II. Entscheidungshilfen

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II. Entscheidungshilfen
ErbenVererben Aufl9 Version03.book Seite 123 Freitag, 24. September 2010 5:31 17
II.
Entscheidungshilfen
1.
Welche Fragen sollte sich der Erblasser
stellen?
(Ratschläge aus der Gerichtspraxis)
Ist eine letztwillige Verfügung in meinem Fall überhaupt
notwendig?
Dies ist die erste Frage, die Sie sich stellen sollten. Der Staat hat ohnedies
eine gesetzliche Erbfolge für den Fall festgesetzt, dass jemand keinen letzten Willen (= Testament oder Kodizill) hinterlässt (siehe auch Kapitel I/2).
Das bedeutet, dass man nur dann eine letztwillige Verfügung zu errichten
braucht, wenn man mit der gesetzlichen Erbfolge nicht einverstanden ist,
das Auftauchen eines gefälschten Testaments befürchtet oder eine bestimmte Teilungsanordnung festsetzen will.
Eine Erbteilungsanordnung vermeidet Streit.
Beispiel für Erbteilungsanordnung:
Eine Witwe hinterlässt zwei Söhne, die aufgrund der gesetzlichen
Erbfolge je zur Hälfte die Erbschaft bekommen sollen. Sie will
aber unbedingt, dass die Wohnung an den Sohn A geht, der sie zuletzt gepflegt hat. Dies müsste sie im Testament festhalten, etwa
durch die Formulierung: „Meine beiden Söhne setze ich je zur
Hälfte zu meinen Erben ein, wobei mein Sohn A meine Wohnung
bekommen soll gegen die Bezahlung eines Wertausgleichs an seinen Bruder“. Durch die Teilungsanordnung wird ein Miterbe also
nicht wertmäßig begünstigt, sondern nur genau bestimmt, was er
aus dem Nachlass erhalten soll.
Tipp: Um Streit zu verhindern, empfiehlt es sich manchmal Erbteilungsanordnungen mit Erbverzichtsverträgen samt Ausgleichszahlungen zu
verbinden. Siehe Frage 20a.
Nur bei gerechtfertigtem Vertrauen soll man es wagen einen Erbvertrag
oder eine Schenkung auf den Todesfall zu errichten (beides unwiderruflich siehe Fragen 77, 82).
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Richtig Erben & Vererben
Schieben Sie die Errichtung der letztwilligen Verfügung nicht auf!
Ist nach den obigen Ausführungen eine letztwillige Verfügung erforderlich, sollte man diese nicht aufschieben, da jeder, gleichgültig, wie alt er
ist, jederzeit nicht nur sterben (z. B. Verkehrsunfall), sondern auch in einen Zustand kommen kann, in dem er nicht mehr in der Lage ist, ein Testament zu errichten. Das Aufschieben der Errichtung einer letztwilligen
Verfügung kann daher ein Fehler sein, der nicht mehr gut zu machen ist.
Viele haben bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung eine Art
„Barriere“ zu überwinden, weil man sich dabei mit dem „Unvermeidbaren“, dem Sterben, auseinandersetzen muss. Als kleiner Trost sei dazu
erwähnt, je früher man die letztwillige Verfügung errichtet, desto größer
ist die Zeitspanne, die bis zum eigenen Ableben noch zur Verfügung
steht.
Welche letztwilligen Verfügungen kann ich als Erblasser überhaupt treffen?
Der Erblasser kann bestimmen:
– wer Erbe sein soll;
– wer bei mehreren Erben was bekommen soll;
– welche Quote ein Miterbe bekommen soll;
– wer ersatzweise erben soll (siehe Kapitel I/8);
– ob eine Vor- oder Nacherbschaft eintreten soll (siehe auch Kapitel I 8); wer Vermächtnisnehmer sein soll (siehe Kapitel I/5);
– ob der Pflichtteil entzogen oder verringert werden soll (siehe
Fragen 164a, 164b);
– ob eine frühere letztwillige Anordnung widerrufen werden soll
(siehe Frage 149);
– dass bestimmte Auflagen, Aufträge oder Bedingungen beachtet werden sollen (siehe Kapitel I/6);
– ob eine Privatstiftung errichtet werden soll (siehe Frage 203);
– ob ein Erbanfall an den Staat verhindert werden soll (siehe Frage 45);
– die Bestellung eines Testamentsvollstreckers (siehe
Kapitel IV/1);
– ob jemand enterbt werden soll (siehe Kapitel I/7);
– ob er einen Erbvertrag schließen will (siehe Frage 77);
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– ob eine Schenkung auf den Todesfall errichtet werden soll (siehe Frage 82).
