Archiv 01.2009 – 10.2011

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Archiv 01.2009 – 10.2011
Das Fotobuch vom Oktober 2011: Anja Niedringhaus– At War
Ohne dass auch nur auf einem einzigen Bild wirklich geschossen wird, erhalten wir hier die volle
Ladung Krieg vorgesetzt. Egal ob im Irak, Afghanistan, Libyen oder Israel – ein schlimmer Anblick,
bleibt ein schlimmer Anblick. Auch wird einem in diesem Buch vor Augen geführt, dass die
„Scheisse“ auch heute und jetzt am dampfen ist. Dies zeigen die unzähligen Bilder aus diesem
Jahr. Es wird verhört, verletzt, vergraben aber eben auch gelacht, gespielt und gefeiert. Manchmal
fast zu schön, zu ästhetisch aber allemal beindruckend dieser Band. Gaddafi ist zwar weg, die
Bilder jedoch bleiben. Und irgendwo geht die ganze Sache wieder von vorne los. Und das wohl bis
in alle Ewigkeit.
Das Fotobuch vom September 2011: Giovanni Castell – Boxen und Blumen
„Boxen und Blumen“ dieser Titel klingt wie Bratensauce mit Löffelbiskuits. Das Buch zeigt dann
aber, dass diese beiden Elemente doch sehr gut zusammen passen, sofern man die Fähigkeit hat,
die Stimmungen so umzusetzen wie Giovanni Castell. Mixed Martial Arts-Kämpfer in so schmuckem
Licht fotografiert, dass man meinen könnte es seien Gemälde. Dramatisch, kraftvolle, mystische
Aufnahmen, die dann überraschend herrlich mit dem Grünzeugs im hinteren Teil des Buches
korrespondieren. Wer Kontraste mag, aber den Roten faden nicht missen möchte, ist hier bestens
bedient.
Das Fotobuch vom August 2011: The New York Times Magazine - Die Photographien 1978-2011
Jeweils am Montag versuche ich irgendwo den "Tagi" zu ergattern. Nicht um mir die hiesigen News
erneut zu Gemüte zu führen, nein, vielmehr wegen der «New York Times International Weekly»Beilage. Ich erfreue mich dann jeweils der interessanten Berichterstattung und den feinen Bildern.
Daher hatte ich diesen Monat auch keine Mühe mich für ein Buch zu entscheiden, zumal es auch
noch ein Sammelband meines ganzen Lebens ist. Es ist schön zu sehen, dass es bei der "NYT"
kein Bildkonzept gibt. Die Aufnahmen müssen einfach faszinieren und von hoher Qualität sein, den
Rest scheint niemanden zu interessieren. Wie soll es auch, wenn sich so namhafte Meister wie
Gregory Crewdson, Nan Goldin, Annie Leibovitz oder David La Chapelle hinter die Kamera
begeben.
Das Fotobuch vom Juli 2011: Jim Rakete – Stand der Dinge
Das bewegte Bild fasziniert den Fotografen oft gleichermassen wie ein gutes Foto. Daher liegen die
beiden Bereiche auch so nahe beieinander. Jim Rakete, dessen Name nicht Künstler-, sondern
sein richtiger Familienname ist, portraitierte Persönlichkeiten des deutschen Films, zusammen mit
Requisiten aus deren bekanntesten Streifen. Zu sehen gibt es dann ein "Who is Who" der
deutschen Filmszene. Schade ist eigentlich nur, dass Moritz Bleibtreu eine 9mm Beretta aus
"Knockin' on Heaven's Door", anstatt des Joints aus "Lammbock" in den Händen hält.
