Heft 12 - Umsatzsteuerrecht.de
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Heft 12 20. Juni 2012 S. 461–496 PVSt 6791 Aufsatz Rechtsprechung Ulrike Lange / Nicola Reiling Leasingtypischer Minderwertausgleich – mit oder ohne Umsatzsteuer? 461 Steuerbefreiungen: Heileurythmische Leistungen – Nachweis der erforderlichen Berufsqualifikation – Abschnittsbesteuerung (BFH v. 8. 3. 2012) 474 Praxisforum Umsatzsteuer Gunter Ammann Doppelte Steuerpflicht von Arztumsätzen – Zur Wandlung als steuerfrei behandelter Umsätze in steuerpflichtige für die Nichtanwendung des § 19 Abs. 1 UStG 465 Änderung der Bemessungsgrundlage: Zur Vorsteuerberichtigung beim letzten Abnehmer einer Lieferkette wegen ihm außerhalb der Lieferkette gewährter Herstellerrabatte (BFH v. 15. 2. 2012) mit Anm. Stephan Filtzinger 481 Besteuerungsverfahren: Elektronische Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen – Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steuervollzugs – Verpflichtungsklage auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts – fehlerfreie Ermessensausübung (BFH v. 14. 3. 2012) 487 UR_Anzeigenjob:UR_Anzeigenjob 06.06.12 11:02 Seite 1 Was sagt der Fiskus? Passt. Wer den natürlichen Interessenkonflikt zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen in der Verrechnungspreisproblematik stets in seinem Sinne lösen will, schlägt nach in Kroppens Handbuch: Das Standardwerk zu diesem Thema. Kompetente Kommentierung der nationalen und internationalen Grundsätze unter juristischen wie betriebswirtschaftlichen Aspekten aus Sicht der für den Steuerpflichtigen maßgeblichen Verwaltung. Mit integrierter Erläuterung von FVerlV und den Verwaltungsgrundsätzen zur FVerlV vom 13.10.2010 sowie der offiziellen deutschen Übersetzung der brandaktuellen OECD-Leitlinien 2010. 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EG-Richtlinie Art. 6 Abs. 4, Art. 13 Teil B Buchst. f) EuGH, Urt. v. 14.7.2011 – Rs. C-464/10 – Pierre Henfling, Raphaël Davin und Koenraad Tanghe als Insolvenzverwalter der Tiercé Franco-Belge SA 470 Steuerbefreiungen: Steuerfreiheit heileurythmischer Leistungen – Nachweis der erforderlichen Berufsqualifikation – Abschnittsbesteuerung (UStG 1999/2005 § 4 Nr. 14; 6. EG-Richtlinie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c; SGB V §§ 140a ff.) BFH, Urt. v. 8.3.2012 – V R 30/09 474 Änderung der Bemessungsgrundlage: Zur Vorsteuerberichtigung beim letzten Abnehmer einer Lieferkette wegen ihm außerhalb der Lieferkette gewährter Herstellerrabatte (UStG § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 a.F., § 17 Abs. 1 Satz 4; 6. EG-Richtlinie Art. 20 Abs. 1 Buchst. b) BFH, Urt. v. 15.2.2012 – XI R 24/09 mit Anmerkung Stephan Filtzinger 481 Besteuerungsverfahren: Elektronische Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen – Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steuervollzugs – Verpflichtungsklage auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts – fehlerfreie Ermessensausübung (UStG § 18 Abs. 1; 6. EG-Richtlinie Art. 22 Abs. 4 Buchst. a; MwStSystRL Art. 250 Abs. 2; AO § 34 Abs. 1, § 150 Abs. 8; FGO §§ 101, 102) BFH, Urt. v. 14.3.2012 – XI R 33/09 487 Verwaltungsentscheidungen Ort der sonstigen Leistung: Vereinfachter Nachweis der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers bei Pannenhilfe an Nutzfahrzeugen im Drittlandsgebiet ansässiger Unternehmer (UStG § 3a Abs. 2) OFD Niedersachsen, Vfg. v. 19.1.2012 – S 7117 59 - St 173 494 Steuerbefreiungen: Bewaffnete Sicherheitsbegleitung als Umsatz für die Seeschifffahrt (UStG § 4 Nr. 2, § 8 Abs. 1 Nr. 5) BayLfSt, Vfg. v. 16.4.2012 – S 7155.2.1 - 2/9 St 33 494 Bemessungsgrundlage: Behandlung der Kulturund Tourismusförderabgabe bzw. der Übernachtungssteuer als durchlaufende Posten (UStG § 10 Abs. 1) LFD Thüringen, Vfg. v. 13.12.2011 – S 7200 A - 75 - A 5.14 495 Ausstellung von Rechnungen: Ausstellung mehrerer Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis über dieselbe Leistung (UStG §§ 14c, 15; UStDV § §§ 33–35) OFD Frankfurt a.M., Vfg. v. 28.10.2011 – S 7300A 131 - St 128 495 Aufzeichnungspflichten: Muster des Umsatzsteuerheftes (Vordruckmuster USt 1 G) (UStG § 22 Abs. 5) BMF, Schr. v. 30.4.2012 – IV D 3 - S 7532/08/10005 – DOK 2012/0292789 496 Literatur Zeitschriftenbeiträge 496 UR_Anzeigenjob:UR_Anzeigenjob 06.06.12 11:02 Seite 2 www.otto-schmidt.de Lassen Sie sich nichts anhaften. Das steuerliche Haftungsrecht bleibt Die Korrektur des Haftungsbescheids durch die hohe Zahl von Insolvenzen und und das Erhebungsverfahren runden die die Mandantenberatung im Vorfeld von Darstellung ab. Betriebs- und Vermögensübergang sowie Zahlreiche Übersichten, Checklisten, bei der Gestaltung im Erbfall ein zentrales Praxisbeispiele, Beratungshinweise, ein Thema der Steuerberatung. ABC der Haftungsbegriffe sowie Auszüge Nacke, der seine Erfahrung als Rich- aus Gesetzestexten und Musterformu- ter eines Haftungssenats einbringt, lierungen zu Anhörung, Haftungsbe- spannt den weiten Bogen der Haftungs- scheid und Einspruch erleichtern die tatbestände über die Duldungstatbe- Handhabung in der Praxis. stände hin zu dem Verfahren und den allgemeinen Grundsätzen des Haftungs- NEU rechts. Z. B.: Haftung des Vertreters und „… ist Nacke (…) ein hilfreicher Überblick über die Haftung für Steuerschulden gelungen. 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Der BGH führt mit seiner Entscheidung vom 18.5.2011 seine bisherige Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 11.2.1987 – VIII ZR 27/86, NJW 1987, 1690; BGH, Urt. v. 14.3.2007 – VIII ZR 68/06, UR 2007, 416) fort, wonach Ausgleichszahlungen bei Beendigung eines FahrzeugLeasingvertrags Schadensersatzleistungen darstellen und daher ohne Umsatzsteuer zu berechnen sind. Demgegenüber beurteilt die Finanzverwaltung Zahlungen zum Ausgleich eines Minderwerts, den der Leasinggeber nach regulärem Vertragsablauf wegen einer über normale Verschleißerscheinungen hinaus- gehenden Verschlechterung des zurückgegebenen Leasinggegenstands vom Leasingnehmer beanspruchen kann, als umsatzsteuerbares Entgelt. Bis zur Entscheidung des BFH über die Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts, das sich der Auffassung des BGH angeschlossen hat, bleibt die Rechtslage unklar. Diese Diskrepanz zwischen zivilrechtlicher und umsatzsteuerrechtlicher Beurteilung des Minderwertausgleichs erfordert von den Parteien des Leasingvertrags besondere Vorsichtsmaßnahmen, damit sie keinen Rechtsverlust erleiden. I. Abgrenzung zwischen Leistungsaustausch und Schadensersatz rung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt grundsätzlich ein Leistungsaustausch vor.3 Die Einordnung einer Zahlung als Schadensersatz hat erhebliche Auswirkung auf die Höhe der Umsatzsteuer. Die Frage der Umsatzsteuerpflicht ist in allen Mitgliedstaaten der EU einheitlich zu beantworten. Auf die nationalen Anspruchsgrundlagen kommt es deshalb nicht an.1 Demgegenüber wird Schadensersatz nicht geleistet, weil der Leistende eine Lieferung oder sonstige Leistung erhalten hat, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat. Ist der Leistungsempfänger zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, liegt kein steuerbarer Vorgang vor. Muss umgekehrt der leistende Unternehmer Schadensersatz leisten, mindert dies nicht das Entgelt für seinen Umsatz.4 Die von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens im Inland erbrachte Leistung ist nur steuerbar, wenn ihr eine Gegenleistung, d.h. ein Entgelt gegenübersteht. Ein solcher Leistungsaustausch setzt einen unmittelbaren, nicht aber einen inneren (synallagmatischen) Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt voraus. Ein solcher un^mittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt kann sich aus verschiedenen Rechtsverhältnissen ergeben, wenn diese in unmittelbarem Zusammenhang miteinander stehen.2 Bei Leistungen, zu deren Ausfüh- Ausgangspunkt für die Entscheidungen des BGH zu Ausgleichszahlungen nach Beendigung von Leasingverträgen ist die Rechtsprechung des EuGH5 zur Abgrenzung zwischen Leistungsaustausch i.S.v. Art. 2 * Regierungsdirektorin Ulrike Lange und Oberamtsrätin Nicola Reiling sind im Umsatzsteuerreferat der Oberfinanzdirektion Karlsruhe tätig. Der Beitrag ist nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt ausschließlich die private Meinung der Autorinnen wieder. 1 BFH, Urt. v. 16.1.2003 – V R 72/01, BStBl. II 2003, 620 = UR 2003, 253 m. Anm. Widmann. 2 BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/08, BStBl. II 2010, 879 = UR 2010, 657. 3 BFH, Urt. v. 8.11.2007 – V R 20/05, BStBl. II 2009, 483 = UR 2008, 425; Abschn. 1.1 Abs. 1 UStAE. 4 Abschn. 1.3 Abs. 3 UStAE. 5 EuGH, Urt. v. 16.12.2010 – Rs. C-270/09 – MacDonald Resorts Ltd., UR 2011, 462. II. Rechtsprechung des BGH Lange / Reiling 462 12/2012 Leasingtypischer Minderwertausgleich – mit oder ohne Umsatzsteuer? Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) und Schadensersatz. Nach diesen Grundsätzen kommt der BGH in seiner Entscheidung vom 14.3.20076 zu dem Schluss, dass Schadensersatzleistungen, die der Leasingnehmer nach einer von ihm schuldhaft veranlassten außerordentlichen Kündigung des Leasingvertrags zu erbringen hat, ohne Umsatzsteuer zu berechnen sind, weil ihnen eine steuerbare Leistung nicht gegenübersteht und der Leasinggeber deshalb Umsatzsteuer auf sie nicht zu entrichten hat. Nichts anderes gilt nach seiner Auffassung für den leasingtypischen Ausgleichsanspruch des Leasinggebers, der auf Ausgleich seines noch nicht amortisierten Gesamtaufwands zum Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung, einer nicht durch den Leasingnehmer schuldhaft veranlassten außerordentlichen Kündigung oder einer einvernehmlichen vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrags gerichtet ist. Diese Rechtsprechung führt der BGH in seinem Urteil vom 18.5.20117 fort. Danach ist ein Minderwertausgleich, z.B. wegen eines Unfallschadens, den der Leasinggeber nach regulärem Vertragsablauf wegen einer über normale Verschleißerscheinungen hinausgehenden Verschlechterung der zurückzugebenden Leasingsache vom Leasingnehmer beanspruchen kann, ohne Umsatzsteuer zu berechnen. Auch hier verneint der BGH einen Leistungsaustausch zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und geht von nicht steuerbarem Schadensersatz aus, weil mit der Kündigung die vertraglichen Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien beendet sind und damit kein Raum mehr für einen Leistungsaustausch besteht. Diese Entscheidung steht in Widerspruch zu den Aussagen der Finanzverwaltung8 und ist nicht nur wegen Verneinung eines Leistungsaustauschs, sondern auch wegen einer Verletzung der Vorlageverpflichtung an den EuGH nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie der ausschließlichen Entscheidungskompetenz der Finanzbehörden über die Steuerpflicht auf deutliche Kritik von Stadie9 gestoßen. III. Finanzgerichtliche Rechtsprechung Eine Entscheidung des BFH zur steuerrechtlichen Einordnung des Minderwertausgleichs steht derzeit noch aus. In seiner bisherigen Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Schadensersatz und Entgelt legt der BFH dieselben Grundsätze wie der BGH zugrunde. Zahlungen, die vom Verkäufer eines Einkaufszentrums aufgrund einer Mietgarantie zu leisten waren, hat der BFH13 nicht als Schadensersatz, sondern als Entgeltminderung beurteilt. Da die tatsächlichen erheblich hinter den garantierten Mieteinnahmen zurückblieben, klagte die Erwerberin auf Schadensersatz aus der Mietgarantie. Nach Auffassung des BFH besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Lieferung der Immobilie, da die Höhe der Mieterträge eine direkte und unmittelbare Auswirkung auf ihren Kaufpreis hatte. Dieser wäre von vornherein niedriger festgesetzt worden, wenn die geringeren Mieterträge bei der Kaufpreisermittlung berücksichtigt worden wären. Auch in einem weiteren Verfahren14 stellte sich die Frage nach einer Entgeltminderung. Nachdem beim Bau eines Betriebsgebäudes zahlreiche Baumängel festgestellt wurden, verpflichtete sich der Bauunternehmer in einem Vergleich zu einer Geldzahlung zum Ausgleich dieser Mängel. Auch hier lag nach Auffassung des BFH kein Schadensersatz vor, weil die Zahlung den mängelbedingten Minderwert der Bauleistung ausgleichen sollte. Der BFH nahm vielmehr eine modifizierte Erfüllung der Hauptverbindlichkeit an. Entschädigungszahlungen für Flurschäden bei der Errichtung von Strommasten beurteilte der BFH15 ebenfalls als Entgelt für die einheitliche Leistung „Duldung der Errichtung und des Betriebs einer Überlandleitung“. In der vertraglichen Vereinbarung über die Entschädigungszahlung sah er keine Verständigung über die Höhe des Schadensersatzes, sondern eine Vereinbarung über ein Entgelt. Führt ein wirtschaftliches Vorhaben, zu dessen Verwirklichung vertragliche Vereinbarungen geschlossen werden, zwangsläufig zu Schäden bei einem Vertragspartner und wird hierfür ein am Umfang der Schäden orientierter Ausgleich vereinbart, ist wirtschaftlich von einer Gegenleistung auszugehen. Das Niedersächsische Finanzgericht10 hat entschieden, dass die Zahlung eines leasingtypischen Minderwertausgleichs für Beschädigungen oder übermäßigen Gebrauch des Leasinggegenstands nach Ende der Vertragslaufzeit nicht der Umsatzsteuer unterliegt, und sich damit der Rechtsprechung des BGH11 angeschlossen. Das Urteil ist mit Revision angefochten und somit nicht rechtskräftig.12 Demgegenüber liegt bei der Zahlung einer Vertragsstrafe wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung des vertraglichen Leistungsversprechens Schadensersatz vor.16 Die Vertragsstrafe ist eine Nebenverbindlichkeit, die der ordentlichen Erfüllung der Hauptverbindlichkeit dient. Der Gläubiger kann die Strafe neben der Erfüllung der Hauptverbindlichkeit verlangen. Sie hängt zwar wirtschaftlich mit der Hauptverbindlichkeit zusammen, beruht aber auf einem eigenen Rechtsgrund 6 BGH, Urt. v. 14.3.2007 – VIII ZR 68/06, UR 2007, 416. 7 BGH, Urt. v. 18.5.2011 – VIII ZR 260/10, UR 2011, 813. 8 BMF, Schr. v. 22.5.2008 – IV B 8 - S 7100/07/10007 – DOK 2008/0260780, BStBl. I 2008, 632 = UR 2008, 477. 9 Stadie, Bundesgerichtshof zur Umsatzsteuer bei LeasingMinderwertausgleich, UR 2011, 801. 10 FG Nds., Urt. v. 2.12.2010 – 5 K 224/09, EFG 2001, 1020. 11 BGH, Urt. v. 18.5.2011 – VIII ZR 260/10, UR 2011, 813. 12 Anhängiges Revisionsverfahren, Aktenzeichen des BFH: XI R 6/11. 13 BFH, Urt. v. 11.2.2010 – V R 2/09, BStBl. II 2010, 765 = UR 2010, 458. 14 BFH, Urt. v. 17.12.2009 – V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869. 15 BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 30/04, BStBl. II 2005, 802 = UR 2005, 157. 16 BFH, Urt. v. 4.5.1994 – XI R 58/93, BStBl. II 1994, 589 = UR 1994, 403 – Vertragsstrafe durch den leistenden Unternehmer; BFH, Urt. v. 25.11.1986 – V R 109/78, BStBl. II 1987, 228 = UR 1987, 131 – Vertragsstrafe durch den Leistungsempfänger. Lange / Reiling 12/2012 463 Leasingtypischer Minderwertausgleich – mit oder ohne Umsatzsteuer? und wirkt nicht als modifizierte Erfüllung der Hauptverbindlichkeit. Ebenso sind Verzugszinsen nach einer Entscheidung des EuGH17 nicht als Entgelt anzusehen, da sie den sich aus der verspäteten Zahlung des Leistungsempfängers ergebenden Schaden im Vermögen des leistenden Unternehmers ausgleichen sollen. Einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Leistung hat der EuGH verneint. Zum selben Ergebnis gelangt der EuGH18 beim sog. Angeld. Danach sind Zahlungen bei der Reservierung von Hotelzimmern, die der Hotelier beim Rücktritt vom Vertrag einbehält, pauschalierte Entschädigungen zum Ausgleich des entstandenen Schadens. Die Reservierung ist keine eigenständige Leistung, da sie sich direkt aus dem Beherbergungsvertrag ergibt. IV. Auffassung der Finanzverwaltung Nach Auffassung der Finanzverwaltung19 kommt es bei Ausgleichszahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Leasingverträgen auf die zivilrechtliche Einordnung als Primär- oder Sekundäranspruch nicht entscheidend an. Ihr kann allenfalls indizielle Wirkung beigemessen werden. Entscheidend ist, ob der Zahlung für den jeweiligen „Schadensfall“ eine mit ihr eng verknüpfte Leistung gegenübersteht. Für die Annahme eines Leistungsaustauschs müssen Leistung und Gegenleistung in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Minderwertausgleichs hat die Finanzverwaltung20 zunächst aufgrund des BGH-Urteils vom 1.3.200021 entschieden, dass der Minderwertausgleich nicht als Schadensersatz zu beurteilen ist, wenn der wertgeminderte Gegenstand zum Gebrauch im Rahmen eines Leasingvertrags überlassen wurde. Ausgangssachverhalt war ein Minderwertausgleich, der aufgrund eines Unfallschadens in Höhe der gutachterlich ermittelten Reparaturkosten vom Leasinggeber beansprucht wurde. Die Einordnung des vertraglichen, aber auch des außervertraglichen Minderwertausgleichs wurde von Hummel22 ausdrücklich bestätigt. wird. Auf die Art des Leasingvertrags und des überlassenen Leasinggegenstands sowie die Ursache für die Wertminderung kommt es dabei nicht an. Die Zahlungen zum Ausgleich eines Minderwerts sind Entgelt für die bereits erfolgte Gebrauchsüberlassung im Rahmen des Leasingvertrags und der Duldung der Nutzung über den vertragsgemäßen Gebrauch hinaus. Die Rechtsauffassung wird wie folgt begründet: „Im Rahmen der für einen auf volle Amortisation abzielenden Leasingvertrag typischen Mischkalkulation stellt der Minderwertausgleich eine leasingtypische vertragliche Gegenleistung für die Überlassung des Leasinggegenstands durch den Leasinggeber dar. Dementsprechend hat der Leasingnehmer – anders als der Mieter – auch für diejenigen Veränderungen und Verschlechterungen einzutreten, die auf Zufall und höherer Gewalt beruhen. Der für den Leasingnehmer verbrauchbare Vorteil liegt in der ,übervertraglichen’ substanzbeeinträchtigenden Nutzung. Der erforderliche Leistungswille des Leasinggebers ergibt sich insofern aus der vertraglichen Wertminderungsklausel. In dieser ist die konkludente Zustimmung zu dem entsprechenden ,übervertraglichen Gebrauch’ zu sehen.“ V. Vorgehensweise bis zur abschließenden Klärung 1. Derzeit unklare Rechtslage Bis zur Entscheidung des BFH über die gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts eingelegte Revision24 bleibt die Rechtslage unklar. Zwar war der BFH in der Vergangenheit durchaus geneigt, sich der Rechtsauffassung des BGH – unter Änderung der eigenen Rechtsprechung – anzuschließen. Dies hat er z.B. in seinen Entscheidungen zur Unzulässigkeit der Aufrechnung von Vorsteuervergütungsansprüchen mit Insolvenzforderungen25 getan, indem er dem Urteil des BGH vom 22.10.200926 gefolgt ist. Sofern der BFH von der Entscheidung des BGH abweichen will, muss er gem. § 2 RSprEinhG den Gemeinsamen Senat anrufen. Minderwertausgleich BGH BMF FG BFH Schadensersatz Leistungsaustausch Schadensersatz ? Diese Auffassung wurde im Jahr 2008 bestätigt.23 Dabei kommt es für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Minderwertausgleichs nicht darauf an, ob der Leasingvertrag aufgrund vertraglich vereinbarter Kündigungsrechte vorzeitig beendet wurde oder planmäßig geendet hat. Außerdem macht es keinen Unterschied, ob der Vertragsgegenstand vorzeitig in nicht vertragsgemäßem Zustand oder erst am Ende einer regulär beendeten Vertragsbeziehung zurückgegeben Sowohl Leasinggeber als auch Leasingnehmer müssen bis zur endgültigen Klärung der Rechtsfrage entscheiden, wie sie sich während des Schwebezustands verhalten, um möglichst keinen Rechtsverlust zu erleiden. 