Welche Art von letztwilliger Verfügung ist für mich die geeignetste?
Personen, die zwischen vierzehn und achtzehn Jahre alt sind, oder die einen Sachwalter haben, können (sofern das Gericht dies angeordnet hat)
nur vor Gericht oder Notar eine letztwillige Verfügung errichten. Alle
übrigen Personen können, sofern sie im Vollbesitz ihrer Geisteskräfte
sind, auch alle anderen Testamentsformen wählen:
„ Das eigenhändige schriftliche Privattestament (siehe Kapitel
I/3) wird bei einigem Geschick, wenn keine zu komplizierten
Verfügungen getroffen werden, für viele die geeignetste Testamentsform sein. Der Vorteil besteht darin, dass man keine Zeugen
braucht und keine Kosten für Notar, Rechtsanwalt oder Gericht
anfallen (Muster siehe Kapitel III/2–3, 6–8).
„ Beim fremdhändigen schriftlichen Privattestament (siehe Kapitel I/3) besteht die Gefahr, dass das Testament ungültig ist, wenn
nicht alle drei Zeugen im Sinn des Gesetzes „taugliche Zeugen“
sind. Diese Testamentsform kommt für Personen in Betracht, die
sich beim Schreiben schwer tun (Muster siehe Kapitel III/4).
„ Öffentliche Testamente vor Notar oder Bezirksgericht kommen dann in Frage, wenn komplizierte letztwillige Verfügungen,
z. B. Ersatz- oder Nacherbschaft (siehe Kapitel I/8) über große
Vermögen bzw. Firmen, errichtet werden sollen. Diese Art der
Testamentserrichtung ist aber vor allem dann zu empfehlen, wenn
eine hochbetagte Person oder jemand, der aufgrund seines angegriffenen Gesundheitszustandes als geistig abgebaut betrachtet
werden könnte, letztwillig verfügt. Solche letztwilligen Verfügungen werden zur öffentlichen Urkunde. Sie gelten dann nicht
nur als echt, sondern bescheinigen auch die Testierfähigkeit des
Erblassers.
Wenn ein solches Testament wegen Testierunfähigkeit des Erblassers angefochten wird, muss der Anfechtende beweisen, dass
der Erblasser testierunfähig war. Wenn ihm das nicht gelingt,
bleibt das Testament gültig. Für die Gültigkeit des Testaments
spricht dabei, dass dem Richter oder Notar die Testierunfähigkeit
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auffallen müsste; bei allfälligen Zweifeln müsste er daher einen
Facharzt für Psychiatrie als Sachverständigen beiziehen.
„ Außer bei öffentlichen Testamenten vor Notar oder Bezirksgericht
kann man auch einen Rechtsanwalt der Testamentserrichtung beiziehen. Dies wird sich bei schwierigen Rechtsfragen empfehlen.
Wo soll ich mein Testament aufbewahren?
Während öffentliche Testamente bei Gericht oder Notar verbleiben,
muss der Verfasser eines schriftlichen privaten Testaments selbst entscheiden, wo er dieses bis zu seinem Tod aufbewahren will. Darüber bestehen keine gesetzlichen Vorschriften. Man kann das Testament entweder bei sich zu Hause (z. B. in einem Safe), bei dem Bedachten oder bei
Freunden oder Verwandten aufbewahren. Hebt der Erblasser ein Testament zu Hause auf, so sollte er eine Person seines Vertrauens über den
Aufbewahrungsort informieren, damit es im Todesfall auch gefunden
wird. Eine weitere Möglichkeit wäre, das Testament mehrfach zu errichten und eine Ausfertigung bei sich und die anderen bei Bedachten
oder Vertrauten zu verwahren.
Eine sichere Art der Aufbewahrung des Testaments besteht in dessen
Hinterlegung beim Bezirksgericht. Bei Gericht hinterlegte Testamente
werden ebenso wie jene, die bei Notar oder Rechtsanwalt hinterlegt wurden, in einem zentralen Testamentsregister mit Namen des Errichters
und Hinterlegungsort (nicht aber Inhalt) gespeichert.
Ist meine letztwillige Verfügung noch aktuell?