Das Fotobuch vom Juni 2011: Platon – Power
Erneut ein Werk, welches durch seine Nähe besticht. Platon, Gewinner des World Press Photo
Award und Fotograf beim Magazin New Yorker, fotografierte 150 politische Schwergewichte der
Gegenwart. Faszinierend und zugleich auch das Ziel dieses Projektes ist, dass alle Portraitierten in
den Bildern ihre Macht ablegen und zu „normalen“ Menschen werden. Interessant ist auch zu
wissen, dass wohl einige dieser Machtmenschen bald von der Bildfläche verschwinden werden,
ins Exil flüchten oder gar der Prozess gemacht wird. Dies ob Berlusconi, Mugabe oder
Gaddafi.
Zitat Platon:
“You put all the pictures together and, I think, it will give us a sense of what it was like to live in these
times.“
Ende.
Das Fotobuch vom Mai 2011: A Useful Dream - African Photography 1960-2010
Neulich an einer Diplomfeier traf ich einer meiner Dozenten wieder. Wie eine Kettenreaktion schoss
mir auch gleich ein Satz desjenigen durch den Kopf: „Man muss Afrika nicht helfen, sondern sie an
der Welt teilhaben lassen“ Genau dieser Satz kam mir wieder in den Sinn, als ich dieses Buchcover
betrachtete. Starke Bilder von Fine Art bis Reportagen, zeitlos wie ein USM-Möbelbausytem und
das Ganze aus einem Kontinent, den wir in letzter Zeit mehr durch die scheusslichen Taten von
Despoten, als durch die Fotografie kennen gelernt haben. Und ja, René Burri ist zweifelsohne ein
Könner. Ich bin aber froh, dass es auf der Welt, gar dort wo man sie kaum erwartet hätte, noch
weitere Burris stecken.
Das Fotobuch vom April 2011: Portraitalbum 02 – Contemporary Portrait Photography
Ich hasse Wohnwände aber irgendwann werde ich wohl eine kaufen. Dann kann ich, wie mein
Grosi den Brockhaus, sämtliche Bücher der Album-Serie (Reportagealbum 01 siehe weiter unten)
von Seltmann und Söhne darin präsentieren. Das Portraitalbum 02 zeigt erneut einen herrlichen
Querschnitt zeitgemässer Portraitfotografie. Ein Buch wie ein Zehngänger, von allem etwas, von
nichts zu viel. Und genau das ist der Vorteil eines Buches auf dessen Front „THE WORKBOOK FOR
ART BUYERS & CREATIVES“ steht. Man kann davon ausgehen, dass die Langeweile keine
Chance hat. Natürlich, inszeniert, hart, frech, bearbeitet, analog. So ist es, so muss es sein.
Das Fotobuch vom März 2011: Pieter Hugo – Permanent Error
Permanent Error, ein Buchtitel der zur jetzigen schwierigen Weltlage passt. Für das Nukleardisaster
in Fukushima können wir zwar direkt nichts dafür, was in diesem Buch gezeigt wird ist aber
grösstenteils aus unserer Küche. Und das Rezept geht wie folgt: Elektroschrott gelangt, auch illegal,
per Schiff nach Ghana. Dort werden die Geräte ausgeschlachtet und, um an das wertvolle Metall
zu gelangen, abgefackelt. Dabei entsteht giftiger Rauch, der Boden wird schwermetallverseucht
und vom Grundwasser sprechen wir schon gar nicht.
Die Bilder sprechen eine Sprache für sich. Ernste Gesichter, überall qualmt es und es sieht aus wie
auf einem Schlachtfeld. Mittendrin, wie verloren, ein paar Kühe am wiederkauen. Schön gesehen,
technisch sauber umgesetzt.
Wenigstens ist das Buch, gemäss deklaration, auf einem „FSC-Mix aus vorbildlich bewirtschafteten
Wäldern, kontrollierten Herkünften und Recyclingholz oder-fasern“ gedruckt. Komischer Satz, ist
aber wie Balsam für mein Gewissen.
