit des dort gefundenen Erzes gescheitert waren, ging der
Sohn, Graf Anton von Ostrowski, durch den Aufschwung der Webeindustrie im Reich dazu ange­
regt, daran, Tuchmacher aus Deutschland nach Polen kommen zu lassen. In den Städten Grünberg,
Sagan, Görlitz usw. berief er in der folgenden Zeit Versammlungen von Tuchmachern ein, trug
seine Absicht vor, auf seinen Gütern eine Fabrikstadt errichten zu wollen und versprach, Fabriken
und Wohnhäuser nach Wunsch zu erbauen und den Einwanderern gegen billiges Entgelt in Erb­
pacht zu geben. Zu jedem Haus sollte ein Garten und ein Stück Ackerland gegeben werden. Im
Laufe der Zeit gelang es dann einem Beauftragten des Grafen, einem Johann Mannigel, immer neue
Ansiedler zu werben. Die ersten Ansiedler kamen im Jahre 1823 nach Tomaszow. Bereits nach
einem Jahre zählte der junge Fabrikort 1200 Einwohner. Durch die besondere Fürsorge, die der
Graf seiner jungen Gründung entgegenbrachte, wuchs die Einwohnerzahl von Jahr zu Jahr und
zog Auswanderer von Brandenburg, Schlesien, Pommern und Posen an sich.
Die Einwohnerlisten der Stadt Tomaszow geben aber bis zum Jahre 1929 kein annähernd klares Bild
von der Entwicklung der Bevölkerungsverhältnisse, da jeweils jährlich nur die Zahl der sog. „stän­
digen Einwohner“ verzeichnet ist. Die Stadtverwaltung konnte sich nur schwer dazu entschliessen,
den Neuzugezogenen das volle Stadtrecht zu gewähren, weil sie damit gleichzeitig die Fürsorge­
pflicht für die betreffenden Einzelpersonen oder deren Familien mit übernahm. Als Einwohner
verzeichnet sind daher in erster Linie Angehörige der wohlhabenderen Klassen, während kleine
Handwerker, Arbeiter usw. nur in selteneren Fällen in der Einwohnerliste aufgenommen sind.
Es ist dadurch möglich geworden, dass Angehörige dieser Berufe ihr ganzes Leben hindurch in
Tomaszow gewohnt und gearbeitet haben, ohne dass man ihre Anwesenheit in den Stadtakten ver­
merkt hätte. Erst nach der Jahrhundertwende findet sich neben den nach Konfessionen getrennten
„ständigen Einwohnern“ ein Hinweis auf die Zahl der „unständigen“ Einwohner, die jedoch eine
weitere Gliederung nach Volkszugehörigkeit, Konfessionen oder Berufen nicht zulässt. Erst vom
Jahre 1929 ab werden die Einwohnerlisten in Tomaszow in der allgemein üblichen Weise geführt.
Aus der Zeit der Gründung und aus den ersten Jahren des Bestehens des Tuchmachergewerbes
sind in dem Gründungsprotokoll der Stadt und in den Lehrlingsbüchern eine grosse Zahl von Na­
men der ersten Bewohner überliefert, welche die Stadt als eine ausschliesslich deutsche Gemeinde
kennzeichnen. Wie die Lehrlingsbücher fernerhin ausweisen, wurden in den ersten Jahrzehnten
nur immer wieder die Kinder deutscher Tuchmacher und Weber von den Meistern in die Lehre ge­
nommen und freigesprochen. Die Vergrösserung der Betriebe und das damit verbundene Aufblühen
der Stadt zog auch Bewohner aus der Umgebung an. Es wurden Einzelhandelsgeschäfte der ver­
schiedensten Art und Handwerksbetriebe eröffnet. So finden sich neben der ursprünglichen deut­
schen Bevölkerung frühzeitig auch zahlreiche Polen ein. Bereits 14 Jahre nach der Gründung leben
41
neben etwa 1200 Deutschen 1100 Polen als „ständige Einwohner“ in Tomaszow. Die Eigenschaft
der deutschen Tuchmacher, ihre ganze Aufmerksamkeit der Erzeugung guter und preiswerter
Stoffe und der Weiterentwicklung ihres Unternehmens zuzuwenden, hielt sie davon ab, die für
sie vorteilhaftesten Geschäftsbeziehungen und Handelsmöglichkeiten ausfindig zu machen und
für sich in Anspruch zu nehmen. Das beschwor eine Landplage herauf, durch welche die gesamte
Industrie späterhin erschüttert werden sollte: die Juden. Welcher Mittel sich die Juden bedienten,
sich eine solche ungeheure Machtstellung zu sichern, soll der Gegenstand einer späteren Untersu­
chung des Instituts für Deutsche Ostarbeit sein.
An dieser Stelle soll nur ihr zahlenmässiges Ansteigen in der Gemeinde erwähnt werden. Für das
Jahr 1837 setzte sich die Einwohnerschaft zusammen aus 1220 Deutschen, 1126 Polen und 1044
Juden. Bereits 1865 gibt es 65% mehr Juden als Deutsche, um die Jahrhundertwende ist ihre Zahl
bereits um 130% höher als diejenige der Deutschen und ist bis 1940 fast bis auf das Vierfache ge­
stiegen.
Im einzelnen zeigt die Entwicklung der Einwohnerzahl folgenden
1837
1840
1845
1850
1855
1860
1865
1870
1875
1880
Verlauf
1886
1890
(Abb. 1 u. 2):
1895
1900
A b b . 1.
Abgesehen von der sprunghaften Entwicklung der Einwohnerzahl, die sich durch die verschieden­
artige Behandlung von „ständigen“ und „unständigen“ Einwohnern ergibt, weist die Entwick­
lung Schwankungen auf, bei denen je ein gewaltiger Rückgang in den Jahren vor 1886, 1900,
1910 und 1932 besonders auffällig ist. Dieses Absinken ist jedoch nicht von einer überdurchschnitt­
lichen Sterblichkeit oder einem Geburtenunterschuss hervorgerufen, sondern durch eine erhöhte
Abwanderung vorwiegend gelernter Arbeiter und Gesellen in die nahe gelegene grosse Tuchmacher­
stadt Lodz (jetzt Litzmannstadt). Diese Stadt ist mehr noch als Tomaszow aus dem Fleiss und der
Tüchtigkeit deutscher Tuchmacher zur grössten und einzig dastehenden Industriestadt dieser Art
im Osten hervorgewachsen. Lagen auch die natürlichen Verhältnisse für die Webeindustrie und der
dazu notwendigen Ergänzungsbetriebe (Walke, Appretur usw.) in Tomaszow günstiger (Toma­
szow liegt an drei Flüssen) als in Lodz, so standen auf der anderen Seite ministerielle Verfügungen
einer Vergrösserung der Industrieanlagen hindernd im Wege, die in der Nachbarstadt nicht vorhan­
den waren. Junge, vorwärtsstrebende Menschen waren daher gezwungen, auszuwandern. (Eine
weitere, bereits begonnene Arbeit über die Bevölkerung von Tomaszow wird auch näher auf diese
Abwanderung und auf die Abwanderungsziele eingehen.) So ergab sich, dass bei einem ständigen
Geburtenüberschuss der Anteil der deutschen Bevölkerung im Laufe der letzten 50 Jahre von
5500 auf 3500 zurückgegangen ist. Durch diese Abwanderung ist gleichzeitig eine weitere Auslese
erfolgt, die dadurch zustande kam, dass die wagemutigsten Menschen, welche die Befähigung besassen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, sich in der Nachbarstadt ansiedelten, weil sie für
42
1892
1905
1910
D eutsche
1914
1929
1930
Polen
1932
Juden
1934
1936
1938
1940
U nständige Einw ohner
A b b . 2.
ihren Schaffensdrang kein Tätigkeitsfeld finden konnten. Der Rahmen für die Entfaltungsmöglich­
keiten wertvoller Anlagen, die sowohl der einzelnen Familie wie der Gemeinde hätten zugute
kommen können, war vorgezeichnet und beschränkt. Zurückgebheben sind diejenigen, die
sich dem engbegrenzten Rahmen einfügen konnten unter dem Verzicht auf weitere Aufstiegs­
möglichkeiten, also die durchschnittlich Befähigten. Von den Tüchtigsten zurückgeblieben sind
immer nur diejenigen, die als Erben oder sonstige Nachfolger die vorhandenen Betriebe über­
nehmen konnten. Ein grösser Teil der besten Erbmasse ist der deutschen Gemeinde Tomaszow da­
mit verloren gegangen.
Das ständige Abfliessen wertvollen Erbgutes durch die Abwanderung von Menschen einer bestimm­
ten rassischen Beschaffenheit macht sich auf vielen Gebieten bemerkbar: einerseits in dem rassi­
schen Erscheinungsbild der Menschen, in welchem Vertreter bestimmter Rassen recht selten zu
finden sind, und andererseits in der Lebensform dieser Gemeinschaft, die ebenfalls als Kennzeichen
für das Überwiegen bestimmter Rasseneinschläge gelten kann, weil sie Zeugnis ablegt von den in
dieser Gemeinschaft liegenden Fähigkeiten, ihrem Gestaltungswillen und ihrer Gestaltungskraft.
Als ein äusseres Kennzeichen der Lebensform kann die Form und die Ausgestaltung der Häuser
und damit auch des Strassen- bzw. des Stadtbildes angesehen werden. Die ersten Häuser beson­
ders in der Görlit?er- und Grünebergerstrasse wurden als Weberhäuser vom Gründer und Erbauer
der Stadt, Graf v. Ostrowski, errichtet und stellten Zweckbauten dar, die den persönlichen Ge­
schmack der Bewohner nicht besonders berücksichtigten. Mit dem wirtschaftlichen Aufblühen
der Industrie wurde die Stadt erheblich erweitert und Deutsche sind Bauherrn und Bauunter­
nehmer gewesen. Auch in dieser Zeit entstanden wenige Häuser, die über den Rahmen der reinen
Zweckmässigkeit hinausgingen und sich aus dem eintönigen Stadtbild heraushoben. Bis zum
Weltkrieg war die Zahl der deutschen Einwohner grösser als die der polnischen; zudem gehörten
die Deutschen vorwiegend den höheren sozialen Schichten an, wie sich aus den Bürgerakten und
aus den Akten der verschiedensten städtischen Einrichtungen (Feuerwehr usw.) ergibt. Sie waren
also in der Lage, der Stadt ein ihrem Wesen entsprechendes Gepräge zu geben. In den neuer­
standenen Bauten, und zwar sowohl in den Bürgerhäusern, in den Fabrikanlagen wie auch in
öffentlichen Gebäuden wie Rathaus, Kirche, Schule usw. zeigt sich immer wieder, dass der Sinn
der Bürger vorwiegend auf Sparsamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit gerichtet war.
Ihr Streben galt der Verbesserung und Vergrösserung der Betriebe und der Fürsorge für die A r­
beiter und deren Familien. Hierin taten sich besonders einzelne Unternehmer durch die Schaffung
und Errichtung von Arbeiterwohnungen, Schaffung eines Alterheimes, Armenhauses und Kinder­
gartens hervor. Ihre Leistungen liegen hauptsächlich auf sozialem Gebiet und treten daher nach
aussenhin wenig in Erscheinung. Das sind Wesenszüge einer Bevölkerung, in der das Vorwärtsstür­
mende der nordischen Rasse mit ihrer unbewussten Betonung der Persönlichkeit auch in der Le­
bensform und das stolze Selbstbewusstsein mit dem angeborenen Sinn für Abstand des fälischen
Menschen nur in geringem Masse noch vorhanden sind.
Rassisch betrachtet, finden sich in der Bevölkerung besonders häufig Menschen mit dinarischen
und — etwas seltener — mit ostischen Einschlägen auf der allen Deutschen gemeinsamen Grund­
lage der nordischen Rasse. Die Bevölkerung Tomaszows erinnert an die Bewohner entsprechender
Industrieorte im Reiche (Weber in der Lausitz, in Böhmen u. a.); gemeinsam ist ihnen auch das
Verhalten gegenüber den Schicksalen des Lebens.
Seit dem Bestehen der Kirchenbücher vom Jahre 1835 sind in Abständen von je 10 Jahren Aus­
züge aus den Geburten- und Sterberegistern hergestellt worden. Mit Ausnahme der beiden Jahre
1855 und 1915 ist ständig ein Geburtenüberschuss festzustellen. In den beiden genannten Jahren
ist eine besonders hohe Kindersterblichkeit zu beobachten; und zwar wirkt sie sich im Jahr 1915
besonders als Säuglingssterblichkeit aus, während 1855 besonders Kinder im vorschulpflichtigen
Alter (1— 6 Jahre) davon betroffen sind. Beide Jahre erbringen einen Geburtenunterschuss.
Bei der Berechnung des durchschnittlichen Lebensalters ist die Säuglingssterblichkeit (Kinder bis
zu einem Jahr) nicht einbezogen worden. Für das Jahr 1915 ergibt sich also trotz der grossen Säug­
lingssterblichkeit ein durchschnittliches Lebensalter von 45,9 Jahren, während sich z. B. für das
Jahr 1885 mit einem erheblichen Geburtenüberschuss nur ein durchschnittliches Lebensalter von
21,7 Jahren errechnen lässt, weil auch hier eine grosse Sterblichkeit der 1— 6-Jährigen festzustellen
ist.
Jahr
Geburten
A nzahl
1835
1845
1855
1865
1875
1885
1895
1905
1915
1925
1935
44
54
72
62
94
143
200
184
161
105
87
83
27
38
80
58
52
128
141
123
131
71
54
T o d e s f ä l l e
d a von unter 1 J.
1— 6 Jahre
6
14
14
25
19
54
74
51
33
19
10
8
4
24
11
1
32
8
12
24
6
1
Geburtenüberschuss
+27
+ 34
— 18
+37
+91
+72
+43
+38
— 26
+16
+29
durchschnittl. A lter
o. Säuglingssterbl.
26,3 Jahre
40,0
99
29,4
99
36,6
99
43,3
99
21,7
99
44,1
99
40,0
99
45,9
99
44,3
99
57,3
99
Den Sterbefällen entsprechend ist auch die Entwicklung der Eheschliessungen seit dem Bestehen der
Kirchenbücher in Abständen von 10 zu 10 Jahren gezeigt worden. Von den auf diese Weise vom
evangelischen Pfarramt erfassten 483 Ehen sind 49, also 10% evangelisch-katholische Misch­
ehen, wobei in 26 Fällen die Frau und in 23 Fällen der Ehemann der evangelischen Konfession an­
gehörte. In der Zeit von 1925 bis 1940 haben häufiger als früher evangelische Männer katholische
Frauen geheiratet. Da diese Ehen in den Kirchenbüchern der evangelischen Gemeinde eingetragen
sind, ist zu vermuten, dass der evangelische Einfluss in diesen Ehen überwiegt und die Kinder auf
diese Weise auch in der deutschen Sprache erzogen werden.
E h e s c h l i e s s u n g e n in T o m a s z o w
j anr
Eheschlies­
sungen
1833
1834
1835
1845
1855
1865
1875
1885
1895
1905
1915
1925
1935
1936
1937
1938
1939
1940
12
10
19
10
14
23
36
42
60
24
6
33
34
41
33
35
38
13
483
ev.-kath .
Männer
Mischehen
evgl.
1
1
—
—
1
—
1
1
—
—
—
—
1
—
3
—
2
—
6
2
—
.
—
—
Frauen
evgl.
—
—
3
2
5
1
2
—
—
—
3
7
6
6
4
5
2
2
3
6
5
1
2
2
49
23
1
[4
1
3
3
—
26
Nach den Heiratseintragungen des katholischen Pfarramtes in Tomaszow wurden in der Zeit von
1900 bis 1939 109 Ehen geschlossen, in denen die Ehepartner verschiedenen Konfessionen angehör­
ten. In diese Zahl sind 9 Ehen zwischen griechisch-orthodoxen und röm.-kath. Ehepartnern ein­
begriffen. Es bleiben also 100 Ehen für die Zeit von 40 Jahren bei einer Bevölkerung, die im Jahre
1940 bereits den Stand von 47278 erreicht hatte. Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass an
dieser Zahl die Deutschen nur mit 3523 und die Polen mit 31620 Personen beteiligt sind. In 57
der genannten 100 Ehen war der Ehemann evangelischen, in 43 Fällen katholischen Bekenntnisses.
Welchen Irrtum man begeht, wenn man — wie es oftmals üblich ist— die Zugehörigkeit zur röm.kath. Kirche als Zeichen der polnischen Abstammung der Familien ansehen will, zeigt eine kurze
Betrachtung der Familiennamen im Eheschliessungsregister; dort sind Namen wie Grunert,
Kurtz, Husar, Kaufmann usw. als römisch-kath. verzeichnet, gelten also für viele als polnische
Volkszugehörige. Es sind die gleichen Namen, welche die ersten deutschen Siedler vor drei oder
vier Generationen trugen, als sie als Tuchmacher aus Görlitz, Grünberg und Sagan hierher gerufen
wurden. Der Blutanteil und die in der Erbmasse ruhenden Fähigkeiten sind Kennzeichen für die
deutsche Abstammung dieser Menschen. Für eine bereits weiter fortgeschrittene Blutvermischung
45
zwischen deutschen und polnischen Yolkszugehörigen reicht der kurze Zeitabschnitt von drei bis
vier Geschlechterfolgen nicht aus, sie ist auch durch die Tatsache unwahrscheinlich gemacht,
dass erst seit den letzten wenigen Jahrzehnten häufiger Mischehen geschlossen worden sind.
Das durchschnittliche Heiratsalter für Männer und Frauen hat sich im Laufe von mehr als hun­
dert Jahren nur unwesentlich geändert und ist im Vergleich zu ländlichen Bevölkerungen verhält­
nismässig hoch.
D urchschnittliches
Jahr
Heiratsalter beim evangelischen Bevölkerungsteil
Zahl der
geschl. Ehen
1833
1834
1835
1845
1855
1865
1875
1885
1895
1905
1915
1925
1935
1936
1937
1938
1939
12
10
19
10
14
23
36
42
60
24
6
33
34
41
33
35
38
durchschnittliches A lter bei
Frauen
Männern
31,6 Jahre
31,4
«
31,051 99
33,2
99
27,8
99
30,4
99
26,8
99
26,9
99
27,9
99
34,2
99
39,1
99
28,1
99
33,6
99
29,2
99
30,4
99
30,4
99
29,4
99
24,0 Jahre
25,1
99
24,9
99
26,1
99
22,4
99
24,8
99
22,0
99
23,4
99
24,8
99
29,2
99
29,5
99
23,6
99
28,6
99
26,9
99
26,0
99
27,7
99
27,0
99
Aus der Bevölkerung von Friedersdorf (H. Göllner: Volks- und Bassenkunde der Bevölkerung von
Friedersdorf Krs. Lauban, Schles.; Jena 32) stehen Vergleichszahlen für das durchschnittliche
Heiratsalter zur Verfügung. Danach betrug das Heiratsalter des Mannes in der Zeit von 1886— 95
durchschnittlich 26,4 Jahre, 1896— 05 25,9 Jahre, 1906— 15 25,2 und 1916— 25 25,8 Jahre. Bei
Frauen wurde das durchschnittliche Heiratsalter für die gleichen Zeitabschnitte mit 22,2, 22,6,
23,2 und 23,0 Jahren berechnet. Friedersdorf ist seit dem 18. Jahrhundert ein W eberdorf geworden.
Nach einer Blüte im Anfang des 19. Jahrhunderts folgt durch die Industrialisierung ein Nieder­
gang der Dorfweberei, der die soziale Lage der gesamten Bewohnerschaft verschlechtert. Durch
das erhöhte durchschnittliche Heiratsalter in Tomaszow steht dieser Ort bevölkerungspolitisch
noch ungünstiger da als Friedersdorf, denn ein erhöhtes Heiratsalter ist die Ursache für einen Aus­
fall an Geburten. In städtischen Bevölkerungen liegt das Heiratsalter im allgemeinen höher als
in ländlichen Gemeinden, in diesem Falle geben aber die erschwerten Lebensbedingungen für die
Bevölkerung in Tomaszow den Ausschlag.
Im Jahre 1823 kamen die ersten Ansiedler nach Tomaszow und nahmen sofort ihre Arbeiten auf.
Die Stadtakten verzeichnen bereits im Jahre 1823 die Zahl von 38 Unternehmern, die 49 Arbeiter
beschäftigen. Die Erzeugung belief sich auf 2107 Stück Tuch, 7 000 Ellen Leinen und 1000 000
Ellen Band. Im Jahre 1832 ist die Zahl der Unternehmer auf 74 und die Zahl der beschäftigten
46
Arbeiter auf 803 angestiegen. Die Erzeugung betrug 12060 Stück Tuch und 254000 Pfund Wolle.
Die nächste Gesamtaufstellung findet sich 20 Jahre später für das Jahr 1852. In diesem Jahr sind
jedoch die Unternehmungen nur namentlich angeführt, ohne Hinweis auf die Zahl der beschäf­
tigten Arbeiter und ohne Angabe der erzeugten Warenmenge; jedoch geht aus den jährlichen
Berichten über neueingerichtete Betriebe hervor, dass sich die einzelnen Unternehmungen be­
deutend vergrössert haben und durch die Inbetriebstellung von Maschinen noch leistungsfähiger
geworden sind. Kennzeichnend für diese Zeit ist, dass der Jude bereits einen grossen Einfluss
gewonnen hat. In 19 von 73 Unternehmungen ist bereits ein Jude als Besitzer genannt. Dass er in
keinem Falle auf Grund von Fachkenntnissen zum Inhaber eines Tuchmacher Unternehmens ge­
worden ist geht daraus hervor, dass jüdische Betriebe die einzigen waren, die einen Werkmeister
mit der Leitung der Erzeugung beauftragen mussten. Ergänzend lässt sich hierzu noch berichten,
dass mehrmals Juden ihre Kinder deutschen Tuchmachern in die Lehre gegeben haben. Soweit
aber die Lehrlingsbücher Auskunft geben, hat nicht ein einziger Jude die Lehrzeit beendet; er ist
entweder vorzeitig von seinem Vater herausgenommen und in ein Geschäft gesteckt worden, ist
aus der Lehre „entlaufen“ oder hat auf Anraten des Meisters auf die weitere Ausbildung verzichtet.
Jüdische Betriebe heben sich dadurch aus der Reihe der übrigen heraus, dass sie eine bedeutend
grössere Zahl von Gesellen und Arbeitern beschäftigen und auffallend grosse Warenmengen erzeu­
gen.
Bis zur Gegenwart fehlen Eintragungen und Akten, die ein umfassendes Bild von der beruflichen
oder gesellschaftlichen Gliederung der Bevölkerung geben können. Erst nachdem grosse Teile
Süd- und Mittelpolens als Generalgouvernement deutsches Hoheitsgebiet geworden waren, konnte
eine bis ins einzelne gehende Erfassung aller Deutschen durchgeführt werden. Das ff-U m sied­
lungskommando hat im Aufträge des Reichsführers ff seit dem Winter 1939/40 jede einzelne deut­
sche Familie aufgesucht und Erhebungen durchgeführt über die Familienangehörigen, ihre soziale
und wirtschaftliche Stellung und ihre Berufszugehörigkeit1).
Nach diesen Aufstellungen gab es im Sommer 1940 in Tomaszow:
13 Unternehmer
13 Gewerbetreibende
17 gelernte Arbeiter
25 Pensionäre
39 Bauern
45 Kaufleute
46 Angehörige freier Berufe
150 Beamte und Angestellte
171 Rentner
527 ungelernte Arbeiter
612 Handwerker
*) D er Leiter der Um siedlungskom m ission in K rakau,
f f - O bersturm führer D r. M atthäus hat in freundlichster Weise
die Ergebnisse dieser Erhebung fü r diese A rb eit zur V erfügung gestellt. D er Verfasser ist ihm hierfür zu beson­
derem D ank verpflichtet.
47
Die 3889 gezählten Personen (1767 männl. und 2122 weibl.) verteilen sich wie folgt auf die ein­
zelnen Altersstufen:
Jahre
95— 100
90— 95
85— 90
80— 85
75— 80
70— 75
65— 70
60— 65
55— 60
50— 55
Männer
—
1
3
10
19
30
64
64
80
96
Männer
Frauen
1
—
5
20
41
64
83
94
116
127
Jahre
Männer
Frauei
45— 50
40— 45
35— 40
30— 35
25— 30
20— 25
16— 20
6— 15
0— 6
89
96
162
194
141
59
112
343
204
117
136
174
198
213
98
137
297
201
Frauen
Jahre
95-100
9 0 - 95
8580757065-
90
85
80
75
70
6055504540-
65
60
55
50
45
3 5 - 40
30"j 2 5 2015-
35
30
25
20
6 - 15
0-
6
Abb. 3. Altersaufbau der deutschen Bevölkerung in Tomaszow-Maz.
Neben diesem Altersaufbau, welcher die Besetzung der einzelnen Altersstufen deutlich zeigt, geben
auch die Zahlen Verhältnisse zwischen Kindern und Greisen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung
gute Anhaltspunkte für die voraussichtliche Bevölkerungsentwicklung. Nach einer Zählung stan­
den in der Gesamtbevölkerung 547 (= 3 0 ,9 % ) Knaben und 498 (= 2 3 ,4 % ) Mädchen bis zu 15 Jahren
nur der geringen Zahl von 127 (= 7 ,1 8 % ) Männern und 214 (= 1 0 ,0 8 % ) Frauen über 65 Jahren ge-
48
genüber; 8,76% Greisen stehen 26,87% Jugendliche unter 15 Jahren gegenüber, ein Zahlenver­
hältnis, das für eine jugendliche Bevölkerung mit den besten Zukunftsaussichten kennzeichnend ist.
Aus der ursprünglichen Tuchmacherstadt mit den vielen selbständigen kleinen Tuchmacher­
meistern ist im Laufe der letzten hundert Jahre und besonders durch die Einstellung von Maschi­
nen eine Industriestadt mit ganz wenigen Unternehmern geworden. Mit dieser sozialen Umschich­
tung ist auch ein Gesinnungswandel vor sich gegangen. Ein bäuerliches Denken und eine bäuerliche
Lebenshaltung ist den Lebensansichten einer industrialisierten Stadtbevölkerung gewichen. Die
politischen und die wirtschaftlichen Umstände und der Einfluss der Juden, die ständig weitere
Deutsche um ihr Eigentum und ihren Grundbesitz brachten, haben diesen Wandel noch beschleunigt.
Eine bäuerliche Lebensauffassung ist nicht auf eine landwirtschaftliche Bevölkerung beschränkt,
sondern sollte in allen Berufsschichten und allen Gesellschaftsklassen anzutreffen sein. Bäuerliche
Lebensform ist die Befriedigung der Lebensansprüche und deren Höherentwicklung durch wei­
testgehende Ausnützung der natürlichen Gegebenheiten mit der Ausrichtung auf die beiden Ziele
der Erhaltung und Sicherung des eigenen Blutes in einer zahlreichen Familie und die Fortführung
der in jeder Familie gepflegten Überlieferung. Beides steht in der Bevölkerung von Tomaszow nicht
mehr im Vordergrund. Kennzeichnend dafür ist der verhältnismässig hohe Anteil von 15,9%
berufstätigen Ledigen beiderlei Geschlechts. Ein grösser Teil von ihnen gehört bereits höheren
Altersklassen an, so dass auch eine künftige Eheschliessung nicht mehr zu erwarten ist.
Der deutsche Mensch auf der Lebensgrundlage der nordischen Rasse ist kein Städtebewohner. Die
Städte haben bisher alle verstädterten Geschlechter zugrunde gehen oder entarten lassen. Sie
konnten ihre Einwohnerzahl nur durch die ständige Aufnahme von Menschen aus ländlichen Ge­
meinden erhalten und weiter ansteigen lassen. Die Entartungserscheinungen sind in Industrie­
städten am grössten, weil sich dort der Mensch am meisten von seinen natürlichen Lebensbedingungen entfernen musste. In ländlichen Gebieten und auch in Städten, die noch ein umfangreiches
Ackerbürgertum beherbergen, werden vielseitige geistige und körperliche Fähigkeiten beansprucht
und bleiben damit in der Bevölkerung in ständiger Entwicklung. Die Industrie verlangt aber bei
der notwendigen Arbeitsteilung Sonderfähigkeiten auf wenigen Gebieten. So bilden sich langsam
Gruppen heraus, in denen diese Fähigkeiten den Erfordernissen des Berufslebens und der Befrie­
digung der persönlichen Ansprüche genügen. Häufige Heiraten innerhalb dieser Gruppen werden
die Auslese in der entsprechenden Richtung weiterhin fördern und auf diese Weise eine völlige
Umbildung der Bevölkerung herbeiführen. Das Ergebnis einer solchen ständigen Anreicherung
einiger weniger Fähigkeiten in einem fest begrenzten Kreis der Bevölkerung sind einerseits Men­
schen, die nur für diesen einen Beruf und für denselben Herstellungsvorgang brauchbar sind, und
die bei einer möglichen plötzlichen Umstellung des Arbeitsganges vor ernste Schwierigkeiten ge­
raten, und andererseits eine Gruppe, die den „Ausleserückstand“ darstellen, in dem auch diese
Fähigkeiten nicht mehr vorhanden sind, der Schicht eines Proletariats, das sich nur solange erhal­
ten kann, solange der Unternehmer ihm eine Lebensgrundlage gibt.
Viele Beispiele aus dem Deutschland der Niedergangszeit haben gezeigt, wie schnell eine solche
Proletarisierung vor sich gehen kann. Aus einer solchen Schicht gibt es nur schwer einen Aufstieg
Z u den Abbildungen:
V O LK SD E U TSC H E
AUS
T O M A S Z O W -M A Z .:
1. Textilarbeiter, Sohn eines Lan dw irts;
2. Zim m erm ann, Sohn eines H andw erkers; 3. K aufm an n und B ü ro­
angestellter, Sohn eines M agazineurs; 4. A ppreturleiter, Sohn eines B äckers; 5. Arbeiter, Sohn eines W ebers;
6. Ofensetzer, Sohn eines Ofensetzm eisters; 7. W ebm eister, Sohn 'eines W ebm eisters; 8. Schlossermeister Sohn
eines H andw erkers; 9. K eram iker, Sohn eines K aufm an ns; 10. 37-jährige E hefrau, T och ter eines B ü robeam ten ­
i l . 37-jähn ge E hefrau, T och ter eines W aldm eisters; 12. 33-jährige E hefrau, T och ter eines Tuchmeisters.
49
weder zu einer persönlichen Leistungsfähigkeit noch im Sinne einer sozialen Höherentwicklung
weil alle hierfür erforderlichen Anlagen und Entfaltungsmöglichkeiten aus dieser Gruppe heraus­
gelesen waren.
Durch die Industrialisierung und durch die wirtschaftliche Versklavung durch das Judentum ist
die Bevölkerung der Tuchmacherstadt Tomaszow auf diesen W eg geführt worden. Anzeichen einer
einsetzenden Gegenauslese war neben der genannten hohen Zahl von Ledigen und für die Ehe
Untauglichen eine verhältnismässig hohe Zahl von Fürsorgeempfängern im arbeits- und erwerbs­
fähigen Alter. A u f je 5 Personen im Alter von 20 bis 65 Jahren kommt ein Unterstützungsempfän­
ger des städtischen Fürsorgeamtes, der entweder durch sein Alter, durch vorübergehende oder
ererbte Krankheit oder durch beschränkte Arbeitsfähigkeit keinen ausreichenden Lebensunter­
halt verdienen kann. Noch überwiegt die Zahl der gelernten Arbeiter, der Facharbeiter, der Hand­
werker und der Handwerksmeister beträchtlich die Zahl der ungelernten Arbeiter und auch unter
diesen befindet sich ein Teil, der denselben Sippen entstammt, aus denen Facharbeiter und Meister
hervorgegangen sind. Für diese ist auch bei der Besserung der durch Polenterror und Juden­
herrschaft geschaffenen Lage ein Aufstieg und eine Wiederhinaufzüchtung ihrer Familien durch
entsprechende Eheschliessungen und Auswahl eines geeigneten Ehepartners zu erwarten.
frH E POLISH INSTITUTE
S1KORSKI MUSEUM.
3
l "
AND
T
DIE A R C H IV E DES G E N E R A L G O U V E R N E M E N T S *
V O N
S T A A T S A R C H I V D I R E K T O R
DR.
E R I C H
R A N D T ,
K R A K A U
2. STAD TARCH IVE
Krakau
Das bestgeordnete und an mittelalterlichen Quellen reichste Stadtarchiv des Generalgou­
vernements ist das der Stadt Krakau127), das seit 1887 in einem eigenen Gebäude (Marktgasse 16)
untergebracht und seit 1890 zugleich ein selbstständiges wissenschaftliches Institut Krakaus ist.
Die ehemals im Rathaus unter der Obhut des Stadtschreibers aufbewahrten Urkunden und
Stadtbücher reichen mit der Lokationsurkunde vom Jahre 1257 bis in die Anfänge der deutschen,
nach dem Breslauer Vorbild mit Magdeburger Recht bewidmeten Stadt Krakau zurück128).
Die ältesten erhaltenen Schöffenbücher beginnen hier 1301, die ältesten erhaltenen Rats-, Bürger­
und Rechnungsbücher gegen Ende des 14. Jahrhunderts129). Die verschiedenen Reihen dieser
Schöffen-, Vogt-130) und Ratsbücher, Rechnungen, Innungsbücher und dergleichen zählen für
das 14.— 18. Jahrhundert etwa 31/2 Tausend Bände. Hierzu kamen im Jahre 1794 die entsprechen­
den Archivalien der Stadt Kleparz und anderer Vorstädte, sowie (1802) die der Stadt Kasimir
(gegen 1000 Bände); ferner die einer Reihe kleinpolnischer Städte und der Krakauer Innungen etc.
Alle diese Bücher können hier natürlich nur ihren Hauptgruppen nach im Überblick genannt
werden. Sie gliedern sich in Schöffen-, V ogt-, Rats-, Protokoll-, Protestations-, Konzeptbücher
und dergleichen, von denen manche Gruppen sich wieder in eine Reihe von Untergruppen scheiden.
Weitere Reihen bilden die „Plenipotentiae, decreta iuramentorum, salviconductus et fideiussoriae
cautiones“ , die Testamentenbücher, die „A cta pupillaria et successionalia“ , die „Protocolla causarum criminalium , die „Relationes, Libri oblatorum“ und „Transactiones officii consularis“ , die
„Transactiones perpetuae magistratus“ , die „Transactiones temporaneae“ , die „Protocolla schaedularum“ , die „Regestra causarum vocandarum“ , die Bücher des Gerichts des Stadtpräsidenten
(1779— 94), die Bücher der „preussischen Kommission“ (1794— 96), die Protokollbücher der
Magistratsbeschlüsse (bis 1802) usw.
*) F ortsetzung zu T eil I ü ber die Staatsarchive im H e ft 1/1941 dieser Z eitsch rift S. 25— 55.
1S7) V gl. K . K a czm a rczyk , D as historische A rch iv der Stadt K rakau. Seine G eschichte, B estände u nd w issenschaft­
lich e Ausforschung. W ien 1913. (S. A . aus M itt. des k . k . A rch ivrates B d . I .). — Spraw ozdania archiwariusza dra Piekosinskiego, nastgpnie dra St. K rzyzanow skiego, dy rek tora A rch iw um aktow d a w n ych m. K ra k ow a ,za lata 1888— 1913.
K rakau 1891— -1914 (20 H efte). — W . S em kow icz, 2 y c ie n aukow e w spolczesn ego K ra k ow a . N adbitka z torou X X I I I
i X X I V „N a u k i P olsk iej“ (1939) S. 127— 129.
us) V gl. d en gedruckten K a ta log des K rakauer S tadtarchivs: K a ta log A rch iw u m aktow da w n ych m. K rakow a.
I. K a ta log d y p lom ow pergam in ow ych. K rakau 1907. (M it N achträgen 1035 N u m m ern: 1105— 1827). — II . R ?k op isy
Nr. 1 3568. K rakau 1915. (D ie H an dsch riften (1301— 1795) in sachlicher u nd innerhalb der Sachabteilungen chronologischer O rdnung). D as K rakauer U rku ndenbu ch ist fü r die Z eit v o n 1257— 1506 in 4 Teilen v o n F r. Piekosinski her­
ausgegeben. K rakau 1879— 1909.
1M) L ibri antiquissim i civitatis Cracoviensis (1300— 1400); in 2 Teilen herausgegeben v o n Fr. Piekosinski und J . Szujski. K rakau 1878/79. (V gl. besonders die Einleitung zu den älteren K rakauer Stadtbüchern v o n Szujski). T eil I : „L ib er
actorum , resignationum necnon ordinationu m civita tis C racoviae“ (1300— 1375), enthält das je t z t als Nr. 1 des V er­
zeichnisses gezählte Schöffenbuch. T eil I I veröffentlicht den „L ib e r proscription u m et gravam inum “ 1361— 1370 und
die w eitere Fortsetzun g bis 1392. In diesem Jahre begin n t das älteste B u ch der K rakauer K on su ln m it der Bürger­
rechtsliste 1392 1400, den „A c ta consularia n ecnon proscriptiones“ , sow ie den „R eg istra perceptorum et distributorum civitatis C racoviae annorum 1390— 1393, 1395— 1405, n ecn on 1407— 1410“ . Ferner W illküren, Innungs- und
Zunftverzeichnisse etc. — T eil I I I : die anderen älteren D okum ente u nd U rkunden, die n ich t zu T eil I u. I I gehören.
T eil I V : Zinse a u f W ied erk a u f etc., die „p rov en tu s civitatis Cracoviensis“ .
D as vorgenannte Schöffenbuch v o m Jahre 1301 ff. scheint das älteste zu sein; die R atsbü ch er v o r 1392 sind w ahrschein­
lich bereits im M ittelalter verloren gegangen.
13°) D as In ventar der V og tb ü ch er v o m Jahre 1550 zählte 63 B ü ch er aus den Jahren 1462— 1549 a u f (A dvocatialia
Crac. Nr. 145, S. 407). D ie ältesten V og tb ü ch er gingen also verloren , da das S tadtarchiv diese R eih e je t z t erst seit 1476
besitzt.
■D as älteste K rakauer V o g tb u ch der Jahre 1442/43 befindet sich in der B iblioteka B aw orow skich in Lem berg.
51
Die Häuserverzeichnisse (acta quartualiensium) von 1568— 1805, die Bürgerrechtsbücher von
1392— 1800, und die Eidbücher von 1671— 1802 bieten eine Fundgrube für die Geschichte der
Krakauer Bevölkerung allgemein, während die Verzeichnisse der Katsherren von 1363— 1802
und die der Schöffen von 1632— 1794 geführt sind.
Die städtischen Rechnungsbücher mit ihren verschiedenen Reihen sind seit dem 16. Jahrhundert
erhalten, die der Krakauer Zünfte schon seit dem 15. Jahrhundert. Viele dieser Bände, die bis
in das 16. Jahrhundert hinein zugleich die Schriftdenkmäler der deutschen Stadt Krakau sind,
bergen eine Fülle von Rechts-131), Handels-132) und Kulturbeziehungen133) mit Böhmen, Mähren,
Schlesien, Ungarn, Österreich, der Schweiz, Tirol, Bayern, den Rheinlanden usw., aber auch mit
Italien, Frankreich, England, den Niederlanden usw. Die vorgenannten fast lückenlos erhaltenen
Krakauer Bürgerrechtsbücher 1392— 1800134) lassen die Zu- und Abwanderung genau ver­
folgen und sind — wie die Schöffenbücher (1301— 1797) — für das Deutschtum allgemein bis
in die neuere Zeit hinein vom höchstem Interesse.
Zu Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr das Stadtarchiv — wie
auch die Archive der meisten anderen Städte— eine Einbusse dadurch, dass eine Reihe von Gerichts­
büchern zum Gericht, später zum Hypothekenamt135) genommen und Teile der Verwaltungs­
bücher in die Registratur des Senats der Freien Stadt Krakau überführt wurden. Diese Ver­
luste sind aber zum Teil noch im 19. Jahrhundert durch Rückgaben wieder ausgeglichen worden.
Die in Faszikeln im Stadtarchiv auf bewahrten Papierurkunden Krakaus (Orginale, Konzepte,
Abschriften) belaufen sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf wenigstens 100000 Stück.
Sie werden durch einen brauchbaren Zettelkatalog erschlossen.
Zum Teil weit über den Rahmen eines Stadtarchivs hinaus gehen die hier teils in Büchern, teils
in Faszikeln gesammelten geschriebenen Zeitungen, die die Ratsherren von ihren Warschauer
Residenten mehr oder minder regelmässig erhielten (1715— 31 und 1773— 1786), da sie neben
Nachrichten über Handels-, H of- und Reichstagsangelegenheiten usw. auch die Politik Polens
und anderer Staaten beleuchten. Die hier vereinigten Aktenarchive aus den Jahren 1795— 1815
und das A rchiv der Freien Stadt Krakau 1815— 1848 (gegen 2500 Bände) sind eigentlich Staats­
archive136), die von der österreichischen Regierung der Stadt überlassen wurden.
lsl) D ie K rakauer R ech tsbü ch er 1365— 1376 u nd 1390— 1397 sind als „A c ta scabinalia Cracoviensia“ v o n St. K rzy zanow ski (K ra k au 1904) herausgegeben.
132) N ürnberger A k ten zur G eschichte des H andels m it P olen v o n 1365— 1502 veröffentlichte J os. Ptasnik unter dem
T itel „A k ta N orym berskie d o dziejow handlu z P olskq w ieku X V (K ra k au 1909— 13) u nd A k ten zu den H andelsbezie­
hungen Polens m it U ngarn im 14. u nd 15. Jahrhundert, die sehr viele deutsche K orrespon den zen enthalten, veröffen t­
lich te St. K u trzeb a aus dem A rch iv der Stadt K aschau in U ngarn (K ra k au 1922). D ie in Breslau 1939 v o n M. ScholzB abisch u nd H . W en d t veröffentlichten „Q u ellen zur Schlesischen H andelsgeschichte“ (Lieferung I ) weisen den h ervor­
ragenden Einfluss gerade Schlesiens a u f das K rakauer D eu tsch tu m fü r das 13. Jahrhundert nach,
iss) V gl. „C ra covia a rtificu m “ (1501— 1550) herausgegeben v o n J . Ptasnik und M. v . F riedberg. (K ra k au 1936/37). —
D ie K rakauer D rucker, B u chdrucker u nd B u chbin der etc. v o n 1406— 1600 behan delt das W erk v o n J. Ptasnik „C ra­
co v ia im pressorum 15. et 16. saeculi“ (L em b erg 1922).
134) D ie „L ib r i ju ris civilis Cracoviensis“ w urden für die Z eit v o n 1392— -1506 v o n K . K a czm a rczyk herausgegeben (K ra ­
kau 1913).
!35) V gl. H eft 1/1941 dieser Z eitschrift S. 52 f.
136) D as auch altes Senatsarchiv genannte ehem alige kaiserliche H au pta rch iv enthält die A k ten der V erw altungsbe­
hörden v o n 1796— 1853 m it deren H au ptbestan d v o n 1815— 46. D u rch Erlass des k. k. M inisteriums des Innern v o m
29. 5. 1899 kam dies A rch iv als D epositum der K . K . R egierung in das S tadtarchiv. V gl. darüber im Einzelnen B . D u dik, A rch ive im K önigreiche Galizien ..., W ien
52
1867. S. 14— 18.
Von allgemein polnischer Bedeutung ist das hier befindliche Archiv des Obersten NationalKomitees (Archiwum Naczelnego Kom itetu Narodowego) aus den Jahren 1914— 18137), das
nicht ganz zutreffend auch „A rchiv der Legionen und des Obersten Nationalkomitees“ genannt
wird138). Nach Auflösung der Krakauer Dienststellen, bei denen das Archiv erwachsen ist, wurde
dieses der Stadt Krakau übergeben (1920), die es dem Stadtarchiv überwies. Es war bisher
der Benutzung unzugänglich. Infolgedessen ist seine Ordnung — bis auf zwei provisorische
Verzeichnisse — noch nicht durchgeführt139).
Auch die zahlreichen Deposita des Krakauer Stadtarchivs gehen zum Teil über die eigentliche
Aufgabe dieses Institutes weit hinaus und sind nur durch den früheren Raummangel des Staats­
archivs (früheren Landesarchivs) und durch entsprechende Beziehungen der Leiter des Stadt­
archivs erklärlich. Neben den hier deponierten Sammlungen, Nachlässen und dergleichen von
Krakauer Familien (Sammlung Grabowski, Pinocci, Rusiecki usw.), den hinterlegten zahl­
reichen Krakauer Innungsarchivalien140), den Deposita von Kirchen und Klöstern Krakaus
und seiner Vorstädte befinden sich hier 175 Bücher und Faszikel der zivilmilitärischen Ordnungs­
kommission für die W ojewodschaft Krakau (1789— 92), Teile der jetzt im Staatsarchiv ver­
wahrten Archivalien des Obersten Gerichts deutschen Rechts auf der Krakauer Burg und des
Gerichts der 6 Städte141), Bestände der Königl. Ökonomieverwaltung (1461— 1794), von der
ein anderer Teil sich im Staatsarchiv befindet, Akten und Bücher des Marktkommissariates
(1806— 38), die Sitzungsprotokolle der ökonomischen Kommission (1822— 49), Akten und Bücher
der K. K . Polizeidirektion in Krakau 1796— 1808, die Einreichungsprotokolle und Indices der
Polizeidirektion 1816— 48, Akten über militärische Angelegenheiten (1794— 1871), Akten des
Krakauer Hypothekenamtes seit 1822, Volkszählungsbücher (1846— 57) usw. usw.
Teils als Abgaben,
Städte und Dörfer
etwa die seit dem
jetzt zu Schlesien
teils als Deposita sind hierher Archivalien einer ganzen Reihe kleinpolnischer
gekommen, die an sich im Krakauer Staatsarchiv deponiert sein müssten (wie
Jahre 1488 beginnenden 140 Bände der Stadt Neusandez) oder, soweit sie
gekommene Gebiete betreffen, wie das bis 1582 zurückreichende, etwa 100
m ) D as Oberste N a tional-K om itee w urde du rch die polnischen A b geord n eten des österreichischen Landtages am 16. 8.
1914ins L eben gerufen. Es sollte fü r die v o n J .P ilsu d sk i geführten poln isch en L egionen die finanziellen und w irtschaft­
lichen Grundlagen schaffen u nd für den M enschennachschub sorgen. Seine D ienststellen w aren m eist in K rakau tätig,
d och gab es auch eine A bteilun g in Lem berg u nd andere N ebenstellen im L an de, w ie zu m Beispiel das „E v id e n z­
b ü ro“ in Petrikau. D ie A rchivalien der D ienststellen ausserhalb K rakaus sind grösstenteils in das H eeresarchiv W a r­
schau (F o rt L eg ion ow , ul. Z akroczym slca) übergegangen. (V gl. dazu den K a ta log dieses A rch ivs: Spis polskich organiza cy j w ojsk ow ych p rzedw ojen n ych i form a cy j z w o jn y sw iatow ej 1904— 21. W arsch au 1921. T eil I, Seite 105— 113).
138) Zur G eschichte der Legionen vg l. W . Lipinski, W alka zb rojn a o niepodleglosö Polski. 2. A u flage W arschau 1935
(Seite 486 reiche L iteraturangaben). — J. D gbrow ski, W ielka w ojn a 1914— 1918. W arsch au 1937.
139 )
\ o t izen über das A rch iv bei W . Lipinski, Z dziejow da w n ych i n ajn ow szych . Szkice i Studia historvczne. W arschau
1934. Seite 466.— D erselbe, Ärodla do historii najnow szej w ojsk ow osci polskiej 1908— 18. S. 127— 160.— P . Pelczarski,
K om isariaty w ojsk ow e R zq d u N arodow ego w K rolestw ie P olskim 6. V I I I . — 5. I X . 1914 (Geneza i dzialalnosc), gedr.
als B and I der R ozp ra w y In stytu tu J oz. Pilsudskiego, W arschau 1939. (H ierb ei handelt es sich um die Polnische N a­
tionale O rganisation, die im ehem aligen K ongresspolen tä tig w ar und sich am 22. 11. 1914 dem O bersten N ational­
kom itee unterstellt hat. — A u f G rund der B estände des A rch ivs des O bersten N ation al-K om itees w urden gedruckt:
(St. Z achorow ski), D ok u m en ty N aczelnego K om itetu N arodow ego 1914— 17. K rakau 1917 (als H an dsch r.) — K . Srokow ski, N. K . N. Zarys historii N aczelnego K om itetu N a rodow ego, K rakau 1923. (V erf. w ar Generalsekretär im P rä­
sidium des N . K . N .). N ach den D ienstakten des Stadtarchivs.
140) A ls D eposita befinden sich hier die Krakauer Innungsarchive der W u nd ärzte, Fischer, Kessler, Stellm acher, K ü ch ler, Büchsenm acher und Schw ertfeger, R o t- u nd W eissgerber, T öp fer, Schlosser, Maurer und Zim m erleute, Sattler,
D rucker, K ürschner, R iem er, Z uckerbäcker u nd Pastetenm acher, Friseure, U hrm acher, K räm er, B äcker und B u ch ­
binder.
u l ) Siehe H eft 1/1941 dieser Z eitschrift S. 45.
53
Bände und 50 Faszikel umfassende Archiv der Herrschaft Zator — die heute in das Staatsarchiv
Kattowitz zu überführen sind.
Das mit einer guten Handbibliothek (etwa 10000 Bände) ausgestattete Krakauer Stadtarchiv
besitzt auch eine sehr wertvolle, durch einen Zettelkatalog erschlossene Sammlung von Stadtplä­
nen, Karten, Stichen, Ansichten usw. Die Stadt-, Bebauungs-, Regulierungs- und Häuserpläne
stammen wie die Architekturzeichnungen aus der städtischen Bauabteilung. Der älteste Situations­
plan der Stadt datiert vom Jahre 1595, der älteste Katasterplan vom Jahre 1667. Von den mili­
tärischen österreichischen und preussischen Stadtplänen des 18. und 19. Jahrhunderts sind Photo­
kopien vorhanden; die Bebauungs-, Regulations- und Häuserpläne seit 1795 zählen etwa 1000
Stück. Sehr wichtig sind auch die Katastralpläne der Ortschaften der Freien Stadt Krakau 1816—
48. Die älteste Stadtansicht von 1493 ist Hartmann Schedels W eltchronik entnommen142). Gleich­
falls von Beamten des Stadtarchivs betreut werden die Kartenbestände der 1893/94 der Stadt
Krakau übergebenen Sammlungen der gräflichen Familie v. Hutten-Czapski (jetzt Abteilung des
städtischen Nationalmuseums), die mehrere 100 Landkarten und Atlanten deutscher und franzö­
sischer Herkunft zählt. Neben allgemeinen Übersichtskarten ganzer Erdteile und Staaten finden
sich dort Übersichts- und Spezialkarten von Polen und dessen Nachbarländern, deren älteste aus
der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts stammen. Interessant ist hier auch eine Sammlung von Städte­
ansichten aus ganz Europa143).
Das Stadtarchiv, das wegen Raumschwierigkeiten seit längerer Zeit nicht mehr die erforderliche
Verbindung mit den Stadtregistraturen aufrecht erhalten konnte, wird durch die Massnahmen des
Stadthauptmanns Krakau demnächst durch Zuweisung des notwendigen Ergänzungsraumes
nicht nur grosse archivreife Bestände der städtischen Verwaltung übernehmen, sondern auch durch
eine Dauerausstellung seiner wichtigsten Quellen zur Stadtgeschichte einem seit langem bestehen­
den Wunsch der Öffentlichkeit entsprechen können.
W arschau
Das im sogenannten „Arsenal“ ,
einem denkmalpflegerisch wichtigen Bau aus dem
17. Jahrhundert, untergebrachte Warschauer Stadtarchiv ist erst im Aufbau begriffen. Es besitzt nur
städtische Akten des 19. und 20. Jahrhunderts144), da — wie oben beim Warschauer Hauptarchiv
bereits erwähnt — sich alle älteren Bestände in diesem staatlichen Zentralarchiv befinden145). Die
Organisation des Archivs der Hauptstadt des ehemaligen Polens wurde in seiner heutigen Form
erst im Jahre 1935 begonnen146), war aber materiell und rechtlich vor dem Kriege bereits gesichert.
Aber die im Stadtarchiv zusammengebrachten etwa 300000 Bände und Bündel städtischer
Akten, die der laufenden Verwaltung beste Dienste147) geleistet haben, entbehren zum grossen
142) Einen Ü b erb lick der Stadtansichten, -plane usw. gib t St. T om k ow icz, A tlas planow , w id ok ow i z d j?c architekto n iczn y ch z X V I I , X V I I I i X I X w ieku. K rakau 1908. Seite 23— 27.
143) V gl. zu dieser Sam m lung die N otizen b ei E . Chwalewik, Z b iory polskie I , Seite 227; B . O lszew icz, Polskie zb iory
kartograficzne, W arschau 1926, Seite 118; Spraw ozdanie d y rek cji M uzeum N arodow ego w K rakow ie za rok 1910.
K rakau 1911. Seite 9.
144) A u ch die A k ten der Stadtverw altu ng v o n 1795— 1815 sind im Staatsarchiv (H a u pta rch iv) W arsch au deponiert.
V gl. S. Ehrenkreuz, A rchiw um M iejskie W arszaw y. K ron ika W arszaw y. H e ft 12 (W arschau 1925), Seite 7— 12.
145) D ie W arschauer Stadtprivilegien v o n 1376— 1772 sind veröffentlicht v o n T . W i e r z b o w s k i , P rzyw ileje krolewskiego m iasta stolecznego Starej W arszaw y 1376— 1772. W arschau 1913.
14e) Seit 1816 bestand aber bereits neben der Zentralregistratur der Stadtverw altung ein A rch iv aus sogenannten Spe­
zialakten u nd aus A kten allgem einer V erordnungen. Im Jahre 1894 wurden aus den bis dahin ins Stadtarchiv gek om ­
menen A k ten 6 A bteilungen gebild et, die bis 1939 bestehen geblieben sind. Seit 1870 w urden hierzu russisch geschrie­
bene Fin dbü cher angelegt.
147) Insbesondere in Grundstücks- u nd M ietzinsangelegenheiten.
54
Teil noch jeder Ordnung, zumal hier vor der Übernahme grösser Bestände zunächst meist
keine Kassationen nach archivalischen Grundsätzen stattgefunden hatten.