Durch Zeitablauf ändert sich vieles im Leben. Daher gilt es von Zeit zu
Zeit zu überprüfen, ob die – etwa vor vielen Jahren errichtete – letztwillige Verfügung noch aufrecht bleiben oder abgeändert werden soll. Es
könnte sein, dass eingesetzte Erben inzwischen verstorben sind oder ihr
Verhalten wesentlich geändert haben. Auch kann es sein, dass neue Bezugspersonen in Ihr Leben getreten sind, die es verdienen, in Ihrem Testament berücksichtigt zu werden.
HINWEIS
Wenn ein kinderloses Ehepaar nach der Testamentserrichtung ein Kind
bekommt oder adoptiert, wird das Testament ungültig.
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Achtung vor Erbverträgen!
Zum Unterschied von letztwilligen Verfügungen wie Testament oder Vermächtnis, die Sie jederzeit abändern oder widerrufen können, ist der Erbvertrag (siehe Kapitel I/4) unwiderruflich. Sie können daher, wenn der im
Erbvertrag Bedachte sich nicht mehr um Sie kümmert, den Erbvertrag
ohne dessen Zustimmung nicht mehr rückgängig machen. Durch den Abschluss eines Erbvertrages ist aber nicht nur der Erblasser in seinen Testiermöglichkeiten beeinträchtigt, sondern es ist auch die Rechtsstellung
des Vertragserben nicht völlig sicher. Der Erbvertrag hindert den Erblasser
nämlich nicht, sein gesamtes Vermögen zu verbrauchen, solange er lebt.
Geben Sie nicht schon zu Lebzeiten den Großteil Ihres
Vermögens her!
Wir leben in einer höchst materialistischen Zeit. Das Ansehen einer Person hängt oft – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen – mehr vom materiellen Besitz als von inneren Werten ab. Sie verlieren daher mit der
Abgabe von Besitz leider auch oft Ansehen, Zuwendung und Betreuung
von Angehörigen, Bekannten und „Freunden“. Daher ist die letztwillige
Verfügung für alte kranke Menschen manchmal das einzige Druckmittel
gegenüber Erbschaftsanwärtern, da man bis zu seinem Tod neu bestimmen kann, wer Erbe sein wird.
Wie kann ich als Erblasser Kosten beim Vererben sparen?
Wenn man auch seine Vermögensdisposition nicht vorwiegend aus dem
Kostengesichtspunkt treffen soll, so mögen dazu doch einige diesbezügliche Möglichkeiten als Denkanstöße aufgezeigt werden. Es empfiehlt
sich aber jedenfalls bei größerem Vermögen – falls einer der aufgezeigten Gesichtspunkte aus Kostenersparnisgründen ins Auge gefasst
wird – das Ganze durch einen Fachmann „durchrechnen“ zu lassen.
Obwohl für Todesfälle nach dem 31. 7. 2008 derzeit keine Erbschaftssteuer mehr eingehoben wird, ist eine solche zukünftig nicht auszuschließen.
„ Möglich ist die Umwandlung eines großen beweglichen Vermögens (Geld, Wertpapiere usw.) in unbewegliches Vermögen (Liegenschaften, Häuser, Eigentumswohnungen). Unbewegliches
Vermögen wird nämlich nicht mit dem wahren Wert, dem Ver127
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Richtig Erben & Vererben
„
„
„
„
„
„
kehrswert, vergebührt, sondern mit dem dreifachen Einheitswert,
der wesentlich geringer ist. Dies führt dazu, dass (trotz eines Zuschlages auf unbewegliches Vermögen) die Gebühren erheblich
geringer ausfallen. Dem Erben steht es frei, das unbewegliche
Vermögen zu verkaufen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass
auch die Umwandlung von Vermögen Kosten verursacht.
Eine Adoption des in Aussicht genommenen, nicht verwandten
Erben bewirkt eine ganz wesentliche Verringerung der Erbschaftssteuer, da diese auch nach dem Grad der Verwandtschaft bemessen
wird. Das bedeutet z. B., dass für eine Erbschaft von € 220.000,–
statt 42 % nur 9 % Erbschaftssteuer zu zahlen sind. Allerdings
wurde die Erwachsenenadoption durch das FamErbRÄG 2004
erschwert.
Dasselbe bewirkt eine Eheschließung zwischen Erblasser und
Erben (z. B. wenn der Erblasser seine Lebensgefährtin heiratet)
oder eine eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft.
Auch die Einräumung eines Fruchtgenuss- oder Wohnrechtes
im Testament kann Steuer sparen, z. B. wenn die Witwe ihren Neffen zum Erben einsetzt und ihrer Tochter ein lebenslanges Wohnrecht in einem Teil des Hauses gewährt. Hier teilt sich die Erbschaftssteuer zwischen Tochter und Neffen auf. In diesem Fall
wird nicht nur die Erbschaftssteuer geteilt, sondern auch der anzuwendende Prozentsatz niedriger.
