Wehrhafte Wikinger - Viking Tactics Germany

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Wehrhafte Wikinger - Viking Tactics Germany
MILITÄR & POLIZEI
US-Sc hießsc hule V iking Tactics von Ky le Lamb
Wehrhafte Wikinger
Delta-Force Veteran und "Viking Tactics"-Gründer Kyle Lamb führte im Februar ein zehntägiges Schieß- und Taktiktraining für US-Soldaten
der 10th Special Forces Group (Airborne) in Böblingen durch. caliber hatte Gelegenheit, ihm über die Schulter zu schauen und dabei seine
Trainingsphilosophie und seine Trainingsmethoden kennen zu lernen.
D
er heute fast 40jährige Kyle Lamb hat
mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens in den Spezialeinsatzkräften der US
Army gedient. Lamb begann seine militärische
Laufbahn 1986 bei der 82nd Airborne in Fort
Bragg, North Carolina. Von dort aus ging es
dann direkt weiter zu den Special Forces und
schließlich zum 1st Special Forces Operational
Detachment-Delta (Airborne), der Öffentlichkeit besser bekannt unter dem Namen Delta
Force. In seiner 15jährigen Verwendung bei
der "Combat Application Group" (CAG), wie
die "Delta Force", wenn man diversen InternetQuellen glauben schenken darf, im Pentagon
offiziell bezeichnet wird, war Lamb an zahlreichen Kampfeinsätzen beteiligt: unter anderem
1993 in Mogadischu, in Bosnien und von 2002
- 2007 bei fünf Einsatztouren in den Irak. 2007
schied Kyle Lamb nach 21 Dienstjahren im
Rang eines Sergeant Majors (Oberstabsfeldwebel) aus der US-Army aus, und widmet sich
seitdem ganz seinem eigenen Beratungs- und
Ausbildungsunternehmen "Viking Tactics", das
er bereits im Jahr 2000 zusammen mit seiner
Frau Melynda gegründet hat. Der Name "Viking
Tactics" ist eine Anspielung auf die skandinavischen Wurzeln der beiden Firmengründer.
Nicht nur die verschiedenen Spezialeinheiten
des US Militärs schätzen das Fachwissen, die
Einsatzerfahrung und die Trainingskompetenz
von Kyle Lamb und „Viking Tactics“, auch FBI,
DEA und zahlreiche Polizeibehörden auf bundesstaatlicher und lokalen Ebene lassen hier
ihre Einsatzkräfte fortbilden.
Von Mogadischu bis Mossul
Ein Grund hierfür dürfte sein, daß neben
Kyle Lamb alle "Viking Tactics" - Instruktoren
einen "Special Operations"-Hintergrund haben
und über ausgedehnte, praktische Einsatzerfahrung verfügen. Lamb bietet in seinen "Tactical Marksmanship"-Kursen verschiedene Ausbildungsformate im Bereich des
Schußwaffentrainings an. Neben
zwei- bis dreitägigen
Grundlagenkursen für
Pistole, Repetier- und
Selbstladeflinte sowie
AR-15-Gewehr, gibt
es Seminare für den
Schußwaffeneinsatz in und um
Fahrzeuge
und
den Waffeneinsatz
bei Low/No-Light.
Darüber hinaus
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Begegnungen in Böblingen:
Der erfahrene Delta Force-Veteran, Kyle Lamb
von Viking Tactics, hielt im Februar 2008 in der
Nähe von Stuttgart ein AR 15-Schießausbildungskurs für US Elitesoldaten ab. caliber war dabei.
US-Sc hießsc hule V iking Tactics von Ky le Lamb
bietet "Viking Tactics" spezielle Lehrgänge für
Taktik und Einsatzplanung an, die das klassische Handwerkszeug der Anti-Terrorarbeit
vermitteln: Ein- und Vordringen in Gebäuden,
Bewegung als Team innerhalb von Gebäudestrukturen, medizinische Notfallversorgung für
Einsatzteams. Seine Erfahrungen im Einsatz
und die dabei gemachten Beobachtungen hinsichtlich der Anforderungen an Ausrüstung
und Material, die das moderne Schlachtfeld
stellt, nutzt Kyle Lamb darüber hinaus als Berater und Produktentwickler für die Industrie.
VTAC als Markenzeichen
Gemeinsam mit Benny Cooley und JP Enterprise entwickelte er den VTAC Modular Handguard, einen frei schwingenden Handschutz für
das AR 15-System, an dem im Baukastenprinzip Picatinny-Schienen unterschiedlicher Länge
angebracht werden können. Im Gegensatz zu
herkömmlichen Rail-Systemen, bei denen die
Schienen in der 6:00, 9:00, 12:00 und 3:00
Uhr Position fest angebracht sind, kann hier
der Schütze frei entscheiden, in welchen Positionen er tatsächlich Schienen benötigt. Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, Schienen
auch in den Zwischenpositionen (zum Beispiel:
10:30 oder 1:30) zu montieren. Durch diese
Möglichkeiten bleibt die Waffe leichter, einfacher zu handhaben und vielseitiger.
Zudem, so sagt Kyle Lamb, ist ein "Free Float Tube" an einem AR15 das Tuningteil, welches die größte positive Auswirkung auf die
Präzision hat. Der frei schwingende Vorderschaft verhindert effektiv eine Verschiebung
der Treffpunktlage, wie sie bei konventionellen
Handschützen durch die Verwendung verschiedener Auflagepunkte, eines Schießriemens oder eines Zweibeins entstehen kann.