Nachdem seit Anfang 1940 die Archivaufgaben des ehemaligen Stadtpräsidenten dem Leiter
des Archivamtes beim Distrikt Warschau übertragen sind und eine neue Personalbesetzung des
Stadtarchivs veranlasst worden ist, wird der Auf- und Ausbau des Stadtarchivs auf Grund
eines umfassenden Ordnungsplanes nunmehr durchgeführt. Während im Aktenspeicher durch
Kassation gewisser für die Aufbewahrung nicht geeigneter Aktengruppen der erforderliche
Raum geschaffen wird, erfolgt zugleich die planmässige Erfassung der bei den städtischen Ämtern
in reicher Fülle befindlichen wesentlichen und archivreifen Akten.
Das Warschauer Stadtarchiv umfasst zur Zeit also eine sehr grosse Zahl von Akten, die seit 1816
in den städtischen Registraturen Warschaus und denen der eingemeindeten Vorstädte ent­
standen sind. Für Volksdeutsche Forschungen kommt dieses Archiv, zumal sich auch die Standesund Einbürgerungslisten Warschaus im staatlichen Hauptarchiv befinden148), nur sehr beschränkt
in Betracht. Die zufliessende deutsche Bevölkerung Warschaus konnte zudem in den Warschauer
Stadtakten, die seit 1870 überwiegend in russischer Sprache geführt wurden, nur verhältnis­
mässig geringe Spuren hinterlassen, da die Industrie- und Volkstumsfragen von der Kommission
des Innern und von den Polizeibehörden geregelt wurden, deren Akten im Staatsarchiv zu suchen
sind.
Um so grösser muss aber das Interesse der Stadt Warschau und der Verwaltung des General­
gouvernements daran sein, dass in einem wohlgeordneten Warschauer Stadtarchiv ein Instrument
erwächst, das in allen wesentlichen auf die Vergangenheit der Stadt zurückgreifenden Rechts-,
Verwaltungs- und Kulturfragen zuverlässige und erschöpfende Auskunft zu geben vermag.
Lublin
Vom Stadtarchiv Lublin149) — soweit man von einem solchen als besonderer städtischer Anstalt
sprechen kann — sind die mehr als 200 Pergamenturkunden im Tresor der Stadtkasse sicher
und geordnet untergebracht150). Die städtischen Altregistraturen befinden sich dagegen aus
Mangel an geeigneten geschlossenen Magazinräumen an 6 verschiedenen Stellen. Nur ein Teil dieser
Archivalien ist bisher durch Findbücher erschlossen bzw. verkartet worden.
148) D ie B ürgerbücher W arschaus im H au pta rch iv enthalten ab 1671 A n gaben ü ber B eru f u nd H erkun ftsort der zum
Bürgerrecht zugelassenen Personen. Eine w ichtige Quelle fü r die W arschauer E inw anderung sind die dort ebenfalls
befindlichen A k ten der Marschälle. — Fü r die G eschichte des H andw erks sind die älteren Innungsakten im H a u p t­
arch iv, die der 2. H älfte des 18. u nd die des 19. Jahrhunderts bei den einzelnen Innungen selbst zu suchen. D ie Satzun­
gen der B äcker, B öttch er, Fischer, H andschuhm acher, H utm acher, Sattler, N agelschm iede, Schornsteinfeger,
Schuhm acher, Seifensieder, Seiler und Stellm acher des 18. Jahrhunderts sind deutsch geschrieben. V gl. H . H op f,
Quellen zur deutschen O stwanderung in den W arschauer A rchiven.
(Jah rbuch der H auptabteilung W an derfor­
schung und Sippenkunde des D eutschen Auslandinstituts in Stuttgart B d 5: „ R u f des Ostens“ (1940), S. 280 — 284.
„U n te r den neueren A k ten sind die A k ten der Städtischen Gaswerke 1856— 1918 bem erkensw ert. Sie sind ein h ervor­
ragendes D enkm al fü r die Stärke des deutschen industriellen Einflusses in W arschau. D ie A k ten setzen m it dem Jahre
1856 ein; sie sind bis in die polnische Z eit hinein deutsch geschrieben. D ie W arschauer V erw altung w ar nur eine A b tei­
lung der Zentralverw altung des U nternehm ens, das sich in D e s s a u b efa n d (521 B ä n d e)“ . (B erich t des A rchivam tes
W arschau v o m 3. 12. 40).
V o n allgem einerem Interesse sind die Volkszählungsakten v o m Jahre 1829, die n eben der K onfession auch die V olkszu ­
gehörigkeit berücksichtigen.
149) V gl. J . R iabin in, M aterialy do historii m iasta Lu blina 1317— 1792. L u b lin 1938. (V orw ort X X V — X X X I ) . —
A . W adow ski, K o scioly Lubelskie (K rakau 1907) B d. 1 (besonders A nm . 2 zu S. 4). — Nauka Polska V I I (1927), S. 35.
15°) Beginnend m it der Stadtgründungsurkunde Lublins zu M agdeburger R ech t v o m Jahre 1317. V gl. die R eprodu k­
tion dieser U rkunde im H eft 1/1941 dieser Z eitsch rift nach S. 40.
55
D eponierte
S ta d tarch ive
Abgesehen vom ehemaligen Galizien sind die älteren städtischen Archivalien (Urkunden und
Bücher) im Warschauer Hauptarchiv bzw. im Lubliner Staatsarchiv zentralisiert worden.
Eigentliche Stadtarchive sind in diesem Gebiet also nicht vorhanden, wenn auch grössere Orte
wie Kielce151), Radom , Petrikau, Sandomir152), Tomaschow, Tschenstochau153) usw. meist sehr man­
gelhaft geordnete, bebelfsmässig untergebrachte und kaum weiter als bis in den Anfang des 20. Jahr­
hunderts zurückreichende Altregistraturen besitzen. Durch Unachtsamkeit und durch die Kriegs­
ereignisse schon während des Weltkrieges ist das ältere Aktenmaterial der meisten Städte in
der Regel zugrunde gegangen, zumal die Rathäuser bzw. Magistratsgebäude häufig russische,
polnische und deutsche Truppenquartiere waren.
S tädtisch e A ltregistratu ren
des
L u blin er
D istrikts
Auch die städtischen Altregistraturen des Lubliner Distrikts sind fast alle im Weltkriege, im
russisch-polnischen Kriege vom Jahre 1920 oder im Herbstfeldzug 1939 stark zu Schaden ge­
kommen, wenn nicht ganz vernichtet worden. Ein Aktenstück aus dem 19. Jahrhundert ist
bei den meisten Städten eine Seltenheit. Pergamenturkunden wurden — mit Ausnahme von
Lublin — nirgends festgestellt. Um so wichtiger war daher der bei der planmässigen Bereisung154)
des Lubliner Distrikts gemachte Fund von 5 Stadtbüchern von Miedzyrzec aus den Jahren
1558— 1671 im dortigen Pfarrarchiv, die dem Staatsarchiv zugeführt wurden, das die Zentral­
sammelstelle aller erhaltenen Urkunden und älteren Akten und insbesondere der spätmittel­
alterlichen und neueren Stadtbücher des Lubliner Distrikts und damit fast ausschliesslich die
Forschungsstelle für die Geschichte der Städte und Gemeinden dieses Gebietes ist.
Um wenigstens eine Vorstellung davon zu geben, wie dürftig die erhaltenen Bestände städtischer
Altregistraturen auch im Lubliner Distrikt sind, seien hier einige Angaben über nennenswerte
Archivalien in der Verwaltung von Stadtgemeinden dieses Gebietes gemacht: Beiz, Kr. Hrubieszow (5 lfde Meter Akten), Biala-Podlaska (52 lfde Meter Akten164a), die bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts zurückgehen), Cholm (dessen ältere Akten auf Veranlassung des deutschen Stadt­
kommissars zwecks Sichtung und Ordnung aus einer Schmiede kürzlich in das Rathaus geschafft
wurden154b), Hrubieszow (Bevölkerungsbücher aus der russischen Zeit), Kazimierz a. W . (237
Nummern deponierter Stadtakten 1820— 1939)154c), Krasnik, Kr. Janow-Lubelski (dessen völlig
61) D ie A rch ivakten der Stadt K ielce sind je tz t in das Staatsarchiv K ielce überführt w orden (siehe H eft 1/1941 dieser
Zeitschrift. S. 42).
152) D ie A ltregistratur ist in einem B ü roraum der Stadtverw altung in Schränken in guter O rdnung n ach einem vorlie ­
genden Verzeichnis u ntergebracht. — In die O bhu t der Stadtverw altung Sandom ir ist du rch Eingreifen des S ta dt­
kom m issars auch das du rch den K rieg zerstreute A rch iv der ehem aligen polnischen Starostei genom m en w orden.
W ichtige fü r die laufende V erw altun g erforderliche A kten (z. B . G rund- u nd B auakten) sind v o n der Stadtverw altung
bereits ausgesondert u nd geord net w orden. E in grösser T eil des Starosteiarchivs liegt n och u ngeordnet im R athauskel­
ler.
15S) Die ältesten A kten des Stadtarchivs in Tschenstochau beginnen 1825. D as A rch iv zerfällt in 3 H auptteile: A llge­
meine Verw altungsabteilung (darin u. a. Bausachen, Brücken u. W egesachen), Finanzabteilung (darin säm tliche
Käm m ereisachen), K riegspolizeiabteilung; ferner Einwohnerm elderegister ab 1870. Diese A bteilungen sind z. Z. n och
v o n einander getrennt aufgestellt. D ie Ordnung des Stadtarchivs ist in die W ege geleitet.
V gl. auch K . K a czm a rczyk , D zialalnosc n iem ieckiego zarzqdu archiw alnego w W arszaw ie 1915— 18.
) Seit Februar 1940 h at Staatsarchivrat D r. Seeberg-E lverfeldt die m eisten Städte des Lubliner D istrikts aufgesucht
u nd überall das n och M ögliche zur R ettu n g u nd Ordnung der n och erhaltenen A ltregistraturen veranlasst.
154a) Stadt- und bevölkerungsgeschichtlich w ich tig, zum al für den Nachweis der zahlreichen Juden.
b) D ie A kten (ca 70 lfde M eter) befinden sich v öllig ungeordnet in einem besonderen Archivraum . Sie beginnen im
w esentlichen 1919, nur wenige A kten reichen in die russische Zeit zurück. W ertvoll erscheinen die 1878 eingerichteten
Bevölkerungsbücher. B ericht des A rch ivam ts Lublin v o m 20. 2. 1941.
164c) Zur Stadtgeschichte vgl. H . W iercinski, Ze starych szpargatow. W isla B d 10 (1896), H eft 1, S. 38— 53.
56
ungeordnete Akten aus russischer und polnischer Zeit auf Veranlassung des Archivamtes Lublin
jetzt in einem Findbuch verzeichnet werden; Bevölkerungsbücher seit 1880), Lubartow (25 lfde
Meter Akten seit 1849154d), Lukow, Kr. Radzyn (1 Meter lfde Akten seit 1810), Pulawy (ca 40 lfde
Meter Akten seit 1919; 7 Bände russische Bevölkerungsbücher seit 1895), Tomaszow-Lubelski,
Kr. Zamosc (ca. 100 Fach Akten seit 1917; jüdische Zivilstandsregister 1826— 1939; 35 Bände
Bevölkerungsbücher 1893 ff.; Sitzungsprotokolle der Stadtverwaltung 1917— 1939), Wlodawa,
Kr. Cholm (Altregistratur seit 1918), Zamosc (Akten seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts
mit einem Aktenverzeichnis von 1915).
S ta d ta rch iv e
im
eh em aligen
G alizien
Anders verhält es sich in Galizien, dessen Archivgeschichte eine Sonderentwicklung seit den
polnischen Teilungen nahm. Auch hier sind viele Stadt- und Gemeindearchivalien in die staat­
lichen Archive in Krakau und Lemberg gekommen, aber eine planmässige Zentralisierung der
älteren und wichtigen städtischen Archivalien ist hier bisher nicht durchgeführt worden. Um so
notwendiger war daher eine neue Bestandsaufnahme der in der Verwaltung der Städte des
Krakauer Distrikts befindlichen Archivalien, die durch zahlreiche Bereisungen des Archivamtes
Krakau und durch Umfragen der Archivverwaltung durchgeführt wurde.
In alphabetischer Folge seien nachstehend wichtigere Angaben über Stadtarchive im Krakauer
Distrikt gegeben:
In Altsandez beginnt die — ungeordnete — zurückgelegte Registratur etwa 1880. Von wichtige­
ren Archivalien sind ein Ratsbuch (seit 1867) und ein Bürgerbuch (1827— 1890) vorhanden.
(Weiteres Material siehe unter Neu-Sandez).
In Biecz, dessen ältere Archivalien sich im Krakauer Staatsarchiv befinden, sind die Stadtakten
teils verbrannt, teils durch Truppen im Rathaus vernichtet worden.
In Bochnia befinden sich in der Kanzlei des Stadtkommissars drei Pergamenturkunden (1 Urteil
des Auschwitzer Kastellans Laurenz Myszkowski als königl. Kommissar in einem Streit der
Stadt Bochnia mit Jakob Sudo betr. die Grenzen des Dorfes Krzyzanowice, dd. Krakau 1528
April 22, sowie je eine Bestätigung der Stadtrechte durch König Sig. August (Petrikau 1548
Dezember 13) und König August III. (Warschau 1749 Januar l ) 155), 6 Papierurkunden166), 66 Rats-,
Vogts- und Schöffenbücher 1486— 1783157), Bürger- und Ehrenbürgerliste 1837— 1859, ein Gedenk­
buch der Bruderschaft der Heil. Maria 1896, etwa 20 Siegelstempel aus dem 19. Jahrhundert,
rund 200 neuere Bücher (Kassenbücher seit 1810, Marktpreise seit 1812, Gestionsprotokolle
1831, 32 und 48, Registraturvermerkbuch 1867 u. a.) und etwa 100 Aktenfaszikel seit der Mitte
des 19. Jahrhunderts, deren Ordnung zur Zeit durchgeführt wird158).
154d) Ü ber die Quellen zur Stadtgeschichte vgl. W . Sliwina, L u bartow , szkic m onograficzny. Lu blin 1926.
155) D ie älteren Stadturkunden sind im Jahre 1786 an das galizische Gubernium in L em berg zu A m tszw ecken versandt
w orden. V o r dem Jahre 1914 befan den sie sich im Statthaltereiarchiv in L em berg. W äh rend der russischen Invasion
1914 w urden sie nach Charkow versch leppt, w o sie v o n einem russischen Soldaten einem gewissen T oep litz aus W a r­
schau verk a u ft w urden, der w ährend der russischen R ev olu tion 1917/18 Charkow unter Zurücklassung der U rkunden
verlassen musste. Seit dieser Zeit fehlt je d e Spur dieser U rkunden, v o n denen 18 im B och niaer Gym nasialprogram m für
das Jahr 1887 v o n H . M achnicki, Z przeszlosci miasta B och n i, veröffen tlich t sind (vgl. die Besprechung v o n Fr. Papee
im K w art. H istoryczn y 1888). D ie ältesten B och niaer Stadturkunden sind v o n Piekosinski in Cod. dipl. Min. Pol.
gedruckt.
156) Lose A k ten, A bschriften u nd Inhaltsangaben städtischer U rkunden.
157) D ie Stadtbücher aus dem E n de des 18. u nd aus der 1. H älfte des 19. Jahrhunderts, die früher im G rundbucham t
des Burggerichts aufbew ahrt w urden, befinden sich je t z t im K rakauer Staatsarchiv.
158) D ienstakten des Staatsarchivs K rakau.
57
Beim Salzbergwerk Bochnia sind ältere Aktenbestände seit 1776 in ungenügender Ordnung
mit neueren Aktenfaszikeln, Plänen und Büchern vermischt vorgefunden worden, deren Ordnung
nach Überführung in geeignete Räume durch die Salzbergwerksverwaltung zugesichert ist.
Brzesko hat ausser laufenden Stadtakten nur ein Bürgerbuch (1910 ff.) und 7 Ratsbücher ge­
meldet.
Deutsch-Przemysl, das am 16. 7. 40 kreisfreie Stadt wurde, hat keine älteren Archivalien, da
der grössere Stadtteil mit allen Verwaltungsinstitutionen auf heute russischem Gebiet verblieben
ist.
Die Stadt D obczyce hat (im Jahre 1908) 37 Urkunden aus den Jahren 1362— 1778, 7 Schöffen- und
Ratsbücher und 7 Innungsbücher159) aus den Jahren 1607— 1772 im Staatsarchiv Krakau de­
poniert. Nach den Einbussen während der Kriegsereignisse besitzt die Stadt nur noch Akten
seit 1935.
Die zurückgelegte Registratur in Dukla beginnt 1877; vorhanden sind hier ferner 6 Stadtbücher.
Gorlice besitzt nur zurückgelegte Stadtakten seit 1915.
In Grybow beginnen die zurückgelegten Akten um 1878, die Stadtratsbeschlüsse seit 1867.
Die älteren Archivalien (Urkunden, Rats- und Schöffenbücher) sind im Jahre 1903 an das Kra­
kauer Staatsarchiv abgegeben.
Das Archiv der Stadt Jaroslau ist in seinem älteren Teil durch einen gedruckten Katalog er­
schlossen160). Es hat im letzten Krieg bedauerliche Verluste161) erlitten und setzt sich jetzt aus
11 Pergamenturkunden (1518— 1845), 16 Vogts- bezw. Schöffenbüchern (1559— 1705), 7 Rats­
büchern (1618— 1794), einem Testamentenbuch (1523— 1575), einem Bürgerrechtsbuch (1795—
1872), 10 Innungsbüchern (17.— 19. Jahrhundert), einer Anzahl von Supplementen zu den Stadtund Innungsbüchern aus dem 17. und 18. Jahrhundert sowie aus Stadtakten der Zeit von 1621-1850
zusammen.
Der neuere Teil des Jaroslauer Stadtarchivs, der jetzt auch durch Verzeichnisse erschlossen
ist, enthält ausser Akten und Büchern des 19. und 20. Jahrhunderts auch eine Anzahl älterer
für die Stadtgeschichte wichtiger Stücke, wie die handschriftliche Beschreibung von Jaroslau
vom Jahre 1681, eine Beschreibung der Stadtgrenzen vom Jahre 1817, ein Inventar der Jaroslauer
Grafschaft vom Jahre 1724, eine Beschreibung des Benediktinerinnenklosters vom Jahre 1748,
ein Hauptprotokoll der k. k. galizischen Schulen 1790— 1802, k. k. kreis ärztliche Verordnungen
für Schulen 1790— 1802, ein Testamentenbuch von Jaroslau 1794— 1852, 2 Besitzerbücher
von Jaroslau 1804— 46, Akten der Jaroslauer Apotheke 1816— 77, ein Schülerverzeichnis der
159) D ie in D o b czy ce verblieben en 7 Innungsbücher der Schneiderinnung sind einem du rch einen L u ftangriff verursach­
ten B rand zum O pfer gefallen.
16°) J. Sm olka, K a ta log archiw um aktow da w n ych miasta Jaroslaw ia. Jaroslau 1928. S. 1— 4 0 . — V gl. auch St.
K rzyzanow ski u nd St. E streicher, B erich t ü ber die am tliche Keise des K orrespon den ten der k. k. Zentralkom m ission,
W ien 1897.
161) Im K riege gingen w ährend der Z eit der A u fbew ahrun g der älteren A rch iva lien aus der städtischen B ibliothek im
Franziskanerkloster (Septem ber 1939 — Mai 1940) 4 Pergam enturkunden (1562— 1836), ein T estam entenbuch (1590—
1628), ein R atsbu ch (1793— 1845), 3 Innungsbücher (1825— 1864), A b sch riften der Fleischerinnungsprivilegien v o m
Jahre 1717 und eine Jaroslauer Stadtbeschreibung v o m Jahre 1789 verloren. A u ch eine A n zahl älterer A kten kam zu
Schaden.
58
Jaroslauer Trivialschule 1821— 49, Gedenkbücher des Gymnasiums, Kataloge der städtischen
Realschule 1850— 68, eine Abschrift der Privilegien der Stadt Radymno, einen Nationalkataster
der Stadt Jaroslau vom Jahre 1918 usw. Die Protokollbücher des Stadtrates, des Beirates usw.
liegen in nahezu 100 Bänden seit 1867 fast vollzählig vor. — Beide Archivteile sind noch nicht
systematisch geordnet und müssen miteinander verbunden werden162).
In Jordanow wurden 5 Papier urkunden (1576, 1606, 1635, 1697 und 1738), eine Pergamentur­
kunde Franz II. (Marktprivileg vom 31. I. 1805), eine stark zerstörte Pergamenturkunde der
Fleischerinnung aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, eine Abschrift des Marktprivilegs vom
11. III. 1665, 5 Stadtbücher (1601— 21, 1626— 1683, 1756— 1781, 1781— 95, 1827— 57), 2 Bruch­
stücke von Stadtbüchern (1727— 79 und 1790— 1810) festgestellt. Die zurückgelegten Akten
reichen bis zum Jahre 1901 zurück, die Ratsbeschlussbücher (5 Bände) beginnen 1882. Ein­
wohnermeldebücher sind von 1910 ab vorhanden; ferner wurde ein Beschlussbuch der einge­
meindeten Ortschaft Malejowa (1867— 1912) festgestellt.
Kressendorf hat zurückgelegte Stadtakten seit 1927 und 4 Ratsbücher (1867— 1939) gemeldet.
Die Stadt Krosno verwahrt ausser neueren Akten im Dienstzimmer des Stadtkommissars 22 Bände
Stadtbücher (Acta bannita, advocatialia und consularia) aus der Zeit von 1512— 1762, sowie
eine Truhe mit Stadt- und Innungsurkunden nebst weiterem Innungsschriftgut163). Daneben
aber bieten die im Verlag der Stadt erst kürzlich erschienene mittelalterliche Stadtgeschichte164)
sowie die ältere Beschreibung des Bezirkes Krosno164a) eine Reihe von Quellennachweisen an
entlegenen, heute zum Teil nicht zugänglichen Stellen.
In Krynica beginen die Stadtakten um 1873. Vorhanden sind ferner ein Gemeindeangehörigen­
buch seit 1889, Beschlussbücher der Stadtgemeinde seit 1873.
Die wenigen erhaltenen Archivalien der Stadt Landshut (einige Urkunden und Stadt- bezw.
Innungsbücher) befinden sich zur Zeit im Gewahrsam des Ortskommandanten Hauptmann
Prof. Dr. Häufler, der sie für historische Untersuchungen bearbeitet. Sie sollen zur dauernden
Sicherstellung künftig im Krakauer Staatsarchiv deponiert werden.
Landskron, das bis vor einigen Jahren Stadt war, hat den grössten Teil seiner Akten im Staats­
archiv deponiert. Im Besitz der Gemeindeverwaltung befinden sich noch 3 Pergamenturkunden
unter Glas (Privileg Franz II. von 1799: Bestätigung des Stadtrechts und des W appens; 1799 betr.
Besitzveränderungen; 1765: salvus conductus). Eine Katasterkarte aus der Mitte des 18. Jahr­
hunderts und ältere Bände von Gesetzsammlungen wurden in das Krakauer Staatsarchiv über­
führt.
182) V gl. auch im P rzcghjd a rch eologiczny I I , und I I I (1883), ü ber das „A rch iw u m W W . OO. D om in ikanow w J a roslaw iu“ .
16S) D ies S tadtarchiv ist b ei Chwalewik überhaupt n ich t genannt.
164) Anna Lew icka, K rosn o w w iekach srednich. K rosn o (N akladem gm iny m iasta K rosn a )1 9 33 . D ie Darstellung reicht
bis zum Jahre 1523, in dem die Stadt m it dem E rw erb der V og tei auch rech tlich die v olle Selbstständigkeit erwarb.
D ie hier (S. 115) und vorher durch A . Prohaska (M aterialy archiwalne. Lem berg 1890) aus dem O riginaltranssum pt
v . J. 1393 veröffentlichte Stadtgründungsurkunde zu M agdeburger R ech t betrifft nicht K rosno, sondern K roscienko
a. D unajec. V gl. die gründliche Besprechung der A rb eit Lew ickas v o n A . K am in ski im K w artalnik h istoryczny X L V I I I
(1934), S. 645— 54 und St. Brekiesz in R oczn ik i dziejow spolecznych i gospod arczych I I I (1934), S. 460— 63. — L e­
w icka hat das Franziskaner-Archiv in Lem berg und das Bischöfliche A rch iv lateinischen R itus in Przem ysl nicht
benutzt.
1Ma) X . W l. S a r n a , Opis pow iatu krosnienskiego. Przem ysl 1898. Sam a h at ausser dem Stadtarchiv eine Reihe
geistlicher A rch ive benutzt (v. S. V I I — I X ).
59
•
In Lezajsk ist ausser zurückgelegten Stadtakten seit 1928 nur ein Einwohnerverzeichnis seit
1880 vorhanden.
Im Besitz der Stadtverwaltung Limanowa befinden sich die Stadtgründungsurkunden zu deutschem
Recht vom Jahre 1565, Bestätigungen der Stadtrechte 1603, 1640, 1713, 1792, ein Verzeichnis
der nach der Feuersbrunst vom 14. III. 1769 in Limanowa errichteten neuen Gebäude, ein Faszikel
loser Akten aus dem 16.— 18. Jahrhundert (Besitzurkunden, Rechnungssachen u. dgl.), Protokoll­
bücher über Verordnungen und Kundmachungen 1777— 1824 (mit Lücken), Ratssitzungs­
protokolle 1884 1923 (mit Lücken). Aus dem Beginn der österreichischen Verwaltung sind
einige Reste der neuangelegten Grundsteuerkataster erhalten.
In Miechow beginnt die zurückgelegte Registratur 1919, Die Beschlussbücher der Stadt gehen
ebenfalls nur wenige Jahre vor den Beginn dieses Krieges zurück. — Der „Liber maleficorum“
1571— 1741 von Miechow befindet sich in der Krakauer Staatsbibliothek (Hs 86).
In Myslenice wurden neben Akten der österreichischen Zeit (1788— 1900) eine Pergamentur­
kunde Kaiser Franz II. vom Jahre 1797 (WappenVerleihung für Myslenice), eine Bestätigungsur­
kunde der Statuten der Schneiderzunft in Myslenice durch König Stanislaus August vom Jahre
1767 (Orginalpergament), Auszüge aus der Kronmatrikel und aus städtischen Akten des 18. Jahr­
hunderts, Urkundenabschriften 1578, 1697, 1754, 1763, 1766 und 1774, ferner 18 Stadtbücher
(Acta consularia, scabinalia etc.) betr. die Zeit von 1549— 1805 (mit Lücken) festgestellt165) .
Protokolle der Stadtratssitzungen sind von 1878— 1939 vorhanden. Die reponierten Stadtakten
beginnen 1920. Das im Anfang des 19. Jahrhunderts angelegte Bürgerbuch ist bis zur Gegenwart
fortgeführt. 2 Bücher betreffen die Volkszählungen in Myslenice von 1890 und 1910.
Das Archiv der Stadt Neumarkt-Dunajec ist durch den Krieg völlig in Unordnung geraten und
wird zur Zeit durch den Neumarkter Stadthistoriker, Prof. Baran166), neu verzeichnet. Nach
der Meldung der Stadtverwaltung sind 59 Urkunden (1252— 1801), darunter Bestätigungen der
Stadtgründung zu Magdeburger Recht, ein Protokollbuch des Vogtgerichts (1601— 1699), ein
Bürgerrechtsbuch bis zum Jahre 1848, 11 Stadtrats- und Magistratsbeschlussbücher seit 1894
und 21 starke Aktenbände, die das erhaltene ältere Material an Stadtakten jetzt vereinigen,
in Abschriften bis zum Jahre 1346 zurückreichen, sonst aber im wesentlichen aus dem
19. und 20. Jh. stammen, vorhanden.
Das aus der Literatur bekannte Neu-Sandezer Stadtarchiv167) hat durch ungeeignete Lagerung in
feuchten Schlossräumen grossen Schaden erlitten. Etwa 40% des Aktenbestandes, der durch
die deutsche Stadtverwaltung nach dem neu eingerichteten Stadtarchiv im Haus der Deutschen
Bücherei (ehemals poln. Stadtbibliothek, Hauptstrasse 35) überführt wurde, sind nahezu ver­
dorben.
165) A ndere ältere A rchivalien (Pergam enturkunden, Stadtbü cher usw .) sind nach A u sk u n ft der Stadtverw altung im
H erbst 1939 a u f B efehl der B ezirkshauptm annschaft in K isten verp a ck t und m it 2 K a rten v o n M yslenice v o n 1790 und
1818 nach D qbrow a Tarnow ska gesandt w orden, w o sie anscheinend verloren gingen. A u f Materialien dieses A rchivs
sowie a u f Innungsarchivalien fusst die A rb eit v o n W . K utrzeba, M yslenice. N otatk i do historii miasta. K rakau 1900.
166) V gl. K . Baran, Statuta i przyw ileje cech öw now otarskich. N eum arkt 1909 (A b d ru ck aus Spraw ozdanie dyrektora
c. k. gim nazjum w N ow ym Targu za rok szk oln y 1908/09). — B ericht v o m 1. 4. 1941.
167) A rchiw um i M uzeum ziem i sadeckiej w N ow ym Saczu („N o w a R eform a “ . K rakau 1920. N r. 2). — W . H ejn osz
Zablgkana ksi?ga m iejska N ow ego Sgcza (A rch eion X (1922), S. 94— 99. — A . A rtym ia k , N iektöre rekopisy z X V I I I
wieku biblioteki m iejskiej w N ow ym Sqczu. N eu-Sandez 1930. — J. O patrny, O kruszyny archiwalne w N ow ym
Sqczu. K rakau 1913. — J. Syganski, H istoria N ow ego S;tcza. 3 B de Lem berg 1901/02. — Ü ber die im K rakauer
Stadtarchiv befindlichen A rchivalien der Stadt Neusandez vergleiche ob en S. 53.
60
Der gesamte Bestand wird zur Zeit durch Professor Dr. Kesselring sachverständig geordnet und
verzeichnet. Besonders wertvoll sind darin 17 Bände „A cta advocatialia et scabinalia“ der Stadt
Alt-Sandez aus den Jahren 1642— 1779, 6 Folianten „Libri instrumentorum“ der Stadt AltSandez (1665— 1782), 26 Bände Innungsbiicher der Stadt Neu-Sandez (1511— 1873), sowie wei­
tere 15 Bände Gerichtsbücher etc., die bedeutsames älteres Quellenmaterial zur Geschichte von
Alt- und Neu-Sandez enthalten.
A u f Veranlassung des deutschen Stadtkommissars sind auch die erhaltenen älteren Geschäfts­
protokolle, Kassenbücher usw. (über 100 Bände) aus dem Rathaus ins Stadtarchiv als für die
Wirtschaftsgeschichte der Stadt Neu-Sandez vorwiegend zu österreichischer Zeit wichtiges Ma­
terial überführt worden. Die ebenfalls durch den Stadtkommissar in das Stadtarchiv übernom­
menen Archive der evangelischen Pfarrgemeinde Alt- und Neu-Sandez bieten wesentliches Quel­
lenmaterial zur Geschichte der deutschen Siedlungen der 1785/86 durch eingewanderte evan­
gelische Pfälzer und Rheinländer gegründeten Siedlungen des Neu-Sandezer Ländchens.
Unter den zahlreichen Stadtakten befinden sich auch Teile der Registratur der k. k. Kameralbezirksämter in Alt- mit Neu-Sandez und Muszyna, eine gedruckte Sammlung von Gesetzen und
Verordnungen der österreichischen Regierung (ca. 100 Bände seit 1772) und unter den umfang­
reichen „Oeconom ica“ auch eine Anzahl von deutschen Ansiedlungsverträgen usw.
Wegen der ausgedehnten Staatsforsten in der Gegend von Alt- und Neu-Sandez und Muszyna
behandelt ein grösser Teil der Akten die vorbildliche forstwissenschaftliche Arbeit, die von der
österreichischen Regierung nach der Besetzung Galiziens (1772— 1792) geleistet worden ist.
Auch andere Aktenabteilungen wie die betr. Bewirtschaftung der Staats- und Fondsgüter, Sa­
nitätsangelegenheiten, Bausachen, Schulwesen und dgl. geben Zeugnis von der in diesem Raum
geleisteten deutschen Kulturarbeit seit dem Ende des 18. Jahrhunderts1678).
Nisko hat zurückgelegte Akten seit 1897 und 6 Ratsbücher gemeldet.
In Pilzno beginnen die zurückgelegten Akten im Jahre 1929, doch befanden sich hier noch
eine Reihe älterer Archivalien, deren Hinterlegung wegen ihres schlechten Erhaltungszustan­
des im Staatsarchiv Krakau durch die deutsche Archiverwaltung angeordnet wurde167*1).
Die Stadtakten von Przeworsk beginnen erst 1918, da alle älteren Bestände während des W elt­
krieges vernichtet wurden. Die Protokollbücher der Rats- und Stadtverordnetensitzungen sind
seit 1918 lückenlos erhalten.
Bei der Stadtverwaltung Rzeszow sind an älteren Archivalien 9 Stadturkunden auf Per­
gament (1571, 1578, 1590, 1639, 1661, 1667, 1728, 1750 und 1830) sowie 15 Stadt-und Innungsbü­
cher 1716— 1912 erhalten. Die Stadtaken des 19. Jahrhunderts, die sich vor dem Kriege in
guter Ordnung in einem Büro des Rathauses befanden, liegen jetzt auf dem Rathausboden und
müssen neu geordnet und sicher aufgestellt werden. Darunter können sich auch Akten der Nach167a) Bericht über die v o n P rof. D r. Kesselring geleistete Ordnungsarbeit im Neu-Sandezer Stadtarchiv v o m 9. 1.
1941. — D ie V eröffentlichung der v on Stadtkom m issar Dr. Schm idt angeregten und betreuten „G esch ich te der Stadt
N eu-Sandez und ihrer deutschen Vergangenheit 1292— 1940 ist dem nächst zu erwarten“ .
167b) H interlegt w urden: A cta scabinalia resignationum (bon oru m im m obiliu m ) 1557— 1598; P rotocollon sessionum
magistratus Pilsnensis 1807— 1864; B ürgerbuch 1856— 1911; P rotok oll der v o m K reisam t Tarnow abgesandten
Rundschreiben 1806— 1807; dgl. 1823— 24, 1832— 33, 1845— 47; T agebu ch der ausgesandten Niederschriften 1806—•
1807; P rotocollon relationum , requisitionum et aliarum diversi generis expeditionum inceptarum 1812— -1814; ein
B ündel loser A k ten 1789— 1850 (darunter R evisionen der altpolnischen Privilegien durch die österreichische R egie­
rung). — D as erstgenannte B u ch ist das älteste bisher bekann t gew ordene Schöffenbuch der Stadt Pilzno.
61
barstädte Czudec, Glogow, Kolbuszowa, Sokolöw und Tyczyn befinden, da vor dem Weltkriege
in Verbindung mit den Rzeszower Muzeum eine Art „A rchiv des Rzeszower Landes“ in der
Bildung begriffen war. V on der Stadt Czudec wurden hier 8 Stadt- und Innungsbücher 1664— 1935,
von Glogow 19 Stadt- und Innungsbücher (1598— 1930),von Kolbuszowa, dessen neuere Stadt­
akten verbrannt sind, 4 Innungsbücher (1837— 1911), von Sokolöw, dessen jüngere Stadtakten
1905 durch Feuer zerstört wurden, 5 Innungsbücher (1625— 1897) und von Tyczyn168) 3 Innungs­
bücher (1679— 1901), ferner 5 Gerichtsbücher umhegender Dörfer (1616— 1880) festgestellt.
Die Stadt Rzeszow besass gegen Ende des 18. Jahrhunderts über 20 Stadtbücher, von denen
sie 14 zur Anlegung einer eigenen Stadttafel (seit 1. 1. 1798) benutzte. Diese Stadttafel ging
um 1855 mit den besonders geführten Urkundenbüchern und Hypothekenarchiven sowie den
älteren Stadtbüchern an das Hypothekenamt beim Kreisgericht Rzeszow über,wo die Hypotheken­
nachweise bis 1882 weitergeführt wurden. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Beschluss
des Galizischen Sejm vom Jahre 1887, der den Landesausschuss zum Schutz der Gemeinde­
archive aufforderte, erhielt der Magistrat Rzeszow nach der inzwischen erfolgten Neueinrichtung
der Hypothekenbücher (siehe H eft 1/1941 dieser Ztschr., Seite 53) den grösseren Teil seiner
älteren Stadtbücher vom Kreisgericht zurück, bei dem nur ein Vogt- und Schöffenbuch (1756— 1789)
und die Bücher der Stadttafel (1798— 1882) zurückblieben. Diese Bücher (40 Stück) wurden
1907 bezw. 1932 an das Staatsarchiv in Krakau abgegeben, das also den neueren Bestand
verwahrt, während in Rzeszow noch der ältere Teil verblieben ist169).
Die bis in die Zeit vor dem Weltkriege reichende zurückgelegte Registratur der Stadt Sanok
(ca 68 m2) ist in Mappen geordnet und nach Jahren verzeichnet. Etwa 50 Urkunden und die
Stadtbücher sind vor Jahren im Lemberger Staatsarchiv deponiert worden169*).
Skalmierz verwahrt neben der zurückgelegten Registratur seit 1927 noch 25 Stadtbücher.
Die erhaltenen Archivalien der Stadt Skawina befinden sich als Depositum im Krakauer Staats­
archiv. Die zurückgelegte städtische Registratur (seit 1930) ist in guter Ordnung. Erwähnt
sei daraus ein Stadtplan vom Jahre 1663 und eine stark beschädigte Katasterkarte vom Jahre 1845.
Die Protokolle der Stadtratsbeschlüsse beginnen 1876.
In Slomniki sind ausser Akten seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts russische Stammbücher
über das Meldewesen 1895— 1914 und polnische von 1915— 1939 vorhanden.
Von Sokolöw befinden sich 4 Pergamenturkunden (1586— 1842) und 1 Schöffenbuch (1767— 1777)
im Krakauer Staatsarchiv.
In Strzyzöw sind Pergamenturkunden und alte wichtige Dokumente vor dem Kriege an die
W ojewodschaft in Lemberg abgegeben worden. Die zurückgelegte Stadtregistratur beginnt
erst 1925. Vorhanden sind ein Bürgerbuch, 2 Ratsbücher und 2 Schöffenbücher.
168) A k ten u nd D okum ente der S ta dt T y cz y n w urden a u f behördlich e A nordnung am 1. 9. 1939 nach K o zlo w b e i Tarn opol (je tz t russisches G ebiet) gebracht, v o n w o sie bisher nicht zurückkehrten. D as K rakauer Staatsarchiv besitzt
seit 1897 als D epositum fü n f U rkunden der Stadt T y cz y n aus der Zeit v o n 1604— 1772 (D ok . D ep. 147— 151),
169) Y g k D ienstakten des Staatsarchivs. — D er b ei Chwalewik erw ähnte P lan der Stadt R zeszow v o n W iedem ann aus
dem Jahre 1762 ist dort nur in einer P h otok op ie vorh and en; sein Original befindet sich in Lem berg. — Zur Geschichte
des D eutschtum s in R zeszow vergleiche auch E m il B ielecki, D eutsche G rabinschriften a u f dem katholischen F riedh of
in Rzeszow -G alizien. ( M b l l . d . H er. Ges. „A d le r“ W ien 1930 N r. 58— 60, S. 798 ff).
i69aj V g l. A . Borzem ski, A rch iw a w Sanoku, Sanok 1905.
62
Das verhältnismässig reichhaltige Stadtarchiv in Tarnow 17°) befindet sich im alten Rathaus.
Es enthält einschliesslich der 40 Innungsdokumente aus dem 15.— 18. Jahrhundert insgesamt
95 Pergamenturkunden (1419— 1798)171) und über 40 Bände Stadtbücher 1513— 1803 (Acta
advocatialia, consularia, notarialia, scabinalia etc.), die — im Einzelnen sorgsam verzeichnet —
in geeigneten Schränken gut untergebracht sind. Die reponierte Stadtregistratur liegt in Resten
seit etwa 1918 ungeordnet auf dem Ratshausboden. Alle älteren Akten sind vernichtet, doch
finden sich in den sachlich geordneten Abteilungen der laufenden Registratur noch ältere Be­
stände (wie zum Beispiel die Bauakten) vor.
In Tuchöw sind mit Ausnahme von 5 Ratsbüchern sämtliche Akten und Bücher vor 1934 ver­
nichtet. 1 Perg. Urk. (1640), 5 Schöffenbücher (1577— 1734) und 1 Ratsbuch (1578— 1817)
als Depositum im Krakauer Staatsarchiv.
Das im Jahre 1612 durch den Krakauer Bischof P. Tylicki gegründete Städtchen Tylicz
(6 km von Krynica) besitzt 2 Gerichtsbücher aus den Jahren 1755— 1784 und 1789— 1816.
Die Stadtverwaltung Wieliczka besitzt noch einige Pergamenturkunden (aus den Jahren 1393,
1427, 1755 und 1765), während andere Urkunden dieser Stadt sich in der Krakauer Staats­
bibliothek befinden. Ein Faszikel loser Akten enthält Privilegienabschriften und 3 ältere Ver­
zeichnisse der Stadturkunden. Nur ein Schöffenbuch (1555— 1667) ist noch im Rathaus erhalten,
ein weiteres Wieliczkaer Gerichtsbuch 1597— 1619 ist im Staatsarchiv Krakau deponiert. Die
nachweislich 1938 noch vorhandene Aktenregistratur aus österreichischer Zeit ist heute in W ie­
liczka nicht mehr vorhanden. Ein Rathausschrank enthält dort noch rund 20 Bände Sitzungs­
protokolle des Stadtrates aus den Jahren 1867— 1938 (mit Lücken), 11 Bände Sitzungsprotokolle
des Magistrats 1888— 1926, 7 Bände Sitzungsprotokolle der Stadtkommissionen für Bau- und
Gesundheitswesen etc., eine Stadtchronik aus den Jahren 1927— 29 und Volkszählungsnach­
weise 1870, 1880, 1890, 1900 und 1910. Beachtlich sind hier ferner ein Plan der Stadt und der
Salzgruben aus dem Jahre 1766 und ein geometrischer Grundriss der Stadt und der Dörfer
Dqbröwka und Grabowka aus dem Jahre 1784.
Bei der Bergwerksverwaltung Wieliczka sind sehr starke Archivverluste eingetreten. Die deutsche
Bergwerksverwaltung ist indessen bemüht, die zum Teil unmöglich in feuchten Kellern in völliger
Unordnung und an verschiedenen Stellen untergebrachten Registraturreste zusammenzubringen,
in ihren erhaltungswichtigen Beständen172) zu ordnen und mit den 1938 von dem Ingenieur
Cehak ausgesonderten wichtigen älteren Salinenakten, die sich jetzt in Bodenräumen des Ver­
waltungsgebäudes befinden, sicher und übersichtlich aufzustellen. Die von Cehak aus diesen
Akten für eine Geschichte der Saline gemachten umfangreichen Auszüge, die Gästebücher der
Saline (1774— 1884), eine Übersicht über den Personalbestand des Bergwerks von 1772, sowie
einige österreichische Bergwerksakten aus dem Ende des 18. Jahrhunderts sind bereits im Schrank
eines Dienstzimmers des Verwaltungsgebäudes vereinigt worden.
Zakopane, das in der älteren Registratur nur etwa 30 Jahre zurückreichende Bauakten besitzt,
hat jetzt ein Fotoarchiv und eine Sammlung von Zeitungsauschnitten angelegt173).
170) V ergleiche B . D u d ik , A rch ive im K ön igreich Galizien u nd L od om erien . W ien 1867, Seite 100 ff. — J. Leniek, Przepisy Jana T arnow skiego dla m ieszczan tarnow skich. T a rn ow 1887.
171) D ie Tarnow er Stadtgründungsurkunde (1330) zu deu tsch em R e ch t, w ie es die S ta dt K rakau h atte, ist abgedruckt
im „A rch iw u m k s i ^ t L u b a rtow iczow Sanguszkow w Slaw ucie“ . B d. I I (L em berg 1888), Seite 15 £f. — V on den Stadt­
urkunden sind Nr. 6 v o m Jahre 1444 (D ie R atm ann en ü ber die R ech te ihrer S ta d t) u nd v o n den Innungsurkunden Nr.65
v o m Jahre 1466 (D ep. der grossen Z ech e) d eu tsch geschrieben.
172) D ie Feu ch tigkeit des K ellers hat einen grossen T eil der älteren Salinenakten bereits nahezu vernichtet. E s muss
aber versu cht w erden, wenigstens die n och vorh andenen G eschäftsbücher, Beam tenübersichten und die bis zum Ende
des 18. Jahrhunderts zurückgehenden P rotok ollb ü ch er zu retten.
17S) Dienstakten der Archivverw altung.
63
3. GEISTLICH E ARC H IV E
A.
A r c h i v des K r a k a u e r D o m k a p i t e l s
Das weitaus bedeutendste geistliche A rchiv im Gebiet des Generalgouvernements ist das des Kra­
kauer Domkapitels174) neben der Kathedralkirche auf der Burg. Seine — trotz aller im Laufe der
langen Geschichte dieses Bistums1743) eingetretenen Archivalien Verluste — auch heute noch erstaun­
lich reichen und geschlossenen Bestände reichen bis in das frühe Mittelalter zurück und gliedern
sich in über 1300 Pergamenturkunden (seit 1166), die jetzt sämtlich durch handschriftliche Rege­
sten verzeichnet sind175), in die Abteilung der archivalischen Bücher und die der handschriftlichen
Codices.
Als archivalische Bücher sind katalogisiert; die Bücher der Kapitelstätigkeit („A cta actorum“ )
und die Sitzungsprotokolle des Kapitels, die mit kleinen Lücken seit 1440 verhanden sind, ferner
die Privilegienbücher (Libri privilegiorum), d. h. Kopiare von Pergamenturkunden und zahl­
reichen Dokumenten betr. die Ausstattung und Privilegien der Kathedrale, der Diözese und des
Domkapitels Krakau, die Bücher des Archivs176) in vielen Unterabteilungen (Orginalbriefe von
Königen, Fürsten, Bischöfen, Kapitelsmitgliedern und sonstigen bedeutenderen Persönlichkeiten
an das Kapitel, Korrespondenzen mit dem apostolischen Stuhl, Besitztransaktionen, Prozesse,
Verschreibungen, Testamente, Minüten wichtigerer vom Kapitel erlassener Akte), Besitzbücher
über die bischöflichen und Kapitelsgüter mit zahlreichen Akten über Revisionen dieser Be­
sitzungen zu den verschiedenen Jahren und Epochen, Kapitelsbücher und Synodalstatuten,
Bücher der bischöflichen Visitationen, Fundationsbücher betr. die Ausstattung der Kathedrale
und ihrer Kapellen usw., Bücher über die Einziehung des Peterspfennigs, von Kontributionen und
Steuern, Bücher der Kapitelseinkünfte und jährlichen Ausgaben, sowie Miscellanea.
174) V gl. J. P o l k o w s k i , K a ta log rgkop isöw kapituln ych k ated ry krakow skiej. Czfsd pierwsza: K o d e x y rgkopismienne
(1— 228). K rakau 1884. — D erselbe, Sprawozdanie o drugim dziale ksiqg A rch iw um kapituly katedralnej K rakow skiej.
(R ozp r. A k . U m . hist.-fil. B d X V I I I S. X X V I I I — X L V .) K rakau 1 8 8 5 .— V gl. auch B. D u d ik , A rch ive im K ö ­
nigreiche Galizien und Lodom erien , W ien 1867, S. 6, 34— 45. — N auka Polska B d. V I I , S. 28. — C h w a le w ik , Zbiory Polskie I, S. 183— 186.
174a) W . K ^trzynski, M. Gum ow ski und K . B u czek nehm en das Bestehen des K rakauer Bistum s bereits v o r dem
Jahre 1000 an: Pierwsze biskupstw a polskie (K w a rt. H ist. L I I (1938), S. 191). D ort ist die ältere Literatur zusam m en­
gestellt. — W . A braham , P oczq tki biskupstw a i k apituly katedralnej w K rakow ie (R oczn ik K rakow ski IV (1900),
S. 177 f ) nim m t das Jahr 1000 als G ründungsjahr an. Derselbe, Gniezno i M agdeburg. K rakau 1921, S. 14 f. — V gl.
auch Paul K ehr, das E rzbistum M agdeburg und die erste Organisation der christlichen K irche in Polen. (Abhandlungen
der Preussischen Akadem ie der W issenschaften. Jg. 1920, philos.-hist. K l. Nr. 1 Berlin 1920, S. 34 f ) . — Ü ber die Anfänge
der polnischen Bistüm er ausführliche Literaturangaben bei H . F. Schm idt, die rechtlichen Grundlagen der Pfarrorganisation a u f westslawischem B oden u nd ihre E ntw icklung w ährend des M ittelalters.. T eil II. W eim ar 1928,
S. 272— 295.
176) D as v o n der deutschen A rch ivverw altun g verm isste, v o n D r. K a c z m a r c z y k bearbeitete Regestenverzeichnis
über die m ittelalterlichen D om kapitelsurkunden, über dessen V erbleib auch bei den
nächstinteressierten
Stellen
keine A u skunft zu erlangen war, ist inzwischen im Nachlass des ehem aligen D om kapitelsarchivars, D om herrn F i j a le k ,
in der B ibliothek der A kadem ie der W issenschaften aufgefunden w orden. B ei der N euordnung des U rkundenbe­
standes des D om kapitelsarchivs w urden rund 100 unverzeichnete Pergam enturkunden festgestellt, zu denen durch
D r. B u c z e k inzw ischen die bisher fehlenden R egesten bearbeitet wurden.
Fast alle U rkunden der Z eit v o n 1166— 1423 sind im C odex diplom aticus ecclesiae cathedralis s. Venceslai Cracoviensis (B d. I u. I I K rakau 1874 bzw . 1888) und die der folgenden Z eit bis 1450 teilweise im C odex diplom aticus
Minoris Poloniae B . I— IV (K ra k au 1876, 86, 87 u. 1905) v o n Fr. P i e k o s i n s k i veröffentlicht w orden. R u n d 10 Per­
gam enturkunden des D om kapitels betr. die Dom herrenhäuser befinden sich im K rakauer Stadtarchiv, einige andere
Stücke sind in andere Sam m lungen gekom m en.
17*) D ie K opialbücher der B isch öflichen K urie enthalten viele A bschriften älterer U rkunden. D er letzte B and dieser
Reihe hat abschriftlich fast alle Pergam enturkunden des D om kapitelarchivs verzeichnet.
64
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AUS D E M Ä LTE S T E N SCHÖ FFENBUCH
DER
STADT KRAKAU
O R IG . H S . I M
1301 F F (S. 4).
K R A K A U E R S T A D T A R C H IV N R . 1
Die Kapitels-Codices auf Pergament und Papier sind von Polkowski177) in 8 Hauptabteilungen be­
schrieben: Die liturgischen Handschriften (Nr. 1— 61) enthalten 10 Missale, 7 Pontifikale und
7 Ceremoniale, 4 Psalter, 4 liturgische Bücher, 20 Antiphonare, Graduale, Kancionale und Musik­
handschriften178). Als Pergamentcodices von seltener Schönheit und grösserem wissenschaftlichen
Wert sind 21 Bände (Nr. 62— 83) verzeichnet. Die ehemals wesentlich reichhaltigere Abteilung
„Kanonisches Recht“ weist heute noch 20 Bücher (Nr. 84— 104) auf. Unter „Theologie“ sind 34
Bände (Nr. 105— 138) beschrieben und als Homilien, Predigten, Heiligenleben 35 Volumina (Nr.
139— 173) gezählt. An Büchern der „Kirchenväter“ sind 17 V olumina (Nr. 174— 189), an DlugoszHandschriften 17 Bände (Nr. 190— 207) und an Miscellanea 23 Stücke (Nr. 208— 231) nachgewiesen,
zu denen u. a. der berühmte Emmeraner K odex der Evangelien aus dem 11. Jh. gehört, der aus
der 1803 aufgehobenen Benediktinerabtei St. Emmeran in Regensburg stammt (vgl. die beige­
gebene Abbildung daraus nach S. 80)179).
Die Kapitelsmatrikel („A cta Actorum “ ) reicht — ohne Unterbrechung — von 1438 bis zur Gegen­
wart. Es sind darin nicht nur die Kapitelssitzungen, sondern auch alle Angelegenheiten verzeich­
net, die sich auf die Domkirche, das Bistum, den bischöflichen und Kapitelsbesitz, die Tätigkeit
der Bischöfe, Prälaten und Kanoniker sowie auf den Anteil beziehen, den die Kapitelsmitglieder
in den Provinzial- und Diözesansynoden, in Angelegenheiten des Staates usw. nahmen. Für die
allgemeine Geschichte wichtig sind hier auch die Eintragungen über die Königskrönungen und be­
deutenderen historischen Ereignisse, ferner die Notizen, die sich auf die Sejme und Persönlich­
keiten beziehen, die in der Verwaltung des Staates und in der Politik eine Rolle gespielt haben.
Hervorgehoben seien auch die Kopiare der Kapitelskorrespondenzen mit Monarchen, Bischöfen,
Kapiteln usw. in politischen und kirchlichen Angelegenheiten, die besonders im 16. Jahrhundert
geführt wurden180).
Die nähere Beschreibung dieser und anderer Bestände sollte der (bisher nicht erschienene) 2. Teil
des Katalogs des Kapitelarchivs bringen.
An Büchern bischöflicher Kirchenvisitationen181) in der ganzen Krakauer Diözese sind 68 vorhan­
den. Die älteste und interessanteste ist die des Bischofs Padniewski vom Jahre 1565— 1570, die
umfangreichste die des Bischofs Radziwill (17 Vol.), die 3 Jahre dauerte und die Kirchen der gan­
zen Krakauer Diözese behandelt. Auch die übrigen Kirchen Visitationen aus dem 17. und 18. Jahr­
hundert enthalten ein ungemein reiches kirchliches Material über den Zustand der Krakauer Diö­
zese. Weitere Bände der Kirchenvisitationen (rund 60 Volumina) befinden sich im bischöfli­
chen Archiv im Konsistorium. Beide Reihen ergänzen sich natürlich.
Da die Krakauer Diözese sich auch vor dem Kriege auf reichsdeutsches Gebiet erstreckte (Kreise
Pless und Beuthen) und naturgemäss den grössten Teil des jezt zum Regierungsbezirk Kattowitz
gekommenen Gebietes der ehemaligen W ojewodschaft Krakau umfasst, ist dieses geistliche Archiv
auch für die deutsche Forschung von grösster Bedeutung. Es befinden sich darin — ausser dem
bereits genannten grossen Urkunden- und Handschriftenbestand — auch umfangreiche Akten
über den ehemaligen weltlichen Besitz des Domkapitels und des Bischofs.
177) K atalog r§kopisow a. a. O. S. 24—-168.
