Nevipe 02/2014

Transcription

Nevipe 02/2014
nevipe
Nachrichten und Beiträge aus
dem Rom e. V.
Neue Folge, Heft 2/2014
Foto © Rom e.V.
Roma-Familie wartet auf Rettung aus ihrem überschwemmt Haus in Obrenovac, Serbien.
Lehrer Christoph Schulenkorf begleitet seine Schülerinnen bei ihrer Aufführung anlässlich der Feier „10 Jahre Amaro Kher“.
Editorial, S. 2
Romanes-Diplom an der Sorbonne in Paris, S. 18
10 Jahre Amaro Kher – Rück- und Ausblick, S. 3
Rom e.V. nahm teil am Dialog der Zivilgesellschaft
mit der EU-Kommission, S. 19
Selam Pató, Ruzdija Sejdović und Jovan Nikolić
treffen Harri Stoyka in Ulm, S. 20
Rom e.V. startete große Hilfsaktion in Obrenovac, S. 21
Patenschaften für die Kinder von Amaro Kher, S. 7
Gedenken an die Deportation der 1000 Kölner Sinti
und Roma im Mai 1940, S. 8
Zsoste, zsoste zso ker dam? – Warum, warum? Was
haben wir getan?, S. 9
„Kölner, die durch den Krieg nach draußen verschlagen wurden.“, S. 10
BGH 1956 über Roma und Sinti, S. 12
Roma in einem Bunker voller Rattengift untergebracht,
S. 27
„Sichere“ Herkunftsstaaten oder staatlicher Antiziganismus?, S. 28
Roma-Feindlichkeit nimmt sprunghaft zu, S. 29
Vandalismus gegen Roma-Gedenkplatten, S. 13
Ismetas Torten und die Spicy Girls, S. 30
Reduktion auf den Folklore-“Zigeuner“, S. 14
Bücher, S. 33
Jazz-Musikerin Dotschy Reinhardt über HobbyGypsies u.a. Diskriminierungen, S. 15
Nadine Papai – Roma-Empowerment, S. 17
„Lo real, le réel, the real“ im Kölner Schauspielhaus, S. 36
Kultur-Highlight am 22. August: Großes Konzert der
Roma und Sinti Philharmoniker in Brauweiler, S. 37
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Editorial
Die aktuelle Nummer von Nevipe umfasst vier
Themenbereiche: Im Mittelpunkt stehen die beiden
Ereignisse, die uns in den letzten drei Monaten in
Atem hielten: Das 10 Jahres Fest von Amaro Kher und
die Hilfsaktion für die Flutopfer in den von der Überschwemmungkatastrophe betroffenen Roma-Dörfern
in Serbien.
Mehrere Beiträge erinnern an die NS-Verfolgung,
besonders an die Deportation aus Köln vor 74 Jahren
sowie an die miese Behandlung der Überlebenden.
Wir gehen in mehreren Artikeln auf das Ansteigen des
offenen Antiziganismus in Staat und Gesellschaft ein.
Noch einmal thematisieren mehrere Beiträge die
Diskriminierung, die auch in der scheinbar harmlosen
Überzuckerung der harten Lebensrealität der RomaFamilien mit „Ziguener“-Romantik zum Ausdruck
kommt. Wir weisen besonders auf den hervorragenden Artikel der Musikerin und Sintizza Dotschy
Reinhardt hin.
Wir freuen, dass wir erneut auf viele Beispiele verweisen können, wo Roma in der Öffentlichkeit als Aktivisten, Künstler oder Wissenschaftler präsent sind. In
diesem Zusammenhang ist das Konzerte der Sinti und
Roma Philharmoniker in Brauweiler ein Highlight.
Unsere neue Mitarbeiterin Ismeta Stojković, demnächst Ko-leiterin unseres neuen Schulprojektes im
rechtsrheinischen Köln, stellt sich in Nevipe jetzt
schon einmal mit ihrem sehr sinnlichen Torten-Projekt und als Managerin der Spicy-Girls vor. – Wer weiß,
vielleicht können die Damen demnächst besonders
nervigen Verächtern der Roma-Kultur die Köpfe mal in
den Sahneteig tauchen.
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
10 Jahre
Amaro Kher –
10 Punkte
Rück- und Ausblick
1. Amaro Kher wurde vom Rat der Stadt auf Vor-
2.
3.
4.
5.
6.
schlag des Rom e.V. als Projekt beschlossen, um
Straßenkinder aus Flüchtlingsfamilien zu beschulen. In der Zeit davor waren die Kinder sich selbst
überlassen. Es gab keine Schulpflicht. Viele waren
nicht alphabetisiert oder sprachen kein Deutsch.
Die Familien – von der Flucht traumatisiert
– hatten keine Perspektive, weil die Stadt Bleiberecht ablehnte, sie in marode Heime einwies, die
Arbeitserlaubnis verweigerte und oft die Sozialhilfe strich. Die Kinder, die sich nicht angenommen fühlten, wurden oft straffällig und waren als
sogenannte Klaukids Zielscheibe nicht nur der
Boulevard-Medien.
Der Rom e.V. drängte darauf, dass die Stadt statt
rein repressiver Maßnahmen verstärkt schulische
Angebote einrichtete, z. B. Amaro Kher.
Schon im ersten Jahr verzeichnete die Polizei
einen signifikanten Rückgang strafbarer Handlungen der Kinder und Jugendlichen.
Durch die engagierte Arbeit von Amaro Kher
fassten die Familien Vertrauen zum Rom e.V. Die
Kinder kamen gern und regelmäßig zur Schule.
Zum jeweiligen Schuljahresende wechselten viele
in Regelschulen, zunächst noch oft in Förderschulen. In den letzten Jahren kamen fast alle Schüler
auf allgemeinbildende Schulen. Dies hängt auch
damit zusammen, dass der Rom e.V. seit der Einrichtung seines Kindergartens frühzeitig auf die
Schule vorbereitet.
Schwierigkeiten beim Übergang zu Regelschulen
versucht Amaro Kher mit Hilfe ehrenamtlicher Paten zu überbrücken. Mittel zur fachlichen Begleitung des Übergangs wurden noch nicht gewährt.
Dass Amaro Kher nur Roma-Kinder beschult, war
anfangs auch notwendig, um die Ablehnung bzw.
Angst vor Schule und die große Absenz angemeldeter Kinder abzubauen. Mittlerweile setzt Amaro
Kher auf enge Kooperationen mit Regelschulen,
mit Vereinen und den Stadtteilangeboten. Der
Verein hat daher den Wunsch der Stadt Köln nach
einem zweiten Amaro Kher rechtsrheinisch abgelehnt. Stattdessen werden wir ab 1. August 2014
mit der Stadt ein Projekt beginnen, das die direkte
und sofortige Beschulung von Roma-Kindern mit
allen anderen Kindern in zunächst fünf ausgewählten Regelschulen begleitet und dort Förderung anbietet.
7. Die Vorgaben der EU verlangen die inklusive Beschulung aller Kinder. Es ist ein täglicher Skandal,
dass in Köln fast 80 % der Roma-Kinder auf Förderschulen verwiesen werden. Der UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz hat anlässlich seines
Besuches von Amaro Kher von Stadt und Land die
sofortige Realisierung des Menschenrechts der
Roma-Kinder auf gleiche Bildungschancen gemeinsam mit anderen Kindern gefordert. Daher
muss auch der Rom e.V. die Sonderbeschulung
von Roma-Kindern auf absehbare Zeit abbauen und dafür sorgen, dass alle Kinder sofort in
allgemeinbildende Regelschulen gehen. Freilich
erfordert dies eine Übergangszeit, weil die wenigsten Schulen auf Inklusion vorbereitet sind, und
das Land zu wenig Fachpersonal zur Verfügung
stellt. Außerdem müssen die schulfeindlichen Lebensbedingungen der Roma-Familien energisch
verbessert (Wohnen, Arbeit, Gesundheit) und
eine Bleibeperspektive geschaffen werden.
8. Wir sind optimistisch, dass dann das gemeinsame Lernen die Chancen auf eine erfolgreiche
Schullaufbahn radikal verbessert. Wir verweisen
auf die erfolgreiche schulische Sozialisation der
Kinder aus Roma-Gastarbeiterfamilien. Solche
Kinder sind heute in allen Berufen zu finden,
auch als Lehrer, Ärzte Anwälte, Sozialarbeiter usw.
Sie sind positive Rollenvorbilder, auch wenn ihre
Startbedingungen sicher günstiger waren, als es
die von Flüchtlingen sind.
9. Dieser Erfolg zeigt, dass die gegenwärtige schulische Misere der Roma-Kinder nichts zu tun hat
mit angeblich ethnischen, kulturellen oder sonstigen Besonderheiten der Minderheit, sondern mit
Fluchtfolgen, Armut und mit Ausgrenzung.
10. Der Rom e.V. wird seine Rolle neu definieren müssen. Seine bislang primäre Funktion als Verein zur
Betreuung, Hilfe und Beratung von Roma muss
erweitert werden, um immer mehr Menschen aus
der Minderheit die Chancen zur Selbstorganisation und Vertretung ihrer Interessen im öffentlichen Raum zu ermöglichen. Der Verein wird
als solidarisches Netzwerk von Roma und NichtRoma dafür sorgen, dass das Menschenrecht der
Roma-Kinder auf gleiche Bildungschancen in
Köln endlich durchgesetzt wird.
Kurt Holl
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Kindern und Jugendlichen und dafertigten Skulpturen w
mit „in unsere Zukunft investiert“.
Anton Fuchs gesägt,
Dieser Gedanke war es auch, der
und gefeilt worden. Di
Mike Mahr, Leiter des HandelsHeike Haupt gab ihnen
marketing der Audi AG, sofort daUniform und Orden. So
nevipe
– Nachrichten
aus müssen
dem sich
Rom
lebensgroßen Holz-Kam
Die Eltern
der Armee, Antonund
FuchsBeiträge
und Heike Haupt,
nun e.V.
von überzeugte, das logistisch
sozialer Mission und zu
höchst aufwendige und teure von den Holzskulpturen trennen.
Zahn Jahre Amaro Kher! Es sollte ein rauschendes
Fest werden. Zunächst rauschte und goss es nur
vom ungnädigen Himmel. All die schönen Parcours,
Spielstationen, der Fußballplatz, Ausstellungen und
nicht zuletzt Kuchentische und Grillstände, die die
MitarbeiterInnen mit den Kindern vierzehn Tage lang
vorbereitet hatten, schwammen fast weg.
Aber verglichen mit den vielen Roma-Familien, die in
der Jahrhundertflut in Serbien Haus und Vorräte und
manchmal sogar Verwandte verloren hatten, war das
eher eine bescheidene Herausforderung. Also verlegten wir das Fest kurz entschlossen in den roten Saal.
Am Anfang stand eine Pressekonferenz von Vorstand
und Schulleitung und den geladenen langjährigen
Unterstützern unseres Projektes. Für „Wir helfen“
versprach Anne Lütkes in Vertretung von Hedwig
Neven DuMont, dass Amaor Kher ihnen weiter am, ja
im Herzen läge und die schon bisher sehr großzügige
Unterstützung fortgesetzt würde. Ossi Helling (Grüne
Köln), der uns ebenfalls seit fast Jahrzehnten unterstützt (und die Gründung 2004 maßgeblich im Rat
durchsetzte), will weiter aktiv dabei sein. Schließlich
berichtete unser Freund Felix von Grünberg (MdL,
SPD), wie er vom Landtag aus das Projekt unterstützt:
So neulich, als er die Stadt Köln ermahnte, in Zukunft
die Zwangsumzüge von Roma-Familien zu vermeiden. Albrecht Kieser moderierte souverän, und Ivana
Ilic und Beata Burakowska berichteten ausführlich
über die pädagogische Arbeit.
AmaroKher
begeht seinen zehnten
Geburtstag
JUBILÄUM
VON ANJA KATZMARZIK
Köln. Sie begann mit einer baufäl-
ligen Baracke, einem Lehrer und
einer Sozialarbeiterin. Die Arbeit
von „Amaro Kher“ mit dem Ziel,
Roma-Flüchtlingskinder von der
Straße zu holen und auf die deutschen Regelschulen vorzubereiten.
Heute feiert das europaweit anerkannte und mehrfach ausgezeichnete Schulprojekt für RomaFlüchtlingskinder zehnten Geburtstag, der diesen Samstag am
Venloer Wall gefeiert wird. Und
der Gründer- und Trägerverein
Rom e.V. kann auf eine erfolgreiche pädagogische Arbeit zurückblicken.
2004 bestand noch keine Schulpflicht für Flüchtlingskinder. Der
Rat der Stadt Köln griff den Vorschlag des Rom e.V. auf und beschloss die Einrichtung. So wurde
die Arbeit in „beispielhafter Zusammenarbeit von Jugend- und
Schuldezernat, dem Regierungspräsidium und der Landesregierung“ umgesetzt. Dabei begleitet
und immer wieder wohlwollend
unterstützt wurde das Projekt vom
eigenen Förderverein und dem
Verein „wir helfen“.
Bald nach dem Start stellte die
Stadt dem Projekt das Gelände am
Venloer Wall 17 und später weitere Gebäude zur Verfügung. Dort
eröffnete 2006 zusätzlich eine
Kindertagesstätte für Zwei- bis
Sechsjährige. Auch die Sozialberatungsstelle sowie das Archivund Dokumentationszentrum des
SPENDEN
Name
Anonyme Spenden
Barth, Jutta, Bonn
Bastin, Peter, Troisdorf
Bauhues, Heinrich Voerde
Baum, Dr. Ing. Georg u. Rita
Bergisch Gladbach
Berchem, Regina u. Walter
Bergisch Gladbach
Bergfelder, Frank
Bergmann-Rettenmaier, K.
Beuther, Rosmarie
Bergisch Gladbach
Bieber, Guntram u. Ingrid
Blum, Edelheide, Bergisch Gl
Boecking, Simone
Boehm, Rolf, Lindlar
Boerger, Rolf, Köln
Boff, Helga
Böhm, Rolf, Lindlar
Bolten-Radau, Erika
Mönchengladbach
Brüggen, Kai-Uwe
CCC Car Center Colonia
Vertriebs GmbH
Cossmann, Dr. Karlheinz
Deiters, Heinrich
Dell, Konstantin u. Natalja
Dohmann, Bernhard, Leverk
Engel, Uwe, Köln
Erken, Martin u. Angelika, Pu
Eschweiler, Dr. Jutta, Köln
Feltes, Klaus u. Margret, St. A
Foehres, Brigitta (Elternscha
KGS Kapitelstr.)