Kyle Lamb berichtet weiterhin, er selber habe
die Erfahrung gemacht, daß die Verwendung
eines Schießriemens, insbesondere wenn man
ihn stark anzieht, bei einem nicht frei schwingenden Vorderschaft zu einer Treffpunktverschiebung von bis zu15 cm auf 100 Meter führen kann. Die Auswirkungen seien so stark
gewesen, daß er in seiner Einheit auch gegen
Widerstände, denn die Materialbeschaffung
hielt dies bei einem Militärgewehr für überflüssig, die Anschaffung von Free Float Handguards für die M4-Karabiner durchgesetzt habe. JP Enterprise hat zusammen mit Kyle Lamb
ein AR15-Komplettpaket zusammengestellt:
das JP15 VTAC. Ziel war es, eine kompromißlos zuverlässige Einsatzwaffe für Polizei- und
Militärzwecke zu schaffen, die durch das Weglassen von kosmetischen Details bezahlbar
bleibt. "Ein JP15 VTAC ist gebaut wie ein Chevy,
aber mit Ferrari Eingeweiden unter der Haube!", so Kyle Lamb.
In dem Paket sind neben dem VTAC Modular
Handguard auch die von Kyle Lamb entwickelte
VTAC Lichtmontage und der VTAC 2-Punkt-Trage- und Schießriemen enthalten. Der Riemen ist
so konstruiert, daß er in der Länge jederzeit angepaßt werden kann, ohne daß die Waffe dabei
abgenommen werden muß. Dadurch ist dieser
Riemen weit mehr als nur eine Tragehilfe, sondern kann sehr effektiv zur Stabilisierung der
Schießposition eingesetzt werden. Der einzigartige Verschlußmechanismus sorgt dafür, daß
sich der VTAC Sling mit einer einzigen Handbewegung so verkürzen läßt, daß die Waffe nah an
den Körper gebracht wird, oder aber sich so
verlängern läßt, daß die Waffe von der schußschwachen Seite eingesetzt werden kann. Diese
Vielseitigkeit bei gleichzeitiger Einfachheit hat
dafür gesorgt, daß der VTAC 2-Point Sling der
einzige bei der DEA und einer von zweien beim
FBI offiziell zugelassenen Trage- und Schießriemen ist. Der VTAC 2-Point Sling bildet zusammen mit weiteren VTAC-Produkten, wie Waffentragetaschen und den Rush 24/72 Rucksäcken,
eine eigene Produktlinie des bekannten US-Unternehmens 5.11 Tactical. Weitere VTAC Produkte, wie beispielsweise den L.U.S.A Sling-Adapter oder das in Zusammenarbeit mit der
Firma Blade-Tech entstandene Assault Knife findet man auf der "Viking Tactics" Website.
Heißer Stand
Der routinierte US-Instruktor Kyle Lamb, eingerahmt von nur einigen Kursteilnehmern.
Es ist Montag, 9 Uhr, an einem kalten aber
sonnigen Februar Morgen.
Ich treffe Kyle Lamb auf der KD Range, der
"Known Distance" Schießanlage der Panzerkaserne in Böblingen. Hier in der Nähe von
Kyle Lamb demonstriert den auch für das Einschießen der Waffe praktizierten Liegendanschlag. Hierbei wird das M4/CQBR auf das Magazin aufgestützt und der Schießriemen für
maximale Stabilität zusätzlich stramm gezogen.
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Obwohl die Zielballistik der .223 Remington auch wesentlich von der Lauflänge beeinflußt wird,
verwendete die Mehrzahl der Soldaten erstaunlicher Weise die extrem kompakte AR-15 CQBRVersion mit nur 10,3" langem Lauf. Die Waffen sind individuell und einsatzspezifisch mit Krylon
Camouflage farblich angepasst.
Im Kniendanschlag ist das Knie
zwischen Pistolengriff und Kastenmagazin positioniert, was wiederum für erhöhte Stabilität sorgt.
Stuttgart ist das 1. Bataillon der 10th Special
Forces Group (Airborne) stationiert. In den
folgenden Tagen werden hier mehrere acht
bis zehnköpfige Special Forces-Gruppen das
mehrtägige Trainingsprogramm durchlaufen.
Die erste Gruppe von Soldaten ist bereits anwesend und munitioniert auf. Der Trainingsbetrieb wird "hot range" durchgeführt. Das
heißt, die Waffen der Soldaten bleiben während des gesamten Trainingstages scharf und
die Soldaten laden nach eigenem Ermessen
unter Beachtung der Sicherheitsbestimmungen selbstständig nach. Kyle Lamb beginnt das
Training mit einer kurzen theoretischen Einführung in das immens wichtige "Zeroing",
dem Einschießen der Waffen. Lamb bevorzugt
es, bei Verwendung der M855 62 Grains
Green Tip US-Militärmunition die Visierung
seines M4 Carbine auf 200 Metern einzuschießen. Denn dadurch erhält das 5,56 mm-Geschoß eine relativ flache Geschoßflugbahn mit
günstigen Haltepunkten bis zu einer Entfernung von 300 Metern. Sollte ein Einschießen
auf diese Entfernung aufgrund der Gegebenheiten der Schießanlage nicht möglich sein,
so Lamb, dann stellt eine Einschießentfernung
von 50 Metern einen guten Kompromiß dar.