178) Diese 61 H andschriften enthalten ein sehr reiches M aterial zu Studien über die liturgischen B ücher v o r ihrer all­
gemeinen R eform , ein Quellenm aterial, das bisher fast unbearbeitet ist.
17°) V gl. J. Polkow ski, K atalog r g k o p is ö w ... S. 139 ff.
18°) Instruktionen an die K apitelsdelegierten zum apostolischen Stuhl, zum K önig, E rzbischof, an die B ischöfe, K a ­
pitel, päpstlichen N untien, zu Synoden, Particu larconventen und Versam m lungen. D ie G esandtschaftsberichte bilden
ein ausserordentlich reichhaltiges M aterial zur K irch en- und politischen Geschichte des 16. Jahrhunderts, das bisher
n och fast unerforscht ist.
181) Sie enthalten ausser den Visitationsprotokollen o ft auch Gründungsurkunden und Inventare der K irchen.
65
Das Archiv der Pabianice- Güter bei Litzmannstadt, die jahrhundertelang dem Krakauer D om ­
kapitel gehörten, setzt sich aus 75 Volumina und einer Menge loser Akten zusammen; darunter
befinden sich die Bücher der Visitationen und Revisionen der bischöflichen Güter, die seit 1496
systematisch bis zu ihrem Verlust im Jahre 1796 durchgeführt wurden, ferner Register der jährli­
chen Einkünfte aus diesen Gütern seit 1539, Summarien derselben, Pachtkontrakte, Verwaltungs- und Wirtschaftsrechnungen usw.182).
Zur Abteilung der Inventare und Revisionen der bischöflichen Güter gehören 32 Bände. Der äl­
teste davon ist ein Verzeichnis aller Güter des Krakauer Bistums vom Jahre 1536, das jede ein­
zelne Herrschaft unter Aufzählung der betr. Einkünfte beschreibt. Ein anderes, umfangreicheres
Inventar (500 Seiten Folio) vom Jahre 1645 enthält eine auszugsweise Beschreibung der bischöf­
lichen Güter aller Herrschaften in historischer, geographischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Der
Band der bischöflichen Einkünfte und Ausgaben vom Jahre 1683 (800 Seiten Folio) ist eine beson­
ders wichtige Quelle zur Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte183).
Noch nicht ermittelt werden konnten184) eine nach der Literatur im Domkapitelsarchiv ehemals vor­
handene Beschreibung des Fürstentums Sewerien vom Jahre 1630 sowie andere Akten, die sich
auf den K auf dieses Fürstentums, dessen Freiheiten und Rechte beziehen185).
Da das von Herzog Wenzel von Teschen-Beuthen im Jahre 1442 für 6000 Mark Silber an den Kra­
kauer Bischof Zbigniew Oiesnicki verkaufte Fürstentum Sewerien (in den heute zu Schlesien zu­
rückgekehrten Kreisen Zawiercie und Bendzin186), nach dem die Krakauer Bischöfe in der Folge den
Fürstentitel führten, bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts bischöflicher Besitz blieb, sind die
dieses Gebiet betreffenden Regierungs- und Verwaltungsakten in das geistliche Archiv gekommen.
182) Im Jahre 1496 bestanden diese Güter aus 2 Städten, 34 D örfern und 10 V orw erken. In der E poch e der preussischen Verw altung nach der Teilung Polens waren es 2 Städte, 51 Bauerndörfer und 20 Vorwerke.
183) E r ist nicht nur fü r die G eschichte der Preisbildung der einzelnen B edarfs- und Verkaufsartikel w ie für die V er­
w altung eines grossen u nd w eitverzw eigten H errschaftsbesitzes dieser E p och e v o n allgem einem W ert, sondern auch
fü r den Nachw eis des Silber-, B lei- und Eisenbergbaues, v o n Eisen- und Glashütten, H äm m ern, Papierfabriken,
Bienenzucht, Fischerei, G artenbau, Tierhandlung und Getreideverschiffung a u f eigenen K ähnen nach D anzig und in
m annigfacher anderer R ich tu n g für den Spezialforscher v o n grösser B edeutung, da er ein n och unbearbeitetes Material
enthält.
184) W egen der U nbeheizbarkeit und grossen K ä lte der A rchivräum e konnte die N euordnung des D om kapitelarchivs
bisher nur in den M onaten Mai bis N ovem ber 1940 an einzelnen W och en tagen durch die D eutsche A rch ivverw altun g
in V erbindung m it dem D om kapitelsarchivar Professor D r. G le m m a vorgenom m en werden. Sie w ird im Som m er
1941 zu E nde geführt werden.
186) V gl. P o l k o w s k i , Sprawozdanie a. a. O. S. 11: „S tatu s et con ditio ducatus Severiensis opp idoru m , villarum ,
incolarum etc. ex originalibus pargam eneis descriptarum per m e Stanislaum K aniecki plebanum in C hruszczobrod.
A n no D ni 1630.“ — „D e consuetudinibus et observationibus ducatus Severiensis.“ — „L a n d frid albo konstitucye
ksi?stwa Siewierskiego o d r. 1552.“ — „D e du catu Severiae C h ron icon ...“ und andere A k ten zur G eschichte dieses
Fürstentums.
18e) V gl. C. Grünhagen u nd H . M arkgraf, Lehns- und Besitzurkunden Schlesiens. B d. I (1881), S. 202; B d. I I (1883),
S. 625— 38. — M. D zieduszycki, Z bigniew Oiesnicki. K rakau 1854. B d. I I , 162— 178, X I I I — X X X . — St. K utrzeba,
U stroj sgdow y ksi^stwa siewierskiego w w iekach srednich. (Studia d o historii sgdow nictw a w Polsce. Seria I, Lem berg
1901, S. 55— 58). — H . P olaczkow na, Szlachta na Siewierzu B iskupim w latach 1442— 1780. Lem berg 1913 (R oczn ik i
Tow . H eraldycznego w e Lw ow ie, B d. IV ). — J . W isniewski, D iecezja cz^stochow ska. M ariow ka 1936 (u. a. M ono­
graphien der K irchen im Fürstent. Sewerien). — Zur K un st- und D enkm älergeschichte des Fürstentum s Sewerien vgl.
Sprawozdania kom isji d o badania historii sztuki w Polsce. K rakau 1891— 1912. B d. I I I — V I I I . — T y god n ik Illustrow any 1860 u. 1880. — M. W alicki, Sprawa in w entaryzacji za b y tk ow w dobie K rolestw a K ongresow ego (1827-1862).
W arschau 1931, S. 165 und das B ild Nr. 34. — B ron i barwa. W arschau 1938 V , 73. — Zur Bibliographie vgl. K . u. S.
Estreicher, Bibliografia Polska, K rakau 1930. B d. X X V I I I , 84— 85. — Zahlreiche M onographien zur O rtsgeschichte
des Fürstentum s Sewerien auch bei M. K antor-M irski, Z przeszlosci Zagl^bia D gbrow skiego i okolicy. 2 B de (Sosnow itz
1931 u. 1932). — V o n deutscher Seite W . K rause, Ü bersich t über die geschichtliche E ntw icklung des H erzogtum s
Sewerien. Schles. G eschichtsblätter 1941. S. 1— 7.
66
Mit ihren Besitz- und Untertanen Verzeichnissen sind sie für die deutsche Forschung von wesent­
lichem Interesse.
Aus der Gruppe der Steuerbücher des Domkapitelarchivs verdient genannt zu werden der „L i­
ber retaxationum“ , der aus Anlass der Beschlüsse der Synode von Lentschütz (1527) zwei Jahre
später (1529) entstand und lange Zeit als Rechtsgrundlage für die Schatzung derBenefizien, den
Peterspfennig, die Kontribution etc. Geltung hatte187).
Von den Inventaren des Domschatzes (12 Vol.) gibt das vom Jahre 1563 eine besonders gute Be­
schreibung des einstigen grossen Reichtums der Kathedralkirche und vieler — später verloren
gegangener — Kleinodien des Domschatzes. Aus der Abteilung Miscellanea sei schliesslich — um
die Reichhaltigkeit und die allgemeine Bedeutung des Domkapitelsarchivs zu veranschaulichen —
hier noch das Formelbuch des Arnold von Protzan erwähnt, das durch Wilhelm Wattenbachs
Publikation188) der wissenschaftlichen W elt seit langem bekannt ist.
A r c h i v d es r ö m i s c h - k a t h o l i s c h e n
Konsistoriums
in K r a k a u
Die unentbehrliche Ergänzung zum Domkapitelsarchiv ist das Krakauer Archiv des römischkatholischen Konsistoriums in der Franziskanergasse, das dort in hohen Regalen zwei grosse
Räume füllt189). Es ist nicht klar ersichtlich, aus welchem Grunde bestimmte Archivaliengruppen
in das eine oder das andere der genannten Krakauer geistlichen Archive gekommen sind, da zum
Beispiel auch ältere Visitationsberichte (1591 ff) sich im bischöflichen Archiv befinden190).
Die „Decreta executiva visitationum...“ , deren 1. Band aus dem Jahre 1601 vorliegt, zählen 57
Bände bis zum Jahre 1791. Sie behandeln im allgemeinen die einzelnen Archipresbytewate und
Dekanate, Einzelbände auch die ganze Krakauer Diözese (z. B. 1748). Hierbei befindet sich ein
Codex mit Privilegienabschriften verschiedener Vogteien und Innungen aus älterer Zeit und Konsistorialerlasse der Jahre 1782— 1790 in 3 Bänden (Acta postcurialia diocesis Cracoviensis). Von
Einzelbänden seien hier noch erwähnt das Compendium alphabeticum beneficiorum diocesis Cra­
coviensis vom Jahre 1764, das am Schluss eine Art kirchlicher Statistik der Diözese enthält191),
der „In dex actorum episcopalium“ (1466— 1640) und die Instruktion für das Kulmer Gymna­
sium vom Jahre 1731 (Leges scholarum Culmensium ex variis antiquis codicibus in unum propter
ordinem collectae...“ ).
Die Bücher der „A cta consistorialia“ 192) beginnen in Bruchstücken bereits 1410 und sind — mit
kleinen Lücken — vom Jahre 1450— 1795 fortlaufend erhalten (206 Folio-Bände); „Administra187) D ie polnische G eistlichkeit verpflichtete sich 1527 a u f der Provinzialsynode zu Lentschütz, fü r die Bedürfnisse
des Landes v o n jed em Beneficium eine gewisse allgem ein festgesetzte T a xe als freiw illige K on trib u tion zu zahlen.
t88)
Veröffentlicht im C odex
diplom aticus Silesiae V (1862). Das F orm elbuch des K anonikus A rn old v o n P rotzan
w ar für die K anzlei des Breslauer B isch ofs N anker 1378 gesam m elt.
iss) V g], ß . D udik , a. a. O. S. 6, 46— 49. — I. P o l k o w s k i , W ia d om osc o archiw um K onsystorskiem K rakow skiem .
(„C zas“ v o m Jahre 1878). — Nauka Polska X I I , 24. — C h w a le w ik , a. a. O. I. 187— 189.
19°) D as in der ersten H älfte des 15. Jahrhunderts entstandene K onsistorialarchiv enthält vorw iegend A kten, die die
Verw altung der D iözese betreffen. D a anfangs das D om kap itel einen starken Einfluss auf die Diözesanverw altung
h atte, befinden sich im D om kapitelsarchiv m anche Bestände, die eigentlich hierher gehörten. — Eine A nzahl v on
Pergam enturkunden des K onsistorialarchivs ist v o r etw a 20 Jahren an das D om kapitelsarchiv abgegeben w orden.
m ) D ie K rakauer D iözese zerfiel damals in 6 A rch idiakon ate: K rakau, Sandom ir, Z aw ichost, Sandez, Lublin und
Pili ca.
192) Sie sind besonders w ichtig für die G eschichte der D iözese, da sie alle Angelegenheiten der Pfarrkirchen, wie Pa­
tronatssachen, Zehntstreitigkeiten, Anstellungen v o n Pfarrern, Prozesse, A bschriften v o n K irchengründungsurkun­
den usw. enthalten.
67
torialia“ liegen in 24 Bänden für die Zeit von 1535— 1733 vor; die „A cta episcopalia“ beginnen
1466, die „Libri ordinatorum, consecrationis ecclesiarum, capellorum, altarium...“ 1646, die „Protocolla actorum“ 1676 (bis 1772 in 57 Büchern)193), die „Protocolla consistorii generalis Cracoviensis“ zählen für die Zeit von 1662— 1794 insgesamt 66 Bände194). — Diese Aufzählung, die beliebig
zu erweitern wäre, möge hier zum allgemeinen Verständnis des Inhalts dieses Archivs genügen195).
A r c h i v d es D o m k a p i t e l s
und
K o n s i s t o r i a l a r c h i v in T a r n o w
Das von Kaiser Josef II. im Jahre 1782 im Rahmen der Lemberger Diözese gestiftete Bistum Tar­
now196) gehörte mit seinem Gebiet vorher zur Krakauer Diözese. Das neue Bistum wurde für den
Teil des Krakauer Kirchensprengels geschaffen, der nach der ersten Teilung Polens an Österreich
gefallen war. V on 1807— 21 suspendiert, wurde die Tarnower Diözese 1822 mit dem Sitz in Tyniec,
bald in Bochnia und seit 1826 wieder in Tarnow reorganisiert. Ihre Grenzen änderten sich wieder­
holt; im Jahre 1880 wurden fünf Dekanate an das Krakauer Bistum abgetreten. Der Tarnower
Bischof unterstand bis 1925 dem römisch-katholischen Erzbischof in Lemberg197).
Diesem kurzen Geschichtsüberblick entsprechend, sind das Domkapitels-198) und das Konsistorial­
archiv199) in Tarnow ohne grössere Bedeutung. Die in der spärlichen Literatur darüber nachgewie­
senen Bestände konnten mangels jeder wissenschaftlichen Ordnung dort noch nicht näher festge­
stellt werden. Das Domkapitclsarchiv enthält Teile des früheren Pfarr- und Kollegiatarchivs seit
dem 16. Jahrhundert und einige Akten des Domkapitels und der Diözese seit 1782. Erhalten sind
zwei Kapitelsbücher von 1619— 1735 und 1736— 1785200). Desgleichen besteht das Konsistorial­
archiv in Tarnow nur aus Trümmern des ehemaligen Bestandes. Festgestellt wurden unter ande­
rem 14 Bände Acta officii Tarnoviensis consistorii 1578— 1786; Acta consistorii episcopalis Tarnoviensis 1787— 1925 und eine Anzahl päpstlicher Nominationsbullen der Tarnower Bischöfe. Eine
systematische Ausscheidung archivreifer Akten aus der bischöflichen Kurie ist noch nicht erfolgt.
Kurz vor dem Kriege hatte man sich entschlossen, mit dem Konsistorialarchiv ein Diözesanarchiv
der Tarnower Diözese (etwa 400 Pfarreien) zu verbinden201). In einem Gebäude neben der Kathe­
drale sind auch bereits eine grössere Zahl von bisher noch nicht verzeichneten Pfarrmatrikeln zu­
sammengezogen worden. Viele alte Pfarrmatrikeln der Tarnower Diözese sind aber schon vorher
in das jetzt im russischen Interessengebiet gelegene Archiv der römisch-katholischen Diözese Prze­
mysl202) gelangt.
193) Diese P rotokolle beziehen sich a u f das O fficium episcopale K ielcense. V gl. B. D u d ik , a. a. O. S. 49.
194) Sie ergänzen die „A c ta consistorialia“ .
195) D ie in der Literatur über dieses A rch iv gegebene Einteilung ist zum T eil fehlerhaft und ungenau. Eine N euordnung
der Bestände w ird zu gegebener Z eit in die W ege geleitet w erden müssen.
196) D ekrete der H ofkan zlei in W ien v o m 3. A ugust 1785 und der hl. K ongregation in R o m v o m 28. N ovem ber 1785.
V gl. M. N i w i n s k i , A rchiw um konsystorza biskupiego w Tarnow ie.
A teneu m K aplanskie B d. 40 (W loclaw ek 1936).
197) V gl. L ex ik on fü r Th eologie und K irch e, B d I X (1937), S. 997. — J. Leniek, F. H erzig, F . Leäniak, D zieje miasta
Tarnow a. T arnow 1911, S. 167 f.
198) K . B u c z e k in „N au k a P olska“ X I I , S. 67.
199) Desgl. V I I , S. 77.
20°) B ericht v o m 7. 11. 40.
201) Für das D iözesanarchiv in T arnow bestim m t waren auch die je tz t im alten Rathaus in T arnow (M useum) auf­
bew ahrten A cta iudicii Czchowensis 1615— 18 und 1645—-47, A cta proconsularia et consularia a dvocati et scabinorum officii Czchowensis (R este aus den Jahren 1697, 1716 u nd 1797), A cta m aleficorum iudicii in Wi&nicz 1632—
1665 und einige U rkunden des Benediktinerstifts in T yniec. — 38 U rkunden (1393— 1750), 9 G erichtsbücher und
1 Faszikel loser A k ten v o n C zchöw (1580— 1890) sind im K rakauer Staatsarchiv deponiert.
202) Z u dem im Jahre 1375 gebildeten und dem E rzbistum L em berg unterstellten röm isch-katholischen B istum Prze­
m ysl gehört n och ein T eil des K rakauer D istrikts. —- W . A braham , Pow stanie organizacji K osciola lacinskiego na
Rusi. I Lem berg 1904, 238 f, 311. — L exik on fü r Th eologie u nd K irch e V I I I , S. 538.
68
G e i s t l i c h e s A r c h i v in P r z e m y s l
Nach dem im Druck erschienenen Inventar203) des D i ö z e s a n a r c h i v s in Przemysl204) befinden
sich dort aus dem Gebiet des Generalgouvernements unter anderem bischöfliche Visitations­
akten der Dekane seit 1903, Steuererhebungsakten 1800— 1910, statistische Materialien für
einzelne Kirchspiele aus verschiedenen Jahren des 19. Jahrhunderts. Tarnower Konsistorialakten für die Kreise Jaslo und Tarnow wurden bereits im Jahre 1809 nach Przemysl überwiesen.
Aus dem Gebiet des Generalgouvernements haben ganz oder teilweise folgende Pfarreien ihre
Archivalien an das Diözesanarchiv in Przemysl abgegeben: Brzozow, Czudec, Dukla, Giedlarowa,
Gniewczyna, Hartiowa, Jaroslau, Jezowe, Kolaczyce, Krzemienice, Lezajsk, Miechocin, Nowosielce, Nozdrzec, Pruchnik, Przysietnica, Pysznica, Szebnie, Urzejowice, Wesola, Zarszyn und
Zolynia. Es handelt sich hierbei vorwiegend um Matrikelbücher seit dem 16. Jahrhundert205).
Desgleichen enthält das A rchiv des römisch-katholischen Domkapitels in Przemysl, dessen
Urkundenbestand (300 Stück) bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht206), wesentliches Quellen­
material auch für die dem Generalgouvernement verbliebenen Diözesanteile207). Leider aber
liegt auch dieses wohlgeordnete und wissenschaftlich bearbeitete geistliche Archiv208) im russisch
gewordenen Teil Przemysls.
Auch die A r c h i v e des g r i e c h i s c h - k a t h o l i s c h e n Bistums209) und des g r i e c h i s c h - k a t h o l i ­
s c h e n D o m k a p i t e l s 210) in Przemysl liegen im russischen Interessengebiet. Nach der darüber vor­
handenen Literatur enthalten sie eine grössere Zahl von Pergamenturkunden in kyrillischer und
lateinischer Schrift, Papierurkunden betr. Präsentationen zu Archimandriten, Personalien über den
Übergang vom griechischen zum lateinischen Ritus, Handschriften zur allgemeinen Geschichte
der griechisch-katholischen Diözesen in Przemysl, Cholm, Lemberg, Sambor und Sanok und zur
Pfarrkirche in Tylicz bei Krynica. Aber auch Handschriften betr. die römisch-katholischen
Diözesen Przemysl und Lemberg, sowie deren Kirchen und Klöster (1550— 1758), Handschriften
zur allgemeinen Geschichte Polens und Genealogien der Familien Branicki, Krasinski, Mniszech,
Ossolinski, Potocki, Zaluski u. a. befinden sich dort211).
203) J. K w o l e k , A rchiw a diecezji przem yskiej obrzqdu Iacinskiego. Przem ysl 1927.
0 ) D r. K w o l e k w urde 1918 als w issenschaftlicher A rch ivar beim D iözesanarchiv angestellt und dieses selbst 1927
zu einem selbständigen w issenschaftlichen In stitu t der D iözese erhoben. — V gl. über dies geistliche A rch iv auch
B. D n d ik , A rch ive im K önigreich Galizien. W ien 1867, S. 161; L eop old H a u s e r , M onografia miasta Przem ysla.
Przem ysl 1883, S. 9 ; K . B u c z e k in „N au k a Polska“ V I I , S. 66 u. X I I , S. 60.
206) D ienstakten des K rakauer Staatsarchivs.
) D ie U rkunden der Jahre 1352 1752 sind v o n X . L is k e unter dem T itel „D y p lom ata ryu sz kapitu ly przem yskiej
obrzqdku Iacinskiego“ veröffentlicht w orden in „A k ta grodzkie i ziem skie“ B d. V I I I , L em berg 1880 (teilweise auch
in B d. V I I , Lem berg 1878).
207) 19 B ücher Sitzungsprotokolle: libri conclusionum 1438— 1799; statuta capituli 1528— 1747, H andschrift zur Ge­
schichte der D iözese, V isitationen, Beschreibungen, Inventare, K opialbü cher, D iözesan- und K onsistorialakte usw.
seit dem 17. Jahrhundert. D arunter A kten betr. andere D iözesen, wie Lem berg, T arnow etc. 1730— 1833.
aos) V gl. B . D u d i k , a. a. O. S. 157— 161; H a u s e r , a. a. O. S. 9— 12; K w o l e k , a. a. O. S. 5— 37 und 46— 53; C h w a l e w i k I I , 120— 121.
) D u d ik , a. a. O. S. 161 162; H a u s e r , a. a. O. S. 12— 13. Es entstand bereits v o r dem 13. Jahrhundert. Im
Jahre 1934 w urden 9 D ekanate als eigene A postolische A dm in istratu r Lem kow szczyzna m it dem Sitz in R ym anow
abgezweigt. A cta A p . Sed. 1935, 80.
21°) D u d i k , a. a. O. S. 162— 167; H a u s e r , a. a. O. S. 13— 16.
2U) V gl. den K a ta log v o n A . P i e t r u s i e w i c z , M anuscripta et docum enta bibliothecae et archivi capituli cathedralis
Premisliensis ad. s. Johannem B a p t... 1858.
Einzelne U rkunden sind w örtlich oder in Auszügen veröffentlicht im Schem atism us des griechisch-katholischen
Klerus der D iözese Przem ysl v o m Jahre 1879.
69
V on den Rechtshandschriften des gen. Domkapitelsarchivs sei auf die Materialien zum armeni­
schen Recht in Lemberg und auf die Entscheidungen nach Magdeburger Recht in polnischer
Sprache aufmerksam gemacht.
Archive
von
K ollegiatkapiteln
der K ra k a u e r
Diözese
Von Kollegiatkirchen der Krakauer Diözese aus dem 14. Jahrhundert seien hier kurz erwähnt
wenigstens das A r c h i v d e r K o l l e g i a t k i r c h e d e r h e i l i g e n A n n a in Krakau mit Per­
gamenturkunden seit 1535, Matrikelbüchern seit 1568, Visitationen seit 1595 usw.212) sowie das
A r c h i v d e r K o l l e g i a t k i r c h e A l l e r H e i l i g e n i n J a r o s l a u , das 6 Pergamenturkunden
(1523— 1827), Matrikelbücher seit 1671, Sitzungsprotokolle des Kollegiatkapitels seit 1673,
Visitationen, Kopialbücher usw. seit dem 17. Jahrhundert besitzt und einen grossen Teil seiner
Archivalien im Diözesanarchiv in Przemysl deponiert hat213).
Sandomirer D om kapitelsarchiv
Das in einem Nebenraum der Kirche befindliche Sandomirer Domkapitelsarchiv enthält 99
Pergamenturkunden aus dem 13.— 19. Jahrhundert, deren jede auf dem Umschlag ein hand­
schriftliches Regest hat214). Die gebundenen und losen Akten dieses Archivs betreffen Verwaltungs­
angelegenheiten der Kathedral- und einstigen Kollegiatkirche215), sowie die kirchlichen und K a­
pitelssitzungen. Sammlungen von Kapitelsprivilegien liegen in 5 Bänden (1399— 1574), Acta
consistorii in 19 Bänden (1522— 1744), Acta constitutionum in 11 Bänden (1550— 1670) vor.
Das A rchiv wird zur Zeit neu geordnet. Es sind dorthin auch ältere Archivalien der Städte
Sandomir, Zawichost und Nowa Slupia, sowie Dokumente aus verschiedenen Klöstern, Kirchen
und Spitälern des Sandomirer Gebietes gekommen.
Das Archiv des Sandomirer bischöflichen Konsistoriums besteht im wesentlichen aus kirchlichen
Verwaltungsakten seit dem 19. Jahrhundert, da der erste Sandomirer Bischof erst im Jahre 1919
eingesetzt wurde.
K o l l e g i a t k a p i t e l s a r c h i v in O p a t o w
In der Sakristei der röm.-kath. Kirche in Opatow, Distr. Radom216), sind unter Glas 11 Urkunden
des Kapitelsarchivs (1401— 1777) aufgehangen. Unter diesen befinden sich die Bulle vom 1. Febr.
1516, durch die Papst Leo X . den K auf der Stadt Opatow vom Bischof Jvon Lebus bestätigt,
2 Bestätigungsurkunden der Rechte der Krämerinnung in Opatow (1568 u. 1678) und eine
Privilegienbestätigung der Schneiderinnung in Denkow. Die in der Literatur gen. 2 Bände
„Statuta Ecclesiae Collegiatae Opatoviensis“ waren bei der Archivbesichtigung nicht auf­
findbar217).
212) V gl. N auka Polska X I I , S. 29.
ai3) V gl. J . K w o l e k , A rch iw a diecezji przem yskiej obrz^dku lacinskicgo. (P rzem ysl 1927), S. 48. — J. R y c h l i k ,
K osciol kollegiaty W W . Öwi§tych w Jaroslawiu. Jaroslau 1893. — N auka Polska X I I , 14.
214) V gl. J. R o k o s z n y , Ze starych szpargalow . „B ib i. W arszaw ska“ 1902. I. D ie ältesten D iplom e veröffentlichte
J. W isniewski, D iplom ata regum Poloniae et privilegia cardinalium p olon oru m ... (W arschau 1928).
215) Lexikon für Theologie und K irch e I X (1937), S. 166. — Jan W isniew ski, M onografia dekanatu sandom ierskiego.
R a d om 1915. D erselbe, K a ta log pralatöw i kanon ikow sandom ierskich. R a d o m 1926.
216) Jan W isniewski,
M on ografja dekanatu radom skiego.
R a d o m 1913.
—
D urch
den
R igaer V ertrag sind
keine A rchivalien geistlichen Ursprungs, die den D istrikt R a d om betreffen, aus Russland zurückgegeben worden.
V gl. Archeion. B d I X (W arschau 1931), S. 16 ff.
217) A rchivverw altung J. Nr. 3333/40 u. 733/41.
70
B is ch ö flic h e s und
D o m k a p i t e l s a r c h i v in K i e l c e
Das Kielcer Bistum wurde erst 1805 errichtet218), 1881 mit dem Krakauer vereinigt, dann wieder
losgelöst und seit dem Jahre 1882 als selbständiges Bistum begründet. Die Akten des b i s c h ö f ­
l i c h e n A r c h i v s in K i e l c e beginnen um 1815. Das aus den Abteilungen: Visitationen, Per­
sonalakten, Bischöfliches Gericht, Priesterseminar, Verschiedenes, Pfarreien und Klöster be­
stehende Archiv ist geordnet, doch fehlen Verzeichnisse.
Ein A r c h i v des bereits um 1171 begründeten D o m k a p i t e l s 219) in Kielce besteht nicht mehr,
da der russische Bibliotheksdirektor Linde seine Bestände zerrissen hat (siehe unten S. 76).
Ein Teil kam damals in die Universitätsbibliothek in Warschau, ein anderer Teil nach Sandomir.
Die noch verbliebenen wertvolleren Stücke der Bibliothek sind der Bibliothek des Priester­
seminars in Kielce einverleibt worden220).
Im Jahre 1937 wurde mit der Bildung eines D i ö z e s a n a r c h i v s 221) i n K i e l c e begonnen, das
bisher die alten Akten und Kirchenbücher (die ältesten beginnen um 1650) von rund 85 Pfarreien
der Kielcer Diözese aufgenommen hat222).
C ho l m e r r ö m i s c h - k a t h o l i s c h e s
Bistum
Die Geschichte des Cholmer römisch-katholischen Bistums führt bis auf das Gründungsjahr 1359
zurück, wenn auch die Cholmer Diözese, die anfänglich Gnesen, dann dem römisch-katholischen
Erzbischof in Lemberg unterstand, erst erheblich später in Wirksamkeit trat. Die Bischöfe
residierten in Cholm, bzw. in Hrubieszow und Krasnystaw. 1781 wurde die bischöfliche Residenz
nach Lublin verlegt und 1790 das bis dahin zur Krakauer Diözese gehörige Lubliner Archidiakonat dem Cholmer Kirchensprengel ein verleibt223).
K ir c h lic h e R e g is tr a tu r e n der u n ierten, g r i e c h i s c h - o r t h o d o x e n
k a th o lis ch e n K ir ch e im S t a a t s a r c h i v L u b lin
und
römisch-
Zur Geschichte der kirchlichen Union im ehemaligen Polen ist besonders aufschlussreich das
wichtige Quellenmaterial, das durch die griechisch-orthodoxe Bruderschaft Bogorodicy224) bei
der Cholmer Kathedrale und durch die Cholmer geistliche Verwaltung gesammelt wurde, sich
jetzt aber im Staatsarchiv Lublin befindet225).
218) Die päpstliche G ründungsbulle abgedruckt bei W l. S i a r k o w s k i , G rob y kosciola sw. M aryji P an ny w K ielcach.
W arschau 1872.
V gl. auch J. Z d a n o w s k i , Zarys dziejow diecezji kieleckiej. In : Synodus D ioces. K ielce 1927.
S* 5 17.
L exikon für T heologie und K irch e V , S. 945. — D r. N avarra, M onografia k osciolöw diecezji kieleckiej.
B d. I K rakau 1909; B d. II W arschau 1912.
219) I. Z d a n o w s k i , KoSciol katedralny N ajsw it tszej M arji Pan ny w K ielcach . K ielce 1930.
) E in hei S ia r k o w s k i , S. 58 genanntes A ktenstü ck „K a p itu ly K ieleck iej“ w ird nach Aussage des Propstes seit
3 Jahren verm isst.
2al) Statut organ izacyjny i regulam in A rchiw um D iecezjalnego w K ielcach. K ielce 1939.
) N ach dem Stand des im D ezem ber 1940 v o n Staatsarchivrat D r. B r a n i g aufgestellten Verzeichnisses.
223) W . A b r a h a m , Pow stanie organizacji kosciola lacinskiego na Rusi. I Lem berg 1904, S. 243. — L exikon für Theol.
u. K irche I I (1931), S. 850.
) Die griechisch-orthodoxe B ruderschaft B og orod icy bei der Cholmer K athedrale entstand nach der Aufhebung
der U nion 1879. Sie samm elte in dem 1882 angelegten kirchlich-archäologischen M useum die genannten alten losen
A kten. Bericht Dr. K ossow skis v o m 25. 2. 1941 — A rch ivverw altun g 719/41.
226) A rchiw um Panstw ow e w Lublinie. Inw entarz ksiqg daw n ych . W arschau 1931. S. 134. — Zur G eschichte der Union
vgl. A lex. K ossow ski, Blaski i cienie unii koscielnej w Polsce w X V I I — X V I I I w. w swietle zrodel archiwalnych.
K sifg a ku czci X . biskupa Fulm ana. Cz^sc II I . Lu blin 1939.
71
Diese Bestände teilen sich in die beiden Hauptgruppen der Akten vor und nach den polnischen
Teilungen. Der ersten Gruppe gehören an: Akten des Cholmer und Brester unierten Konsisto­
riums mit Visitationen und Inventaren seit 1715 und einem reichen Material zur kirchlichen W irt­
schafts- und zur Klostergeschichte, Beschlüssen der höchsten Landesbehörden seit 1564, Verordnungen der Diözesanbehörden seit 1732, Ehescheidungssachen seit 1723, Ingrossationsbüchern
verschiedener Dokumente und Urkunden seit 1768, ferner Akten des öffentlichen Notars des
Apostolischen Stuhls in Cholm 1645— 1669 mit den darin enthaltenen Urkundenabschriften
seit 1520, Akten des Gerichts des unierten Bischofs von Cholm und Beiz 1684— 1703, Dekreten
des Cholmer Generalkonsistoriums 1753— 1773 usw.
Zur 2. Aktengruppe, die nach den polnischen Teilungen entstanden ist, gehören: Akten des Chol­
mer griechisch-katholischen Konsistoriums, die aus Sowjet-Russland zurückgeführt wurden,
Akten des Cholmer und Brester Konsistoriums mit Visitationen und Inventaren bis 1903 usw.,
Akten des Cholmer unierten, später griechisch-orthodoxen Konsistoriums226), Akten des Cholmer
und Brester Konsistoriums227) Akten des Warschauer geistlichen Konsistoriums 1835— 1875, des
Cholm-Warschauer Konsistoriums 1875— 1905, des Cholmer griechisch-orthodoxen Konsistoriums
1900— 1915, Akten der Cholmer geistlichen Verwaltung 1876— 1905228). Bestände betreffend kirch­
liche Fonds (Personalien griechisch-orthodoxer Kapläne 1876— 1914 usw.), Akten der Bruder­
schaft Bogorodicy bei der Cholmer Kathedrale 1879— 1914, des Diözesan-Schulrates 1885— 1915,
des Vormundschaftsrates der Cholmer Diözese 1889— 1913 usw.
Zur Geschichte der kirchlichen Union ist u. a. ferner zu verweisen auf die Akten des Lubliner
Kapitels 1638— 1800, die Akten des Generalkonsistoriums der Lubliner Diözese betreffend die
kirchliche Union 1860— 1920 und die Akten der Lubliner Bischöflichen Kurie. Von nichtkirchli­
chen Beständen sind im Staatsarchiv Lublin schliesslich zu berücksichtigen: Die Geheimakten
der Lubliner Gubernialregierung 1836— 66, die ein erstklassiges Material für das Leben und die
Tätigkeit der Cholmer unierten Bischöfe, sowie zur Beurteilung der russischen Behörden und der
politischen Stimmungen enthalten, und die Akten der Gouverneure von Lublin (1866— 1915) und
von Siedlce (1866— 1913). Und natürlich enthalten hierfür auch die Archive in Lemberg, Kiew,
Leningrad und Moskau ein reiches, sich auf die kirchlichen Verhältnisse des Lubliner Distrikts
beziehendes Material.
A r c h i v e d e r b i s c h ö f l i c h e n K u r i e u n d d es r ö m i s c h - k a t h o l i s c h e n K o n s i s t o r i u m s
in L u b l i n
Die Gründung des Lubliner Bistums erfolgte durch päpstliche Bulle vom 9. Oktober 1805229).
Das im Jahre 1867 aufgehobene Bistum Podlachien wurde dem Lubliner Kirchensprengel
einverleibt230.
226) B ehandelt in dem Nachweis „D a w n e akta K onsystorza Chelmskiego ad 1404 r. d o 1914 r.“
2 2 7 ) I ) ureli
eine K artei erfasst: Beschlüsse der obersten Landesbehörden 1802/04, allgem eine V erfügungen und K orre­
spondenzen über Zehnten 1808— 61, Beschlüsse der D iözesanbehörden 1815— 1855, Ehesachen 1815— 1857, Miscellanea 1791— 1863, A kten betreffend Bekenntniswechsel 1775— 1846, A kten betreffend M önche 1786— 1812 usw.
228) Dieser Bestand besitzt auch einige durch die griechisch -orthodoxe B ruderschaft B og orod icy bei der Cholmer
K athedrale überlassene A kten seit 1725.
229) A . W a d o w s k i , K oscioly Lubelskie. B d . 1 K rakau 1907, S. 14— 15, 191— 196. — A . K o s s o w s k i , A rchiw um
K onsystorza rz.-kat. w Lublinie. A teneum K aplanskie 1937, S. 290— 293. — E n cykloped ia K oscielna, w yd . przez
X . M. N o w o d w o r s k i e g o , T om X I I , W arschau 1879, S. 346— 350. — Ilu strow any przew odnik p o Lublinie u lozony
przez M. A . R . (H r. R onikierow q). W arschau 1901, S. 18— 19, 57.
23°) L exik on für Theologie und K irch e I X , S. 539.
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Durch die Kriegseinwirkungen sind die Archive der bischöflichen Kurie und des römisch-katho­
lischen Konsistoriums in Lublin stark zu Schaden und durch nachfolgende Transporte aus­
einandergerissen worden. Nachdem im Mai 1940 durch das Archivamt Lublin die einzelnen Teile
dieser beiden geistlichen Archive in das dortige Staatsarchiv übernommen sind, ist deren Neu­
ordnung durch berufene Kenner jetzt im Gange231). Die für die laufende Geschäftsführung und
die Ausübung der Gerichtsbarkeit erforderlichen kurrenten Akten (Akten des Kirchengerichts,
Dispense, Tagebücher und Rechnungsakten) konnten der bischöflichen Kurie im vorigen Jahre
vom Staatsarchiv bereits zurückgegeben werden. Soweit die bisher durchgeführte Ordnung
erkennen lässt, ist das für die allgemeine Geschichte des Lubliner Landes wichtige bischöfliche
Archiv in seinen wertvollsten Teilen (darunter 151 Protokolle des Konsistoriums von 1424 ab
und 4 päpstliche Bullen) gerettet worden.
Archiv
des D o m k a p i t e l s
in L u b l i n
Auch das gesamte Archiv des Lubliner Domkapitels232) musste im vergangenen Jahre in das
Staatsarchiv Lublin überführt werden, da die Archivräume im Kapitelsgebäude durch die Beschiessung der Stadt stark gelitten hatten. Die Neuordnung dieser ebenfalls äussert wertvollen
Bestände ist um so sicherer durchzuführen, als in dem ausgezeichneten, von Bischof Jelowicki
zusammengestellten Findbuch eine genaue Kontrolle des vorhanden gewesen Gesamtmaterials
durchgeführt werden kann.
Gerettet wurden 96 Pergamenturkunden (1419— 1781), 93 gebundene Folianten (1633— 1932),
83 geheftete Faszikel (1596— 1935) und 27 Mappen mit 5391 losen Aktenstücken bezw. Einzel­
schreiben aus dem 15. bis 19. Jahrhundert, von denen 252 neu in das vorhandene Aktenver­
zeichnis eingetragen wurden233). Da die Ordnungsarbeiten an diesem zwar nicht sehr umfangrei­
chen, inhaltlich aber um so wichtigeren A rchiv des Domkapitels noch im Gange sind, wird sich
erst später im Einzelnen sagen lassen, was fehlt. Für die Besitz- und Wirtschaftsgeschichte des
Lubliner Landes wie die Kirchengeschichte allgemein sind die Domkapitelsarchivalien das un­
entbehrliche Quellenmaterial.
A r c h i v des K o l l e g i a t k a p i t e l s i n Z a m o s c
Aus dem Archiv des Kollegiatkapitels in Zamosc234) in der dortigen Kollegiatkirche wurden als
historisch wichtige Akten und Archivhandschriften in das Lubliner Staatsarchiv übernommen:
der „Liber visitationum provincialium ab anno 1670“ , die „Jura, fundationes et inscriptiones
aliaque documenta ad ecclesiam collegiatam Zamosc pertinentia“ (1750), die „A cta capitulorum
generalium tarn ordinarium quam extraordinarium per praelatos et canonicos insignis collegiatae Zamoscensis celebratorum“ (4 vol. 1658— 1891), der „Liber archivi domus Chelmensis
scholarum piarum, in quo bullae summorum pontificum et visitationes ecclesiae nostrae ab ordi231) V o m A rch iv der bischöflichen K urie sind z. Z t. etwa 600 Faszikel geordnet, aber n och n ich t verzeichnet worden.
D as Verzeichnis der älteren B ücher (313 N um m ern) des K onsistorialarchivs ist im K on zep t bereits fertiggestellt.
V o n den neueren A kten w urden bisher 1204 N um m ern verzeichnet. E tw a 500 Faszikel sind n och einzutragen. Für
beide geistlichen A rch ive w ird die gesam te O rdnungsarbeit in etw a einem V ierteljahr durch den A rch ivar Prof.
K o s s o w s k i beendet sein. — V gl. Nauka Polska V I I (1927), S. 36; X I I (1930), S. 36; W ad ow ski a. a. O. S. 1.
232) W . A d a m c z y k , A rchiw um kapituly katedralnej lubelskiej. A teneu m K aplanskie 1937, S. 209— 212. — Vgl. zur
Literatur auch die Anm erkung 229 und Nauka Polska V I I (1927), S. 357 u. S. 186 u nd X I I (1930), S. 34.
233) Bericht des A rchivam tes Lu blin am 2. 12. 40 — 804/40.
234) Ü ber die B egründung der K ollegiatkirche in Z am osc vg l. E n cykloped ia koscielna a. a. O. X X X I I I (1933), Zam osc
S. 51. — Zofia S e r a f i n - S o c h a n s k a , Z am osc (1939), S. 74. — C h w a le w ik , Z b iory polskie II , 534 f. — N auka P o l­
ska X I I (W arschau 1930). — Das ältere A rch iv des K apitels in Z am osc verbrannte während der Feuersbrunst vom
18. A pril 1658. K sifg i D aw ne K onsyst. Lubel. Nr. 230— 292, S. 121.
73
nariis loci institutae annotantur (1758— 1799), der „Liber continens ordinationes clericorum
dioceseos rit. gr. Chelmensis 1810— 1858“ u. a. m.
Die in diesem geistlichen Archiv gesuchten Archivalien der alten Zamoscer Akademie235) konnten
dort nicht ermittelt werden. Ob sie unter den bei der Beschiessung Warschaus zu Grunde gegangenen Beständen der gräflich Zamoyskischen Bibliothek in Warschau sich befunden haben,
ist bei dem Verlust auch aller dortigen Kataloge kaum festzustellen. Vermutlich gelangten die
Akten zum grössten Teil nach der 1. Teilung Polens nach Lemberg, wo sie im Staatsarchiv zu
suchen sind236).
Das Bistum Warschau ist erst auf Grund der päpstlichen Bulle vom 27. Februar 1797 errichtet
worden237). A u f Betreiben des Zaren wurde es durch päpstliche Bulle vom 22. März 1817 zum
Erzbistum erhoben238), dem in der Folge die Diözesen von Krakau239), Leslau, Plock, Augustow,
Sandomir, Lublin und Podlachien240) unterstellt wurden241).
Archiv
der r ö m i s c h -k a t h o li s c h e n
K urie in W a rsc h a u
Das Archiv der römisch-katholischen Kurie242) in Warschau (ul. Miodowa 17) ist bei der Be­
schiessung der Stadt im Herbst 1939 unbeschädigt geblieben. Es befindet sich in drei geräumigen
Zimmern im Erdgeschoss des erzbischöflichen Palais und enthält teils neuere, meist noch kur­
rente Akten, teils auch ältere Archivbestände und Handschriften, die von der Domkapitels­
bibliothek in Warschau (ul. sw. Jana) dorthin abgegeben wurden. In der Sakristei der Domkapitels­
bibliothek sind nur wenige Archivalien des 17. Jahrhunderts, meist Rechnungen der Kapitels­
güter, zurückgeblieben. Das neuere entsprechende Material seit der Säkularisation, das im Fi­
nanzarchiv (ul. Rymarska) lag, ist dem Warschauer Stadtbrand zum Opfer gefallen.
Das Archiv der Kathedrale und das Archiv des römisch-katholischen Konsistoriums sind jetzt
in den genannten Archivräumen (ul. Miodowa 17) vereinigt. Eine Ausnahme bilden nur die
Kirchenbücher, die vom Pfarramt der Kathedrale geführt und verwaltet werden. Die zumeist
in festen Bänden zusammengefassten Akten des Archivs der Kurie sind durch ein gutes Verzeich­
nis der Benutzung erschlossen. Die Urkunden befinden sich in einem Glasschrank.
235) Zur Geschichte der grä flich Z am oyskischen A kadem ie vgl. K . K o c h a n o w s k i , Akadem ia Zam oyska. W arschau
1901.
A . W a d o w s k i , W ia d om osci o profesorach A kadem ji Z am oyskiej. W arschau 1906.
236) N ach A u sku nft des ehem aligen Leiters der Z am oyskischen B ibliothek in W arschau, P rof. K o l a n k o w s k i , be­
fan den sich keine A k ten der Zam oscer A kadem ie in W arschau. W ahrscheinlich aber haben die A bschriftensam m ­
lungen, w ie z. B . die gerettete Abschriftensam m lung des 18. Jahrhunderts Nr. 1576, einiges enthalten.
237) Sein Sprengel gehörte vorh er zu Posen. D ie durch die Begründung K ongresspolens in ihrem U m fang erheblich
geschmälerte Posener D iözese w urde m it dem Gnesener E rzbistum vereinigt. B estätigt durch päpstliche Bulle v o m
16. Juli 1821. — V gl. K . V ö l k e r , K irchengeschichte Polens. Berlin— Leipzig 1930, S. 310.
238) K . V ö l k e r , a. a. O. S. 303. — L exik on fü r Th eologie und K irch e X (1938), S. 7 5 6 .— J . B a r t o s z e w i c z , K o scioly warszawskie rzym sko-katol. W arschau 1855, S. 24. ■
— Podzial Polski K ongresow ej p o d w zgk'dem religiinym .
K rakau 1861, S. 4 f.
239) Das inzw ischen exem pt gew ordene B istum K rakau fiel 1846 an Österreich.
24°) D ie b isch öflich e Residenz befa n d sich in Janow . Das B istum Podlachien w urde im Jahre 1867 aufgehoben und
dem Lubliner B istum einverleibt (siehe ob en Seite 72). Im Jahre 1925 w urde es m it dem Bischhofsitz in Siedlce w ie­
derhergestellt. Podzial Polski K on gresow ej... S. 4 f . — L ex ik on fü r T h eologie u. K irch e I X , S. 594.
241) D ie v o m neu erstandenen P olen errichteten B istüm er in L od z (1921), Tschenstochau (1925) und L om za (1925)
interessieren im R ahm en dieses Berichtes n icht, da eigentliche A rch ive hier n och nicht vorhanden waren. L exikon
fü r T heologie und K irche V I , S. 626; I I I , S. 117; V I , S. 696.
242) E . C h w a le w ik , Z b iory P olskie I I , S. 282.
74
Griechisch-ukrainisches
B i s t u m in C h o l m
Die Ukrainer im ehemaligen Russisch-Polen gehörten zum griechisch-ukrainischen Bistum in
Cholm, das Kiew unterstellt war. Durch die Union von Brest-Litowsk vom Jahre 1596 wurde
es mit R om verbunden. Im Jahre 1875 trat der letzte unierte Bischof zur russisch-orthodoxen
Kirche über. Seitdem residierten schismatische Bischöfe in Cholm. Ein Teil der ukrainischen
Bevölkerung trat zum Schisma über, der andere blieb der katholischen Kirche treu.
Die Romtreuen Uniten traten infolge des Toleranzpatentes vom Jahre 1905 zum lateinischen
Ritus über und gehörten seitdem zur Lubliner Diözese.
Ru ssisch-orthodoxes
E rzbistum
Warschau
Das russisch-orthodoxe (schismatische) Erzbistum in Warschau entstand erst im Jahre 1840.
Die Synode der russisch-orthodoxen Bischöfe in Polen proklamierte im Jahre 1922 die Autokephalie der russisch-orthodoxen Kirche Polens, die 1924 durch den Patriarchen von Konstan­
tinopel bestätigt wurde. Diese autokephale Kirche umfasste 5 Diözesen, von denen allein die
Warschauer im Gebiet des Generalgouvernements verblieb.
Zur Wiederherstellung der Autokephalie, die nach dem kanonischen Recht das Vorhandensein
von mindestens 3 Bischöfen erfordert, wurde die Warschau-Cholmer Diözese i. J. 1940 in drei
selbständige Diözesen geteilt: die Warschau-Radomer, die Cholmer und die Krakau-Lemkenland-Diözese.
D a s A r c h i v d e r r u s s i s c h - o r t h o d o x e n K i r c h e i n W a r s c h a u , Sigismundstr. 13, umfasst
die Zeit von 1919— 1939 und betrifft ausschliesslich die Beschlüsse des Warschauer Konsistoriums.
Die Archivbestände, die die russische Regierungszeit betreffen, sind von der ehemaligen za­
ristischen Regierung nach Anordnung der Evakuierung Warschaus nach Russland gebracht
worden. Ihr Verbleib läßt sich nicht mehr feststellen.
Die Archive der vier anderen Diözesen der orthodoxen Kirche befinden sich naturgemäss auf
sowjetrussischem Gebiet, zu dem diese Diözesen jetzt gehören. In Warschau, Saska Kempa,
Powislerstrasse 27, befindet sich noch ein weiteres Archiv, das die Geschichte des W a l l f a h r t s ­
o r t e s P o c z a j o w s k i in W olhynien seit dem 17. Jh. betrifft243).
B.
K losterarchive
Die ehemals ungemein zahlreichen Klöster Polens244) haben nach den Teilungen des Landes ein
ungleiches Schicksal gehabt. Im Rahmen dieses Berichtes über das Generalgouvernement kommt
im wesentlichen nur das ehemals kongresspolnische und das galizische Gebiet in Betracht.
243) Die N achrichten über die A rch ive der russisch-orthodoxen K irch e im G eneralgouvernem ent verdanke ich den
durch den Leiter der U nterabteilung K irchliche Angelegenheiten bei der Regierung des Generalgouvernem ents, Herrn
Landgerichtsrat W ilden, getroffenen Feststellungen.
Zur Literatur vgl. N . S u w o r o w , Cerkow noje praw o. Jaroslau 1889/90. — K . N . N i k o l a j e w , P raw ow oje polozenie
sw. autokefalnoj praw oslaw noj cerkwi w Polsze. W arschau 1 9 2 7 .— A . L o t o c k i , Autokefalia. Zasady autokefalji.
W arschau 1932.
244) Im Jahre 1763 w ar Polen n och v o n einem N etz v o n 973 K löstern durchzogen. „ I n jed er Stadt gab es mehrere
Ordensniederlassungen, die entlegensten D örfer standen vielfa ch unter dem unm ittelbaren Einfluss eines Ordens­
h au ses...“ K . V ö l k e r , K irchengeschichte Polens. B erlin u. Leipzig 1930, S. 285.
75
In dem unter russischer Verwaltung stehenden Königreich Polen unterlagen die Klöster nicht nur
dem Prozess der Suppression vom Jahre 1819, sondern nach dem Aufstand des Jahres 1863 auch
einer fast völligen Kassation im Jahre 1864, bei der die ehemals zum Teil sehr reichhaltigen K lo­
sterarchive zerstreut, wenn nicht vernichtet wurden245).
D ie S u p p r e s s i o n v o m
Jahre
1819
A u f Grund der päpstlichen Bulle vom 30. Juni 1818 verfügte der Warschauer Erzbischof Fr. Malczewski im Jahre 1819 die Aufhebung von 44 Ordenskonventen, 3 weltlichen Abteien und 14
Kollegiatstiftern. Diese Verfügung traf in erster Linie die ältesten Klöster im Königreich Polen,
also die Benediktiner, Zisterzienser und Regularkanoniker, deren Gründungen bis ins 11. und 12.
Jahrhundert zurückreichen246).
Durch Verfügung der Regierungskommission für Kultus und öffentlichen Unterricht vom 11. Mai
1819 wurde der Direktor der öffentlichen Bibliothek bei der Universität Warschau, Samuel Linde,
zur Übernahme der Bibliotheken und Archive der genannten Klöster und Stifter bevollmächtigt247).
Er besuchte persönlich alle in Betracht kommenden Klostersammlungen und ordnete ihre Sicher­
stellung und Überführung nach Warschau an248).
Neben mittelalterlichen Handschriften vorwiegend theologischen Inhalts befanden sich unter dem
von Linde übernommenen Material auch Urkunden, Visitationsakten, Klosterchroniken, Korres­
pondenzen etc. Alle diese Archivalien und Handschriften kamen mit dem grösseren Teil der K lo­
sterbibliotheken in die öffentliche Bibliothek bei der Warschauer Universität und teilten seitdem
die Schicksale dieser Bibliothek.
A u f diese Weise wurden die meisten Klosterarchive im Königreich Polen in 2 Teile zerrissen: Die
ältesten Archivalien und im allgemeinen die Akten, die Vermögensverhältnisse nicht betrafen,
kamen in die öffentliche Bibliothek bei der Warschauer Universität, die Akten aber, die mit der
Ausstattung der Klöster in Verbindung standen (Wirtschaftsbücher, Nachweise der durch die
Klöster aufgenommenen Kapitalien usw.), blieben in der Hand derjenigen kirchlichen und weltli­
chen Behörden, die jetzt über das Klostervermögen zu bestimmen hatten.
Die Feststellung der Zahl der durch die öffentliche Bibliothek in Warschau übernommenen Kloster­
archivalien ist schwierig. Linde nannte in seinen Berichten an die Regierungskommission für
Kultus und öffentlichen Unterricht nur summarische Zahlen der in den einzelnen Klöstern über­
nommenen Bücher und Handschriften. An Handschriften selbst übernahm die Bibliothek gegen
2000, von denen ein bedeutender Teil Klosterarchivalien sind249).
245) In der wissenschaftlichen Literatur g ib t es bisher keine beachtensw erte B earbeitung der Suppressionsmassnahm en
aus dem Jahre 1819 und der Säkularisationsm assnahm en aus dem Jahre 1864. — D ie nachfolgende kurze D arstel­
lung fo lg t daher den angeforderten, aus am tlichen V eröffentlichungen und archivalischem Q uellenm aterial erarbeite­
ten Spezialberichten v o n W . S u c h o d o l s k i v o m 14. 11. und 4. 12. 1940.
246) V g l,d en A bsch n itt „A u fb a u des Klosterwesens*6 bei K . V ö l k e r , K irchengeschichte Polens und die dort angegebene
Spezialliteratur.
247) Das gedruckte M aterial im „D zien n ik P raw “ , B de 6 u. 7 (1819). V o n A rch iva kten vgl. die A k ten des Verw altungs­
rates 1819 im Innenarchiv W arschau, Sign. 176a.