Das Fotobuch vom Februar 2011: Tim Hetherington – Infidel
Ehrlich gesagt, ich habe ja noch immer ein Trauma von meinen, fürs Vaterland geleisteten 123
Diensttagen. Wenn ich aber in dieses Buch blicke, kommen mir meine Erlebnisse bei den „Swiss
Armed Forces“ wie ein mehrbesseres Klassenlager vor. Tim Hetherington, embedded in einem
gottverlassenen Tal in Afghanistan, zeigt uns ungewöhnliche, spannende Bilder von US-Soldaten
im täglichen Irrsinn des Krieges. Die beeindruckende Nähe am Geschehen lässt dem Betrachter
das Gefühl hochkommen, man könnte selbst mit einer geladenen M16 an diesem Ort stehen, wäre
man im falschen Land geboren worden. God bless America.
Das Fotobuch vom Januar 2011: Sophie Howarth and Stephen McLaren - Street Photography Now
Für mich die unbestrittene Königsdisziplin der Fotografie. Reduced to the max, zur richtigen Zeit am
richtigen Ort, das Auge für den Moment und Klick. Streetphotography in seiner reinsten Weise.
Schön illustriert, mit Interviews von einigen der Künstler, die so klangvolle Namen wie Martin Parr,
Bruce Gilden oder Alex Webb tragen. Bilder von Tragik bis Humor, die das echte Leben besser
darstellen als viele Dokumentarfilme es versuchen. Die Qualität liegt im Inhalt und nicht in der
technischen Präzision. Gut so!
Das Fotobuch vom Dezember 2010: Lomography - Holga Starter Kit
Zum Jahresende präsentiere ich hier einen dicken Wurf. Das Holga Starterkit. Wer sich jetzt fragt,
ob ich nun auch Rezensionen über Kameras schreibe, der sei beruhigt, ein Buch ist im
Lieferumfang ebenfalls enthalten. Doch zuerst zur Kamera: Hier handelt es sich um einen Apparat,
der bei jedem Fotografen mit Affinität zur Qualität reines schaudern auslöst. Fieses Plastik,
Lichtdurchlässig, Billig aber Geil. Ein Mittelformat Boby, der mit ein wenig Bastelarbeit auch
Kleinbildfilme schluckt. Diese können dann bis zum Rand belichtet werden, was mit einer normalen
35mm Kamera nicht möglich ist. Vignettierung, Unschärfe, Mehrfachbelichtungen alles inklusive.
Und neu auch mit einem integrierten Blitz, welcher in verschiedene Farben feuert. Und nun zum
Buch: „The world through a plastic lens“ ist ein Ansporn, diese Maschine gleich in Betrieb zu
nehmen. Tolle Beispielbilder in herrlichsten Farben, Bastelanleitungen für andere Filmformate, alles
fernab von präziser Fotografie. Und genau da liegt der Reiz am Ganzen; Man weiss nie wie es am
Schluss aussieht.
I love it!
Das Fotobuch vom November 2010: Scanderberg/Sauer – Decommissioned
Personen mit Flugangst sollten hier nicht weiterlesen, für alle anderen, „fasten your seatbelt“.
Scanderberg/Sauer haben den Mojave Air and Space Port besucht und dort ausrangierte
Flugzeuge, welche grösstenteils nur noch als „Organspender“ dahinfristen, fotografiert. Entstanden
sind Einblicke in die Innereien der Aviatik. Es ist herrlich zu sehen wie schön man eigentlich Schrott
festhalten kann. Präzise Arbeit, interessantes Thema. Ich hoffe nur, dass mein Vertrauen in die
Technik durch dieses Buch nicht verloren gegangen ist.
Das Fotobuch vom September und Oktober 2010: Phaidon – Decade
“Ou weisch no?!” sagten wir uns beim Betrachten dieses Buches immer wieder. Die letzten 10
Jahre in Wort und Bild zusammengefasst mit Hintergrundinformatioen zu den Ereignissen. Ein Akt
zwischen Horror und Hoffnung, Tragik und Happy End. Erschreckend und schön zugleich und
allemal besser als jedes Geschichtsbuch. Ich nehme es wieder zur Hand, schaue es durch, lese
und muss mit Schrecken feststellen, dass die Zeit nur so rast.