Sieht man sich die Haltepunktdaten der M855
bei einem 50 Meter Zero an, so stellt man fest,
daß bei Schußentfernungen zwischen 0 und
200 Metern Zielpunkt und Haltepunkt maximal 4 cm voneinander abweichen. Die Vorteile des 200 Meter Zero kommen erst ab einer
Schußentfernung von 300 Metern deutlicher
zum tragen, denn statt eines Haltepunktes von
mehr als 30 cm über dem Ziel, wie es sich bei
der Verwendung eines 50 Meter Zero ergeben
würde, liegt der Haltepunkt beim 200 Meter
Zero "nur" 25 cm über dem Ziel. Fünf Zentimeter hören sich zunächst nicht viel an, können aber je nach Art der verwendeten Visierung den Unterschied machen, ob die
Visierung das Ziel verdeckt oder nicht. Und in
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Moderne Schießtechniken: Kyle Lamb demonstriert
hier den "Broken Back"-Anschlag sowie die spezielle
"Junkyard Prone"-Methode, bei der das seitlich auf
der Motorhaube aufliegende Gewehr lediglich im
Bereich der Optik durch den Schützen abgestützt wird.
Im Sitzendanschlag mit gekreuzten
Beinen liegen die Ellenbogen vor und
nicht auf den Knien. So wird eine instabile
Knochen-auf-Knochen-Position vermieden.
Bevorzugte Optiken & Schalldämpfer
22 caliber 6/2008
Die eindeutig favorisierte Zieleinrichtung für
die kurzen M4/CQBR war das EOTech- Leuchtpunktvisier, da waren sich 90 Prozent der Soldaten der 10th Special Forces Group einig.
Aber auch das ein oder andere Trijicon ACOGZielfernrohr 4x32 Advanced Combat Optical
Gunsight mit Rotpunktvisier "huckepack" oder
Schmidt und Bender Short Dot-Zielfernrohre
waren zu sehen. Ein Soldat verwendete das
neue ELCAN Specter DR 1x/4x Combat Sight.
Auf seine Erfahrung mit dem ELCAN angesprochen, schmunzelte Kyle Lamb und sagte sinngemäß, daß eines der zur Truppenerprobung
zum Delta Detachment geschickten Specter DR
die ersten 5 Minuten nicht überlebt hätte. Ein
SF Operator, der an seinem CQBR zu Testzwekken den Knights Armament (KAC) Schalldämpfer aus dem SOPMOD Kit angebracht hatte,
stellte eine deutliche Verschiebung der Treffpunktlage durch den Dämpfer fest.
einer Gefechtssituation ist ein verdecktes Ziel
keine gute Sache.
Das wichtigste beim Einschießen ist jedoch, das man anschließend seine Haltepunkte für die verschiedenen Entfernungen
genau kennt. Als es nun daran ging die M4
Carbines und Close Quarter Battle Rifles
(CQBR) auf dem 50 Meter Stand einzuschießen, gingen mehrere der Soldaten daran, gewohnheitsmäßig Sandsäcke als Waffenauflage ranzuschaffen. Mit einem breiten Grinsen
im Gesicht erklärte Kyle Lamb ihnen, sie
könnten die Sandsäcke ja gerne verwenden,
müßten sie dann aber als Teil der Ausrüstung
für den restlichen Tag am Mann behalten.
Unter Murren und dem Gelächter der Kame-
raden, stellten die Soldaten die Sandsäcke
zurück an ihren Platz. Das Einschießen sollte
unter möglichst realen Bedingungen stattfinden, wobei Lamb diese Prozedur zugleich als
Einstieg in die verschiedenen Schießpositionen nutzt, die er im weiteren Verlauf des Tages mit den Soldaten durchgehen wollte. Für
das Einschießen demonstrierte Lamb den
Liegendanschlag mit Auflage des Magazins
auf dem Boden und unter Einsatz des VTACSlings zur weiteren Stabilisierung der Schießposition. Es ist erstaunlich, wie viel Stabilität
und damit Präzisionsgewinn die Verwendung
eines Schießriemens bringen kann – und
Stabilität ist das Schlüsselwort beim Langwaffenschießen jenseits der 25 Meter.
Kyle Lamb bemerkte dazu, daß die modernen
SureFire-Schalldämpfer diesen "Zero Shift" eliminiert hätten. Darüber hinaus war es interessant zu beobachten, wie sich der Schalldämpfer
bereits nach wenigen Schuss derart stark erhitzt
hatte, daß er in der kalten Morgenluft anfing zu
dampfen. Keine gute Sache, wenn die Feuerposition unbemerkt bleiben soll. Nachdem die Soldaten ihre Optiken eingeschossen hatten, ging es
mit Schießpositionen im Sitzen und Knien weiter. Lamb machte deutlich wie wichtig im Sitzend- oder Knieendanschlag das Vermeiden von
Positionen ist, in denen Knochen auf Knochen
liegen (z.B. Ellbogen auf Knie), denn dies macht
die Schießposition instabil. Anders als bei der
Dienstpistole, bei der Kyle Lamb einen frontalen,
symmetrischen Anschlag bevorzugt, favorisiert
er beim Anschlag mit der Langwaffe eine eher
boxertypische Auslage, wobei er das M4 weit
vorne am Handschutz beziehungsweise Vertikalvordergriff greift und das Gewicht auf die Fußballen legt. Diese "aggressivere" Körperstellung
sorgt in seinen Augen dafür, daß sich die Waffe
besser von Ziel zu Ziel bewegen läßt und ein
Wechsel von der Primär- auf die Sekundärwaffe
schneller erfolgen kann.