Frank, Gottfried u. Wilma
Fritz, Bernd R. U., Köln
Fröhlich, Adelgunde, Ratinge
Fröhlich, Wolfgang
Frohn, Günter u. Angelika, Br
Fuchs, Horst u. Hedwig, Düs
Geissler, Pit
Großhans, Prof. Dr. Hartmut
Grünenberg, Wilhelm, Köln
Halbe, Dr. Bernd u. Sven Roth
(Medizin trifft Kunst)
Hardegen, Arnold Ulrich u.
Lucia, Bonn
Haulsen, Uwe
Henzel, Christopher und Dr.
(Geburtstag)
Hinzpeter, Claus u. Gertrud
Kinder von Amaro Kher singen zum Welt-Roma-Tag auf dem Friesen- Horn, Juliane
ARCHIVBILD: CHRISTOPH HENNES Ilgenfritz, Dr. Georg, Köln
platz und lassen Luftballons steigen.
Vereins zogen auf das Gelände um.
Heute besuchen täglich rund 60
Kinder Schulprojekt und Kita. „In
den letzten zehn Jahren hat sich
Amaro Kher zu einem professionellen und ganzheitlichen Projekt
entwickelt, das den Kindern und
ihren Eltern den Einstieg in das oft
schwer zu verstehende deutsche
Schulsystem erleichtert“, berichtet
die Projektleiterin Ivana Ilic. Zielgruppe sind Flüchtlingskinder
zwischen sechs und 13 Jahren und
Kinder aus den neuen EU-Ländern
Bulgarien und Rumänien. Sie werden mit schuleigenen Bussen abgeholt, die meisten von ihnen aus
Flüchtlingswohnheimen.
Nach ein bis zwei Jahren wechseln die Kinder mit intensiver Unterstützung, oft durch ehrenamtliche Paten, auf Regelschulen. Die
Rückmeldungen der aufnehmen-
den Schulen über Amaro-KherKinder sind durchweg positiv.
„Amaro Kher zeichnet seit Jahren
große Personalkontinuität aus“,
benennt Christoph Schulenkorf,
Lehrer der ersten Stunde, einen
Grund für den Erfolg. „Das bedeutet für die Kinder Verlässlichkeit
undVertrauen.“ Hinzu kommt eine
intensive
Elternarbeit
mit
Deutsch- und Alphabetisierungskursen für Mütter. Und die vielen
ehrenamtlichen Helfer, die seit
Jahren den Unterricht von Amaro
Kher unterstützen. „Sie machen
diese intensive Zuwendung erst
möglich“, erklärt Doris Schmitz.
Zur Jubiläumsfeier eingeladen
sind alle Kindergarten- und Schulkinder der vergangenen zehn Jahre
und alle Wegbegleiter, die diesem
Projekt zum Erfolg verholfen haben.
Kölner Stadt Anzeiger 28./29.06.2014
das Märchen „Sonnenzweig“ der 2. Klasse ließ uns
alle träumen. Die Königshochzeit zum Schluss, im
Bollywood-Stil von Beata inszeniert, brachte den
ganzen Saal zum Tanzen. Viele der fast hundert Gäste
bleiben bis in den Abend.
Foto © Rom e.V.
Dann endlich reger Wirbel auf der Bühnen, wo ein
Highlight das andere jagte. Kindergarten- und Schulkinder tanzten zu Pippi-Langstrumpf-Melodien, und
Rom e.V. feiert Schulprojekt
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4
Pressekonferenz: Beata Burakowska, Albrecht Kieser, Bernhard von Grünberg, Anne Lütkes, Ossi Helling, Kurt Holl, Ivana Ilic (v.l.n.r.).
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ag, 5./6. Juli 2014 Kölner Stadt-Anzeiger
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Rettungsring für Roma-Kinder
AMARO KHER
Nach zehn Jahren hat das Schulprojekt mehr Aufgaben – aber immer noch keine sichere Finanzierung
VON ANJA KATZMARZIK
Köln. Es waren unwürdige Zustän-
de, die der Kölner Lehrer Kurt
Holl im Winter 1986 schockiert
vorfand, als er am Butzweilerhof
sah, wie in seiner Stadt Familien
leben mussten, die vor unmenschlichen Lebensbedingungen aus
dem ehemaligen Jugoslawien geflohen waren. Mehrere Hundert
Roma campierten verelendet im
Schlamm auf einem Brachgelände
wie auf einer Müllhalde.
„Es war laut, eng und oft
schmutzig. Für 100 Menschen gab
es nur ein Toilette“, erinnert sich
der Aktivist und Zeitzeuge. „Und
weit und breit niemand, der sich
um die Familien kümmerte.“ Von
Willkommens-Kultur konnte keine Rede sein. Eher von Raus-Kultur, so Holl. „Es wurde Sozialhilfe
verweigert und dafür gesorgt, dass
massenhaft abgeschoben wurde.“
So wurde der Rom e.V. als Solida- Die Lehrer Beata Burakowska (von links) und Christoph Schulenkorf mit Kurt Holl, KindergartenleiterinVirginie Massotoka und Projektleiterin
ritätsbündnis gegen Ausgrenzung Ivana Ilic in einem der Klassenzimmer von Amaro Kher
BILDER: CHRISTOPH HENNES
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20 JAHRE
Am 1.August startet neues Projekt rechtsrheinisch
Viel erreicht –
und noch viel vor
Nach dem Vorbild der Frankfurter Kindertageseinrichtung
„Schaworalle“ startete der Rom
e.V. 2004 das Schulprojekt „Amaro Kher“, um Romakinder aus den
schlimmen Lebensbedingungen
in Notunterkünften heraus- und
von der Straße zu holen, damit sie
nicht kriminell werden. „Amaro
Kher“ bedeutet in der Sprache
der Roma „Unser Haus“. Heute
besuchen täglich rund 60 Kinder
das Schulprojekt und die Kita auf
dem Gelände am Venloer Wall.
Zielgruppe sind Flüchtlingskinder
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nevipe – Nachrichten und Beiträge
ausHELFEN
dem Rom
WIR
39 e.V.
und vor allem Abschiebungen von
Roma-Flüchtlingsfamilien
gegründet – und in der weiteren Folge sein Schulprojekt Amaro Kher.
Daran erinnerte Holl jetzt bei einer
Feierstunde anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Hauses am
Venloer Wall.
Viele der Kinder hatten sich zuvor auf der Straße herumgetrieben
„und fingen an zu klauen“, erinnert sich Holl. Mit der Unterstützung der „wir helfen“-Vorsitzenden Hedwig Neven DuMont gingen diese Zahlen in der Kriminalitätsstatistik schnell zurück. Die
Kinder wurden aus den Heimen
geholt und in kleinen Gruppen auf
den Schulbesuch vorbereitet.
„Den Eltern wurde das Misstrauen genommen, Wildfremden
ihre Kinder anzuvertrauen, von denen manche noch nie eine Schule
besucht hatten“, schildert Lehrerin
Beata Burakowska, die selbst Rom
Schul- und Kindergartenkinder
führten beim Fest Tänze auf und
waren gerührt vom Applaus
ist. Das Ziel der Unterstützer damals wie
heute: die Kinder nicht
etwa unter ihresgleichen
zu belassen, sondern sie so
schnell wie möglich in Regelschulen zu integrieren. In diesem
Jahr schaffen 19 der 60 Kinder so
den Absprung. Dies sei als umso
größerer Erfolg anzusehen, je
mehr man sich vor Augen führt,
wie die Kinder auch heute noch leben. Holl: „Manche schlafen zu
zehnt in einem Zimmer mit Hochbetten. Viele haben keinen
Schreibtisch oder einen Platz, ihre
Schultasche abzustellen.“ Kettenduldungen statt Bleiberecht erschwerten die Bildungskarrieren dieser Kinder zusätzlich. „Sie leben in
ständiger Unsicherheit.
Manche werden mitten im Schuljahr abgeschoben.“
Solange Regelschulen für die Inklusion von Flüchtlingskindern
nicht vorbereitet und personell
ausgestattet sind, „bleibt Amaro
Kher ein wichtiger Rettungsring
für viele Roma-Kinder“, so Kurt
Holl. Finanziell ist das Projekt
heute wie vor zehn Jahren immer
wieder bedroht. Die Arbeit ist zum
großen Teil nicht über Geld des
Landes gedeckt, sondern muss im-
zwischen sechs und 13 Jahren
und Kinder aus den neuen EULändern Bulgarien und Rumänien. In Zukunft möchte der Rom
e. V. jedoch an den Regelschulen
selbst arbeiten. Am 1. August
startet er dazu mit der Stadt im
Rechtsrheinischen das Projekt
„Ameni Usta“ („Wir stehen auf!“).
Es ist – anders als Amaro Kher –
dezentral und noch stärker integrativ ausgerichtet. An fünf Grundschulen sollen Roma-Kinder, die
die Schule bereits besuchen, begleitet werden. (kaz)
mer wieder mit privaten Spenden
wie an „wir helfen“ gerettet werden. Lehrer, Honorarkräfte und
Ehrenamtler bereiten Kinder hier
zwei Jahre auf den Besuch einer
Regelschule vor. Auch einen Kindergarten gibt es. Doch der verfügt
nur über 22 Plätze, und die sind
ständig belegt.
Anne Lütkes, die auch im „wir
helfen“-Vorstand ist, versicherte,
der Verein werde in seiner Unterstützung, die er seit 2006 leistet,
nicht nachlassen. „Wir müssen die
Kinder bereits im Vorschulalter
fördern. Jedes Kind hat nach UNKinderrechtskonvention
das
Recht auf Bildung. Nicht erst,
wenn es schulpflichtig ist.“
> Köln Seite 32
Kölner Stadt Anzeiger vom 5./6.07.2014
Offene Jazz-Haus-Schule kämpft für Kindermusik
Zukunft
des Projekts „Jedem
Kind ein Instrument“
ist ungewiss
SPENDENZIEL
deren Instrumenten gelernt. Sie längert“, musste Rainer Linke von 20 Euro im Monat zu zahlen ist für Projekt nicht doch noch gerettet:
haben populäre Musik kennenge- der Jazz-Haus-Schule berichten. die meisten Eltern in dem nicht so „Die Kinder lernen hier schließlernt, eigene Lieder erfunden – in Das Problem des Vereins ist sein begüterten Stadtteil unmöglich. lich nicht nur Musizieren, sondern
diesem Jahr finanziert durch das Erfolg, sagt er. Meldeten sich im „Sollen wir die anderen Kinder auch Miteinander.“ Anders als im
Land NRW, die Waisenhausstif- ersten Jahrgang nur 36 Kinder an, jetzt nach Hause schicken?“, fragt Ruhrgebiet, wo das Projekt hertung der Stadt – und „wir helfen“. wurden es von Jahr zu Jahr mehr. Linke mehr rhetorisch. „Privater stammt, und anderswo in der ReDoch ausgerechnet zum fröh- Zuletzt waren es bereits 44, und Musikunterricht wie in anderen publik, kam „Jeki“ in Köln nur als
lichsten Tag kurz vor Ferienbeginn nun wollen 63 von 72 Kindern mit- Elternhäusern ist für sie meilen- Modellprojekt zustande, indem
VON ANJA KATZMARZIK
kam die schlechte Nachricht: „Die machen. „Fördergeld bekommen weit entfernt.“ Für Schulleiterin das Land NRW mit der Offenen
Köln. „Es ist wieder Donnerstag. Förderung durch der Waisenhaus- wir aber nur für maximal 45 Kin- Johanna Rottländer käme es einer Jazz-Haus-Schule direkt einen
Ja, die Band sind wir“, schallt es stiftung der Stadt wird nicht ver- der.“ Einen Teilnehmerbeitrag von Katastrophe gleich, würde das Vertrag darüber schloss. Sprich:
Der Verein muss auch die Ausfalldurch die kleine Aula. „Trommel,
bürgschaft und damit das Risiko
I-Ging, Triangel spielen wir – und
konten
für die Kinder von SGB-II-EmpKlavier!“ Und mit jeder Wiederfängern tragen, die sich nicht den
holung schmettern die Kinder den
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vollen Beitrag leisten können. Im
Refrain ihres Begrüßungsliedes
5
Fall der Kopernikusstraße ist das
lauter. „Mit der Stimme gehen wir
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jedes zweite Kind. Linke schlägt
runter oder rauf. Wir erfinden
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Alarm: „Die Stadt muss endlich
selbst Musik und führen sie auch
nevipe•Neue
Folge•Heft 2/2014•Rom
e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de
auch bei uns mit ins Boot.“ Und
auf!“ Abschlusspräsentation
für
DE33
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Foto © Amaro Kher
Kontakte knüpfen
Patenschaften für
die Kinder von
Amaro Kher
Patin mit Kindern von Amaro Kher
Foto © Amaro Kher
Der Kontakt wird in der Schule Amaro Kher geknüpft
und verlagert sich dann nach einiger Zeit in die privaten Bereiche von Patin/Pate und Kind. Zuvor wird mit
den betreuenden Pädagogen von Amaro Kher besprochen, was dieses Kind besonders braucht. Meist ist das
vor allem das Kennenlernen kindgerechter Angebote
im gesellschaftlichen Umfeld: gemeinsame Besuche
von Spielplatz, Kino, Schwimmbad und Bücherei oder
die Anbindung an den örtlichen Fußballverein oder
das Jugendzentrum. Oft wünschen sich die Kinder
gemeinsame Aktivitäten wie Basteln oder Backen. In
Einzelfällen hat auch die gemeinsame Erledigung von
Hausaufgaben einen wichtigen Stellenwert.
Wenn alle Kinder von Amaro Kher nach ein bis zwei
Jahren an die deutsche Regelschule umgeschult
werden, sind hier die Patinnen und Paten besonders
wichtige Begleiter. Viele Eltern sind dankbar für die
Unterstützung bei der Erledigung von Aufgaben rund
um den Besuch der neuen Schule, z. B. üben des
Schulweges, beantragen des Schülertickets, einkaufen benötigter Materialien usw. Viele Patinnen und
Paten stehen auch mit den neuen Lehrerinnen und
Lehrern in Kontakt und vermitteln bei auftretenden
Problemen.
Ganz klar ist: beide Seiten profitieren. Die
Auseinandersetzung mit der oftmals sehr ande-
ren Lebensrealität des Patenkindes verändert den
Blick der Patinnen und Paten auf die ihre eigene
Wirklichkeit. Die miterlebte Freude des Patenkindes
an vielen einfachen Dingen berührt.
Die Kinder ihrerseits gewinnen an Lebensfreude
und Selbständigkeit. Sie kommen vielfältige mit der
Mehrheitsgesellschaft in Berührung und profitieren langfristig von der Erfahrung erlebter sicherer
Bindung.