Das Fotobuch vom August 2010: Blickfang – Deutschlands beste Fotografen 2010
Zugegeben, ich wollte nicht schon wieder einen Sammelband vorstellen, doch der Titel des
Buches erachtete ich aber als doch etwas gar dick aufgetragen. Beweise bitte! Ich nahm also
diesen tonnenschweren Block, ackerte mich durch die 700 Seiten und setze mich mal mit den
besten deutschen auseinander. Eigentlich eine recht einseitige Angelegenheit. Ich bemerkte nur
Models und unbezahlbare Fortbewegungsmittel. Fast, denn ausserdem sah ich darin eine neue
Inspirationsquelle in Sachen Lichtführung. "Gutes Buch", ging mir durch den Kopf. Ich bezahlte und
ging.
Das Fotobuch vom Juli 2010: Thomas Hoeffgen - African Arenas
Denkt man im Jahr 2010 an Fussball in Afrika, so kommt den meisten wohl automatisch die
Weltmeisterschaft in den Sinn. Doch wie auch hierzulande nicht alle Fussballer in der höchsten
Liga spielen, gibt es in Afrika fernab vom Vuvuzela-Getröte eine Welt, in der mit viel bescheideneren
Mitteln das Spiel ums runde Leder zelebriert wird. Frisch und abseits vom Merchandising-Wahn
zeigt uns der Fotograf Thomas Hoeffgen Spielstätten, auf denen man viel eher eine UNHubschrauber beim Landen, als ein Fussballspiel erwartet. Auch in diesem Werk; Portraits,
Landschaften, Architektur. 2 x 45 Minuten, los geht’s.
Das Fotobuch vom Juni 2010: Lürzer’s Archive Special – 200 best Ad Photographers Worldwide
Lürzer hat erneut die ihres Erachtens 200 weltweit besten Werbefotografen in einem Band
zusammengebracht. Ehrlich gesagt, 75% ist „Chabis“, welcher wohl nur Photoshop-Nerds
ansprechen wird. Der Rest ist schlichtweg genial und zeigt an zahlreichen Beispielen, auf welch
hohen Nivea gute Werbung, fotografisch gesehen, sein könnte. Die Landschaftsbilder würden
sich in einer 6 ½-Zimmer-Loft ebneso gut machen, wie die Portraits, welche sich fast alle auf
Augenhöhe mit den Werken von Martin Schoeller bewegen. Feine Bearbeitung, sexy Lichtspiele.
Ausser bei den Stills, diese blättere ich aber fast unbeachtet durch.
Das Fotobuch vom Mai 2010: Reportagealbum 01 - Contemporary German & International
Documentary Photography
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein “Kafirahmdeckelialbum”, entpuppt sich beim genauen
Betrachten als Referenzprodukt zeitgemässer Reportagefotografie. In diesem Sammelwerk zeigen
100 Fotografen ihr Können und legen auch dar, dass die Grenzen zwischen Werbe- und
Reportagefotografie auch schon klarer waren. Und gerade das macht es spannend. Wer bei
Reportagefotografie an harte, schwere Bilder denkt, der werde eines Besseren belehrt, zugleich
aber auch bestätigt. Vieles ist neu, das Gute bleibt gut.
Das Fotobuch vom April 2010: Giorgia Fiorio – Rituale
Diesmal schlage ich zwei Fliegen auf einen Streich. Dieses Fotobuch liefert Stoff fürs Auge und fürs
Hirn. Wer sich für Religiöse Rituale interessiert und nicht nur gerne Bilder anschaut, sondern auch
das Dargestellte verstehen will, der ist mit diesem Werk bestens bedient. Von Vodoo bis Judentum,
Taoismus bis Katholizismus, alles dabei und im Anhang mit interessanten Texten versehen.
Spannende Eindrücke, manchmal brutal, manchmal nur einfach schön aber sicher immer fremd.