Mythenzerstörer
Für die nun folgende Übung machten die
Soldaten Bekanntschaft mit einem Trainingsgerät, das sie die nächsten Tage beständig begleiten sollte: dem Timer (Zeit- und Schußzahlmeßgerät). Denn, so Kyle Lamb, daß eine
langsame Bewegung eine flüssige sei und das
flüssig schnell bedeute, sei ein Mythos: "Meistens ist langsam einfach nur eins, nämlich
langsam! " Lamb gehört abseits seiner militäri-
schen Fähigkeiten zu einem der besten sportlichen US-Threegunner (Allroundschützen mit
Gewehr, Flinte, Pistole) und hat dadurch unter
anderem erkannt, wie wichtig das Schießen
unter Zeitdruck für die militärische Praxis ist.
Denn die beste Präzision wird hinfällig, wenn
der Schütze nicht fähig ist, schnell auftauchende und wieder verschwindende Ziele im Gefecht zu neutralisieren. Zur Eingewöhnung in
das schnelle Schießen mit Zeitlimit bei gleichzeitiger Wahrung der Präzision, ließ Kyle Lamb
die Special Forces Operator seinen "Fast Fire
Drill" schießen. Die Übung begann an der 20
Meter Linie, wo die Schützen mit ihren M4 Carbine in der "Low Ready Position" und einem
vollen 30-Schuß-Magazin starten. Nach dem
akustischen Signal feuern die Schützen 10
Schuß innerhalb von 10 Sekunden. Alle Wertungstreffer müssen in der A-Zone einer IDPA
Scheibe liegen. Jeder Treffer außerhalb bedeutet eine Strafsekunde für den Schützen. Zudem
müssen die Schützen ihre abgegebenen Schüsse zählen, denn fehlende oder überzählige
Schüsse werden ebenfalls mit einer Sekunde
Zeitstrafe belegt. Anschließend rückten die Soldaten vor bis auf die 10 Meter Linie, wo sie 10
Schuß in 5 Sekunden abgeben sollten. Die verbleibenden 10 Schuß mußsten dann von der 5
Meter Linie in 2,5 Sekunden in die A-Zone befördert werden. Insbesondere bei der letzten
Position kam es hier auf einen schnellen Zeige-
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finger und eine gute Koordination an. Das
Übungsergebnis jedes einzelnen Operators, wie
auch die Ergebnisse aller in den nächsten fünf
Tagen noch kommenden Übungen und Drills,
wurde von Kyle Lamb notiert. Auf diese Art und
Weise können die Soldaten miteinander in
Wettstreit treten und darüber hinaus winkt dem
Sieger ein attraktiver Preis.
Zielballistik:
Eine Frage der Lauflänge & Trefferlage
Ein weiterer geplatzter Mythos ist ganz offensichtlich die angebliche, zielballistische Insuffi-
zienz des 5,56 NATO Kalibers. Kyle Lamb sieht
aufgrund seiner Einsatzerfahrung sowohl das
Kaliber als auch die von den US-Streitkräften
verwendete 62 Grains FMJ M855 Einsatzmunition als vollkommen in der Lage, innerhalb realistischer Einsatzparameter zu funktionieren.
Aus ziel- und wundballistischer Sicht, so Lamb,
sei der menschliche Körper ein "Stab aus Betonstahl mit zwei Tennisbällen". Die beiden
Bälle stellen innerhalb dieser extrem vereinfachten Anatomie des menschlichen Körpers
das Gehirn und das Herz und der Stab die Wirbelsäule dar. Somit wird das zuverlässige Ausschalten eines Gegners eher ein Präzisionsproblem als eine Frage des Kalibers. Den
Berichten, wonach die M855 aus
den 14,5 Zoll Läufen des M4 in Afghanistan auf Entfernungen jenseits
der 300 Meter beim Ausschalten
von Taliban Kämpfern versagt habe, hält Lamb entgegen, daß es unter Einsatzbedingungen nahezu
unmöglich ist, auf diesen Entfernungen mit Sicherheit zu sagen,
ob und wo man ein Ziel getroffen
habe. In seinen Augen ist das
nach wie vor viel diskutierte Kaliber 6,8 SPC nichts weiter als ein
gigantischer "Hype" der amerikanischen Waffenmagazine und
der Industrie. Er selber würde
jedenfalls lieber 10 Magazine
mit 300 Schuß 5,56 NATO, als
10 Magazine mit 250 Schuß
6,8 SPC mit in den Einsatz nehÜberzeugende und praxisnahe
Fachliteratur: "Green Eyes &
Black Rifles" von Kyle E. Lamb.