Foto © Amaro Kher
Am Anfang stand die Einsicht, dass Schule nicht alles
leisten kann, was wünschenswert erscheint. Zeit und
Kapazitäten sind einfach begrenzt. Gleichzeitig begegneten uns immer wieder Menschen, die fragten:“Was
kann ich tun?“ So wurde die Idee der Patenschaften
geboren: eine ehrenamtliche Patin/ein ehrenamtlicher
Pate kümmert sich für einen Zeitraum von mindestens
einem Jahr um ein Kind.
Patin mit Mädchen von Amaro Kher
Patin mit Kindern von Amaro Kher
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Gedenken an die
Deportation der
1000 Kölner
Sinti und Roma am
16. Mai 1940
Foto © Michael Mavé
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Kurt Holl spricht am16. Mai auf dem ehemaligen SchwarzWeiß-Platz:
ist. Kurt Holl als Vertreter des Rom e.V. kritisierte die
Bundesregierung, weil die von ihr selbst durchgesetzte Freizügigkeit für EU Neubürger durch die Innenminister Friedrich/de Maiziere benutzt wird, um gegen
Roma zu hetzen. Holl erinnerte auch, an die von dem
Künstler Gunter Demnig zusammen dem Rom e.V. im
Jahr 1990 quer durch die Stadt gelegte Lackspur, die
den Weg der Verschleppung vom Lager in Ossendorf
bis zum Bahnhof Deutz nachzeichnete. Diese Spur
sei ja später von Demnig durch Messingplatten („Mai
1940 – 1000 Sinti und Roma“) sowie durch Stolpersteine in die Straßen und damit ins Alltagsgedächtnis
der Stadt eingeprägt worden. Da viele der Platten und
Stolpersteine beschädigt worden seien, rief Holl dazu
für deren Wiederherstellung einen Fond einzurichten.
Foto © Kurt Holl
Jedes Jahr ruft der Bezirk Ehrenfeld zusammen mit
den Liedermachern Rolly Brings und Markus Reinhardt und ihren Bands dazu auf, an die Kölner Sinti
und Roma zu erinnern, die im Mai 1940 zusammen
mit vielen anderen deutschen „Zigeunern“ aus dem
Rheinland in die Lager verschleppt wurden. Unmittelbar vor dem Angriff auf Frankreich im Juni wollten
die Nazis den westlichen Teil des deutschen Reiches
von Menschen „säubern“, die sie für unzuverlässig
hielten. Zu gleichen Zeit fanden solche Deportationen
auch aus Stuttgart und Hannover statt. Der Bürgermeister von Ehrenfeld, Josef Wirges, und Rolly Brings
betonten, dass angesichts der antiziganistischen
Hetze in vielen Ländern Europas und zum Teil auch in
Deutschland Solidarität mit der Minderheit gefordert
Gedenktafel in Köln-Bickendorf
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Foto © SPD
„Zsoste, zsoste zso
ker dam.“
„Warum, warum?
Was haben wir getan?“
Foto © Michael Maye
Bezirksbürgermeister Josef Wirges, SPD
Gitta R., Kind von deportierten Kölner LowaraRoma berichtet, wie ihre Mutter die Deportation
erlebte.
Meine Mutter lebte mit ihrer Tochter, meiner großen
Schwester Mimi, bei meinen Großeltern in der Bobstraße, hier in Köln. Sie erzählte mir, wie es war, im
Mai 1940:
Foto © Michael Maye
Rolly Brings mit Band spielen zum Gedenken am ehemaligen
Schwarz-Weiß-Platz
Markus Reinhardt spielt zum Gedenken an die Deportation der
Sinti und Roma 1940.
Alle Zigeuner, die in der Nähe der Kämmergasse, der
Bobstraße, der Agrippastraße wohnten, wurden morgens zwischen 4 und 5 Uhr von großen Lastwagen, auf
denen schon andere Zigeuner waren, gezwungen, aufzusteigen, Mit Fußtritten oder Gewehrkolben schlug
man blindlinks drauf los, egal, wen man traf, ob jung
ob alt, jeder kriegte was ab.
Alle schrieen vor Schmerzen, bluteten und weinten.
Zsoste, zsoste zso ker dam. Warum, warum, was haben
wir getan? Aber keiner wusste eine Antwort. Und die,
die eine Antwort geben konnten, schwiegen.
Es war eine endlose Fahrt bis zum Deutzer Bahnhof.
Kaum hielten die Lastwagen an, mussten alle runter
und sich aufstellen. Manche schrieen vor Schmerzen,
die Kinder vor Hunger und Durst. Als alle durchgezählt waren, kam ein Oberst oder Kommandant, der
veranlasste, Kinder, Jugendliche, Väter, Mütter zu
trennen. Aber das klappte nicht so ganz, denn auf dem
Zugtransport in den Viehwagen fand man sich wieder.“
„Eine schlimme Reise war das“, sagte meine Mutter
zu mir. Es gab nichts zu essen und nichts zu trinken,
damit keiner von uns zur Toilette musste, aber die war
sowieso nicht da. Wir lagen oder standen meist eng
gepresst aneinander, ohne zu wissen, ob der andere
noch lebt.
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
In Polen angekommen, wurde ich endgültig von meiner kleinen Mimi und meinen Eltern getrennt. Ich
kam nach Chinstochau in ein Ghetto. Nach meiner
Entlassung hörte ich vom Tod meiner Eltern – meine Mutter starb an einer Lungenkrankheit und vor
Hunger. Mein Vater kam in Treblinka ums Leben. Von
meiner kleinen Mimi fehlte jede Spur. Es heißt, eine
Polin hätte sie entführt. Ich hoffe, dass es stimmt.
Wenn meine Mutter erzählte, weinte sie. Ich habe
sie gefragt, warum bist Du wieder nach Deutschland
gekommen? Sie hat mir geantwortet: „Gitta, es waren
nicht alle deutschen Leute so.“
„Kölner, die durch
den Krieg nach
draußen verschlagen wurden.“
Aufgezeichnet von Simone Treis, Rom e.V. Köln
(Kölner Stadt-Anzeiger, 19.04.1952)
Wie Kölner Sinti und Roma, die das KZ
überlebt hatten, nach 1945 durch die Stadt
Köln behandelt wurden
Ach so: Die Sinti und Roma, die mit Unterstützung der
Stadt Köln, ab Mai 1940 in die KZs nach Polen deportiert worden waren, hatte es halt mal ein paar Jahre
„nach draußen verschlagen.“ Ja, ja der „Herr Krieg“
war Schuld daran.
Draußen, wohin „es“ sie verschlagen hatte, wurden
sie dann erschlagen, erschossen oder vergast. Wenige
überlebten. Die kamen nach Köln zurück. Sie hatten
vor dem Krieg über die Stadt verstreut in Wohnungen
gelebt, viele z.B. in Ehrenfeld und im Griechenmarktviertel. Ihre Wohnungen waren jetzt zerstört oder
besetzt.
18 Familien kampierten daher im Grüngürtel an der
Venloer Straße und zwar auf der Wiese, die direkt hinter dem Venloer Wall 17 liegt, also dort, wo sich heute
das Gelände des Rom e.V. befindet. Sie zimmerten sich
notdürftig Baracken und waren bald Stadt und Polizei
ein Dorn im Auge. Zwar hieß es: „Bei der Besichtigung
durch den Sozialausschuss ergab sich, dass dort eine
gewisse Ordnung herrscht, weil die Zigeunergruppen
ihren Boss haben, der innerhalb der Lagerstätte als
Herr gilt und als ordnender Faktor respektiert wird“.
(Kölner Stadt Anzeiger 19.4.1952)
Aber es gab da eben keine richtigen sanitären Anlagen. Die Stadt bemühte sich daher zwar andere
Obdachlose, die dort auch lebten, in Wohnungen
unterzubringen. Aber eben nur „echte Kölner“.
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Für die Kölner „Zigeuner“ dagegen, die ja für die
Stadt und Polizei weiterhin als „asozial“ galten – und
angeblich einem „Wandertrieb“ frönten, obwohl seit
Generationen in Köln ansässig – waren ja Wohnungen
eh nichts.
Aber eine Lösung hatte man schon, damit man diesen
Schandfleck nicht weiterhin „im Stadtgebiet“ dulden
musste. Sie sollten an den Stadtrand und zwar auf ein
Gelände, das ihnen ja vertraut war auf den sogenannten Schwarz-Weiß-Platz in Bickendorf.
Kölner Stadt Anzeiger vom 19.04.1952
Den Umzug organisierte 1952 der Kölner Oberverwaltungsdirektor, August Lentzen. Der hatte bereits 1935
im Auftrag der Nazis das „Zigeunerlager“ auf eben
diesem Schwarz-Weiss-Platz eingerichtet. Die Kölner
Sinti waren aus dem ganzen Stadtgebiet dorthin verbracht worden. So interniert, umzäunt und bewacht,
konnte man sie dann im Mai 1940 allesamt auf einmal
mit LKWs zur Messe und zum Bahnhof Deutz verbringen, wo der Deportationszug in die Ghettos und KZs
bereitstand.
Ende der 50er Jahre verlangten Bickendorfer und
Ossendorfer Bürgerinnen und Bürger, in deren Nachbarschaft der „Schwarz Weiß Platz“ lag, die Zigeuner
sollten endgültig aus der Stadt verschwinden. Also
wurden sie an den nördlichsten Stadtrand auf ein
Feld bei Roggendorf gebracht, wo man für sie ausgediente Eisenbahnwagons aufgestellt hatte, in denen
sie wohnen sollten. Das war wieder sehr einfühlsam.
Denn dieses Ambiente war ihnen ja auch vertraut. In
solchen Waggons waren sie nach Auschwitz deportiert
worden.
Kurt Holl
Literatur: In ihrer großen Untersuchung über „Die nationalsozialistische Zigeunerverfolgung in Köln haben
Karola Fings und Frank Sparing auch untersucht, wie
die überlebenden Sinti und Roma nach 1945 durch
Kölner Behörden weiterhin ausgegrenzt und diskriminiert wurden. (S. 347ff )
impressum
Redaktion und ViSdP:
Kurt Holl, Jovan Nikolić, Iris Pinkepank, Ruzdija Sejdovic,
Ali Tekin
[email protected],
www.romev.de
Herausgeber:
Verein zur Förderung der Roma in Köln e. V.,
Venloer Wall 17, 50672 Köln, +49(0)221.242536
ISSN 1868-9795
Adressaten: 3.000
Die Artikel geben jeweils die Meinung der Autorin bzw.
des Autoren wieder und nicht unbedingt diejenige der
Redaktion.
Nevipe ist Romanes und heißt: Neuheit, Neuigkeit.
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
„...weil ihnen wie
primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist.“
BGH 1956 über
Roma und Sinti
Bundesgerichtshof legte 1956 fest, wie wir
über „Zigeuner“ zu denken haben.
Elf Jahre nach dem Völkermord der Deutschen an den
europäischen Sinti und Roma traf das oberste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof (BGH), in einem
Urteil vom 7. Januar 1956 folgende Feststellung über
die „Zigeuner“, mit der Entschädigungsansprüche der
Opfer abgewehrt wurden.
sche Politiker und andere Promis, deren Zockereien,
Betrügerein und Steuerverbrechen den Staat um
Milliarden bringen, unterstellen armen Zuwanderern,
frech und global, in sozialbetrügerischer Absicht zu
uns zu kommen.
„Da die Zigeuner sich in weitem Maße einer Sesshaftmachung widersetzt haben, gelten sie als asozial.
Sie neigen, wie die Erfahrung zeigt, zur Kriminalität,
besonders zu Diebstählen und Betrügereien, es fehlen
ihnen vielfach die sittlichen Antriebe der Achtung vor
fremden Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist.“
(vgl.: Reimesch, Christian: Vergessene Opfer, Berlin,
2003, S.109)
Die BGH-Richter bekräftigten damit nicht nur höchstrichterlich die übelsten Vorurteile gegen die Minderheit. Sie, die offenbar weiter nazistisch dachten,
wollten deutlich machen, dass die „Zigeuner“ nicht
aus rassistischen Motiven wie die Juden verfolgt und
umgebracht wurden, sondern aus kriminalpräventiven Gründen zu unser aller Schutz: z.B. vor deren
angeblichen „ungehemmten Okkupationsttrieb“.
Die höchstrichterlichen Zyniker projizieren die Gier
der nazideutschen Okkupanten, die zur Versklavung
ganz Europas führte, auf diese machtlosen und gejagten Menschen. Diese Methode anderen – und zwar
meist den Opfern die eigenen miesen Eigenschaften
zuzuschreiben, ist auch heute wieder beliebt: Deut-
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Vandalismus
gegen
gegen RomaGedenkplatten
Roma-Gedenkplatten
Foto © Kort Holl
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Vandalisierte Stolpersteine vor dem Kölner Rathaus.
Gedenkplatten zur Erinnerung an die Deportation
der Kölner Sinti und Roma wurden beschädigt. Diese
Platten wurden vom Künstler Gunter Demnig 1990 auf
Vorschlag des Rom e.V. an 25 Stellen, auf Plätzen und
Bürgersteigen, in Köln eingelassen.
––
––
––
Der Rom e.V. Köln will diese beschädigten Platten
reparieren bzw. ersetzen lassen. Wenn wir alle zusammenlegen, können wir dies zum nächsten Gedenken
an die Deportation im Mai 2015 schaffen.
Bobstraße / vor dem Haus 6-8,
alle Buchstaben wurden entfernt
Agrippastraße / Ecke kleiner Griechenmarkt,
vollkommen verschwunden
Agrippastraße / Ecke Kämmergasse
ebenfalls vollkommen verschwunden
Von den 25 von Gunter Demnig in den 90er Jahren gelegten Platten sind 9 beschädigt oder verschwunden:
––
––
––
––
––
––
Venloer Straße / vor dem Bezirksrathaus
nicht vollständig: „Mai 1940“ fehlt
Venloer Straße / vor St. Joseph,
nicht vollständig: „Roma“ fehlt
Venloer Straße / Hohe Piusstrase,
nicht vollständig: falsche Reihenfolge der Platten
und „und“ fehlt
Venloer Straße / Hohe Hans-Böckler-Platz,
vollständig, aber verdreckt
vor dem Eingang zum historischen Rathaus,
alle Buchstaben fehlen
Heumarkt / im Aufgang zur Deutzer Brücke,
diese Platte ist nach Straßenbaumaßnahmen
verschwunden!
Foto © Kort Holl
Beiträge bitte auf das Konto10442622 bei der Sparkasse KölnBonn, BLZ37050198, Stichwort: „Gedenkplatten“.
Stolpersteine vor dem Kölner Rathaus mit originalem Schriftzug.
