Jura Online - Fall: Verböserung im Freispruch

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Die Klage hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.
A. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Mangels aufdrängender Sonderzuweisung könnte Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO eröffnet
sein. Es müsste dafür öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegen. Die
streitentscheidenden Normen sind hier solche des Gaststättengesetzes (GastG), diese sind
öffentlich-rechtlicher Natur, so dass auch die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Art ist. Es streiten hier
auch keine Verfassungsorgane um formelles Verfassungsrecht und eine abdrängende
Sonderzuweisung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Damit ist der Verwal¬tungsrechtsweg nach § 40 I 1
VwGO eröffnet.
II. Statthafte Klageart
Die statthafte Klageart richtet sich gem. § 88 VwGO nach dem Klägerbegehren. F begehrt die
Aufhebung des Widerspruchsbescheids. Diesem Klagebegehren entspricht die Anfechtungsklage
nach § 42 I 1. Fall VwGO, da der Widerspruchsbescheid ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1
VwVfG ist und sich vorliegend auch nicht erledigt hat.
Zu prüfen ist ferner, inwieweit F eine Aufhebung wünscht. Das Gesetz geht in § 79 I Nr. 1 VwGO im
Grundsatz davon aus, dass der Ausgangsbescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, Gegenstand der Anfechtungsklage ist. Es sieht weiter vor, dass nur in
den Fällen des § 79 I Nr. 2 und § 79 II 1 VwGO die Möglichkeit bestehen soll, den
Widerspruchsbescheid zum alleinigen Gegenstand der Anfechtungsklage zu machen.
Es ist somit zu prüfen, ob ein solcher Fall vorliegt. N wendet sich vorliegend nur gegen die
Bestimmungen des Widerspruchsbescheids und möchte nur dessen Bestimmungen aufgehoben
haben, nicht die des Ausgangsbescheids. Er begehrt daher ausdrücklich nur eine isolierte Aufhebung
des Widerspruchsbescheids. Für die Zulässigkeit dieses Begehrens kommt es damit darauf an, ob
und wenn ja, welchem Fall von § 79 I Nr. 2 VwGO bzw. § 79 II VwGO die Regelungen des
Widerspruchsbescheids zuzuordnen sind.
§ 79 I Nr.2 VwGO betrifft eine „erstmalige" Beschwer und geht damit davon aus, dass der
Ausgangsbescheid noch keine Beschwer dieser Art enthielt. Demgegenüber setzt § 79 II VwGO
voraus, dass der Ausgangsbescheid schon eine Beschwer enthielt und nun der Widerspruchsbescheid
dazu eine "zusätzliche, selbständige" Beschwer enthält (sog. echte reformation in peius). Im
vorliegenden Fall ist diesbezüglich hinsichtlich der beiden im Widerspruchsbescheid getroffenen
Regelungen zu unterscheiden: Hinsichtlich der Betriebszeitbeschränkung der Terrasse enthielt bereits
der Ausgangsbescheid eine Beschränkung bzgl. der Wochentage auf 20.00 Uhr. Der
Widerspruchsbescheid erhält diesbezüglich eine hieran anknüpfende zusätzliche, selbstständige
Beschwer, indem er die Benutzung der Terrasse auch am Wochenende ab 20.00 Uhr untersagt. Es
liegt daher bzgl. der Terrassennutzung ein Fall von § 79 II VwGO vor. Der Kläger kann daher gemäß §
79 II VwGO wählen, ob er Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid anfechten will, oder isoliert nur
den Widerspruchsbescheid. F hat hier deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nur letzteres
wünscht. Das ist nach § 79 II VwGO zulässig. Statthafte Klageart ist insoweit, wie sich unmittelbar
aus § 79 II VwGO ergibt, die Anfechtungsklage.