248) Ü ber die Tätigkeit Lindes bei der Ü bernahm e der K lostersam m lungen im Jahre 1819 gib t es bisher keine Spezial­
m onographie. — Linde legte seine B erichte dem Minister fü r K ultu s u nd U nterricht v or. D ie A k ten dieses M iniste­
riums, bei denen Lindes B erichte sich befanden, sind im Septem ber 1939 m it dem U nterrichtsarchiv verbrannt.
249) W ed er in der polnischen n och russischen w issenschaftlichen Literatu r sind zuverlässige Nachweise der übernom ­
menen w ichtigen K losterarchivalien vorhanden.
76
Bei der Katalogisierung der Handschriften in der Bibliothek wurden diese Archivalien nach den
damaligen bibliothekarischen Methoden klassifiziert und gruppiert, ohne ihre Provenienz zu be­
rücksichtigen.
Die Inventarisations- und Katalogisierungsarbeiten der Klosterhandschriften wurden in der
öffentlichen Bibliothek in Warschau nicht zu Ende geführt. Es kam der polnisch-russische Krieg
vom Jahre 1830/31; nach dem Sieg der Russen und der Einnahme Warschaus aber verfügte Ni­
kolaus I die Konfiskation der wichtigsten polnischen Museums- und Bibliothekssammlungen. Aus
der öffentlichen Bibliothek bei der Warschauer Universität konfiszierte und überführte man in die
kaiserliche öffentliche Bibliothek in Petersburg alle Handschriften und Bücher in fremden Spra­
chen (ausser polnisch). Die Gesamtzahl der im Jahre 1832 aus der öffentlichen Bibliothek nach
Petersburg entführten Bücher und Handschriften betrug etwa 90000 Drucke und 19000 Hand­
schriften. Unter den entführten lateinischen Handschriften befand sich natürlich auch die Mehr­
zahl der Klosterarchivalien.
Es erfolgte also eine weitere Zerstreuung der Klosterarchivalien: die Archivalien in lateinischer
Sprache kamen in die kaiserliche öffentliche Bibliothek in Petersburg, ein Teil der Archivalien in
polnischer Sprache blieb in der öffentlichen Bibliothek in Warschau (der späteren Universitäts­
bibliothek) und die Akten wirtschaftlichen Inhalts schliesslich verblieben bei den kirchlichen
und weltlichen Behörden, die über das Vermögen der unterdrückten Klöster zu verfügen hatten.
In der kaiserlichen öffentlichen Bibliothek in Petersburg wurden die Archivalien der polnischen
Klöster nach Sprachgruppen und im Bereich dieser Sprachgruppen nach dem Inhalt (18 Abtei­
lungen) katalogisiert. Dadurch wurden die Archivalien weiter unter die Abteilungen Theologie,
Kanonisches Recht, Geschichte, Polygraphie und Autographie zerstreut.
Nach Artikel X I des Rigaer Vertrages vom Jahre 1921 verpflichtete Sowjet-Russland sich dazu,
Polen alle konfiszierten und durch die Zarenregierung nach Russland entführten archivalischen
und bibliothekarischen Sammlungen zurückzugeben. Die uns interessierenden Klosterarchivalien
befanden sich unter 14000 Handschriften, die durch die polnische Delegation in den gemischten
Kommissionen in den Jahren 1922— 1934 aus der ehemaligen kaiserlichen öffentlichen Bibliothek
in Leningrad zurückgebracht wurden. Gegenwärtig befinden sie sich in der Handschriftenabteilung
der National-Bibliothek in Warschau250).
D ie K a s s a t i o n des J a h r e s 1864.
Die durch die Suppression des Jahres 1819 nicht erfassten Klöster im Königreich Polen
bestanden noch bis zum Jahre 1864. Die Repressalien der russischen Regierung nach dem
Zusammenbruch des polnischen Aufstandes vom Jahre 1863 trafen auch die polnischen Klöster.
Durch Ukaz vom 8. 11. 1864 verfügte Alexander II. die Kassation von 108 Klöstern im König­
reich Polen unter zeitweiser Belassung von 35 sogenannten Staatsklöstern (etatowych kl.)
25°) N ach Beendigung der Ü bernahm earbeiten der Polnischen D elegation in Russland veröffentlichen die nachstehend
genannten M itglieder dieser G em ischten K om m ission bisher nur eine allgem eine Zusam m enstellung der ü bernom m e­
nen B ibliotheken und staatlichen Archivalien:
E. K u n t z e , Z w rot polskich zbioröw b ib lioteczn y ch z R osji. K rakau 1937.
W . S u c h o d o l s k i , W ykon an ie art. X I Traktatu R ysk iego w zakresie archiw ow paristwowych. A rcheion I (1927).
V o r der Veröffentlichung einer analogen Zusam m enstellung der ü bernom m enen K losterarchivalien müssten diese
in der N ationalbibliothek erst eingehend inventarisisert w erden, d. h. sie müssten zu vor nach Feststellung ihrer P ro­
venienz aus dem G esam tbestand der H andschriften ausgesondert werden. — B ei der Benutzung der aus Russland
übernom m enen H andschriften muss m an sich bis a u f weiteres m it den alten Signaturen und der alten russischen
K artei behelfen.
77
Gleichzeitig wurde die Einziehung aller geistlichen Klostergüter und der katholischen Kirchen
durch die Finanzbehörden verfügt251).
Für das uns hier interessierende Schicksal der Klosterarchivalien zeigte sich nicht nur der Mangel
irgendwelcher die Gesamtheit der Klosterarchive sicherstellenden Verfügungen, sondern auch die
Art des Verfahrens der bei der Durchführung der Schliessung der Klöster tätigen Behörden ver­
derblich. Die Verordnung des Statthalters im Königreich Polen, Grafen Berg, vom 21. X I . 1864
(Cirkular Nr. 58)252) vertraute die Durchführung der Schliessung der Klöster ausschliesslich mili­
tär-polizeilichen Behörden an, wobei die Gesamtaktion im Laufe ein und derselben Nacht (vom
27. zum 28. November 1864) im Gebiet des Königreichs Polen beendet sein musste. Gleichzeitig
mit der Schliessung der einzelnen Klöster und der Exmission der Mönche sollte man ein Verzeich­
nis der Habe und aller Akten und Bücher, die das Klostervermögen betrafen, aufstellen ( § 1 6 der
Instruktion zum Zirkular Nr. 58 des Grafen Berg). Von einer genauen und sorgfältigen Aufstellung
des Verzeichnisses der Vermögensakten konnte dabei natürlich keine Rede sein.
In Übereinstimmung mit § 56 Ci der Ergänzungsvorschriften zum Ukaz vom 8. X I. 1864 über
die römisch-katholischen Klöster im Königreich Polen (Dziennik Praw Kröl. Pol. 62) mussten
alle Dokumente, die Kloster-Kapitalien betrafen, an die Regierungskommission für Einkommen
und Finanz in Warschau übersandt werden. Alle übernommenen Vermögensakten der geschlosse­
nen überwies man vorwiegend der Abteilung Domänen und Forsten der genannten Kommission,
die über die säkularisierten ehemals geistlichen Güter verfügte. Einige Jahre später wurden die
nicht mehr aktuelle Bedeutung habenden Klosterakten mit den Akten der liquidierten Abteilung
Domänen und Forsten an das Finanzarchiv abgegeben, wo sie die sogenannte Abteilung „Aneksow“
zu den Finanzakten der ehemals geistlichen Güter bildeten. Diese ganze Abteilung verbrannte mit
dem Inventar im September 1939.
Ein gewisser Teil der Vermögensakten aus den Klosterarchiven wurde indessen gerettet und zwar
die Akten, die, als für die Behörden noch von praktischer Bedeutung, den im Jahre 1869 im K ö­
nigreich Polen begründeten Finanzkammern überwiesen wurden. Die Finanzkammern übernah­
men nach der Abteilung Domänen und Forsten die Verwaltung der Staatsgüter und also auch die
Verfügung über die ehemals geistlichen Güter. Im Jahre 1884 ging diese Tätigkeit auf die neu ge­
bildeten Verwaltungen der Staatsgüter über, weswegen das Finanzarchiv in Warschau einen ge­
wissen, wenn auch nicht grossen Restbestand an ehemaligen Klostergütern unter den Akten der
Warschauer Verwaltung der Staatsgüter besitzt.
Ein nicht unerheblicher Teil von Archivalien kassierter Klöster, die nicht Vermögenswerte oder
Ordenskapitalien betrafen, verblieb indessen zweifellos an Ort und Stelle bei der Klosterkirche, die
in eine Pfarr- oder Filialkirche verwandelt wurde. Aus dieser Tatsache erklären sich die heute noch
in einer Reihe von Pfarrarchiven befindlichen Klosterarchivalien.
Ein umfangreiches Material betreffend die unierten Kirchen (s. oben S. 71 u. 75) und d i e K l ö s t e r
d e r B a s i l i a n e r ist in den Grod-, Land- und Stadtbüchern des Staatsarchivs Lublin enthalten,
251) „D zien n ik Praw “ , B d . 62 (1864). — Przepisy odnoszijce sie do czynn osci u rz?dow gu bernjalnych i naczelniköw
pow iatöw . W y d zia l W yznan . W arschau 1866.
D ie A kten des Verw altungsrates 1864 im Innenarchiv in W arschau. Signatur 5612 a und b . — D ie A kten der K lo ­
sterkom m ission im K önigreich P olen befinden sich ebenfalls im Innenarchiv in W arschau: A kta K om isji do spraw y
klasztoröw w K röl. Pol. 1864.
252) Innenarchiv W arschau: A kten des General-Polizeim eisters v o l. 4514.
78
die durch alphabetische Verzeichnisse erschlossen sind253). Im Lubliner Staatsarchiv befinden
sich auch Bücher der Basilianerklöster in Biala Podlaska und in Zamosc, darunter eine Chronik
des Basilianerklosters in Zamosc, die — mit gewissen Lücken — durch die Ordensoberen ge­
führt wurde.
D ie K l ö s t e r i m D i s t r i k t K r a k a u
Im österreichisch gewordenen Teil Polens wurden 1773 alle Jesuitenklöster aufgehoben und ihr
Besitz für den Schulfonds des Staates übernommen. Durch Dekret vom 18. August 1775 wurden
auch alle anderen Klöster zur Vorlage ihrer Stiftungs- und Schenkungsurkunden aufgefordert254).
Unter dem 28. Juni 1778 verfügte die Kaiserin Maria Theresia dann die Aufhebung von 74 Klöstern
in Galizien, schob aber mit Rücksicht auf die damalige politische Lage (bayrischer Erbfolgekrieg)
die Durchführung dieses Dekretes wieder auf255). Ihr Sohn, Kaiser Joseph II., liess indessen bald
nach seinem Regierungsantritt alle Kontemplationsklöster und solche, die in ihrer Wirksamkeit
keine praktischen Zwecke verfolgten, aufheben256).
An römisch-katholischen Klöstern gab es damals in Galizien 165 männliche mit 2330 Priestern und
23 Frauenklöster mit 635 Nonnen, an griechisch-katholischen 67 männliche (Basilianer) mit 392
Priestern und 9 Frauenklöster mit 66 Nonnen257).
In den Jahren 1783— 1787 hat die sogenannte Abolitionskommission 67 Klöster aufgehoben. W ei­
tere 67 Klöster wurden durch Dekret vom Jahre 1787 für die Aufhebung bestimmt, von denen
während der Regierung Josephs II. indessen nur 12 säkularisiert wurden258).
Aus dem aufgehobenen Klosterbesitz und den übernommenen bischöflichen und Domkapitelsgü­
tern wurde durch Patent vom 3. Oktober 1782 zur besseren Dotierung der Pfarrgeistlichkeit ein
sogenannter Religionsfonds geschaffen. Ein Teil der Güter wurde auch an Privatpersonen verkauft.
Wertvollere Gemälde wurden in die Wiener Kunstsammlungen überführt, während die Kloster­
bibliotheken an die Universitätsbibliotheken und die Priesterseminare Galiziens und der österrei­
chischen Monarchie aufgeteilt wurden. Nur ein Teil davon ist bei den einzelnen Pfarreien ver­
blieben.
Von den Klosterarchiven wurde ein Teil der wichtigeren Akten und Bücher bereits vor Aufhebung
der Klöster dem Landesgubernium, der Hauptbuchhaltung in Lemberg sowie den Kreisämtern
zwecks Feststellung der Rechtsverhältnisse vorgelegt. Diese Archivalien sind wie die bei der Sä­
kularisation der Klöster übernommenen Akten in den Behördenregistraturen geblieben und später
vielfach Kassationen oder Aktenverkäufen an Papierfabriken zum Opfer gefallen.
253) Vgl. den Nachweis in „A rch iw u m Panstw ow e w Lublinie. Inw entarz ksiqg daw n ych “ . W arschau 1931. S.129bis
132. — Z u den Lubliner Stadtbüchern fertigte der ehemalige K ustos des Staatsarchivs Jan R iabinin einen um fang­
reichen N am en- und Sachkatalog, dessen K artei im Staatsarchiv steht.
254) V gl. W l. C hotkow ski, H istorja polityczna daw n ych klasztorow panienskich w G alicyi 1793— 1848. K rakau 1905,
S. 17.
255) D erselbe, D zieje klasztorow i m onasterow galicyjskich w czasach rozbiorow ych . Cz^sc I. Z akon y doszczgtnie zniesione. K rakau 1916, S. 1.
258) D urch D ekret an das galizische Gubernium v o m 12. D ez. 1781 w urde die A u fh ebun g der K löster der K arthusienser, K am aldulenser, E rem iten, K arm elitanerinnen, Klarissinnen, K apuzinerinnen und Franziskanerinnen be­
fohlen. Drei weitere Dekrete v o m Januar 1782 brachten die D urchführungsbestim m ungen. V gl. W . Chotkowski,
D zieje klasztorow , S. 20.
267) E bda S. 2 und D ienstakten des K rakauer Staatsarchivs, B ericht v o n D r. K aczm arczyk.
26s) E bda. A ufgehoben w urden K löster der K arm elitanerinnen, Klarissinnen, Dom inikanerinnen, Trinitarier, Teatiner, Missionare, Barm herzigen Brüder, N orbertaner, Piaristen, Pauliner, Augustiner, Benediktiner, D om inikaner,
Bernhardiner, Franziskaner und K apuziner.
79
Sehr wichtige Bestände aus diesen Registraturen sind aber glücklicherweise von dem bekannten
Bearbeiter der Encyklopädie zur Landeskunde Galiziens Anton Schneider259) und von dem Lemberger Stadtarchivdirektor Alexander Czolowski vor der Vernichtung bewahrt worden. Was an
Urkunden, Akten und Büchern bei der Aufhebung der galizischen Klöster nicht zu Grunde ging,
ist z. T. — entsprechend dem Vorgang in Kongresspolen260) — in Universitätsbibliotheken (be­
sonders Lemberg und Krakau) und in Priesterseminare gekommen; eine Reihe von Archivalien
wurden von Mönchen in andere Klöster mitgenommen, von Privatpersonen erworben, verbracht
oder gelangten in Archive bischöflicher Konsistorien oder von Pfarreien261). Von den aufgehobenen
galizischen Klöstern war das älteste und reichste das um 1050 begründete
Benediktinerkloster T yn iec bei Krakau
Es besass einst ein sehr bedeutendes Archiv, dessen Urkunden bis auf das Jahr 1105 zurückreich­
ten262). Nachdem das Stift durch die Kriegsereignisse 1768— 72 stark gelitten hatte, wurde es im
Jahre 1782 teilweise und im Jahre 1817 endgültig aufgehoben. Über 4000 Pergament- und Papier­
urkunden wurden im Jahre 1827 der Universitätsbibliothek in Lemberg übergeben, wo sie durch
den Brand vom Jahre 1848 beinahe vollständig vernichtet wurden263). Ein Teil der Archivalien
wurde während der Kassation verschleppt, ein anderer den Staatsbehörden zur Fortführung der
Verwaltung abgegeben.
Von diesem ganzen ehemals grossen Klosterarchiv sind heute nur noch geringe Fragmente übrig
geblieben. Die Dzieduszycki- und Ossolinski-Bibliotheken in Lemberg enthalten davon 10 Perga­
ment- und 56 Papierurkunden (1517— 1792), die Baworowski-Bibliothek in Lemberg 4 Kopialbücher aus den Jahren 1634, 1679 und 1700, das Czartoryski-Museum in Krakau einige Hand­
schriften, das Krakauer Stadtarchiv eine Abschrift des 13. Jahrhunderts auf Pergament von der
Urkunde vom Jahre 1105, die Staatsbibliothek in Krakau eine Handschrift (Judicium castri
Golesz 1415— 1546) und das Diözesanmuseum in Tarnow 23 Pergamenturkunden (16.— 18. Jahr­
hundert)264). Kleinere Überreste befinden sich auch im Pfarrarchiv Tyniec.
Das noch bestehende, im Jahre 1216 begründete
B e n e d i k t i n e r i n n e n k l o s t e r i n S t a n i^ t k i265) b e i B o c h n i a
ist der Klausur wegen durch Laien nicht zu besichtigen. Nach dem der Archivverwaltung einge­
reichten Verzeichnis266) enthält dies Klosterarchiv Akten des 16. bis 20. Jahrhunderts, die sich im
wesentlichen auf die inneren Klosterangelegenheiten (Aufnahmegesuche, Gelübde, Zeugnisse,
Äbtissinnenwahlen, Korrespondenzen mit der Bischöflichen Kurie usw.) und den Klosterbesitz
259) V gl. die N otiz über die ausserordentlich um fang- u nd inhaltsreiche Aktensam m lung zur O rtsgeschichte Galiziens
die sogenannten „T e k i Schneidera“ , im K rakauer Staatsarchiv in H eft 1 des 2. Jahrgangs dieser Zeitschrift, S. 48
unter Anm erkung 91.
28°) V gl. ebda S. 54.
261) V gl. zu vorstehendem A b sch n itt auch O. B alzer, H istorya u stroju A u stryi w zarysie. L em berg 1908. —•W l. Chotkow ski, H istorya polityczn a kosciola w G alicyi za rzqdöw M aryi Teresy. K rakau 1909. — D erselbe, R ed u k cye m onasterow bazylianskich w G alicyi. K rakau 1922.
282) D ie w ichtigsten U rkunden aus den Jahren 1105— 1506 wurden v o n St. Sczygielski, Tinecia seu historia m onasterii
Tynecensis (K rakau 1668) und v o n W . K ?trzyn ski u nd St. Sm olka, C odex diplom aticus m onasterii Tynecensis (L em ­
berg 1875) veröffentlicht. Z u den ältesten U rkunden vgl. auch W . K ^trzynski, Studia nad dokum entam i X I I wieku
(1891).
263) G erettet w urden u. a. 46 D okum ente. V gl. L . B ernacki, Publiczne b iblioteki lw ow skie. L em berg 1926. S. 52.
264) V gl. M. Niwinski, A rchiw um K onsystorza biskupiego w Tarnow ie.
1936. — E. Chwalewik, Z b iory polskie I, 377.
A teneu m K aplanskie B d. 40. W loclaw ek
265) V gl. D udik a. a. O. S. 98— 100; Chwalewik, Z b iory polskie I I , 204; N auka Polska V I I , 73.
288) Nr. 3737/40.
80
B IL D B E IG A B E
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(Gütererwerbungen und -Verkäufe, Vermächtnisse auf Güter, Konzessionen, Dienstkontrakte,
Inventare, Reehnungs- und Steuersachen, Verpachtungen, Bauten usw.), aber auch auf Dinge
öffentlichen Interesses (Prozesse, Wege- und Brückenbauten, Entwässerungsangelegenheiten,
Dorfschulen, Forstsachen und dergl.) beziehen. Von allgemeiner Bedeutung sind auch die Akten
und Bücher über die Klosterschule (1797— 1897), die Verzeichnisse der Schülerinnen usw. und vor
allemein Kopialbuch des Stifts aus dem 17. Jahrhundert mit Privilegienabschriften (1254— 1868).
Die 118 Pergamenturkunden des Klosters befinden sich als Depositum im Konsistorialarchiv in
Krakau. Sie betreffen ausnahmslos das Kloster selbst bzw. seine Besitzungen267). Die älteste Per­
gamenturkunde ist eine Papsturkunde Honorius III. vom Jahre 1224.
Chorherren
des h e i l i g e n
Grabes
Christi
Das einstmals ebenfalls reich begüterte, um 1162 begründete Stift der C h o r h e r r e n des h e i l i g e n
G r a b e s C h r i s t i i n M i e c h o w besass ein mit dem Jahre 1198 beginnendes Archiv.
Um 1817 wurde das Stift aufgehoben und sein Archiv zerstreut. Seine Bestände befinden sich heute
beinahe in allen grösseren Archiven und Bibliotheken Polens und auch in Privatbesitz. Ein kleiner
Teil derselben wird im Pfarramt Miechow aufbewahrt. Ungefähr 300 Pergamenturkunden gelang­
ten in die Krakauer Staatsbibliothek, etwa 100 in das Czartoryski-Museum, eine z. Zt. nicht
näher bekannte Zahl in das Hauptarchiv in Warschau. Fragmente dieses Archivs kamen auch in
die Krasinski-Bibliothek in Warschau268).
Zisterzienser
Nahezu lückenlos erhalten blieb bis auf unsere Zeit das Archiv des 1220 gegründeten, noch beste­
henden
Z ister zien se r s tifte s Mogila
bei
Krakau
Seine Bestände sind durch den im Jahre 1919 im Druck erschienenen ersten polnischen Ordens­
archivkatalog269) nach der in den Jahren 1914— 1916 vorangegangenen Neuordnung des Archivs
(durch K. Kaczmarczyk und G. Kowalski) erschlossen worden. Dies Verzeichnis enthält 309 Ur­
kunden (1220— 1886), 609 archivalische Handschriften (1469— 1915), 250 Bibliothekshandschrif­
ten, rund 180 Musikhandschriften und 45 Karten und Pläne (1784— 1884). Über die Inkunabeln
dieser Abtei erschien schon vorher ein besonderes Verzeichnis270). Die ältesten und die wichtigeren
Urkunden dieses Klosters aus neuerer Zeit wurden bereits im Jahre 1868 veröffentlicht271).
Auch das Archiv des gleichfalls bestehen gebliebenen
Zisterzienserklosters
Szczyrzyc, Kreis
Limanowa
(1238 als Filiale von Jgdrzejöw (Morimond) gegründet), ist gut erhalten. Das Kloster ist eine Grün­
dung Herzog Heinrichs I. von Schlesien aus der Zeit des schlesischen, auch das Krakauer und Sandomirer Gebiet umfassenden Grossreiches und lag ursprünglich in der Gegend von Neumarkt272).
267) D ie ältesten U rkunden dieses K losters sind v o n R zyszczew ski, M uczkow ski u nd B artoszew icz gedruckt im Cod.
dipl. Poloniae B and I — I I I (K rakau 1847— 1855) bzw . v o n
Piekosinski im Cod. dipl. Minoris Poloniae B and I— I V .
268) Die ältesten U rkunden sind v o n S. Nakielski, M iechovia (K rakau 1634) und v o n Piekosinski, Codex dipl. Min.
Pol. I — I I I veröffentlicht w o r d e n .— V gl. auch Chwalewik a. a. O. I, 454.
269) K . K aczm arczyk und G. K ow alski, K atalog archiw um opactw a cystersöw w M ogile. K rakau 1919. — V gl. auch
Chwalewik a. a. O. I. S. 468.
27°) 1915 herausgegeben v o n G. Kowalski.
271) M onografia klasztoru cystersöw w M ogile. K rakau 1868. — V gl. auch E. Chwalewik, Z biory polskie I, 468.
272) Als H einrich I. v o n Schlesien 1228 K rakau erw arb, kehrten m it ihm die aus M asowien nach Schlesien ausgewanderten Mitglieder der einflussreichen kleinpolnischen Fam ilie G ry f zurück und unterstützten ihn in seinem K a m p f
81
Das Archiv und die Bibliothek befinden sich in verhältnismässig gutem Ordnungszustand im
1. Stock der Klausur. Zu beiden sind brauchbare handschriftliche Verzeichnisse vorhanden. Eine
Abschrift des Urkundenverzeichnisses (1231— 1752) ist der Archivverwaltung auf Erfordern zu­
gestellt worden273). Ausser den darin nachgewiesenen 98 Pergamenturkunden besitzt das Kloster
2 ältere Kopialbücher, die eine grosse Zahl im Original nicht mehr erhaltener Urkunden verzeich­
nen274). Über die Gründungsurkunden des Klosters Szczyrzyc liegen polnische wissenschaftliche
Spezialuntersuchungen vor275). Der etwa 100 Bücher und Aktenfaszikel umfassende sonstige Ar­
chivbestand setzt sich im wesentlichen aus Rechnungen, Personalien, Korrespondenzen, Kapitels­
sitzungsprotokollen, Brüderkatalogen, Inventaren usw. aus dem 16.— 19. Jahrhundert zusam­
men276).
Die übrigen Archive grösstenteils noch bestehender, doch meist späterer Klostergründungen im
heutigen Krakauer Distrikt seien in alphabetischer Folge der einzelnen Orden gebracht.
Augustiner
Das A r c h i v des A u g u s t i n e r k l o s t e r s (gegründet 1342) bei der St. Katherinen-Kirche in
K r a k a u hat durch die Brände der Jahre 1556, 1604, 1658 und 1786 stark gelitten. Verblieben
sind noch etwa 70 Pergamenturkunden seit 1363 und 56 Aktenfaszikel und Bücher seit dem 16.
J ahrhundert277) .
um den K rakauer Thron. D ie G ryfiten spielten in der 1. H älfte des 13. Jahrhunderts in K leinpolen eine grosse R olle.
Klem ens, der Stifter des Benedektinerinnenklosters Stani^tki, gehört der älteren Linie an, T h eodor aus der jüngeren
Linie w urde der Begründer v o n Szczyrzyc. E in M itglied dieser Fam ilie, G edeon, w ar B isch of v o n P lozk geworden,
wo ein anderes, K lem ens, K astellan (1223) w ar; ein drittes w ar im gleichen Jahre K astellan v o n K ruschw itz. Die
Gryfiten hatten zu jen er Zeit grössere Besitzungen auch in Grosspolen und standen m it den Breslauer H erzogen in
Verbindung. Zweifellos waren sie die V erm ittler zwischen H einrich I. und K on rad v o n M asowien im K a m p f um die
H errschaft in K rakau. W en n H einrich I. Markus G ry f alsbald zum Palatin v o n K rakau und nach seinem T od e seinen
jüngeren Bruder T h eodor zum N achfolger in diesem A m t ernannte, geht daraus weiter h ervor, w elche Stütze diese
Fam ilie im deutschen Sinne war.
D er K rakauer Palatin T h eodor erhielt im Jahre 1234 v o n H einrich I. das R ech t, im m ittleren K lein polen , in der N eumarkter Gegend, in den W aldgebieten a m W eissen und Schwarzen D u n a jec und an anderen Flüsschen D eutsche zu den
gleichen Bedingungen auszusetzen, wie sie die D eutschen in den Schlesischen W äldern hatten. H ier erwarb der Palatin
Th eodor zu bereits vorhandenem Fam ilienbesitz 1235 das D o rf Godusza u nd einen T eil v o n G ruszow ice für ein Eigen­
kloster in Ludzim ierz, das bald m it deutschen Zisterziensern besetzt wurde. Im Jahre 1237 bestätigte H erzog H ein­
rich I. den Erw erb des D orfes R o g o in ik durch T h eodor und 1238 den K a u f v o n K rzyszkow ice. B ei G elegenheit eines
Streites über das Patronatsrecht der K irch e in Szczyrzyc w ird bereits ein A b t v o n Ludzim ierz (L u dem ir) erwähnt.
Zw ischen 1239 und 1243 ist das K loster, als dessen Gründer H erzog H einrich I. v o n Schlesien güt, dann nach S zczy­
rzy c verlegt worden.
Das G eneralkapitel der Zisterzienser hatte 1235 die Zisterzienseräbte in Sulejow und Jgdrzejöw beauftragt zu er­
wägen, ob für die K losterstiftung des T h eodor M önche aus P forta in Thüringen oder aus Jgdrzejöw herbeigerufen
werden sollten. Es wurde Jgdrzejow , das seine G ründung ebenfalls den G ryfiten zu verdanken hatte, gew ählt. Szczy­
rzyc ist also eine Filiale v o n Jedrzejow , das n och im 15. Jahrhundert die Ä b te für das Tochterkloster stellte.
273) J. Nr. 3684/40.
274) Das erste hat den T itel: „In ven ta riu m praediorum , pecorum , villarum , subditorum , censuum , obligationum , agrorum , differentiarum ad m ensam conventus Ciriciensis vigore provisionis spectantium “ . Das zweite K op ia r ist nur ein
wenig umfangreiches Fragm ent, dessen erstes B latt m it dem Titel beginnt: „ D e origine et fun dation e monasterii
Ciriciensis.“
276) V gl. St. Zakrzew ski in den A bhandlungen der Polnischen A kadem ie der W issenschaften 1902 und St. K rzyzanowski im K w artalnik h istoryczn y 1904.
276) Chwalewik, Z biory polskie II , 228.
277) Nauka Polska, X I I 25; Chwalewik a. a. O. I. 189.
82
Bernhardiner
Das B e r n h a r d i n e r k l o s t e r in T a r n o w (gegründet 1459) besitzt einige Pergamenturkunden,
lose Akten seit dem 17. Jahrhundert, Rechnungsbücher, Personalien und eine Chronik 1630 bis
1769278).
Die B e r n h a r d i n e r in P r z e w o r s k (gegründet 1469) bewahren 20 Pergamenturkunden und eine
Anzahl Aktenfaszikel und Bücher in ihrer Bibliothek279).
Das B e r n h a r d i n e r k l o s t e r in R z e s z o w hat 20 Pergamenturkunden, eine Anzahl loser Papier­
urkunden und Handschriften aus dem 17.— 19. Jahrhundert280).
Das kleine Archiv des B e r n h a r d i n e r k l o s t e r s in K a l w a r i a - Z e b r z y d o w s k a (gegründet
1602) ist mit der Bibliothek zusammen in einem Raum im 1. Stockwerk der Klausur untergebracht.
Die Bibliothek ist durch einen 1906 angelegten Katalog erschlossen, in dem auch die 15 Gruppen
der vorhandenen Archivalien (17.— 19. Jahrhundert) eingetragen sind281). Pergamenturkunden
sind in Kalwaria nicht vorhanden282).
Nicht näher bekannt ist z. Zt. das Archiv des B e r n h a r d i n e r k l o s t e r s L e z a j s k bei Landshut
(gegründet 1618), das nach Literaturangaben Urkunden und Bücher aus dem 17.— 19. Jahrhun­
dert enthält283).
Auch das Archiv des B e r n h a r d i n e r k l o s t e r s i n D u k l a bei Krosno (gegründet 1742) hat mit
seinen Akten und Korrespondenzen des 18.und 19. Jahrhunderts nur eine interne Bedeutung284).
Chorherren
de P o e n i t e n t i a
und
de S a x i a
Das Kloster der C h o r h e r r e n de P o e n i t e n t i a in K r a k a u (gegründet im 13. Jahrhundert)
wurde 1816 aufgehoben. Seine Archivbestände befinden sich mit Archivalien des Klosters der
C h o r h e r r e n de S a x i a b e i d e r K r a k a u e r K r e u z k i r c h e teils im Heim Pensionierter
Geistlicher bei der St. Markuskirche in Krakau (14 Pergamenturkunden aus dem 16.— 19. Jahr­
hundert und 15 ungeordnete Aktenfaszikel und Bücher aus derselben Zeit), teils — geordnet —
im Krakauer Stadtarchiv (11 Pergamenturkunden 1400— 1757 und 4 Aktenfaszikel 1502— 1816
aus dem genannten Kloster der Chorherren de Poenitentia sowie 3 Aktenfaszikelund Bücher aus
dem Kloster der Chorherren de Saxia bei der Krakauer Kreuzkirche)285).
Lateranenser
Chorherren
Das Archiv des Klosters der L a t e r a n e n s e r C h o r h e r r e n b e i d e r F r o n l e i c h n a m s k i r c h e
in K r a k a u (gegründet 1405) hat durch die Herausgabe von Urkunden an die österreichischen
278) Jan Leniek, K ronika 0 0 . B ernardynow w Tarnow ie. T arnow 1894. — N auka Polska X I I , 69. — Chwalewik
a. a. O. I I , 240.
279) N auka Polska II , 62.
28°) E bda I I , 64. — Chwalewik a. a. O. II , 167.
281) A bschrift des Inventars in den D ienstakten J. Nr. 2688/40.
282) D as Gründungsprivileg des K losters v o m 1. 12. 1602 und die O riginalhandschrift der Geschichte des K losters seit
der G ründung waren bei der R evision dieses A rchivs nicht vorhanden. Sie sollen sich im H auptarchiv des O rdens in
Lem berg befinden. V gl. auch Chwalewik a. a. O. I, 143.
283) N auka Polska X I I , 33; Cz, B ogdalski, P am i?tn ik kosciola i klasztoru OO. B ernardynow w Lezajsku. K rakau 1929.
284) Chwalewik a. a. O. I , 73.
286) D ienstakten. B ericht D r. K aczm arczyks J. Nr. 3378/40.
83
Behörden zu Ende des 18. Jahrhunderts erheblich gelitten. Es wurde 1903 durch K. Kaczmarczyk
inventarisiert und besteht heute noch aus 239 Pergamenturkunden (1289— 1833) und 310 Büchern
und Aktenfaszikeln aus dem 15.— 19. Jahrhundert, deren Inhalt im wesentlichen Güter, Häuser,
Personalien, Korrespondenzen, Pfarrangelegenheiten, Visitationen usw. betrifft286).
D om inikaner
Das Kloster der D o m i n i k a n e r in K r a k a u (gegründet 1233) wurde um die Mitte des 19. Jahr­
hunderts durch Brand z. T. beschädigt, wobei sein Archiv in Unordnung geriet287). Es besass vor
dem] jetzigen Kriege noch über 100 Pergamenturkunden seit dem 13. Jahrhundert und eine
grössere Zahl von Handschriften und losen Akten seit dem Ende des 14. Jahrhunderts zur Ge­
schichte der Dominikaner in Polen überhaupt und in Krakau, ferner Kopialbücher aus den Jahren
lo29 und 1648, eine descriptio fundationis vom Jahre 1634, libri consiliorum seit dem 16. Jahr­
hundert, decreta generalium seit dem 16. Jahrhundert, annales ordinis 1509— 1639, processus
canonisationis b. Katherinae288) aus dem Jahre 1477 usw. — Aus Sicherheitsgründen wurden die
wertvollsten Archivalien kurz vor Beginn des Krieges nach dem Dominikanerkloster Lublin ge­
bracht, wo sie z. Zt. vermisst werden289).
Die D o m i n i k a n e r i n J a r o s l a u zogen dort 1392 ein. Im 17. und 18. Jahrhundert durch Jesui­
ten ersetzt, sind sie seit 1777 dort wieder tätig. Das im Jahre 1880 von Sadok Barijcz geordnete
Archiv290), das von der Kreishauptmannschaft des Kreises Jaroslau im dortigen Stadtmuseum
sichergestellt wurde, enthält die Archivalien der folgenden Dominikanerklöster:
1. Bochnia: 93 Pergament- und Papierurkunden 1489— 1797 und 3 Handschriften aus dem
17. und 18. Jahrhundert.
2. Lemberg: 20 Papierurkunden 1678— 1786.
3. Landshut: 3 Urkunden 1630— 1773.
4. Przemysl: 191 Pergament- und Papierurkunden 1511— 1776 und 4 Handschriften 1539— 1768.
5. Sambor: 8 Urkunden 1600— 1769.
6. Sieniawa: 6 Urkunden 1677— 1781.
286) N auka Polska V I I , 30; Chwalewik a. a. O. I, 189.
287) D ud ik a. a. O. S. 51— 58. — S. B argcz, K lasztor i kosciöl dom inikanöw w K rakow ie. Posen 1888. — Chwalewik
a. a. O. I, 190
B ericht D r. K aczm arczyks J . Nr. 3378. — Ü ber die illum inierten H andschriften der D om inikaner
und K arm eliter in K rakau vgl. K opera -L ep szy, Ilum in. rgkopisy ksi§gozbioru oo. dom inikanöw i oo. karm elitöw
w K rakow ie. K rakau 1926.
28s) D ie hl. K atharina w urde in den D iözesen Galiziens am 23. März verehrt. D udik a. a. O. S. 57.
289) D ie N achforschungen nach diesen w ichtigen A rchivalien, die sich m öglicherweise je tz t im W arthegau befinden,
sind im Gange. — Bei der im März 1941 durchgeführten Besichtigung des K losterarchivs in K rakau w urden dort
n och festgestellt: R u n d 30 B ände Libri m issarum X V I I .— X I X . Jahrhundert; etw a 35 B ände Rosariana-Bruderschaft 1694 — X X . Jahrhundert; etw a 100 kleine Faszikel betreffend Güter, K apitalia, Legate, Prozesse etc. X V I I . bis
X I X . Jahrhundert; 3 Bände conventus diversi (W arschauer Dom inikanerkloster) X I X . Jahrhundert; etwa 100 Fa­
szikel K loster- und Kirchenangelegenheiten, Personalien, A k ten und K orrespondenzen des K rakauer D om inikaner­
klosters X V I I .
X X . Jahrhundert usw ., etwa 100 B ücher und 20 Faszikel Rechnungen seit dem X V . Jahrhundert. —
Archivalienverzeichnisse fehlen, d och ist die Ordnung des A rch ivs begonnen w orden. — U nter den aus dem Lubliner
Dom inikanerkloster verbrachten Beständen dieses A rch ivs befinden sich alle Pergam enturkunden seit dem 13. Jahr­
hundert (über 100 Stück) und 6 B ände K apitelsitzungsprotokolle seit dem 16. Jahrhundert.
) S. B argcz, A rchiw um D om inikanöw w Jaroslaw iu, Lem berg 1884. H ier sind die ältesten U rkunden dieses A rchivs
veröffentlicht.
84
Weiter befinden sich in diesem Archiv Archivalien der aufgehobenen Jesuitenklöster:
1. Jaroslau: 10 Pergament- und Papierurkunden 1662— 1851 und 1 Handschrift aus dem Jahre
1777.
2. Przemysl: 7 Urkunden 1632— 1716; Inventare und Rechnungen 1593— 1676; liber musicarum
1669— 1771; liber ecclesiae collegii Jaroslaviensis 1618— 1670; Personalien291).
Franziskaner
Das Archiv des F r a n z i s k a n e r k l o s t e r s in K r a k a u (gegründet 1237) ist wissenschaftlich
bisher kaum bearbeitet und daher fast unbekannt. Es enthält Pergamenturkunden seit dem
13. Jahrhundert und eine Reihe älterer Handschriften292).
F r a n z i s k a n e r i n n e n b e i d e r St. A n d r e a s k i r c h e in K r a k a u gab es bereits im 12. Jahr­
hundert; das Kloster wurde 1316 begründet. Auch dieses Archiv ist nicht näher bekannt, obwohl
es nach seinem 2bändigen Repertorium 169 Pergamenturkunden293) seit dem 12. Jahrhundert und
zahlreiche Handschriften enthält294).
Das Archiv des F r a n z i s k a n e r k l o s t e r s in S a n o k (gegründet 1377) bewahrt 10 Mappen mit
Urkunden und Dokumenten seit der Mitte des 16. Jahrhunderts, darunter Visitationen, Verord­
nungen der Vorgesetzten, Personalien, Korrespondenzen usw. Zwei Rechnungsbücher geben Aus­
kunft über die Wirtschaftsführung der Jahre 1778— 1878295).
Aus K r o s n o ist das an Urkunden und Büchern reiche Archiv des F r a n z i s k a n e r k l o s t e r s
(gegründet 1380) vor 1914 nach Lemberg überführt worden296).
Kamaldulenser
Bei der Besichtigung des K a m a l d u l e n s e r - K l o s t e r s in B i e l a n y bei Krakau (gegründet 1604)
wurde festgestellt, dass die Literaturangaben297) über die angeblich in der Mitte des 19. Jahrhun­
derts erfolgte Vernichtung bzw. Verschleppung des Archivs dieses Klosters irrig sind. Die nur
oberflächlich geordneten Archivalien298) befinden sich vielmehr im nördlichen Frontturm im
2. Stock in einem sicheren, hellen und trockenen Zimmer in Schränken bzw. Regalen. Das Archiv
ist zwar vor 1870 von P. Thaddäus Bergeat geordnet worden, besitzt jedoch keine Verzeichnisse.
Es enthält eine Pergamenturkunde König Sigismunds I. vom 20. 3. 1533 betreffend das Schulzen­
gut Kosmaiowa, 25 Aktenfaszikel (Kapitelssitzungsprotokolle, Korrespondenzen mit dem
Krakauer Bischöflichen Konsistorium und mit weltlichen Behörden, Profess-, Visitations- und
Testamentsakten, Kapitalien- und Zinsakten299), (Guts- und Wirtschaftsinventare, Prozessakten
291) B erich t v o n Dr. K aczm arczyk J. Nr. 3378/40. —- Chwalewik a. a. O. I, 133.
292) K . R osenbaiger, D zieje kosciola o o. franciszkanow w K rakow ie. K rakau 1933. S. 25—-27.
■293)
J)ie ältesten U rkunden sind im Cod. dipl. Min. Pol. I— IV veröffentlicht.
294) Chwalewik a. a. O. I, 191. — Nauka Polska V I I , 30.
296) A . B orzem ski, A rchiw a w Sanoku. Sanok 1905.
296) N auka Polska X I I , 31.
•297) Xeka Grona K onserw atoröw G alicji Z achodn iej. B and I I K rakau 1906. S. 50. — Nauka Polska X I I , 6.
298) Einige A rchivalien aus diesem A rch iv befinden sich im K rakauer Stadtarchiv und im Czartoryski-Museum.
2" ) Darunter z. B . „V illae ad erem um pertinentes 1685— 1790, m it A kten über das D o rf M alec, H aus in Olkusch, Grund­
stücke in Olsza, Prqdnik, Zinsen v o m M agistrat der Stadt Fraustadt und K apitalien bei der Fam ilie W essel.“ (Nr. 14
des eingehenden Ü bersichtsverzeichnisses der A rch ivverw altun g über die Bestände des K losterarchivs Bielany.
J. Nr. 3398/40).
85
usw. seit Bestehen des Klosters), 10 Pläne der Kirche und der Klostergebäude aus dem Jahre
1860 und eine grössere Zahl von Bibliothekshandschriften.
Kapuziner
Das seit Ende des 17. Jahrhunderts in K r a k a u bestehende K a p u z i n e r k l o s t e r hat ein z. Z.
nicht näher bekanntes Archiv, das aus etwa 20 Aktenfaszikeln und Handschriften seit dem
18. Jahrhundert besteht300).
Karmeliter
In C z e rn a, im Restgebiet des grösstenteils zum Regierungsbezirk Kattowitz gekommenen Krei­
ses Chrzanow, entstand im Jahre 1629 ein K a r m e l i t e r k l o s t e r , dessen Archiv u. a. ein Gerichts­
buch für Kriminalangelegenheiten der Untertanen seit 1671, Chroniken, einen liber continens fundationes, contractus etc. 1762, lose Akten und Korrespondenzen seit dem 17. Jahrhundert; Perso­
nalien aus dem 18. und 19. Jahrhundert, sowie Akten der Karmeliterinnen in Wilna enthält301).
Piaristen
Das im Jahre 1660 in K r a k a u begründete K l o s t e r d e r P i a r i s t e n hat ein umfangreiches, im
Einzelnen noch nicht näher bekanntes Aktenarchiv, das aus etwa 100 Faszikeln und Büchern be­
steht und u. a. die Generalkapitelsprotokolle, Inventare, eine Matricula patrum 1740— 1840, Fundationssachen, Bruderschaftsangelegenheiten, Personalien usw. verwahrt302).
Prämonstratenserinnen
Auch das Archiv des bereits um 1150 in K r a k a u gegründeten P r ä m o n s t r a t e n s e r i n n e n k l o st er s ist wissenschaftlich noch fast unbekannt. Ausser Pergament- und Papierurkunden303) seit
dem 13. Jahrhundert enthält es auch zahlreiche Handschriften zur Geschichte dieses Stiftes304).
Pauliner
Das Archiv des P a u l i n e r k l o s t e r s i n S k a l k a b e i K r a k a u (gegründet 1471), das Pergamentund Papierurkunden dieses Ordens seit 1471, Akten und Bücher seit dem 16. Jahrhundert ent­
hält308), ist am Schluss dieser Klosterübersicht aus dem jetzigen Krakauer Distrikt genannt, weil
damit ein Bericht über das bedeutendste, bis heute erhaltene Kloster des ehemaliegen Polens, das
P a u lin e r k lo ste r in T sc h e n s t o c h a u ,
verbunden ist. Es verdankt seine Entstehung und erste Ausstattung einem schlesischen Piasten.
Ladislaus, Herzog von Oppeln, liess durch die aus Ungarn im Jahre 1382 eingeführten Pauliner
auf dem Klarenberge (Jasna Gora) in Tschenstochau das später reich begüterte und weltbekannt
300) D ienstakten J. Nr. 3378/40.
301) K . K rotosk i, Z archiwum karm elitöw b osych na Czernej. (Przeglgd P ow szechn y 1894. B and 43 und 44). — Chwa­
lewik a. a. O. I, 55.
) Nauka Polska V I I , 31.
Chwalewik a. a. O. I, 190.
—
Ü ber die in diesem K riege eingetretenen Verluste
des A rch ivs kon nte das K loster w egen des m angelhaften Ordnungszustandes des A rch ivs keine genauen Angaben
m achen. B erich t v o m 1 2 .3 .4 1 . — J . Nr. 972/41.
3°3) 0 io ältesten U rkunden sind im Cod. dipl. Min. Pol. I — IV veröffentlicht.
304) Chwalewik a. a. O. II , 541.
305) E bda I, 190.
86
gewordene Kloster begründen, dessen wundertätiges Marienbild, die Schwarze Mutter Gottes von
Tschenstochau, es bald zum angesehensten Kloster Polens machte, zu dem schon seit Anfang des
15. Jahrhunderts ungezählte Scharen Gläubiger aus Polen und den Nachbarländern wallfahrteten.
Von den ehemals zahlreichen polnischen Klöstern dieses Ordens ist ausser dem vorgenannten in
Skalka bei Krakau nur das in Tschenstochau bestehen geblieben. A u f dem Klarenberge, zugleich
dem Sitz des Provinzialpriors seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, erwuchs und erhielt sich auch
ein zwar nicht besonders umfangreiches, aber sehr bedeutendes Archiv306).
Das e i g e n t l i c h e K l o s t e r a r c h i v besteht aus rund 170 Pergamenturkunden307) (1356— 1925),
etwa 200 durch die polnischen Könige ausgestellten Papierurkunden und dem Hauptbestand an
Büchern und Akten.
Die älteste Pergamenturkunde vom Jahre 1356 betrifft die Gründung der Stadt .Tschenstochau zu
Neumarkter Recht. Die folgenden Dokumente betreffen vorwiegend Güterschenkungen, päpst
liehe Privilegien für den Paulinerorden, Ablässe für Kirchen und Altäre, Urteile in Zehntstreitig­
keiten, Gütertausch, Personalangelegenheiten u. dergl. Ein Teil der Urkunden bezieht sich auf
andere Paulinerklöster wie Beszowa, Lesna, Pinczöw usw.
Die königlichen Papierurkunden betreffen ebenfalls überwiegend Güterschenkungen, Steuer­
befreiungen bzw. Entsendungen von Kommissaren in Grenzstreitigkeiten u. dergl.
Unter den Büchern und Akten beginnen die „A cta conventus“ erst im 17. Jahrhundert, die in
Abschriften aber bis auf die Klostergründung zurückgehen, und die Kapitelssitzungsprotokolle,
die auch Korrespondenzen in wichtigeren Klosterangelegenheiten enthalten.
Entsprechend der Bedeutung, die das Marienbild für das Kloster besass, sind eine grosse Zahl von
Büchern und Akten diesem Bilde gewidmet. Die Wunderbeschreibungen sind zwar erst am'Ende
des 16. Jhs. angelegt worden, sie gehen aber auf ältere, nicht mehr vorhandene Handschriften
bis 1402 zurück308).
Für die allgemeine Geschichte von Interesse sind die leider nur in Bruchstücken erhaltenen Nach­
richten über die Belagerungen Tschenstochaus durch die Schweden im Jahre 1655 und die Russen
in den Jahren 1769— 1772, über die Wiederherstellung der Bastionen und Tore und die Erhaltung
der Garnisonen durch das Kloster. Auch die Klosterschatzinventare seit dem 17. Jahrhundert
306) D as A rch iv ist a u f Veranlassung des Generalpriors in den letzten Jahren durch den K rakauer U niversitätspro­
fessor Jan F ija le k (t) und den ehemaligen Posener Staatsarchivdirektor K . K a czm a rczyk geordnet w orden. D ie Inventarisation konnte bisher zu etwa 3 V ierteln des G esam tbestandes durchgeführt werden.
V gl. K . K a czm a rczyk , Archiw um 0 0 . Paulinöw na Jasnej G örze w Cz^stochowie. A rcheion V I
159’ _
V I I (1930), S. 123 bis
Derselbe, K s. Jan Fijalek. A rcheion X I V (1936), S. 6— 10. K . B u czek .in N auka Polska V I I , S. 16— 1 7 .—
K . Pieradzka, F u n d a cja klasztoru Jasnogörskiego w C z§stochow ie w 1382 r. K rakau 1939.
»»’ ) D a v o n entfallen a u f das 14. Jahrhundert 18 Stück, je 50 a u f das 15. u nd 16. Jahrhundert und etwa 20 a u f die
nächsten Jahrhunderte. — Viele U rkunden sind nach den Teilungen Polens zur Regulierung v o n Rechtsverhältnissen
den Staatsbehörden und Gerichten vorgelegt w orden u nd v o n diesen in das K losterarchiv nicht zurückgekehrt. Ihre
T ex te sind indessen z. T . wenigstens aus K opialbü chern und A bschriften bekannt.
D ie ältesten U rkunden der Zeit v o n 1328— 1464 sind v o n Jan F ijalek, Z biör dokum entöw zakonu 0 0 . Paulinöw
w Polsce (H e ft 1 K rakau 1938) herausgegeben w orden.
aos) H ierher gehören auch die A kten und B ücher betreffend die K rön un g des Bildes im Jahre 1717, die A kten über
Pilgerschaften, Festlichkeiten v o r dem W underbilde, G edenkbücher m it U nterschriften der Gäste usw.
87
sind von öffentlichem Interesse309), da in Kriegszeiten zahlreiche Hinterlegungen von Wertgegen
ständen durch weltliche und geistliche Personen in der Sakristei des Klosters erfolgten. Den Haupt­
bestand des Klosterarchivs bilden naturgemäss die Bücher und Akten über die Klosterbesitzun­
gen seit dem 16. Jahrhundert. Ein- und Ausgabebücher, Berichte der Gutsverwalter, Inventare,
Lustrationen, Kopiare, Pacht- und Kaufverträge, Forst-, Mühlen- und Wasserangelegenheiten,
die Akten über Branntweinbrennereien, Brauhäuser, Schenken, die Klosterapotheke und die
Druckerei aus dem 17. Jahrhundert sind nicht nur Quellennachweise für die wirtschaftlichen Ver­
hältnisse, sondern auch für die Orts- und Personengeschichte des zum Kloster gehörigen Gebietes.
Gie Hauptrechnungsbücher sind in etwa 100 Bänden mit Lücken seit 1641 bis zur Gegenwart er­
halten. Unter den „Extranea“ , die zufällig oder als Nachlass von Mönchen in das Klosterarchiv
kamen, befinden sich auch Akten, die öffentliche Angelegenheiten (Acta publica) des 16. bis
19. Jahrhunderts betreffen. Hierher gehört ein Inventar des Kronschatzarchivs in Krakau aus
dem Jahre 1613310).
Etwa 100 Karten und Pläne weisen Klosterbesitzungen, Wirtschaftsgebäude, Kirchen, Kapellen
und Altäre des Klosters nach.
Neben diesem eigentlichen Klosterarchiv befindet sich auf dem Klarenberg das A r c h i v d e r p o l ­
n i s c h e n P a u l i n e r - P r o v i n z i a l p r i o r e , das Archivum provinciae, dessen ältere Akten verloren
gegangen sind. Die heute vorhandenen Bestände desselben beginnen erst mit dem Jahre 1630.
Im 17. und 18. Jahrhundert haben eine Anzahl von polnischen Paulinerklöstern ihre Archivalien
Provinzialatarchiv in Tschenstochau deponiert, im Bedarfsfälle aber später wieder zurückge­
zogen. Die Akten der Provinzialpriore enden mit dem Jahre 1864, in dem — wie die anderen K lö­
ster— auch alle Paulinerkloster Kongresspolens mit Ausnahme Tschenstochaus aufgehoben
wurden. Die Korrespondenzen der Provinzialprioren mit den Generalprioren über die Ordensver­
fassung, die Personalverhältnisse und die Errichtung neuer Klöster sind nicht nur kirchenge­
schichtlich, sondern auch allgemein von Interesse. Die Protokolle aber der Provinzialkapitels­
sitzungen, die Urteile der Provinzialpriore gegen Klostermitglieder, die Visitationsprotokolle
einzelner Klöster, Kopien der Stiftungs- und Einschreibungsurkunden, Hirtenbriefe usw. sind das
unentbehrliche Quellenmaterial zur Geschichte der Paulinerprovinz und der dazugehörigen
grösseren Klöster.
Über den geistlichen Rahmen hinaus gehen die Kataloge und Nekrologienbücher mit den Biographieen der Väter, Brüder, Residenten und W ohltäter des Ordens seit dem Ausgang des 17. Jahr­
hunderts. Die Profess- und Personalakten, Geburtsbriefe, Priesterweihungen usw. aber enthalten
ein reiches personengeschichtliches Material seit dem 17. Jahrhundert.
Unter den Korrespondenzen der Mönche stehen an erster Stelle die 35 Faszikel des wiederholten
Provinzialpriors und späteren Bischofs von Livland Konstantin Moszynski (1697— 1730), der als
Stifter einiger Klöster eine der bedeutendsten Personen des Paulinerordens in Polen war. Zahlreich
sind auch die Korrespondenzen mit den Diözesanbischöfen und den weltlichen Behörden seit dem
Anfang des 17. Jahrhunderts.