Das Fotobuch vom März 2010: Dan Winters- Periodical Photographs
Nur um das ideale Buch für diesen März-Newsletter zu finden, brauchte ich über eine Stunde.
Heute schien es mir, als müssten tausende Bäume sterben, damit sich einige geistig verwirrte
Künstler befriedigen können. Himmeltraurig! Genug dem Frust, ich habe dann doch noch ein Werk
gefunden, für welches ich die Bäume eigenhändig gefällt hätte. Dan Winters zeigt uns hier einen
Querschnitt durch sein Schaffen. Viele Portraits,einige technische Detailansichten sowie
Landschaften, Tiere und Architektur. Wenn ich dann genug gesehen habe, stelle ich es ins Regal.
Irgendwo zwischen Richard Avedon und Martin Schoeller, wo es auch hingehört. Auf Wiedersehen!
Das Fotobuch vom Februar 2010: Martin Parr - Last Resort
In jede Fotobuchsammlung gehört mindestens ein Werk von Martin Parr. Soviel vorweg. Die
Neuauflage von Last Resort wäre, wenn nur eines des Künstlers in Frage kommt, genau das
Richtige. Das Buch “liest” sich wie ein Horrorfilm über einen Badeort, an den wir uns freiwillig wohl
nie näher als zehn Kilometer nähern würden. Dagegen ist der “Strämu” in Thun gerade ein Luxus
Resort. Bleiche, rothaarige Briten pressen Ketchup über die Burger, Kinderwagen stehen neben
Müllbergen, überfüllte Strände, einarmige Banditen, es “tschudderet” und fasziniert mich zugleich.
Das Fotobuch vom Januar 2010: Mark Laita – Created Equal
Neulich machte mir der amerikanische Fotograf Mark Laita in der Buchhandlung Krauthammer /
Orell Füssli ein leichtes Spiel. Ich kam, sah, nahm und bezahlte. Seither füllt ein bezauberndes Werk
die hässliche Lücke in meinem Büchergestell. Mit Created Equal ist dem Künstler ein Buch
gelungen, das alleine schon von den einzelnen Aufnahmen leben könnte. Durch die
Gegenüberstellung von Portraits die nicht gegensätzlicher sein könnten, jedoch verbindende
Elemente aufweisen, setzt er doch noch glatt eins obendrauf. Feinste A3 Bilder, guter Druck, so
muss ein Fotobuch sein. Danke.
Das Fotobuch vom Dezember 2009: Taschen - The Polaroid Book
Sind wir doch mal ehrlich; es gibt nichts schöneres als das Geräusch einer alten Sofortbildkamera
und das anschliessende gespannte warten auf das Ergebnis. Taschen hat die Vielfältigkeit der
Polaroid-Fotografie nun zusammengetragen und einen feinen Bildband heraus gebracht. Wer
denkt, es seien in diesem Buch lediglich standard Polas enthalten, der irrt sich. Ob schwarz/weissNegativaufnahmen, Grossbild, Mittelfortmat, alles drin. Schaut man sich zur Zeit um, so wird man
feststellen, dass diese Fotografie eine art digitale low-budget-Renaissance erlebt. iPhone App
inklusive. Zur Abwechslung und als Ergänzung zum Buch, eine kleine Auswahl aus meiner Hand.
Das Fotobuch vom November 2009: Søren Solkær Starbird - Closer
Søren Solkær Starbird, ein Mann mit einem Namen bei dem ich nicht mal weiss wie man diese
Zeichen aus der Tastatur lockt, präsentiert mit Closer Portraits quer durch die weltweite
Musiklandschaft. Er ist ein Meister des Lichtes und der Inszenierung ohne zu verfremden. Dies sieht
man auf der Seite 176 sehr deutlich. Oasis im feinsten Licht frech aufgenommen und dem Herrn
Liam Gallagher könnte man geradewegs eine in die.....so sei es. Wer zu Weihnachten ein
Fotobuch schenken will und noch vor einer Entscheidung steht, dem sei sie hiermit abgenommen.
Amen.