Bzgl. des Verbots der Veranstaltung von Flatrate-Parties enthielt der Ausgangsbescheid vom
23.07.2014 keinerlei Regelung, so dass es sich insoweit um eine erstmalige Beschwer im
Widerspruchsbescheid handelt (sog. unechte reformatio in peius). Für diesen Fall ist § 79 I Nr. 2 VwGO
einschlägig, wonach Gegenstand der Anfechtungsklage, mangels Beschwer im Ausgangsbescheid,
(zwingend) der Widerspruchsbescheid ist. Gemäß § 79 I Nr. 2 VwGO ist auch in diesem Fall die
Anfechtungsklage statthaft.
III. Klagebefugnis, § 42 II VwGO
F müsste auch klagebefugt im Sinne des § 42 II VwGO sein. Dies setzt die Geltendmachung einer
Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte voraus. Hier erscheint es nicht von vornherein
ausgeschlossen und damit möglich, dass der F durch die ihm im Widerspruchsbescheid auferlegten
Beschränkungen in seinen ihm durch die ursprüngliche Gaststättenkonzession gewährten Rechten
verletzt ist. Er ist daher klagebefugt.
IV. Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO
Grundsätzlich verlangt § 68 I 1 VwGO, dass vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und
Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind. F hat vor der
Erhebung seiner Klage allerdings keinen Widerspruch gegen Widerspruchsbescheid eingelegt. Dies
wäre dann folgenlos, wenn es einer solchen Nachprüfung nicht bedürfte. Nach § 68 I 2 Nr. 2 VwGO
bedarf es einer solchen Nachprüfung nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn der
Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält. Hinsichtlich des
Verbots zukünftiger Flatrate-Parties ist letzteres der Fall (s.o.), so dass insoweit kein Widerspruch
erforderlich war.
Fraglich ist, wie es sich diesbezüglich hinsichtlich der weiteren Einschränkung der Terrassennutzung
verhält, da § 68 I 2 Nr. 2 VwGO nur von einer "erstmaligen Beschwer" spricht und damit konkret den
Fall des § 79 I Nr. 2 VwGO aufgreift. Man könnte danach annehmen, dass nur in diesem Fall kein
Widerspruch erforderlich ist. Dies ist indes nach allgemeiner Ansicht nicht der Fall, da eine
Beschränkung auf den Fall des § 79 I Nr. 2 VwGO Sinn und Zweck der Regelung nicht entspricht.
Erfasst sein sollen vielmehr alle Fälle der reformation in peius und damit insbesondere auch die
„echte“ nach § 79 II VwGO. Daher bedurfte es auch insoweit keines Widerspruchs.
V. Klagefrist, § 74 I VwGO
F müsste ferner auch die Klagefrist des § 74 I VwGO gewahrt haben.
1. Frist des § 70 I VwGO
Nach § 74 I VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Widerspruchsbescheids erhoben werden. Der Widerspruchsbescheid wurde dem F am 30.09.2014
zugestellt. Die Frist lief demnach bis zum 30.10.2014 um 24.00 Uhr. Dass F geplant hatte, erst am
30.10.2014 zurückzukehren ist insoweit unerheblich, da F die Frist voll ausnutzen durfte, mithin auch
nach seiner Rückkehr noch bis 24.00 Klage hätte erheben können. Dies hat F indes zu diesem Termin
nicht getan, sondern erst am 7.11.2014. Die Klageerhebung ist damit verfristet.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 60 VwGO
Möglicherweise ist dem F jedoch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 70 II, 60 VwGO
zu gewähren. Dazu müssten die Voraussetzungen des § 60 VwGO vorliegen. Nach § 60 I VwGO ist,
wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ihm auf Antrag
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
a) Versäumung einer Frist
Eine Fristversäumung liegt vor (s.o.).
b) Ohne Verschulden
F müsste auch ohne Verschulden verhindert gewesen sein, die Frist einzuhalten. Den F dürfte mithin
an seiner Verhinderung bzw. der Verspätung kein Verschulden treffen. Verschulden liegt insoweit vor,
wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer acht läßt, die für einen
gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im
Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten
Falls zuzumuten war. Die Verhinderung des F trat aufgrund eines von außen hinzutretenden
Ereignisses ein, ohne dass F hinsichtlich der Fristwahrung die gebotene Sorgfalt außer acht gelassen
hätte. Insbesondere ist es nicht sorgfaltswidrig die Frist voll ausschöpfen zu wollen. F war daher
ohne Verschulden an der Fristwahrung verhindert.