17 EuGH, Urt. v. 1.7.1982 – Rs. 222/81 – BAZ Bausystem AG, EuGHE 1982, 2527 = UR 1982, 159 m. Anm. Weiß. 18 EuGH, Urt. v. 18.7.2007 – Rs. C-227/05 – Société thermale d’Eugénie-les-Bains, EuGHE 2007, I-6415 = UR 2007, 643. 19 BMF, Schr. v. 22.5.2008 – IV B 8 - S 7100/07/10007 – DOK 2008/0260780, BStBl. I 2008, 632 = UR 2008, 477. 20 BMF, Schr. v. 20.2.2006 – IV A 5 - S 7100 - 23/06, BStBl. I 2006, 241 = UR 2006, 242. 21 BGH, Urt. v. 1.3.2000 – VIII ZR 177/99, ZIP 2000, 797 = NJW-RR 2000, 1303. 22 Hummel, Umsatzsteuerrechtliche Behandlung einer Wertminderungsentschädigung, UR 2006, 614. 23 BMF, Schr. v. 22.5.2008 – IV B 8 - S 7100/07/10007 – DOK 2008/0260780, BStBl. I 2008, 632 = UR 2008, 477. 24 Anhängiges Revisionsverfahren, Aktenzeichen des BFH: XI R 6/11. 25 BFH, Urt. v. 2.11.2010 – VII R 6/10, BStBl. II 2011, 374 = UR 2011, 541; BFH, Urt. v. 2.11.2010 – VII R 62/10, BStBl. II 2011, 439 = UR 2011, 546. 26 BGH, Urt. v. 22.10.2009 – IX ZR 147/06, DStR 2010, 1145. Lange / Reiling 464 12/2012 Leasingtypischer Minderwertausgleich – mit oder ohne Umsatzsteuer? 2. Leasinggeber Der Leasinggeber ist – sofern er Leistungen an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erbringt – nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 UStG verpflichtet, diesem eine Rechnung zu erteilen. Nach derzeitiger Verwaltungsauffassung unterliegt der Minderwertausgleich der Umsatzsteuer. Der Leasinggeber hat daher den Umsatz in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Umsatzsteuer-Jahreserklärung zu erfassen und die Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren kann er rechtswahrend gegen die Bescheide Einspruch einlegen und nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO Ruhen des Verfahrens beantragen. Somit empfiehlt es sich für den Leasinggeber derzeit, die Umsatzsteuer in der Rechnung offen auszuweisen, auch wenn eine zivilrechtliche Durchsetzung des Umsatzsteueranteils nicht möglich ist. Allerdings kommt schon im Hinblick auf den Steuerausweis in der Rechnung keine Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO in Betracht, da die Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 UStG auch dann geschuldet wird, wenn der Minderwertausgleich Schadensersatz darstellen sollte. Rechnung mit Umsatzsteuerausweis Ruhen des Verfahrens Leasinggeber Einspruch Erfassung in der Voranmeldung und in der Jahreserklärung Abführung der Umsatzsteuer an das Finanzamt Sollte sich die Rechtsprechung letztendlich der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung anschließen, kann es dabei verbleiben. Kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass ein Minderwertausgleich nicht steuerbarer Schadensersatz ist, kann es der Leasinggeber – sofern der Leasingnehmer ein zum vollen Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist und die Umsatzsteuer an ihn bezahlt hat – ebenfalls bei der bisherigen Behandlung belassen. § 176 Abs. 2 AO räumt ihm Vertrauensschutz ein, d.h. eine von der Verwaltungsauffassung abweichende Entscheidung des BFH darf bei der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden nicht zu seinen Ungunsten angewandt werden. Nach den oben genannten Grundsätzen liegt für zurückliegende Be27 Abschn. 14c.2 Abs. 2 Nr. 2 UStAE. steuerungszeiträume kein Fall des unberechtigten Steuerausweises gem. § 14c Abs. 2 UStG vor, der den Vorsteuerabzug beim Leasingnehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausschließen würde. Ist der Leasingnehmer ein Unternehmer, der nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, oder ein Nichtunternehmer, bleibt es dem Leasinggeber unbenommen, sich auf die günstigere Rechtsprechung zu berufen. Von dieser Möglichkeit sollte er auch dann Gebrauch machen, wenn der Leasingnehmer die Umsatzsteuer nicht an ihn entrichtet hat. Sofern in Fällen des Schadensersatzes Umsatzsteuer offen ausgewiesen wird, liegt ein Fall des unberechtigten Steuerausweises gem. § 14c Abs. 2 UStG vor.27 Damit steht dem Leasinggeber das Recht zu, den Steuerbetrag rückwirkend zu berichtigen, soweit der Leasingnehmer den Vorsteuerabzug nicht in Anspruch genommen hat.28 Die Gefahr, dass insoweit Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO entstehen, besteht somit nicht. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Finanzverwaltung ein Urteil des BFH erst dann allgemein über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwendet, wenn es im Bundessteuerblatt ohne ergänzenden Nichtanwendungserlass veröffentlicht worden ist. Erfolgt danach keine allgemeine Anwendung der Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung, muss der Leasinggeber seine Rechte in einem finanzgerichtlichen Verfahren geltend machen. Minderwertausgleich ist Schadensersatz Leasingnehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt Leasingnehmer ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt Rechnung mit Umsatzsteuer (Vertrauensschutz) Rechnung ohne Umsatzsteuer (rückwirkende Berichtigung) 3. Leasingnehmer Ist der Leasingnehmer zum Vorsteuerabzug aus der Rechnung über den Minderwertausgleich berechtigt, ist er mit der Zahlung der Umsatzsteuer an den Leasinggeber wirtschaftlich nicht belastet. Er kann somit die Umsatzsteuer an den Leasinggeber – ggf. unter Vorbehalt der Rückforderung und eines Verzichts des Leasinggebers auf die Einrede der Verjährung – bezahlen. Eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs hat er in Hinblick auf die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO nicht zu befürchten. Soweit dem Leasingnehmer das Recht zum Vorsteuerabzug nicht zusteht, kann er den Zahlungsanspruch hinsichtlich der Umsatzsteuer verweigern, da dieser zivilrechtlich nicht durchsetzbar ist. Eine Zahlung ist 28 Abschn. 14c.2 Abs. 5 Satz 6 UStAE. Lange / Reiling 12/2012 465 Leasingtypischer Minderwertausgleich – mit oder ohne Umsatzsteuer? allenfalls zur Vermeidung einer Belastung der laufenden Geschäftsbeziehungen zum Leasinggeber anzuraten. Minderwertausgleich ist Schadensersatz Leasingnehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt Zahlung der Umsatzsteuer Vorsteuerabzug Leasingnehmer ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt keine Zahlung der Umsatzsteuer VI. Zusammenfassung Es bleibt zu hoffen, dass die obersten Gerichte sowie die Finanzverwaltung bald zu einer einheitlichen Beurteilung der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des Minderwertausgleichs gelangen. Bis dahin sollten die Parteien eines Leasingvertrags die oben dargestellte Vorgehensweise beachten. Praxisforum Umsatzsteuer* Gunter Ammann** Doppelte Steuerpflicht von Arztumsätzen – Zur Wandlung als steuerfrei behandelter Umsätze in steuerpflichtige für die Nichtanwendung des § 19 Abs. 1 UStG – Neue Aspekte für „alte“ Umsätze: Bis zum 31.12.2001 sah auch die Verwaltung bestimmte ärztliche Umsätze als steuerfrei an. Ab 2002 änderte sie diese Ansicht; die Umsätze sollten steuerpflichtig sein. Nicht nur die Steuerpflicht ab 2002, sondern auch zurückblickend für die Frage der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG im Jahre 2002 wurden die Umsätze des Jahres 2001 als steuerpflichtig angesehen. Der Beitrag sieht darin eine Verdoppelung, weil aus der retrospektiven fiktiven Steuerpflicht des Jahres 2001 bei Nichtanwendung des § 19 Abs. 1 UStG im Jahre 2002 die Besteuerung der sonst nicht besteuerten Umsätze folgt. Die Lösung dieses Problems ist wichtig für Unternehmer, deren abzugsschädlich steuerfreie Umsätze aufgrund der Rechtsprechung oder auch Gesetzgebung steuerpflichtig werden. I. Ausgangslage und deshalb nicht zum Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG gehören. Die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam, manchmal wird auch längst als erledigt Gewähntes wieder an das Tageslicht gebracht und in den Mahlgang geschüttet. Der betroffene Unternehmer ist Arzt, der auf seine Umsätze bis einschließlich 2002 § 19 Abs. 1 UStG anwendete. Gelegentlich einer Betriebsprüfung im Jahre 2010 stellt das zuständige Finanzamt1 fest, dass der Gesamtumsatz für das Jahr 2001 0 . betrug. Dieser Feststellung konnte gesetzlich nur zugrunde gelegen haben, dass die Umsätze gem. § 4 Nr. 8 Buchst. i, Nr. 9 Buchst. b und Nr. 11 bis 28 UStG2 steuerfrei waren Bei der Prüfung der Umsätze des Jahres 2002 wurden Entgelte in Höhe von 40 000 .3 der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz unterworfen und die Steuer auch entsprechend4 festgesetzt. Die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG wurde für das Jahr 2002 ausdrücklich ausgeschlossen. Der Unternehmer hatte für das Jahr 2002 zu dessen Beginn einen Gesamtumsatz von 0 . prognostiziert und für das Jahr 2002 § 19 Abs. 1 UStG angewandt. * An dieser Stelle werden Beiträge aus der Umsatzsteuerpraxis, insbesondere der Beratungspraxis, veröffentlicht, die vom UmsatzsteuerForum e.V. veranlasst sind, die jedoch nicht in jedem Fall die Meinung dieser Vereinigung wiedergeben. Zuständig für die Praxisbeiträge ist im Auftrag der Vereinigung Prof. Dr. Hermann-Josef Tehler, Burloer Weg 95, 46397 Bocholt. ** Gunter Ammann ist Steuerberater in eigener Praxis in Hamburg. 1 Landesfinanzbehörde i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG und § 6 Abs. 2 Nr. 5 AO. 2 Konkret hat der Unternehmer die Befreiungen des § 4 Nr. 14 UStG als gegeben angesehen. 