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Diskriminierung
durch die Reduktion
auf das Klischee des
Folklore-“Zigeuners“
Foto© Hasiba Dzemajlji
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Hasiba Dzemajlji bei einer Kungebung
Eine Aktivistin spricht über die Kontinuität
der Diskriminierung der Roma
taz: Frau Dzemajlji, was denken Sie, wenn Sie dieser
Tage Zeitung lesen?
Hasiba Dzemajlji: Vieles deutet darauf hin, das die
Probleme ethnifiziert werden. Armutszuwanderung
etwa wird mit der Zuwanderung von Roma assoziiert.
taz: Ist nicht gerade das Problem, dass Roma in Südosteuropa kaum Chancen haben, ihre Familien zu
ernähren?
Hasiba Dzemajlji: In der Debatte wird die Ursache der
Armut nicht berücksichtigt und die liegt in der Diskriminierung. Wenn ich keinen Job bekomme, weil ich
als Roma identifiziert werde oder wenn mein Kind in
der Schule blutig geschlagen wird, dann schicke ich es
irgendwann nicht mehr hin. So fängt das an.
taz: Aktuelle Studien belegen einen Anstieg antiziganistischer Ressentiments. Wie lässt sich das erklären?
Hasiba Dzemajlji: Als Betroffene fällt es mir schwer,
Vorurteile zu erklären, die nichts mit mir zu tun
haben. Das Konstrukt des typischen Rom oder der
typischen Romni ist Folklore. Ich verstehe nicht, wie
eine Angst vor einer Ethnie herrschen kann, die keine
Lobby hat und noch nie einen Krieg angefangen hat.
Aber Studien bestätigen, dass 80 Prozent der Roma
diskriminierende Erfahrungen gemacht haben - auch
von staatlicher Seite.
taz: Wie meinen Sie das?
Hasiba Dzemajlji: Ich habe zum Beispiel eine Tochter
mit einem Deutschen. In der Schule muss sie ihre
Herkunft angeben - sie ist Deutsche. Von der Lehrerin
wird ihr aber immer wieder gesagt: Sie sei doch keine
Deutsche, weil ihre Mama eine Romni ist.
taz: Sie würden von staatlicher Diskriminierung von
Roma in Deutschland sprechen?
Hasiba Dzemajlji: Ja. Dafür kenne ich viele Beispiele
aus meiner Beratungstätigkeit: Wenn Kinder aus ExJugoslawien nicht in der Schule angemeldet werden,
wird sich darum nicht gekümmert, weil Roma ohnehin nicht zur Schule gingen. Roma-Kinder werden bis
zu drei Klassen unter Ihrem Niveau eingeschult und
es werden ihnen die Chancen auf höhere Bildungsabschlüsse verwehrt.
taz: Welche Chance sehen Sie, dem Antiziganismus
entgegenzuwirken?
Hasiba Dzemajlji: Es geht nur in Kooperation mit den
Institutionen, den Kommunen und der Mehrheitsbevölkerung. Vielleicht gelingt uns irgendwann, dass wir
als Menschen mit all unseren Stärken und Schwächen
akzeptiert werden.
Interview: JPB mit Hasiba Dzemajlji, Sozialberaterin
beim Rom e. V.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=r
a&dig=2014%2F06%2F19%2Fa0071&cHash=2490c74c
eab8d6fa956dd4d24e17a263
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Jazz-Musikerin und
Sintezza Dotschy
Reinhardt
Foto© G. U. Hauth
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über Hobby-Gypsies
und andere
Diskriminierungen
Dotschy Reinhardt, Jazz-Musikerin
Wie die Popindustrie und sogenannte Weltmusiker von Klischeebildern der „Zigeunerinnen“ und „Zigeuner“ profitieren
Gaby zum Beispiel. Sie ist Fotografin und berichtet auf
ihrem Blog “Gypsy Diaries” von ihren aufregenden
Reisen quer durch Europa. Sie bezeichnet sich selbst
als “modern Gypsy”, weil sie 20 mal umgezogen ist und
in fünf verschiedenen Ländern gelebt hat. Die Besucher/innen ihres Blogs beneiden sie für ihr lässiges
„Gypsy-Leben” und wären auch selbst gern so frei,
unabhängig und sexy wie ein “Gypsy”.
Ein Lifestyle, den auch die Frauen in der US-amerikanischen scripted reality-TV-Serie “My Big Fat
American Gypsy Wedding” verkörpern. Dort werden
die vermeintlichen „Gypsies“ von den Machern dazu
instrumentalisiert, jedes nur erdenkliche Klischee
zu erfüllen: Die Männer sind ungehobelte Machos,
streitsüchtig, prollig und saufen, und die Frauen sind
heiße Bräute im Minirock, mit tiefen Ausschnitten und
Highheels, die sich von ihren Männern unterdrücken
lassen.
Oder Lady Gaga. Auch sie fühlt sich als “Gypsy“ und
verkündete kürzlich: ”Ich habe diesen Song geschrieben, als ich um die ganze Welt reiste. Man sagt, dass
ein Gypsy keine Heimat hätte, aber ich habe immer
ein Zuhause bei euch.” Doch höchst wahrscheinlich
hatten weder Lady Gaga noch die anderen “HobbyGypsies” je eine reale Begegnung mit Sinti und Roma.
Es ist so viel leichter und massentauglicher, die gängigen Vorurteile gegen „Zigeuner“ zu bedienen als
verantwortungsvoll mit Menschen und deren kulturel-
len Erbe umzugehen, deren Vergangenheit nicht von
Romantik, sondern von der Bewältigung eines harten
Lebens geprägt ist.
Weit ab von der Realität existiert also eine Parallelwelt,
in der die “Gypsy-Industrie” das “Zigeunerthema”
ausschlachtet. Sie verfälscht die Kultur und reproduziert Klischees und Stereotypen, die schlimmsten Falls
zum Feindbild stilisiert werden. Ein Feindbild, das
Rassisten wiederum als Vorlage für Hetzparolen gegen
Sinti und Roma aufgreifen. Wer sich aber gegen diesen
oft verharmlosten “Positiv-Rassismus“ auflehnt, wird
meist belächelt.
So auch “Mr. Wort zum Sonntag ”, Peter Hahne, der
sich in seinem Buch “Rettet das Zigeunerschnitzel”
über Political Correctness empört und Begriffe wie
„Zigeunerschnitzel“ und „Negerkuss“ bedroht sieht.
Dabei lässt der selbstgefällige Bildzeitungs-Publizist
mit der sanften Stimme völlig außer Acht, dass an die
500 000 Sinti und Roma in der Nazi-Zeit unter diesem
Begriff verhaftet und vergast wurden.
Sinti und Roma sind auch heute noch regelmäßig
verbalen und körperlichen Angriffen ausgesetzt. Von
der Gesellschaft und manchen Politikern werden
sie bestenfalls geduldet, aber nur selten erwünscht.
Obwohl gerade deutsche Sinti schon seit 600 Jahren in
diesem Land leben, werden sie nicht als gleichberechtigte Deutsche behandelt, sondern als Fremdkörper
wahrgenommen.
Die Hemmschwelle der Gewaltbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Minderheiten sinkt – das
belegt das Ergebnis der letzten Europawahl. Nicht nur
in Ländern wie Ungarn und der Tschechoslowakei
wird gezielt und erfolgreich gegen Roma und auch
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GmbH & Co. KG, K
Emde, Monika, Kö
Engelbach, Helga J
Bergisch Gladbach
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Schulbegleiter und Schauspieler Mirco Monshausen liest im Leseclub vor
BILDER: STEFAN WORRING Engels, Wolfgang P
Purple Schulz ist Promi-Pate
Eul, Adelheid
Sinti
gehetzt.
Feindbilder,
die von rechtsradikalen
Roma-Generation ihre Identität als Sinti/zi und Roma/ Fehd, Waltraud
Der erste
ist, stellvertretend
für die
Fischer, Ursel
Rechtsanwaltsgesellschaft
Luther,Front National, NPD, AFD
Parteien
wie UPIK, Jobbik,
nia verleugnen, um im Beruf erfolgreich oder nicht
Gabriel, Hans-Gün
Thomas
Weidlich.
Er
ist
selbst
Vagegenüber Sinti und Roma verbreitet werden, finden
entlassen zu werden.
Gerlach, Dr. Klaus
ter und will mit seinen Verlagskonihren
vielerortsLesestoffin die Mitte der Gesellschaft. Die
Gessner, Verena, K
takten Weg
kindgerechten
traditionsbewussten
“Vaterlands-Beschützer” tragen
Es gibt aber auch noch eine andere, erfreuliche Rea- Giese, Brigitte, Brü
Nachschub besorgen. „Märchen
Goebbels, Reiner
aus aller
Welt“Gesinnung
etwa, mit passenihre
braune
heutzutage unter dem Busilität. Denn die erste Akademiker-Generation dieser
Gritzmann, Bettin
den
Kostümen
dazu.
Der
zweite
ist
nessanzug, und Marine Le Pen eben unter der weißen
Minderheit etabliert sich inzwischen in höheren beHabiger, Frank, Kö
mit Purple Schulz ein ProminenBluse.
Das Saubermann/-frau-Image kommt bei den
ruflichen Positionen und Ämtern, und es gibt immer Hahn, Jochen
ter. Er will mit den Kindern lesen
Heimann, Charlott
Leuten
besser an.
mehr junge Menschen, die selbstbewusst zu ihrer
und musizieren.
„Sie haben viel
Herkunft stehen. Menschen wie die Romni Soraya Post Helin, Ulrich u. Elg
rhythmisches Talent.“ Der gebürtiHennes, Ursula
ge
Kölner,
wohnhaft
in
Glessen,
Wer die Realität über Sinti und Roma erfahren möchvon der schwedischen “Feministischen Initiative” zum Herberg, Ingrid
hatwird
aber auch
schonjenseits
Regale organite,
sie also
von Popkultur, Lifestyle-Blogs,
Beispiel. Sie zieht mit 5,3 Prozent in das Europäische Heuser, Peter u. Ge
siert. Initiiert hatte den Antrag an
Tarotkarten
Karnevalskostümen
suchen müssen.
Parlament ein. Ihren Erfolg bei den Wählern wertet sie Hietkamp, Rosema
„wir helfen“ und
Lehrerin
Theresa
Etwa
einem
Einfamilienhäuschen,
wo die Sinti
als Zeichen gegen die menschenverachtende Rhetorik Hoffmann, Christe
Stang.inZwar
würde
sie den KinHoffmann, Stepha
Hauptsache
Lesen: Bücher zumAls
Thema
„Star eines
Wars“ Juden
sind amund
schnellsdern
auch
vorlesen,
„aber
das
ist
Die
beiden
PatenThomasWeidlich
Familie zusammen frühstückt, in der Uni, in der eine
der Rechtspopulisten.
Tochter
Hollenbach, Klaus
Unterricht.
Hiermit
das ihren
ist freiwillig
teneiner
in der Bibliothek
vergriffen
hier von Hedwig
Neven DuMont
(l.) und Purple Schulz
junge
Romni
Kommilitoninnen
im Hörsaal
Romni hat
sie am–eigenen
Leib gespürt,
wie es
Hopf, Manfred u. M
und was ganz anderes.“ Wie Kino
Hornfischer, Peter
sitzt,
oder
in
den
Fußgängerzonen,
in
denen
Romaist,
als
Mensch
zweiter
Klasse
behandelt
zu
werden.
im Kopf. Nach nur wenigen Tagen
Jacob, Margarete
Am
3.
Juni
durch
Köln
laufen
oder
radeln
–
damit
mehr
Kinder
lesen
lernen
Kinder
Saxofon
während ihre Mütter betteln
Neben mehr Schutz für Minderheiten und AntirasErprobung
ist klar:spielen,
„Sie saugen
Jarre, Dr. Gudrun,
das hier
bei einer Lesung
und
ausauf“,
denwie
Mülleimern
Pfandflaschen
herausfisismus
setztInsie
sichJahr
auch für
Gleichstellung
und
Fast jeder fünfte
15-Jährige kann clubs
an Schulen.
diesem
von die
Körpermanager
Erik RandriaKalscheuer, Reiner
mit Kollege
nur
auf Grundschulniveau
er am 3. Junider
rundFrauenquote
um das
narisoa
den Leselauf
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schen,
umund
einSchauspieler
paar EuroMirfür das
tägliche
Leben zu lesen findet
Einführung
ein.aufDenn
für Soraya
Kaufhold, Dr. Wolf
co Monshausen zu sehen war. Die und schreiben, mehr als 15 ProRhein-Energie-Stadion
statt.
Ausoder
zehn
Kilometer
vorbereiten;
Kabutke-Kaufhold
sichern. Ein Leben, das in erster Linie eines ist: hart
Post beinhaltet ein Kampf für Gleichberechtigung
Kinder, auf Riesenkissen ruhend, zent der Grundschüler erreichen richter ist auch hier die Stiftung
die Teilnahme ist kostenlos. Die
Kazimierski, Margr
und
gefährlich.
ohnehin,
jeder
wurden
sofort still und genossen nicht die Mindeststandards im Le- Runeiner
& RideMinderheit
for Reading. den Feminismus
Gruppen treffen
sich bisda
zum
31.
Keller, Franz-Josef
Mensch den gleichen WertMai
hat:
unabhängig
von Abeinen kurzen Vortrag aus „Reiter sen. 7,5 Millionen Menschen sind
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samstags (weitere
TerKeul, Sabine Brigit
des eisernen
Drachen“.
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unter der Schirmherr(Haltestelle: Bayenthalgürtel, LiKohlschein, Gabrie
Angehörige
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lernen Kelly ins Leben gerufen. In LaufLauftrainer Erik wird gebeten. Sie
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Kölner Leseclubs Es
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können
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alle,
unab- Reinhardt:
ist möglich per
Telefon 01 72Lehr, Karl Wolfgan
Weitere
Infos
Dotschy
www.proton-berverschwinden.
ist daher
Heinrich-Schieffer-Hauptschule
Bildung haben, fördert der Kölner hängig von Alter und Fitness, un- 9 18 48 89 oder E-Mail an:
Lipp, Dietmar u. Ba
lin.de/kuenstler/dotschyreinhardt_info.html
gerade die Frauen und Männer der älteren Sinti und
mit dem Sam- in Dellbrück. Promi-Pate ist hier Leselauf die Einrichtung von Lese- ter der professionellen Betreuung [email protected]
Mallmann, Adele W
BILD: RAKOCZY Joey Kelly.