) Bei diesen H interlegungen konnte es auch zu erheblichen Zwistigkeiten kom m en. Eine Fam ilie M<jcinski führte
im 19. Jahrhundert z. B. 27 Jahre lang m it dem K loster einen Prozess wegen R ü ck ga b e des angeblich im Jahre 1708
*m K loster deponierten Schatzes des H erzogs v o n Siebenbürgen.
310) K . K aczm arczyk, Egzem plarz cz^stochow ski inwentarza archiw um koron nego z r. 1613. A rcheion X I V , S. 36__ 44
88
C.
Pfarrarchive
A u f die Archive der Pfarreien des Generalgouvernements in diesem allgemeinen Überblick im Ein­
zelnen näher einzugehen, verbietet die Planung dieses Heftes, zumal hierfür eine umfangreiche
Sonderveröffentlichung erforderlich ist, die indessen nur auf Grund einer genauen Inventarisation
erfolgen kann.
Alle Pfarreien besitzen — je nach ihrem Alter, ihrer Bedeutung und dem Erhaltungszustand ihrer
Dokumente und Akten — grössere oder kleinere Archive, mindestens aber Matrikelbücher, die
z. T. bis in das 16. Jahrhundert zurückreichen, soweit diese älteren Kirchenbücher nicht — wie
im Vorstehenden wiederholt angedeutet — an Konsistorial-, Diözesan- oder andere kirchliche,
städtische und staatliche Archive abgegeben worden bezw. dort deponiert sind.
Hier sei aber wenigstens auf zwei Pfarrarchive aufmerksam gemacht, die für die deutsche For­
schung von besonderer Wichtigkeit sind.
A rchiv
d e r M a r i e n k i r c h e in K r a k a u
Das für deutsche Belange ausserordentlich ergiebige Archiv der Marienkirche in Krakau reicht
mit seinen 201 Originalurkunden bis zum Jahre 1304 zurück311). Als Hauptkirche der ehemaligen
deutschen Gemeinde Krakaus enthalten die Matrikelbücher (seit 1548'bezw. 1578)312), die Visitatio­
nen, Kirchenrechnungen und Parochialakten wertvolle historische Nachweise für die Geschichte
des Deutschtums in Krakau. Das in 4 grossen und festen Schränken im'fVikariatsgebäude unterge­
brachte Archiv der Marienkirche313) kann im Benutzerraum des Stadtarchivs durch Vermittlung der
deutschen Archivverwaltung benutzt werden314).
A rchiv
der e v an gelisch -au g sbu rg is ch en
G e m e i n d e in W a r s c h a u
Gleich wichtig für die deutsche Forschung ist das Archiv der evangelisch-augsburgischen Gemeinde
in Warschau. Während deren Kirche bei der Beschiessung der ehemaligen polnischen Hauptstadt
völlig vernichtet wurde, blieb das Archiv im Gemeindehaus neben der Kirchenkanzlei unbeschä­
digt. Aus den von 1653 bis zur Gegenwart erhaltenen Akten, in denen die deutsche Sprache bis in
das 19. Jahrhundert vorherrscht, dürfte sich die Geschichte dieser deutschen Gemeinde Warschaus
im wesentlichen herausarbeiten lassen.
3U) 73 Pergam enturkunden der M arienkirche seit dem Jahre 1294 und 44 B ücher seit dem 14. Jahrhundert befinden
sich im K rakauer Stadtarchiv, da die Stadt K rakau bis zum E nde des 18. Jahrhunderts das P atronat dieser (1226 ge­
gründeten) K irch e besass.
312) D ie Personenstandsregister der ehemaligen W ojew od sch a ft bezw . der Stadt K rakau wurden v o n den zuständigen
Pfarreien, die jüdischen bei den R abbinaten geführt. Für die Zeit v o n 1797— 1855 h atten die Pfarreien und Rabbinate
zivilrechtliche Funktionen und führten die R egister in doppelter Ausfertigung. D ie Ausfertigung I I der K rakauer Matri­
kel befindet sich im Stadtarchiv. — T . Syganski, Z da w n ych m etryk kosciola M ariackiego. Lem berg 1911.
313) Dies grösste Pfarrarchiv im ehemaligen Polen ist zuletzt (1916) v o n E . D lu gopolski geordnet und inventarisiert
w orden. D ie Ordnungsarbeiten w urden neuerdings v o n M. v o n Friedberg w eitergeführt. — Ausser den oben genannten
201 Pergam enturkunden (1304— 1885)
besteht das A rch iv aus 121 Aktenfaszikeln
(Allgem eine Angelegenheiten
1226— 1837; B au- und Restaurierungssachen 1624— 1837; D otierungen des A rchipresbyters 1429— 1893, des Sakri­
steiverwalters 1441— 1887, der Prediger, Vikare und A ltaristen 1429— 1884; Brüderschaften und Spitäler 1487— 1846;
K irchenfonds 1391— 1892; Pfarrsachen 1710— 1904) und 706 B üchern (Visitationen und Inventare 1590— 1848; Privilegienkopiare 1327— 1790; Rechnungen verschiedener Fonds 1634— 1872; K irchenrechnungen 1672— 1894; Messfundationen 1746— 1895; M atrikelbücher 1548— 1896; Jura stolae 1756— 1890; Einreichungsprotokolle 1872— 1903).
3U) E. D lugopolski, K a ta log archiwum kosciola N . P. Marii w K rakow ie. K rakau 1916 ( = Teka Grona konserw. Gal.
Zach. V I). — D u d ik a. a. O. S. 49— 51. — Chwalewik I, 188. — N auka Polska X I I , 22.
Zur G eschichte der Marienkirche vg l. M. v . F riedberg, Zalozenie i pocz. dzieje kosciola N . P. Marii w Krakow ie. R ocznik
K rakow ski X X I I (1929) - R . B ^ k ow sk iu . B. Szyszko-B ohusz, K osciol N. P. Marii w K rakow ie. B ibi. K rak. 46 (1913).
89
In diesem Archiv befindet sich auch das älteste evangelisch-augsburgische Kirchenbuch des D i­
strikts Warschau, das der jetzt ins Altreich umgesiedelten Gemeinde W e n g r o w , das 1692 von
Pastor Grabovius begonnen wurde und für die Geschichte des Deutschtums in Warschau und Um­
gebung nach der kürzlich darüber erfolgten Veröffentlichung von besonderer Bedeutung ist, zumal
die Warschauer evangelische Gemeinde vor Erbauung ihres eigenen Gotteshauses „sich zu W en­
grow hielt, und die Pastoren der Gemeinde in Wengrow gleichzeitig auch die Seelsorger der W ar­
schauer Evangelischen waren“ 315).
Die Kirchenbücher der deutschen evangelisch-augsburgischen Gemeinden der Distrikte Lublin
und Warschau-Ost, aus denen im Herbst 1940 alle Volksdeutschen in das Reich umgesiedelt wor­
den sind, befinden sich z. Zt. in der genannten Krakauer Sippenstelle, wo für ihre sachgemässe
Aufbewahrung und Auswertung Sorge getragen ist.
Das älteste in der Sippenstelle befindliche Kirchenbuch ist das der evangelisch-augsburgischen Ge­
meinde Lublin, das im Jahre 1760 in dem benachbarten P i a s k i - L u t e r s k i e begonnen wurde316).
Die Herausgabe eines Verzeichnisses aller im Generalgouvernement vorhandenen Personenstands­
register, deren Bestand im Polenfeldzug 1939 verhältnismässig wenig gelitten hat, wird seitens der
Sippenstelle vorbereitet. Zu erfassen sind dabei — einschliesslich der Personenstandsregister der
christlichen Sekten, der Dissidenten und Juden — die Bestände von nahezu 3000 matrikelführen­
den Stellen317).
Die Duplikate der Personenstandsregister befinden sich im ehemaligen kongresspolnischen Teil
in den Hypothekenarchiven bei den Gerichten, im ehemaligen österreichischen Teil Polens vorwie­
gend bei den bischöflichen Ordinariaten bezw. den Kreishauptmannschaften.
Die Duplikate der Kirchenbücher der Stadt Warschau 1808— 1938 sind im Z i v i l s t a n d s a r c h i v
im Zentraljustizpalast (Leszno 53/55) vereinigt. Nach der dort durch Herrn Dr. Föhl vom Reichs­
amt für Sippenforschung im November und Dezember 1939 in Verbindung mit der deutschen A r­
chivverwaltung durchgeführten Ordnung und Neuaufstellung des Bestandes ist die Auskunfts­
erteilung durch die mit diesem Archiv verbundene Urkundenstelle bereits seit Ende 1939 im vollen
Gange318).
Die Urkundenbeschaffung von sämtlichen Matrikelstellen des Generalgouvernements für Reichs­
und Volksdeutsche sowie für Ausländer wird durch die Urkundenbeschaffungsstelle der Abteilung
Innere Verwaltung in der Regierung des Generalgouvernements vorgenommen. Massgebend sind
hierbei die Richtlinien der Bekanntmachung über die Beschaffung von Personenstandsurkunden
aus dem Generalgouvernement vom 15. April 1940 — Verordnungsblatt GGP. II, S. 233319).
(F ortsetzung folgt).
316) Ü ber dies m it Ausnahm e einiger weniger lateinischer Eintragungen deutsch geführte K irch enbu ch, das einen
Zeitraum v on rund 100 Jahren um fasst, gib t Dr. Schellenberg in den W arschauer K ulturblättern (O k tob er 1940) einen
ersten Ü berblick unter dem T itel: „D a s älteste evangelisch-augsburgische K irch enbu ch des Distrikts W arschau“ , der
an anderer Stelle eine erschöpfende Veröffentlichung folgen soll.
316) V gl. W . F öhl, Deutsches Schicksal am Bug. „V o rfe ld “ , Schulungsblätter für Nationalsozialisten im Generalgouver­
nem ent 1940, 2. Folge.
317) Ü ber die A rb eit der Sippenstelle w ird dem nächst eine ausführliche Abhandlung v o n H . B u ja in der Zeitschrift
„F am ilie, Sippe, V o lk “ erscheinen.
3l>) V gl. hierzu die Ausführungen im H eft 1 des 2. Jahrganges dieser Zeitschrift S. 38.
axs) V gl. W . F öh l, D ie Urkundenbeschaffungsstelle beim A m t des Generalgouverneurs in K rakau. „F am ilie, Sippe,
V o lk “ . 1940, H eft 7.
90
ZU
DEN
ABBILDUNGEN
NACH
S.
64:
Älteste bekannte Stadtsiegel v o n K rakau (a ), W arschau (b ), Lu blin (c), R a d om ( d ):
a) ältestes bekanntes Siegel der Stadt K rakau (verw endet seit 1303
gel). Orig, im Franziskanerkloster K rakau, im W arschauer
als V ogtsiegel und seit 1343 als Stadtsie­
H au ptarch iv Perg. Urk. Nr. 19 (je tz t im Staats­
arch iv K önigsberg P r.) und im Czartoryski-M useum , K rakau, Perg. Urk. Nr. 368
b ) Ältestes bekanntes Siegel der Stadt W arschau, A n fan g des 15. Jahrhunderts. Orig, im H au ptarch iv W arschau,
Perg. U rk. N r. 825 (je tz t im Staatsarchiv K önigsberg P r.)
c) Ä ltestes bekanntes Siegel der Stadt L u blin, A n fan g des 15. Jahrhunderts. O rig, im Stadtarchiv T horn, Perg.
U rk. 666; im W arschauer H au pta rch iv, Perg. U rk. N r. 531 und 825 (je t z t im Staatsarchiv in K önigs­
berg P r.)
d) Ältestes bekanntes Siegel der Stadt R a d om , 17. Jahrhundert.
Orig, im Finanzarchiv W arschau, A b t. 68,
B and 6, S. 199
91
DIE G R U N D Z Ü G E D E R VERFASSUNGSGESCHICHTE
KRAKAUS IM M I T T E L A L T E R
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Das Studium der deutschrechtlichen Stadtverfassung in Polen muss in erster Linie die Darstellung
der Veränderungen zum Gegenstand haben, die das Magdeburger Recht unter den besonderen poli­
tischen und sozialen Verhältnissen Polens erfahren hat. Hierbei werden die Analogien und Abwei­
chungen in der Entwicklung einerseits der schlesischen Städte, andererseits der Städte des Deutsch­
ordenslandes beobachtet werden müssen. In deutscher Sprache ist dieses Thema bisher noch
niemals behandelt worden, aber auch die beiden polnischen Arbeiten, die es hierüber gibt, Jan
Ptasnik’s im Jahre 1934 erschienenes Buch über die Städte und das Bürgertum im alten Polen und
die Abschnitte über das Stadtrecht in der Verfassungsgeschichte Polens von Stanislaus Kutrzeba1)
bieten nicht mehr als eine allgemeine Übersicht. Die zahlreichen Stadtmonographien sind in ver­
fassungsgeschichtlicher Hinsicht nahezu völlig unergiebig und an städtischen Urkundenpublika­
tionen ist, wenn man von Krakau absieht, wenig vorhanden. Die mittelalterliche Stadtgeschichte
von Krakau, dem als Hauptstadt des alten polnischen Reiches von jeher das Interesse der pol­
nischen Wissenschaft in besonderem Masse zugewandt war, ist dagegen verhältnismässig gut er­
forscht. Das wichtigste Material liegt in einer Reihe von Editionen gedruckt vor2), und aus der
Fülle des stadtgeschichtlichen Schrifttums heben sich einige Arbeiten von ausgesprochen ver­
fassungsgeschichtlichem Charakter heraus, dank derer wir über die Entwicklung des Vogtamtes
und des Stadtrates in Krakau und über die städtischen Finanzen ziemlich gut unterrichtet sind3).
Freilich bleibt auch hier noch sehr viel zu klären — insbesondere ist über die städtische Recht­
sprechung weder in Krakau noch anderswo irgendetwas geschrieben worden. Die im Auftrag
des Instituts für Deutsche Ostarbeit in grossem Umfang betriebene Durcharbeitung von Stadt­
büchern soll in dieser Hinsicht sowohl in Krakau als auch in den anderen Städten des Landes A b ­
hilfe schaffen. Bevor aber als Ergebnis dieses mühevollen und zeitraubenden Quellenstudiums eine
umfassende Bearbeitung der Entwicklung des Stadtrechts in Polen unternommen werden kann,
soll den deutschen Fachgenossen — denen ja wegen der geringen Verbreitung der Kenntnis der pol­
nischen Sprache das polnische Schrifttum beinahe gar nicht zugänglich ist — auf Grund des ge­
druckten Materials und der Literatur ein Überblick über die mittelalterliche Verfassung wenig­
stens der grösseren Städte Polens gegeben werden, womit an dieser Stelle mit Krakau derAnfang
gemacht wird.
Jan Ptasnik: M iasta i m ieszczanstw o w daw nej Polsce. K rakau 1934. Stan. K utrzeba: H istoria ustroju Polski w zarysie. T o m I. K oron a. 7. A u fla ge, K rakau 1931. S. 63— 69, 142— 152.
*)
2) Codex D iplom aticus Civitatis Cracoviensis 1257— 1506 (K od ek s D yp lom a ty czn y Miasta K rakow a) herausgegeben
v o n Fr. Piekosiriski. T eil I, K rakau 1879. T eil I I — IV , K rakau 1882 (M onum enta Medii A evi H istorica, B and V und
V I I ). A bkürzun g: CDCC.
Libri A ntiquissim i Civitatis Cracoviensis 1300— 1400 (N ajstarsze K si?gi i R ach un ki Miasta K rakow a od r.1300—
1400) herausgegeben v o n Fr. Piekosinski und J . Szujski. K rakau 1878. A bkürzun g: A L .
A n tiqu um R egestrum Privilegiorum et Statutorum Civitatis Cracoviensis (N ajstarszy Z biör P rzyw ilejow i W ilkierzy
Miasta K rakow a) herausgegeben v o n St. Estreicher. K rakau 1936. A bkürzun g: A R .
Praw a, P rzyw ileje i Statuta miasta K ra kow a 1507— 1795. H erausgegeben v o n Fr. Piekosinski (A cta historica res
gestas Poloniae illustrantia, B and V I I I und X I I ) . A bkürzun g: PP .
Libri Iuris Civilis Cracoviensis (K sifg i p rzy jec do praw a m iejskiego w K rakow ie) H erausgegeben von K aczm arczyk.
K rakau 1913. A bkürzun g: LIC.
Codex D iplom aticus Poloniae Minoris B and I I und I I I (K od ek s D y p lom a ty czn y M alopolski) Herausgegeben von
Fr. Piekosinski. K rakau 1886 und 1887. A bkürzun g: CDPM in.
A cta Scabinalia Cracoviensiis, 1365— 1376 und 1390— 97. H erausgegeben v o n St. K rzyzanow ski. K rakau
1904.
3) M ieczyslaw Niw inski: W öjto s tw o K rakow skie w w iekach srednich, K rakau 1938 (B iblioteka K rakow ska Nr. 95).
M ichal Patkaniow ski: K rakow ska rada m iejska w srednich w iekach, K rakau 1934, (B iblioteka K rakow ska Nr. 82).
St. K u trzeba: Finanse K rakow a w w iekach Srednich, R oczn ik K rakow ski B and I I I , K rakau 1900.
92
I.
Von
D IE V O G T E I
de r G r ü n d u n g d e r S t a d t b i s z u m A u f s t a n d
des V o g t e s A l b e r t (1257— 1312)
Über die verfassungsrechtlichen Verhältnisse, die in Krakau zur Zeit der Gründung herrschten,
wissen wir aus der Gründungsurkunde vom Jahre 1257 hinlänglich Bescheid4), während wir von der
deutschen Siedlung, die schon lange vor 1257 auf dem Gelände der heutigen Stadt, auf bischöf­
lichem Grund und Boden, bestanden hat, nur ganz allgemein wissen, dass sie nach Magdeburgischem
Recht lebte5) und dass an ihrer Spitze Schultheissen standen, von denen uns zwei, Peter und Salomon6), namentlich überliefert sind. Die erste Epoche der Stadtgeschichte, die bis zum Aufstand des
Vogtes Albert (1312) gerechnet wird, ist durch die ü b e r r a g e n d e S t e l l u n g d e r S t a d t ­
v ö g t e gekennzeichnet. Die ersten Vögte — zugleich die Lokatoren der St adt — waren eng mit
Schlesien verbunden. Die Stadtgründung war für sie ein Geschäft, nach dessen Gelingen sie sich
neuen Aufgaben zuwandten. Die Vogtei, die sie als Gründerlohn erhielten, müssen sie bald wieder ver­
kauft haben, denn wir treffen bereits 1264 einen anderen Vogt in Krakau, der an der Gründung nicht
beteiligt war7). Materielle Grundlage der Stellung der Vögte war die A u s s t a t t u n g d e r V o g t ei,
die wir aus der Gründungsurkunde kennen. Zur Vogtei gehörte der sechste Teil des Zinses von den
T uch-und Kaufkammern, jede sechste Hofstätte in der Stadt, frei von allen Lasten, alle Fleisch-,
Brot- und Schuhbänke, ohne dass die Vögte von ihnen dem Herzog Zins zahlen mussten, ein
Kuttelhof vor der Stadt, Zollfreiheit für alle Waren, mit denen die Vögte im Gebiet des Herzogs Han­
del trieben, und 30 fränkische Hufen, frei von allen Abgaben und den Lasten und Diensten
des Herzogsrechts. Ferner schenkte der Herzog den Vögten 4 Mühlen am Bach Prondnik,
von denen sie ihm je Rad einen Vierdung Zins zahlen mussten, und verlieh ihnen schliess­
lich eine Konzession zum Bau weiterer Mühlen am Prondnikbach und an der Weichsel. Die drei
Weichselmühlen, die die Vögte errichten durften, waren von allen Abgaben befreit, mussten
aber dafür unentgeltlich für den Bedarf des herzoglichen Hofes mahlen, wenn der Herzog sich in
der Stadt oder drei Meilen in ihrem Umkreis aufhielt. Dass den Vögten der dritte Teil der Gerichtsgefälle zustand, ist zwar in der Urkunde nicht ausdrücklich erwähnt, versteht sich aber
angesichts der Tatsache, dass die Stadt zu Magdeburger Recht gegründet wurde, von selbst.
‘ ) CDCC Teil I Nr. I.
5) F ejer, IV , Teil I, 353.
U rkunde
Boleslaus des Scham haften für Pudlein. (1244) CD PM in I I , 425.
6) Monografia O pactw a Cystersöw w e wsi M ogile, T eil I I , Z b ior D y p lom ow K lasztoru M ogilskiego, Nr. 8 und
Nr. 11. 1228 und 1230. (N r. 8: E go Petrus, scolthetus Cracoviensis etc. U nter den Zeugen dieser den V erk a u f des Dorfes
Truszyn an den A b t v on M ogila betreffenden U rkunden kom m en auch zw ei K a u fleu te v o r: Burchardus et Arnoldus,
mercatores. Nr. 11: H ier erscheint „P etru s scolthetus“ als Zeuge. Ferner ist in der U rkunde ein Krakauer K aufm ann,
also ein A ngehöriger dieser ersten deutschen Gem einde genannt: D yonisius, m ercator Cracoviensis. Zw ei weitere K a u f­
leute heissen Gozlaus und V ilkynus). D en Schulzen Salom on kennen wir aus einer U rkunde H erzogs Boleslaus v o n K ra ­
kau und Sandom ir v o n 1250, die im U rkundenbuch v o n M ogila unter Nr. 22 abgedruckt ist.
7) CD PM in I I Nr. 471 (1264).
D ie L ok a toren -V ögte hiessen G edko genannt S tilvoyt, J a k ob , früher R ich ter in Neisse, u nd D ethm ar genannt W olk.
G edko entstam m te der bekannten Breslauer Fam ilie Stillevogt, die ihren N am en wahrscheinlich daher hat, dass einer
ihrer V orfa h ren dem Stadtgericht beiw ohnte, um die Gerichtsgebühren, soweit sie dem S tadth erm zustanden, fü r die­
sen einzuziehen. G edko erscheint 1269 in Breslau als G odekinus dictus Stillevogt, Bürger v o n Breslau und Besitzer einer
Mühle an der Ohle. (K orn , Breslauer U rkundenbuch, Breslau 1870, Nr. 36). O b der G otkinus, ciuis Wratislauiensis, der
nach der U rkunde v o n 1272 (K orn , Nr. 41) V o g t der N eustadt Breslau gewesen ist, m it G edko bzw . Godekinus Stille­
v o g t identisch ist, muss dahingestellt bleiben. St. Estreicher in „K r a k o w i M agdeburg w przyw ileju fu n d a cyjn ym krakow skim “ in der Festschrift für Ulanowski, K rakau 1911, S. 411 A n m . 12 identifiziert die beiden. — D ethm ar genannt
W o lk hat Skala bei K rakau gegründet (C D PM in I Nr. 75, 1267). O b er freilich m it dem Breslauer D itm ar Rutenus
identisch ist, w ie Estreicher op. cit. S. 411 und nach ih m Niw inski op. cit. S. 40 angenom m en haben, ist zweifelhaft.
J ak ob, früher R ich ter in Neisse, erscheint als solcher n och im Jahre 1254 unter den Zeugen einer Urkunde des B isch of
Thom as (Cod. dipl. Sil. B and V I I , R egesten zur Schlesischen Geschichte, hersgeg. v o n C. Grünhagen, Nr. 864, S. 38,
Breslau 1884). Dass die V ögte die V ogtei nicht lange innegehabt haben, erfahren w ir auch aus den K rakauer K apitel­
annalen, w o es unter dem Jahre 1257 heisst: Cracoviensis civitas iure T h eutonico traditur et situs fori per advocatos et
dom orum et curiarum im m utatur. Sed iidem advocati in sua advocacia m odicu m duraverunt.
93
Dieser Katalog von Rechten entspricht mehr oder weniger der Ausstattung, die die Yogteien
aller damals in Schlesien und Polen entstehenden Städte erhielten. In Anbetracht der Übereinstim­
mung, die die Gründungsurkunden in dieser Hinsicht aufweisen, ist anzunehmen, dass gewisse
gewohnheitsrechtliche Vorstellungen massgebend gewesen sind, unter denen der Herzog das
„R ech t“ verstanden hat, über das er in zwei Fällen zugunsten der Stadt hinausgegangen ist. Den
Zins von den Tuch- und Kaufkammern nämlich hätte er mit Rücksicht darauf, dass er sie auf eigene
Kosten hatte bauen lassen, sich selber Vorbehalten können. Deshalb betont er ausdrücklich, dass
er den sechsten Teil dieses Zinses den Vögten nicht von R e c h t s wegen, sondern aus besonderer
Gnade gebe. Ferner war es offenbar nicht üblich, dass den Vögten die Hofstätten z i n s f r e i über­
lassen wurden, denn auch diese Position des Dotationsverzeichnisses hat einen ähnlichen Vermerk.
Das Privileg Ladislaus Ellenlangs von 13068), in dem die Rechte der Stadt bestätigt wurden, führte
insofern zu einer Veränderung des Besitzstandes der Vogtei als nach dem Vorbild anderer Städte
anstelle des in der Gründungsurkunde zuerkannten Ackerlandes eine laufende Geldrente trat. Die
30 fränkischen Hufen der Urkunde von 1257 werden nämlich im Privileg von 1306 nicht mehr er­
wähnt. Dafür erscheinen einige neue Positionen: 1/6 des Zinses, den der Herzog von den städti­
schen Hufen erhält, der ganze herzogliche Zins von den Tuch- und Kaufkammern, wenn auch mit
der Auflage der Zahlung von 12 Mark und 8 Skot Silbers an die Domschule in Gnesen belastet, und
1/6 aller Einkünfte, die dem Herzog oder der Stadt innerhalb der Stadt zustehen. Ferner wird, um
den Verlust des Landbesitzes vollends auszugleichen, der Bau von Mühlen an der Rudawa und das
Fischen in der Weichsel bei Krakau von einer Erlaubnis der Vögte abhängig gemacht.
Zu Unrecht hat man die Urkunde Boleslaus des Schamhaften vom 10. Mai 1264 mit der Ausstattung
der Vogtei in Verbindung gebracht9). Die ewige Rente von 5 Mark, die die Kanoniker der Kollegiatkirche St. Michael in Krakau als Entschädigung für Rechte, die sie vor der Gründung der
Stadt innehatten, erhalten, soll aus dem städtischen Zins bestritten werden. Dieser Zins gehörte
aber dem Herzog und nicht dem Vogt. Der Passus „in Raschone aduocato et eius omnibus successoribus de censu ciuitatis“ besagt nicht, dass die Vögte die Kanoniker aus eigenen Mitteln ent­
schädigen sollen, sondern nur, dass sie als Einnehmer des städtischen Zinses für den Herzog dem
Herzog persönlich für die Auszahlung der 5 Mark an das Kollegiatstift bürgen. Der Vorfall hat ein
Seitenstück im benachbarten Schlesien. Die Bischöfe von Breslau, die in Liegnitz und Glogau aus
der Zeit vor der Kolonisation Rechte innehatten, auf die sie auf Bitten der Herzöge im Interesse
der Kolonisten verzichteten, wurden dafür von den Herzögen aus eigener Tasche — nicht etwa
aus den Einkünften der Stadtvögte — befriedigt. So erhielten die Glogauer Domherrn von Herzog
Konrad eine Reihe von Immunitätsprivilegien und Bischof Thomas von Herzog Boleslaus eine
jährliche Rente von 18 Mark aus den Einkünften der Münze in Liegnitz10).
Der besonders reichlichen Dotierung der Vogtei entsprachen aussergewöhnliche Kompetenzen auf
dem Gebiet der R e c h t s p f l e g e . Die niedere Gerichtsbarkeit stand den Vögten in vollem Umfang
und die höhere zum weitaus grössten Teil zu. Nur in schweren Fällen — wahrscheinlich in
den drei Fällen, in denen nach Magdeburgischem Recht das Gericht des Burggrafen oder des Land­
vogtes zuständig war — behielt sich der Herrscher das Recht vor, selbst zu richten oder ad hoc
einen Richter aus seinem Gefolge zu bestimmen. Das Versprechen „quod nullum eis preficiemus
aduocatum, nec specialem nec generalem“ 11) ist ein Verzicht auf die Einsetzung eines ständigen
8) CDCC I Nr. 3.
9) CDPM in I I Nr. 471, Ptasnik: W ojtow stw o krak. w w iekach srednich. Spraw. T ow . N auk. w e Lw ow ie 1924, S. 75ff.
10) T zschoppe und Stenzel: U rkundensam m lung zur Geschichte des Ursprungs der Städte in Schlesien und der O ber­
lausitz, H am burg 1832, Nr. 42 und 59, S. 330 und 367.
“ ) CDCC I Nr. 1.
94
Landvogtes. Damit war der Vogt auch vom Gericht des Landvogts, vor dem er nach den Bestim­
mungen des Magdeburgischen Rechts hätte antworten müssen, eximiert und konnte nur vor den
Herzog oder vor seinen Bevollmächtigten geladen werden. Ein solches Privileg hatten die Stadt­
vögte regelmässig nicht. Immerhin ist es für einige schlesische Städte — für Beuthen und Konstadt — sicher bezeugt, während es für Breslau nur wahrscheinlich ist12).
Von den m i l i t ä r i s c h e n Funktionen der Krakauer Vögte ist in der Gründungsurkunde nicht aus­
drücklich die Rede. Daraus, dass die Bürger sich an Kriegszügen ausserhalb des Landes nicht zu
beteiligen brauchten, folgt aber, dass sie zur Abwehr feindlicher Einfälle Krieger stellen mussten,
die zweifellos vom Vogt geführt wurden. Wieviel Krieger das aber waren und welche Bewaffnung
sie hatten, wissen wir nicht, und auch aus den Gründungsurkunden anderer Städte erfahren wir hier­
über nicht viel. Die Magdeburger Rechtsmitteilung für Goldberg, die bestimmt, dass die Bürger dem
Herzog 40 Bewaffnete zuzüglich der Knechte zu Hilfe senden müssen13), mag in ähnlicher Form
auch für Krakau gegolten haben. Anfänglich werden das leicht bewaffnete Fussoldaten und Reiter
gewesen sein, die — wenn man von den berittenen und schwer bewaffneten Patriziern absieht —
durchgängig das Truppenkontingent der Städte jener Zeit gebildet haben14). Die Lokationsurkunden
aus dem Ende des 13. Jahrts. verpflichten häufig die Vögte und Schulzen persönlich zur berittenen
Heeresfolge mit mehreren bewaffneten Knechten, die sie auf ihre eigenen Kosten ausrüsten mussten.
Der Vogt von Krakau wird vielleicht — ähnlich dem von Sandomir15) — aus eigenen Mitteln dem her­
zoglichen Heer vier solcher Knechte gestellt haben. Er war, wie in Magdeburg bis zum Aufkauf der
Vogtei durch den Rat im Jahre 1294, in dieser ersten Epoche der Stadtgeschichte auch für die
Verteidigung der Stadt verantwortlich18). Deshalb konnten die Vögte Albert und Heinrich Herzog
Ladislaus Ellenlang die Tore öffnen, wofür sie dann bekanntlich das Privileg von 1306 erhalten
haben17). Über den Einfluss des Rates auf die Verteidigung der Stadt ist aus Krakau aus der Zeit
vor dem Aufstand des Vogtes Albert nichts bekannt, während in Breslau Heinrich IV. schon 1281
die Kompetenzen des Erbvogts in dieser Hinsicht zugunsten des Rates eingeschränkt hat. Die vom
Ratsschreiber geführten Breslauer Stadtrechnungen weisen denn auch unter dem Jahre 1290 Aus­
gaben für militärische Zwecke auf18). Zur Zeit des Vogtes Albert war die Stadtvogtei befestigt und
lag auf einem der höchsten Punkte der Stadt an ihrem Ostrand an der Stelle des heutigen Domini­
kanerinnenklosters, wo man im Jahre 1938 Fundamente der Stadtmauer freigelegt hat. Der Bau
muss aus Holz gewesen sein, denn man hat im Kloster keinerlei romanische Mauerreste gefunden19).
12) Beuthen: Cod. dipl. Sil. B and V I, Nr. 1 S. 1 und Beilage zu Nr. 1 S. 177. „N ullu m ei advocatum preponem us, sed
eius fidei com m ittim us nostras vices in iudicio subportandas“ . K on sta d t: T zschoppe und Stenzel op. eit. Nr. 51 S. 344:
Ferner geben wir auch dem v o y t fernere und m ehr freyheit, dass kein v o g t n och am btsverw alter oder irkein richter
über ihn soll gesazt werden, ausgenom m en unser recht und iurisdiktion, die wir uns in grossen sachen Vorbehalten ha­
ben w ollen, wann sie ihm allzu gross oder w ichtig wären. Vielleicht hat auch Trachenberg dieses Privileg gehabt. Siehe
Tzschoppe und Stenzel Nr. 41 S. 329: Q uo usque vero civitas eadem sua libertate pocietu r, nullum iudicem super ipsam
constituem us etc. Breslau: Brünneck, D as B urggrafenam t und Schultheissentum in M agdeburg und H alle sowie die
U m bildung dieser Ä m ter durch das M agdeburg- schlesische und K ulm isch-preussische R ech t Berlin 1908, S. 42 if. und
Pürschel, E rich : D ie Stadtvogtei in Schlesien unter besonderer Berücksichtigung der Breslauer Stadtvogtei, Breslau
1899, S. 29 ff.
ls) Tzschoppe-Stenzel, Nr. la § 4 S. 271.
14) K öhler S: D ie E ntw icklung des Kriegswesens und der K riegsführung in der R itterzeit, I I I S. 93 ff Breslau 1887.
16) C odex diplom aticus Poloniae B and I I I , W arschau 1858 (H ersgeg. v o n B artoszew icz) N r .43 S. 146: cum quatuor balistariis... m ittendo ad expediciones.
16) Schranil, R .: Stadtverfassung nach M agdeburger R ech t. M agdeburg und H alle. Breslau 1915, S. 243, 154ff, 199, 202.
17) D lugopolski, E .: Bunt w ojta A lberta, R oczn ik K rakow ski V I I S. 140. A u ch in Posen hat der V o g t an der Spitze der
Bürger und der schlesischen R itter die Stadt gegen den grosspolnischen A d el verteidigt und die Posener Kathedrale
befestigt. D lugosz, H ist. Pol. I I I , S. 50 und P otkanski: W alka o P oznan, in R ozp ra w y P A U , W y dz. H ist. Fil. Band
38, S. 292 ff.
18) Grünhagen, Breslau unter den Piasten, S. 24 u nd 90. Cod. dipl. Sil. I I I , S. 3— 8, 18, 150 ff.
19) Uuszczkiewicz: N ajstarszy K ra k ow na podstaw ie badania topografii. R oczn ik K rak. I I S. 21. T om kow icz: Dwa zenskie klasztory w K rakow ie niegdys rezy d en cje sw ieckie. Festschrift f. Balzer I I , S. 609.
95
D ie V o g t e i in d e r Z e i t
vom
A u f s t a n d des V o g t e s
(1312— 1475)
A lbert
bis zum
Aufkauf
Der bereits erwähnte A u f s t a n d d e s V o g t e s A l b e r t , mit dessen Niederschlagung die erste
durch die führende Stellung des Stadtvogts gekennzeichnete Epoche der Verfassungsgeschichte
Krakaus endete, ist in der polnischen Literatur oft eingehend behandelt worden20). Hier sei nur
soviel gesagt, dass es sich um einen Aufstand der deutschen Bürger mehrerer kleinpolnischer Städte
gegen Herzog Ladislaus Ellenlang handelte, der das Ziel hatte, Kleinpolen wieder unter böhmische
Herrschaft zu bringen. Da König Johann von Böhmen sich aber einen auswärtigen Krieg
nicht gestatten konnte, weil er dadurch seine gerade gewonnene politische Stellung in
Böhmen aufs Spiel gesetzt hätte, musste er sich darauf beschränken, den Aufständischen den
Herzog Boleslaus von Oppeln mit einem kleinen Heer zu Hilfe zu schicken. Boleslaus
musste erfolglos abziehen, weil Ellenlang stärker war. Den Hauptanführer des Aufstandes,
eben den Vogt Albert von Krakau, nahm er mit sich nach Schlesien, während er die übrigen
Beteiligten der Rache des Herzogs überliess. Ellenlang liess eine Anzahl Bürger hinrichten
und liess im übrigen in den Strassen der Stadt ein Deutschenpogrom veranstalten. Das feste
Haus des Vogtes, in dem nach Dlugosch Herzog Boleslaus von Oppeln während seines Aufent­
haltes in Krakau gewohnt hat, liess der Herzog zerstören und errichtete an seiner Stelle eine
Befestigung, in die er eine Besatzung legte21).
Verfassungsrechtlich war die Folge des missglückten Aufstandes eine zeitweilige praktisch
nahezu völlige Aufhebung der städtischen Autonomie, während das Vogtamt, dessen Unabhän­
gigkeit seinem Träger ja den Aufstand möglich gemacht hatte, eine grundlegende strukturelle
Umgestaltung erfuhr, die ihm seine Bedeutung endgültig genommen hat.
Die Vögte verloren zum grossen Teil die Ausstattung, die sie bei der Gründung erhalten hatten.
Eine ganze Reihe von Vermögensstücken wurden von nun an von herzoglichen Beamten verwaltet.
Unter anderem floss jetzt auch der Zins von den Fleisch-, Brot- und Schuhbänken in die herzoglichen
Kassen22). Erst Kasimir der Grosse hat 1358 der Stadt eine Anzahl Tuchkammern, Brotbänke und
Kaufkammern von neuem verliehen23). Dem neuen Vogt verblieben nur 1/3 der Gerichtsgefälle und
einige Grundstücke und Einkünfte, über die wir nicht näher unterrichtet sind. Das Vogtamt verlor
jetzt seinen Charakter als erbliches Lehen und die Vögte wurden völlig abhängige herzogliche Be­
amte. Mehr noch. Um eine Kontrolle über die Gerichtsbarkeit des Vogtesausüben zu können, wurde
ein Landvogt eingesetzt, der nicht nur dem Grossen Ding Vorsitzen musste, wie es das Magdebur­
ger Recht bestimmte, sondern der darüber hinaus bei jeder Gerichtssitzung des Vogtes anwesend
sein musste. So erklärt sich das Auftreten von zwei Vögten im Stadtgericht in den Jahren nach
dem Aufstand. Aus einer Eintragung im Ältesten Stadtbuch vom 27. Juni 1321 geht klar hervor,
dass einer der beiden Vögte der Landvogt war. Es heisst dort: Franczko cum Vilhelmo, provinciali
advocato, incepit iudicium civitatis tenere24). Wilhelm erscheint schon 1317 und 1318 als advocatus
provincialis und 1314— 1319 und dann wieder 1321— 1323 treffen wir ihn zusammen mit jeweils
20) B obrzynski: B unt wöjt.a krakow skiego A lberta z r. 1311, B iblioteka W arszaw ska 1877, B and II I . D lu gopolski, B unt
w ojta A lberta, R ocz. K rak. B an d V I I , 1905. Z uletzt: A da m K lodzinski: Jeden cz y dw a b u n ty w öjta A lberta, in Studia
H istoryczne ku czci Stanislawa K u trzeb y, T o m I I , S. 339— 357, K rakau 1938.
21) Mon. Pol. H ist. I I S. 815. D lugosz, H ist. P ol. I I I S. 70. T om k ow icz: D w a klasztory etc. S. 605 ff. Gotische Mauer­
reste dieser Befestigung sind n och im D om inikanerinnenkloster zu sehen. Aus dem G raben ist nach und nach eine
Strasse gew orden, die heutige Strasse Na G rödku. W oh er D lugosz, H ist. P ol. I I I S. 68, weiss, dass Boleslaus von
Oppeln dort gew ohnt hat, wissen w ir nicht.
22) W ierzbow ski: M atricularum R egn i P olon iae Sum m aria, I Nr. 184, 721, 1132. K ierst W l.: W ielkorzqdy krak.
w 14— 16 stul. Przeglgd H ist. X S. 21 ff.
a3) CDCC I Nr. 32. S. 36 (1358).
a4) A L I S. 63.
96
einem anderen V ogt als Vorsitzenden des Stadtgerichts25). Ein Vogt allein kommt bis zum Jahre
1332 nur in einigen wenigen Fällen vor: am 11. Januar 1320 der Grosschaffer (procurator) Mathias26)
und Ende 1323 der Vogt Gerassius, der „tenuit utrumque iudicium solus de domini nostri regis
mandato“ 27). Beide Male war hier der Stadtvogt ausgeschaltet und beide Male waren die beiden
Vogtämter in der Hand des Landvogts bzw. Grosschaffers vereinigt28). Wenn man nach den Verhält­
nissen in Magdeburg und Schlesien urteilen kann, so hat der Landvogt die beiden Drittel der Ge­
richtsgefälle, die dem Herzog zustanden, der Stadtvogt sein eigenes Drittel eingenommen. So ist
es jedenfalls in Brieg, wo seit 1339 gleichfalls der Landvogt an den regelmässig alle zwei Wochen
abgehaltenen Dingen des Stadtvogts teilnahm, gewesen29). Aus dem Umstand, dass der Landvogt
Wilhelm stets an zweiter Stelle nachdem städtischen Vogt genannt wird30), kann man auf eine
ständige Sitte der städtischen Kanzlei schliessen, die auf diese Weise den Landvogt als einen
aufgezwungenen Eindringling, dessen Anwesenheit nach dem Gesetz jedenfalls nicht erfor­
derlich war, kennzeichnen wollte. Diese Kanzleisitte macht eine Scheidung der Landvögte
von den Stadtvögten in der Vogtliste dieser Zeit möglich. Mit dem Jahre 1324 beginnen die
Verhältnisse wieder normal zu werden. Nur in Ausnahmefällen kommen noch zwei Vögte neben­
einander vor. V on Mitte 1324— 1326 sitzt entweder Peter Gwiss oder Gerassius vor und nur einmal
haben beide gleichzeitig den Vorsitz inne31). Der letzte Fall des Vorkommens von zwei Vögten im
gewöhnlichen Stadtding betrifft die Vögte Staschko und Jäkel am 29. Mai 1329 und am 20. April
133032). Die beiden Stellen des Stadtbuches aus den Jahren 1332 und 1336 beziehen sich auf den
Vorsitz des Landvogts im Grossen Ding, der ihm ohnehin zustand, und können daher hier bereits
nicht mehr verwertet werden. Das Zwischenspiel, das von vornherein den Charakter einer Strafmassnahme hatte, war mithin im Jahre 1330 beendet — in der Hauptsache wohl deshalb,
weil sich das Verhältnis zwischen Herzog und Stadt inzwischen entspannt hatte. Erblich ist das
Vogtamt jedoch nicht mehr geworden und seine alte Ausstattung hat es auch nicht wieder zurück­
erhalten.
Im Laufe des Jahres 1332 oder zu Beginn des nächstfolgenden Jahres verpfändete oder verpach­
tete der Herzog zum ersten Male die Vogtei an den Rat von Krakau — ein Vorgang, der sich spä­
ter noch oft wiederholt hat. Der Herzog brauchte Geld, weil seine Kassen durch den Krieg mit
dem Orden erschöpft waren. Da der Übergang der Vogtei auf die Stadt für den Rat einen beträcht­
lichen Machtzuwachs bedeutete, mag ihm der Rat gern eine sicherlich hohe Summe zur Verfü­
gung gestellt haben. Von nun an waren die Vögte Pächter oder Beamte der Stadt. Seinen urkund­
lichen Ausdruck findet der Vorgang der Verpachtung bzw. Verpfändung der Vogtei an den
Rat in einer Stadtbucheintragung vom 5. Januar 1333. Hier heisst es vom Vogt Hanko
von Olkusch, dass er „tune advocaciam rexit ex parte civitatis“ 33). V ogt „ex parte civitatis“ war
auch Heynusz von Neisse, der 1341 das Vogtam t innehatte — ein Zeichen dafür, dass die Verpach­
tung nach dem Tode oder Amtsende des Vogtes Hanko fortbestanden hat. Aus den nächsten
zwanzig Jahren kennen wir von den Vögten nur die Namen und können daher über ihre Rechts­
stellung nichts aussagen. Es ist aber anzunehmen, dass sich in der Verpachtung an die Stadt nichts
geändert hat, weil eine so wichtige Änderung sicher urkundlich vermerkt worden wäre. Von 1366 bis
25) A L I S. 32, 34, 36; Nr. 290, 441, 447.
28) A L I Nr. 577.
27) A L I S. 71.
2S) Das w ar aber nur vorübergehend, denn bald darau f sehen wir den Gerassius w ieder zusam m en m it Peter Gwiss im
Stadtgericht. A L I Nr. 689 und 706.
29) Cod. dipl. Sil. I X S. 241, Nr. 27.
30) A L I Nr. 440, 632, 684.
31) A L I Nr. 745, 751, 752.
32) ebenda Nr. 1010 und 1030.
33) ebenda Nr. 1135.
97
1370 hatte die Stadt die Vogtei jedenfalls nachweisbar gepachtet, denn in einer Eintragung im
Stadtbuch unter dem Jahre 1370 ist von rückständigem Zins die Rede, den die Stadt dem König
für die Vogtei schulde34), und aus den Jahren 1366 und 1368 sind uns ferner zwei Versuche
königlicher Beamter bekannt, die Rechtsstellung des Stadtvogts zu erschüttern. A u f sie soll im
Folgenden näher eingegangen werden, weil sie sich als Bestrebungen zur Wiederherstellung der für
die Vögte ungünstigen Rechtslage aus den Jahren nach dem Aufstand des Vogtes Albert darstellen,
Im Rahmen der Streitigkeiten zwischen dem Grosschaffer von Krakau, dem Verwalter der kö­
niglichen Güter, und dem Rat von Krakau, die uns aus den Jahren 1362— 1372 überliefert sind,
ist der nur ein einziges Mal in den Quellen vorkommende Zusatz von Interesse, der sich in einer
den Vogt Nikolaus Mörder betreffenden Eintragung vom 5. Mai 1368 findet35). Es heisst dort
„advocatus ex parte regis vel procuratoris“ , was bedeutet, dass der König oder vielmehr der
Grosschaffer (procurator) den V ogt ernannt hat. Nikolaus Mörder nimmt aber nur an zwei Sit­
zungen teil, während in der dritten bereits wieder der Vogt Fronczko vorsitzt, dessen Amtsführung
durch Mörder nur auf ganz kurze Zeit unterbrochen worden ist36). Hier kann es sich nur um einen
Handstreich des Grosschaffers Bodzanta oder seines Vertreters handeln. Bodzanta und später
sein Nachfolger Pietrasz bemühten sich, Einfluss auf die Verwaltung und Rechtspflege in der
Stadt zu gewinnen — ähnlich wie sie ihn in anderen königlichen Städten des Krakauer Landes
bereits hatten. Den anderen — verfassungsgeschichtlich interessanteren — Versuch, die Selbst­
verwaltung der Stadt zu beeinträchtigen, hat der Vogt des Höchsten Gerichts zu Deutschem
Recht auf der Burg zu Krakau, Johann Goldinstein, unternommen. Er liess am 11. Mai 1366
den Stadtvogt Peschko verhaften und nahm den Vorsitz im Stadtgericht selber wahr.
Goldinstein wurde aber bald wieder abgesetzt, denn bereits am 26. Juni 1366 erscheint
von neuem ein Stadtvogt als Vorsitzer im Stadtgericht — Otto Westfal37). Dieser Vorgang
ist insofern bezeichnend, als aus ihm hervorgeht, dass sich der Vogt des Höchsten Gerichts
als Nachfolger des alten Landvogts fühlte und als solcher den Vorsitz im Gericht des Stadt­
vogts beanspruchte. Die letzte Aufzeichnung über die Landvogtei in Krakau stammt aus dem
Jahre 1337. In diesem Jahre erlässt nämlich der Krakauer Bürger Johannes, dictus Romanus,
als Vorsitzer des mit 7 Schultheissen besetzten Lehensgerichts zu Deutschem Recht auf
der Burg zu Krakau ein Urteil in Sachen der Scholtisei in Michalowice38). In derselben Sache hatte
vorher Gerassius — gleichfalls mit 7 Schultheissen — Recht gesprochen39). Da wir von Gerassius be­
stimmt wissen, dass er Landvogt war40), steht auch fest, dass der Krakauer Landvogt zugleich
Vogt des Lehensgerichts für die Vögte und Schulzen des Krakauer Landes, des Höchsten Gericht
auf der Burg zu Krakau, gewesen ist. Johannes Romanus, Nachfolger des Gerassius im Vogtamt
des Höchsten Gerichts, wird dem Gerassius auch in der Landvogtei gefolgt sein41). Hierfür spricht
schliesslich auch, dass unter den zahlreichen Titeln des Vogtes des Höchsten Gerichts der eines
„iudex provincialis“ bezw. „advocatus provincialis“ ständig wie der kehrt42). Wenn nun die
Landvogtei im A m t des Vogtes des Höchsten Gerichts aufgegangen ist, so ist der Wunsch der
Vögte des Höchsten Gerichts, in der städtischen Rechtspflege die Stelle einzunehmen, die die
“ ) ebfenda I I S. 22.
35) A cta Scab. Crac. herausgeg. v o n St. K rzyzanow ski, K rak. 1904, Nr. 272.
3li) A cta . Scab. Crac. Nr. 272 u nd 278.
37) A L I I S. 22. A cta Scab. Crac. Nr. 46, 52, 60, 67.
33) CDPM in I I I , 650.
39) ebenda
*°) A L S. 71 und Nr. 689 u nd 706.
41) In der Urkunde v on 1337 in CDPM in I I I , 650 erscheint n och ein gewisser Petirm annus m it dem T itel „P rovin cialis
iudiciorum villarum in terra Cracoviensi in iure T h ew tu nico“ . H ier kann es sich nur um einen M ann handeln, der vor
oder nach Gerassius L a n dvogt w ar und dessen T itulatur der Schreiber beibehalten hat.
42) CDPM in I Nr. 253, 338, 360; IV Nr. 1076, 1190 (ad voca tu s provincialis). CDPM in I Nr. 362 (iu d ex provincialis).
Landvögte nach dem Aufstand des Vogtes Albert innehatten, weiter nicht verwunderlich.
Das Vorgehen Goldinsteins hat offenbar in diesem Bestreben seinen Grund43).
Abgesehen von einem zwar bezeichnenden aber nicht sonderlich ernsthaften Zwischenfall aus
dem Jahre 1368, kennen wir keinerlei weitere Streitigkeiten zwischen dem Rat und dem Vogt
des Höchsten Gerichts wegen der Vogtei. Man kann deshalb annehmen, dass es den Krakauern, ähnlich den Bürgern schlesischer Städte, gelungen ist, die Landvogtei entweder
durch K auf oder durch eine Schenkung des Herrschers an sich zu bringen. Urkundlich belegt
ist dieser Vorgang in einem Passus der Anfrage, die der Rat von Krakau 1410 an die Schöffen
von Magdeburg gerichtet hat44). Die Stelle lautet: „A uch nach aldir gewonheit, wenn der dreyer
elicher adir echtir dinge czeit qwam, daz is not was eyen burcgrefen dorczu czu seczczen, so
saczte steits dy stat adir ratmanne eynen burcgrefen czu demselben grossen dinge czu vorsteen
mitzampt dem richter, also offte als des notdurft was. Und der selbe richter adir myteling nam
des grossen elichen dinges bussen, und nicht der konig“ 44. Die Krakauer Ratmannen haben also
zu den drei Grossen Dingen jedesmal einen Burggrafen ernannt, der zusammen mit dem Stadt­
vogt dem Gericht vorsass. Er und nicht der König hat im Grossding die Gebühren genommen.
So ist die Rechtslage im Anfang des 15. Jhrts. und sicherlich auch schon einige Zeit früher ge­
wesen.
In den Besitz der beiden Drittel der Gerichtsgefälle, die dem König auch von den Einkünften
des Grossdinges gehörten, kann die Stadt nicht ohne die Zustimmung des Königs gekommen
sein. Der Fall Goldinstein im Jahre 1366 ist das letzte Zeugnis eines Eingriffs des Landvogts
in die Stadtverfassung. Bald danach, entweder unter Kasimir dem Gr. oder noch unter Ludwig
von Ungarn, muss der Rat die Landvogtei erworben haben. Das Fehlen jeglicher Urkunde, den
Übergang der Landvogtei an die Stadt betreffend, lässt den Schluss zu, dass der V ogt des H öch­
sten Gerichts unter Berufung auf die Lokationsurkunde, in der ja die Bestellung eines Land­
vogts ausdrücklich ausgeschlossen war, vom Vorsitz im Grossding ausgeschlossen worden ist.
Der Rechtsanspruch der Vögte des Höchsten Gerichts stand ohnehin schliesslich auf schwachen
Füssen, denn, wenn sie sich auch in gewissem Umfang mit Recht als Rechtsnachfolger der Land­
vögte betrachteten, so hatte doch immerhin ihr Am t einen ganz anderen Charakter. Nachdem
der König den in der Gründungsurkunde ausgesprochenen Verzicht Boleslaus des Schamhaften
auf die Einsetzung eines Landvogts mehr oder weniger stillschweigend bestätigt hatte, began­
Siehe Niwinski op . eit. S. 71/72 und Ptasnik: Studia nad pa trycjatem krak. wiek. sredn. R oczn ik K rak. X V S. 64
über den Streit zwischen dem R atm ann K on rad F ettir u nd dem V o g t des H öchsten Gerichts Peter Penak am 12. März
i 3)
1368, der gleichfalls für dieses Bestreben der V ögte des H öchsten Gerichts kennzeichnend ist. (A L I I S. 21).
Estreicher St.: Nieznane teksty ortylow m agdeburskich. Studia Staropolskie, (Festschrift für Brückner) K rakau
1928, S. 116. O. Stobbe: E in M agdeburger Schöffenbrief für K rakau. Zeitschrift fü r R echtsgeschichte X (1872) S. 88
4i )
ff. Dieser für die Verfassungsgeschichte K rakaus in m ehrfacher H insicht w ichtige Sch öffen brief ist einer der ganz we­
nigen erhaltenen Originalsprüche der M agdeburger Schöffen für eine Stadt des alten Polens. E r w urde früher im A rch iv
des M etropolitankapitels in Gnesen auf bewahrt. Im Som m er vorigen Jahres w urde m ir auf eine Anfrage hin m itgeteilt,
dass die U rkunde nach dem K riege n och nicht wieder aufgefunden w orden sei. Inzw ischen w ird sie aber w ohl wieder
gefunden w orden sein. D as Stadtarchiv in K rakau besitzt eine P h otok op ie der U rkunde. D er andere Originalspruch,
den Estreicher gekannt hat und den er 1. c. kurz bespricht, w ar für Posen ergangen und gehörte dem Beginn des
16. Jhrts. an. N ach Estreicher w ird er in den Sam mlungen der Staatsbibliothek in K rakau aufbew ahrt. Ich habe ihn jed och
dort nicht finden können. Eingezogene Erkundigungen haben ergeben, dass Estreicher wahrscheinlich den Spruch
zwecks näherer Bearbeitung m it nach Hause genom m en hat. D a er dort nicht m ehr aufzufinden war, wird er wahr­
scheinlich m it den übrigen Materialien Estreichers zur Geschichte des D eutschen R ech ts in Polen zu Beginn des K rie­
ges v o n einem seiner V erw andten nach Lem berg gebracht und dort in einer B ibliothek verw ahrt w orden sein. Ein dritter
bei Estreicher nicht genannter O riginalspruch ist einer H dschr. der Staatsbibliothek in K rakau als V orsatzblatt hin­
zugefügt und arg verbunden. E r w ird in einer der nächsten N um m ern der Zeitschrift „D eu tsch e Forschung im Osten.