Die Bildung von gemeinsamem Vermögen zu Lebzeiten kann
sowohl für Ehegatten als auch für Eltern und Kinder steuermäßig
günstig sein. Im Falle des Todes muss der Überlebende dann nur
für den Teil des Verstorbenen Erbschaftssteuer zahlen.
Ehepartner sollen für ihre gemeinsamen Ersparnisse und sonstigen Rechte gleichrangige Verfügungsrechte schaffen.
Ein Bestattungsvertrag entlastet die Erben.
„ Es könnte auch der in Aussicht genommene Erbe eine Versicherung auf das Leben des Erblassers abschließen. Dann ist er
selbst Empfänger der steuerfreien Versicherungsleistung, die
nicht in den Nachlass des Erblassers fällt.
„ Wenn jemand z. B. € 1.000,– netto als Vermächtnis zuwenden
will, sollte man etwa verfügen: „X soll einen solchen Betrag als
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Vermächtnis bekommen, dass ihm nach Abzug der Steuern und
Gebühren ein Betrag von € 1.000,– verbleibt“.
Tipp: Eine „Mappe für den Todesfall“ anlegen, die alle wichtigen Unterlagen für den Todesfall enthält, bzw. in der angeführt ist, wo sich diese
befinden. Wichtig ist auch ein Verzeichnis der Anschriften von Personen, die vom Ableben zu verständigen sind.
2.
Typische Fehler beim Vererben
„Aus Fehlern lernt man besonders einprägsam.“ Sir Karl Popper.
Beispiel 1: Eigenhändiges Testament
Die allein stehende Witwe Mild will ihre Betreuerin zur Erbin einsetzen. Sie hat gehört, dass dies mit einem „selbst geschriebenen
Testament“ geht. Sie kritzelt einen Testamentsentwurf auf die
Rückseite eines Kalenders, tippt ihn mühevoll mit der Schreibmaschine ab und unterschreibt mit ihrem Namen.
In diesem Fall würde die Betreuerin nichts erben, sondern es würde
alles – mangels anderer Erben – an den Staat fallen. Das Testament ist
nämlich ungültig, weil es nicht zur Gänze handschriftlich geschrieben
ist. Der handgeschriebene Testamentsentwurf ist als Testament ungültig,
weil er nicht unterschrieben ist.
Beispiele 2, 3: Fremdhändiges Testament
Der Pensionist Bruno hat gehört, dass man sein Testament Kosten
sparend ohne juristischen Beistand schriftlich vor Zeugen errichten kann. Er schreibt daher sein Testament mit der Schreibmaschine, unterfertigt es eigenhändig und lässt es von seinen beiden
Wohnungsnachbarn als Testamentszeugen unterschreiben.
Auch dieses Testament ist ungültig, weil für ein fremdhändiges
schriftliches Testament nicht zwei, sondern drei Zeugen erforderlich
sind.
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Ein anderer Nachbar will es besser machen. Er verfasst mit der
Schreibmaschine ein Testament, in dem er seine Lebensgefährtin
als Alleinerbin einsetzt. Da er drei Testamentszeugen benötigt,
lässt er das Testament, außer von seinen Nachbarn, noch von der
Schwester seiner Lebensgefährtin unterschreiben.
Leider ist auch dieses Testament ungültig, weil Testamentszeugen mit im
Testament bedachten Personen nicht verwandt oder verschwägert sein
dürfen.
Beispiel 4: Mündliches Testament
Herr Stumpf steht mit der Orthografie auf Kriegsfuß und scheut daher, ein schriftliches Testament aufzusetzen. Er errichtet deshalb ein
mündliches Testament, wobei er seine Nachbarn, ein junges Ehepaar und einen Pensionisten, als Testamentszeugen beizieht.
Im Verlauf des folgenden Jahres erleidet der Pensionist einen Schlaganfall
mit Gedächtnisverlust und der Ehemann verunglückt mit dem Auto tödlich. Das mündliche Testament ist daher unwirksam geworden. Das alles
ist Herrn Stumpf, der inzwischen in eine andere Stadt gezogen ist und den
Kontakt mit den Testamentszeugen weitgehend verloren hat, entgangen.
ACHTUNG
Seit 1. 1. 2005 ist das bisherige mündliche Testament wenn es nach dem
31. 12. 2004 errichtet wurde unwirksam; es wurde durch das Nottestament ersetzt (siehe Frage Nr. 66!).