c) Antrag, § 60 I, II VwGO
F müsste ferner gemäß § 60 I, II VwGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses den
Wiedereinsetzungsantrag gestellt haben. Nach § 60 II 3, 4 VwGO gilt ergänzend, dass die versäumte
Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen ist und dass, sofern dies geschehen ist, die
Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden kann. Vorliegend hat F unmittelbar nach dem
Wegfall des Hindernisses, d.h. noch am Tage seiner Ankunft und damit innerhalb der Zweiwochenfrist
mit der Erhebung der Klage die versäumte Rechtshandlung nachgeholt. Insofern war der
Wiedereinsetzungsantrag, den er zeitgleich gestellt hat nicht zwingend erforderlich. Dass er ihn
dennoch gestellt hat ist unschädlich. Die Voraussetzungen der § 60 I, II VwGO sind daher auch
insoweit erfüllt.
d) Glaubhaftmachung
Nach § 60 II 2 VwGO sind die Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung
erfolgt über § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 294 ZPO. F hat eine entsprechende Glaubhaftmachung
vorgenommen.
Damit liegen die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung vor.
VI. Klagegegner, § 78 I VwGO
F müsste die Klage auch gegen den richtigen Klagegegner gerichtet haben. Nach §§ 79 II 3, 78 II VwGO
ist, wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2), Behörde im Sinne des Absatzes 1 des § 78 VwGO die Widerspruchsbehörde. Damit
hängt für den Fall des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der richtige Klagegegner davon ab, ob das
Rechtsträger- oder das Behördenprinzip gilt. In der Stadt H gilt das Rechtsträgerprinzip gemäß § 78 I
Nr. 1 VwGO, so dass insoweit die richtige Beklagte der Rechtsträger und damit die Stadt H ist. Soweit
der Bescheid eine zusätzliche Beschwer im Sinne des § 79 II VwGO enthält folgt die
Beklagteneigenschaft der Stadt H unmittelbar aus § 78 I Nr. 1 VwGO.
Die Klage ist damit zulässig.
B. Objektive Klagehäufung, § 44 VwGO
Die Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung gemäß § 44 VwGO liegen vor.
C. Begründetheit
Die Anfechtungsklage bzgl. des Widerspruchsbescheids ist nach § § 115, 113 I 1 VwGO begründet,
soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.
I. Rechtswidrigkeit
Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit ist zwischen den beiden Regelungen, der Ausweitung der
Einschränkung der Terrassennutzung einerseits und der Untersagung der Flatrate-Parties
andererseits zu unterscheiden.
1. Verbot von Flatrate-Parties
Der Widerspruchsbescheid wäre insoweit rechtmäßig, wenn er auf einer wirksamen
Ermächtigungsgrundlage beruht und formell und materiell rechtmäßig ist.
a) Ermächtigungsgrundlage
Als belastender VA bedarf das Verbot der Flatrate-Parties einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage.
In Betracht kommt vorliegend § 5 I Nr. 1 GastG. Dann müsste es sich bei dem Verbot von FlatrateParties um eine Auflage bezogen auf die Gaststättenerlaubnis handeln. Auflagen sind eine Form der
möglichen Nebenbestimmungen zum VA. Es ist daher zunächst festzustellen, ob es sich bei dem
Verbot von Flatrate-Parties um eine Neben- oder ein Inhaltsbestimmung handelt. Während erstere
einen eigenen Sachverhalt betreffen und damit einen eigenen Regelungsgehalt besitzen (der
allerdings mit dem Regelungsgegenstand des Haupt-VA in Zusammenhang steht), legen
Inhaltsbestimmungen nur den Regelungsgegenstand des Haupt-VA fest, beschreiben seinen Inhalt
genau und bestimmen seinen Umfang und damit, wie weit die Regelung des VA reicht. Eine
Inhaltsbestimmung liegt m.a.W. vor, wenn die betreffende Bestimmung Inhalt und Umfang des VA
regelt und damit quasi selbst der VA ist. Demgegenüber liegt eine Nebenbestimmung vor, wenn die
betreffende Bestimmung einen gegenüber dem VA selbständigen Sachverhalt betrifft und regelt.