Mangold, Gertrud
Maus, Heribert, Kö
May, Anneliese
Molzahn, Christel
Morongowski, He
nten
Müller, Heinz u. He
n mit der
Müller-Herbig, Ren
bung.“ Ein Mädchen in der Grup- lingskind“ schreibt. 1992 mit ihren nierung sprechen“, sagt Kuratorin Mundt, Eberhard u
elfen – daWELT-ROMA-TAG
pe erlebte dies gerade hautnah. Ih- Eltern aus Sarajevo nach Deutsch- Gordana Herold von der Romane- Naaf, Herbert u. H
gehört“ Inre große Schwester wurde allein land gekommen, erfahre sie bis Romnja-Initiative. Neben den Natzheim, Ralf u. D
n und Junach Serbien abgeschoben, weil heute Nachteile im Beruf. „Wer üblichen Anfeindungen sehen sie Nolden, Christina,
Ihrer Regisie volljährig geworden war.
lässt sich schon die Haare von ei- sich zusätzlicher Unterdrückung Odor, Ferdinand u
und diese
Zeitgleich wurde im Kalk Kar- ner Romnji schneiden!“
ausgesetzt. „Wer sich emanzipiert, Ohligschläger, Mo
rn. Spenree eine Ausstellung eröffnet, die Roma und Sinti werden oft ausge- hat innerhalb der Familie eine Ott, Roswitha
en können
VON TOBIAS CHRIST
die Leistungen vieler Roma- und grenzt, der Begriff Zigeuner ist schwierige Stellung“, so Gordana Pätzold, Peter u. E
m Köln. BisUND ANJA KATZMARZIK
Sinti-Frauen würdigt. Hier kommt seit Jahrhunderten mit negativen Herold. Die Ausstellung der Dip- Pink, Elfriede, Köln
0 Euro einetwa die Friseurmeisterin Rifeta Klischees behaftet. Besonders lom-Dolmetscherin und Sozialpä- Polter, Brigitte, Ka
t wird komKöln. „Gesundheit für meine Fami- Sejdic zu Wort, die über ihr schwer haben es in der Kultur der dagogin informiert über Religion, Porten, Rudolf, Fre
n.
lie“, „ein Auto“, „immer bei Ama- „schweres Leben als Gastarbeiter- Sinti und Roma die Frauen. „Man Sprache und die historischen Wan- Quodbach, Ulrich
Radermacher, Kath
ro Kher bleiben“: Das waren eini- kind, als Roma-Kind und Flücht- kann von einer Mehrfachdiskrimi- derungsbewegungen.
n des gege der vielen Wünsche, die 26 VorVor allem räumt sie mit den Kli- Richrath, Anton u.
stützungsschul- und Schulkinder aus dem
schees von der hausierenden Zi- Rotthoff, Gabriele
lauten:
Familien- und Bildungsprojekt des
geunerfrau in bunten Röcken und Schäfer, Hans u. El
Rom e.V. anlässlich des Welt-Romit vielen Kindern auf. Ein diffe- Schäferdiek, Raine
ma-Tages am Dienstag in Mülrenzierterer Blick auf eine vielsei- Schilling, Dirk u. C
heim in einer Flaschenpost im
tige Minderheit, das ist Herolds Schmitz-Montz, H
99
Rhein auf die Reise schickten. AuZiel. Die Frauen auf den Ausstel- Ursula, Köln
9
ßerdem hatten sie Zettel dabei, mit
lungstafeln haben sich trotz großer Schröder, Ingrid
denen sie die Passanten auf dem
Widerstände und Ressentiments Stang, Else Helene
33
Wiener Platz informierten. Viele
durchgesetzt. Es bleibt ihr Steuerberatung Pa
wünschten sich schlicht „eine
Wunsch, „dass wir auch als Berei- Stodolka, Hildegar
n
Stritzel, Hans, Leic
richtige Wohnung“.
cherung gesehen werden“.
Ulbrich, Brigitte, K
„Die Kinder leiden unter den Le98
Werner, Regina, Kö
bensbedingungen in den Wohnhei„Die Vielfalt der Roma“ ist bis 12.
8
men“, berichtet Ivana Ilic als ProApril am Ottmar-Pohl-Platz 1 zu se- Werner-Kesting, G
jektleiterin der Schule, „und leben Vorschul- und Schulkinder des Projekts Amaro Kher informierten am hen und wandert dann durch Kölns Winkler, Heinz u. C
33
Witt, Nicole, Köln
in ständiger Angst vor Abschie- Dienstag mit Handzetteln über den Welt-Roma-Tag
BILD: MARTINA GOYERT Bezirksämter.
helfen“ zum
ben auf diese
en konnte. Da
16
mit Autogramielern sowie
Kaiserzeit für
n Besitzer gemen konnten
helfen“-Konwerden. Roset nun ein (etlbum mit den
mter Schauhre wie Lilian
s, Emil Janmann, Joan
ene Dietrich
. Es soll minür den guten
Verbindliche
April (0 Uhr)
lfen, Amster35 Köln), per
3) oder per [email protected]. Das
den Zuschlag
Kauf. (kaz)
Rückzugsrefugium dienen kann.
Davon überzeugte sich „wir helfen“-Vorsitzende Hedwig Neven
DuMont mit den beiden Paten.
Gegen den Griff in die Klischee-Kiste
Eine
Ausstellung und
Amaro-Kher-Kinder
gegen Vorurteile
Kölner Stadt Anzeiger vom 09.04.2014
nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de
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Nadine Papai
Roma-Empowerment
in Österreich
Foto © Nadine Papai
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Nadine Papai
Als Geschäftsführerin der Gesellschaft für bedrohte
Völker Österreich (GFBVÖ) setze ich mich besonders
für die Selbstbestimmungsrechte von Minderheiten
und indigenen Völkern ein. Die thematischen Schwerpunkte der GFBVÖ sind der Kampf gegen die Auswirkungen von Rohstoffabbau auf indigene Völker und
Minderheiten und die Einschränkung der Menschenrechte von ethnischen Minderheiten und indigenen
Völkern in verschiedenen Regionen der Welt.
Im EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis zum Jahr 2020 sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die aktive Einbindung der gesamten
Roma-Zivilgesellschaft und aller anderen Interessenträger – auch auf regionaler und lokaler Ebene – in die
Strategien zur Einbeziehung der Roma zu fördern.
Wir ergreifen daher alle nötigen Maßnahmen, dass
Roma selbst für ihre Anliegen sprechen und dafür
politisch wirksam eintreten können. Eine besondere
Rolle kommt der Einrichtung einer Dialogplattform
des österreichischen Bundeskanzleramtes zu, auf der
sowohl Vertreterinnen und Vertreter staatlicher Stellen, als auch jene der zivilgesellschaftlichen Vereine
und Fachleute aus Wissenschaft und Forschung kooperieren. Die Plattform ist dabei nach den Richtlinien
in der EU-Strategie dazu verpflichtet, die Umsetzung
der nationalen Konzepte nicht ohne die Einbeziehung
der Roma geschehen zu lassen und den Austausch
bereits bewährter Verfahren zu fördern.
Bisher wurde dies von europäischen Regierungen
nicht ernst genug genommen, und ohne die Beteiligung der Roma führten Maßnahmen auch zu keiner
Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen.
Genau hier wollen wir mithelfen sicherzustellen, dass
Roma hier ein gewichtiges Mitspracherecht haben.
Daher haben wir die Plattform „ROMA4ROMA“ ins
Leben gerufen. Sie zielt auf die politische Partizipation
der Roma und Sinti Österreichs innerhalb der europäischen Strategie zur Inklusion der Roma bis 2020. Wir
stellen sicher, dass Roma alle nötigen Informationen
erhalten, insbesondere um über alle notwendigen
Skills für ein eigenständiges, politisches Agieren verfügen.
Die Plattform soll in weiterer Folge als „Think Tank“,
eine Art „Wissenspool“ aktiv sein, die politische
Beiträge zur österreichischen Dialogplattform liefert.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind dabei vor
allem junge Roma, die sich für ihre Rechte engagieren
wollen, bzw. bereits in verschiedenen Initiativen tätig
sind. Sie brauchen auch einen „offenen Ort“, an dem
alle Anliegen auf Vernetzungstreffen gehört werden
können und auch Möglichkeiten zur Zusammenarbeit
unter den Roma und Sinti geschaffen werden. Insbesondere wenden wir uns dabei an junge Vertreterinnen und Vertreter von verschiedenen in Österreich
lebenden Roma-Gruppierungen.
Zur Person
Nadine Papai ist studierte Kultur-und Sozialanthropologin mit den Schwerpunkten europäische Minderheiten und internationale Entwicklungszusammenarbeit.
Als Angehörige der Burgenland-Roma hat sie schon
sehr früh begonnen, sich besonders für die Anliegen
der Roma einzusetzen und kennt die Probleme und
Anliegen der jungen Roma- Aktivitstinnen und Aktivisten gut. Sie hat Erfahrungen in zahlreichen nationalen und internationalen Projekten gesammelt und ist
seit Sommer 2012 Geschäftsführerin der GFBVÖ.
Mehr über unsere Arbeit unter www.gfbv.at
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Romanes-Diplom an
der Universität von
Paris
Foto ©Runzdija Sejdović
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Schriftsteller und Mitglied im Rom e.V., Ruzdija Sejdović, auf der Romanes Konferenz
der Sorbonne in Paris am 17./18. Juni 2014
Foto ©Runzdija Sejdović
Ruzdija Sejdović mit Marcel Courthiade in der Universität Paris.
Marcel Courthiade, Linguist und Professor für RomaSprache und Kultur an der Sorbonne in Paris, hatte
mich eingeladen, weil ich in der Roma-Sprache
schreibe. Grundlage für Romanes-Studierende, die
einen Master-Abschluss oder ein Doktorat in Lingustik anstreben, sind u.a. auch meine Schriften.
Um weitere Fortschritte zu erreichen, habe ich Prof.
Courthiade nach Köln eingeladen. Er wird auf einer
Konferenz referieren, die der Rom e.V. im November
2014 anlässlich des Internationalen Tags der RomaSprache organisiert. Unser Ziel sollte sein, dass die
Linguistik und Erlernen des Romanes auch an der
Universität Köln eingerichtet wird und ebenso in der
Lehrerausbildung.
Arbeitsblatt zur Ethymologie des Wortes Ćhip (Zunge, Sprache).
Foto ©Runzdija Sejdović
Thema der Konferenz war die Umsetzung der Beschlüsse des Warschauer Kongresses von 1990 zur
Standardisierung der Roma-Sprache, die in vielen
Dialekten und ebensovielen Schreibweisen existiert.
In der Diskussion betonte ich die Notwendigkeit der
Umsetzung der Standardisierung auch in Deutschland, damit an deutschen Universitäten und Schulen
eine einheitliche Version des Romanes gelehrt werden
kann.
Ruzdija Russo Sejdović
Weitere Infos: http://www.red-rrom.eu/home.page
http://rrominalco.hypotheses.org/rromani
http://sedyl.cnrs.fr/spip.php?article309&lang=fr
Ruzdija Sejdović (2.v.l.) mit Romanes-Studierenden am INALCO
der Universität Paris.
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19
ROM e.V. nahm teil
am Dialog der
Zivilgesellschaft mit
der EU-Kommission
Foto © Kurt Holl
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Ismeat Stojković vom Vorstand des Rom e.V. erläutert die
Strukturen unseres Vereins.
Foto © Kurt Holl
Anlässlich des dritten europäischen Roma-Summits
am 4. April 2014 in Brüssel lud die RAA Berlin und
die EU zu einer Aussprache über die Fortschritte der
Integration der Roma in Bildungsbereich ein. Der Rom
e.V. nahm am 7. Mai 2014 an dieser Veranstaltung in
Düsseldorf teil. Anwesend war auch die Leiterin des
Roma-Teams des Directorate-General of Justice der EU
Kommission, Ilona Negri. Hier stellten eine Reihe von
NGOs ihre Bildungsarbeit vor, u.a. die RAA Berlin, das
Projekt Migovita/Köln, der Förderverein Roma/Frankfurt, Romno Kher/Mannheim, Madhouse/München,
Schulverwaltung Hamburg und der LV Schleswig Holstein der Sinti und Roma. Für den Rom e.V. erläuterte
Daniel Strauss vom Zentralrat deutscher Sinti und Roma hält
den Einführungsvortrag.
Ismeta Stojković, Ko-Leiterin des neuen rechtsrheinischen Schul-Projektes des Rom e.V. die Arbeit des Rom
e.V. vor allem im Bildungsbereich, auch an Hand eines
Organigramms.
Anlass der Tagung war ein Papier der EU, das sich kritisch mit der Umsetzung des EU Beschlusses von 2011
auseinandersetzte, nämlich mit der Erstellung einer
„Nationalen Strategie zur Integration der Roma bis
2020“. Die deutsche Regierung hatte sich 2011 explizit
gegen die Entwicklung nationaler Roma-Strategien
entschieden und auch nicht wie gefordert eine Nationale Kontaktstelle mit Koordinierungskompetenzen
ausgestattet.
Zur Diskussion eingeladen waren die Autorin des
Kommentars zur deutschen Roma-Inklusionspolitik,
Ilona Negri, und VertreterInnen von Fachministerien
zu den entsprechenden Themenbereichen, um mit der
Zvilgesellschaft über Roma-Inklusion in Deutschland
und Europa zu diskutieren.
...eine Pikanterie am Rande: In der Antwort der
Bundesregierung auf die Forderung der EU nach
einer nationalen Roma-Strategie wird als einziges
(!) praktisches Beispiel für deutsches Engagement
(in NRW) zur Roma-Integration das Projekt Amaro
Kher des Rom e.V. aufgeführt. Das ehrt uns sehr.
Wir haben allerdings keine Lust, als Alibi für eine
verfehlte bzw. nicht vorhandene Nationale bzw.
NRW-Roma-Strategie zu dienen.
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20
Selam Pató,
Ruzdija Sejdović
und Jovan Nokolić
treffen Harri Stoyka
in Ulm
Foto © Ruzdija Sejdović
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Die dem Rom e.V. eng verbundenen Roma-Schriftsteller Jovan Nikolić, Ruzdija Sejdović und Selam Pató
waren die Stars des diesjährigen Donaufests in Ulm.
Ihr Auftritt wurde begleitet von Harri Stoyka, dem
renommierten österreichischen Jazzvirtuosen.
Foto © Ruzdija Sejdović
Ruzdija Sejdović und Harri Stoyka
Harri Stoyka lehnt es als Rom vehement ab, sich und
die Roma mit dem diskriminierenden Begriff „Zigeuner“ apostrophieren zu lassen. Er hat in Wien dagegen
eine erfolgreiche Kampagne initiiert.
Foto © Ruzdija Sejdović
Foto © Reinhard Loidl
Jovan Nokolić (r.) und Harri Stoyka (im Hintergund links)
Selam Pató und Harri Stoyka
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Roma-Häuser versanken in der Flut –
Rom e.V. startete
eine große
Hilfsaktion in
Obrenovac, Serbien
Nach der Flut, Roma in Obrenovac.