24 caliber 6/2008
Innovative Improvisationen: Einen verwundeten
linken Arm simulierend, schießt Lamb aus dem
Seitenfenster des Fahrzeugs. Er benutzt dabei
den Türrahmen und seine Wange als Auflagepunkte und zieht mit dem Daumen der rechten
Hand ab.
men und dabei noch Gewicht sparen. Während
Kyle Lamb jedoch zur Erhaltung der für die
zielballistische Wirkung so wichtigen Geschwindigkeit des 5,56 mm Geschosses auf eine Mindestlauflänge von 14,5 Zoll setzt und
letztendlich sogar 16 Zoll bevorzugt, war es erstaunlich zu sehen, daß dreiviertel der Böblinger SF-Operators M4 Carbines mit dem Close
Quarters Battle Receiver (CQBR) mit 10,3 Zoll
(262 mm) Lauf führten. Das überrascht um so
mehr, wenn man weiß, daß ein großer Teil der
wundballistischen Wirkung der 5,56 auf der
Fragmentierung des Geschosses und der daraus entstehenden deutlich vergrößerten permanenten Wundhöhle basiert.
Zuverlässige Fragmentierung des M855 Geschosses tritt aber nur bis zu einer Geschoßgeschwindigkeit von etwa 820 m/s auf. Das
bedeutet in der Praxis, das sich ein M855 Geschoß, aus einem 10,3 Zoll Lauf abgefeuert,
bereits nach etwa 15 Metern nicht mehr zuverlässig zerlegt, sondern stattdessen einen
kleinkalibergroßen Wundkanal produziert,
der lediglich an den Stellen, an denen das
Projektil um seine eigene Querachse rotiert
("yawing"), um die Geschoßlänge vergrößert
wird. Zum Vergleich, dasselbe Geschoß, aus
einem 16 Zoll Lauf abgefeuert, hat eine Fragmentierungsreichweite von etwa 95 Metern,
aus einem 20 Zoll Lauf sogar von fast 150
Metern. Um die terminalballistische Wirkung
und die Fragmentierungsreichweite aus den
kurzläufigen CQBR zu verbessern, wird bei
den Spezialeinsatzkräften der US Streitkräfte
gerne auf die 5,56x45 Mk 262 (Mod 1) Patrone mit ihrem 77 Grains Open Tip Match
(OTM) Geschoß zurückgegriffen. Die Patrone wurde ursprünglich für die im Rahmen
des "Designated Marksman" Programms ein-
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geführte Mk 12 Special Purpose Rifles (SPR)
entwickelt. Dem Vorteil der starken Fragmentierung dieser Patrone auch bei niedrigerer
Geschoßgeschwindigkeit steht der Nachteil
der geringeren Penetrationsfähigkeit bei
Hartzielen gegenüber. Alles hat eben seinen
Preis. So bleibt die Frage offen, ob die Wahl
des CQBR durch die meisten Soldaten der
10th Special Forces Group der tatsächlichen
operativen Notwendigkeit entspringt, oder
doch eher der "Coolness Faktor" Ausschlag
gebend ist.
Ein anderer Trainingstag begann für eine
weitere Gruppe von Special Forces Operators
auf einer der 400 Meter Bahnen der Böblinger
Schießanlage. Die Trainingsschwerpunkte an
diesem Tag sollten das Schießen in und um
Fahrzeuge, der beidseitige Schulteranschlag in
verschiedenen Positionen sowie das Schießen
mit körperlichen Einschränkungen durch simulierte Verwundungen sein. Die erste Übung
bestand darin, daß der Schütze nach dem Verlassen des Fahrzeuges zunächst aus drei Positionen hinter dem Wagen im Feuer agieren
sollte. Zu diesem Zweck wurde ein alter russischer Lada Niva in 100 Metern Entfernung parallel zum Kugelfang gestellt. Da ungepanzerte
Fahrzeuge bereits gegen die Wirkung von Infanteriemunition der Kaliber 5,56x45mm,
7,62x51mm und 7,62x39mm kaum Deckung
aufweisen, ist die Wahl der richtigen Schießposition und Anschlagsart für den Schützen überlebenswichtig. Die größtmögliche Sicherheit
gegen Beschuß bieten die Bereiche hinter den
Achsen und der Bereich hinter dem Motorblock. Um nicht nur gegen frontalen Beschuß,
sondern auch gegen Feuer aus leicht seitlichen
oder erhöhten Positionen geschützt zu sein,
sollte der Schütze eine möglichst kompakte
Körperposition hinter dem Fahrzeug einnehmen. Hierzu demonstrierte Kyle Lamb eine Alternative zur klassischen Liegendposition, die
"Broken Back" oder scherzhaft auch "Broke
Back Mountain" genannte Position. Diese seitlich zum Ziel kniende, vorn übergebeugte Position erlaubt es dem Schützen die Deckung
durch Reifen und Achse maximal auszunutzen.
Aufgabe der Schützen war es nun, nach Verlassen des Fahrzeuges, jeweils ein 100 Meter entferntes Stahlziel von einer Position hinter der
Vorder- und der Hinterachse des Ladas zu beschießen. Beim Positionswechsel mußte der
Schütze zudem seine Waffe von der einen
Schulter zur anderen wechseln. Dann wurde
ein weiteres Ziel über die Motorhaube des Ladas hinweg anvisiert. Damit Kopf und Oberkörper des Schützen dabei möglichst wenig exponiert und damit feindlichem Feuer ausgesetzt
sind, wurde hier mit „Junkyard Prone“ eine
weitere unorthodoxe Schießposition eingesetzt. Bei der „Schrottplatz Position“ legt der
Schütze sein M4/M16 seitlich auf die Motorhaube auf und stützt es lediglich im Bereich
der Optik mit der Hand ab. Die bei allen drei
Schießpositionen stark verkantete Waffe sorgte
dafür, daß die Schützen sich stark auf den verändernden Haltepunkt konzentrieren mußten.