Vorliegend bestimmt das Verbot der Flatrate-Party nicht Inhalt und Umfang der
Gaststättenerlaubnis, sondern regelt einen selbständigen Sachverhalt, der gewissermaßen die
Preisgestaltung und den Verkaufsmodus betrifft, aber bspw. nicht die Art der Getränke oder
Betriebszeiten. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die verbotenen Modalitäten nicht im
Rahmen der in § 3 GastG beispielhaft aufgezählten Inhalte, respektive Inhaltsbestimmungen,
enthalten ist. Das Flatrate-Verbot stellt mithin eine Nebenbestimmung dar.
Weiterhin müsste es sich bei dieser Nebenbestimmung um eine Auflage im Sinne des § 36 II Nr. 4
VwVfG handeln. Denkbar ist allerdings auch das Vorliegen einer anderen Art der Nebenbedingung. In
Betracht käme theoretisch etwa eine Bedingung. Es mithin zwischen Bedingungen und Auflagen
abzugrenzen. Bedingungen, ebenso wie Befristungen, betreffen die Wirksamkeit des VA.
Demgegenüber hängt bei einer Auflage die Wirksamkeit des VA nicht davon ab, ob die Auflage erfüllt
wird. Die Angrenzung erfolgt anhand der Kriterien Behördenwille, Wortlaut, Indizien und nachrangig
der Vermutungsregel, wonach im Zweifel eine Auflage als das für den Bürger mildere Mittel
anzunehmen ist.
Vorliegend hat F allerdings bereits eine Gaststättenerlaubnis, was als Indiz gegen eine (nachträgliche)
Bedingung spricht. Allenfalls könnte eine auflösende Bedingung für den Fall der Zuwiderhandlung
gemeint sein. Das kommt aber, unabhängig davon, ob dies zulässig wäre, nicht als Behördenwille zum
Ausdruck und lässt sich auch am Wortlaut nicht festmachen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass
die Gaststättenerlaubnis in ihrem Bestand nicht unmittelbar davon abhängen soll, ob FlatrateParties durchgeführt werden oder nicht, so dass keine Bedingung anzunehmen ist. Ein anderer
Behördenwille tritt jedenfalls nicht hervor, so dass im Zweifel eine Auflage i.S.d. § 36 II Nr. 4
HmbVwVfG anzunehmen ist. Damit kommt § 5 GastG als Ermächtigungsgrundlage in Betracht.
b) Formelle Rechtmäßigkeit
Der Widerspruchsbescheid müsste auch formell rechtmäßig sein. Dies wäre der Fall, wenn er von der
zuständigen Behörde nach einem ordnungsgemäß durchgeführten Verfahren in der richtigen Form
erlassen wäre.
aa) Zuständigkeit
Die Behörde, die über den Widerspruch entschieden hat, müsste zum Erlass des
Widerspruchsbescheids zuständig gewesen sein. Fallen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde
auseinander, so ist umstritten, ob die Widerspruchsbehörde für eine echte Verböserung überhaupt
zuständig ist. Hier handelt es sich allerdings nicht um eine echte Verböserung, sondern um eine
unechte, da das Flatrate-Party-Verbot eine erstmalige Beschwer darstellt (s.o.). Insoweit läge nur
dann, wenn Ausgangs- und Widerspruchsbehörde auseinanderfielen, eine Unzuständigkeit der
Widerspruchsbehörde vor. In der Stadt H ist die Ausgangsbehörde jedoch zugleich auch
Widerspruchsbehörde und damit auch für den Erlass „neuer“ Verwaltungsakte, wie dies etwa bei der
unechten reformation in peius der Fall ist, zuständig.
bb) Verfahren
Es müssten bestehende Verfahrensvorgaben eingehalten worden sein. Nach § 71 VwGO ist
vorgesehen, dass der Widerspruchsführer vor einer erstmaligen Beschwer im Widerspruchsbescheid
erneut angehört werden soll. F wurde hier vor Erlass des Widerspruchsbescheids erneut angehört.