Das Fotobuch vom Oktober 2009: Frank Gaudlitz - Casa Mare
Inszenierte Portraitfotografie mit einer Sensibilität die seinesgleichen sucht. Für Casa Mare reiste der
Fotograf durch das südliche und mittlere Osteuropa und portraitierte die Menschen in ihrer
Festtagskleidung zuhause in deren Wohnzimmern. Beim Betrachten bleibt der Blick zuerst lange
am Ausdruck der Menschen hängen, wandert dann auf den Hintergrund des Bildes und bleibt an
den Heiligenbildern oder den vielen Stickereien, welche in Osteuropa offensichtlich sehr populär
sind, haften. Eines wird klar: die IKEA-Pest hat sich in Osteuropa noch nicht gross verbreitet und
die Teppiche wandern, je weiter man in den Osten geht, umso höher die Wände hinauf.
Das Fotobuch vom September 2009: Magnum - Magnum
Wer kennt ihn nicht? Diesen Wälzer, der eine riesige Schneise in den Geldbeutel reisst und in der
Buchhandlung doch immer wieder in die Hand genommen wird. Soll ich, soll ich nicht? Jetzt
können alle! Denn die Neuauflage von „Magnum Magnum“ ist nun leicht verkleinert erhältlich und
kostet nicht mehr als eine Runde Bier für neun Personen (Niveau Zürich). Was klingt wie eine
gefährliche Faustfeuerwaffe, hat auch diese Durchschlagskraft: Der Magnum-Bildband macht die
im Büchergestell noch vorhandenen Geschichtsbücher arbeitslos. Er lässt zum 60-jährigen
Bestehen der renommiertesten Bildagentur der Welt die Vergangenheit nochmals Revue passieren.
Meisterschüsse von Henri Cartier-Bresson bis René Burri, von Martin Parr bis Robert Capa, ein Must.
Das Fotobuch vom August 2009: Richard Avedon - Portraits of Power
Oft kopiert, nie erreicht. Jeder kennt Avedon, vieles schon gesehen und dennoch immer wieder
eine Wohltat. In diesem Portrait-Buch über Leute die im öffentlichen Diskurs stehen, sind
verschiedene Projekte vom Fotografen wie z.B. die Bürgerrechtsdebatte in den Sechzigern, die
Antikriegsbewegung sowie der Vietnamkrieg enthalten und reichen bis in die Zeit der
amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2004. Nebst den allbekannten Portraits vor weissem
Hintergrund, sind weitere Aufnahmen im Reportagenstil zu sehen. Noch was: Auffällig an diesem
Bildband ist die Krawattendichte.
Das Fotobuch vom Juli 2009: Europäischer Architekturfotografie-Preis 2009 - New Homeland
Ich habe mir geschworen, nie ein Architekturbuch vorzustellen, schon gar keines eines
Wettbewerbs. Doch dann leuchtete mich im Buchladen ein Exemplar an, ein Feuerwerk der
Überraschungen. Das aktuelle Thema war Neue Heimat. Dies war wohl für einige Teilnehmer
geradezu ein Steilpass um sich fotografisch auszutoben. Das Klassement spricht dann auch für
die Innovativität dieses Preises. Der Sieger zeigt uns kunterbunte Lebensräume von Kleintieren, die
in einer farblichen Umgebung leben, dass ein Regenbogen dagegen wie eine Abstufung von
Grautönen wirkt. Weiter geht es mit präparierten Tieren im Museum, Zoolandschaften,
Häusersiedlungen, e.t.c. Auch Neu Oerlikon kommt zum Zug, erscheint aber im Gegensatz zur
Realität geradezu gemütlich. Der Inhalt sprengt alle architekturfotografischen Regeln ausser eine:
Stürzende Linien gilt es zu vermeiden.