Nach dem Beschießen der Ziele aus den drei
Positionen hinter dem Fahrzeug rückten die
Soldaten auf Positionen in 75 und 50 Meter
zum Ziel vor, wo sie dann links- und rechtsseitig an Barrikaden vorbei, ebenfalls im wechselseitigen Anschlag, weitere Ziele unter Feuer
nahmen. Dieser Drill enthält bereits die Quintessenz des modernen Infanteriekampfes in urbanem Gelände: Erhaltung der Mobilität unter
maximaler Ausnutzung von Deckung. Damit
Szenen von unorthodoxen AR-15-Schießtechniken,
bei denen teilweise auch eine Verwundung des linken Armes simuliert wurde.
Grüne Augen und schwarze Gewehre
In einer Anspielung auf die grün gefärbte Welt beim Blick durch ein Nachtsichtgerät und dem Spitznamen für das AR15/M16 aus den
Tagen des Vietnamkrieges, nennt Kyle Lamb sein erstes Buch: "Green Eyes and Black Rifles – A Warriors Guide to the Combat Carbine". Obwohl das in englischer Sprache geschriebene Buch in erster Linie für den professionellen Anwender des AR 15-Systems, sprich
US Militär und Polizei gedacht ist, findet auch der ambitionierte Sportschütze hier eine Fülle von nützlichen Tips, Tricks und Informationen. Dies gilt insbesondere für Anhänger des dynamischen Schießsports, wie er beispielsweise beim IPSC Rifle praktiziert wird.
Auch lassen sich weite Teile des 219 Seiten starken Buches problemlos auf andere Langwaffensysteme, sowohl Büchsen als auch Flinten, übertragen. Es gibt mehrere Kapitel mit AR spezifischen Themen. Das erste beschäftigt sich mit der richtigen Wahl und Ausstattung eines AR 15, gemessen am Verwendungszweck. Angefangen beim Laufprofil, über Lauflänge, Drall-Länge und Laufgewicht, bis
hin zu Abzugssystemen und der richtigen Wahl von Vorder- und Hinterschaft, erläutert Lamb hier die verschiedenen Optionen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen.
Weitere Kapitel beschäftigen sich mit dem Lade- und Entladevorgang, mit dem Erkennen und Beheben von Waffenstörungen, sowie
mit der richtigen Reinigung, Pflege und Wartung des AR-Systems. In den weiteren, universeller gehaltenen Kapiteln des Buches behandelt der Autor alle wichtigen Themenkomplexe im Zusammenhang mit dem Einsatz von Langwaffen: Von A wie Auswahl und Montage von optischen Visiersystemen, über externe Ballistik, Einsatz von Schieß- und Tragegurten, Schießen aus der Bewegung, Schießen in No/Low-Light, Trainingshilfen, Waffenwechsel von Primär- zur Sekundärwaffe, Wundballistik, bis Z wie Zeroing, dem
Einschießen und der richtigen Einschießentfernung. Alleine das Kapitel über die verschiedenen Anschlagsarten macht das Buch zu einer wichtigen Trainingsanleitung für jeden Langwaffenschützen. Insbesondere IPSC Rifle Schützen werden hier eine Menge Anregungen finden. Lamb beschreibt und analysiert die verschiedenen Stehend-, Liegend-, Sitzend- und Kniendanschläge und erklärt ihre Vorund Nachteile. Obwohl ausschließlich in Schwarz-Weiß, ist das Buch exzellent bebildert und die einzelnen Techniken sind für jeden
nachvollziehbar visuell dokumentiert. All das beschreibt Lamb in der klaren und deutlichen Sprache eines Soldaten, ohne zu dogmatisieren oder so zu tun, als ob er die allein selig machende Wahrheit verkündet. Vielmehr macht er deutlich, daß es diese eine Wahrheit in vielen Fällen eben gar nicht gibt, sondern das fast alles seine Vor- und Nachteile hat, die man missionsspezifisch gegeneinander abwägen muß. Hier schreibt ein Mann, der eben exakt das 15 Jahre lang in tatsächlichen Kampfeinsätzen getan hat – lesenswert!
"Green Eyes and Black Rifles" ist eine wertvolle Trainingshilfe für jeden Langwaffenschützen, ein Muß für jeden AR 15 Besitzer und
jeden, der sich mit dem Gedanken trägt, ein AR 15 zu erwerben. Insbesondere zukünftige AR Besitzer sollten sich vor dem Kauf ihrer
Waffe dieses Buch zulegen. Die Tipps und Informationen bezüglich der Auswahl und Ausstattung eines AR werden dem Käufer eine
Menge Kopfschmerzen ersparen. Das Buch ist über die VTAC Homepage: www.vikingtactics.com erhältlich und kostet 34,99 Dollar zuzüglich Versand.