Das Verfahren wurde damit eingehalten.
cc) Form
Der Widerspruchsbescheid müsste auch formgemäß ergangen sein. Der Widerspruchsbescheid
bedarf, wie sich aus § 73 III 1 VwGO mittelbar ergibt, da er danach zuzustellen ist, der Schriftform. Die
B hat den Widerspruchsbescheid schriftlich erlassen, so dass die Form gewahrt ist.
Der Widerspruchsbescheid ist insoweit formell ordnungsgemäß.
c) Materielle Rechtmäßigkeit
Der Widerspruchsbescheid wäre materiell rechtmäßig, wenn der Tatbestand der
Ermächtigungsgrundlage, hier des § 5 I Nr. 1 GastG erfüllt ist und die richtige Rechtsfolge gewählte
wurde.
aa) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 I Nr. 1 GastG
Nach § 5 I Nr. 1 GastG können Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, jederzeit Auflagen
zum Schutze der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder
Sittlichkeit erteilt werden.
F müsste daher zunächst einer Erlaubnis für sein Gewerbe bedürfen. Sein Gewerbe ist eine
Gaststätte. Für den Betrieb einer solchen bedarf es nach §§ 2, 4 GastG einer Erlaubnis. Es handelt
sich bei dem Verbot auch um eine Auflage (s.o.). Diese Auflage müsste zum Schutze der Gäste gegen
Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit erteilt werden. Die Behörde
begründete das Flatrate-Party-Verbot mit dem zu beobachtenden exzessiven Alkoholkonsum der
Partybesucher bei den Flatrate-Parties des F und daraus resultierenden Gesundheitsgefahren für die
Gäste. Die Regelung diente damit auch dem Ziel, Gefahren für Leben und/oder Gesundheit der Gäste
abzuwehren. Die Voraussetzungen des § 5 I GastG liegen damit vor.
bb) Rechtsfolge
Als Rechtsfolge gewährt § 5 I GastG der Behörde Ermessen hinsichtlich der erlassenden Regelung.
Die Behörde hat sich hier für ein gänzliches Verbot solcher Veranstaltungen ausgesprochen. Diese
Ermessensentscheidung kann das Gericht nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern prüfen. Hier
könnte eine Ermessensüberschreitung vorliegen. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die
gewählte Regelung gegen höherrangiges Recht, insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
verstieße. Die Verhältnismäßigkeit wäre gewahrt, wenn die Maßnahme einen legitimen Zweck
verfolgte, zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich und darüber hinaus verhältnismäßig im
engeren Sinne (angemessen) wäre. Das Verbot dient hier dem Zweck, die Gesundheit der Gäste zu
schützen, in dem sie vor übermäßigem Alkoholkonsum bewahrt werden sollen. Dies ist ein legitimes
Ziel. Die Maßnahme müsste überdies geeignet, d.h. dem Zweck förderlich sein. Das Verbot von
Flatrate-Parties führt zumindest bezogen auf die konkrete Veranstaltung dazu, dass ein übermäßiger
Alkoholkonsum nicht durch die Art der Veranstaltung begünstigt wird. Das Verbot ist daher dem
Zweck förderlich und damit geeignet. Weiterhin müsste die Maßnahme auch erforderlich sein, d.h. es
dürfte kein milderes Mittel gleicher Eignung geben. Alternativ könnte man dem F aufgeben, keinen
Alkohol an sichtbar Angetrunkene auszuschenken. Allerdings verspricht eine solche Auflage letztlich,