M itteilungen des Instituts für D eutsche O starbeit“ besprochen und reproduziert werden. Es handelt sich um einen
Spruch des 15. Jhrts. für K rakau.
99
nen die Ratmannen einen aus ihrer Mitte zum Vorsitzer des Grossdings zu wählen, der aber nun
nicht mehr Landvogt, sondern Burggraf hiess45). Das Vorbild für diesen Titel ist in Magdeburg
zu suchen, wo ja der Burggraf zusammen mit dem Schultheissen dem Grossen Ding vorsass.
Der Burggraf, der im 15. Jhrt. in den Stadtbüchern von Krakau auftaucht, ist der Nachfolger
des Landvogts. Der Stadtvogt, der mit ihm im Grossen Ding sass, hiess gleichfalls wie in Mag­
deburg Schultbeiss.
In den Jahren nach 1370 war die Vogtei nacheinander an mehrere Bürger verpachtet. Genaueres
über die Art der Verpachtung erfahren wir aber erst aus der Amtszeit des Vogtes Nikolaus Schaf­
fer. Er ist dreissig Jahre hindurch, nur mit kurzen Unterbrechungen, V ogt gewesen (1387— 1417)46).
Eine dieser Unterbrechungen, die in das Jahr 1394 fällt, belehrt uns darüber, dass Schaffer die
Vogtei unmittelbar vom König gepachtet hatte. Als sich nämlich Schaffer in dem genannten
Jahr vorübergehend in Geldverlegenheit befand, zahlten die Ratmannen, um ihm zu helfen,
dem König für ihn einen Teil des Pachtzinses und besetzten als Sicherheit die Vogtei mit von
ihnen ernannten Vögten47). Als sich die Vermögenslage Schaffers nach einigen Monaten wieder
gebessert hatte, gab der Rat das Pfand zurück und Schaffer nahm den Vogtstuhl wieder ein48).
Später pachtete der Rat die Vogtei vom König und verpachtete sie zum selben Pachtzins weiter.
Das war der Fall im Jahre 143149). Ob sich die Unterverpachtung durch den Rat auf dieses eine
Jahr beschränkt hat, können wir nicht sagen, weil die Stadtrechnungen der Jahre 1415— 1480
mit Ausnahme derer des Jahres 1431 nicht erhalten sind50). Jedenfalls hat der Rat schon 1434/35
die Vogtei nicht mehr gepachtet, denn am 18. Juni 1435 bezeugt der Ritter Jan Zakrzowski
vor dem Rat, dass der Vogt Siegmund ihm den Pachtzins für das ganze Jahr gezahlt habe51).
Zakrzowski behält die Vogtei bis 1441; dann geht sie auf Nikolaus Zakrzowski, den späteren
Kastellan von Weislitz, über, der sie als Sicherheit für ein dem König gegebenes Darlehn von
1000 Mark besitzt52). Nikolaus verpfändet die Vogtei zusammen mit dem Heringszoll am 12. Ja­
nuar 1442 für 1000 Mark an den Hofscbneider der Königin und Krakauer Ratmannen Peter
von Peisern mit dem Recht des Rückkaufs binnen zweier Jahre53). Erst 1453 und 1454 hat er
das Darlehn zurückgezahlt54). 1462 erbte sein Sohn Stanislaus die Vogtei55). Der Rat erhielt
dann am 16. Februar 1472 vom König das Recht, die Vogtei aufzukaufen56), machte aber zu­
nächst keinen Gebrauch davon, sondern gestattete, dass der Ratmann Peter Lang die Vogtei
von Zakrzowski erwarb. Aus seiner Hand ist dann die Vogtei im Jahre 1475 an den Rat über­
gegangen57). Die Stadt erwarb die Vogtei nicht zu Eigentum, sondern als Pfand für eine Summe,
45) Niwinski op. cit. S. 75.
46) A L S. 69 ff. 100, 102, 118, 135, 155, 191, 194, 219. Lib. Scab. Crac. im In d ex unter „S chaffer“ . CDCC I Nr. 65 und 69.
Cod. dipl. Cathed. Crac. I I Nr. 391, 422, 462, 559. Cod. dipl. U niv. Crac. I Nr. 23, 43, 60. A b d on K lodzinski: Najstarsza
K siega Sqdu N ajw yzszego Praw a Niem , na zam ku krak. in A rch. K om . Prawn. X (1936) Nr. 186, 191, 213, 645, 2024.
47) Paul W a ltd orf und Johann M önch, die v o n Januar bis Septem ber 1394 V ögte waren, waren v o m R a t ernannt. (Libri.
Scab. Crac. Nr. 1838 und 1868. A L I I S. 102. Li. Scab. Crac.Nr. 1877. A L . I I S. 124. Lib. Scab. Crac. Nr. 2029, 1821
u nd 1985. A L II S. 102). A m 23. Januar 1394, als Paul W a ltd o rf der Schöffenbank vorsass (L ib. Scab. Crac. Nr. 1985)
zahlten die krakauer Ratm annen für Nikolaus Schaffer dem B evollm ächtigten des K önigs, K aspar K rugil, 45 Mark
als Pachtzins für die V ogtei.
4S) A L I I S. 116: D om in i resignaverunt advocaciam et persolverunt Vicecancellario nom ine dom ini regis accipienti X X
m arcas, quas tenebant de advocacia predicta.
49) H andschrift des Stadtarchivs Nr. 1596, S. 30. Niwinski S. 79/80.
80) K atalog A rchiw um miasta K rakow a B a n d II , S. 213.
51) Consularia Cracoviensia Nr. 428 (S tad tarch iv K rakau) S. 343. N ach Niwinski op. cit. S. 80 zitiert.
62) E benda S. 424 (Niw inski S. 80 ); Scabinalia Cracoviensia Nr. 6, S. 172 (Stadtarch iv K ra k a u ); A rchiw um K om isji
H istorycznej P A U B and V I I I S. 187, CDCC I Nr. 138.
63) Cons. Crac. Nr. 428 S. 498. (N iw inski S. 81).
54) Starodawne Prawa Polskiego Pom niki, herausgeg. v o n Z. H elcel, B and I I Nr. 3543 u nd 3557.
66) Scab. Crac. Nr. 8 S. 276. (Stadtarch iv K rakau, Niw inski S. 85).
“ ) CDCC I Nr. 180 (16. II. 1472).
" ) CDCC I I Nr. 337
100
die der königliche Schatz ihr schuldete58). Da diese Summe aher nie zurückgezahlt wurde,
blieb die Vogtei anderthalb Jahrhunderte im Pfandbesitz des Rates, bis sie 1616 für ewige
Zeiten der Stadt einverleibt wurde59).
Der A ufkauf der Vogtei durch den Rat in Krakau steht nicht vereinzelt da. Vielmehr weist
die Geschichte der Stadtverfassung im ganzen östlichen Geltungsbereich des Deutschen Rechts
viele analoge Vorgänge auf. Die Unabhängigkeit des erblichen Vogtes musste sowohl dem Stadt­
herrn als auch dem Rat ein Dorn im Auge sein und deshalb musste sein Am t früher oder später
den ständigen Angriffen dieser Gewalten erliegen. Das geschah zwar oft zugunsten des Rates —
noch öfter jedoch zugunsten des Stadtherrn. In Schlesien kommt der A ufkauf durch den Rat
im 14. und 15. Jhrt. ziemlich häufig vor60). In Grosspolen erwarben Posen und Schildberg ihre
Vogteien im Jahre 1368, bald darauf folgten Fraustadt, Schrimm und Znin. 1543 kaufte Lentschütz seine Vogtei für 700 Mark, Petrikau erwarb sie sogar erst 163361). In Kleinpolen gingen
die Vogteien im allgemeinen später als in Schlesien und in Grosspolen an den Rat über. Der
Rat von Kasimir bei Krakau kaufte 1476 vom Krakauer Ratmann Walter Kesinger das Pfand­
recht an der Vogtei für 400 ungarische Gulden, für die Kesinger die Vogtei vom König als Pfand
erhalten hatte. Genau so war es in der späteren Krakauer Vorstadt Klepper, wo 1421 der Kra­
kauer Bürger Michael Lang den Ratmannen das Pfandrecht an der Vogtei gegen Zahlung von
296 Mark und 36 Groschen abtrat. Olkusch erwarb seine Vogtei 1409 für 1800 Mark Prager
Groschen von Peter Borek. In Neu-Sandez kam es zwischen 1464 und 1488 zum Aufkauf der
Vogtei, in Sandomir erst 1510. Die Stadt Lublin kaufte 1504 den gesamten Besitz der Vogtei
mit Ausnahme eines Hauses am Ring von der Krakauer Patrizierfamilie Morrenstein für 2400 Flo­
ren, die in 8 Raten zahlbar waren62). Komplizierter liegen die Dinge in Wieliczka. Im Jahre 1512
erwarb der Rat ein Drittel der Vogtei für 1800 Gulden von Peter Wapowski. 1545 kaufte die
Stadt den vierten Teil der Vogtei von Jadwiga Moszynska. Nach einer Urkunde Siegismunds II. von 1609 hat die Stadt bereits unter Ladislaus von Warna die Hälfte der Vogtei und die
andere Hälfte unter Siegmund I. erworben. Jedenfalls hatte der Rat am Anfang des 17. Jhrts.
die Vogtei völlig in seinem Besitz; er musste sie aber auf Befehl des Königs gewissen vom König
benannten Personen überlassen, die die Vogtei nach einer Taxe aufkauften. Die endgültige
58) Cons. Crac. H andschrift des Stadtarchivs in K rakau Nr. 429 S. 505. (N ach Niw inski S. 89).
69) V olum ina Legum I I I S. 139.
60) So hat der R a t v o n Breslau 1324— 26
3/ t
der V ogtei in der A ltsta dt Breslau u nd den R est 1329 und 1345 aufgekauft.
(K o rn , Breslauer U rkundenbuch Nr. 119 und 181). 1345 kaufte der R a t auch den R est der V ogtei in der N eustadt
Breslau auf (K orn Nr. 181 „Tarn in antiqua, quam in n ova civitate W ratislavia“ ), v on der er einen T eil bereits 1329
erw orben hatte. (K orn Nr. 137). In Liegnitz kaufte der R a t die V ogtei 1373 auf. (Schirrm acher, U rkundenbuch v o n
Liegnitz Nr. 284). Für viele andere Städte siehe die D aten bei T zschop pe und Stenzel op. cit S. 244.
61) Posen: W arschauer, Stadtbuch v o n Posen, Einl. S. 100. Schildberg: Codi dipl. Pol. I Nr. 139. Fraustadt: M oritz H .:
Geschichte Fraustadts im M ittelalter, Ztschr. der H ist. Gesellschaft f. d. P rov. Posen, X I X , 1904 S. 214, 242. Schrim m
und Znin: W arschauer, D ie städtischen A rch ive der P rovinz Posen, Lpzg. 1901, S. 239. 291. Für K alisch siehe CDPM aioris I I I Nr. 1414. Lentschütz: W itanow ski: M onografia L g czy cy , K rakau 1898, S. 146. Petrikau: V ol. Legum I I I S. 390.
62) K asim ir: Consul. Crac. N r. 429, S. 549. K lepper: Studia nad przedm iesciam i K rakow a, B ibi. K rak. Nr. 94 S. 108
ff. Olkusch: A rch . K o m . Praw. X Nr. 2583. Siehe auch ebenda Nr. 2645, 2700, 2768, 2982, 3139 und W askow ski:
Z przeszlosci Olkusza, B och nia 1891, Nr. 25. N eu-Sandez: Cod. dipl. P ol. I I I Nr. 220. H ier erscheint der E rb vogt v on
Sandez zum letzten Male. (1464). Das älteste erhaltene Stadtbu ch v o n N eu-Sandez für die Jahre 1488— 1505 kennt
bereits nur n och den advocatus iuratus, nicht m ehr den advocatus hereditarius. (Stadtarch iv K rakau, A /D . Nr. 49).
D er V o g t w urde in N eu-Sandez v o n den R atm annen gewählt, w ie z. Bsp. aus der Eintragung für 1490 hervorgeht „p er
electos dom inos iudicem Casprum cantrifusorem et iuratos“ . V o n 1513 ab hat dann der Starost, um den Einfluss der
deutschen Ratm annen zu schw ächen, den V o g t gelbst ernannt. (S zczfsn y M oraw ski: Sadeczyzna, B and I I S. 369).
Sandom ir: Buhnski M. M onografia m iasta Sandom ierza, W arschau 1879, S. 69 L u blin: M atricularum R egni Poloniae
Summaria, herausgeg. v on W ierzbow ski, B and I I I Nr. 1600, 1651, 1912. R iabin in: M aterialy do historii miasta Lublina,
1317— -1792, Lu blin 1937, Nr. 86, 88— 90, 92 u nd 93. Froelichow a Z .: Z d ziejow organizacji w ladz m iejskich m . Lublina
do konca 17 w ., Pam i^tnik Lubelski, B an d I, Lublin 1930, S. 83 ff.
101
Inkorporation der Vogtei erfolgte 160963). In Masowien erhielt die bedeutendste dortige Stadt,
Plozk, die Vogtei schon 1435 von Herzog Ladislaus mit einem Drittel der Gerichtsgefälle.
Der Herzog bestimmte bezüglich der W ahl des Vogtes, dass die Bürger jährlich drei Bewerber
vorschlagen sollten, von denen er einen aussuchen würde. Warschau gelangte erst 1609 in den
Besitz der Vogtei. Leslau in Kujawien besass 1577 eine Hälfte der Vogtei „ab antiquo“ , die
andere kauften die Bürger 1591 von Florian Jaraczewski für 200 Gulden. Seitdem wählte das
Stadtvolk aus der Zahl der Ratmannen zwei Kandidaten, von denen der Burgstarost einen zum
Vogt ernannte64). Von den reussischen Städten hat nur Lemberg seine Vogtei aufgekauft — und
zwar schon 1378 auf Grund eines Privilegs Herzogs Ladislaus von Oppeln, der den Ratmannen
auch das Recht verlieh, den V ogt aus ihrer Mitte zu wählen. Jagello bestätigte dieses Privileg
10 Jahre später, jedoch mit der Abänderung, dass die Ratmannen hei der Bestimmung des
Vogtes nicht auf die Mitglieder des Rates beschränkt seien65).
In Krakau wurde kurz nach dem A ufkauf der Vogtei durch einen Ratsbeschluss sogar
die Inkompatibilität von Ratszugehörigkeit und Vogtamt konstituiert66). Der Vogt durfte
nicht zugleich Ratmann sein. Das geschah deshalb, weil der Rat daran interessiert war,
die Zuständigkeiten des Vogtes und der Schöffenbank in der Rechtsprechung weitgehend ein­
zuschränken und sich ein Vogt, der zugleich zum Rat gehörte, diesen Bestrebungen zweifellos
wirksamer widersetzt hätte als ein Vogt, der nicht zugleich Ratmann war.
D ie
Z u stä n d igk eit
des
V og tes und der S ch ö ffe n b a n k
der R e c h t s p f l e g e
auf dem
G ebiet
Von den richterlichen Funktionen des Vogtes war die wichtigste der Vorsitz in der Schöffen­
bank, der weit wichtiger war als die Tätigkeit des Vogts als Einzelrichter oder als Beisitzer im
Gericht des Landvogts oder Burggrafen. Anfänglich lag die gesamte Rechtspflege in der Stadt
bei der Schöffenbank. Selbst die Einschränkung der Gründungsurkunde, nach der über Not,
Lage und Heimsuche der Bevollmächtigte des Herzogs richten sollte, wurde nicht lange ein­
gehalten. In der zweiten Hälfte des 14. Jhrdts. urteilt das Stadtgericht auch über Notzucht (Not)
und Hausfriedensbruch (Heimsuche)67).
Hinsichtlich der t e r r i t o r i a l e n Zuständigkeit unterstand dem Stadtvogt das ganze Stadtgebiet
und ausserdem der städtische Grundbesitz vor den Toren der Stadt68). Eine Ausweitung erfuhr
die Jurisdiktion der Schöffenbank durch zwei Privilegien Ludwigs von Ungarn. Durch das eine
Privileg erhielt die Stadt das Recht, im Umkreis von zwei Meilen Landgüter zu erwerben (1377)69)
und im anderen wurden diese Güter der städtischen Jurisdiktion unterstellt, mit der ausdrück­
lichen Berechtigung für die Bürger, alle Verbrecher innerhalb des Zweimeilengebietes zu fangen
und vor das Stadtgericht zu stellen (1378)70). Freilich sind die Bürger nicht stark genug gewesen,
dieses Privileg, das offensichtlich den Interessen des Adels widersprach, durchzusetzen. Nur
«*) K o d . dpi. W iel. S. 46/49, 55, 56, 91, 92.
M) P lozk: Gaw arecki W . H .: P rzyw ileje, nadania i sw ob od y przez krölöw polskich, ksiqzqt m azow iekich i biskupow
plock ich udzielone m iastom w ojew . plockiego, W arschau 1828, S. 169/70. W arsch au: W ierzbow ski T .: Przyw ileje kröl.
m. st. Starej W arszaw y, W arschau 1913, Nr. 93. Leslau: M orawski M .: M onografia W locla w ka , Leslau 1933, S. 177.
66) A k ta G rodzkie i Ziem skie I I I Nr. 26 und 46.
-*) CDCC II
Nr. 337.
67) A L I I 5. 38, 40, 47, 59.
6S) D ie Ä nderungen, die der städtische G rundbesitz und dam it die Jurisdiktion des Stadtgerichts im Laufe der Zeit
erfahren hat, sind lediglich v o n lokalem Interesse. D eshalb braucht darau f an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
D ie Frage ist aber v o n Niwinski op. cit. S. 101— 107 ausführlich behandelt w orden.
69) CDCC I Nr. 51.
70) CDCC I Nr. 53.
102
ein. Fall dieser Art, der Verkauf des Dorfes Grzegorzki an die Stadt im Jahre 138871), ist vor der
Schöffenbank verhandelt worden. In der Bestätigungsurkunde der Krakauer Privilegien
durch Jagello 1399 heisst es bereits, dass die Bürger zwar Landgüter erwerben dürfen, sie aber
zu Landrecht besitzen müssen72). Damit ist das Privileg von 1378 beseitigt, denn Prozesse über
ein Gut, das zu Landrecht besessen wird, können nicht vor dem Stadtgericht geführt werden.
Schliesslich gab es im städtischen Jurisdiktionsgebiet zahlreiche Enklaven, die dem König,
dem Adel und der Geistlichkeit gehörten und deshalb der Gerichtsbarkeit der Schöffen nicht
unterlagen. Die Stadt war ständig bemüht, die Zahl dieser Enklaven möglichst klein zu halten,
wenigstens aber die Vermietung dieser Häuser an Bürger zu erreichen, die zur Tragung der
städtischen Lasten beitragen und von der Schöffenbank Recht nehmen mussten73). Das ent­
sprach auch dem Privileg Kasimirs des Gr. von 1358, nach dem wohl die vom Adel bewohnten
Häuser steuerfrei waren, aber nicht die Mieter bürgerlichen Standes, die in diesen Häusern
wohnten.
Der Jurisdiktion der Schöffenbank unterlagen hinsichtlich der p e r s ö n l i c h e n Zuständigkeit
sowohl die Bürger, die das Bürgerrecht besassen (cives), als auch die Einwohner (incolae), die es
nicht besassen. Von dem Grundsatz, dass alle bürgerlichen Streitgkeiten unter den Bürgern und alle
Strafsachen, die einen Bürger betrafen, vor die Schöffenbank gehörten, gab es einige Ausnahmen.
So waren — wie schon hervorgehoben — anfänglich die drei schwersten Delikte, Not, Lage und
Heimsuche, dem herzoglichen Richter Vorbehalten. Ferner war für die Gerichtsbarkeit in Markt­
polizeisachen und für die Verhängung von Strafen wegen der Übertretung städtischer Willküren
der Rat zuständig. Endlich unterlagen Streitigkeiten, die „causae spirituales vel spiritualibus
annexae“ betrafen, der Beurteilung durch den geistlichen Richter, selbst dann, wenn alle Par­
teien bürgerlichen Standes waren74).
Die Zuständigkeitsregelung des Gründungsprivilegs, nach der jeweils der Kläger vor dem Richter
des Beklagten Recht nehmen musste (actor sequitur forum rei) erfuhr bereits durch das Pri­
vileg von 1306 eine Veränderung zugunsten der Bürger. Jetzt musste ein Adliger, Bauer oder
Bürger einer fremden Stadt, der in Krakau eine Schuld aufgenommen und sie nicht rechtzeitig
bezahlt hatte, vor dem Stadtvogt Recht nehmen und nirgends sonst. Auch wer innerhalb der
Stadtmauern einen anderen verwundete oder tötete und in der Stadt ergriffen wurde, unterlag
der Gerichtsbarkeit der Krakauer Schöffen. Diese Bestimmungen sollten die Bürger vor Ver­
lusten durch Kreditgewährung schützen und die Sicherheit in der Stadt garantieren. Das Privileg
K a s i m i r s des Gr. von l3 5 8 (CDCC I Nr. 32) bestimmte dann, dass der Adlige, der einen Bürger ver­
wundet oder getötet hat, sich nur vor dem königlichen Gericht, nicht vor der Schöffenbank zu verant­
worten habe. Jedoch sei das Deutsche Recht anzuwenden und drei Ratmannen oder sonstige
Bürger müssten der Verhandlung beiwohnen. Darüber, wo der Bürger eine Schuld des Adligen
bei ihm einzuklagen habe, ist im Privileg von 1358 nichts gesagt. Unter der Regierung Ludwigs
und Hedwigs erscheinen die Bürger fast garnicht vor den Gerichten des Polnischen Rechts,
während nach der Übernahme der Regierung durch Jagello sich die Fälle des Auftretens von
Bürgern vor den Landgerichten, den königlichen Gerichten und den Burggerichten häufen.
Man kann annehmen, dass es den Städtern unter Ludwig und Hedwig gelungen ist, den Adel
unter Berufung auf das an sich nach dem Aufstand des Vogtes Albert aufgehobene Privileg
71) CDCC I Nr. 66.
;
;
.
7a) CDCC I Nr. 90.
7S) CDCC I I Nr. 411, 413, 415, 420, 421, 470, 471. A L I N r. 1666.
74) D ie G eistlichkeit hat ausserdem versucht, Streitigkeiten, die aus dem K a u f städtischer R en ten durch physische oder
juristische geistliche Personen entstanden, v o r das geistliche G ericht zu ziehen. D eshalb bem ühte sich der R a t, den
R en ten k au f durch die Geistlichkeit zu verhindern und anstelle geistlicher Gläubiger m öglichst weltliche zn setzen
(K utrzeba, Finanse K rakow a, R oczn ik krak. I I I S. 103).
103
von 1306 vor ihr Gericht zu ziehen, und dass dann Jagello, der Kandidat des Adels, den Inter­
essen des Adels Rechnung tragend, dieses Verfahren untersagt hat.
Gegenüber den nichtadligen Teilen der Bevölkerung hat sich die Stadt freilich ihre Rechte aus
dem Privileg von 1306 wahren können. W ir erfahren nämlich aus den Gerichtsbüchern des 14.
und 15. Jhrts., dass Bauern und Bürger anderer Städte nicht nur für Mord und Wunden, son­
dern auch für alle anderen Verbrechen, die sie in Krakau begangen hatten, vor der Schöffen­
bank antworten mussten75). In bürgerlichen Klagen konnten diese Stadtfremden sich auf ihren
eigenen zuständigen Richter berufen, sie mussten dann aber eine Bürgschaft dafür leisten, dass
sie sich ihm auch wirklich stellen würden76). In Strafsachen war das jedoch nicht möglich77).
Streitigkeiten von Bürgern fremder Städte untereinander oder mit Krakauer Bürgern, die ge­
wöhnlich Handelssachen betrafen, wurden durch die Gastgerichte entschieden, in denen sich
die Schöffenbank eines vereinfachten und beschleunigten Verfahrens bediente. Die Eintragungen
über die Gastgerichte stehen in den Vogtbüchern in Krakau meistens unter der Rubrik „H ospites et villani“ .
Die Geistlichkeit war durch das „Privilegium fori“ den geistlichen Gerichten unterstellt. Vor
dem Stadtgericht musste der Priester nur Recht nehmen, wenn es sich um Streitigkeiten über
Grundstücke, die nicht von der städtischen Jurisdiktion ausgenommen waren, handelte78).
Dasselbe galt auch für Nachlassachen, an denen Geistliche beteiligt waren. In den Jahren 1361 bis
1370 kommen schliesslich einige Male Ächtungen von Klerikern wegen Mord und Wunden vor79).
Der städtischen Rechtsprechung unterlagen des weiteren nicht die Lehrer, Stundenten und
Pedelle der Universität. In Zivilsachen richtete über sie der Rektor, in Strafsachen das bischöf­
liche Gericht, wenn es sich um Geistliche, das königliche Gericht, wenn es sich um Personen
weltlichen Standes handelte80). Erst im 16. Jhrt. erlangten Stadt und Staat gemeinsam die Juris­
diktion über die Studenten81). Die Juden lebten nach ihrem eigenen Recht. Prozesse mit Christen
mussten sie vor dem Gericht des W ojewoden als des Vertreters des Königs führen. Der W ojewode sprach entweder persönlich Recht oder ernannte einen Bevollmächtigten82). W ir treffen
jedoch Juden als Beklagte auch vor den Land, Burg- und Stadtgerichten. So richtet auch der
Vogt von Krakau in Zivilsachen und leichteren Strafsachen über Juden83). Zuweilen berufen
sie sich auf ihr eigenes Gericht, was ihnen der V ogt gestattet, wenn sie Bürgschaft leisten84).
Wir sehen nach alledem, dass die Krakauer sich im Mittelalter bezüglich der Gerichtsbarkeit
in einer günstigen Situation befanden. Sie brauchten sich grundsätzlich nur ihrem eigenen Richter
zu stellen und nur in Ausnahmefällen einem fremden. Darüber hinaus war der städtische Richter
76) A L I I S. 12, 59, 100. Cons. Crac. H dschr. Nr. 427 (Stadtarch iv K rakau) S. 287. V ogtb ü ch er v o n K rakau H dschr.
Nr. 84 S. 231 und Nr. 87 S. 235. (Stadtarch iv K rakau).
76) V ogtbüch er H dschr. Nr. 88 S. 265; H dschr. Nr. 89 S. 306. H dschr. Nr. 90 S. 364; H dschr. Nr. 93 S. 258, 263, 264,
327. H dschr. Nr. 94 S. 282. Niwinski op. cit. S. 115 A n m . 2.
77) V ogtbüch er H dschr. Nr. 94 S. 313.
78) Scab. Crac. H dschr. Nr. 4
79) A L I I S. 3, 15 und 19.
S. 169.
80) Estreicher St.: S qdow n ictw o rektora krak. w w iekach srednich. R oczn ik krak. IV 1900 S. 252 ff.
81) Praw a, przyw ileje m . K rak. I Nr. 194 und 195.
8a) K utrzeba St.: Stanowisko prawne zy d öw w Polsce w X V w. P rzew odnik N aukow y i Literacki, 1901, S. 1012 ff.
Balaban M ajer, H istoria 2 y d o w w K rakow ie i na K azim ierzu 1304— 1868, B and I,
K rakau 1931, S. 366 ff., 373.
83) H dschr. Nr. 1054 Bl. 45 der B aw orow skibiblioth ek in Lem berg. (1442) H ier handelt es sich sogar um einen Prozess
zwischen zwei Juden. V ogtb ü ch er v o n K rakau H dschr. Nr. 93 S. 337.
84) V ogtbüch er Nr. 93 S. 288 und Nr. 96 S. 454; andere Gerichte hatten eine ähnliche Praxis. Vergl. K utrzeba, Sta­
nowisko prawne etc. S. 1151.
104
für eine ganze Reihe Stadtfremder zuständig, Bürger, Bauern und zeitweise sogar für Ange­
hörige der herrschenden Stände.
Die Schöffenbank versammelte sich zu gewöhnlichen und zu aussergewöhnlichen Sitzungen.
Die gewöhnlichen Sitzungen, die sog. iudicia bannita exposita, die gehegten Dinge, fanden alle
zwei Wochen am Freitag statt mit Ausnahme der geschlossenen Zeiten (Advent, Fastenzeit
und um Pfingsten). In den gewöhnlichen Dingen urteilten die Schöffen über alle Klagen, für
die sie zuständig waren, insbesondere waren diese Termine für die Entgegennahme von A uf­
lassungen vorgesehen. Die aussergewöhnlichen Sitzungen hiessen entweder iudicia opportuna
oder iudicia necessaria. In den iudicia opportuna wurden dieselben Sachen entschieden wie
im Ordentlichen Ding, jedoch konnten keine Auflassungen entgegengenommen werden. Die iudicia
necessaria fanden auf Antrag der Parteien in Sachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit statt, die
keinen Aufschub duldeten. Diese Gerichte waren an keinen bestimmten Zeitpunkt und an keinerlei
Formalitäten gebunden.
Als Einzelrichter fungierte der Vogt täglich in kleineren Zivil- und Strafsachen, in denen als
Beweis der Eid genügte. Im Augenblick, wo Zeugen erforderlich waren, verwies er die Sache
entweder aus eigener Initiative oder auf Antrag einer Partei an die Schöffenbank. Gegen das
Urteil des Vogtes konnten sich die Parteien an die Schöffenbank berufen. Auch Sachen der frei­
willigen Gerichtsbarkeit konnten vor dem Vogt allein erledigt werden, jedoch mit Ausnahme
von Auflassungen.
II.
DER
RAT
1257— 1312.
Vogt und Schöffenbank hatten einen Gegenspieler: den Rat. Der K am pf zwischen diesen beiden
Institutionen um die Führung in der Stadt ist das dramatische Moment in der Verfassungsge­
schichte vieler Städte des Deutschen Ostens. In Krakau konnte sich dieser Gegensatz nicht voll
entwickeln, da — wie wir gesehen haben — die Macht der Vögte nach der Niederschlagung des
Aufstandes des Vogtes Albert gebrochen war. Der ernannte Vogt bedeutete für den Rat keine
Konkurrenz, weil er bei weitem nicht die Bedeutung des früheren Erbvogtes hatte. Die Schöffenbank aber konnte dem Rat keinen ernsthaften Widerstand entgegensetzen, weil die Schöffen —
jedenfalls vom Jahre 1317 ab — vom Rat gewählt wurden.
Die Entstehung der Ratsverfassung in den oberitalienischen, flandrischen und westdeutschen Städ­
ten braucht an dieser Stelle nicht behandelt zu werden. In der Mutterstadt der meisten
Städte Polens, in Magdeburg, erscheint der Rat erst verhältnismässig spät, nämlich im Jahre 1244.
Die Gründungsurkunde von Krakau nimmt darauf Bezug, wenn sie sagt, dass Krakau nach
Breslauer Recht leben solle, jedoch so, wie es in Magdeburg angewandt werde. Das bedeutet,
dass Krakau nach dem Willen des Herzogs und seiner Lokatoren an der neuesten Entwicklung
des Magdeburgischen Rechts, die nach Breslau noch nicht gedrungen war, teilnehmen sollte85).
Aus den Jahren 1257— 1300 besitzen wir nur ein einziges Zeugnis über den Rat, aus dem wir
erfahren, dass der Rat in Krakau 7 Jahre nach der Gründung der Stadt bereits organisiert ist86).
85) Estreicher St.: K ra kow i M agdeburg w przyw üeju fu n d a cy jn y m krakow skim . Festschrift für Ulanowski, K rakau
1911. D ie in R ede stehende Stelle im Gründungsprivileg v o n K rakau CDCC I Nr. 1 lautet: eam eo iure locam us, quo
Wratislaviensis civitas est locata, u t non q u od ibi fit, red n on q u od ad M agdyburgensis civitatis ius et form am fieri
debeat advertatur.
86) Urkunde des Boleslaus Pudicus für die M ichaelskirche v o n 1264 in CD PM in I Nr. 66: E t h oc fecim us de com m uni
consensu et volu ntate advocati R aschonis et om n iu m scabinorum et consilii civitatis Cracoviensis.
105
Aus den Jahren bis zum Aufstand des Vogtes Albert, der auch für die Geschichte des Rates eine
Epoche ist, haben wir einige Zeugnisse mehr, so dass man die Jahre 1257— 1312 als einen ge­
schlossenen Zeitraum ansehen kann87). Sehen wir, was sich aus dieser Zeit über den Rat sagen
lässt!
Wie der Rat in Magdeburg aussah und was er dort für Funktionen hatte, wissen wir aus
den beiden Rechtsmitteilungen der Schöffen von Magdeburg für Breslau aus den Jahren 1261
und 1295. Aus Art. 1 der Rechtsmitteilung von 1261 geht hervor, dass der Rat alljährlich ge­
wählt wurde, und zwar von den Ratmannen des vergangenen Jahres (swenne sie nuwe kiesen),
und dass die Ratmannen beim Amtsantritt schwuren, Recht, Ehre und Vorteil der Stadt zu
wahren „so sie allerbest mugen und kunnen, mit der wisesten lute rate“ . Wie lagen die Dinge
nun in Krakau? Auch hier wurde der Rat alljährlich neu gewählt, denn seit dem Jahre 1300
sind uns sogar die Tage der Ratswahl erhalten88). Die Gewissheit, dass der neue Rat vom
alten gewählt wurde, haben wir jedoch erst aus dem Jahre 131989). In den Jahren vorher
drückt sich das Älteste Stadtbuch in dieser Hinsicht nicht bestimmt aus. Eidesformeln sind
uns aus dieser frühen Zeit nicht erhalten. Man kann aber als selbstverständlich annehmen, dass
die Ratmannen einen Eid geleistet haben. Über die Mitwirkung der „wisesten lute“ ist uns gleich­
falls aus diesen Jahren nichts bekannt. Die Artikel 2, 5, und 6 der Rechtsmitteilung von 1261
handeln von der richterlichen Funktion der Ratmannen. Sie sind nur in Sachen der Marktpo­
lizei zuständig und können nur eine Geldstrafe bis zu einer bestimmten Höhe verhängen. Sie
richten über den unehrlichen Händler, der falsche Masse und Gewichte benutzt oder Lebens­
mittel fälscht. Die Strafe hierfür sind 3 wendische Mark, die gleich 36 Schillingen sind. Die H okken, das sind kleine Lebensmittelhändler, können sie an Haut und Haaren oder nach ihrer Wahl
mit drei Schillingen strafen. Die Beschränkung auf 36 Schillinge bedeutet aucb, dass der Rat
seine Willküren, die städtischen Statuten, nicht unter eine höhere Strafdrohung stellen darf.
Das ist auch durch Aussprüche der Magdeburger Schöffen belegt90). Über die Teilnahme des
Rates an der streitigen Gerichtsbarkeit in Krakau haben wir aus dieser ersten Epoche seiner
Geschichte keinerlei Zeugnis. Erst aus den Jahren 1362 bis 1400 ist uns ein Liber Proscriptionum erhalten, ein Buch, in das die Ächtungen eingetragen wurden. Dagegen finden die A uf­
lassungen von Grundstücken schon zu Beginn des 14. Jhrts. vor Rat und Schöffen statt. Zeug­
nisse die Aufsicht des Rates über den Handel betreffend sind uns zwar erst aus späterer Zeit
in Form von diese Materie regelnden Willküren bekannt, wir können aber annehmen, dass in
dieser Hinsicht der R at von Krakau von Anfang an dieselbe Funktion wie der von Magdeburg
gehabt hat.
D e r E i n f l u ß d es S t a d t h e r r n a u f d en R a t u n d sei ne M i t w i r k u n g b e i d en R a t s b e s c h l ü s s e n
Auffallend ist, dass wir im Gegensatz zum Vogtamt, das ja durch die Gründungsurkunde in
seinen Funktionen und Einkünften bestimmt ist, kein herzogliches Statut für den Rat haben.
Der Rat hat sich ohne Zutun des Stadtherrn entwickelt. Die erste Aufzeichnung über eine Be­
ziehung zwischen Rat und Herzog stammt aus dem Jahre 1312 und bezieht sich darauf, dass
der Herzog dem Rat zur Strafe für seine Beteiligung am Aufstand das Recht der freien Ratswahl
nahm91). Seitdem hat der Landesherr stets durch seinen Bevollmächtigten den Rat wählen lassen
und erst Johann Sobieski hat der Stadt das Recht der freien Ratswähl zurückgegeben.
87) Patkaniow ski op. cit. S. 27.
88) A L I , 1, 22, 28, 33.
89) A L I Nr. 562; de m andato ducis per dom inum Spitconem et per antiquos consules n ovi consules sunt electi.
90) Behrend, D ie M agdeburger Fragen, Berlin 1865 B u ch I, K a p. 1 dist. 10 und 12. E benda: Beilage I I S. 212.
91) A L I , 234. „v o n hercogen W ladislaus geböte“ .
106
Der Einfluss des Fürsten auf die Zusammensetzung des Rates ist aber nicht auf die Bestimmung der
Persönlichkeit beschränkt gewesen. Auch auf die soziale Zusammensetzung hat er— wie wir aus einer
undatierten Urkunde Kasimirs des Gr. wissen — eingewirkt. In dieser Urkunde heisst es: quando . . .
consules eliguntur . . . ut medietas sit de populo mechanico, medietas vero de populo civili ac mercatorum92). In einigen Fällen erlässt der König das städtische Rechtsleben betreffende Verordnungen.
So sind die beiden Urkunden aus den Jahren 1336 und 1342 vom König sanktionierte Ratswillkü­
ren, die in erster Linie die Erweiterung der g e r i c h t l i c h e n Kompetenzen des Rates zum Gegen­
stand haben93). Wie aus dem W ortlaut hervorgeht, hat der Rat dem König die fertigen Willküren
vorgelegt, die der König dann erlassen hat94). Zuweilen überträgt der König aber auch aus eigener
Initiative dem Rat neue Funktionen oder nimmt ihm andererseits Rechte, die er bisher besessen
hat. Hierher gehören das Privileg Kasimirs des Gr., das die Ratmannen mit der Erhebung
von Strafen von fremden Kaufleuten für gewisse Übertretungen beauftragt95) und das Privileg
Ladislaus Jagellos von 1393, in dem er den Bürgern verbietet, Geistliche zu Vormündern ihrer
Kinder zu machen und die Ratmannen mit der Überwachung dieses Befehls beauftragt96). Ein­
griffe des Königs in die städtische Verwaltung fanden jedoch kaum statt. Die wichtigsten Tätig­
keitsgebiete des Rates, der Erlass städtischer Verwaltungsverordnungen und insbesondere die
städtische Finanzverwaltung, blieben vom König gänzlich unbeeinflusst. Das Verbot Kasimir
Jagellosohns von 144997), an Personen, die ausserhalb des Staatsgebietes wohnen, das Bürgerrecht
zu verleihen, galt auch für andere Städte und kann als Massnahme allgemeiner staatspolitischer
Natur hier nicht herangezogen werden. Der Rat verdankt seine Entwicklung nicht königlichen
Privilegien, sondern er hat sich seine Stellung in erster Linie durch die Macht der Tatsachen selber
geschaffen. Bezeichnend für die Unabhängigkeit, die zu wahren er sich gegenüber dem König be­
müht hat, ist eine Eintragung im Proskriptionsbuch, nach der ein gewisser Peter Neorse zu einer
Geldstrafe von 40 Mark verurteilt wurde, weil er Geheimnisse des Rates an den König verraten
hatte98).
D ie Z u s t ä n d i g k e i t
des R a t e s in S a c h e n
der R e c h t s p f le g e
Die Zuständigkeit des Rates auf dem Gebiet der Gerichtsbarkeit war — wie schon bemerkt —
durch die Magdeburg-Breslauer Rechtsmitteilung von 1261, bzw. das Magdeburger Schöffenrecht,
dessen Bestandteil ja dann diese Rechtsmitteilung geworden ist, auf Marktpolizeisachen und auf
die strafrechtliche Verfolgung von Übertretungen der Ratswillküren beschränkt, die wiederum
mit keiner höheren Strafe als mit 36 Schillingen belegt werden durften99). Der Rat konnte also die
Beobachtung seiner Gesetze mit eigener Gerichtsbarkeit durchsetzen. Mit der beträchtlichen
Ausweitung, die die Gesetzgebung des Rates im Laufe der Zeit erfuhr und mit der Bedeutung,
die seine Willküren für das gesamte städtische Leben gewannen, hängt nun der Aufschwung
zusammen, den der Rat zum Schaden der Schöffenbank als Institution der Rechtsprechung ge­
nommen hat.
92) Starodaw ne Prawa Polskiego Pom niki, B and I S. 226. (H erausgegeben v o n H elcel, W arschau 1856).
93) CDCC I Nr. 21 und 25. CDCC I I Nr. 259. § 14 und CDCC I I Nr. 260 § 1 und § 12.
94) CDCC I Nr. 21: fideles nostri consules et seniores nobis hum iliter suplicarunt. CDCC I Nr. 25: q u od ad instanciam
fidelium nostrorum consulum et seniorum.
95> CDCC I Nr. 29.
96) CDCC I Nr. 77.
9?) CDCC I Nr. 148.
K a czm a rczyk : Libri Iuris Civilis S. X I I I .
'
...
98) A L I I S. 30: Primus excessus, q u od secreta civitatis et consilii revelavit dom ino regi.
99) M agdeburger Schöffenrecht; A r t . 2: D ie ratm an haben die gewalt, daz sie richten über allerhande wanem aze und
Unrechte w age und Unrechte schephele unde über unrecht gew ichte unde über allerhande spisekouf unde über m eynkouf. A r t . 5: D ie liute, die dar hoken heizen, brechen sie oder m issetun sie waz an m einkoufe, sprichet m an in daz zu,
sie m uzen w ette hut unde har, oder drie Schillinge; daz stet aber an den ratm annen, w elich ir sie wollen. A r t . 6: O f
schefele oder ander maze zu kleine sin oder unrecht w aghe, daz m uzen sie w ol vorderen nach der stat kure, oder zu
bezzerende m it 36 Schillingen.
107
Über die Tätigkeit des Vogtes und der Schöffen als Prozessgericht haben wir für das 13. und
14. Jhrt.aus Krakau keinerlei Nachrichten. Das älteste erhaltene Stadtbuch enthältnur Eintragun­
gen, die die Freiwillige Gerichtsbarkeit betreffen. Quellenstellen zur Streitigen Gerichtsbarkeit
und zwar zu der des Rates besitzen wir erst aus der Mitte des 14. Jhrts. Sie sind im Liber proscriptionum (seit 1362) und den Acta Consularia (seit 1392) enthalten100). Aus dem Liber proscriptionum geht einwandfrei hervor, dass der Rat in Markt- und Handelssachen Recht gesprochen
hat101). Bei der Mehrzahl der Eintragungen handelt es sich jedoch um Verurteilungen zum Ver­
lassen der Stadt, sog. Proskriptionen, Ächtungen, die bis zum Jahre 1375 nichts weiter vermerken
als den Namen des Proskribierten und das Verbrechen, um dessentwillen er proskribiert worden
ist. Die späteren Eintragungen sind dagegen aufschlussreicher. Bei fast allen Proskriptionen han­
delt es sich um schwere Verbrechen102), über die zweifellos die Schöffenbank urteilen musste. Ver­
einzelt findet sich der ausdrückliche Hinweis darauf, dass die Proskription auf Befehl der
Ratmannen erfolgt sei103), und ziemlich häufig ist die Erklärung, der Rat habe den Verbrecher
„ex gracia speciali“ geächtet104). Aus einer Anzahl weiterer Eintragungen geht hervor, dass
zuweilen einflussreiche Persönlichkeiten den Rat gebeten haben, dem Verbrecher die Gnade der
Proskription zu erweisen. So wurden zwei Frauen, von denen eine mehrere Diebstähle begangen
hatte, auf Bitten der Königin, und ein Mann, der auf der Strasse zwischen Kasimir und Krakau
einen Notzuchtversuch gemacht und dabei der Frau Geld geraubt hatte, auf Bitten des Erz­
bischofs von Gnesen mit der Proskription belegt105). Schliesslich wurde ein Mann, von dem es
heisst, dass er wegen Mordes g e r i c h t l i c h v e r u r t e i l t worden sei, auf Bitten der Königin
für ewig aus der Stadt verwiesen106). Aus dieser letzten Eintragung geht hervor, dass der
Rat ein B e g n a d i g u n g s r e c h t gegenüber den Urteilen der Schöffenbank geübt hat. Der
Verbrecher selbst oder andere für ihn konnten den Rat bitten, das Urteil der Schöffen,
das in den hier berührten Fällen regelmässig auf Tod oder Verstümmelung gelautet haben
wird, aufzuheben. Der Rat hob das Urteil auf, verwies aber dann den Verbrecher ent­
weder für immer oder für ein Jahr aus der Stadt107). Dieses Verfahren steht in schroffem Wider­
spruch zu den Grundsätzen des Magdeburger Rechts. Nach dem Magdeburger Recht konnte der
Rat niemals ein Urteil der Schöffenbank aufheben. In Krakau aber hob der Rat die Urteile der
Schöffen auf und die Königin konnte, wenn sie die Begnadigung eines Verurteilten erreichen
wollte, nicht den König darum bitten, sondern musste sich an den Rat wenden.
Der Rat war aber nicht nur eine Gnadeninstanz, sondern er übte ausnahmsweise in Fällen,
über die eigentlich die Schöffen hätten urteilen müssen, auch die erstinstanzliche Strafgerichts­
barkeit aus108). Das ist im Proskriptionsbuch durch Eintragungen wie die folgenden
belegt: Ein königlicher Würdenträger ersucht den Rat, über einen Dieb, der im Gefängnis
der Stadt sitze, kein Urteil zu sprechen, weil er adlig sei109). Franke, ein früherer Gehilfe des
10°) Antiquissim i Libri, T eil II. (M onum enta M edii A evi H ist. T om IV , Pars II).
101) A L I I S. 80 und 174.
102) A L I I S. 3, 8, 13 und 33: Proscriptus pro h om icid io; pro winere m ortali; pro m utilacione m anus; prohibitus ob
m echiam sive adulterium cum u xore Johannis.
loa) A L II S. 32, 36: proscriptus ad m andatum dom inorum consulum ; A L II S. 51: prohibita est civitate per dom inos
consules.
lM) A L
I I S.
49,50,51,59.
105) A L
I I S.
60 und 59.
106) A L
I I S.
61.
107) Patkaniowski op. cit. S. 53— 57.
108) ders. S. 58/59.
109) A L I I S. 34.
108
Vogts, den die Ratmannen des Diebstahls schuldig erachtet haben, wird proskribiert110). Eine
Frau namens Nora wird auf dem Friedhof der Marienkirche bei der Ausübung der Unzucht er­
tappt und vom Rat proskribiert111). Ein Scholar und ein Mädchen werden, weil sie Weizen gestoh­
len haben, vom Rat aus der Stadt verwiesen, nachdem sie das Delikt vor dem Rat gestanden
haben112). Die Ratmannen ächten drei Schankwirte und einen Scholaren, die sich als Vogt bzw.
als Hauptmann der Stadtwache ausgegeben und allerlei Unfug getrieben haben113). Zwei Riemer­
gesellen werden vom Vogt vor dem Rat angeklagt114). Der Rektor der Schule zu Allerheiligen
verklagt eine ganze Reihe von Leuten vor dem Rat, weil sie einem seiner Schüler Unrecht zu­
gefügt hätten115). Jacussius wird wegen Diebstahls mit Ruten gezüchtigt, aber nicht proskri­
biert, Ozamblo aber wird, weil er Brot gestohlen hat, mit Ruten gezüchtigt und proskribiert116).
Wir sehen: Vor dem Rat wird die Anklage erhoben (coram dominis accusati), der Rat ver­
nimmt die Zeugen (coram dominis sunt confessi), der Rat spricht schliesslich das Urteil.
Trotzdem kann man nicht, wie es Patkaniowski tut117), annehmen, dass in der zweiten Hälfte
des 14. Jhrts. die gesamte Strafrechtspflege in Krakau in den Händen des Rates gelegen hat,
während die Schöffen sich nur mit der Zivilrechtspflege befassten. Patkaniowski ist zu diesem
Ergebnis gekommen, weil er bei der Analyse der Eintragungen im Liber Proscriptionum über­
sehen hat, dass von 1374 ab zu Beginn eines jeden Jahres der Name des Vogtes mit einem Hinweis
darauf verzeichnet ist, dass die Eintragungen aus seiner Amtszeit stammen. (Anno N.N. proscripti
et prohibiti a civitate circa advocatum N. N.). Die Bedeutung dieser Notiz erhellt aus der das
Jahr 1386 betreffenden Eintragung (S. 68 des Liber Proscriptionum). Dort heisst es, dass die
Aufzeichnungen des Vogtes Franczko de Montibus verloren seien und in das vorliegende Buch
nicht eingetragen worden seien. Die Listen der Proskribierten wurden also aufgrund von Aufzeich­
nungen der Vögte zusammengestellt. Die Aufzeichnungen der Vögte enthielten aber zweifellos
die Namen jener, die von der Schöffenbank zur Verbannung aus der Stadt verurteilt worden
waren. Mithin betrifft die grosse Mehrzahl der Ächtungen, bei denen weder vermerkt ist, dass sie
der R at erlassen hat, noch dass die Proskription gnadenweise geschehen ist, Urteile der Schöffen­
bank, die von vornherein auf Ächtung gelautet haben. Die Tatsache, dass die Proscriptionen
sämtlich im Ratsbuch verzeichnet wurden, ist darauf zurückzuführen, dass die Proskription
mit dem dauernden oder zeitweisen Verlust des Bürgerrechts verbunden war und der Rat wissen
wusste, wer das Bürgerrecht verloren hatte1173).
Seine Stellung in der Strafrechtspflege mag sich der Rat in der Weise verschafft haben, dass er
von der Verweisung aus der Stadt, die ihm als Sanktion für seine Willküren zur Verfügung
stand, auch in anderen Fällen als bei der Bestrafung von Übertretungen der Willküren Ge­
brauch gemacht hat. So hat er zunächst andere schwerere Strafen in die Proskription umge­
wandelt. Von da ist es aber zu einer eigenen Rechtsprechung des Rates auch in schweren Fällen
nur noch ein Schritt. Als rechtliche Grundlage, wenn überhaupt eine solche die Entwicklung
beeinflusst hat, mag der Schlusspassus in der von Kasimir dem Gr. sanktionierten Willküre von
110) A L I I S. 61.
m ) A L I I S. 51.
lla) A L I I S. 50.
113) A L I I S. 47.
u ‘ ) A L I I S. 81.
115) A L I I S. 95.
11B) A L I I S. 175.
117) Patkaniow ski op. cit. S. 60/61.
1173) Diese B erichtigung der A n sicht Patkaniow skis stam m t v o n Niw inski, der in seiner Besprechung des Patkaniowskischen Buches in R oczn iki dziejow spolecznych i gospod arczych B and IV , 1935, S. 351/57, u. a. auch durch
eine Stelle aus einem u ngedruckten V o g tb u ch (A d v o c. Crac. Nr. 83 S. 6) belegt, dass n och in der zweiten H älfte des
15. Jhrts., wenn auch selten, Proskriptionen v o n V o g t und Schöffenbank ausgesprochen w orden sind.
109
1342118) gedient haben, der besagt, dass die Verhandlung einer Sache vor dem Rat denselben
rechtlichen Erfolg habe wie die Verhandlung vor der Schöffenbank. Es heisst dort: Etsi consules
sederent in loco solito et consweto et aliqua secreta coram eis agerentur, quod hec tantam vim
et talem vigorem haberent, ac si coram iudicio bannito fierent vel fuissent facta. Die Bestimmung
ist eine freie Übersetzung einer Stelle aus der Breslauer Rechtsbelehrung für Brieg und Grottkau,
die Herzog Boleslaus III. von Schlesien und Liegnitz diesen Städten im Jahre 1324 verliehen
hat. Die entsprechende Breslauer Bestimmung hat folgenden W ortlaut: W ir wollen ouch das,
was vor eyme vollen rate wirt gesprochen unde gelobt, das alle kraft haben, glich yme gehegten
dinge119). Angesichts der engen Beziehungen Krakaus zu Breslau ist eine Übernahme dieser Pri­
vilegierung des Rates aus Breslau sehr wahrscheinlich. Die Krakauer Ratmannen werden nicht
versäumt haben, sich ihrer zu bedienen.
Über den Anteil von Rat und Schöffenbank an der Freiwilligen Gerichtsbarkeit unterrichtet
uns der „Liber resignationum“ , der als wichtigsten Bestandteil Aufzeichnungen über den Ver­
kauf von Grundstücken in der Stadt aus den Jahren 1300— 1375 enthält und Aufschluss über
die Zusammensetzung des Stadtgerichts, vor dem die Auflassungen erfolgt sind, gibt. Hier be­
gegnen wir der auffallenden Erscheinung, dass die Auflassungen vielfach vor den Schöffen und
vor dem Rat gleichzeitig, oft nur vor den Schöffen und seltener auch nur vor dem Rat erklärt
worden sind120). Die Führung dieses Buches, das den Eigentumswechsel an Grundstücken für
alle Ewigkeit festhalten sollte, oblag Rat und Schöffen gemeinsam. Der Stadtschreiber trug auf
Befehl des Rates die Vermerke in das gemeinsame Buch ein. Schöffen und Rat konnten sich
offenbar nicht darüber einigen, vor wem von beiden nun die Auflassungen erfolgen sollten. Der
Liber Resignationum endet mit dem Jahre 1375. Freilich enthält das Buch aus den Jahren 1360,
1365, 1369, 1371— 74 überhaupt keine Eintragungen und wird gegen Ende immer mehr zu einem
ausschliesslichen Ratsbuch. Die Schöffen hatten bereits 1365 ein eigenes Buch, das „Registrum
Scabinorum“ 121) zu führen begonnen, das gleichsam eine Fortsetzung des Liber Resignationum
ist. Das erste uns erhaltene ausschliessliche Ratsbuch beginnt erst 1392. Die Auflassungen stehen
aber nur noch in den Registra Scabinorum. Im übrigen wird aber auch in der Freiwilligen Gerichts­
barkeit die oben angezogene Willküre von 1342 dem Rat zur Ausweitung seiner Kompetenz
gedient haben, denn — wie wir aus den Ratsbüchern des 14. und 15. Jhrts. wissen — konnten
ausser den Auflassungen alle Akte der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vor dem Rat ebensogut wie
vor den Schöffen getätigt werden.