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26 caliber 6/2008
Von Schrottplätzen & gebrochenen Rücken
US-Sc hießsc hule V iking Tactics von Ky le Lamb
der Soldat das jeweils kleinstmöglichste Ziel
darstellt, muß der "Beidhändigkeit" der Soldaten in der Ausbildung allergrößte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Denn nur wenn der Soldat in der Lage ist, seine Waffe effektiv von
beiden Schultern aus einzusetzen, kann er
Deckung optimal nutzen und damit seine Überlebensfähigkeit steigern. So zog sich denn auch
der Schulterwechsel wie ein roter Faden durch
den weiteren Trainingstag. Die Soldaten hatten
so nicht nur Gelegenheit ihre eigenen Fähigkeiten zu überprüfen und gegebenenfalls zu
verbessern, sondern auch ihre persönliche
Ausrüstung und deren Positionierung zu kontrollieren. Beim Schulterwechsel mit dem
M4/CQBR wird schnell deutlich, daß bestimmte Trageriemen-Konstruktionen hier sehr hinderlich sein können. So haben sich die noch
vor einiger Zeit so viel gepriesenen Drei-PunktRiemen in diesem Kontext nicht bewährt und
waren nicht mehr anzutreffen. Die eine Hälfte
der Böblinger SF-Soldaten hatte sich für einen
"Single-Point-Sling" (Ein-Punkt-Trageriemen)
entschieden, während die andere Hälfte den 2Punkt-VTAC Trage- und Schießriemen bevorzugte.
28 caliber 6/2008
Mobilität & Flexibilität
Das Training in "Beidhändigkeit" und Schießen unter Deckung und Ausnutzung von Möglichkeiten zur Auflage/Anstreichen der Waffe
wurde dann im "Highsmith Drill", benannt
nach einem kalifornischen Bundesagenten, auf
die Spitze getrieben. Der Drill erforderte ein
hohes Maß an Konzentration und Koordination
von den US-Soldaten. Bei dieser Übung startet
der Schütze auf der linken Seite der Schießbahn, hinter einer Barrikade stehend. Am Kugelfang in 15 Metern Entfernung befinden sich
fünf Mannscheiben. Das M4/CQBR befindet
sich in der rechten Schulter, in der "Low Ready" Position. Nach dem akustischen Startsignal
wechselt der Schütze die Waffe in den Linksanschlag und schießt kniend links an der Barrikade vorbei zwei Schuß in die Kopfzone der er-
Kyle Lamb demonstriert den "Highsmith Drill": Er startet mit dem M4 in der rechten Schulter, in der
"Low Ready" Position. Nach dem akustischen Startsignal wechselt er die Waffe in den Linksanschlag
und schießt kniend links an der Barrikade vorbei zwei Schuß in die Kopfzone der ersten Mannscheibe.
Daraufhin wechselt Kyle Lamb zurück in den Rechtsanschlag und beschießt dieselbe Scheibe ebenfalls
kniend rechts and der Barrikade vorbei mit zwei Schuß in die Kopfzone. Nun bewegt er sich zur gegenüberliegenden Seite der Schießbahn zu einer zweiten Barrikade. Auf dem weg dorthin beschießt
er im Rechtsanschlag drei weitere Mannscheiben mit jeweils zwei Schuß in die A-Zone. Hinter der
zweiten Barrikade angelangt, wechselt Lamb in den Linksanschlag und beschießt die fünfte Scheibe
wie zuvor links und rechts kniend an der Barrikade vorbei. Dann schießt der Schütze die Übung in umgekehrter Reihenfolge, bis er die Ausgangsposition wieder erreicht hat. Insgesamt hat Lamb 26 Schuß
auf die 5 Mannscheiben abgefeuert. Seine persönliche Bestzeit liegt bei 35 Sekunden.
sten Mannscheibe. Daraufhin wechselt der
Schütze zurück in den Rechtsanschlag und beschießt dieselbe Scheibe ebenfalls kniend
rechts an der Barrikade vorbei ebenfalls mit 2
Schuß in die Kopfzone. Nun bewegt sich der
Schütze zur gegenüberliegenden Seite der
Schießbahn zu einer zweiten Barrikade. Auf
dem Weg dorthin beschießt er im Rechtsanschlag drei weitere Mannscheiben mit jeweils 2
Schuß in die A-Zone. Hinter der zweiten Barrikade angelangt, beschießt der Schütze die fünfte Scheibe wie zuvor links und rechts kniend
an der Barrikade vorbei. Dann schießt der
Schütze die Übung in umgekehrter Reihenfolge, bis er die Ausgangsposition wieder erreicht
hat. Insgesamt hat der Schütze am Ende 26
Schuß auf die fünf Zielmedien abgegeben. Die
angestrebte Maximalzeit für diesen Drill liegt
bei einer Minute. Die persönliche Bestzeit von
Kyle Lamb bei 35 Sekunden. Für jeden Treffer
außerhalb der A-Zone/Kopfzone wird eine
Strafsekunde zur Zeit des Schützen addiert. Eine besondere Schwierigkeit innerhalb dieser
Übung stellte die von Kyle Lamb vorgegebene
Kniendposition dar. Beim "Barricade Kneeling"
ist anders als beim regulären Kniendanschlag
nicht das Knie der unterstützenden Seite oben,
sondern das Knie der Schußhand. Dadurch hat
der Schütze die Möglichkeit seine Waffe mit der
unterstützenden Hand an der "Barrikade", in
der "realen Welt" wäre dies dann eine Häuserecke, ein Fahrzeug oder ähnliches, anzustreichen und gleichzeitig den Arm der Schußhand
mit dem Ellenbogen auf dem Oberschenkel ab-
zustützen. Zudem verhindert die "Barricade
Kneeling"-Position, daß ein hinter dem knienden Schützen stehender Team-Kamerad durch
dessen herausragenden Unterschenkel behindert oder zu Fall gebracht wird. Spätestens diese Übung macht deutlich, daß die Unterscheidung in schußstarke und schußschwache Seite
(strong side/weak side) obsolet ist. Der Special
Operator von heute kann sich einfach keine
schwache Seite mehr leisten.