“Es gibt keine Musik mehr, die Leute weinen
nur noch über die Toten, die Alten weinen
die ganze Zeit.“
Die schlimmste Flutkatastrophe seit 120 Jahren hat
in Serbien und Bosnien auch Tausende von RomaFamilien obdachlos gemacht. Ihre Häuser und Hütten
wurden fortgerissen. Ihre Habe wurde weggespült.
Noch immer werden Menschen vermisst.
Die geretteten Familien sind zwar oft in öffentlichen
Hallen zusammen mit den anderen Flutopfern untergebracht worden, doch deren Versorgung mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Kindernahrung und Medizin
ist prekär. Noch immer stehen ganze Rom-Siedlungen,
die oft direkt am Flussufer liegen, unter Wasser und
sind von der Außenwelt abgeschnitten, weil Straßen
unterspült und Brücken zerstört sind oder Bergrutsche die Wege blockieren. Kadaver von Rindern und
Schweinen treiben im Wasser und erhöhen die Seuchengefahr. Oft sind Familien in höher gelegene Orte
geflohen, andere kampieren unter Eisenbahnbrücken
ohne Frischwasser und Nahrung.
Nachricht an die Kölner Verwandten von einem
Roma-Vater aus Obrenovac
Kölner Roma-Familien, deren Verwandte in Serbien
von der Katastrophe betroffen sind, haben verzweifelte Anrufe erhalten und baten den Rom e.V. um Hilfe.
Wir beschlossen daher einen Hilfstransport zusammenzustellen, der die nötigsten Artikel vor allem in die
Gebiete bringen soll, wo noch keine öffentlichen Unterkünfte und Versorgung bereitstehen. Unser Spendenaufruf brachte bis Ende Juni über 25.000 € ein.
Den ursprüngliche Plan, Lebensmittel, Decken und
Babynahrung bzw. Windeln in Köln zu erwerben und
dann mit LKWs nach Serbien zu transportieren, musste aufgegeben werden, weil Einfuhrbestimmungen
und vor allem Versicherungsschutz für das Nicht-EULand Serbien zu kompliziert waren.
Selbst die Direktlieferung aus Frankreich von über
Tausend Gemüsedosen der Firma Bonduelle, die auf
Vermittlung unseres Freunde Robert Pütz möglich
wurde, stellte eine logistische Herausforderung dar,
die nur durch das Engagement der Spedition Emons
und von Herrn Scholl bewältigt werden konnte. Der
Rom e.V. konnte Dank der Kontakte unseres Mitarbeiters Jovan Nikolić einen erfahrenen Partner in der
Stadt Obrenovac gewinnen.
Zur Zeit sind Mitarbeiter des Rom e.V. in Belgrad bzw.
Obrenovac, die dort unter der Leitung von Ismeta
Stojković die Hilfsgüter einkaufen und den Transport
organisieren. Sie überwacht auch die Verteilung an die
ca. 300 Familien, die in Obrenovac die Hauptopfer der
Flut sind.
Wir werden über die Hilfsaktion vor Ort in der nächsten Nummer ausführlich berichten.
Wir werden die Hilfsaktion fortsetzen müssen und
bitten weiter um Spenden. Bitte überweisen Sie auf
folgendes Konto und geben Sie im Verwendungszweck
das Stichwort “Flut” an.
Empfänger:
Verein zur Förderung der Roma in Köln e.V.
IBAN: DE29 3705 0198 0010 4426 22
BIC: COLSDE33XXX
Stadtsparkasse Köln
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
HEUTE –
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der DienstleisDB), in dem zahlammengeschlosltet vom 29. Mai
n Köln sein 17.
fen. Fast 1000
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ala, die am 29.
r im Hotel Marit Tenor Johannes
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tag, 30. Mai stefür allgemeines
m Programm, um
Maritim, ebenDorint-Hotel und
Trinitatiskirche;
eils frei. DenAbin Begegnungs18 Uhr, im Hotel
28. MAI Film/Ge
Luftaufnahme der überfluteten Stadt Obrenovac. Der Kölner Verein Rom e. V. sammelt Geld für einen Transport in die Krisenregion.
BILD: AP/DPA
Kölner bangen um ihre Familien
SPENDEN
Rom e. V. organisiert einen Hilfstransport zu den Opfern der Flut in Serbien
„Traumwärts“: E
wird der Film des
Leichtathleten un
Martin Szafranski
Ein früherer Junki
ren zu den weltb
gehört, will das „R
America“, eines d
Radrennen der W
Doch dann komm
und sein Traum p
programm führt M
der renommierte
ge und Spezialist
sche Entomologie
minalist bei „Galil
als „Dr. Made“ bek
Gespräch mit dem
zeipräsidenten W
über Träume.
zu organisieren. Zudem appelliert 19 Uhr, Odeon, S
der Verein an die Kölner Auslän- Eintritt: 7,50 Eur
derbehörde sowie das InnenminisEs sind Bilder, die erschüttern: Kinterium, derzeit keine Flüchtlinge
der sitzen schreiend in einem kleiin die Region abzuschieben.
nen Boot, mit dem ihre Familie aus
Mehr als 20 Roma-Familien und
ihrem überfluteten Haus gerettet
dass das Bundes- wird. Und die schlechten NachrichPartnervereine aus Obrenovac und
m letzten Mal in ten aus der serbischen KrisenregiBelgrad bitten um Hilfe für ihre
m Jahr 1951. Die on, in der die Flutkatastrophe gewüvon der Flutkatastrophe betroffee ein Jahr zuvor tet hat, reißen nicht ab. Was bereits
nen Verwandten. Der erste Lastwader Vereinigung bei Unbeteiligten Besorgnis erregt,
gen mit Hilfsgütern soll Ende diengesangsvereine bringt andere Kölner fast um den
ser Woche losfahren. Betroffene,
standen war, sei Verstand. Angehörige der Opfer,
mit denen die Organisation in
und je, ist Bun- die Hilferufe aus ihrer Heimat erKontakt steht, berichten, dass vor
r Uwe-Jürgen halten oder aber Verwandte derzeit
allem Hygieneartikel für KleinkinDer SDB sei „ei- nicht erreichen, bangen mit den
der, aber auch Erwachsene gevon ihrem Auf- Landsleuten. Wie Mica Jovanovic,
braucht würden. Auch an Verberzeugte große die im Flüchtlingswohnheim Geisbandsmaterial, Generatoren und Kriminalbiologe M
weiterhin konti- selstraße lebt. Sie erzählt: „Es gibt
Babynahrung mangele es. Um geund neue Freundzielt das Benötigte schnell und
Die ersten Bewohner
ndischen Chören
günstig besorgen zu können, bittet 29. MAI Musik
werden auf jeden Fall
(cs)
der Verein die Kölner um Unter- Gloria Cooper, Pr
stützung.
Direktorin der ren
erst einziehen, wenn
Hedwig Neven DuMont hat sich Long Island Unive
alles fertig ist
BILD: REUTERS dem Aufruf bereits angeschlossen
Kinder werden aus ihrem überfluteten Haus gerettet.
ihr Quintett entfü
und wird die Aktion mit privaten hörer mit swinge
s Tages! Caritas-Chef Peter Krücker
Mitteln unterstützen. „Wir dürfen keit in die New Yo
RD.de
Auch die serbisch-orthodoxe Gemeinde hilft
die Menschen in den Gebieten welt des „Great A
keine Musik mehr, die Leute weinen nur noch über die Toten. Die In der Krisenregion fehnicht alleine lassen“, sagt sie. Jede book“. Begleitet w
ckungen in Mengen ab
Stunde erreichen den Verein neue von Heiner Wiber
Alten weinen die ganze Zeit.“ Vie- len: Hygiene-Artikel für
zehn Stück annehmen.
Hiobsbotschaften. „Viele konnten Klaus Osterloh (Tr
le seien in Privathäuser zu Ver- Erwachsene und Kinder,
Abgegeben werden könnicht mehr evakuiert werden, sind chen Schaal (Bass
wandten geflüchtet, wo es keine Kinder- und Babynahnen sie montags bis freiöffentliche Hilfe für sie gibt. Die rung, Kinder- und Babyvermisst oder ertrunken. Alle ha- Wasserfuhr (Drum
tags von 10 bis 15 Uhr
Bewohner seien ohne Trinkwasser, kleidung, Konserven,
ben ihre Häuser, Hütten und ihren stalter verspricht
am Venloer Wall 17.
Besitz verloren“, berichtet Kurt „das mit Eleganz u
weil die Brunnen überflutet sind.
Tee, Kaffee, SonnenbluHoll. Das Haus einer Familie, die keit des amerikan
„Obrenovac ertrinkt“, schlägt menöl, Unterwäsche für
Der Transport erfolgt
Kurt Holl, Vorsitzender des Rom Erwachsene, Generato- Kurt Holl
der Rom e.V. unterstützt, sei zu- stream besticht. V
durch Mitarbeiter des
e.V., Alarm. In der Stadt südlich ren zur Stromerzeusammengestürzt und wegge- tet Cooper die am
Vereins, die Verteilung
:
schwemmt worden. Oft steht nur Standards.“
von Belgrad, in der der Verein auch gung, Decken, Socken und Schu- durch einen Partnerverein, mit
noch das Fundament.
Menschen betreut, leben viele Ro- he. Medikamente sind nicht erdem der Rom e.V. seit langem zuARD gibt es bei ma. Aber auch in anderen Städten laubt.
Der Verein Rom e.V. war vor 13 20 Uhr, Altes Pfan
sammenarbeitet. Mitglieder des
enschau 2014
und Dörfern ist die Lage prekär.
Jahren erstmals in der Stadt Obre- täuserwall 20. Ei
Vereins werden vor Ort sein.
Bonus auf
Holl: „Nach unseren Schätzungen Der Verein Rom e.V. sammelt
novac und ihrer Roma-Siedlung. Euro.
Damals kümmerte er sich dort um
sind etwa 10 000 Roma-Familien Geld, um die benötigten Güter zu Wer durch eine Geldspende helageskarten an
Flüchtlinge aus dem Kosovo, die
betroffen.“ 5000 haben alles verlo- kaufen. Sachspenden kann er aus fen will, kann sich telefonisch inren, was sie besaßen. In einer eilig hygienischen Gründen nur von
dort Unterschlupf gesucht hatten.
formieren: ☎ 02 21/25 38 76 oder
einberufenen Sitzung in den Ver- Firmen und Geschäften annehHoll: „Es fehlte schon damals an 30. MAI Theater
01 51/41 96 80 09 . Informationen
e/abocard
allem. Jetzt brauchen uns die Men- „Don Quijote“: St
einsräumen am Venloer Wall hat men. Von Privat kann er nur Gü- gibt e s auch im Internet. (kaz)
schen dort noch dringlicher. Es soll mann inszeniert n
der Rom e. V. beschlossen, einen ter in verschlossenen Originalpa- www.romev.de
Hilfsgütertransport in das Gebiet
schon viele Tote geben.“
rühmten Roman v
Cervantes. Der er
Kölner Stadt Anzeiger vom 28.05.2014
1605 und geriet a
einem Riesenerfo
FEN
tor nötigte, eine F
schreiben. Don Q
ter von der trauri
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t
VON ANJA KATZMARZIK
Appelle an den neu gewählten Stadtrat
27
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Roma in einem
Bunker voller
Rattengift
untergebracht
Der Ombudsmann der serbischen Regierung, Sascha Janković, erhebt heftige Vorwürfe gegen lokale Behörden:
Der Ombudsmann stellte fest, dass diesen Bürgern
mit Roma-Herkunft, einschließlich ihren Kindern, weder medizinischer noch sozialer Schutz noch andere
notwendige Unterstützung zuteil wurde, die anderen
Bürgern in der Situation besonderer Schutzlosigkeit
nach der Evakuierung aus ihren überfluteten Häusern
gewährt wurde.
Nach den traumatischen Erlebnissen, als die Flut ihre
Häuser wegspülte, sind die Roma, die gerade mal ihr
Leben retten konnten, neuen schlimmen Zuständen
ausgesetzt. Sicher sind lokale Behörden angesichts
der landesweiten Verwüstungen überfordert, aber
offenbar sind Roma-Angehörige diejeningen, für die
als letztes und am schlechtesten gesorgt wird. Dazu
kommt, dass eine Rückkehr in ihre Dörfer lange nicht
möglich ist, weil nicht nur ihre Behausungen, sondern
die gesamten Infrastrukturen zerstört sind. Straßen
sind durch Flüsse oder Bergrutsche nicht mehr
passierbar, Stadtverwaltung, Schulen mit allen Schulmaterialien, Kindergärten, medizinische Zentren, ihre
Felder, Gemüsegärten, Geschäfte und Werkstätten
zerstört. Auf einer Pressekonferenz sagte der Ombudsmann am 4. Juni 2014
„Die Roma sind die von der Flut und deren Aus-
wirkungen am schlimmsten betroffene Gruppe.“
„Einer Gruppe von Bürgern mit Roma-Herkunft, die
aus ihren überschwemmten Häusern in informellen Siedlungen evakuiert wurde, ist nicht die gleiche
Hilfe zuteil geworden, wie anderen von dem Unglück
betroffenen Bürgern. Darauf wies der Ombudsmann
für Bürgerrechte Saša Janković hin. Die zuständigen
Behörden lehnen jedoch die Verantwortung ab.
Die Hilfsaktionen des Rom e.V. für die Roma-Familien
wird also weitergehen müssen. Bitte helfen Sie uns
dabei. Ein erster Konvoi ist bereits zusammengestellt.
Wir informieren weiter. Wir bedanken uns für die bereits eingegangenen Spenden und weisen darauf hin,
dass wir bei Angabe einer Postadresse auch Spendenquittungen ausstellen.
Eine Gruppe von dreißig Roma, darunter zwanzig
Kinder, waren in verschiedenen Räumlichkeiten öffentlicher Behörden und Institutionen untergebracht,
von denen keine einzige den hygienischen Anforderungen entspricht. Im Aufnahmezentrum in Dobanovci ist ihnen die Unterkunft aus offen diskriminierendem Gründen verweigert worden, sagt Ombudsmann
Saša Janković. Sie wurden schließlich in einen Bunker
aus dem Krieg eingewiesen.
Bitte überweisen Sie Ihre Spende auf folgendes Konto
und geben Sie im Verwendungszweck das Stichwort
“Flut” an.
Empfänger:
Verein zur Förderung der Roma in Köln e.V.
IBAN: DE29 3705 0198 0010 4426 22
BIC: COLSDE33XXX
Stadtsparkasse Köln
„Tage und Nächte haben sie in einem Raum ohne Toilette verbracht, sie hatten keine Möglichkeit, sich zu
waschen, waren ohne ärztliche oder jede andere Hilfe.