gerade wenn die Flatrate-Party „im vollen Gange“ ist und die Gäste in gewisser Weise auch Druck auf
den Wirt ausüben, nicht den gleichen Erfolg. Zudem wäre das Merkmal „sichtbar angetrunken“ zu
unbestimmt, um danach in der Praxis verfahren zu können. Eine solche Auflage wäre daher nicht
gleich geeignet. Denkbar wäre auch ein Entzug der Gaststättenkonzession über §§ 15 II, 4 I Nr. 1
GastG. Dieses Mittel wäre sicher mindestens ebenso effektiv und damit auch mindestens gleich
geeignet, aber es wäre nicht milder und kommt von daher nicht in Betracht. Ein anderes milderes
Mittel gleicher Eignung ist nicht in Sicht, so dass das Verbot auch erforderlich ist. Es müsste ferner
auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein, d.h. die Zweck-Mittel-Relation müsste stimmen. Zweck
des Verbots ist der Schutz der Gesundheit der Gäste, grundrechtlich abgesichert durch Art. 2 I GG, die
- angesichts der von dem Angebot ausgehenden Motivation, entweder den Eintrittspreis möglichst
umfassend „abzutrinken“ oder darüber hinaus, bei den günstigen Zusatzpreisen für Mixgetränke „mal
für kleines Geld richtig zuzuschlagen“ und dem damit einhergehenden, beobachtbar exzessiven
Alkoholkonsum - erheblich gefährdet ist. Da der Rausch in Extremfällen, und solche sind auf Parties
dieser Art regelmäßig zu beobachten, auch zum Tode führen kann, ist die Gefährdung auch ganz
erheblich.
Dem Interesse diese Gefahr vermittels des Verbots zu bannen, steht das Interesse des F an der
Fortführung seines Betriebs, grundrechtlich verankert in Art. 12 I GG, gegenüber. Insoweit ist
allerdings zu beachten, dass das bloß wirtschaftliche Interesse des F gegenüber dem Schutzgut
Gesundheit schon generell nachrangig ist. Hier insbesondere auch deshalb, weil nicht der Betrieb als
solcher untersagt wird, sondern nur eine bestimmte Art und Weise, die eine andere Art des Betriebs
nicht ausschließt. Der Eingriff in Art. 12 I GG ist daher gerechtfertigt und überdies auch nicht von
besonderer Intensität. Daher ist die Maßnahme auch verhältnismäßig im engeren Sinn.
Das Verbot von Flatrate-Parties ist damit rechtmäßig. Die Klage hat insoweit keinen Erfolg.
2. Ausweitung der Einschränkung der Terrassennutzung
Der Widerspruchsbescheid wäre hinsichtlich der Ausweitung der Einschränkung der
Terrassennutzung rechtmäßig, wenn er auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruht und
formell und materiell rechtmäßig ist.
a) Ermächtigungsgrundlage
Als belastender VA bedarf der Widerspruchsbescheid auch insoweit einer wirksamen
Ermächtigungsgrundlage.
aa) Eine Ansicht
Nach einer Ansicht handelt es sich bei der Verböserung um eine Teilaufhebung des
Grundverwaltungsakts, so dass hierfür entweder die spezialgesetzlichen Aufhebungsvorschriften
oder subsidiär §§ 48, 49 VwVfG gelten.
Insoweit ist zunächst zu ermitteln, ob es passende spezialgesetzliche Aufhebungsvorschriften für die
(Teil-) Aufhebung gibt. Da es sich vorliegend bei dem Grund-VA um eine Gaststättenerlaubnis handelt,
kommt nach dieser Ansicht als Ermächtigungsgrundlage § 15 GastG in Betracht.