3 36 000 . entfielen auf „Erstellung ärztlicher Gutachten über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen“, 4 000 . auf ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung. 4 Unter Berücksichtigung anteiligen Vorsteuerabzugs. Ammann 466 12/2012 Doppelte Steuerpflicht von Arztumsätzen II. Beispielsituation 1. Sachverhalt und Würdigung durch den Unternehmer Das Finanzamt unterwarf für das Jahr 2002 Entgelte in Höhe von 40 000 .7 der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz und setzte die Steuer entsprechend8 fest. a) Unternehmer und dessen Beurteilung Unternehmer ist ein Arzt, der bis einschließlich 2002, wie seit Jahren davor, neben seinen unstreitig steuerfreien arzttypischen Leistungen auch die von ihm ausgeführten Umsätze – „Erstellung von Berichten über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen“ und – „ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung“ als steuerfrei angesehen und Umsatzsteuererklärungen wegen der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG nicht abgegeben hatte. b) Prognose für das Streitjahr 2002 Der Arzt hatte für das Jahr 2002 zu dessen Beginn einen Gesamtumsatz von 0 . prognostiziert und auch für das Jahr 2002 § 19 Abs. 1 UStG angewandt, eine Umsatzsteuererklärung nicht abgegeben. 2. Würdigung durch das Finanzamt a) Beurteilung bis einschließlich des Jahres 2001 Das Finanzamt folgte den Auffassungen des Arztes5 bis einschließlich für das Jahr 2001, stellte im Prüfungsbericht den Gesamtumsatz des Jahres 2001 auch ausdrücklich mit „0,00 .6“ dar. b) Beurteilung der Umsätze des Jahres 2002 Für das Jahr 2002 vertrat das Finanzamt die Auffassung, die beiden besonderen Umsätze – „Erstellung von Berichten über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen“ und – „ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung“ seien steuerpflichtig. Im Jahre 2002 sei § 19 Abs. 1 UStG für den Arzt nicht – mehr – anwendbar, weil die entsprechenden Umsätze des Jahres 2001 für die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes als steuerpflichtig gewertet werden müssten und damit die Maßgröße des § 19 Abs. 1 UStG von 16 620 . überschritten sei. Im Übrigen gelte für die Prognose des laufenden Kalenderjahres 2002 nicht die Messzahl von 50 000 ., sondern es sei auch hierfür die Zahl von 16 620 . zugrunde zu legen, die mit den Feststellungen der Betriebsprüfung bei weitem überschritten sei. 5 Wie unter II 1a geschildert. 6 Tatsächlich wäre ein DM-Betrag zu nennen, aus Darstellungsgründen wird nur Euro verwendet. 7 36 000 . entfielen auf „Erstellung ärztlicher Gutachten über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments 3. Problemstellungen a) Grundproblem: Reihenfolge der zu klärenden Fragen Die Problemstellungen sind von gegenseitigen Abhängigkeiten bestimmt. Sind die aufgeführten9 fraglichen Umsätze im Jahre 2002 steuerfrei gem. § 4 Nr. 14 UStG, erübrigt sich die Frage nach der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG. Einerseits müsste daher zunächst geklärt werden, ob die genannten Umsätze im Jahre 2002 steuerpflichtig sind. Andererseits ist § 19 Abs. 1 UStG für das Jahr 2002 auch anzuwenden, wenn – wie die Verwaltung vertritt – die Umsätze ab 1.1.2002 zwar steuerpflichtig sind, für die Beurteilung des Vorjahresgesamtumsatzes – also den des Jahres 2001 – aber die auch von der Verwaltung akzeptierte Steuerfreiheit zugrunde gelegt wird und es bei der Messgröße voraussichtlich „50 000 .“ für die Prognose des Jahresumsatzes 2002 bleibt. Da bei Steuerpflicht der Umsätze im Jahre 2002 die Frage nach der Wertung dieser Umsätze im Jahre 2001 nicht geklärt wird, ist es sinnvoller, vorgreiflich zu untersuchen, ob die Wandlung der von den Beteiligten im Jahre 2001 einvernehmlich als steuerfrei angesehenen Umsätze in steuerpflichtige Umsätze für die Beurteilung des Vorjahresumsatzes aus der Sicht des Jahres 2002 rechtlich zulässig ist. Führt diese Untersuchung dazu, dass § 19 Abs. 1 UStG im Jahre 2002 anzuwenden ist, kann es dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Umsätze des Jahres 2002 steuerpflichtig sind, weil die etwa für dieses Jahr geschuldete Steuer nicht zu erheben ist. Sollte das Ergebnis zur Nichtanwendung des § 19 Abs. 1 UStG führen, bleibt es weiteren Untersuchungen überlassen festzustellen, ob die beiden besonderen Umsätze – „Erstellung von Berichten über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen“ und – „ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung“ im Jahre 2002 steuerpflichtig waren. Die Arbeitsannahmen hierbei sind, dass die zuerst genannten Umsätze nach der deutschen Rechtsprechung immer noch steuerfrei sind und die von der Verwaltung für die Steuerpflicht herangezogene EuGH-Rechtsprechung nicht einschlägig ist; für die zweiten, dass die Mehrwertsteuersystemrichtlinie hierfür von Anfang an eine Steuerbefreiung vorsah und die von der Verwaltung ab 1.1.2009 angewandte Steuerbefreiung aufgrund der Gesetzesänderung von der unmittelbaren Anwendung der Mehrwertsteuerbeim Menschen“, 4 000 . auf ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung. 8 Unter Berücksichtigung anteiligen Vorsteuerabzugs. 9 Unter II 2 b. Ammann 12/2012 467 Doppelte Steuerpflicht von Arztumsätzen systemrichtlinie überlagert wird. Eine Überprüfung dieser Hypothesen bleibt einer weiteren Untersuchung vorbehalten. b) Wird die Steuerbefreiung von Umsätzen des Jahres 2001 für die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG beeinflusst durch die Steuerpflicht der nämlichen Umsätze im Jahre 2002? Dieses Problem hängt unmittelbar mit der Feststellung der Verwaltung zusammen, dass die „Erstellung ärztlicher Gutachten über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen“ im Jahre 2001 als steuerfrei, nach dem Jahre 2001 hingegen als steuerpflichtig angesehen wurden. Die Umsätze „ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung“ werden von der Verwaltung im Jahre 2002 ebenfalls als steuerpflichtig angesehen.10 III. Umsatzsteuerrechtliche Würdigung des § 19 Abs. 1 UStG – Ermittlung der maßgebenden Umsatzgrößen 1. Deutsches Umsatzsteuergesetz Zu beantworten ist die Frage, ob vom Unternehmer und vom Finanzamt einvernehmlich als steuerfrei gem. § 4 Nr. 14 UStG angesehene Umsätze zum Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG gehören, wenn die Auffassung der Verwaltung zugrunde gelegt wird, im Folgejahr sei die Befreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht mehr gegeben. a) § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG für 2002 hat folgenden Text: „Die . . . geschuldete Umsatzsteuer wird . . . nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 16 620 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird.“11 c) Der Gesamtumsatz wird im § 19 Abs. 3 UStG beschrieben: „Gesamtumsatz ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abzüglich folgender Umsätze: 1. der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nr. 11 bis 28 steuerfrei sind; . . .“ Die entscheidende Frage nach dem deutschen Recht ist, ob die in Rede stehenden Umsätze im Jahre 2001 steuerfrei gewesen sind nach § 4 Nr. 11 bis 28 UStG. 2. Mehrwertsteuersystemrichtline der Europäischen Union Art. 285 und 286 MwStSystRL geben den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Steuerpflichtigen mit einem Jahresumsatz von 1977 in Höhe von 5 000 . oder dem zur Wahrung des realen Wertes auf einen zeitgerecht angehobenen Betrag eine Steuerbefreiung zu gewähren.12 Der „Gesamtumsatz“, den das deutsche Gesetz damit kennzeichnet, dass von den steuerbaren Umsätzen die abzugsschädlich steuerfreien Umsätze abgezogen werden müssen, wird von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie anders definiert. Gem. Art. 288 MwStSystRL13 sind den besteuerten14 Leistungen die abzugsfreundlich befreiten Umsätze sowie die Immobilien-, Finanz- und Versicherungsleistungen als Hauptumsätze hinzuzurechnen.15 Abzugsschädlich steuerfreie Umsätze werden in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht genannt. Sie gehören nicht zum Gesamtumsatz, gleich, warum sie steuerbefreit sind. 3. Auffassung der Verwaltung b) § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG definiert den Umsatz im Sinne des Satzes 1 als den nach vereinnahmten Entgelten bemessenen Gesamtumsatz. Die Steuerverwaltung wertet die selbst steuerfrei belassenen fraglichen Umsätze des Jahres 2001 aus dem Blickwinkel der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG retrospektiv für das Jahr 2002 als steuerpflichtig und zum Gesamtumsatz des Jahres 2001 gehörend. 10 Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG auf derartige Umsätze sieht die Verwaltung erst ab 1.1.2009 als gegeben an. 11 Der Text gilt prinzipiell unverändert weiter. Im Jahre 2003 ist an die Stelle des Betrages von 16 620 . der von 17 500 . getreten – Kleinunternehmerförderungsgesetz, anzuwenden ab 1.1.2003. 12 Art. 285 MwStSystRL: „Mitgliedstaaten, die von der Möglichkeit nach Artikel 14 der Richtlinie 67/228/EWG keinen Gebrauch gemacht haben, können Steuerpflichtigen mit einem Jahresumsatz von höchstens 5 000 EUR oder dem Gegenwert dieses Betrags in Landeswährung eine Steuerbefreiung gewähren.“ Art. 286 MwStSystRL: „Mitgliedstaaten, in denen am 17. Mai 1977 für Steuerpflichtige mit einem Jahresumsatz von mindestens dem Gegenwert von 5 000 Europäischen Rechnungseinheiten in Landeswährung zu dem an dem genannten Datum geltenden Umrechnungskurs eine Steuerbefreiung galt, können diesen Betrag zur Wahrung des realen Wertes anheben.“ 13 Art. 288 MwStSystRL: „Der Umsatz, der bei der Anwendung der Regelung dieses Abschnitts zugrunde zu legen ist, setzt sich aus folgenden Beträgen ohne Mehrwertsteuer zusammen: 1. Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, soweit diese besteuert werden; 2. Betrag der gemäß Artikel 110, Artikel 111 und Artikel 125 Absatz 1 sowie Artikel 127 und Artikel 128 Absatz 1 mit Recht auf Vorsteuerabzug von der Steuer befreiten Umsätze; 3. Betrag der gemäß den Artikeln 146 bis 149 sowie den Artikeln 151, 152 und 153 von der Steuer befreiten Umsätze; 4. Betrag der Umsätze mit Immobilien, der in Artikel 135 Absatz 1 Buchstaben b bis g genannten Finanzgeschäfte sowie der Versicherungsdienstleistungen, sofern diese Umsätze nicht den Charakter von Nebenumsätzen haben. Veräußerungen von körperlichen oder nicht körperlichen Investitionsgütern des Unternehmens bleiben bei der Ermittlung dieses Umsatzes jedoch außer Ansatz.“ 14 Im deutschen Sinne die steuerpflichtigen Umsätze. 15 Das entspricht – unter umgekehrten Vorzeichen, weil sie dort abgezogen werden müssen – § 19 Abs. 3 Nr. 2 UStG. Ammann 468 12/2012 Doppelte Steuerpflicht von Arztumsätzen Die von der Verwaltung selbst für dieses Jahr bestätigte Steuerbefreiung wird von ihr überwunden unter Hinweis auf Abschn. 251 Abs. 2 Satz 2 UStR16: eine fiktive Metamorphose als dazugehörend betrachtet werden; sie bleiben nach deutschem und Unionsrecht im Jahre 2001 unbesteuert. „Ob ein Umsatz als steuerfrei zu berücksichtigen ist, richtet sich nach den Vorschriften des laufenden Kalenderjahres.“ Ferner wendet sie in dem Beispielsfall für die Frage der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG auf das Jahr 2002 nicht die gesetzlich vorgeschriebene PrognoseMessgröße von 50 000 . an, sondern legt für diese Prognose auch den Wert von 16 620 . zugrunde, den sie wegen der tatsächlich ausgeführten, von ihr für steuerpflichtig gehaltenen Umsätze17 für überschritten hält. 4. Eigene Auffassung a) Ermittlung des Gesamtumsatzes Die Ermittlung des Gesamtumsatzes führt in dem deutschen Umsatzsteuergesetz sowie in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie quantitativ betrachtet zu demselben Ergebnis: Es ist die Summe der steuerpflichtigen sowie der abzugsfreundlich steuerfreien Umsätze zuzüglich bestimmter abzugsschädlich steuerfreier Immobilien-, Finanz- und Versicherungsumsätze, wenn diese keine Nebenumsätze sind. b) Qualitativer Unterschied zwischen Umsatzsteuergesetz und Mehrwertsteuersystemrichtlinie hinsichtlich des Gesamtumsatzes Für das untersuchte Problemfeld unterscheiden sich die Umsatzdefinitionen des deutschen Umsatzsteuergesetzes und der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dadurch, dass die Mehrwertsteuersystemrichtlinie die abzugsschädlichen, nicht besteuerten Umsätze von Ärzten nicht nennt, die steuerbefreiten Umsätze von Ärzten im deutschen Umsatzsteuergesetz zwar benannt, diese aber von der zunächst zu bildenden Summe der steuerbaren Umsätze abgezogen werden. Selbst wenn der Auffassung der Verwaltung als Interpretation des deutschen Umsatzsteuergesetzes zugestimmt wird, bleibt für die gleiche Handlungsweise nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie kein Raum. Mit der Anwendung des Art. 288 MwStSystRL ist es ausgeschlossen, die auch vom Finanzamt nicht besteuerten Umsätze des Jahres 2001 wegen der im Jahre 2002 nach Auffassung des Finanzamtes eingetretenen Steuerpflicht gleichsam rückwirkend für steuerpflichtig zu werten. Diese Umsätze gehörten 2001 nicht zum „Umsatz“ und können auch nicht durch 16 Wortidentisch mit BMF, Schr. v. 1.10.2010 – IV D 3 S 7015/10/10002 – DOK 2010/0815152, BStBl. l 2010, 846 – Verwaltungsregelung zur Anwendung des Umsatzsteuergesetzes – Umsatzsteuer-Anwendungserlass; Abschn. 19.3 UStAE (Gesamtumsatz) zu § 19 UStG zuletzt geändert durch BMF, Schr. v. 28.3.2012 – IV D 3 S 7360/11/10001 – DOK 2012/0233052, BStBl. I 2012, 481 = UR 2012, 335. 17 Laut Feststellung der Außenprüfung entfielen 36 000 . auf „Erstellung ärztlicher Gutachten über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen“, 4 000 . auf ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung. c) Umsatzsteuer-Anwendungserlass zu § 19 UStG geht ins Leere, ist möglicherweise rechtswidrig Die „Verwaltungsregelung zur Anwendung des Umsatzsteuergesetzes“18 „Zu § 19“ formuliert unter „19.3 Gesamtumsatz“, dass die Frage, ob ein Umsatz als steuerfrei zu berücksichtigen ist, sich nach den Vorschriften des laufenden Kalenderjahres richtet. Die von der Verwaltung vertretene Ansicht, die im Jahr 2001 nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien Umsätze seien für die Messgröße „Vorjahr19 nicht mehr als 16 620 .“ dann als steuerpflichtig zu werten, wenn für die fraglichen Umsätze im Jahr 2002 die Steuerpflicht gelte, stimmt weder mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie noch mit dem Umsatzsteuergesetz überein. Nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie umfasst der Jahresumsatz des Jahres 2001 für die Frage, ob die Kleinunternehmerregelung angewendet werden kann, nicht die nicht besteuerten Umsätze für ärztliche Tätigkeit. Das Umsatzsteuergesetz verweist für die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG auf den Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG; § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG nennt als Ausgangsgröße den Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG. Dieser Absatz bestimmt unmissverständlich, dass steuerbefreite Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt nicht zum Gesamtumsatz gehören. Damit gehören diese Umsätze auch nicht zum Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG. Da die Umsätze des Jahres 2001 ausschließlich aus steuerbefreiten Umsätzen aus der Tätigkeit als Arzt bestanden, ist der Umsatz des Vorjahres i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG aus der Sicht des Jahres 2002 gleich 0 .. An die Verwaltungsauffassung, die dieser Gesetzesanwendung widerspricht, ist der Steuerpflichtige nicht gebunden, zumal es keine Begründung für den Wortlaut des Anwendungserlasses gibt. Eine Auslegungs- oder Anwendungsregel aus der Rechtsprechung zu dieser Frage ist nicht ersichtlich. Es wurde aber gerichtlich entschieden20, dass es sachlich nicht unbillig ist, wenn die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer wegen des Verkaufs eines Anlageguts überschritten und von dem Unternehmer deswegen die geschuldete Steuer erhoben wird. Dieses Urteil führte zu der Feststellung, welche „ungewöhnlichen“ Umstände zum Überschreiten der Umsatzgren18 BMF, Schr. v. 1.10.2010 – IV D 3 - S 7015/10/10002 – DOK 2010/0815152, BStBl. l 2010, 846 – Verwaltungsregelung zur Anwendung des Umsatzsteuergesetzes – Umsatzsteuer-Anwendungserlass; wortidentisch mit Abschn. 251 Abs. 2 Satz 2 UStR 2000. Abschn. 19.3 UStAE (Gesamtumsatz) zu § 19 UStG zuletzt geändert durch BMF, Schr. v. 28.3.2012 – IV D 3 - S 7360/11/10001 – DOK 2012/0233052, BStBl. I 2012, 481 = UR 2012, 335. 19 Im Beispielsfall 2001. 20 FG Hamburg, Urt. v. 20.8.1980 – V 157/78 (VI), EFG 1981, 55. Ammann 12/2012 469 Doppelte Steuerpflicht von Arztumsätzen ze geführt hätten, sei ohne Belang.21 Genauso wenig dürfen ungewöhnliche Umstände, wie die Einführung der Steuerpflicht ehemals steuerfreier Umsätze mit Beginn eines Jahres, die Bemessung des Gesamtumsatzes des Vorjahres berühren, um die Nichtanwendung des § 19 Abs. 1 UStG gegen seinen Wortlaut zu erreichen. Der Anwendungserlass ist an der genannten Stelle auch noch aus einem anderen Grunde rechtswidrig. Sollte die Anwendungsregel mit dem deutschen Gesetz noch in Einklang zu bringen sein, so kennt die Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine steuerfreien Umsätze als Teil der Messgröße für Kleinunternehmer, die in steuerpflichtige Umsätze umgedeutet werden könnten. Da die Verwaltung verpflichtet ist, den Vorrang der Mehrwertsteuersystemrichtlinie gegenüber dem nationalen Recht zugunsten der Bürger anzuwenden22, bleibt kein Raum für die Berücksichtigung des Anwendungserlasses. gesetzlich vorgeschriebene Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG ohne Bedeutung.26 Nur für den Fall, dass kein Vorjahr vorhanden ist, auf das zurückgegriffen werden könnte – wie beim Unternehmensbeginn –, ist allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen27, und zwar auf den Grenzbetrag von inzwischen28 17 500 . und nicht von 50 000 .. Für die Auffassung des Finanzamtes, auch im Streitfall sei der Grenzbetrag von 16 620 . im zu beurteilenden Jahr 2002 maßgebend, gibt es keinen Beleg. IV. Zusammenfassung Für diese Betrachtung mag dahingestellt bleiben, ob im Jahre 200129 die Umsätze – „Erstellung von Berichten über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen“ und d) Anwendung der Vorjahresmessgröße im zu beurteilenden Kalenderjahr – „ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung“ Das deutsche Umsatzsteuergesetz nennt in § 19 Abs. 1 UStG neben dem Maß des Umsatzes für das Vorjahr noch eine weitere Messgröße für das zu beurteilende laufende Jahr, die aus der Sicht zum Jahresbeginn23 nicht überstiegen werden darf. Diese Messgröße24 ist in dem Beispielssachverhalt von dem Arzt deshalb nicht erreicht worden, weil seine Prognose wegen der zu Jahresbeginn noch gesehenen Steuerfreiheit von 0 . ausging. Wären die fraglichen Umsätze als steuerpflichtig gewertet, wäre das Erreichen des gesetzlich vorgesehenen Grenzbetrages von 50 000 . gleichwohl nicht prognostiziert worden, sondern ein Betrag von maximal 30 000 .. im Sinne der Verwaltung steuerpflichtig oder steuerfrei gewesen sind. Fest steht, dass die Verwaltung diese Umsätze 2001 nicht besteuert, sondern steuerfrei belassen hat. Nach Art. 288 MwStSystRL gehören derartig steuerbefreite Umsätze nicht zu dem Umsatz, der bei der Anwendung der Regelung dieses Abschnitts30 zugrunde zu legen ist. Art. 288 MwStSystRL enthält eine positive Aufzählung, die abzugsschädlich steuerbefreite Umsätze nicht nennt. Damit bleibt kein Raum, diese Umsätze für die Frage der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG im Jahre 2002 in den Gesamtumsatz des Vorjahres 2001 einzubeziehen. Nach der BFH-Rechtsprechung25 ist die zu Beginn eines Jahres vorzunehmende Beurteilung der Verhältnisse für das laufende Kalenderjahr auch maßgebend, wenn der Unternehmer in diesem Jahr sein Unternehmen erweitert. Ob der tatsächliche Umsatz nach dem mit nicht mehr als 50 000 . prognostizierten Umsatz dann die Grenze von 50 000 . überschreitet, ist für die 21 Mößlang in Sölch/Ringleb, UStG, § 19 UStG Rz. 14. 