Das Fotobuch vom Mai und Juni 2009: Jonas Bendiksen - So leben wir
Nicht schon wieder Bendiksen! Doch! Ich muss diesen jungen Mann nochmals in den Himmel
loben. Mit seinen Aufnahmen aus den Slums dieser Welt erzeugt er eine fast schon wundervoll
feine Stimmung. Klappt man die Seiten auf, entstehen 360° Ansichten, die das Klischee der
Dreckshütten in den Ghettos korrigieren. Bendiksen gelingt ein Brückenschlag zwischen unserer
Wohlstandswelt und jener der Glücklosen, die aber dennoch beschwingt durch seine Bilder
wandern. Dies alles ohne je voyeuristisch zu sein oder wertend zu wirken. Zwischen den Bildern
liest man Geschichten der Bewohner, Geschichten über ihre Ängste und ihre Träume, die das
Werk abrunden. Mein Mund ist offen, meine Augen sind aufgerissen, und mein Kopf ist voll mit
Bildern, die bleiben werden.
Das Fotobuch vom April 2009: Babel
Auch ein Blick über den Tellerrand der Fotografie und wieder zurück erfrischt: Der im TaschenVerlag erschienene Bildband über den Film Babel, zeigt vielfältig die drei Drehorte, die Stimmungen
und die Menschen des Filmes. Dank unterschiedlichen Bildsprachen von vier hochklassigen
Fotografen und Fotografinnen, was auch gut zum Kontext des Filmes passt, entsteht nie
Langeweile. Wer den Film gesehen hat und ihn mochte, kann den enthaltenen Ausführungen noch
weitere Informationen entnehmen, für alle anderen ist es eine Art Kino, reduziert auf das Standbild
und ohne Ton.
Das Fotobuch vom März 2009: Gregory Crewdson - Beneath the roses
Beneath the roses, dieser Buchtitel sagt alles. Der Fotograf Gregory Crewdson schickt uns in
diesem Buch auf eine aufwändig inszenierte Reise unter die Haut des amerikanischen Alltages.
Das Rezept für diese Aufnahmen: Man nehme eine Prise Tristesse, einen Löffel Erotik, eine
Handvoll Hollywood, mische dies mit dramatischem Licht und giesse das Ganze über eine
amerikanische Bilderbuchvorstadt oder bereite es in der freien Natur zu. Falls beides nicht zur
Verfügung steht, reicht auch eine Wohnung aus. Et voilà; das Resultat ist ein atemberaubendes
Buch für Feinschmecker, das auch nach mehrmaligem Betrachten immer wieder begeistert. Bon
appétit.
Das Fotobuch vom Februar 2009: Drive-By Shootings: Photographs by a New York Taxi Driver
Wer bei Drive-By-Shootings an Knarren und Autos denkt, liegt nur zu 50% richtig. David Bradfotd
schmiss seinen gut bezahlten Job, um in New York Taxi zu fahren und machte etwas, das
manchem Polizisten den Donut im Hals stecken liesse: Er fotografiert aus seinem fahrenden Taxi
heraus und dies auf eine Weise, die den Abdruck der Aufnahmen in einem Bildband völlig
rechtfertigt. Drive-By-Shooting zeigt skurrile Ansichten dieser vielseitigen Metropole, so dass jeder
hochglanz NY-Bildband wie eine aufgebrezelte Tussi mit künstlichen Fingernägeln aussieht. Für
New York Fans und schwarz/weiss-Liebhaber ein Muss.
Das Fotobuch vom Januar 2009: Jonas Bendiksen – Satellites
Blättert man in diesem Buch, bekommt man das Gefühl, Tschernobyl habe sich auf alle Staaten
der früheren Sowjetunion ausgewirkt. Der junge Magnum-Fotograf Jonas Bendiksen hat diese
Länder bereist und ist mit eindrücklichen Bildern aus abtrünnigen Regionen und vergessen
Gebieten zurück gekehrt. Mit Bildern von abgestürztem Weltraumschrott und von Menschen, die in
diesen Gegenden leben. So begeistert er Sowjetnostalgiker ebenso wie die Liebhaber satter
Reportagen.