Interessant und kennzeichnend für die nahe Beziehung Krakaus zu Magdeburg am Ende des
13. und Anfang des 14. Jhrts. ist die Tatsache, dass auch in Magdeburg Unstimmigkeiten über die
Führung des Auflassungsbuches bestanden haben. Hier ist es sogar zu einem offenen Streit zwischen
Rat und Schöffen darüber gekommen. 1294 versuchte der Rat sich diese Funktion ausschliesslich
anzueignen. Das ist ihm aber nicht gelungen, denn von diesem Zeitpunkt an wurden in Magde­
burg zwei Bücher dieser Art, „boke der gifte“ , geführt, eines vom Rat und das andere von den
Schöffen.
Das Übergewicht, das der Rat in Krakau über die Schöffen gewonnen hat, kommt u. a. darin
zum Ausdruck, dass er sie gezwungen hat, die Ratswillküren in ihrer Rechtsprechung anzu­
wenden. Hierzu waren sie nach Magdeburgischem Recht nicht verpflichtet, es war ihnen im Ge­
genteil durch ihren Eid verboten: „Ich swere an diesem gerichte recht und gewere tun nach
118) CDCC I Nr. 25.
u ”) Tzschoppe und Stenzel op. cit. Nr. 125 § 33.
lao) A L I Nr. 1, 25, 236, 274b, 595, 707, 1078, 1135, 1159.
121) H erausgegeben v o n K rzyzanow ski, A cta Scabinalia Cracoviensia, K rakau 1904.
110
magdeburschin rechte“ heisst es im Schöppeneid und ähnlich in einem Magdeburger Schöffenspruch: „D y scheppin sullen orteil vinden noch beschrebenem rechte unde nicht noch wille­
koren122)“ . Der Eid der Schöffen von Krakau hat jedoch einen anderen W ortlaut: „W ir sweren
gote, das wir czu dem gerichte, dorczu wir gekorn sint, dem richter der stat und den leuten rechte
urteil finden wellen noch unserem besten vornemen, und den scheppenstul noch meidburgschem
rechte u n d n o c h d e r s t a d w i l k o r u n d h a n t f e s t e n vorsteen wellen, also gerechste so wir
können und mögen und wissen und des folge haben und das durch keyne sache lossen wellen.
So uns got helfe und dy heiligen“ 123). Das ist der Text des Behemkodex, den Behem aus dem
Grabowskikodex, der im letzten Viertel des 14. Jhrts. entstanden ist, abgeschrieben hat.
Damals muss also diese Pflicht der Schöffen, auch nach den Willküren des Rates Recht zu
sprechen, bereits bestanden haben124).
Die Bedeutung der Schöffen von Magdeburg beruhte darauf, dass sie „zu langer zit“ gewählt
wurden. So heisst es im Magdeburger Schöffenrecht, und die Magdeburger Rechtsmitteilung für
Kulm von 1338 interpretiert die Stelle dahin, dass die Schöffen lebenslänglich gekoren werden
sollen, und zwar von den Schöffen und nicht von den Ratmannen. Die Ratmannen mussten
dagegen nach Magdeburger Recht jährlich neu gewählt werden.
In Krakau lagen die Verhältnisse genau umgekehrt. Die Schöffen wurden alljährlich von den
Ratmannen neu gewählt und der Sitz im Rat wurde, jedenfalls im 15. Jhrt., zum lebenslänglichen
A m t,— eine Parallele zu Lübeck, wo auch die Ratmannen lebenslänglich amtierten125). Das ganze
14. Jhrt. hindurch ist uns die Wahl der Krakauer Schöffen durch den Rat bezeugt. W ir wissen nicht,
was für eine Rechtsgrundlage der Rat für dieses nach den Grundsätzen des Magdeburger Rechts
ungesetzliche Verfahren hatte. Wahrscheinlich überhaupt keine. Der Rat hat sich auch hier
über das Stadtrecht einfach hinweggesetzt, wenn es ihm unbequem wurde.
D ie Z u s a m m e n s e t z u n g
des
Rates
Rechtsquellen, die die Zusammensetzung des Rates bestimmen, haben wir in Krakau ausser­
ordentlich wenig. Es gibt lediglich das schon eingangs erwähnte Statut Kasimirs des Gr. und
einen Ratsbeschluss von 1404. Für die Beurteilung des Verhältnisses von Rat und Stadtvolk
kennen wir ausser dem Statut Kasimirs des Gr. nur noch eine Urkunde von 1418, die ein A b ­
kommen zwischen R at und Gemeinde enthält.
Über die Anzahl der Ratmannen sind wir aus einer Reihe von Stadtbucheintragungen aus den
Jahren 1283, 1289/90, 1300, 1312 und 1319 unterrichtet126). Krakau hatte regelmässig sechs R at­
mannen, eine Zahl, die sich grundsätzlich bis zum Jahre 1362 gehalten hat127). Das Magdeburger
Recht hat keine feste Norm für die Zahl der Ratmannen. In Magdeburg hatte der Rat am
Ende des 13. Jhrts. 12128), in Breslau 6 Mitglieder. Auch der Lemberger Rat bestand aus 6 Män­
nern, die vom Volk gewählt und vom Starosten als Bevollmächtigten des Königs ernannt wur­
den129).
122) Behrend, M agdeb. Fragen, I. 3, 3.
123) CDCC I I Nr. 367 § 3.
124) St. Estreicher: O nieznanym zbiorze wilkierzy m . K rakow a. (Spraw ozdania z posiedzen P A U , B and X I I I , Nr. 4,
1908). Einleitung zu N ajstarszy Z biör P rzyw ilejöw i W ilkierzy m . K rakow a, herausgegeben v o n St. Estreicher, K ra ­
kau 1936.
L26) H egel: Städte und Gilden der Germ anischen V ölker im M ittelalter, Leipzig 1891, B and I I S. 451.
126) A L I Nr. 25, 234, 562.
127) In den Jahren 1332 und 1333 waren es nur 5 R atm annen. (A L I Nr. 1101, 1124, 1135).
12s) M agdeburger Rechtsm itteilung für Breslau v o n 1295. L aband, M agdeburger Rechtsquellen IV .
129) Ptasnik in K w artalnik H istoryczn y , B an d 39. (W a lki o dem ok ra tyza cj? L w ow a od X V I do X V I I I w .).
111
Wenn uns auch aus den ersten Jahren der Geschichte des Krakauer Rates nichts über die Anzahl
der Ratmannen überliefert ist, so können wir doch angesichts der später ständig gleichbleibenden
Zahl annehmen, dass der Rat von jeher 6 Mitglieder gehabt hat. Anders wird das erst im Jahre
1362 bezw. in den Jahren zwischen 1350 und 1362, denn aus dieser Zeit haben wir keine Auf­
zeichnungen über die Ratswahl. 1362 hat der Rat jedenfalls 10 Mitglieder, die auch im nächsten
Jahr im Am t bleiben130). 1366 haben wir wieder 10, 1367 nur noch 8 und 1368 bereits wieder die
übliche Zahl von 6 Ratmannen131).
In das Jahr 1368 wird das undatierte Privileg Kasimirs des Gr., das die soziale Zusammensetzung
des Rates regelt, verlegt132). Hier wird gesagt, dass, wenn in Krakau durch den Grosschaffer
und den W ojewoden der Rat gewählt werde, die Hälfte der Ratmannen den Zünften, die andere
Hälfte dem Stadtvolk und dem Kaufmannsstande angehören sollten133). Der König fügt hinzu,
das geschehe deshalb, damit ein jeder zu seinem Recht komme. Demnach müssen also entweder
die Zünfte oder die Kaufleute bis dahin bei der Ratswahl benachteiligt worden sein. Die Benach­
teiligten waren die Zünfte, die nur sehr wenig Vertreter im Rat hatten. Das Statut ist die erste
Quelle zur Geschichte des Streites zwischen Kaufleuten und Zünften, über den wir aus späterer
Zeit so reichliches Material besitzen. Ausserdem ist die Urkunde auch dadurch interessant, dass
sie zum ersten Male die Wahl des Rates durch den Grosschaffer und den W ojewoden, die tat­
sächlich schon längere Zeit in Übung war, gesetzlich festlegt.
Die Frage nach der Entstehung des Konfliktes zwischen den städtischen Ständen, der sich offen­
bar gelegentlich der Resetzung der Ratsplätze ergeben hat und der durch das Statut Kasimirs
des Gr. beseitigt werden sollte, veranlasst uns dazu, unsere Aufmerksamkeit der Art und Weise
zuzuwenden, in der der Rat gewählt worden ist.
Bis zum Jahre 1312, als der Stadt zur Strafe für ihre führende Rolle im Aufstand des Vogtes
Albert das Recht der freien Ratswahl genommen wurde, hat man in Krakau sicherlich dem
Magdeburger Recht folgend den neuen Rat durch den abtretenden alten Rat alljährlich neu
wählen lassen134). 1312 bestimmte der Herzog die Ratsmitglieder, die nun — wiederum im Gegen­
satz zum Magdeburger Recht — sieben Jahre hintereinander im Am t blieben135). Im Juli 1319
wurde ein neuer Rat gewählt, diesmal auf Befehl des Herzogs durch den Kastellan von Weislitz
und die alten Ratmannen, wobei letzteres wie eine Erinnerung an die Art der Ratswahl vor
1312 anmutet136). Die Teilnahme der alten Ratmannen an der Wahl wiederholt sich aber nicht.
1321, 1323, 1324 und 1327 wird der R at vom Grosschaffer des Herzogs allein ernannt137). Auch
mit der Thronbesteigung Kasimirs des Gr. ändert sich das nicht. Das Verfahren erfährt im Ge­
genteil durch das Statut von 1368 sogar noch eine gesetzliche Verankerung und ist auch in Zu­
kunft beibehalten worden.
Die Ernennung des Rates durch einen Beamten des Herrschers hat jedoch nicht verhindern
können, dass die Zugehörigkeit zum Rat zum Privileg einer dünnen wirtschaftlichen Oberschicht
wurde, die sich gegen die übrige Stadtbevölkerung abschloss und deren Interessen im Stadt­
regiment wenig berücksichtigte. Der Herzog hatte zwar zunächst, unmittelbar nach dem A uf­
18°) A L I Nr. 1696.
m ) A L I Nr. 1702, 1703, 1705.
132) Starodawne Praw a Polskiego P om niki I S. 226.
) E benda, u t medietas consulum sit
D ie D atierung stam m t v o n Piekosinski.
de pop u lo m echanico, medietas vero
de pop u lo
civili vel m ercatorum .
134) L aband: D as M agdeburger Schöffenrecht V I I § 1. M agdeburger W eistum fü r K ulm . Laband
135) A L I Nr. 234, 258, 288, 293, 318,
334, 391, 532.
13«) A L I Nr. 562.
137) A L I Nr. 618, 688, 743, 870.
112
V I I I § 1.
stand, ein begreifliches Interesse an der persönlichen Zusammensetzung des Rates und mag
seinem Beamten in dieser Hinsicht Richtlinien erteilt haben, später jedoch wird er die Auswahl
der Ratmannen dem Grosschaffer überlassen haben. Der Wandel findet auch in den Urkunden
seinen Ausdruck: 1321 wählt der Grosschaffer „de mandato regio“ , 1343 wählt er nur noch „auctoritate domini regis“ 138). Die alten Ratmannen werden nun mit dem königlichen Beamten in Ver­
bindung getreten sein und ihn dafür gewonnen haben, sie alle oder einige von ihnen jahrelang
hintereinander im Am t zu lassen, woraus die häufige Wiederkehr derselben Namen in den Rats­
listen sich erklärt.
Darüber, ob das Gesetz Kasimirs des Gr., die Beteiligung der Zünfte am Rat betreffend, befolgt
worden ist, können wir deshalb nichts aussagen, weil uns aus den letzten drei Jahrzehnten des 14.
Jahrhunderts keine Stadtbucheintragungen über die Ratswahl erhalten sind. Auffallend sind die
Schwankungen, die die zahlenmässige Zusammensetzung des Ratskollegiums in dieser Zeit erfah­
ren hat139). Diese Erscheinung hat ihren Grund darin, dass die alten Ratsmitglieder nicht abgetre­
ten sind, sondern zusammen mit den neugewählten Ratmannen auch weiterhin am Stadtregiment
teilgenommen haben140). Unter den Ratmannen, die als consules antiqui oder seniores dem Rat
auch nach Ablauf ihrer einjährigen Amtszeit angehörten, sind offenbar nicht nur die Ratmannen
des letztvergangenen Jahres, sondern auch die weiter zurückhegender Jahre zu verstehen, denn
die 14 alten Ratmannen des Jahres 1395 werden schwerlich nur die des Jahres 1394 gewesen sein141).
Zunächst werden die alten Ratmannen den neuen Rat lediglich eingeführt und über die laufenden
Geschäfte unterrichtet haben. Nach und nach werden sie sich dann immer mehr an der Am ts­
führung des neuen Rates beteiligt haben und sind schliesslich, übrigens ohne eine formale Rechts­
grundlage, weiter im Rat verbheben. A u f diese Weise hat sich eine privilegierte Schicht von Ratsfamilien heraus gebildet, deren Angehörige das Ratmannenamt lebenslänglich bekleidet haben.
Diese Entwicklung führte zu einer sonderbaren Verkehrung des Sinnes, den die Institution des
Rates ursprünglich gehabt hat. Aus der eigentlichen Vertretung der Stadt wurde ein Organ, dem­
gegenüber die Mehrzahl der Bürger ihre Rechte verteidigen musste, Je mehr die alten Ratmannen
an Einfluss gewannen, umsoweniger konnte sich der Rat durch frische Kräfte erneuern. Er erstarrte,
entartete und wurde zu einer reinen Interessenvertretung. Die Kluft zwischen ihm und der städti­
schen Gesellschaft, „der ganczen gemeyne“ , wurde unvermeidbar.
Auch innerhalb des Rates selbst hat das Verbleiben der alten Ratmannen im Rat zu Verwirrung
und zu Misshelligkeiten geführt. Deshalb erging am 17. Dezember 1404 eine Willküre, die verordnete, dass von nun an aus den derzeitigen Mitgliedern des Rates für jedes der drei folgenden
Jahre durch das Los amtsführende Kollegien, die aus 8 bzw. 6 Ratmannen bestanden, bestimmt
werden sollten142).
Ob bei dieser Regelung Einflüsse des Lübischen Rechts eine Rolle gespielt haben, muss dahin­
gestellt bleiben. Zu bedenken ist jedenfalls, dass die Krakauer Wilküre vom Jahre 1404 eine fehler­
138) A L I Nr. 618 u nd 1512.
139) Piekosinski: E inleitung zum CDCC. „ R a jc y miasta K rakow a“ .
14°) Für das Jahr 1395 kennen w ir z. B . 18 neue und alte R atm annen. (A L I liS . 127).
141) A L I I S. 166: D om in i consules anni presentis videlicet (folgen 6 N am en) una cum senioribus (folgen 14 Nam en).
142) A n der M itw oche in der Q uatuortem pir n och Sinte Lucien tage n och Christi geburt MCCCC und vier ja r, dy herren
ratm anne m it den eldisten m it eyntrechtigen rate und gem eyner vory ow ortu n ge alle eyns w orden sint, und habin driy
rate gesaczt und geteylt u nd haben dorinne gelosit, daz das neste körnende irste iar siczczen sullen (folgen 8 Namen).
Das andir iar dornach sullen siczczen (folgen 9 N am en). Das dritte iar (folgen 6 N am en). Das haben d y vorgesch ob en
ratm anne alle yderm an o ff seynen e y t genom en, das sy di vorgeschriben schickunge n och irem bestin vorm ogin haldin
w ollin. Patkaniow ski op. cit. S. 91/2. H dschr. des Stadtarchivs in K rakau Nr. 427 S. 202.
hafte Entwicklung berichtigen sollte, während in Lübeck die Lebenslänglichkeit des Ratmannen­
amtes und die Teilung des Rates in zwei Kollegien, deren jedes zwei Jahre hindurch die Geschäfte
führte, am Anfang der Stadtgeschichte steht und auf Heinrich den Löwen zurückzuführen ist143).
Die Willküre von 1404 setzte die Zahl der Ratmannen für die nächsten drei Jahre auf 24 und die
Amtsdauer des Rates auf drei Jahre fest. Im Erfolg blieb die Dreiteilung aber auch für später er­
halten und bewirkte, dass die einmal gewählten Ratmannen lebenslänglich im Am t blieben. Das
Ratskollegium schloss sich nun völlig ab. Zu einer Neuwahl kam es nur dann, wenn einer der 24
Ratmannen starb und sein Platz durch einen anderen besetzt werden musste. Die regierenden R at­
mannen wurden alljährlich vom W ojewoden von Krakau als Vertreter des Königs aus der Schar
der 24 Männer ausgewählt und diese Art und Weise der Wahl des Neuen Rates hat sich ebenso wie
die Zahl der Mitglieder des Gesamtrates im Wege des Gewohnheitsrechts herausgebildet. Seine
gesetzliche Sanktion hat dieser Zustand erst sehr viel später, nämlich durch ein Dekret König
Siegmund Augusts vom Jahre 1565 erhalten144).
Die jeweils „sitzenden Ratmannen“ haben aber nur anfänglich allein regieren können145), weil die
Tendenz zur Mitwirkung aller Ratsmitglieder bei den Beschlüssen auch nach dem Jahre 1404
erhalten geblieben ist. So erscheinen schon von 1407 ab die alten Ratmannen wieder gleichberech­
tigt neben den neuen, sei es nun, dass es sich um den Erlass einer Willküre, um einen Verkauf auf
Wiederkauf oder um irgend etwas anderes handelte146). Wie wir in einigen Fällen feststellen können,
kam es auch wieder zu Streitigkeiten zwischen dem Alten und dem Neuen Rat. Die „Rathmannen
jung und alte“ bestimmen 1442, dass der Neue Rat die Schöffen nicht allein wählen dürfe, son­
dern dass „ane dy alden herren sulche kure nicht mee gesehen sal“ 147). Der Neue Rat hatte also
eine Zeitlang die Schöffen ohne Mitwirkung der alten Ratmannen gewählt. Eine ähnliche Willküre,
die dem Neuen Rat die Verpfändung und Belastung der städtischen Einkünfte ohne einhellige
Genehmigung des Alten Rates verbietet, kennen wir aus dem Jahre 1463148).
D as K o l l e g i u m
der Sechszehn Männer
Es ist nur natürlich, dass eine Oligarchie wie die des Alten und Neuen Rates von Krakau, die nicht
nur die grosse Masse der Bevölkerung vom Stadtregiment fernhielt, sondern auch die wirtschaftlich
und kulturell tragende Gesellschaftschicht, die wohlhabenden Kaufleute und Zunftmeister, jedes
Einflusses auf die Geschicke der Stadt beraubte, auf die Dauer nicht unbehelligt herrschen konnte.
Immerhin erfahren wir von einer Empörung der Kaufleute und Zünfte gegen den Rat erst verhält­
nismässig spät, nämlich im Jahre 1418, als drei hohe Beamte im Aufträge des Königs zwischen dem
Alten und dem Neuen Rat einerseits und der Gemeinde andererseits einen Schiedsspruch fällen149).
Der Schiedsspruch beweist, dass die Kaufleute und Zunftmeister darüber unzufrieden waren, dass
der Rat ohne ihre Mitwirkung aussergewöhnliche Steuern erhoben und ihnen über die Verwendung
143) Frensdorff: D ie Stadt- u nd Gerichtsverfassung L ü becks im 12. und 13. Jhrt. L ü b eck 1861 S. 101.
144) Prawa, przyw ileje i statuta. B and I H e ft 1 Nr. 203: D er K ön ig sagt hier, dass „electu m fuisse anno proxim e praeterito quendam in consulem Cracouiensem in locu m alterius consulis superstitis, qui m ortuus esse pu tabitur, per
eiusm odique electionem consuetudini antiquissim ae illius civitatis etiam inde ab ultim a h om inum m em oria longo
usu confirm atae, esset derogatum propterea, q u od ultra num erum viginti quatuor consulum vigesim us quintus ordim
illi adiectus esset“ . „P rospicientes insuper, u t consules civitatis Cracoviae deinceps sint advitales, n on alias eligantur,
quam in dem ortuorum locu m , tu m vero u t num erus consulum n on am plior semper sit, quam viginti q uatuor iu xta
consuetudinem antiquitus observatam “ .
145) CDCC I I Nr. 292— 294 und 296.
14e) CDCC I I Nr. 298.
147) CDCC I I Nr. 322.
148) CDCC II Nr. 332.
14#) CDCC I Nr. 111.
114
der Gelder aus diesen Steuern keine Rechnung gelegt hat. Dieselben Misstände haben gleichfalls
im Jahre 1418 in Breslau zu einer sogar blutig verlaufenen Empörung der Zünfte gegen den Rat
geführt. Dlugosch berichtet darüber, dass die Breslauer am 19. Juli 1418 einen Überfall auf das
Rathaus gemacht und dabei 6 Ratmannen getötet hätten. Hervorgerufen sei dieser Aufstand
dadurch worden, dass die Ratmannen „frequentibus tributis et exactionibus, de quibus rationem
nonreddebant, eam multipliciter gravaverant“ 150). Die zeitliche Nähe der Ereignisse — der Breslauer
Aufstand fand am 19. Juli statt und der Schiedsspruch der königlichen Beamten ist vom 7. Sep­
tember datiert — lässt vermuten, dass die Krakauer vom Aufstand der Breslauer gehört haben und
nun auch ihrerseits rebellisch geworden sind. Ohne die Vermittlung des Königs wäre es vielleicht
auch in Krakau zu einer ernsteren Auseinandersetzung gekommen.
Durch den Schiedsspruch von 1418 wurde die Stadtverfassung um eine neue Einrichtung, das
Kollegium der 16 Männer, bereichert. Dieses Organ, das der Bürgerschaft eine gewisse Beteiligung
an der Regierung der Stadt verschaffen sollte, hatte acht von der Kaufmannschaft und acht von
den Zünften gewählte Mitglieder151). Sie sollten sich im Namen der Gemeinde in städtischen Angele­
genheiten mit dem Rat verständigen, sollten aber sonst wie alle anderen Bürger auch dem Rat
gehorsam sein, „also daz der rath yn seynen alden wirden vnd macht bleybe“ . Ihre Sitzungen soll­
ten sie nicht heimlich in Klöstern oder Bürgerhäusern, sondern auf dem Rathause abhalten, und
zwar nur dann, wenn es unbedingt nötig und der Rat damit einverstanden wäre. Ohne ihr Wissen
sollte der Rat keine Willküren erlassen und weder einen aussergewöhnlichen Schoss noch eine an­
dere grosse Abgabe erheben. W enn der Rat über die Erträge der Steuern und ihre Verwendung
Rechnung lege, so solle das vor den 16 Männern geschehen152). Die Partei, die gegen das Abkommen
verstosse, solle schliesslich zur Strafe an den König 4000 Mark zahlen.
Bei näherer Betrachtung erweist sich, dass die Bürgerschaft aus diesem Streit keinen allzugrossen
Gewinn davongetragen hat. Von einer Beteiligung der 16 Männer an der Gesetzgebung des Rates
ist in den Jahren nach 1418 nichts zu verspüren und die Finanzaufsicht ist von vornherein auf
ausserordentliche Steuern und ihre Verwendung beschränkt gewesen. Zur Besserung der Beziehun­
gen zwischen Rat und Gemeinde hat der Schiedsspruch aber doch beigetragen, denn grössere
Streitigkeiten kennen wir erst wieder aus dem 16. Jhrt. Es sind jene Auseinandersetzungen der
Bürgerschaft mit dem Rat, die durch die Verordnung König Siegmunds des Alten von 1521 für
das Stadtvolk günstiger als die früheren durch den Schiedsspruch von 1418 beendet worden
sind153). Abgesehen von der praktischen Bedeutung des Schiedsspruchs ist aber die Tatsache, dass
man das Organ der 16 Männer überhaupt geschaffen hat, bezeichnend für das Verhältnis zwischen
Rat und Bürgerschaft zu Beginn des 15. Jhrts. Der Rat stand der Gemeinde als fremde, feindliche
Organisation gegenüber, die man beaufsichtigen musste, um von ihr nicht übervorteilt zu werden.
D a s B ü r g e r m e i s t e r a m t in K r a k a u i m M i t t e l a l t e r
Über das Verhältnis der Ratmannen z u e i n a n d e r ist wenig zu sagen, insbesondere wissen wir
nicht, ob und wann die Willküren einstimmig oder mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit be­
schlossen werden mussten. Aus den Quellen sind uns sowohl einstimmige Beschlüsse, die ausdrückl6°) D lu gosz: H istoria P olon ica, B u ch X I (1418). In Breslau hatte es bereits 1406 einen ähnlichen A ufstand gegeben,
(D lugosch, H ist. P ol. B u ch X (1406).
151) „W a s gem eyde h ette czu reden adir czu w erbin v o n dem e rathe vm b e gebrechin adir from en der stat, do sal man
nicht m eer kysen denne sechczen personen“ CDCC I Nr. 111.
152) E benda: „v n d wenne der rath v o n dem selbin vn gew onlichem geschosse adir grossem vngelde rechenunge thuen
wurde, so sullen sye d y sechczene m annen haben“ .
iss) p rawa, przyw ileje, statuta B and I, H eft 1 Nr. 17.
115
lieh als solche bezeichnet sind, als auch Beschlüsse bekannt, die unter dem besonders vermerkten
Vorbehalt einzelner Ratmannen ergangen sind184).
In erster Linie verdient unser Interesse in diesem Zusammenhang das Am t des B ü r g e r m e i s t e r s ,
der in deutschen Städten im Reich vielfach als Vorsitzender des Rates auftritt und als solcher unter
den Ratmannen einen bevorzugten Platz einnimmt. Die wenigen den Bürgermeister betreffenden
Nachrichten aus Krakau sollen im Folgenden sämtlich erwähnt werden.
In einem Schuldanerkenntnis des Herzogs Swantebor von Stettin vom Jahre 1396 ist von dem
„burgermeister und ratmannen der stat Cracow“ die Rede“ 155). Die Stadtrechnungen des Jahres
1398 verzeichnen eine Ausgabe für einen neuen Ring für den „preconsul“ , wie der Bürgermeister
lateinisch hiess156), und schliesslich enthalten die Ratsbücher eine Eintragung aus dem Jahre 1400,
die Kopie eines Briefes der Krakauer Schöffen an die Bürger von Sandomir, die folgenden Wortlaut
hat: V or uns in gehegtin dinge, das Nicolaus Schaffner, vnsir voyt, sas, habin dy erbarn unsir
liben eldsten rathmanne der stat Cracow durch den burgemeyster off dy czeyt geklagit und gelautmert157).
W ir erfahren aus diesen spärlichen Quellenstellen, dass das Am t des Bürgermeisters in Krakau erst
im letzten Jahrzehnt des 14. Jhrts. entstanden ist. Vielleicht zeugt auch der Umstand, dass man
dem Bürgermeister erst damals einen Ring gekauft hat, für die Neuheit des Amtes in Krakau zu
jener Zeit. Im übrigen können wir aus dieser ersten Periode des Bürgermeisteramtes nur sagen,
dass der Bürgermeister der Repräsentant des Rates war, dass er dessen Befehle ausführte und dass
seine Amtsdauer irgendwie zeitlich begrenzt war158).
Eine unmittelbare Übernahme des Bürgermeisteramtes aus Magdeburg ist angesichts des späten
Auftretens des Bürgermeisters in Krakau ausgeschlossen. Magdeburg kennt den Bürgermeister
als Vorsitzenden und als Vollzugsorgan des Rates bereits im Jahre 1240. Was hätte wohl die Kra­
kauer veranlassen können, so lange mit der Einführung des Bürgermeisters in ihre eigene Stadt­
verfassung zu warten, wenn sie in dieser Hinsicht das Vorbild Magdeburgs im Auge gehabt hätten ?
Wahrscheinlicher ist die Entstehung des Bürgermeisteramtes aus den bereits geschilderten ver­
worrenen Verhältnissen im Rat am Ende des 14. Jhrts. zu erklären159). Angesichts der ständig
wechselnden Anzahl der Ratmannen und der andauernden Einmischung des Alten Rats in die Am ts­
geschäfte bestand ein dringendes Bedürfnis nach einem über den Parteien stehenden gleichsam
bürokratischem Vollzugsorgan, einem Amtsträger, der die Sitzungen zu leiten und den Rat nach
aussen zu repräsentieren hatte.
Von den weiteren Schicksalen des Bürgermeisteramtes wissen wir genau so wenig wie von seiner
Entstehung. Die Ratsbücher erwähnen im Jahre 1409 einen Preconsul Petrus Geytan160), in den
Bürgerbüchern kommt der Bürgermeister in den Jahren 1430 und 1432 vor161), in der in Basel ge­
gebenen Urkunde des Kardinals Bernhard vom Jahre 1445 heisst es: „ex parte magistri civium,
consulum et scabinorum ac civium civitatis Cracoviensis nobis oblata peticio continebat“ 162), und
1M) CDCC I I Nr. 315. CDCC II S. 129.
165) CDCC I Nr. 84.
156) CDCC I I S. 320.
157) A L I I S. 219.
168) E benda: „h abin d y rathm anne durch den burgem eyster o ff dy czey t geklait und gelautm ert“ .
169) Patkaniow ski op. cit. S. 107 ff.
16°) Consul. Crac. H dschr. Nr. 427 S. 354. (Stadtarch iv Krakau).
161) Libri Iur. Civ. Nr. 4276 und 4418.
162) CDCC I Nr. 144.
116
eine Willküre von 1460 bedroht den Ratmann, der, wenn die Glocke zur Sitzung ertönt, nicht auf
das Rathaus kommt, mit Strafe: „iswere denne, das hervm b strenger, redlicher not vnd sache wil­
len also schir nicht komen mochte; idach ane loube des burgermeisters und kuntthuung sulcher
seiner notdorftigen sachin sal her das nicht thuen“ . Am Ende des 15. Jhrts. erwähnen dann die
Urkunden der polnischen Könige regelmässig den Bürgermeister und die Ratmannen von Kra­
kau163), während der Rat selbst in seinen Willküren den Bürgermeister nicht nennt. In Krakau
heisst es stets „W ir rathmanne der stat Cracow“ bzw. „N os Consules Civitatis, niemals wie z. B.
in Kasimir bei Krakau „Proconsul et Consules civitatis Kazimiriae a Cracoviae“ 164). In Anbetracht
der wenigen und lakonischen Erwähnungen kann der Bürgermeister in Krakau jedenfalls keine
besondere Bedeutung gehabt haben.
Genaueres über die Organisation dieses Amtes erfahren wir erst aus dem Beginn des 16. Jhrts.,
aus einer Willküre von 1507, in der einer der Ratmannen mit dem Bemerken, dass er „a u f dy czeyt
burgermeister“ sei, genannt wird, und in der des weiteren von der „burgermeisterschaft, dy alle
wochen czwuesschen den sitzenden heren umbe geet“ die Rede ist165). Damals wurden demnach die
Geschäfte des Bürgermeisters jede W oche von einem anderen der regierenden Ratmannen wahr­
genommen, was vielleicht auch schon im 15. Jhrt. der Fall gewesen ist. Dann wäre der Ausdruck
„burgermeister auf dy czeyt“ in der oben zitierten Stadtbucheintragung von 1400 gleichfalls in die­
sem Sinne zu deuten. Der Ratmann, der jeweils als Bürgermeister fungierte, wird die anderen R at­
mannen vertreten haben — eine Entwicklung, die damit zusammenhängt, dass die Sitze im Rat
lebenslänglich geworden waren und die Ratmannen, die ja die Geschäfte der Stadt nach wie vor
ehrenamtlich erledigten, sich nicht ständig zur Verfügung halten konnten166). A u f diese Weise wa­
ren alle Mitglieder des Neuen Rates abwechselnd Bürgermeister und deshalb konnte der Bürger­
meister in Krakau nicht zum Vorgesetzten der übrigen Ratmannen werden. Der Bürgermeister
hat endlich bei weitem nicht alle Kompetenzen des Rates gehabt, denn Willküren und Statuten
sind niemals von ihm, sondern nur vom gesamten Ratskollegium erlassen worden.
D er
R a t a ls G e s e t z g e b e r
Bevor die Zuständigkeit des Krakauer Rates auf dem Gebiet der Gesetzgebung besprochen wird,
soll zunächst etwas über die Ratsgesetzgebung nach Magdeburgischem Recht im allgemeinen
gesagt werden. Nach der Magdeburger Rechtsmitteilung von 1261 (Art. 3) bzw. nach dem Magde­
burger Schöffenrecht hatte alles, was der Rat beschloss, in der Stadt Gesetzeskraft. Verstösse gegen
seine Beschlüsse richtete der Rat selbst. Als der Tätigkeitsbereich des Rates immer grösser wurde,
beschränkte er sich nicht mehr darauf, Verordnungen in Marktpolizeisachen zu erlassen, sondern
regelte durch seine Willküren nahezu alle Gebiete des städtischen Lebens. Damit war die Gefahr
des Missbrauchs gegeben, die die Rechtsmitteilung von 1261 dadurch zu bannen versuchte, dass
sie den Erlass von Willküren nur zuliess, wenn sie in der allgemeinen Versammlung der Bürger,
dem Burding, beschlossen wurden, und wenn die „wisesten lute“ hierbei zu Rate gezogen wurden167).
Die Vorbehalte des Magdeburger Schöffenrechts müssen sich jedoch als unzureichend erwiesen
haben, wie aus den Beschränkungen zu ersehen ist, die dem Rat hinsichtlich der Gesetzgebung
durch die Urteile der Schöffen von Magdeburg auferlegt wurden. Diesmal betrafen die Beschränkun­
gen den Inhalt der Willküren. So wurde dem Rat verboten, Willküren zu erlassen, die das „bei“ ) CDCC I I Nr. 329.
1M) CDCC I I Nr. 349.
i65) Praw a, P rzyw ileje i Statuta, B and I, H eft 1, Nr. 1.
186) Patkaniow ski op. cit. S. 111.
197) „D ie ratm an legen ir burding us, swenne so sie wullen m it der wisesten lute rate, swaz sie danne zu dem e burdinge
geloben, daz sol m an halden, swelich m an das b rich et, daz sullen die ratm an vorderen “ . (A rt. 3 M agdeburger R ech ts­
m itteilung für Breslau v o n 1261).
117
schrebene gemeyne recht“ betrafen oder es gar abänderten168). Der Rat durfte nicht an die Normen
des Magdeburger Rechts rühren, weil der Mutterstadt natürlich daran lag, dass die nach ihrem
Vorbild angelegte Verfassung der Tochterstädte rein erhalten blieb. Ferner unterlagen Angele­
genheiten des Kirchenrechts nicht der Gesetzgebung des Rates169).
Den übrigen weiten Bereich der Gesetzgebung des Rates versuchten die Schöffen von Magdeburg
dadurch einzuschränken, dass sie dem Rat die Androhung von anderen Strafen als von Geldstrafen
in seinen Willküren verboten170). Ausser der Geldstrafe stand dem Rat nur noch die Proskription
zur Verfügung171). Das Verbot der Androhung von Todesstrafe und Leibesstrafen sollte offensicht­
lich verhindern, dass der Rat sich die Gesetzgebung in Strafsachen aneignete. Das Strafrecht
sollte dasselbe bleiben wie in Magdeburg.
Bei der Betrachtung der Willküren des Krakauer Rates sondert man zweckmässig die grosse Gruppe
der Zunftstatuten von den übrigen Willküren. W ir haben aus Krakau über 40 Zunftstatuten,
über die es eine umfangreiche polnische Literatur gibt172).
Die übrigen Willküren gliedern wir nach dem Inhalt in solche, die sich mit der Stadtverfassung,
dem Zivilrecht, dem Strafrecht und der Verwaltung der Stadt befassen.
Das Verfassungsrecht war an und für sich von der Gesetzgebungsbefugnis des Rates ausgeschlos­
sen. Trotzdem haben wir aber Krakauer Willküren verfassungsrechtlichen Inhalts. So werden durch
die schon erwähnte Willküre von 1342 dem Rat die Befugnisse der Schöffenbank in gehegtem Dinge
zuerkannt, was natürlich dem Magdeburger Recht in hohem Masse widerspricht173). Die zweite
wichtige Willküre, die die Stadtverfassung betrifft, ist die gleichfalls bereits besprochene Willküre
von 1404, in der das Verhältnis des Alten Rates zum Neuen Rat für die Zukunft geregelt wurde.
Hierher gehört auch die Willküre von 1452, die bestimmt, dass die Schöffen vom Alten und vom
Neuen Rat gemeinsam gewählt werden sollen. Die W ahl der Schöffen durch den Rat ist gleichfalls
ein grober Verstoss gegen die Grundsätze des Magdeburger Rechts. Schliesslich sind noch die
Willküren von 1463 und 1475 zu erwähnen, von denen die erstere dem Neuen Rat verbietet, ohne
Mitwirkung des Alten Rats die Einkünfte der Stadt zu verpfänden oder zu belasten, und die
letztere die Inkompatibilität zwischen dem Am t des Ratmannen und dem des Vogtes bestimmt174).
Zivilrechtliche Bestimmungen des Rates finden sich nur in solchen Willküren, die mit königlicher
Sanktion erlassen worden sind. So regeln die Willküren von 1342 und 1363 Angelegenheiten des
Erbrechts. W ir lesen dort, dass ein Bürger, der seinen Tod herannahen fühlt oder der eine Pilger­
fahrt oder sonst eine lange Reise unternehmen will, in Gegenwart von drei Ratmannen einen oder
mehrere Vormünder für seine Kinder oder seine sonstigen minderjährigen Verwandten ernennen
kann. Die Vormünder können von den Verwandten der Kinder nicht abgesetzt werden, bevor das
16S) Behrend, M agdeb. Fragen. I. 1, 10 und 11.
169) Behrend: M agdeburger Fragen I. 1, 11. „W a s geistlich recht antrit und wertlich recht nicht ruret, do m ögen sy
nicht willekure u ff seczen“ .
17°) Ebenda und Beilage I I S. 212,
171) Ebenda.
172) D ie wichtigeren
A rbeiten
sollen im
Folgenden
genannt w erden:
Chmiel,
Organizacja
m iejska i cechow .
R oczn ik K rak. B and IV . Pazdro Z b .: U czniow ie i tow arzysze cech ow krakow skich, Lem berg 1900. Steslowicz: Cechy
krakow skie w okresie pow staw ania i w zrostu. K w art. H ist. 1892. B ü cher: D ie alten Zun ft- und Verkehrsordnungen
der Stadt K rakau. W ien 1889. Chmiel: R zezn icy krakow scy, K rakau 1930. L epszy: Cech zlotn iczy w K rakow ie, R oczn.
krak. B and I.
173) CDCC I I Nr. 260. „E ts i consules sederent in lo co solito et con su eto, et aliqua secreta coram eis agerentur, q u o d hec tantam vim et talem vigorem haberent, ac si coram iu dicio bannito fierent v el fuissent fa cta “ .
174) CDCC I I Nr. 332 und 337.
118
Kind 15 Jahre alt geworden ist. Wenn sich das Mündel verheiratet, übernimmt der Ehemann die
Vormundschaft175). In der Willküre von 1363 heisst es, dass nach dem Tode der Frau alle ihre be­
wegliche Habe an ihren Mann und ihre Kinder fällt. Hat sie keine Kinder, so fällt alle bewegliche
Habe, die sie dem Manne eingebracht hat, an ihre Schwester oder ihre nächste Verwandte. Wenn
der Mann bereits zweimal verheiratet war und dann zum dritten Male heiratet und stirbt, so fällt
die bewegliche Habe, die die beiden anderen Frauen eingebracht haben, an die Witwe176). Schliess­
lich stehen in den beiden Willküren noch einige andere privatrechtliche Bestimmungen. W er ein
Grundstück gekauft hat und es ohne rechte Widerspräche (sine iusta allocucione) Jahr und Tag
besitzt, hat es zu Recht inne. Wessen Grundstück mit einem Pfand belastet ist, der kann das
Grundstück erst nach Jahr und Tag verkaufen (§§ 3 und 10). Ausser den in den beiden genannten
Willküren enthaltenen hat der Rat von Krakau keine zivilrechtlichen Gesetze erlassen.
Dagegen sind die Bestimmungen, die sich mit dem Strafrecht befassen, zahlreicher. Vom mate­
riellen Strafrecht wird der Totschlag, die Rückkehr eines Geächteten, die Entführung einer Frau,
der Waffengebrauch, die Fälschung von Gemässen und das Glücksspiel behandelt.
Wer wegen Totschlages beklagt sich schuldig fühlt und aus der Stadt flieht, der soll proskribiert
werden und wenn er sich später mit den Verwandten des Getöteten aussöhnt, so soll er doch noch
zwei Jahre danach die Stadt nicht betreten dürfen. W er aber wegen Totschlages beklagt den
Unschuldseid schwört, der soll auch in den folgenden beiden Jahren der Stadt fernbleiben (introitu civitatis carebit per duos annos continue sequentes). Hat aber einer den Unschuldseid ge­
schworen und stellt sich hinterher heraus, dass er falsch geschworen hat, so soll er vom Rat nach
Gutdünken wegen Meineides bestraft werden177).
Hinsichtlich der unerlaubten Rückkehr eines Geächteten in die Stadt bestimmt dieselbe Willkür
von 1336, dass der Geächtete 9 Mark Strafe zu zahlen habe. Wenn er das Geld nicht binnen acht
Tagen erlegt, soll ihm ein Finger abgeschlagen werden. Im übrigen befreit ihn die Strafe nicht von
der weiteren Proskription178). Auch eine Willküre von 1342 behandelt diese Materie, wenn auch
nicht so ausführlich. Hier wird nur gesagt, dass der Proskribierte, der ohne Erlaubnis zurückkehrt,
„iudicari debet secundum formam iuris“ 179).
A u f Frauenraub steht ewige Verbannung aus der Stadt. Solange der Entführer lebt, haben weder
die entführte Frau noch deren Kinder einen Anspruch auf das Erbe und die Fahrhabe, die der
Frau von vatershalben zustehen. Nach dem Tode des Entführers kommen sie jedoch zu ihrem
Recht. Auch eine Jungfrau oder W itwe, die sich heimlich und ohne Zustimmung ihrer Angehö­
rigen verheiratet, soll proskribiert werden, und zwar für 10 Jahre180).
Wer im Hause oder auf der Strasse ein Messer oder ein Schwert zieht, hat nach den Willküren von
1342, 1379 und 1468 eine halbe Mark zu zahlen. Die Waffe wird eingezogen181). Der Gebrauch
eines zu kleinen Gemässes wird beim ersten Male mit Geldstrafe und mit Untersagung der Berufs­
ausübung auf ein halbes Jahr, beim nächsten Male mit Verweisung aus der Stadt auf ewige Zeit
bestraft182). Wer schliesslich um mehr als einen Vierdung spielt, büsst eine Mark183).
176) CDCC I I Nr.
260 § 1.
17«)
CDCC I I Nr. 261.
177) CDCC I I Nr. 259 §§ 12— 14.
17S) E benda § 15.
178) CDCC I I Nr.
260 § 4.
18°) CDCC I I Nr.
181) CDCC II Nr.
259 § 9 und 10.
260 § 11; 275 und
334.
182) CDCC I I Nr. 282.
183) CDCC I I Nr.
260 § 5 und 334 § 6.
119
Prozessrechtliche Bestimmungen sind in den Willküren sehr viel seltener enthalten als strafrecht­
liche. W ir kennen nur zwei. Die Willküre von 1342 bringt eine Verfahrensvereinfachung. Wer
in der Nacht überfallen und verwundet wird, braucht das Gerüffte nicht vor den Schöffen zu er­
heben, sondern es genügt, zur Wahrnehmung seiner Rechte, wenn er seine Not dem Vogt klagt.
Den Grund gibt die Willküre selbst an: damit die Schöffen nicht aus dem Bett aufzustehen brau­
chen184). In der Willkürensammlung von 1468 wird der verheirateten Frau das Auftreten vor
Gericht verboten, ausser, wenn sie einen Eid zu leisten hat. Sie soll sich durch ihren Mann ver­
treten lassen185).
Die letzte grosse Gruppe von Ratsverordnungen sind diejenigen, die die Verwaltung der Stadt
im weitesten Sinne des Wortes zum Gegenstand haben. Hierher gehören in erster Linie die W ill­
küren in Handelssachen: Bestimmungen über die Qualität der Waren, über die Einhaltung von
Massen und Gewichten, Preistaxen und schliesslich Verbote des Verkaufes an Wiederverkäufer.
Bezeichnend für die Sorge des Rates um die Qualität der in der Stadt verkauften Waren sind die
Bestimmungen der Willküren von 1364, 1408 und 1471 über den Verkauf von Fischen186). Es
heisst dort, dass den Fischen, die am ersten Tag nicht verkauft worden sind, die Schwänze halb
abgeschnitten werden sollen. Den Fischen, die auch am zweiten Tag nach dem Fang nicht verkauft worden sind, sollen die Schwänze ganz abgeschnitten werden und man soll sie nicht mehr
auf dem Markt zum Verkauf stellen. Die Sorge geht also hier in erster Linie darum, dass frische
Fische verkauft werden und dass die alten von den frischen Fischen im Handel unterschieden
werden können.
Preistaxen für alle Arten von Waren kennen wir aus den Jahren 1396 und 1413187). Die Taxe von
1396 ist vom Rat gemeinsam mit Beamten der Königin, die von 1413 vom Rat allein erlassen.
Auffallend ist, dass wir drei Preisverordnungen für Seife aus den Jahren 1481, 1495 und 1498
besitzen188). Das Verbot des Verkaufes an Wiederverkäufer sollte die Preissteigerung, die durch
den Zwischenhandel eintritt, verhindern. W ir finden solche Bestimmungen in der bereits er­
wähnten Willküre über den Verkauf von Fischen und in einer anderen von 1397, in der befohlen
wird, den Schmieden Eisen zum Einkaufspreis abzugeben189). Den Krämern ist eine besondere
ausführliche Willküre von 1432190) gewidmet, die Markthocken betrifft eine Willküre von
1409191) und Bestimmungen über die Salzverkäufer finden wir in einer Willküre von 1405192).
Bestimmungen über den Gästehandel stehen schon in der Willküre von 1342. Die Gäste dürfen
in Krakau Tuch nur an den Markttagen und nur in den Tuchhallen verkaufen. Sie dürfen auch
nur ihr eigenes Tuch und nicht etwa das anderer verkaufen193). Ausschliesslich sind zwei Willküren,
von denen eine aus dem Ende des 14. oder dem Anfang des 15. Jhrts., die andere aus dem Jahre
1446 stammt, dem Gästehandel gewidmet. Sie betreffen die Beachtung des Krakauer Nieder­
lageprivilegs und den Schutz der einheimischen Kaufleute vor der fremden Konkurrenz. Die Nie­
derlage soll „b e y vorlust leibes und guttes“ nicht umgangen werden und zum Schutz vor der
Konkurrenz der Gäste soll kein einheimischer Kaufmann mit einem Gaste ein Gesellschaftsver­
hältnis eingehen oder zu dessen Nutzen geschäftlich tätig werden. Freien und ungehinderten Han184) CDCC II
185) CDCC II
188) CDCC II
187) CDCC I I
Nr. 260 § 6.
Nr. 334 § 9.
Nr. 262, 271, 299, 336.
Nr. 286, 302.
188) CDCC II Nr. 340, 351, 354.
189) CDCC II Nr. 262 § 1 u nd 288.
19°) CDCC II Nr. 310.
1S1) CDCC II Nr. 300.
19a) CDCC I I Nr. 292.
193) CDCC I I Nr. 260 § 7— 9.
120
.
del können die Gäste nur während der Jahrmärkte treiben. Wenn der Jahrmarkt vorbei ist,
dürfen sie unter sich nicht mehr handeln, sondern können nur noch die Waren, die sie nach Krakau
gebracht haben, im Sammelkauf an die Einheimischen verkaufen194). Die Willküre von 1446 ge­
stattet den Gästen den Verkauf ihrer Waren schon 14 Tage vor und noch 14 Tage nach dem
Jahrmarkt, jedoch nur gegen bares Geld und nicht im Austausch gegen andere Waren. Kaufen
können sie während dieser zwei W ochen vor und zwei W ochen nach dem Jahrmarkt aber nichts.
Vielmehr kann der Gast nur während des Jahrmarktes Waren in der Stadt kaufen und aus der
Stadt ausführen195).
Dem Bereich der Marktpolizei gehören auch jene Bestimmungen an, die das Entgelt für Dienst­
leistungen der Wächter auf dem Markt und in den Kramen und der Träger, die Marktwaren in
der Stadt befördern, festsetzen. Schliesslich müssen noch die Gebühren erwähnt werden, die für
den Gebrauch der grossen und kleinen Stadtwaage von den fremden Kaufleuten erhoben werden.
Damit ist dann die gesetzgeberische Tätigkeit des Rats in Markt- und Handelssachen erschöpfend
aufgezählt.
Eine besondere Gruppe unter den Krakauer Willküren bilden diejenigen, die sich mit den städti­
schen Steuern befassen. Der Rat führt die Finanzverwaltung der Stadt. Die Einnahmen bestehen
in erster Linie aus den Steuern. Die wichtigste der städtischen Steuern war der Schoss. Über den
Schoss handelt ausführlich eine Willküre von 1385198). Der Schoss wird von allen Vermögens­
werten entrichtet: Von Grundstücken, Fahrhabe und Forderungen. Der Handwerker, der weder
ein Grundstück noch über 12 Mark Geldes besitzt, zahlt vom Tisch sechs Groschen. Die Steuer­
pflichtigen geben ihre Steuererklärung unter Eid ab. Nur die Ratmannen und Schöffen sind
davon befreit, und auch das nur mit Rücksicht darauf, dass sie ja ohnedies alljährlich den Eid
auf ihr A m t ablegen. Die Willküre von 1397 ist nur eine Ergänzung der vorigen von 1385. Es
heisst dort, dass jemand, der das Bürgerrecht erwirbt und sich in der Stadt ein Grundstück kauft,
denselben Schoss von ihm zahlen muss, den auch jeder andere Bürger zahlen müsste197). Inter­
essant ist auch die Bestimmung der Willküre von 1367198), dass jemand, der sich ein Haus auf frem­
dem Grund und Boden gebaut hat, denselben Schoss zahlen muss, der von Häusern gezahlt wird,
die auf eigenem Grund und Boden stehen. Neben den Steuern sind die Gebühren eine wichtige
Einnahmequelle der Stadt. Unter ihnen steht das „Schrotgeld“ an erster Stelle. Schrotgeld ist
die Gebühr, die für den Transport von Getränken innerhalb der Stadt gezahlt werden musste.
Der Transport von Getränken in der Stadt war ein städtisches Monopol. Die Willküren von 1444
und 1488 bestimmten die Höhe der Gebühren, die für den Transport der Getränke zu zahlen
waren199). Die Gebühren für das Schmelzen von 'S ilber und Gold im städtischen1 Brenngadem
behandelt eine Willküre von 1398200).
Zahlreich sind die Bestimmungen, die sich mit der Aufrechterhaltung der Ordnung auf den Stras­
sen der Stadt befassen. Sie haben vielfach einen sanitätspolizeilichen Charakter. Nach einer
Willküre von 1373 hat jeder Bürger vor seinem Hause die Strasse bis zur Mitte der Rinne rein zu
halten und zwischen seinem Haustor und der Fahrbahn eine Brücke zu bauen, wozu ihm die
Stadt Steine und Sand liefert201). Ähnliche Befehle weisen die Willküren von 1492 und 1468 auf202).
194)
195)
CDCC II Nr. 309 §§ 1, 2, 4.
CDCC II Nr. 319.
198 )
CDCC II Nr. 277.
CDCC II Nr. 289.
198 ) CDCC I I Nr.
265.
199)
CDCC II Nr. 317 und 343.
300)
CDCC I I Nr. 290 § 1.
201 ) CDCC I I Nr.
296.
197)
302)
CDCC II Nr. 348 und 334.
121
Hierher gehören insbesondere auch die feuerpolizeilichen Vorschriften der Willküren von 1374,
1375 und 1468203).
Von der Ermächtigung des Magdeburger Rechts, Gesetze gegen übertriebenen Luxus zu erlas­
sen204), hat der Rat von Krakau in den Jahren 1336, 1342, 1378, 1468 und 1495 Gebrauch ge­
macht205). In sehr viel geringerem Umfang hat sich der Rat auch mit dem Schulwesen befasst.
So regelt eine Willküre von 1379 die Rechte und Pflichten der Schüler der Schule an der Marien­
kirche. W ir erfahren, dass der Lehrer der Schule vom Rat gewählt wird und was für ein Entgelt
die Schüler dem Lehrer zu entrichten haben206). Die Bestimmung der Willküre von 1468, die den
Bürgern verbietet, in ihren Häusern Scholaren aufzunehmen, weil sie in den Bursen wohnen
sollen, bezieht sich auf die Studenten der Krakauer Hochschule207).
Diese Übersicht hat uns ein Bild von der Vielseitigkeit der Ratsgesetzgebung verschafft. Der
Rat hat die Aufsicht über den Handel und den Marktverkehr geführt, er hat Preistaxen erlassen,
Steuern auferlegt und Gebühren festgesetzt, die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten, den
Luxus der Bürger bekämpft und sich sogar um das Schulwesen gekümmert. Kein Wunder, dass
die Willküren als Rechtsquelle im Leben der Stadt vielfach grössere Bedeutung besessen haben
als die Sätze des Magdeburgischen Rechts. Im Erlass von Verwaltungsverordnungen, der zahl­
reichsten Gruppe der Willküren, war der Rat durch das Magdeburger Recht lediglich insofern
beschränkt, als er nicht die Todesstrafe und auch keine Leibesstrafen androhen durfte. Aber
auch in dieser Hinsicht hat sich der Rat nicht an das Magdeburger Recht gehalten, wie wir aus
der Willküre zum Schutz der Krakauer Niederlage, wo der Kaufmann, der sie umgeht, mit dem
Tode bestraft werden soll, gesehen haben.