22 EuGH, Urt. v. 27.6.1989 – Rs. 50/88 – Kühne, EuGHE 1989, 1925 = UR 1989, 373 m. Anm. Widmann. 23 „voraussichtlich“. 24 Von 50 000 .. 25 BFH, Urt. v. 7.3.1995 – XI R 51/94, BStBl. II 1995, 562 = UR 1995, 349. Da im Jahre 2001 steuerfrei ausgeführte abzugsschädliche Umsätze unter keinen Umständen zum Gesamtumsatz gehören, ordnet § 19 Abs. 1 UStG an, dass die geschuldete Umsatzsteuer im Jahre 2002 von Unternehmern, die ausschließlich derartige Umsätze im Jahre 2001 ausgeführt haben, selbst dann nicht geschuldet wird, wenn diese Umsätze im Jahre 2001 steuerpflichtig sein sollten. 26 BFH, Urt. v. 22.11.1984 – V R 170/83, BStBl. II 1985, 142 = UR 1985, 39 m. Anm. Weiß. 27 BFH, Urt. v. 19.2.1976 – V R 23/73, BStBl. II 1976, 400 = StRK UStG 1967 § 19 R. 6. 28 Geändert durch Kleinunternehmerförderungsgesetz, anzuwenden ab 1.1.2003. 29 Und auch im Jahre 2002. 30 „Kleinunternehmerregelung“. 470 12/2012 Rechtsprechung Steuerbefreiungen Dienstleistung eines im eigenen Namen auftretenden Kommissionärs (Wettbürobetreibers), aber für Rechnung eines die Tätigkeit eines Wettannehmers ausübenden Kommittenten 6. EG-Richtlinie Art. 6 Abs. 4, Art. 13 Teil B Buchst. f Die Art. 6 Abs. 4 und Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EGRichtlinie 77/388/EWG sind dahin auszulegen, dass, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer bei der Annahme von Wetten, die nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit sind, im eigenen Namen, aber für Rechnung eines die Tätigkeit eines Wettannehmers ausübenden Unternehmens auftritt, dieses Unternehmen gem. Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie so behandelt wird, als ob es dem genannten Wirtschaftsteilnehmer Wettdienstleistungen erbrächte, die unter die genannte Steuerbefreiung fallen. EuGH, Urt. v. 14.7.2011 – Rs. C-464/10 – Pierre Henfling, Raphaël Davin und Koenraad Tanghe als Insolvenzverwalter der Tiercé Franco-Belge SA y Sachverhalt 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 4 und Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG (ABl. EG Nr. L 145/1977, 1). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem belgischen Staat und den Herren Henfling, Davin und Tanghe in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Tiercé Franco-Belge SA (im Folgenden: TFB) wegen der Weigerung dieses Staates, die von den Wettannahmestellen für TFB erbrachten Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer zu befreien. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Nach Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“. 4 Gem. Art. 5 Abs. 1 und 4 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie gelten als Lieferung eines Gegenstands „die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“, und „die Übertragung eines Gegenstands auf Grund eines Vertrags über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission“. 5 Art. 6 der 6. EG-Richtlinie bestimmt: „(1) Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist. ... (4) Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden so behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten. . . .“ 6 In Art. 13 der 6. EG-Richtlinie („Steuerbefreiungen im Inland“) heißt es: „. . . B. Sonstige Steuerbefreiungen Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer: ... f) Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden; . . .“ Nationales Recht 7 Art. 10 § 1 CTVA (Code de la taxe sur la valeur ajoutée, belgisches Mehrwertsteuergesetz) bestimmt: „Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen. Dazu gehören u.a. die Fälle, in denen ein Gegenstand dem Erwerber oder Übernehmer in Erfüllung eines Übergabevertrags oder einer Anweisung zur Verfügung gestellt wird.“ 8 Art. 13 §§ 1 und 2 CTVA lautet: „§ 1 Ein Einkaufskommissionär gilt als Käufer und, in Bezug auf seinen Kommittenten, als Verkäufer des durch seine Vermittlung gekauften Gegenstands; ein Verkaufskommissionär gilt als Verkäufer und, in Bezug auf seinen Kommittenten, als Käufer des durch seine Vermittlung verkauften Gegenstands. § 2 Als Kommissionär gilt nicht nur, wer in seinem eigenen Namen oder im Namen einer Firma für Rechnung eines Kommittenten handelt, sondern auch der Vermittler des Kaufs oder des Verkaufs, der in welcher Eigenschaft auch immer eine Rechnung, eine Lastschrift oder ein sonstiges gleichwertiges, auf seinen Namen ausgestelltes Schriftstück vom Verkäufer erhält bzw. dem Käufer aushändigt.“ 9 In Art. 18 § 1 CTVA heißt es: „Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des vorliegenden Gesetzbuchs ist. Als Dienstleistung gilt unter anderem die Ausführung eines Vertrags mit folgendem Gegenstand: ... 3. Auftrag; . . .“ 10 Art. 20 § 1 Abs. 1 CTVA bestimmt: „. . . [E]in Kommissionär und jeder sonstige Vermittler, der wie in Art. 13 § 2 vorgesehen handelt und Dienstleistungen erbringt, werden so behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.“ 11 Gem. Art. 44 § 3 Nr. 13 CTVA sind „Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die vom König festgelegt werden“, von der Mehrwertsteuer befreit. 12/2012 Rechtsprechung Ausgangsverfahren und Vorlagefrage 12 TFB ist eine am 27.10.2008 für insolvent erklärte mehrwertsteuerpflichtige Aktiengesellschaft mit Sitz in Belgien, die sich mit der Annahme von Wetten, insbesondere für Pferderennen in Belgien und anderen Staaten befasst. 13 Im Rahmen ihrer Tätigkeit bedient sie sich eines Netzes lokaler Agenturen, sogenannter „Wettbürobetreiber“, das sich über das gesamte Königreich Belgien erstreckt. Diese Wettbürobetreiber sind für die Einnahme der Wetteinsätze für Pferderennen oder andere Sportereignisse, die Aufzeichnung der Wetten und die Ausstellung von Wettscheinen oder Tickets an die Wetter sowie für die Auszahlung der Gewinne zuständig. 14 Jeder Wettbürobetreiber ist durch einen sogenannten „Kommissionsvertrag“ an TFB gebunden. 15 Gemäß diesem Vertrag steht das vom Wettbürobetreiber geführte Geschäft im Eigentum von TFB. Sie stellt ihm die Räumlichkeiten und die notwendige Stromversorgung zur Verfügung und sorgt für die Sach- und Gebäudeversicherung sowie für die Anbringung und die ordnungsgemäße Funktion des Firmenschilds. 16 Im genannten Vertrag ist auch festgelegt, dass TFB dem Wettbürobetreiber die Hard- und Software zur Verfügung stellt, mit der sämtliche getätigten Wetten und die Auszahlung der Gewinne registriert werden müssen. Der Wettbürobetreiber erhält die Hard- und Software und die Unterlagen von TFB unentgeltlich; sie bleiben ausschließliches Eigentum von TFB. Der Wettbürobetreiber verpflichtet sich, die ihm somit von TFB zur Verfügung gestellte Hard- und Software sorgfältig zu behandeln und ihr jegliche daran auftretende Funktionsstörung zu melden, wobei Reparatur und Wartung der Hard- und Software von TFB auf deren Kosten durchgeführt werden. 17 Außerdem ist der Wettbürobetreiber gemäß dem mit TFB geschlossenen „Kommissionsvertrag“ verpflichtet, die Regelungen über die Wettannahme – insbesondere über Registrierung, Buchführung und Gewinnauszahlung – einzuhalten. Er verpflichtet sich, seine Agentur regelmäßig zu betreiben und im Rahmen von Veranstaltungen, die mit den Tätigkeiten oder den Produkten von TFB in Zusammenhang stehen, geöffnet zu halten. Er hat jedoch das Recht, über die Organisation seiner Agentur frei zu entscheiden und Personal einzustellen, um seine Verpflichtungen bestmöglich erfüllen zu können. 18 TFB gestattet dem Wettbürobetreiber, alle Arten von Wetten entgegenzunehmen, für die sie eine ordnungsgemäße Zulassung besitzt, sei es durch Gesetz oder durch Bevollmächtigung, und sie gestattet ihm, jede sonstige Tätigkeit auszuüben, soweit sie nicht gegen das Gesetz über Pferdewettagenturen verstößt und nicht für Rechnung eines unmittelbaren Wettbewerbers von TFB ausgeübt wird. 19 Gemäß den allgemeinen Bestimmungen der Regelung von TFB kann der Betreiber der Agentur, der als Einziger berechtigt ist, eine Wette zu registrieren, die Annahme einer Wette jederzeit ganz oder teilweise verweigern, ohne dies begründen zu müssen. Außerdem kann sich ein Wetter seinen Gewinn nur bei dem Wettbürobetreiber auszahlen lassen, bei dem er seine Wette abgeschlossen hat. 20 Der Wettbürobetreiber wird durch eine Provision in Höhe eines Prozentsatzes der für die registrierten Wetten getätigten Einsätze, nach Abzug der vorgenommenen Rückzahlungen, vergütet. Diese Provision wird monatlich, außerhalb des offiziellen Wettbetriebs, berechnet 471 und bezahlt. Der Wettbürobetreiber stellt TFB für die von ihm erhaltenen Provisionen keine Rechnungen aus. 21 Auf der Vorderseite des Wettscheins, den ein Wettbürobetreiber einem Spieler ausstellt, um die Wette zu konkretisieren, stehen oben der Name des Wettbürobetreibers, seine Handelsregisternummer und seine Mehrwertsteuernummer. Außerdem steht auf der Vorderseite dieser Wettscheine an der Seite „Belgische Tiercé“ und „Tiercé belge“ (unten auf den Scheinen) und „Tiercé Franco Belge“ (oben). Auf der Rückseite der Wettscheine steht: „Durch seine Teilnahme erklärt der Wetter, dass er die Regelungen der S.C. P.M.U. belge, der S.A. Tiercé Franco-belge und der Bingoal zur Kenntnis genommen hat und diese akzeptiert.“ 22 Bei einer im Juli 2000 eingeleiteten Kontrolle stellte die belgische Steuerverwaltung fest, dass für die von den Wettbürobetreibern in der Zeit vom 1.1.1997 bis 31.12.2000 eingenommenen Provisionen keine Mehrwertsteuer abgeführt worden war. Da sie der Auffassung war, dass die Wettbürobetreiber im Namen von TFB arbeiteten und ihre Tätigkeit daher mehrwertsteuerpflichtig sei, stellte sie im November 2001 an TFB eine Nachforderung hinsichtlich der für die genannten Provisionen geschuldeten Mehrwertsteuer, zuzüglich Geldbußen und Verzugszinsen. 