Slow Food Deutschland

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Slow Food Deutschland
Unterwegs |
Feinste Weine und
Township-Food
Im letzten Herbst erkundete Slow Food Frankfurt Küche,
Wein und Kultur der südafrikanischen Kap-Region. Ein
Bericht von Convivienleiterin Bettina K. Buggle.
In Südafrika die Weine und das dortige Slow Food Leben zu erkunden, das war irgendwann mal eine Idee im Convivium. Ernst wurde es, als die reiselustigen Frankfurter eine erste E-Mail an das
Convivium Kapstadt schickten und schnell eine begeisterte Antwort kam. Stephen Flesch, der dortige Convivienleiter stellte –
zusammen mit unserem Mitglied Eberhard Volk, einem Südafrika-Kenner – ein schönes Besuchsprogramm in Kapstadt und
der Weinregion zusammen und war auch bereit, uns als Reiseleiter und Busfahrer acht Tage lang zu begleiten. Da er neben
Slow Food auch Inhaber der „Gourmet Wine Tours“ ist, hätten
wir keinen besseren finden können. Eine fröhliche Reisegruppe von 12 Personen aus dem Frankfurter Convivium, ergänzt mit
einigen Freunden aus Köln, fand sich schnell zusammen, und
dann trafen wir uns im Oktober 2012 im afrikanischen Frühling
in Stellenbosch.
Es begann gleich zünftig: mit einem traditionellen Boerebraai
auf dem Weingut Middelvlei, wunderschön zwischen felsigen Bergen, grünen Matten, Weinfeldern und einem kleinen See gelegen.
Boerebraai ist das kapholländische Lieblingsessen, ein deftiges
Grillvergnügen mit Lammfleisch, Kartoffeln, kräftigen Schweinewürsten, Maisklößchen, Sandwichs (gegen unsere Erwartung hervorragend!), Gemüse, Kaffee – alles, auch der Kaffee, auf einem
großen Holzgrill im Garten zubereitet. Dazu die klassischen südafrikanischen Weine Shiraz, Pinotage, Chardonnay, die wir zwar
später auf der Reise noch in verfeinerter Qualität zu kosten bekamen, aber am ersten Abend waren diese kräftigen Gutsweine,
vorgestellt vom Winzer persönlich, genau das Richtige für uns.
Für den nächsten Morgen war eine Besichtigung der größten Weinkellerei der Region vereinbart: die KWV, ehemals eine Genossenschaft, heute in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, ohne eigene Weinberge, dafür mit den größten, noch wirklich benutzten
Holzfässern der Welt. Das Konzept der Kellerei ist interessant: Die
Aktionäre – ehemalige Genossen – besitzen und bearbeiten die
Weinberge. Aber die KWV kontrolliert durch eigene Inspektoren
bereits auf dem Weinberg das Traubengut, und nimmt nur an, was
ihren eigenen Qualitätsanforderungen entspricht. Auch einfacher
Massenwein wird dort produziert, aber sie sind stolz auf einen
differenzierten Ausbau, der jeweiligen Weinlage angepasst.
Nach der umfangreichen
Weinprobe am Morgen war
die Mittagstafel im
„Fairview Wine and
Cheese Estate“ mit
einer fantastischen
Käse­auswahl genau
das Richtige für uns.
Dazu schmeckten
der kräftige Stellenbosch Cabernet
Sauvignon und ein
dunkler Pinotage. Der Star des Hofes war ein wunderschöner
riesiger, weißer Ziegenbock, der uns in voller Pracht am Eingang
begrüßte.
Höhepunkt des nächsten Tages war ein Besuch im „Babylonstoren“, ein Jahrhunderte alter, ehemals fast aufgegebener Bauernhof, der vor ca. 15 Jahren von einer ehrgeizigen Truppe junger
Gärtner, Bauern und Köche wieder in Gang gebracht wurde. Heute
ist es eine Mischung zwischen Blumenpark, Gemüsehof, Obstplantage, Hühnerzucht, Weinberg und Samenzucht-Anlage mit Restaurant und Hotel. Alles streng ökologisch auf Nachhaltigkeit und Regionalität angelegt. Und so wunderschön! Blumen und blühende
Obstbäume, dazwischen Artischocken, Bohnen, Erbsen, Gurken,
scharrende Hühner und ein Glashaus mit den seltenen Pflanzen
der Kap-Region! Im Laden hätten wir leckere Marmeladen, Senffrüchte, Pestos, Nudeln und andere wunderbare Dinge erstehen
können, wenn es da nicht das Transport­problem gegeben hätte.
Fotos © Bettina K. Buggle
Slow Food Deutschland
Alle im Grünen Die Reisegruppe mit Garten-Führerin (2. von rechts) im
Kirstenbosch Botanical Garden, Kapstadt.