Stay in the Fight!
Dieser Satz wurde von Kyle Lamb im Laufe
des Tages gebetsmühlenartig wiederholt. Eine
Mahnung an die Soldaten, auch bei Waffenstörungen oder trotz Verwundung "im Kampf" zu
bleiben. So war denn auch ein weiteres wichtiges Trainingsthema der Wechsel von der Primärwaffe (M4/CQBR) zur Sekundärwaffe (Pistole). Bei einem Gefecht im Nahbereich
(CQB) ist es im Falle einer Waffenstörung oder
einer leer geschossenen Primärwaffe zumeist
schneller und damit sicherer, zur Sekundärwaffe zu wechseln, anstatt die Störung zu beseitigen oder nachzuladen. In der nun folgenden
Übung wurde zunächst von der Beifahrerseite
des Ladas geschossen. Nach dem Verlassen des
Wagens bewegte sich der Schütze dann zu einer
Deckung und nahm dabei mehrere Ziele unter
Beschuß. Um den Waffenwechsel zu trainieren,
gingen die Schützen dabei mit einem teilgefüllten Magazin an den Start, so daß sie ihr
29 caliber 6/2008
MILITÄR & POLIZEI
MILITÄR & POLIZEI
US-Sc hießsc hule V iking Tactics von Ky le Lamb
M4/CQBR im Laufe der Übung leer schossen
und somit gezwungen waren, den Rest der
Übung mit ihrer Sekundärwaffe zu schießen.
Eine Überraschung war, was sich da in Böblingen bei Zweidrittel der Soldaten der 10th Special Forces Group als Sekundärwaffe im Holster befand: eine Glock G19 in 9 mm Luger. Zu
mindestens inoffiziell hat die Glock somit die
Beretta 92 hier als Standardwaffe abgelöst. Ein
weiterer interessanter Punkt im Kurzwaffenbereich war die Abkehr der meisten Soldaten von
den vor kurzer Zeit noch so beliebten taktischen Oberschenkelholstern Die meisten Soldaten trugen ihre Kurzwaffen in Blade-Tech
oder Safariland Holstern, die direkt an den
MOLLE Schlaufen ihrer Plate Carrier (Schutzwesten) befestigt waren. Das ist beim längeren
Sitzen, zum Beispiel in Fahrzeugen, nicht nur
bequemer, auch der Zugriff auf die Waffe ist generell einfacher und schneller. Einen wirklichen Kraftakt für die Männer stellte der letzte
Trainingsblock des Tages dar. Eine Verwundung des linken Armes (bei Linkshändern des
rechten Armes) simulierend, sollten die Soldaten den Feuerkampf innerhalb des Fahrzeuges
und hinter dem Fahrzeug einhändig fortsetzen.
Die Soldaten sollten dabei zunächst von der
Beifahrerseite des Ladas aus dem Seitenfenster
drei vor ihnen liegende Ziele beschießen, dann
auf die Fahrerseite rüberwechseln, wiederum
aus dem Seitenfenster die drei sich vor dem
Fahrzeug befindlichen Ziele beschießen, das
Fahrzeug durch die Fahrertür verlassen und
von Positionen hinter dem Lada jeweils rechts
und links am Fahrzeug vorbei die Ziele erneut
mit Treffern versehen. Im wirklichen Leben
würde man in dieser Situation selbstverständlich durch die Windschutzscheibe des Fahrzeuges feuern, aus Rücksicht auf den Lada wurde
darauf verzichtet. Wer den Innenraum eines
Lada Niva kennt, kann erahnen, wie mühevoll
der Wechsel von der Beifahrerseite zur Fahrerseite, beladen mit Waffe, Schutzweste, Munition
und weiterer Ausrüstung, ist. Auch bei dieser
letzten Übung wird die Trainingsdidaktik und
Trainingsmethodik von Kyle Lamb wieder deutlich sichtbar. Er stellt die Soldaten vor eine
Herausforderung, ohne ihnen sofort ein Patentrezept aufzudrücken. Stattdessen läßt er sie
selbst Lösungen erarbeiten und ausprobieren.
Erst dann demonstriert er seinen eigenen Lösungsansatz, den die Soldaten dann ausprobieren und mit ihrem eigenen vergleichen konnten.
Text und Fotos: Oliver Falk
Der holländische IPSC-Topschütze Claude van
Gessel mit einem modularem JP/VTAC Handschutz an seinem sportlichen AR-15-Matchgewehr.
Der VTAC L.U.S.A (Lamb Universal Sling Adapter)
ist eine Riemenmontage für Picatinny Schienen. Sie
ist so ausgelegt, daß der Riemen entweder direkt
durch die Montage gezogen werden kann, oder
wahlweise mit den drei gängigen Riemenösensystemen (HK Karabiner, QD Quick Detach Swivel
oder Standardriemenöse) befestigt werden kann.
30 caliber 6/2008
Lambs M4 Leihwaffe der 10th SF in Böblingen. Ausgestattet
mit dem VTAC-Zwei-Punkt-Riemen, VTAC Riemenadapter,
EOTech-Visier, SureFire G2 Nitrolon in VTAC
Lichtmontage und dem klappbaren
VTAC Vordergriff.
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