Von den Organen, die an der Gesetzgebung des Rates teilgenommen haben, ist über den König
bereits gesprochen worden. Die ersten bekannten Krakauer Willküren, die von 1336 und 1342,
sind mit königlicher Sanktion ergangen. Daraus kann man aber nicht schliessen, dass etwa vorher
ergangene heute verlorene Willküren gleichfalls vom König sanktioniert gewesen sein müssen.
Eine solche Einschränkung der städtischen Autonomie hätte dem Magdeburger Recht in einer
in der ersten Zeit der Stadtgeschichte ganz ungewöhnlichen Weise widersprochen. Die Sprüche
der Schöffen von Magdeburg sagen mehrfach, dass die Ratmannen ihre Willküren ohne Wissen
und Willen des obersten Herren setzen können203). Die königliche Sanktion ist denn auch, wie es
in der Urkunde von 1336 selbst heisst, auf den ausdrücklichen Wunsch der Ratmannen erteilt
worden, die auf diese Weise die Schöffenbank zur Anwendung der beiden Willküren und zur An­
erkennung der in der Willküre von 1342 ausgesprochenen Verschiebung der Zuständigkeiten
zugunsten des Rates zwingen wollten. Die Ratmannen wussten natürlich, dass die Schöffen
überhaupt nicht nach Willküren Recht sprechen durften, ganz besonders aber dann nicht, wenn
die Willküren das geschriebene Recht abänderten, wie das ja hier der Fall war. Freilich
konnten nach Magdeburgischem Recht die Schöffen auch nicht dadurch, dass man einer Willküre
die Sanktion des Königs verschaffte, zu ihrer Anwendung veranlasst werden, denn
so heisst
es in den Sprüchen der Schöffen von Magdeburg selbst — „das sogetan willekore mit des koniges
a°3) CDCC I I Nr. 270, 272, 334.
204) Behrend, M agdeb. Fragen I. 1, I I : O uch m ögen sie öberige h och va rt irrer bürge, menne, frouw en, knechte,
meide w ol seczen unde willekore doruff m achen.
205) CDCC n Nr. 269 §§ 1— 7; Nr. 260 § 5; Nr. 334 §§ 46— 72; Nr. 352. St. Estreicher: U staw y przeciw ko zbytkow i
w daw n ym K rakow ie. R oczn ik krak. B and I.
2M) CDCC I I Nr. 291.
207) CDCC I I Nr. 334 § 71.
208) Behrend, M agdeb. Fragen I. 1, 10 und 11.
122
adir mit der obirsten herren wissen unde willen, brive unde ingesegil bestetigit were“ könne die
Schöffenbank nicht binden209).
Von dem Burding, in dem nach dem Magdeburger Schöffenrecht die Willküren des Rates gefasst
werden sollten, erfahren wir nichts aus den Krakauer Willküren. Die erste Krakauer Willküre
stammt aus einer Zeit (1336), in der das Burding auch in Magdeburg keine Bedeutung mehr
hatte. In den Magdeburger Schöffensprüchen wird das Burding überhaupt nicht mehr erwähnt.
Ein Überbleibsel des Burdings mag in Krakau die Versammlung der Bürger gewesen sein, die
zwecks Verkündung neuer Willküren des Rates einberufen wurde. Davon hören wir aus den
Stadtrechnungen für das Jahr 1403: Item II gr. pulsantibus magnam campanam ad proclamandum
statuta civitatis210). Das ist übrigens nicht die einzige Form der Verkündung von Ratsverord­
nungen. Die Willküre von 1392 ist auf dem Markt ausgerufen worden211) und die Willküre über
den Handel der Gäste hat man an Tafeln im Kaufhaus angebracht, um sie so den Betroffenen
am leichtesten zugänglich zu machen212).
Die Beteiligung der „wisesten lute“ , mit deren Rat nach der Magdeburg-Breslauer Rechtsmit­
teilung von 1261 und nach den Sprüchen der Schöffen von Magdeburg der Rat seine Willküren
erlassen soll, können wir auch für Krakau nachweisen. Bis zum Beginn des 15. Jhrts. sind in
Krakau tatsächlich die Willküren „m it der wisesten rate“ ergangen, nur dass hier nicht von den
„wisesten“ , sondern von den „eldisten“ , den „seniores civitatis“ , die Rede ist213). Die Ältesten
sind nicht etwa der Alte Rat, sondern es sind Männer, die ohne zum Rat zu gehören, durch Alter,
Erfahrung und soziale Stellung sich aus ihren Mitbürgern herausheben. Immerhin scheinen irgend­
wann am Ende des 14. Jhrts. die Mitglieder des Alten Rates an die Stelle der Ältesten getreten
zu sein. Noch 1406 gelegentlich der Festsetzung des Entgelts für Maurer und Zimmerleute werden
die Ältesten erwähnt, aber bereits 1407 erlassen „d y rathmanne jung und alte“ eine Willküre
ohne Beteiligung der Ältesten. Wie schon oben gesagt, haben die Zünfte und Kaufleute im Jahre
1418 gefordert, dass man beim Erlass von Willküren Männer aus ihrem Kreise zu Rate zieht.
Hierzu hätten sie aber keine Veranlassung gehabt, wenn die Ältesten damals noch an der Rats­
gesetzgebung beteiligt gewesen wären. Das Kollegium der 16 Männer sollte schliesslich, wie wir
uns erinnern, die Funktion der Ältesten übernehmen. Der Rat hat sie aber offenbar nie gefragt,
denn auch nach 1418 sind alle Willküren nur vom Rat ausgegangen. Wenn jetzt noch von den
Ältesten die Rede ist, handelt es sich zweifelsfrei um den Alten Rat. „W ir rathmanne der stat
Cracow bekennen, daz wir mit rate unsir eldisten gegeben haben“ (1435); „W ir rothmanne der stat
mit rate vnsirr eldesten“ (1469). Das sind nicht mehr die Ältesten der Stadt, sondern die Ältesten
des Rates. Ganz deutlich wird das aus der Formulierung der Zunftstatuten von 1458 und 1465:
W ir „ratmanne bekennen, das wir mit eyntrechtigem rate der alden herren“ und „W ir rothmanne
etc. mit rote der alden herren, vnser mitbruder.“ Am Ende des 14. Jhrts. ist demnach der Alte
Rat an die Stelle der Ältesten der Stadt getreten. Wiederum war eine für das Magdeburgische
Recht typische Institution, die zur Schaffung und Erhaltung des Vertrauens zwischen Stadt­
führung und Stadtvolk dienen sollte, ihres eigentlichen Sinnes entkleidet und zu einem Instrument
der Oligarchie gemacht worden.
Abschliessend ist festzustellen, dass der Rat sich in Krakau unbekümmert um die Beschränkungen
des Magdeburger Rechts eine Kompetenz nach der anderen angeeignet hat. Er hat die unum­
209) E benda I. 3, 3.
21») CDCC I I S. 335.
2U) CDCC I I 281.
a12) CDCC I I 309 § 12.
21S) CDCC I Nr. 21; I I Nr. 295, 266, 268, 270, 280, 282, 288 und 297.
123
schränkte Leitung der Stadt in der Hand. Vogt, Schöffenbank und Gemeinde haben wenig oder
gar keinen Einfluss, insbesondere ist der Vogt, wenn man von der ersten Epoche der städtischen
Verfassungsgeschichte absieht, zunächst vom Stadtherrn und dann vom Rat abhängig gewesen.
Wir haben ein Gesamtbild vor uns, das von der klassischen Magdeburger Stadtverfassung er­
heblich abweicht und im wesentlichen durch die Herrschaft einer Oberschicht reicher Kaufleute
bestimmt ist.
B
U
C
H
B
E
S
P
R
E
C
H
U
N
G
E
N
Karl C. von Loesch, Die Verlustliste des Deutschtums
Polen durch seinen K ündigungsakt v o m
in Polen. — Berlin: V erlag Junker und D ünnhaupt 1940.
seine Pflicht zur dauernden Einhaltung des Vertrages
15. 9. 1934
verletzt u nd seine M inderheiten aufs schändlichste be­
80 Seiten.
handelt hat, hat es selbst die Voraussetzung für den
Im R ahm en der Forschungen des D eutschen A uslands­
wissenschaftlichen
Instituts in
D auerbesitz dieser G ebiete w eitgehend zerstört.
Berlin, herausgegeben
Dr. Gerhard Brauns, K rakau
v o n P rof. D r. Six, erschien als B and 2 der A bteilun g
V olkstum skunde „D ie Verlustliste des D eutschtum s in
Polen“ v o n K arl C. v o n Loesch. D er gründliche K enner
der europäischen Volkstum sfragen und langjährige D o ­
zent der D eutschen H ochschule für P olitik in Berlin,
selbst ein Sohn des deutschen Ostens, gib t hier einen
gedrängten Ü berblick über die zahllosen R ech tsbrü che,
V erfolgungen, Schikanierungen und Gew alttaten, die
Eugen Oskar Kossman, Die deutsch-rechtliche Siedlung
in Polen. D argestellt am L od zer R a u m . — O stdeutsche
Forsch un gen , B d . 8. — L eip zig:
V erlag S. H irzel 1937.
233 Seiten, 3 T ex ta b b ild u n gen u nd 5 teils m ehrfarbige
K arten .
die deutsche V olksgruppe im polnischen Zw ischenstaate
D as Erscheinungsjahr vorliegender U ntersuchung liegt
erleiden musste. Es war nützlich, je tz t einm al die lange
zw ar schon etwas zu rü ck; je d o ch verlan gt es die grund­
Liste der polnischen
sätzliche B edeu tu n g der A rb eit fü r die Siedlungsfor­
Sünden gegen das D eutschtum
den letzten fü n f
schung im G eneralgouvernem ent, dass sie an dieser Stelle
Jahren v o r dem Kriege im Zusam m enhang m it den
besproch en w ird. A ls U ntersuchungsgebiet w urde der
zusammenzustellen, waren doch in
m it
R a u m u m L itzm ann stadt gew ählt, der v o n vier B lä t­
Polen viele polnische R echtsbrüche stillgeschwiegen
worden und die älteren D atum s in der Vorstellungs­
welt der deutschen Ö ffentlichkeit vielleicht schon etwas
tern der K a rte des w estlichen R usslands 1:100000 u m ­
fasst w ird. D ie kiesigen u nd sandigen A ufschüttungen
deutschen
Bem ühungen
um
eine
Verständigung
m ehrerer E n dm orän en ketten der W artheeiszeit queren
verblasst. Es ist auch nützlich, die o ft nur allgemein
das H och flä ch en geb iet, so dass bessere L eh m böd en sich
vorgebrachten Anklagen gegen die polnische P olitik der
im w esentlichen nur beiderseits des oberen N er u nd der
deutschen
einm al in
B zura hinziehen. D en H au ptteil der B oden kru m e bildet
con creto zu behandeln. D am it reiht sich die Broschüre
schw achlehm iger Sand, daneben auch leichter Sand. Im
in den geistigen K a m p f gegen die englische Lügen­
propaganda ein, die alle deutschen B erichte über den
Liquidationsprozess des D eutschtum s in P olen als E r­
einzelnen ist die V erbreitun g der B öden stark w echselnd,
und nur verhältnism ässig kleine Flächen sind v o n annä­
hernd gleicher B eschaffenheit. D em entsprechend war die
findungen oder Ü bertreibungen bezeichnete, ob w oh l —
nam entlich v o r 1933 — auch zahlreiche Engländer v on
n ich t v o n der B oden a rt a u f das A lter der Siedlung ge­
V olksgruppe
gegenüber
wieder
älteste Siedlung rech t verstreut. H ierbei w ird v o n K .
R ang schwere Verfehlungen der polnischen R egierungen
schlossen, sondern vielm ehr durch die geschichtlich er­
gegen ihre M inderheiten festgestellt und gegeisselt hatten.
w eisbaren alten Siedlungsräum e gezeigt, dass die frühe
Loesch
Landnahm e a u f dem G ebiet der besseren B öden erfolgte.
D ie ältesten Siedlungen waren der erbliche Besitz alter
zitiert
deshalb auch öfters solche engüschen
Stimm en. E r zeigt, wie Polen a u f allen G ebieten an
der Vernichtung der D eutschen gearbeitet hat, er b e­
poln isch er Freibauern, die m ehr u nd mehr verarm ten,
leuchtet deren allgem eine R echtlosigkeit, er behandelt
deren L a n d sich allm ählich stärker durch Zuw achs b e­
den Bodenraub und die anderen w irtschaftlichen B e­
völk erte, denen du rch die polnischen Rechtsverhältnisse
drängnisse und schliesslich die schikanöse Sprach- und
Schulpolitik. In aller D eutlichkeit besteht er a u f der
eine Erschliessung eigener neuer Siedlungsräum e unter­
U nfähigkeit Polens, Ordnung und G erechtigkeit in die­
b un den w ar u n d deren D örfer auch heute n och den Cha­
rakter v o n Form relikten tragen. D en alten Siedlungsräu­
sem R a u m herzustellen und zu gewährleisten, w elche
m en gegenüber stand die im w esentlichen unbew ohnte
Tatsache ja die moralische Voraussetzung fü r die deu t­
L a n dsch aft der H eidew älder, die der Landesherr später
sche Schutzherrschaft über das polnische K erngebiet
als seinen B esitz b etrach tete, hier n och im M ittelalter
bildet. So schätzt er, dass die Zahl der V olksdeutschen
in Polen im Jahre 1919 a u f etwa 3 % M illionen zu be­
Lan d an den neuen H ofa d el u nd geistliche Institute ver­
gab u nd dam it zu gleich die M öglichkeit schuf, unter
ziffern war, w ährend sie 1931 nur n och etwas über
den deutschen R ech tsn orm en N euland zu erschliessen.
1 Million betrug. H ätte sich dagegen die deutsche V olk s­
Diese deu tsch rech tlich e Siedlung w ar nach K . bis gegen
gruppe ungestört entw ickeln können, so hätte sie in
diesem Jahre annähernd 4 M illionen betragen müssen,
A usgang des 13. Jahrhunderts v o n deutschblütigen K o ­
d. h. die Polen haben es fertiggebracht, das D eutsch­
tum in ihrem Lande in 12 Jahren um 7 5 % zu dezi­
dass auch P olen unter gleichen Bedingungen zur Ansied­
lu ng kom m en konnten. D er Siedlungsprozess erfasste
mieren. Loesch trifft auch die grundlegende Feststellung,
n ich t nur geschlossenes N euland, sondern form te auch
dass die Ü bernahm e der V erpflichtungen aus dem sog.
ältere W oh n gebiete du rch Zusam m enlegung kleiner A lt­
lonisten getragen. E rst dann h atte es sich durchgesetzt,
M inderheitenschutzvertrag v o m 28. Juni 1919 völk er­
siedlungen um . G leichzeitig w uchsen die ersten eigentli­
rechtlich die unabdingbare Voraussetzung für die Ü ber­
chen Städte unter deutschem R echtseinfluss und unter
lassung der deutschen O stgebiete an P olen war. D a
M itw irkung deutscher M enschen heran, und zwar nicht
125
ohne geradezu selbstverständliche A nlehnung an bereits
dernd im W eg e stand. G egenüber diesen entscheidenden
bestehende M ittelpunkte der alten Siedlungslandschaft.
W iderlegungen leu gnet K . aber keineswegs, dass auch in
D ie m it der Z eit zunehm ende Z ah l der W ola d örfer b ild e­
der vordeutschrech tlichen Z eit eine Siedlungsraum aus­
ten den bis ins 15. u nd 16. Jahrhundert spürbaren N ach ­
klang der deutschrechtlichen K olon isation. B isher hatte
w eitung stattfand , dass M ittelpunktssiedlungen bereits
die Siedlung nach w estdeutschem M uster die Tendenzen
lok a l an sie anknüpften, und dass ferner ein alter frei­
zur G uts- und V orw erksw irtschaft aufgehalten, da jen e
im A usgangsstadium a u f der grundherrlichen Z insw irt­
bäuerlicher ( = altadliger) Stand im alten P olen vorhanden
schaft ohne V erp flich tu n g zu landw irtschaftlichen A r­
hellung der ältesten poln isch en Geschichte zu w erten;
beitsdiensten beruhte. N un breitete sich die E igenw irt­
aber es ist n ich t geeignet, die deutsche Siedlungsleistung
im O straum zu verkleinern.
schaft a u f Grossgütern aus. V orw erke gelangten auch
vorh and en waren und auch die späteren Städte vielfach
w ar. D as alles ist selbstverständlich p ositiv bei der A u f­
in bisher reinen Bauerndörfern zur Anlage. D a m it setzte
P rof. D r. W . Czajka, Prag
eine allgem eine R echtsm inderung der ursprünglich freien
K olon isten ein. D er S ozialau fbau , w ie ih n die deutsch­
rechtliche K olon isa tion bew irkt h atte, w urde dam it ni­
vellierend ausgetilgt. D er grundbesitzende A d el erlangte
gleichzeitig die w irtschaftlich e K ra ft, neue Stadtanlagen
für engere B ezirke zu schaffen.
Albert Breyer, Deutsche Tuchmachereinwanderung in
den ostmitteleuropäischen Raum 1550— 1830. O stdeut­
sche Forschungen B d. 10. — Leipzig: Verlag S. H irzel 1941.
270 Seiten.
D ie D arlegungen K .’ s, die du rch eine A n zahl K arten
M it diesem B u ch liegt die letzte A rb eit Breyers v or,
u nterstützt w erden, zeichnen sich da d urch aus, dass sie
dessen Lebensinhalt der Förderung und Festigung deu t­
eine differenzierende A n alyse der Quellen zu Grunde
schen W esens in Polen galt. B ei A u sbru ch des deutsch­
legen. Jede einzelne O rtsgeschichte w ird untersucht. So
w ird je d e Starrheit in der vergleichenden Ü bertragung der
polnischen K rieges w urde
Ergebnisse verm ieden. Im m er w ieder w ird darau f hin­
gewiesen, dass die räum liche G leichsetzung v o n W a ld ­
schen F liegerbom be schwer verletzt und erlag diesen
V erletzungen im Spital in W arschau wahrscheinlich
heide, Fürstenbesitz, L an dvergebun g, des deutschrecht­
am 11. 9. 39.
lichen K olon isationsgebietes u nd des Zinsbauerntum s nur
der allgem eine R egelzustan d ist, dass aber alles der E n t­
D as B u ch b egin nt: „A u s dem W esten kam en in einem
w icklung unterliegt u nd gerade die A usnahm en, w o sie
sich in ihren M otiven aufhellen lassen, nur die grosse L i­
nie der Ergebnisse bestätigen. D ie E rfolge der Gliederung
der U ntersuchung n ach B esitzgebieten , sow ie die stän­
dige E rörterung der G eländeverhältnisse zeigen den W ert
der räum lichen u nd geographischen B etrachtun g. Z um
ersten Male u nd vielfa ch ausschlaggebend w erden ferner
die Z ehntregister allseitig ausgew ertet, n ich t nur die A rt
der Zehntung.
er zum polnischen
H eeres­
dienst eingezogen, w urde bald danach v o n einer deu t­
nie endenden Zuge die höheren Form en des kulturellen
Lebens und des gew erblichen K önnens nach Polen,
darunter auch das Tuchm acherhandw erk“ . Diese E r­
kenntnis w ird dem Leser a u f jed er Seite erneut bewusst,
denn hinter dem anspruchslosen T itel verbirgt sich nicht
nur eine geschichtliche Darstellung der einzelnen E in ­
w anderungsström e zu den verschiedensten Zeiten sowie
der w irtschaftlichen u nd sozialen E ntw icklungen der ein­
zelnen Tuchm achergruppen, sondern ein um fassender
B eitrag zur K ultu r- und Sittengeschichte einzelner deu t­
W as nun aber die A rb eit fü r die weitere E rforschu ng der
scher Berufs- und
Siedlungsentw icklung im G eneralgouvernem ent ü ber die
frem dvölkischen U m gebung.
lokale B edeu tu n g fü r die Litzm ann städter G egend hinaus
erhebt, ist die kritische Stellungnahm e zur polnischen
Zw ei D inge kom m en in der A rb eit gu t zum Ausdruck:
G eschichtsforschung, die sich seit langem bem ü hte, den
deutschen Einfluss a u f das Siedlungswesen zu verkleinern
und fü r u nw esentlich, ja h em m end zu erklären. Einige
E inzelheiten seien genannt: D er B eg riff der hospites fin ­
det eine sehr einleuchtende A u fh ellun g u nd w iderlegt
dam it die polnische A u ffassu ng, dass der deu tsch -recht­
lichen K olon isa tion eine ausgedehnte gleiche Bew egung
bereits vorausging. D ie L a n d- u nd G rodgerichtsbücher
eignen sich n ich t zur Feststellung des ethnischen B e v ö l­
kerungsbildes der S tädte, da diese Gerichte nur m it dem
polnischen A d el zu tu n hatten. D ie F lu ch t des polnischen
B auern als M ittel, sich v o r der B edrücku ng du rch den
zunächst
w ohl
die
die
Schicksalsgem einschaften
Tatsache,
Ü berlegenheit
dass
in
einer
polnische Adlige sehr
der deutschen
Handwerker
gegenüber ihren polnischen U ntertanen kannten und
für ihr L an d eine Verbesserung der wirtschaftlichen
Verhältnisse durch die Gründung deutscher Siedlun­
gen oder durch die Ansiedlung deutscher Handwerker
erhofften, ob w oh l ihnen in den ersten Jahren recht be­
deutende Geldausgaben erwuchsen. N ur a u f diese W eise
gelang es P olen , eine A ngleichung an westeuropäische
Verhältnisse und Lebensgew ohnheiten zu erreichen.
D er
zweite
V orzug,
den die A rbeit aufzuweisen hat,
H errn zu schützen, kennzeichnet den w eiten A b sta n d der
ist die ausgezeichnete D arstellung des W esens, der
seelischen H altung,
der gesellschaftlichen Form en
polnischrechtlichen Siedlungsverhältnisse gegenüber dem
und A nschauungen
deutschrechtlichen A n sp ruch a u f das E igen tu m an der
ganzer
Scholle. A us allem ergibt sich, dass die deutschrechtliche
Staaten spiegeln sich hier w ieder: soziale und räumliche
K olon isation eine fü r das L an d m assgebliche Leistung
w ar u nd n ich t etw a einer heim ischen E n tw icklu ng hin­
E nge in
126
der
deutschen Siedler. Schicksale
Bevölkerungsgruppen
der früheren
deutschen
der H eim at lassen eine Vielzahl deutscher
H andw erker dem R u f der polnischen Grundherren b e ­
sonders leich t Folge leisten; zu einem anderen T eil ist
es das „b ek a n n te unruhige deutsche B lu t, der unge­
Herbert Kranz, Das Buch vom deutschen Osten. Er­
zählte Geschichte. — L eipzig: Schwarzhäupter Verlag
stillte W anderdrang“ , der den H andw erker in die Ferne
trieb u nd zum Schöpfer, Förderer und Verbreiter
1940. 403 Seiten u nd 8 K arten.
westeuropäischer Gesittung w erden liess. Besonders an
N ach der W iedergew innung der alten deutschen Ost­
den Tuchm achern der altpolnischen Zeit bis zum Jahre
gebiete und der Errichtung der Schutzherrschaft über
1793 lässt sich die anspruchslose A rt der Menschen
Tschechen u nd P olen zeigt sich natürlicherweise ein
erkennen, die hier nach dem Osten kam en, und
neben ihrem handwerklichen K önn en Fleiss, Beharr­
lichkeit für die Ostfragen und ihre geschichtliche E n t­
lichkeit und durch ihre Zunftgesetze höhere Form en
w icklung. H . K ranz k om m t m it seinem „B u c h v om
der Gesittung m itbrachten. Es waren allerdings M en­
deutschen Osten“
schen,
keine
keine eigenen Forschungen vorlegen, sondern nur aus
Ansprüche stellten, die über ihren eigenen Lebenskreis
hinausgingen, die auch oft den U ndank ihres W irts­
der G eschichte des D eutschtum s und seiner Begegnun­
die
keine
politischen
Pläne
hegten,
volkes geduldig in K a u f genom m en haben und die
oftm als nur die „R ü ckw an deru n g in die H eim at v o r
verstärktes Interesse auch der breiten deutschen Ö ffen t­
diesem Interesse entgegen. E r will
gen und Auseinandersetzungen m it den O stvölkern
erzählen. So h at er m ehrfach Sagen, Legenden und
A n ekdoten in die Erzählung eingeflochten, u m sie im
dem völkischen Untergang retten kon nte“ . Es sind diesel­
H in blick a u f sein Ziel anschaulicher zu gestalten. Seine
ben Menschen, in deren Fam ilien v o r ihrer Ausw anderung
Darstellung ist aber auch a u f der G rundlage der neueren
nach Polen die N o t bereits ein häufiger Gast gewesen ist
gelehrten Forschung nam entlich über die m ittelalterliche
und die hofften, hier ausreichende Daseinsm öglichkeiten
deutsche O stpolitik aufgebaut, deren A nnahm en und
zu finden. Sie kam en vorw iegend aus W estpreussen,
Pom m ern, B öhm en, M ähren, Schlesien u nd Sachsen.
Ergebnisse in z. T . sehr engem Anschluss eingefügt
sind, so z. B . diejenigen über die A w arenfeldzüge Karls
des Grossen, über die P olitik O ttos II I . usw. So kann
Das B u ch gliedert sich in D arstellungen der Tuch m ach er­
gründungen in altpolnischer Z eit und b rin gt darin die
Ortsgeschichte der E ntw icklung
die
Schicksale
der
Bevölkerung
der H andw erke und
sich ein breiteres P u blikum m it Gewinn über das „W erk
der Sachsenkaiser“ , den „grossen Z u g der Siedler“ und
„d a s E rw achen des Ostens“ unterrichten.
v o n der G ründung
bis zur Gegenw art v o n 16 Tuchm achersiedlungen, bei
denen W en grow u nd W ladislaw ow -R osterschütz einen
Erscheinen die K apitel über die Beziehungen des früh-
besonders w eiten R a u m einnehmen, da sie w ertvolle
und spätm ittelalterlichen D eutschlands zum Osten als
Berichte über das Z unftleben enthalten. E in zweiter
durchaus gelungen, so kann dasselbe nicht im gleichen
Masse v o n den späteren Berichten über die K äm pfe
T eil behandelt den preussischen Einfluss u nd die Zeit
des G rossherzogtum s W arschau bis zum W iener K o n ­
„u m die V orm a ch t im Osten“ , „d a s Zeitalter des A b so­
gress. D ie sozialen und rechtlichen Verhältnisse u nd die
w irtschaftlichen Voraussetzungen für die grosse T u ch ­
lutism us“ u nd „d a s neunzehnte Jahrhundert“ gesagt
werden. M it der grösseren V ielfalt und Verw ickeltheit
m achereinwanderung nach
der O stgeschichte der N euzeit verfällt die Darstellung
ausführlich
behandelt.
1820 sind ebenfalls recht
E inhundertfünfzig
Seiten
des
etwas zu sehr in die Ausm alung v o n
E pisoden u nd
Einwanderung, die im Jahre 1820 beginnt und m it dem
ohne Zusam m enhang m it dem Them a auseinander. So
Jahre 1830 beendet ist. D adurch, dass die Darstellung
w aren z. B . die böhm ischen Ereignisse v o n 1618/20 in
v o n diesem Zeitpunkt an über die Sonderentw icklungen
erster Linie durch den religiösen Gegensatz zwischen
B öh m en u nd H absburgern, in die n och der Gegensatz
einzelner Orte hinweg zusam m enfassend die Fragen der
Neugründungen, der Versorgung m it W olle, des A b sa tz­
marktes, der gesetzlichen Regelung des gewerblichen
teilweise
sogar ganz
Einzelbildern,
260 Seiten um fassenden Buches gehören dieser grossen
Nebensächlichem
der Stände zur K ron e hineinspielte, hervorgerufen, wie
denn auch der deutsche und tschechische A del gemeinsam
Lebens, der Zollpolitik, des Erziehungswesens durch
K irche und Schule und schliesslich, als das Entscheidungs­
opponierten —■u nd bedeutsam mehr durch ihre Folgen
fü r die Länder der W enzelskrone als dass sie in sich
vollste, die Frage der Mechanisierung u nd der In du ­
selbst ein prägnantes politisches O stproblem darstellten.
strialisierung und die Folgen der R evolu tion v o n 1830/31
Statt dessen erfahren w ir bei K ranz a u f 5 Seiten ein
behandelt, entsteht ein ausgezeichnetes kulturgeschichtli­
D etail nach dem anderen über den — Prager Fenster­
ches B ild über diese Zeit, welches bis zuletzt die W e ­
sensverschiedenheiten der A ngehörigen der beiden V olk s­
sturz. D as Streben nach volkstüm licher G estaltung seines
erkennen lässt.
Buches füh rt den Verfasser auch später n och einige
Male zur Verw echslung fasslicher Behandlung m it A u s­
Das B u ch schliesst m it dem B ericht über die A usw an­
m alung v on A diaphora. Z um Schluss erhalten w ir so
tum sgruppen im
selben
Lebensraum
derung und Neuansiedlung deutscher T uchm acher in
etwas w ie einen Abriss der preussischen Polenpolitik
Russland, Podlachien, W olh yn ien und der Ukraine. —
Ein um fangreiches Ortsnam en- und Personenverzeichnis
erleichtert die B enutzung des W erkes bei der B eant­
im
w ortung v o n Fragen, die nur Teile des gesam ten b e­
19. Jahrhundert, w ie überhaupt fü r die N euzeit
kein Gesam tbild der deutschen Beziehungen zum Osten
herauskom m t, was sich auch im R ahm en v on Geschichts­
erzählungen hätte erreichen lassen.
handelten ostm itteleuropäischen R aum es betreffen.
Dr. H einrich Gottong, K rakau
Dr. Gerhard Brauns, K rakau
127
Erich Mindt und Wilhelm Hansen, Was weisst Du vom
Deutschen Osten? Geschichte und K ultu r des deutschen
Ostraumes. — Berlin-U lm :
Peters 1940. —
Verlagsunion
E bner
und
192 Seiten (D a v on : 40 Seiten T ex t,
120 Seiten B ildberichte m it kurzen Erläuterungen und
20 Seiten Zeittafel).
Das vorliegende B u ch will in volkstüm lichster Form im
D reiklang v o n W ort, B ild und Zahl das W issen um
den deutschen Osten und dam it den W illen zur B e­
hauptung
des
G esam tkom plexes
des
deutschen
H eim kehr der durch die Ohnm acht des Reiches im
nichtdeutschen Ostraum Verstreuten muss sich nun,
da durch sie allein geistig und zahlenmässig der gesamte
deutsche Ostraum nicht gefüllt werden kann, eben eine
gerade diesen volkstum sm ässig zwar n och nicht gefüllten,
m it dem H erzblu t vieler unserer H elden schon längst
und in diesem K riege wieder neu geheiligten B oden
restlos in B esitz nehm ende Ostw endung des gesamten
Volkes zugesellen.
Ost-
In dieser H insicht R u fer und Mahner zu verpflichtender
raumes m ehren und stählen. Jeder ernsthafte u nd n ich t
T a t zu sein, ist m it die h ohe A u fgabe des vorliegenden
nur a u f billige Elfelcthascherei berechnete Versuch in
dieser R ich tu n g muss in unserer Zeit, in der dem d eu t­
Buches. A n ihr w ird sich sein innerer W ert erweisen.
schen V olke sein gesam ter Ostraum wie n och niemals
D r. E rw in Rudert, K rakau
in seiner Geschichte zugefallen ist, wärm stens begrüsst
und w eitgehend gefördert werden. „W a s weisst D u v o m
D eutschen O sten ?“ kann als solch ernsthafter Versuch
angesprochen werden.
Gustaf Kossinna: Das Weichselland ein uralter Heimat­
boden der Germanen. 3. A u fl. H erausgegeben v o n Hans
Reinertli.— L eipzig: V erlag Curt K abitzsch 1940.52 Seiten.
sein.
K ossinas Schaffen äusserte sich nach zw ei Seiten. Neben
seiner siedlu ngsarchäologisch en . M ethode, m it der er
A us diesem Grunde ist der U ntertitel: „G esch ich te und
grundlegende w issenschaftliche W erke schuf, hatte er
K ultu r des deutschen Ostraum es“ nicht ganz zutreffend.
stets das scharfe Schwert eines völkischen Streiters zur
W as das B u ch brin gt, sind Beispiele interessanter und
zum T eil auch w ertvoller Tatsachen in W ort, B ild und
das aus G erm anien erwuchs, einsetzte. So ist auch sein
Es ist kein wissenschaftliches B u ch ; es will und kann
es — seiner Zielsetzung
nach — auch
gar nicht
Zahl aus der G eschichte und der K ultu r des deutschen
Ostraumes. B ei einer evtl. N euauflage müsste dieser
U m stand unbedingt berücksichtigt werden. Ganz a b ­
gesehen d a von , dass heute n och keineswegs die wissen­
H and, m it dem er sich für das ewige R eich der Deutschen,
kleiner B and über das W eichselland eine K am pfschrift,
deren T e x t zuerst in K a ttow itz in der Zeitschrift „O b e r­
schlesien“ im D ru ck erschien, dann aber als Flugschrift
in D anzig selbständig herauskam. J etzt hat H . Reinerth
schichte und der K u ltu r des deutschen Ostraumes v o r­
dem aufrüttelnden M ahnruf eine neue F orm verliehen
und die Schrift m it w irkungsvollen B ildern aus dem
liegen, ist die A rt der gew ählten Darstellung für eine
W eichselraum im weiteren Sinne ausgestattet. D ie A n ­
schaftlichen V orarbeiten fü r eine Darstellung der Ge­
G esam tschau nicht geeignet. Es w ird dabei keineswegs
m erkungen
übersehen, dass b ei der Ü berfülle des vorhandenen und
des sich uns täglich neu erschliessenden T atsachen ­
Inhalt a u f den neuesten Forschungsstand (Erstausgabe
bringen
den
sehr
gedrängt
dargestellten
materials eine Ausw ahl auch b ei der um fangreichsten
D arstellung getroffen w erden müsste.
Selbstverständlichkeit gew orden ist, w urde v o n Kossinna
m it einem erstm aligen Schwung und einer zwingenden
Es ist auch n icht, wie der H au pttitel verm uten lassen
lich späte Eintreffen der Slawen im deutschen Ostraum
könnte, ein L ex ik on der G eschichte und K ultu r des
und entrollt das frühe V ölker- und Stam m esleben der
deutschen Ostraumes. D er Standort des Buches dürfte
am besten dam it gekennzeichnet sein, dass m an es als
ernsthafte populäre Darstellung a u f Grund bisheriger
N achbarw issenschaftler, sondern jed en deutschen V olk s­
1919). W as uns heute stofflich und raum politisch eine
Ü berzeugungskraft Umrissen. E r zeigt das ausserordent­
wissenschaftlicher Erkenntnisse charakterisiert.
Ostgermanen. So ist die Schrift geeignet, nicht nur den
genossen über das w ahre G eschichtsbild des deutschen
Ostens eindringlich aufzuklären.
P rof. Dr. W erner Radig, Krakau
U nter deutschem Ostraum w ird m it R e ch t der gesam te
deutsche Lebensraum ostw ärts der E lbe verstanden.
Dieses ganze G ebiet muss im Bewusstsein jedes deu t­
schen Menschen m ehr und m ehr zu einer unlösbaren
und dam it nie m ehr zu zerbrechenden Einheit zusam m en­
wachsen. U nd dies nicht nur m achtm ässig, sondern in
erster Linie volkstum sm ässig. Erst wenn der deutsche
Frantisek
Hrusovsky,
Slovenske
Dejiny
(Slowakische
Geschichte), 6. A u fl. H erausgegeben v o n der Slowakischen
M atica in St. M artin am Thurz 1940. 451 Seiten.
D er Verfasser gib t eine Geschichte des slowakischen
W ehrbauer seine Furchen bis an die östlichen G renz­
V olkes und Siedlungsgebiets v o m politischen,
pfähle des deutschen Ostraumes ziehen wird, w ird die
geschichtlichen u nd geographischen Standpunkt. N ach
einer kurzen prähistorischen Einleitung behandelt er
unerlässliche Einheit des Gesam tgebietes des deutschen
Lebensraum es fü r alle Zeiten gesichert sein. U nd dann
kultur­
die gesam te E ntw icklung bis zum Beginn des gegen­
erst w erden all die gew altigen Zeugen der V ergangen­
w ärtigen K rieges, w obei er besonders die Periode des
heit, die den deutschen A nspruch auch a u f das durch
das deutsche Schwert neugewonnene G ebiet rech tferti­
Grossm ährischen Reiches und die des nationalen E r­
wachens im 19. Jh. in den V ordergrund rü ckt. V o n
gen, ihre letzte und eigentliche E rfüllung finden. D er
Interesse ist ferner die Darstellung der zunehm enden
128
Magyarisierung
des
Landes
zu
B eginn
der
Neuzeit.
Das spätere M ittelalter, insbesondere der starke E in­
fluss der deutschen K olon isation, ist etwas kn ap p be­
handelt.
V or
H rusovsk y,
der bereits früher eine G esam tdar­
stellung unternom m en hatte (S low acja i S low acy, B d. I
lich sehr berech tigte Versuch gem acht, die Ausbreitung
der R eform a tion als eine A rt Ausstrahlung des Reiches
ü b er die Reichsgrenze hinaus zu werten. Dieser Ge­
sichtspunkt der „G renzsituation“ , den der Verfasser
bew usst zu m M ittelpunkt seiner Darstellung w ählt, ist
freilich m . E.
in seiner tatsächlichen Bedeutung be­
trächtlich überschätzt.
und I I , K rakau 1937, 1938), ist die G eschichte der Slo­
Prof. D r. G eorg Stadtmüller, Leipzig
waken stets innerhalb der G eschichte des V olkes b e­
handelt w orden, zu dessen Staatsgebiet die Slowakei
gehörte, also Ungarns bzw . der Tschechoslow akei. D ie
R ech t des Generalgouvernements. N ach
nationale slowakische Geschichtsschreibung beschränkte
Das
sich im
zur L oka l­
bieten geordnet, m it Erläuterungen u nd einem aus­
geschichte. Diesen M angel, der nach Gründung des eige­
nen Staates besonders hervortrat, sucht der Verfasser
führlichen Sachverzeichnis herausgegeben v o n O ber­
landesgerichtsrat D r. A lb ert W eh, Leiter der A bteilung
W esentlichen a u f M onographien
Sachge­
durch seinen 1939 erstm alig erschienenen, je t z t bereits
G esetzgebung in der R egierung des G eneralgouverne­
in 6. Auflage vorliegenden Abriss einer slowakischen
m ents. 3. v öllig neubearbeitete Auflage in Loseblatt­
form . — B urgverlag K rakau, V erlag des Instituts für
G eschichte zu beheben und so dem ju n g en Staate eine
historische Tradition zu geben. Das B u ch ist als Lehr­
buch für das slowakische V o lk gedacht. Zahlreiche
Illustrationen, K arten , D okum ente m achen es anschau­
lich und unterstreichen seinen populären Charakter.
Unter diesem G esichtspunkt muss es bew ertet u nd nicht
D eutsche Ostarbeit, K rakau 1941. 1170 Seiten.
Ihrer äusseren F orm w ie ihrem inneren G ehalt nach
stellt sich die 3. Auflage als eine völlige N eubearbeitung
u nd N eugestaltung der beiden bisher erschienenen Aufla­
M asstabe
gen dar. D ie N euartigkeit und E inm aligkeit der A u f­
gaben der G esetzgebung im G eneralgouvernem ent be­
gemessen werden. M an verm isst z. B . jeglichen Quellenund Literaturnachw eis. A ls Grundriss ist es je d o ch auch
dingen die Tatsache, dass die E ntw icklung des positi­
im Einzelnen m it streng w issenschaftlichem
für den W issenschaftler eine brauchbare H ilfe.
D r. Ellinor von Puttkamer, Berlin.
v en R echtsstoffes in stärkerem Masse, als dies etwa
im R eich u nd im P rotek torat der F all ist, im Fluss ist.
Schon aus diesem Grund erwies sich der Ü bergang zur
L oseblattform
als eine zw ingende N otw endigkeit, da
nur auf diese W eise der ständigen G efahr des Veraltens
Günther Stöckl, Die deutsch-slawische Südostgrenze des
w irksam
Reiches im 16. Jahrhundert. E in B eitrag zu ihrer G e­
schichte, dargestellt an H a n d des südslaw ischen R efor­
gestaltung der äusseren F orm weist die Neuauflage aber
auch eine gew ichtige Reihe v o n w ertvollen inhaltlichen
m ationsschrifttum s. — Schriften des O steuropa-Instituts
V erbesserungen auf. So ist in erster Linie die Gliede­
zu Breslau, Neue R eih e, H e ft 12. — Breslau: Verlag
rung des inzw ischen gew altig angewachsenen N orm en ­
bestandes als besonders glücklich zu bezeichnen. D ie sach­
Priebatsch 1940.
In einer Z eit, da sich unter dem E in dru ck w eltgeschicht­
licher U m wälzungen die G eschichtsforschung dem w ieder,
entdeckten P roblem der geistigen u nd politischen N a ch ­
barschaft des R eiches und der kleinen um liegenden R a n d ­
völk er zuw endet, verdient diese w ertvolle A rbeit, die als
Breslauer D issertation (b ei H ans K o ch ) entstanden ist,
besondere B eachtung. D er Verfasser beherrscht in einer
für einen A nfänger erstaunlichen W eise das w eitver­
streute Q uellenm aterial u nd k om m t an einigen P unkten
wesentlich über das bekann te B u ch v o n M. M u r k o , D ie
Bedeutung der R eform a tion u nd G egenreform ation für
das geistige L eben der Südslawen (P rag u nd H eidelberg
1927), hinaus. D ie D arstellung ist trotz des um fangrei­
chen gelehrten Apparates flüssig u nd leich t lesbar. D ie
wissenschaftliche Bedeutung des W erkes beru ht darin,
dass hier a u f der Grundlage einer erschöpfenden Tatsachenkenntnis — die ausführliche Bibliographie ist für den
Forscher besonders w ertvoll — eine kritisch gesicherte
zusam m enfassende Darstellung der R eform ationsge­
schichte der deutsch-slow enischen Grenzlandschaften im
Südostw inkel des alten R eiches gegeben w ird. D ie A u s­
breitung der R eform a tion w ird dabei sow ohl in ihren gei­
stigen als auch in ihren politischen V oraussetzungen b e­
trachtet. Im Zusam m enhang dam it w ird der grundsätz­
begegnet w erden kann. N eben dieser Neu­
liche A u fteilun g des Materials in 8 H auptgruppen lehnt
sich m it R e ch t zum T eil an die organisatorische Glie­
derung des Verwaltungsapparates des Generalgouver­
nem ents, zum T eil an Einteilungsprinzipien des neuen
verfassungsrechtlichen Schrifttum s an. Diese m etho­
dische Synthese praktischer u nd wissenschaftlicher Ge­
sichtspunkte gewährleistet die gleichmässige B rauchbar­
keit des W erkes in der täglichen A rb eit des Verw altungs­
praktikers w ie des W issenschaftlers. Besonders dieser
w ird die starke Verm ehrung der beigegebenen Erläute­
rungen u nd die V ertiefung ihres sachlichen Gehalts begrüssen. So scheinen die den Grundgesetzen des Gene­
ralgouvernem ents (vgl. A 100 u nd A 120) beigefügten
Anm erkungsteile w esentliche Ausgangspunkte für eine
n och zu leistende verfassungsrechtliche W esensdeutung
des G eneralgouvernem ents bieten zu können. D er v on
vielen Seiten gew ünschte u nd je tz t vollzogene Einbau
einer zeitlichen Ü bersicht, die die einzelnen V erordnu n ­
gen nach dem Zeitpu n kt ihres Erscheinens geordnet
aufführt, und das nunm ehr bis in Einzelheiten ausge­
arbeitete
Stichw ortverzeichnis erhöhen weiterhin den
praktischen W ert des W erkes. Es enthält, wie im V or­
w ort erwähnt w ird, das bis zum 31. 8. 1940 erschienene
Gesetzgebungswerk. E in einfügbarer N achtrag, der in
129
K ürze erscheinen w ird, soll das B u ch a u f den Stand
polnischen
v o m 15. 12. 1941 bringen.
D as polnische W echsel- u nd Scheckrecht, das im Gene­
W echsel-
und
Scheckgesetzgebung
folgen.
Sam m lung
ralgouvernem ent in w eitem U m fang grundsätzlich in
des R ech ts des G eneralgouvernem ents h at das W erk
in seinen beiden ersten A u flagen seinen hohen W ert
und seine U nentbehrlichkeit bew iesen. D ie m annig­
im W echselgesetz und im Scheckgesetz v o m 28. 4. 36.
D a das polnische Gesetzgebungswerk ebenso wie die
Als einzige um fassende und
erschöpfende
seiner Geltung aufrechterhalten b lieb, ist niedergelegt
faltigen Verbesserungen, die das W erk , wie dargelegt,
in seiner neuen G estalt aufw eist, sichern dem H eraus­
entsprechenden deutschen Gesetze a u f den Genfer V er­
geber, der als Leiter des A m ts fü r G esetzgebung in der
Scheckrechts der Jahre 1930 und 1931 fussen, bestehen
sehr weitgehende sachliche Ü bereinstim m ungen zwischen
Regierung des G eneralgouvernem ents in hervorragendem
ist,
dem deutschen u nd dem polnischen R ech t. Sow eit dies
w irkenden
n icht zutrifft, sind die sachlichen U nterschiedlichkeiten,
M aße zur H erausgabe dieser Sam m lung berufen
den
D ank
der
im
Generalgouvernem ent
deutschen R echtsw ahrer für seine ausgezeichnete L ei­
stung.
D r. Siegm und Dannbeck, K rakau
Das polnische Wechsel- und Scheekrecht m it den v er­
fahrensrechtlichen Bestim m ungen und den V orsch riften
über die Stem pel- u nd Protestgebühren. Ü bersetzt und
eingeleitet
von
Josef
A n ton
Chodzidlo.
einbarungen zur Vereinheitlichung des W echsel- und
Sam mlung
polnischer Gesetze in deutscher Ü bersetzung im A u f­
träge des O steuropa-Instituts in Breslau, herausgegeben
v o n D r. ju r. H einz M eyer, B d. 4. — Berlin: C. H e y ­
die sich besonders a u f dem
Gebiete des Verfahrens­
rechts finden lassen, in einem ausgezeichneten syste­
m atischen Einleitungsteil zusam m engestellt, den w ie­
derum Assessor Chodzidlo bearbeitet hat. W ertvoll für
die Praxis der deutschen und polnischen G erichte im
G eneralgouvernem ent sind auch die in diesem syste­
m atischen T eil eingebauten D arlegungen über Zustän­
digkeit und V erfahren dieser Gerichte, ü ber die durch
die kriegerischen Ereignisse bedingten wiederholten
Verlängerungen der W echsel- und
Scheckfristen und
ü ber die Veröffentlichung der Wechsel- und scheckrecht­
lichen
B ekanntm achungen
im
G eneralgouvernem ent.
D er im letzten H eft dieser Z eitsch rift angezeigten d eu t­
Angesichts all dieser V orzüge kann auch der neue B an d
der Sam m lung des besonderen Interesses der im G e­
neralgouvernem ent tätigen deutschen Rechtsw ahrer und
sche
Wissenschaftskreise sicher sein.
m anns V erlag 1941. 103 Seiten.
A usgabe des polnischen
Strafgesetzbuches lässt
das O steuropa-Institut als neuen B and seiner Sam m ­
lung polnischer Gesetze eine deutsche Ü bersetzung der
130
D r. Siegm und Dannbeck, K rakau
T itelbild: Nikolaus K opernikus, der grosse D eutsche. 1473— 1543. G emälde im Besitz des Instituts für Deutsche Ost­
arbeit K rakau nach einem Stich des J. van Meurs
In : K U B A C H , Nikolaus K opernikus
Das D ok tor-D ip lom des Nikolaus K opernikus v o n der U niversität Ferrara aus dem Jahre 1503
Titelblatt der Erstausgabe des kopernikanischen H auptw erkes „D e revolutionibus orbiu m coelestium “ aus
16 a
dem Jahre 1543
Das kopernikanische W eltsystem . Eigenhändige Zeichnung v on Nikolaus K opernikus. (E n tn om m en aus:
16 b
H . Schm auch „N ikolaus Coppernicus — E in D eutscher“ ) .
Eigenhändiger deutscher B rief des Nikolaus K opernikus aus Fraüenburg an H erzog A lbrecht v o n Preussen
20 a
v o m 15. Juni 1541
20 b
In : v on L O R C K , Schinkels Schlossentwürfe für den Osten
Schloss O w i n s k
Schloss A n t o n i n
Eigenhändiger E n tw u rf Schinkels für Schloss K ressendorf. Fotosam m lung des Schinkelm useum s Nr. 2361
Eigenhändiger E n tw u rf Schinkels für Schloss K urnik. Fotosam m lung des Schinkelmuseums Nr. 1378
. .
24 a
24 a
24 b
24 b
Schloss K ressendorf v o r dem 1940 erfolgten U m bau
24 c
Schloss K ressendorf. H eutiger Z u s t a n d
Schloss K ressendorf. Frontansicht. N ach einer Bestandsaufnahm e des Architekten Z ym u n d H endel in K ra k a u
24 d
v o n 1893
Schloss K ressendorf. Seitenansicht. N ach einer Bestandsaufnahm e des A rchitekten Z ym u n d H endel in K rakau
28 a
v o n 1893
28 b
Schinkel-Skizzenblatt m it 4 Schlossentwürfen aus dem S ch in k e lm u se u m
Fassade der K irche in K ressendorf, erbaut nach Plänen v on Schinkel
Schloss B rody. Eigenhändiger E n tw u rf Schinkels. Fotosam m lung des Schinkelm useum s Nr. 1087
28 c
a . . .
.
Lageplan für Schloss B rod y. Eigenhändiger E n tw u rf Schinkels. O rig, im S ch in k elm u seu m
28 d
28 e
28 e
In : B E H R E N S , D eutsche Malerei in Polen
1.
Aus dem Em m eraner E van gelien -K odex des 11. Jahrhunderts. K rakau, A rch iv des D om kapitels
2.
3.
A us dem Evangeliar aus P l o z k
M arienkrönung v o m Dom inikaneraltar. K rakau, N a tio n a lm u s e u m
. . .
32 b
32 c
32 a
4.
5.
Ölberg v o m Augustineraltar. K rakau, K a th arinen kirch e
Verkündigung v o m M ater-dolorosa-A ltar. K rakau, K athedrale
32 c
32 d
6.
7.
M artin K ob er, Bildnis Stefan B ath orys. K rakau, M issionarshaus
H ans Süss v o n K ulm bach, A nbetung der K önige. Berlin, D eutsches M u s e u m
32 d
36 a
8.
Jakob Mertens, Verkündigung. K rakau, M a r i e n k i r c h e
36 b
9. Joseph Piltz, D eckengem älde. K rakau, K irch e der B o n i f r a t r e r ............................................................................. 36
b
10. G. B . L am pi d. Ä ., Bildnis des Grafen Georg A ugust Mniszech. Privatbesitz
36 c
In : G O TT O N G , E ntw icklung und Gliederung der deutschen Bevölkerung in der Tuchm acherstadt Tom aszow -M az.
A b b . 1.
Statistik über die E n tw icklu ng der Einw ohnerzahl der Stadt Tom aszow -M az. in den Jahren 1837— 1900
42
A b b . 2.
Statistik über die E ntw icklung der Einw ohnerzahl der Stadt T om aszow -M az. in den Jahren 1892—-1940
43
A b b . 3.
A ltersaufbau der deutschen B evölkerung in Tom aszow -M az................................................................................... 48
V olksdeutsche aus Tom aszow -M az
48 a
Volksdeutsche aus Tom aszow -M az
48 b
In : R A N D T , D ie A rch ive des G eneralgouvernem ents. T eil I I .
Älteste bekannte Stadtsiegel v o n K rakau, W arschau, Lublin, R a d o m
Aus dem ältesten Schöffenbuch der Stadt K rakau, 1301 ff. (S. 4). Orig. H s. im K rakauer Stadtarchiv Nr. 1
.
64 a
64 b
Kaiser K arl IV . gestattet den K rakauer K a u f leuten den H andel in Prag für 6 Jahre. 1378 Juli 20. Orig. Perg.
m it Majestätssiegel im K rakauer Stadtarchiv Nr. 66
A us dem ältesten W arschauer Schöffenbuch 1427— 1454 (S. 296). Orig. H s. im W arschauer H au ptarch iv Nr. 525
A us dem Stadtbuch v o n L u bartow , D istrikt Lublin, 1571 (S. 33). S tadtbu ch Nr. 2 im Lubliner Staatsarchiv .
12 a
72 b
72 b
Bildbeigabe 1 im Em m eraner E va n gelien -K odex aus dem 11. Jahrhundert: wahrscheinlich Kaiser H einrich IV .
Orig. H s. aus dem A rch iv des K rakauer D om kapitels Nr. 208
Papst Gregor I X . bestätigt die den D eutschen im G ebiet K ielce und T arczek verliehenen Lokationsprivilegien.
1227 Mai 12. Orig. Perg. im A rch iv des K rakauer D om kapitels Nr. 1 4
80 a
80 b
Deutsche Forschung im Osten
Mitteilungen des Instituts für Deutsche Ostarbeit Krakau
Heft 1/2 1941 der neuen, periodisch erscheinenden Veröffentlichung des
Instituts für Deutsche O starbeit Krakau, „Deutsche Forschung im O sten",
liegt vor. Aus dem Inhalt des 42 Seiten starken Heftes:
i. Beiträge
Dr. H. G R A U L :
G eop olitische
Betrachtungen
zum
W eichselgebiet
Dr. H. G O T T O N G : Das biologische Bild einer deutschen G em einde
in Polen — Jablonna, Kreis W arschau-Land
J. S O M M E R F ELD T : Zur Geschichte der gesellschaftlichen Stellung der
Juden im alten Polen
H. G . O L IA S S :
Der C o d e x des Balthasar Behem . Entstehung, A n ­
lag e, Publikationen
E. L Ö W E N B E R G :
Josef Elsners deutsche Kulturarbeit im polnischen
M usikleben
ii. Berichte
Prof. Dr. F. C H R IS T IA N S EN -W EN IG ER : Bedeutung und Aufgaben der
Sektion Landwirtschaft
Prof. E. M A U R E R : Bedeutung und A ufgaben der Sektion Gartenkultur
W . M Ü SSE und R. R A T H E : Bedeutung der Sektion Forst- und H olz­
wirtschaftswissenschaft
preis 2.___ Zlo ty (1.— RM )
Jährlich erscheinen 8 Hefte
Burgverlag Krakau G . m. b. H.
Verlag des Instituts für Deutsche Ostarbeit
Zu beziehen durch d ie Post und durch den Buchhandel