Slow Food
02_2013
Slow Food Deutschland
Fotos © Bettina K. Buggle
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Unterwegs | Fortsetzung
Am Abend stand dann Musik und Tanz im Mittelpunkt. Wir waren Gäste im „AmaZink Live Theatre“ in einem Vorort (Township)
von Stellenbosch. Eine Kooperative, gegründet mit der Absicht,
begabten Jugendlichen des Townships eine Ausbildung und Arbeitsplätze zu bieten. Wer dort als Sänger, Tänzer und gleichzeitig
als Kellner Erfolg hat, wird es auch anderswo schaffen. Die Truppe
brachte eine ungeheure Energie auf die Bühne, ihre Lead-Sängerin mit einer gewaltigen Stimme erinnerte an Tina Turner.
Für einen großen Ausflug entlang der Hermanus Bay holte
Stephen uns am nächsten Morgen früh ab. Wir besuchten die
südafrikanischen Pinguine in Betty's Bay, sahen Wale und fuhren
immer noch weiter, bis wir endlich vor „Mariana's“ hielten, einem
kleinen Haus im unspektakulären Stanford – einem Restaurant,
von dem Slowfoodies träumen. Das Gemüse wächst hinten im
Garten, der Nachbar liefert Rinder und Geflügel, aus dem nahen
Ozean kommen Fische und Meeresfrüchte, und die wunderbare
Köchin Mariana zaubert daraus frische, traditionelle Hausmannskost, die ihr Mann mit Witz und Wissen serviert. Sorgfältig ausgesuchte Weine gehören dazu. Für viele von uns war es das schönste Essen der ganzen Reise. Zart gebratene Entenbrust mit weißen
Bohnen, geschmorte Lammhaxe mit kleinen Artischocken, karamellisierte Rote Bete mit Geflügelcurry und Suppe aus Waterblommetjies, einheimisches Wassergemüse – das überzeugte
uns jedoch nicht so richtig. Zwischen den Gängen konnten wir im
Garten herumspazieren und die üppigen Gemüsebeete besichtigen. Weiter ging es am Nachmittag mit einer grandiosen Weinprobe bei Bouchard Finlayson, abends dann ein 6-Gang-GourmetMenü in einem der bekanntesten Restaurants der Kap-Region,
dem „Jordan Restaurant“.
Der nächste Tag brachte uns zurück auf die Erde. Wir fuhren
in die Township Langa, eine der vielen, unendlichen Hütten- und
Häusersiedlungen rund um das Kap, wo die Schwarzen wohnen.
Südafrika-Kontraste I Ein typisches kapholländisches Gebäude mit den
schönen Giebelverzierungen (links), die Tanz- und Gesangstruppe im
„AmaZink Live Theatre“, Stellenbosch, Vorort Khayamandi (oben),
Häuser im Township Langa (unten).
Wir waren sehr gespannt, denn bisher hatten wir praktisch nur
mit Weißen Kontakt gehabt. Schwarze trifft man als Tourist so gut
wie gar nicht. Das Zentrum von Langa bildet das Community Center, eine Kooperative mit einem Restaurant und Kochschule. Der
Leiter und die Chefköchin sind stolz auf ihre Einrichtung, denn sie
bilden zum einen für gute Jobs in der Gastronomie aus, und bieten zum andern einen geschützten Treffpunkt für Jugendliche und
Familien. Sugar, eine resolute junge Schwarze führte uns durch
den Ort, zeigte uns das Kunsthandwerkszentrum und brachte uns
auch in ein Haus mit vier Zimmern, in dem acht Familien wohnen!
Wir fühlten uns als neugierige Eindringlinge, aber Sugar versicherte uns, hier wolle man, dass solche Lebensverhältnisse bekannt werden und Touristen nicht nur die glanzvollen Seiten des
weißen Südafrikas sehen.
Nun sollten wir richtiges Township-Food erleben, selber gekocht unter der Leitung von Victor, dem Chef, und bekamen die
Zutaten präsentiert, Mehl, Mais, Palmöl, Kohl und Karotten, aber
auch Knorr Aromat und Gravy Powder. Unseren Slow Food An-
Fotos © Bettina K. Buggle
Südafrika-Kontraste II Design bis auf den Teller: Innovative Küche in der
„Test Kitchen“ von Luke Dale Roberts (oben), die Basis-Lebensmittel im
Township (unten).
Adressen der Südafrika-Reise
(Vorwahl Südafrika: 0027)
Reiseleitung
Gourmet Wine Tours of South Africa Stephen Flesch, E-Mail: [email protected]
P.O.Box 31353, Grassy Park, 7888, Tel 021. 705 43 14, www.gournetwinetours.co.za
ÜBERNACHTEN
Fynbos Villa, Victorian Guesthouse 14 Neethling Street, Stellenbosch, 7600,
Tel 021. 883 86 70, www.fynbosguesthouse.co.za
Restaurants und Weingüter
(fast alle Weingüter haben auch ein Restaurant dabei)
Middelvlei Wine Estate Jeanneret Momberg, P.O.Box 66, Stellenbosch 7599,
Tel 021. 883 25 65, www.middelvlei.co.zu
KWV Wine Emporium Kohler Street, Southern Paarl 7646, Tel 021. 807 300-7/8,
www.kwv.co.za
Fairview Wine and Cheese Estate The Goatshed Restaurant, Suid-Agter Paarl
Road, Suider-Paarl 7646, Tel 021. 863 36 09, www.fairview.co.za
Wein und Sektkellerei Haute Cabriere Pass Road, Franschhoek, Cape Town,
P.O Box 245, Franschhoek 7690, Tel 021. 876 85 00, www.cabriere.co.za
The Umami Restaurant Black Horse Centre, Corner of Dorp and Mark Road,
Stellenbosch 7600, Tel 021. 887 52 04, www.umami.co.za
spruch haben wir für dieses Mal einhellig vergessen. Wir haben
geschnippelt und gerührt, hatten unseren Spaß mit Victor und
seiner Köchin, und zum Schluss schmeckte es nicht schlecht. Es
war ein kurzer Blick in eine andere Welt, und wir waren dankbar
für diesen Ausflug, der unseren Horizont mehr erweiterte als alle
Weinverkostungen zusammen.