In einer Nacht wurden sie nach Dobanovci gebracht,
aber dort wurden sie nicht aufgenommen. Auf der
Autobahn haben sie stundenlang im Bus gewartet. Am
Ende haben sie sie in einen Bunker voller Rattengift
gebracht. Ohne Toilette, warmes Wasser oder Abwasserkanal. Im Gesundheitszentrum wollten sie sie
nicht untersuchen wie die anderen, die aus Obrenovac
kamen, da sie nicht aus dieser Stadt kommen.“ (Saša
Janković lt. Radio Slobodna Evropa 30.5.2014)
nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
„Sichere“
Herkunftsstaaten
oder:
staatlicher
Antiziganismus?
Der Bundestag wird demnächst über den Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zu sogenannten
sicheren Herkunftsländern entscheiden. Dieses
Gesetz richtet sich eindeutig gegen Roma. Wir sind
gespannt, wie sich insbesondere die SPD zu dieser
weiteren Aushöhlung der UN-Flüchtlingskonvention
verhält und werden die Kölner Abgeordneten dazu
befragen.
In der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und
SPD war es bereits angekündigt, jetzt liegt ein Gesetzesentwurf vor: Die Staaten Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien sollen zu sogenannten
„sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden.
Dieser Gesetzesentwurf zielt einzig darauf ab, Asylverfahren von Roma beschleunigen und abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben zu können. Eventuelle
Klagen gegen Abschiebebescheide haben dann keine
aufschiebende Wirkung mehr. Die Ausreisefrist beträgt
eine Woche. Über Eilanträge soll das Gericht „grundsätzlich innerhalb einer Woche“ entscheiden.
Begründet wird die geplante Gesetzesänderung unter
anderem mit dem Argument, dass Asylgesuche aus
diesen Ländern aus „asylfremden Motiven“ gestellt
werden und „offensichtlich unbegründet“ sind.
Das trifft nur zu, sofern man einer die systematische
Verschränkung von Diskriminierung und Armut
ignoriert, die für Roma in diesen Ländern zu einem
massiven Elend führt. Das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ ist aus sich heraus diskriminierend. Es
verstößt gegen internationales Recht. Ob einer Person
Schutz gewährt werden muss, bleibt immer eine Frage
der individuellen Fluchtgeschichte.
Werden die genannten Länder tatsächlich gesetzlich
zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, werden die
Möglichkeiten für Roma, ihrer aussichtslosen Situation zu entkommen, massiv eingeschränkt. Sie haben
dann faktisch keine Chance mehr, sich gerichtlich
eine Duldung zu erstreiten und mittelfristig auch ein
humanitäres Bleiberecht zu erhalten.
In amtlichen Dokumenten der serbischen Regierung
ist von offenem Hass und von offener Gewalt gegen
Roma die Rede. Eine Kommission der EU hat kürzlich
erneut den fehlenden Schutz von Roma in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien kritisiert. Zahlreiche
Berichte des UNHCR und von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen weisen nach, dass Roma
elementare Menschenrechte nur bedingt in Anspruch
nehmen können. Darum liegt beispielsweise die
Lebenserwartung für Roma-Frauen in informellen
Siedlungen bei nur 48 Jahren, wie das Ministerium für
Menschenrechte und für Minderheiten 2009 in Serbien herausfand. Die Kindersterblichkeit ist drei Mal
höher als im Landesdurchschnitt.
Es mag vielleicht juristisch beschränkten Vorstellungen genügen, von sicheren Herkunftsstaaten zu
reden, wenn man Menschen abschieben will, die hier
wie dort als unwürdige und nutzlose Arme betrachtet
werden. Mit einem humanitären, menschenrechtlich
angemessenen Umgang mit Roma-Flüchtlingen hat
dies jedoch nichts zu tun. Das könnten sogar diejenigen wissen, die zwar vom Einwanderungsland
Deutschland reden, Arbeitskräfte sollen angeworben
werden, aber den Rechten von Flüchtlingen, insbesondere Roma-Flüchtlingen, die menschenrechtlich
angemessene Beachtung verweigern.
Internationale Organisationen haben übereinstimmend festgestellt, die Situation der Roma in BalkanLändern ist katastrophal. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hält es für menschenrechtswidrig,
massenhaft Menschen in Verhältnisse abschieben
zu wollen, in denen sie gewaltförmiger Diskriminierung unterliegen. Umfassende Diskriminierung von
Menschen müsste, ginge es menschrechtsgemäß zu,
als Fluchtgrund endlich anerkannt werden. Dazu
wäre ein Verfahren bereitzuhalten, das fair ist und in
dem sämtliche relevanten Bedrohungen, rechtlichen
Einschränkungen sowie sozioökonomische Benachteiligungen ermittelt werden.
Eine systematisch betriebene Diskriminierung oder
Benachteiligung in ihrer kumulativen Wirkung kann
sehr wohl Verfolgung, die folgenreiche Beeinträchtigung des Existenzrechtes von Menschen bedeuten
und damit nationalen bzw. internationalen Schutz
rechtfertigen. Albert Scherr, Dirk Vogelskamp
für das Komitee für Grundrechte und Demokratie
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Roma-Feindlichkeit
nimmt sprunghaft zu
Mutige Bügerinnen und Bürger besorgten sich ausziehbare Baumscheren und schnitten die Plakate ab.
Da waren‘s sichtbar weniger und die Aktivisten der
Neonazis kamen mit dem Wiederanbringen nicht
mehr nach. Die Aktion der Demonstranten verlief
im Übrigen sehr zivil. Die abgenommenen Plakate
wurden unversehrt der Polizei übergeben. Gleichzeitig
wurde Anzeige erstattet wegen Volksverhetzung.
Einige Aktivisten erreichte ein Brief der Staatsanwaltschaft. Darin wurde von der Staatsanwätlin Frau
Odendahl rabulistisch argumentiert, dass man die
Nazi Parolen durchaus anders verstehen könne, und
so eine Forderung wie„Stopp der Asylantenflut“ doch
seit Jahren bekannt wäre. Statt Pro Köln wurde den
Demonstranten angedroht, dass jetzt gegen sie wegen
einer Anzeige von Pro Köln ermittelt werden müsse.
Soeben ist die Studie „Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit“ von Markus End in der Bundespressekonferenz vorgestellt worden. In ihr wird
ausführlich dargestellt, wie die Minderheit als „Zigeuner“ bundesweit diskriminiert wird.
Zwar sind als rechtsextrem bezeichnete Einstellungen
in Deutschland auf dem Rückzug, wie aus einer am
Mittwoch in Berlin vorgestellten Analyse der Universität Leipzig mit dem Titel „Die stabilisierte Mitte“
hervorgeht. Ausländerfeindlichkeit ist aber immer
noch stark verbreitet.
Allerdings sank sie in den vergangenen zwölf Jahren
von 26,9 Prozent auf 18,1 Prozent. Selbst der Anteil
derjenigen, die ein geschlossenes rechtsextremes
Weltbild haben, ging demnach von 9,7 Prozent im Jahr
2002 auf 5,6 Prozent im Jahr 2014 zurück.
Weitere Infos:
Die stabilisierte Mitte: http://www.amadeu-antoniostiftung.de/w/files/pdfs/mitte_leipzig_internet.pdf
Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit:
http://www.sintiundroma.de/uploads/media/2014Stu
dieMarkusEndAntiziganismus.pdf
Das Schreckensbild des Zigeuners hält sich beharrlich: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/
sinti-und-roma-zentralrats-vize-silvio-peritore-ueberressentiments-a-973351.html
Feindbild Roma. Das Beispiel Duisburg: www.lottamagazin.de
Angesichts einer abnehmenden Ausländerfeindlichkeit überrascht es die Forscher offenbar, dass bestimmte Migrantengruppen besonders diskriminiert
werden. Diplompsychologe PD Dr. Oliver Decker von
der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig sieht hier
in der Einwanderungsdebatte eine »Differenzierung
nach Nützlichkeitsaspekten« und eine »Empfänglichkeit für die Ideologie der Ungleichwertigkeit«.
Sprunghaft gestiegen ist die Zahl derjenigen, die
»eher« oder »voll und ganz« der Ansicht sind, »Sinti
und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden«. Während 2011 noch 27,7 Prozent diese Meinung
vertraten, waren es in diesem Frühjahr 47,1 Prozent.
Viele Kölnerinnen und Kölner können jedoch für ihre
Stadt keine Entwarnung geben. Vor der Europa-Wahl
waren anfangs noch große Teile der Stadt mit den
Hetzplakaten der Kölner Neonazis von Pro Köln übersät, angebracht in ca. 10 m Höhe an Laternenmasten.
Auf ihnen wurde Angst vor dem Islam geschürt und
kaum verhüllt dazu aufgerufen gegen die Asylbewerber vorzugehen.
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Ismetas Torten
und
Foto © Ismeta Stojković
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
die Spicy Girls
Ismeta Stojković mit ihrer „Auto“-Torte
Foto © Ismeta Stojković
Diese Leidenschaft ist auch auf mich übergesprungen,
so dass ich sehr früh kochen konnte. Bereits mit dreizehn-vierzehn Jahren beherrschte ich viele Gerichte.
Ungefähr mit fünfzehn, habe ich mich getraut, einen
Kuchen zu backen, aber das Experiment war nicht
erfolgreich, und ich habe beschlossen, es für eine län-
gere Zeit dabei bewenden zu lassen. Bis zum meinem
zweiten Versuch, beschäftigte ich mich mit anderen
Sachen: Abitur, Studium, Arbeit und mit meiner Ehe.
Als sich der erste Geburtstag meines Sohnes näherte,
beschloss ich, seine Geburtstagstorte selber zu backen.
Es war eine große Herausforderung, aber die Liebe zu
meinem Kind so groß, so dass ich mich traute!
Die Torte ist mir gelungen, und seitdem habe ich mich
mehr und mehr für das Backen interessiert und mir immer größere Ziele gesetzt. Das Backen alleine war mir
auf einmal nicht mehr genug, ich wollte verschiedene
Foto © Ismeta Stojković
In unserer Familien war jedes Treffen ein Anlass zum
Kochen und Backen. Manchmal dachte ich schon,
dass es zu viel sei, aber seltsamerweise, bin ich heute
genau so! Gutes Essen und Kochen war immer ein
Thema bei uns und nicht nur das! Es ist eine Leidenschaft!
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Foto © Ismeta Stojković
Foto © Ismeta Stojković
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Formen und Figuren backen, und für jeden Geburtstag meines Sohnes habe ich ein neues Styling probiert.
Das war immer viel Arbeit. Schließlich bin ich keine
gelernte Konditorin, aber trotzdem machte es mir
eine riesige Freude und die strahlenden Kinderaugen
waren meine größte Belohnung. Nachher habe ich
verschiedene Torten für andere Kinder aus meiner
Familie gebacken, für Familientreffen und wichtige
Ereignisse.
Wir nennen uns „Spicy Girls“ und möchten in diesem
Jahr ein kleines Kochbuch herausgeben mit den Rezepten und Fotos von den Gerichten, die wir gemeinsam vorbereitet haben. Den Mädchen macht es auch
Foto © Ismeta Stojković
Foto © Ismeta Stojković
Diese Leidenschaft fühle ich immer noch, so dass ich
sie auch teilweise auf meine Arbeit übertragen habe.
Seit ein paar Monaten leite ich ein Koch- und Backprojekt mit Sinti- und Roma-Mädchen in Köln-Porz
und versuche, meine Begeisterung weiterzugeben. In
der Kochgruppe sind acht bis zehn Mädchen im Alter
von 12-18 Jahren. Wir kochen oder backen traditionelle Roma-Gerichte, die wir dann gemeinsam essen und
gleich vereinbaren, was wir nächste Woche zaubern
werden.
Flugblatt der Spicy Girls
Spicy Girls beim Backen.
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Foto © Ismeta Stojković
Foto © Ismeta Stojković
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Spicy Girl beim Backen.
Foto © Ismeta Stojković
sehr viel Spaß und mit der Zeit haben sich individuelle
Interessen und Talente gezeigt.
Spicy Girls beim Backen und Fotografieren.
Torten und Kuchen „erfinden“, backen und verzieren
für immer meine Leidenschaft bleiben wird! Ich backe
sie für Menschen, die ich sehr mag und die mir etwas
bedeuten. In jedem Stück steckt viel Liebe – und sie
merken es. Das macht mich glücklich und zufrieden
Ismeta Stojković,
Vorstand Rom e. V.
Foto © Ismeta Stojković
Spicy Girls präsentieren ihr selbstgekochtes Essen.
Ismeta Stojković (3.v.l.) und die Spicy Girls.
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Bücher
“In dieser Hölle haben wir fünf Jahre verbracht…”
Susanne Urban u. a. (Hg.), Fundstücke. Stimmen
der Überlebenden des „Zigeunerlagers“ Lackenbach, 48 Seiten, 9,90 €
Eine neue Publikationsreihe des International Tracing
Service (ITS) startet. Darin berichten Überlebende
aus dem “Zigeunerlager” Lackenbach. „Ich wurde am
11. November 1944 im ‚Zigeunerlager’ Lackenbach
geboren, schreibt der Obmann des Kulturvereins
österreichischer Roma, Rudolf Sarközi, im Vorwort der
Broschüre Fundstücke. Stimmen der Überlebenden
des „Zigeunerlagers“ Lackenbach. Ein Großteil der
Verschleppten wurde in den NS-Todesfabriken umgebracht. Als die Rote Armee das „Zigeunerlager“ im
April 1945 befreite, lebten dort noch etwa 300 bis 400
Menschen. Darunter Rudolf Sarközi und seine Eltern.
Fast 50 Prozent der österreichischen Roma und Sinti
wurden ab 1940 in Lackenbach, auf einem Gutshof
im Burgenland, unweit der Grenze zu Ungarn, interniert. Aufgrund der mangelnden Hygiene und der
schlechten Ernährung starben Hunderte, ihre Leichen
verscharrte man auf einem nahegelegenen jüdischen
Friedhof.
Unterlagen aus dem Archiv des Internationalen Suchdiensts in Bad Arolsen dokumentieren die Verfolgung
und Ermordung der Sinti und Roma während des
NS-Regimes. Die Akten belegen aber auch, wie die
Täter und Helfershelfer des Genozids nach 1945 ihre
Karrieren in Österreich und Deutschland unbehelligt
fortsetzen konnten. Etwa Robert Ritter, der als Leiter
des „Rassehygenischen Instituts“ mehr als 20.000 „Zigeuner“ rassisch begutachtet hatte, arbeitete ab 1947
für das Jugendamt der Stadt Frankfurt und betätigte
sich weiterhin in der „Zigeunerforschung“.