Beispiele 5, 6: Unterlassene Testamentserrichtung
(Ehegatten)
Das kinderlose Ehepaar Heinz und Eva hat kein Testament errichtet, weil es davon ausgegangen ist, der überlebende Teil erbe ohnedies alles. Nach dem Tod von Heinz macht der im Ausland lebende verfeindete Bruder Hugo Erbansprüche auf 1/3 des Nachlasses geltend.
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Hätte Heinz ein Testament zugunsten von Eva verfasst, wäre diese Alleinerbin geworden, ohne mit Hugo teilen zu müssen.
(Lebensgefährten)
Gert und Gerda leben in jahrelanger Lebensgemeinschaft und haben zusammen ein ansehnliches Vermögen angesammelt. Da beide keine Verwandten haben, nehmen sie an, sich ohnedies gegenseitig zu beerben und unterlassen es, ein Testament zu errichten.
Das ist ein verhängnisvoller Fehler, denn Lebensgefährten haben, auch
wenn keine Verwandten des Verstorbenen da sind – kein gesetzliches
Erbrecht. Der Nachlass des Verstorbenen fällt dann an den Staat.
Beispiel 7: Unterlassene Pflichtteilsminderung
Kurt ist mit Eva verheiratet. Bei einem Kurzaufenthalt hatte er ein
intimes Verhältnis mit einer Frau, woraus Thomas entstammt. Er
hatte zwar die Vaterschaft anerkannt und Unterhalt bezahlt, aber
nie Kontakt zu ihm. Da Kurt mangels näherer Verwandtschaft der
Meinung war, Eva erbe alles, hat er kein Testament errichtet.
Im Fall von Kurts Ableben würden aufgrund der gesetzlichen Erbfolge,
die bei Nichtvorhandensein einer letztwilligen Verfügung eintritt, 2/3
des Nachlasses an Thomas und nur 1/3 an Eva fallen. Der Pflichtteil von
Thomas beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also 1/3. Kurt hat
die Möglichkeit, diesen Pflichtteil nochmals um die Hälfte zu kürzen, da
er mit Thomas niemals ein richtiges Vater-Kind-Verhältnis hatte.
Hätte Kurt mit letztwilliger Verfügung den Pflichtteil von Thomas auf
die Hälfte vermindert, würden Eva 5/6 des Nachlasses verbleiben.
Unzulässig ist eine Pflichtteilsminderung bei qualifizierter Besuchsrechtsvereitelung (siehe Frage 164a).
Beispiel 8: Erbvertrag
Das frisch getraute Ehepaar Bernd und Helga fühlt sich wie im
siebenten Himmel. Der wohlhabende Bernd vermacht Helga mittels Erbvertrag 3/4 seines Vermögens. Im Lauf der Zeit ver131
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Richtig Erben & Vererben
schlechtert sich die Ehe katastrophal. Um den Schein zu wahren,
verzichtet man auf Scheidung. Jeder lebt sein eigenes Leben.
In diesem Fall ist Bernd (anders als beim Testament) für die Dauer der
Ehe an den unwiderruflichen Erbvertrag gebunden, obwohl ihm nichts
ferner liegt, als Helga 3/4 seines Vermögens zukommen zu lassen.
Beispiel 9: Falsche Einschätzung der Rechtslage
Eva vermacht ihrer Freundin, die sie pflegt, ihre Mietwohnung
aus Dank. Da die Freundin nicht eintrittsberechtigt in den Mietvertrag ist, ist die letztwillige Verfügung ungültig.
Berücksichtigen Sie bei bestimmten Vermögen wie Mietwohnung, Ehewohnung oder Eigentumspartnerschaftswohnung die Sonderrechtsnachfolge (siehe Frage 15a). Siehe auch Frage 82: Unwirksame Übergabe auf
den Todesfall.
Beispiel 10: Unvollständige Angaben
Vermächtnis eines Sparbuches ohne dessen Aufbewahrungsort
mitzuteilen.
Wird nicht alles verteilt, erhalten die gesetzlichen Erben den Rest.
Beispiel 11: Widersprechende Verfügungen
In einem Testament sind einander ausschließende Verfügungen.
Beispiel 12: Fehlen eines gemeinsamen Kontos
Sofern keine gerechtfertigten Gründe dagegen sprechen, sollten
Sie dafür sorgen, dass der Erbe zur Deckung des laufenden Aufwandes, auch im Erbfall, Zugriff auf ein gemeinsames Konto
(Oderkonto) hat.
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