bb) Andere Ansicht
Nach anderer Ansicht richtet sich die Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung der
Widerspruchsbehörde nach der Ermächtigungsgrundlage für den Ausgangs-VA. Welche dies ist,
richtet sich vorliegend danach, ob in den Inhalt des Grund-VA eingegriffen und dieser geändert, mithin
(teil-) aufgehoben wird oder ob dem Grund-VA eine Nebenbestimmung, bspw. eine Auflage, beigefügt
wird. Es ist daher zu bestimmen, ob die Änderung der Betriebszeiten eine nachträgliche
Inhaltsbestimmung und damit eine Teilaufhebung oder eine Auflage darstellt, da dafür jeweils andere
Ermächtigungsgrundlagen gelten. Vorliegend stellt die Änderung der Betriebszeiten eine Änderung
des Inhalts des Grund-VA (hier der Gaststättenerlaubnis) dar, wie sich auch aus § 3 GastG ergibt. In
der nachträglichen Änderung der zugelassenen Betriebszeiten liegt daher eine nachträgliche
Inhaltsbestimmung und damit eine Teilaufhebung, so dass als Ermächtigungsgrundlage hierfür § 15
GastG in Betracht kommt.
Im vorliegenden Fall kommen damit beide Ansichten zum gleichen Ergebnis, so dass ein
Streitentscheid nicht erforderlich ist.
b) Formelle Rechtmäßigkeit
Der Widerspruchsbescheid müsste auch formell rechtmäßig sein. Dies wäre der Fall, wenn er von der
zuständigen Behörde nach einem ordnungs¬gemäß durchgeführten Verfahren in der richtigen Form
erlassen wäre.
aa) Zuständigkeit
Die Behörde, die über den Widerspruch entschieden hat, müsste zum Erlass eines verbösernden
Widerspruchsbescheids zuständig gewesen sein. Fallen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde
auseinander, so ist umstritten, ob die Widerspruchsbehörde für eine Verböserung überhaupt
zuständig ist. Bei Idendität der Behörden, wie es in der Stadt H der Fall ist, bestehen dagegen gegen
keine Bedenken gegen die Zuständigkeit der gleichen Behörde für die Verböserung, da sie einen
entsprechenden Bescheid, zumindest von der Zuständigkeit her, auch gleich hätte erlassen können.
Damit war die zuständige Behörde B auch für die Verböserung zuständig.
bb) Verfahren
Die Verfahrensvorgaben wurden eingehalten (s.o.)
cc) Form
Auch die Form wurde gewahrt (s.o.).
Der Widerspruchsbescheid ist damit formell rechtmäßig.
c) Materielle Rechtmäßigkeit
Der Widerspruchsbescheid wäre materiell rechtmäßig, wenn der Tatbestand der
Ermächtigungsgrundlage erfüllt ist und die richtige Rechtsfolge gewählte wurde.
aa) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 I GastG
Eine (Teil-) Rücknahme nach § 15 I GastG setzt voraus, dass bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der
Erlaubnis Versagungsgründe nach § 4 I Nr. 1 GastG vorlagen. Dafür sind vorliegend keine
Anhaltspunkte ersichtlich, so dass § 15 I GastG als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht kommt.
bb) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 II GastG
Ein (Teil-) Widerruf nach § 15 II GastG setzt voraus, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die
eine Versagung nach § 4 I Nr. 1 GastG rechtfertigen. Fraglich ist, ob ein Versagungsgrund nach § 4 I
Nr. 1 GastG vorliegt. Danach ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht
besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige
oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der
Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder
Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird.
In Betracht kommt hier die Modalität „dem Alkoholmißbrauch Vorschub leisten“. Vorliegend sorgt das
Flatrate-Angebot dafür, dass die Gäste dazu angehalten werden, so viel zu trinken, „wie geht“. Das
bewusste oder durch Dritte veranlasste Trinken von so viel Alkohol, wie der Körper gerade noch
verarbeiten kann, stellt eine Form des Alkoholmißbrauchs dar. Insofern befördert das Angebot des F
Alkoholmißbrauch unter den Gästen und leistet einem solchen daher auch Vorschub im Sinne des § 4
I Nr. 1 GastG. Damit liegt ein nachträglicher Versagungsgrund im Sinne der §§ 15 II, 4 I Nr. 1 GastG
vor.