Die Überlebenden Sinti und Roma musste dagegen
Jahrzehnte um ihre Anerkennung als NS-Verfolgte
kämpfen – sie galten weiterhin als „asozial und arbeitsscheu“ und somit als zurecht inhaftierte Bevölkerungsgruppe. Ihre Diskriminierung endete auch
nach 1945 nicht, wie beispielsweise die zunächst als
„Zigeunerstelle“, später als „Landfahrerstelle“ bis in
die 1970er Jahre bestehende Abteilung des Bayerischen Landeskriminalamtes zeigt. Das österreichische
„Zigeunerlager Lackenbach“ wurde erst 43 Jahre nach
dem Krieg einem Konzentrationslager gleichgestellt.
Mit dem ersten Band der Reihe „Fundstücke“ will der
ITS Verfolgten eine Stimme geben und wenig bekannte, aber historisch bedeutsame Zeugnisse aus den
Jahren des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit der Öffentlichkeit vorstellen. Dabei sei es auch
beabsichtigt, Bezüge zur Gegenwart herauszustellen,
wie Susanne Urban, Herausgeberin der Reihe und
Leiterin der Abteilung „Forschung und Bildung beim
ITS“, unterstrich. Denn: „Europa hat offenbar noch
immer nicht gelernt, Antiziganismus zu ächten und
gegen diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
vorzugehen“.
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Patricia Pientka, Das Zwangslager für Sinti und
Roma in Berlin-Marzahn. Alltag, Verfolgung und
Deportation, Metropol Verlag, Berlin 2013, 239 S.,
€ 19,--
Foto © DW
nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Die hier anzuzeigende Publikation beruht auf der Magisterarbeit der Verfasserin. Patricia Piontka studierte
in Berlin Neuere und Neueste Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Philosophie. Seit Oktober 2012
ist sie Mitglied der Graduiertenschule des Zentrums
Jüdische Studien. Sie arbeitet zur Zeit an einer Dissertation zu den deutsch-jüdischen Beziehungen
zwischen Berlin und Tel Aviv seit dem beginnenden
20. Jahrhundert bis heute. gehört der Minderheit der
deutschen Sinti an. Die Entscheidung zum Thema
ihrer Magisterarbeit erkläre sich, sagt sie, auch familienbiografisch.
Das „Zigeunerlager Marzahn“ am Rand der Reichshauptstadt Berlin war das mit Abstand größte einer
ganzen Reihe kommunaler Lager, die in den ersten
Jahren des NS-Regimes entstanden. Zwischen 1936
und 1945 wurden dort schätzungsweise 1.200 Roma
festgehalten. Bislang gab es dennoch nur erst einige
wenige Aufsätze dazu. Pientkas Arbeit geht darüber in
Inhalt und Umfang weit hinaus. Die Historikerin stellte sich die Aufgabe, die Geschichte des Zwangslagers
auf der Basis bislang nicht genutzter archivalischer
Quellen und der Angaben in Erinnerungsberichten
ehemaliger Insassen umfassend zu rekonstruieren.
Dabei ordnet sie die lokalen Entwicklungen in den
allgemeinen Prozess einer schrittweisen Verlagerung
der Initiative von der kommunalen auf die zentralstaatliche Ebene ein.
Pientka beschreibt die Gründungsphase des Lagers
im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936. Sie hebt
hervor, dass die Festnahmeaktion im Juli 1936 sowohl
in Wohnwagen auf privaten Standplätzen als auch die
zahlreichen in Normalwohnungen lebenden Berliner
Roma betraf. Sie schildert die äußerst eingeschränkten
Wohn-, Ernährungs- und Gesundheitsbedingungen in
Marzahn und wendet sich dabei ganz besonders den
Kindern und Jugendlichen des Lagers zu. Sie schildert die Forschungsaktivitäten des Rassenhygienikers
Gerhart Stein. Dabei kommt sie auf den „modernen“
kulturalisierten Rassismus zu sprechen, den Stein vertrat, wenn er meinte, nicht „angeborene Kriminalität
im Sinne der Minderwertigkeit“ bewirke kollektive Kriminalität von „Zigeunern“, sondern „dass der Zigeuner
als Sammler einen anderen Eigentumsbegriff hat“.
Das können wir nach wie vor genauso bei „Zigeunerforschern“ wie Bernhard Streck und Barfußforschern
wie Thilo Sarrazin finden, die sich frei von Rassismus
wähnen, weil sie – verbal – zum erbbiologischen AltRassismus Abstand halten.
Eine bizarre Episode bildete die Verwendung von
Roma aus Marzahn als „Südländer“ bei der Filmproduktion. Von besonderer Bedeutung in den Erinne-
Patricia Piontka
rungen von Zeitzeugen war dabei der RiefenstahlFilm „Tiefland“. Leider ist es nur ein Fußnote, mit der
Pientka darauf eingeht, dass Riefenstahl deshalb noch
2002 gezwungen wurde, dazu und zur anschließenden
Deportation der Statisten nach Auschwitz Stellung zu
nehmen (der Rom e. V. spielte dabei als Initiator eine
wichtige Rolle).
Von der Zentralisierung und Radikalisierung der
Verfolgung leitet Pientka über zu den Deportationen
eines großen Teils der Insassen in die Vernichtung in
Auschwitz-Birkenau im März 1943. Dabei verliert sie
nicht den Blick auf die Lebenssituation der wenigen
in Marzahn Zurückgebliebenen, etwa die Hälfte von
ihnen Kinder und Jugendliche. Sie dokumentiert die
verzweifelten Versuche der Verschonten, verschleppte Familienmitglieder freizubekommen oder doch
wenigstens Hafterleichterungen zu erwirken. Auch
das Lager Marzahn war vom Luftkrieg betroffen.
Schutzmöglichkeiten wie Luftschutzkeller oder -bunker waren allerdings den Angehörigen der deutschen
Volksgemeinschaft vorbehalten. Die Marzahner Roma
versuchten, sich mit selbst gegrabenen Erdlöchern zu
behelfen.
Pientkas Darstellung endet nicht mit der Befreiung der
überlebenden zwei Dutzend Lagerbewohner durch
die Rote Armee Ende April 1945. Die Autorin fragt
nach der Nachgeschichte des Zwangslagers und nach
Anerkennung und Entschädigung für die Betroffenen. Marzahn lag im Berliner Osten. Hier galten die
Regelungen der SBZ bzw. der DDR für die Anerkennung und Unterstützung von Opfern des Faschismus
(OdF). Dabei ist nicht zu übersehen, dass zu diesem
Zeitpunkt Selbstorganisationen fehlten, wie sie erst
Jahrzehnte später nicht zuletzt im Kontext der NSAufarbeitung entstanden. Das war ein ganz entschei-
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Weitere zehn Jahre brauchte es, bis der Senat von
Westberlin die in Marzahn Internierten als rassisch
Verfolgte anerkannte, was für das Bundesgebiet ohne
Bedeutung blieb. Erst 2001 wurde das Lager durch Beschluss der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft“ in deren Haftstättenverzeichnis aufgenommen und somit nach dem Tod nahezu aller Internierter offiziös als Haftort anerkannt. Ähnliches wie für
die rechtliche Anerkennung gilt – wenngleich mit erheblicher Zeitverschiebung – im Vergleich der beiden
Staaten auch für die Erinnerungs- und Gedenkpolitik.
Pientka verweist dabei auf die bedeutende Rolle des
DDR-Bürgerrechtlers Reimar Gilsenbach.
Mit ihrer gründlichen Studie hat Patricia Pientka historisches Wissen für ein würdiges Gedenken bereitgestellt und mit den von ihr wiedergegebenen Familiengeschichten der in Marzahn Festgehaltenen und von
dort Deportierten einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über Verfolgung und Vernichtung deutscher Sinti
und anderer Roma aus deren Perspektive geleistet.
Ulrich F. Opfermann
dender Unterschied zu den politisch Verfolgten (die
im Westen allerdings schon bald unter einen linken
Generalverdacht gestellt wurden) und zur jüdischen
Minderheit.
Zu den ohnehin schon bestehenden Schwierigkeiten
– schwere Traumatisierung, tiefes Misstrauen gegenüber staatlichen Instanzen, mangelnde formale Kompetenzen angesichts unzureichender Schulbildung,
Unkenntnis von und Ungeübtheit im Umgang mit administrativen und juristischen Regelungen – kam, dass
allein bei der Verfolgtengruppe der als „Zigeuner“
Deklarierten die OdF-Anerkennung an „den Nachweis
eines festen Wohnsitzes und einer Beschäftigung“
geknüpft war.
Am 8. und 9. November 2013 hatte der Rom e.V.
zusammen mit der Evangelischen Akademie im
Rheinland eine Tagung ausgerichtet zum Thema
„Roma eine unerwünscht Minderheit in Europa“.
Die Dokumentation der Beiträge der Referenten
dieser Tagung ist jetzt vor Kurzem erschienen. Sie
kann beim Rom e.V. für 5 € bezogen werden.
Die Autorin bleibt nicht bei der Beschreibung der
unzureichenden Bedingungen für die so genannte
Wiedergutmachung und für die Restitution enteigneter Werte stehen. Sie benennt als Ursachen die
Fortexistenz der bekannten antiziganistischen Zuschreibungen. Die blieben ungeachtet der jeweiligen
grundsätzlichen politischen Neupositionierung in der
BRD und in der DDR über die nationalsozialistischen
Verbrechen hinaus weiterhin auf allen Ebenen unbefragt lebendig und wirksam.
Deutlich früher als in der BRD verbesserte sich die
rechtliche Lage in der DDR. Dort wurde 1967 mit den
entsprechenden entschädigungsrechtlichen Konsequenzen das Zwangslager Marzahn als KZ-ähnliches
Lager anerkannt. Dass der Aufenthalt dort Haftcharakter gehabt habe, akzeptierte ein Westberliner
Gericht erst zehn Jahre später. Das hatte wie die ganze
Entschädigungsdiskussion im Westen viel damit zu
tun, dass für die Juristen die Aussagen der früheren
Verfolger mehr zählten als die der Verfolgten.
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„Lo real –
le réel –
the real“
Foto © loreal_israelgalvan_5797fulljavierdelreal
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im Kölner
Schauspielhaus
Israel Galván: Lo real, le réel, the real
Compañía Israel Galván aus Spanien im
Juni zu Gast bei den Internationalen Tanzgastspielen der Bühnen Köln
Was ist wahr, was ist real? Der Flamencotanz ist real
und wahr. Gesang, Rhythmus, Tanz und Gitarrenbegleitung, all das steht für die Explosion südländischer
Leidenschaft. Das Bild von Flamenco tanzenden
»Zigeunern« ist nicht nur in Deutschland seit Jahrzehnten fest in die Köpfe eingebrannt. Real – und
grausam – sind die Verfolgung, die Deportation und
die Ermordung der Sinti und Roma in den deutschen
Konzentrationslagern.
Israel Galváns hochpolitisches Tanzstück ist inspiriert
von Leni Riefenstahls Film »Tiefland«, dessen Dreharbeiten zwischen 1940 und 1944 stattfanden. Für diese
wurden 68 Sinti und Roma wegen ihres südländischen
Aussehens aus dem Konzentrationslager zur Arbeit als
Komparsen verpflichtet und anschließend wieder ins
Lager zurückgebracht.
menten der Ruhe und der Stille, nimmt Galván im Flamenco eine Vorreiterrolle ein. Unterrichtet von Vater
José Galván und Mutter Eugenia de los Reyes, wurde
er sozusagen in den Flamenco-Tanz hineingeboren.
1994 wurde er Mitglied der Compañía Andaluza de
Danza unter Mario Maya und erhielt während des
folgenden Jahrzehnts fast jeden wichtigen Flamencopreis, u.a. den Giradillo-Preis bei der FlamencoBiennale Sevilla, den Hoy-Flamenco-Kritikerpreis als
bester Tänzer des Jahres 2001 und 2005, den Spanischen Nationalpreis für Tanz und 2008 den Premio
Ciutat de Barcelona.
Seit der Gründung seiner Company und der ersten
eigenen Produktion im Jahr 1998, wächst sein Ruf als
waghalsiger und riskofreudiger Künstler mit jeder
neuen Arbeit.
Weitere Infos: http://www.seedance.org
Den unauflösbaren Widerspruch, hier die Faszination der Nationalsozialisten für »Zigeunerromantik«
und den Flamenco, dort die gnadenlose rassische
Verfolgung und Ermordung durch dieselben Nationalsozialisten, verdeutlicht Galván mit dem Mittel der
Montage. Gleichzeitig bricht er mit dem Klischee des
Flamenco, befreit ihn aus diesem Gefängnis, ohne ihn
dafür zu verdammen.
Israel Galvan
Man beschrieb ihn als „revolutionär“, „Avantgarde“
und einfach „ein Genie.“ Bekannt für seine komplexe
‚Schnellfeuer‘ – Beinarbeit, unterbrochen von Mo-
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nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V.
Kultur-Highlight am
22. August:
Großes Konzert der
Roma und
Sinti Philharmoniker
in Brauweiler
oft bis zu über 100 Musiker, die verstreut in großen
Orchestern spielen, immer wieder zusammen und
führen unter der Leitung Sahitis klassische Werke
großer Komponisten auf. Es sind vor allem Werke, die
durch die Musiktraditionen der Roma und Sinti inspiriert wurden.
Programm : Classic Nights I
Kálmán Csèki
Falling Dance
Béla Bartók
Rumänische Volkstänze
für Streicher
Leo Weiner
Divertimento 1 und 5
Rodion Schtschedrin
Carmen-Suite nach Georges Bizet
für Streichorchester und 5 Schlagzeuger
Datum: Zeit:
Ort:
Freitag, 22. August 2014
20.00 Uhr
Marienhof der Abtei Brauweiler
Riccardo Sahiti, Roma Musiker und Dirigent, floh 1999
vor den Mordbanden der UCK nach Deutschland.
Diese hatten unter ihrem damaligen Anführer Hashim
Tahciheute Ministerpräsident des Kosovo) ein „ethnisch reines“ Kosovo schaffen wollen.
Eintritt: I. Rang 40 Euro/II. Rang 30 Euro
zzgl. System- und Vorverkaufsgebühren
Karten ausschließlich erhältlich über KölnTicket und
den angeschlossenen Vorverkaufsstellen, Tel. (02 21)
28 01 und unter www.koelnticket.de
In Frankfurt gründete er den Philharmonischen
Verein der Sinti und Roma. Aus ganz Europa kommen
Weitere Infos:
http://www.abtei-brauweiler.de
Roma und Sinti Philarmoniker
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