Immer und überall wird in Kapstadt auf Nelson Mandela aufmerksam gemacht, diese große Persönlichkeit hat viel für das
heutige Südafrika erreicht und wird von allen, weiß oder schwarz,
arm oder reich, verehrt. Die Zukunft des Landes sehen die meis­
ten jedoch pessimistisch und Korruption als eines der schlimmsten Übel Südafrikas und als größtes Hindernis für eine gute Entwicklung. Ähnliches hörten wir auch beim Treffen mit Mitgliedern
des Conviviums Kapstadt. Allesamt sehr sympathische, interessierte Menschen, alle weiß, alle nicht mehr ganz jung. Ihr größtes Problem: jüngere Menschen für Slow Food zu begeistern. Sie
verstehen Slow Food hier viel stärker als wir in Deutschland als
einen „Genuss-Verein“, mit dem Ziel gut, sauber und fair zu essen und zu trinken. Soziale Verantwortung wird trotzdem durch
finanzielle Unterstützung einer Schulkantine in einem Township
übernommen. Für den nächsten Tag bekamen wir eine Einladung,
an einer Conviviumsveranstaltung zum Thema Ayurveda-Küche
teilzunehmen.
Und noch viel mehr haben wir auf unserer Reise erlebt. Einige
verlängerten sie und erkundeten noch auf eigene Faust das Wes­
tern Cape und die Halbwüste Kleine Karoo. Auch dafür erhielten
wir von Stephen wunderbare Slow Food Empfehlungen. Zurück in
Deutschland freuen wir uns darüber, dass die verkosteten Weine
auch hier zu vernünftigen Preisen zu haben sind und trinken sie
nun gerne. Allen Ansprüchen an Regionalität zum Trotz!
Vergelegen Wine Estate Lourensford Road, Somerset West, South Africa,
Tel 021. 847 13 34, www.winetastingvergelegen.co.za
Fyndraai Restaurant and Museum Solms-Delta, Winery, Delta Road, Off the R45,
Groot Drakenstein, Franschhoek Valley, Tel 021. 874 39 37 ext 115,
[email protected]
Mariana's Restaurant 12 du Toit street, Stanford, Tel 028. 341 02 72,
[email protected]
Bouchard Finlayson Winery In the valley Hemel-en-Aarde (Heaven and Earth),
P.O. Box 303, HERMANUS 7200, Tel 028. 312 35 15, www.bouchardfinlayson.co.za
Jordan Restaurant with George Jardine Stellenbosch Kloof Road, Stellenbosch,
Tel 021. 881 36 12, www.jordanwines.com
Eziko's Restaurant Corner of Washington Street and Jungle Walk, P.O. Box 86,
Langa 7455, Tel 021 694 04 34, [email protected]
Restaurant Quay 4 Upstairs V&A Waterfront, 4 West Quay Road, Cape Town 8001,
Tel 021. 419 20 08, www.quay4.co.za
The Test Kitchen Shop 104 A, The Old Biscuit Mill, 375 Albert Road, Woodstock,
Cape Town, Tel 021. 447 23 37, www.thetestkitchen.co.za
Afternoon Tea at Mount Nelson Hotel Mount Nelson Hotel, 76 Orange Street,
Cape Town, 8001, Tel 021. 483 10 00, www.mountnelson.co.za
Reubens Restaurant im One and Only Hotel Dock Road, Victoria & Alfred Waterfront, Cape Town, Tel 021. 431 51 11
Steenberg Bistro Sixteen 82 P.O. Box 224, Steenberg, 7947, South Africa,
Tel 021. 713 22 11, www.steenberg-vineyards.co.za
Klein Constantia Estate Klein Constantia Road, Cape Town 7848,
Tel 021. 794 51 88, www.kleinconstantia.com
Sehenswert
Kayamandi AmaZink Live Theatre and Dinner Stellenbosch, Tel 072. 993 91 73,
[email protected].
Kirstenbosch National Botanical Gardens Wynberg NU (2), Cape Town 7800
Old Biscuit Mill's Saturday Market Albert Rd, The Old Biscuit Mill, Woodstock,
Cape Town, Geöffnet: Sa 9 – 14Uhr
Robben Island Museum Robben Island, Cape Town 7400, Tel 021. 409 51 00,
www.robben-island.org.za
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