Rechtsfolge des § 15 II GastG ist eine gebundene Entscheidung. Danach wäre die
Gaststättenerlaubnis zu widerrufen. Dabei muss aber auch eine gebundene Entscheidung den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz waren. Insoweit müsste der Widerruf einen legitimen Zweck
verfolgen, geeignet, erforderlich und angemessen sein. Problematisch ist insoweit schon, dass die
Behörde mit der Beschränkung der Terrassennutzung (als Teilwiderruf der Gaststättenerlaubnis)
nicht den Gesundheitsschutz der Gäste bezweckt, sondern weit entfernt liegende Anwohner vor
tatsächlich nicht vorliegenden Ruhestörungen bewahren möchte. Damit ist insofern schon die
Legitimität des Zwecks fraglich. Selbst wenn man unterstellte, dass die Behörde den
Gesundheitsschutz der Gäste entweder hinsichtlich der Lautstärke oder der Gesundheitsgefährdung
bezweckte, reicht dies hier nicht aus. Der Gesundheitsschutz der Gäste gegenüber Risiken der
Musiklautstärke ist nämlich weder Gegenstand der Regelung des § 4 I Nr. 1 GastG, noch liegt eine
solche Gefahr hier vor, da alle entsprechenden Vorschriften eingehalten werden, so dass die
Maßnahme insoweit weder einen legitimen, vom einschlägigen Gesetz abgedeckten Zweck verfolgt,
noch zur erreichen dieses Zwecks geeignet wäre. Dies gilt auch hinsichtlich des möglicherweise
unkommuniziert mitbezweckten Ziels der Vermeidung durch die Flatrate-Parties tatsächlich
gegebenen Gesundheitsgefahren, denn insoweit ist die Maßnahme jedenfalls zur Zweckerreichung
nicht geeignet, da die Parties nicht allein auf der Terrasse stattfinden und durch das Verbot
bestenfalls mittelbar und was den Ausschank an sich angeht, marginal betroffen werden.
Die Beschränkung der Terassennutzung ist damit nicht verhältnismäßig und damit über § 15 II GastG
nicht möglich.
cc) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 III GastG
In Betracht käme ferner ein Widerruf nach § 15 III Nr. 1 GastG. Danach kann die Erlaubnis widerrufen
werden, wenn der Gewerbetreibende oder sein Stellvertreter die Betriebsart, für welche die Erlaubnis
erteilt worden ist, unbefugt ändert. Vorliegend hat F die Betriebsart von einem Kneipenbetrieb in
einen Diskothekenbetrieb verändert. Dies war dem F vorliegend allerdings möglich, da seine Erlaubnis
auch den Betrieb einer Diskothek umfasst. Das Ausbringen von feinem Sand und das Aufstellen
neuer Möbel tangiert die vorliegende Erlaubnis ebenfalls nicht. § 15 III GastG scheidet damit ebenfalls
aus.
Damit liegen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Gast insgesamt nicht vor.
dd) Widerruf nach § 49 VwVfG
In Betracht kommen könnte noch ein (Teil-) Widerruf nach § 49 VwVfG. Dazu müsste § 49 VwVfG als
allgemeine Ermessensvorschrift neben der speziellen Ermessensvorschrift des § 15 III GastG
überhaupt anwendbar sein. Gegen die Anwendung des § 49 VwVfG neben § 15 III GastG, der hier wie
dargelegt, tatbestandlich einschlägig ist, spricht, dass § 15 III GastG bereits einen speziellen
Widerrufstatbestand für das Gaststättenrecht enthält, der nicht durch die Anwendung des
allgemeinen Widerrufsgrundes des § 49 VwVfG unterlaufen und damit letztlich ausgehebelt werden
darf. Daher ist die Anwendung des § 49 VwVfG vorliegend durch § 15 III GastG gesperrt.
Damit ist die Ausweitung der Einschränkung der Terrassennutzung rechtswidrig, womit der
Widerspruchsbescheid insgesamt teilweise rechtswidrig ist.
II. Rechtsverletzung
Soweit der Widerspruchsbescheid rechtswidrig ist, ist die Rechtsverletzung damit indiziert und die
Klage insoweit begründet.
C. Endergebnis
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Im Übrigen ist sie abzuweisen.