23 TFB erhob beim Tribunal de première instance de Liège Klage auf Feststellung, dass die streitigen Provisionen nicht mehrwertsteuerpflichtig seien, weil die Wettbürobetreiber gemäß den Rechtsvorschriften über die Mehrwertsteuer als Kommissionäre anzusehen seien, die im Rahmen einer von dieser Steuer befreiten Dienstleistung tätig würden. 24 Das genannte Gericht gab der Klage mit Urteil vom 20.9.2004 statt. Dieses Urteil wurde auf die vom État belge erhobene Berufung hin von der Cour d’appel de Liège in allen Teilen mit Urteil vom 5.10.2005 bestätigt. Die Cour de cassation hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zurück an das vorlegende Gericht. 25 Erstens prüfte dieses Gericht den Vertrag zwischen TFB und den Wettbürobetreibern und stellte fest, dass sich aus der Kombination der vertragseigenen und vertragsfremden Elemente ergebe, dass die Wettbürobetreiber von TFB im Rahmen eines Kommissionsvertrags und nicht einer Bevollmächtigung zur Annahme und Registrierung von Wetten verpflichtet worden seien. Außerdem folge aus Art. 13 § 2 CTVA, dass die Frage, ob der Vermittler als Bevollmächtigter und nicht als Kommissionär gehandelt habe, unerheblich sei. Im Ergebnis würden die Wettbürobetreiber aufgrund eines Kommissionsvertrags unmittelbar im eigenen Namen zur Erbringung einer Dienstleistung tätig, die die Registrierung von Wetten und die Auszahlung der Gewinne für Rechnung von TFB umfasse. 26 Zweitens versuchte das vorlegende Gericht festzustellen, ob die Provisionen, die den Wettbürobetreibern von TFB gezahlt wurden, von der Mehrwertsteuer befreit sind. Da die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nach Ansicht der Cour d’appel de Mons eine Auslegung des Unionsrechts erfordert, hat sie das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: „Sind die Art. 6 Abs. 4 und Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie dahin auszulegen, dass sie der Gewährung einer Steuerbefreiung für Dienstleistungen eines Kommissionärs entgegenstehen, der im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Kommit- 472 Rechtsprechung tenten, der von Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie erfasste Dienstleistungen organisiert, auftritt?“ y Aus den Entscheidungsgründen Zur Vorlagefrage n Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens 27 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 6 Abs. 4 und Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der Gewährung einer Befreiung von der Mehrwertsteuer für Dienstleistungen eines Kommissionärs entgegenstehen, der im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Kommittenten, der von Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie erfasste Dienstleistungen organisiert, auftritt. Diese Frage bezieht sich insbesondere darauf, wie das Verhältnis zwischen einem Unternehmen, das die Tätigkeit eines Wettannehmers ausübt, und einem Wirtschaftsteilnehmer, der bei der Annahme von Wetten im eigenen Namen, aber für Rechnung des genannten Unternehmens auftritt, im Hinblick auf die Mehrwertsteuer zu beurteilen ist. n Steuerbefreiung von Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen 28 Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz sind gem. Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EGRichtlinie unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden, von der Mehrwertsteuer befreit. 29 Diese Steuerbefreiung ist durch praktische Erwägungen veranlasst, da sich Glücksspielumsätze schlecht für die Anwendung der Mehrwertsteuer eignen, und nicht, wie es bei bestimmten im sozialen Bereich erbrachten Dienstleistungen von allgemeinem Interesse der Fall ist, durch den Willen, diesen Tätigkeiten eine günstigere mehrwertsteuerliche Behandlung zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – Rs. C-89/05 – United Utilities, EuGHE 2006, I-6813 = UR 2006, 5211 – Rz. 23; EuGH, Urt. v. 10.6.2010 – Rs. C-58/09 – Leo-Libera, EuGHE 2010, I-5189 = UR 2010, 494 – Rz. 24). n Charakter von Wettumsätzen 30 Wettumsätze im Sinne der genannten Vorschrift sind durch die Einräumung einer Gewinnchance an die Wettteilnehmer und im Gegenzug die Hinnahme des Risikos, diese Gewinne auszahlen zu müssen, gekennzeichnet (EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – Rs. C-89/05 – United Utilities, EuGHE 2006, I-6813 = UR 2006, 5212 – Rz. 26). 31 Der Gerichtshof hat daraufhin festgestellt, dass CallCenter-Dienstleistungen, die zugunsten eines Organisators von Telefonwetten erbracht werden und die die Annahme der Wetten im Namen des Wettorganisators durch das Personal des Erbringers dieser Dienstleistungen einschließen, keine Wettumsätze i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie darstellen, so dass ihnen die in dieser Vorschrift vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung nicht zugutekommen kann (EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – Rs. C-89/05 – United Utilities, EuGHE 2006, I-6813 = UR 2006, 5213 – Rz. 29). 1 2 Mit Anm. Hahne, UR 2006, 523. Mit Anm. Hahne, UR 2006, 523. 12/2012 n Unterschiede zwischen den Dienstleistungen eines Call-Centers zugunsten eines Organisators von Telefonwetten und eines Wettbürobetreibers im Vorlageverfahren 32 Das Ausgangsverfahren unterscheidet sich jedoch in mehreren Punkten von dem, das zum Urteil United Utilities geführt hat. Zum einen ist nämlich die Tätigkeit der Wettbürobetreiber insbesondere insofern anders als die der genannten Call-Center, als Wettbürobetreiber den Wettern bekannt sind, die Annahme einer Wette jederzeit ganz oder teilweise verweigern können, ohne dies begründen zu müssen, und auch für die Auszahlung der Gewinne an die Wetter zuständig sind. Zum anderen betraf die Rechtssache, die zum genannten Urteil führte, die Annahme von Wetten im Namen des Wettorganisators, während sich die im Ausgangsverfahren aufgeworfene Frage ausdrücklich auf die Situation eines Wirtschaftsteilnehmers bezieht, der für die Annahme der genannten Wetten zwar für Rechnung des Wettorganisators, jedoch im eigenen Namen auftritt. 33 Ein solches Auftreten im eigenen Namen bedeutet, dass, anders als es in der Rechtssache, die dem Urteil United Utilities zugrunde lag, gemäß dessen Rz. 27 (EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – Rs. C-89/05 – United Utilities, EuGHE 2006, I-6813 = UR 2006, 5214) der Fall war, das Rechtsverhältnis nicht unmittelbar zwischen dem Wetter und dem Unternehmen, für dessen Rechnung der hinzutretende Wirtschaftsteilnehmer tätig wird, sondern zwischen diesem Wirtschaftsteilnehmer und dem Wetter auf der einen und diesem Wirtschaftsteilnehmer und dem genannten Unternehmen auf der anderen Seite entsteht. n Umsatzsteuerrechtliche Behandlung eines im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätigen Dienstleisters 34 Was die Beurteilung eines solchen Auftretens in Bezug auf die Mehrwertsteuer angeht, bestimmt Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie, dass Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, so behandelt werden, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten. 35 Diese Vorschrift begründet somit die juristische Fiktion zweier gleichartiger Dienstleistungen, die nacheinander erbracht werden. Gemäß dieser Fiktion wird der Wirtschaftsteilnehmer, der bei der Erbringung von Dienstleistungen hinzutritt und Kommissionär ist, so behandelt, als ob er zunächst die fraglichen Dienstleistungen von dem Wirtschaftsteilnehmer, für dessen Rechnung er tätig wird und der Kommittent ist, erhalten hätte und anschließend diese Dienstleistungen dem Kunden selbst erbrächte. In dem zwischen Kommittent und Kommissionär bestehenden Rechtsverhältnis werden also ihre jeweiligen Rollen als Dienstleister und als Zahler in Bezug auf die Mehrwertsteuer fiktiv vertauscht. n Geltung der für Wettumsätze bestehenden Steuerbefreiung auch im Rechtsverhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär 36 Da Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie in deren Abschnitt V („Steuerbarer Umsatz“) fällt und allgemein gefasst ist, 3 4 Mit Anm. Hahne, UR 2006, 523. Mit Anm. Hahne, UR 2006, 523. 12/2012 Rechtsprechung ohne Beschränkungen in Bezug auf seinen Anwendungsbereich oder seine Tragweite zu enthalten, betrifft die mit dieser Vorschrift geschaffene Fiktion auch die Anwendung von nach der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Befreiungen von der Mehrwertsteuer. Wenn demzufolge die Erbringung von Dienstleistungen, bei der der Kommissionär hinzutritt, von der Mehrwertsteuer befreit ist, gilt diese Befreiung auch im Rechtsverhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär. 37 Dieses Ergebnis gilt auch für die nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie für Wettgeschäfte vorgesehene Befreiung. Diese weist nämlich im Verhältnis zu anderen Befreiungen keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen könnten, den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie einzuschränken und Wetten von ihm auszunehmen. Außerdem spielt es für die Anwendung der letztgenannten Vorschrift keine Rolle, dass der genannte Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EGRichtlinie für Vermittlungsleistungen keine Steuerbefreiung vorsieht, während eine solche in Art. 13 Teil B Buchst. a und d der 6. EG-Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist. n Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes 38 Auch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität spricht entgegen dem Vorbringen der belgischen Regierung nicht dagegen, auf das Verhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär die nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer anzuwenden, obwohl die Provision, die einem Bevollmächtigten gezahlt wird, der im Namen und für Rechnung des Vollmachtgebers handelt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die 6. EG-Richtlinie selbst sieht nämlich, wie sich aus Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie ergibt, vor, dass für Dienstleistungen eines Kommissionärs, der im eigenen Namen, jedoch für Rechnung Dritter tätig wird, besondere Regeln gelten, die von denen für Dienstleistungen eines Bevollmächtigten abweichen, der in fremdem Namen und für fremde Rechnung tätig wird. n Würdigung eines Handelns im eigenen Namen ist Sache des nationalen Gerichts 39 Hinsichtlich der von der belgischen Regierung aufgeworfenen Frage, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wettbürobetreiber bei der Annahme von Wetten tatsächlich im eigenen Namen i.S.v. Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie tätig werden, ist festzustellen, dass die Vorlagefrage, die den Wortlaut dieses Absatzes aufgreift, auf der Prämisse beruht, dass die genannten Wettbürobetreiber in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen. 40 Es ist im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV Sache des nationalen Gerichts, bei dem ein Rechtsstreit über die Anwendung von Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie anhängig ist, unter Berücksichtigung des gesamten Sachverhalts und insbesondere der Natur der vertraglichen Verpflichtungen des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers gegenüber seinen Kunden zu prüfen, ob die genannte Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Art. 26 der 6. EG-Richtlinie EuGH, Urt. v. 12.11.1992 – Rs. C-163/91 – Van Ginkel, EuGHE 1992, I-5723 = UR 1995, 5 Mit Anm. Henkel, UR 2005, 698. 473 302 – Rz. 21; EuGH, Urt. v. 13.10.2005 – Rs. C-200/04 – ISt, EuGHE 2005, I-8691 = UR 2005, 6945 – Rz. 19 und 20). n Zweckdienliche Hinweise an das nationale Gericht zur Würdigung des Handelns eines Wettbürobetreibers im eigenen Namen 41 Der Gerichtshof, der dazu aufgerufen ist, dem nationalen Gericht zweckdienliche Antworten zu geben, ist jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen Hinweise zu geben, die diesem Gericht eine Entscheidung ermöglichen (vgl. EuGH, Urt. v. 11.12.2007 – Rs. C-438/05 – International Transport Workers’ Federation und Finnish Seamen’s Union, EuGHE 2007, I-10779 – Rz. 85; EuGH, Urt. v. 13.4.2010 – Rs. C-73/08 – Bressol u.a., EuGHE 2010, I-2735 – Rz. 65). 42 Was die Tätigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wettbürobetreiber angeht, ist die in Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie vorgesehene Bedingung, wonach der Steuerpflichtige im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden muss, zwar – wie sich aus Rz. 40 des vorliegenden Urteils ergibt – anhand der fraglichen vertraglichen Beziehungen auszulegen, jedoch ist es zum ordnungsgemäßen Funktionieren des durch die 6. EG-Richtlinie geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems erforderlich, dass das vorlegende Gericht konkret prüft, ob die genannten Wettbürobetreiber in Anbetracht aller gegebenen Umstände bei der Annahme von Wetten tatsächlich im eigenen Namen handelten. 43 In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Ausübung ihrer Tätigkeit eine behördliche Genehmigung erfordert, dass auf den von den Wettbürobetreibern ausgestellten Wettscheinen der Name von TFB erwähnt wird, dass die Kunden gemäß den Angaben auf diesen Wettscheinen die Regelungen dieser Gesellschaft akzeptieren, dass die von den Wettbürobetreibern geführten Geschäfte das Firmenschild der genannten Gesellschaft tragen, die deren Eigentümerin ist, und ob die Wettbürobetreiber vor dem streiterheblichen Zeitpunkt als Bevollmächtigte handelten. Ob möglicherweise eine nationale Vorschrift auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer existiert, die die in Art. 6 Abs. 4 der 6. EGRichtlinie vorgesehene rechtliche Fiktion über die in diesem Absatz vorgesehenen Kriterien hinaus ausdehnt, ist jedoch bei der Prüfung, ob die Wettbürobetreiber im eigenen Namen handelten, nicht zu berücksichtigen. Wenn nämlich die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie nicht erfüllt sind, kommt im Ausgangsverfahren eine Mehrwertsteuerbefreiung für Wetten nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie nicht in Betracht. 44 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 4 und Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EGRichtlinie dahin auszulegen sind, dass, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer bei der Annahme von Wetten, die nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit sind, im eigenen Namen, aber für Rechnung eines die Tätigkeit eines Wettannehmers ausübenden Unternehmens auftritt, dieses Unternehmen gem. Art. 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie so behandelt wird, als ob es dem genannten Wirtschaftsteilnehmer Wettdienstleistungen erbrächte, die unter die genannte Steuerbefreiung fallen. 474 Rechtsprechung Steuerbefreiungen Steuerfreiheit heileurythmischer Leistungen – Nachweis der erforderlichen Berufsqualifikation – Abschnittsbesteuerung UStG 1999/2005 § 4 Nr. 14; 6. EG-Richtlinie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c; SGB V §§ 140a ff. 1. Zum Nachweis der bei richtlinienkonformer Auslegung von § 4 Nr. 14 UStG erforderlichen Berufsqualifikation aus einer „regelmäßigen“ Kostentragung durch Sozialversicherungsträger genügt es nicht, dass lediglich einzelne gesetzliche Krankenkassen in ihrer Satzung eine Kostentragung für Leistungen der Heileurythmie vorsehen (Fortführung von BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 34/02, BFHE 208, 65 = BStBl. II 2005, 316 = UR 2005, 207 m. Anm. Heidner). 2. Der Befähigungsnachweis kann sich auch aus dem Abschluss eines Integrierten Versorgungsvertrags nach §§ 140a ff. SGB V zwischen dem Berufsverband des Leistungserbringers und den gesetzlichen Krankenkassen ergeben. Dies setzt voraus, dass der Leistungserbringer Mitglied des Berufsverbands ist, der Integrierte Versorgungsvertrag Qualifikationsanforderungen für die Leistungserbringer aufstellt und der Leistungserbringer diese Anforderungen auch erfüllt. BFH, Urt. v. 8.3.2012 – V R 30/09 Vorinstanz: FG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.6.2009 – 12 K 179/06, 12 K 855/09, 12 K 2055/09, EFG 2009, 1877 y Sachverhalt 1 I. Die Beteiligten streiten um die Steuerfreiheit der vom Kläger in 1999 bis 2003 sowie 2005 bis 2006 (Streitjahre) erbrachten Leistungen auf dem Gebiet der Heileurythmie (Bewegungstherapie). 2 Im Anschluss an eine vierjährige Grundausbildung in Eurythmie absolvierte der Kläger vom 23.8.1993 bis zum 10.12.1994 eine Ausbildung zum Heileurythmisten an der Schule für Eurythmische Heilkunst. Diese erteilte ihm hierüber am 10.12.1994 ein „Abschluss-Zeugnis“ und am 20.2.2007 ein „Heileurythmie-Diplom“. Danach wird er von der Leitung der Schule für befähigt erklärt, „im Zusammenhang mit dem Arzt bei Erwachsenen und Kindern Heileurythmie anzuwenden“. Seit 1995 ist der Kläger selbständig als Heileurythmist tätig. Die von ihm erbrachten Leistungen erfolgten stets auf ärztliche Anordnung und wurden größtenteils von einzelnen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Hinsichtlich der für die Kostentragung maßgeblichen Grundlage ist zwischen den Streitjahren bis 2005 und dem Streitjahr 2006 zu unterscheiden: 3 In den Streitjahren 1999 bis 2003 und 2005 erfolgte die Kostenübernahme durch einzelne Krankenkassen als Satzungsleistung bzw. aufgrund einer individuellen Vereinbarung: 4 Die Betriebskrankenkasse securvita (BKK) hatte die Heileurythmie seit 1997 als Satzungsleistung in ihren Leistungskatalog aufgenommen. Soweit Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden müssen, gehörten nach § 13 Abs. 2 BKK-Satzung vom 19./20.11.1996 zu den gesetzlich vorgesehenen Leistungen (. . .): 12/2012 „2. Leistungen der anerkannten besonderen Therapieeinrichtungen (Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Phytotherapie, Naturheilkunde)“. Eine auf Unterlassen dieser Kostentragung gerichtete Verpflichtungsanordnung der Aufsichtsbehörde erklärte das BSG mit Urteil vom 22.3.2005 (BSG, Urt. v. 22.3.2005 – B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221) für rechtswidrig. 5 Die IKK Hamburg (IKK) übernahm von April 1997 bis März 2005 die Behandlungskosten für heileurythmische Leistungen im Rahmen eines Modellprojekts zur Anthroposophischen Medizin nach §§ 63 ff. SGB V (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung). Auch insoweit handelte es sich um eine Satzungsleistung, da nach § 64 Abs. 4 i.V.m. § 194 Abs. 1 Nr. 3 SGB V die Leistungen im Rahmen von Modellprojekten in der Satzung der jeweiligen Krankenkasse zu regeln sind. 6 Die AOK X hatte eine Kostenübernahme für heileurythmische Leistungen nicht in ihren Leistungskatalog als Satzungsleistung aufgenommen, übernahm jedoch ausweislich der vom FG in Bezug genommenen Anlage K 18 die Kosten aufgrund einer individuellen Vereinbarung mit dem Kläger. 7 Mit Wirkung zum 1.1.2006 schlossen die IKK und der Berufsverband Heileurythmie e.V. (BVHE), zu dessen Mitgliedern der Kläger gehört, einen „Vertrag zur Durchführung Integrierter Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V über die Versorgung mit Anthroposophischer Medizin“. § 6 IKK-Vertrag regelt die Teilnahmevoraussetzungen für nicht-ärztliche Therapeuten dahingehend, dass diese ihre Teilnahme durch Unterzeichnung einer „Teilnahmeerklärung“ anzeigen. Die Teilnahmeberechtigung wird nach § 6 Abs. 3 IKK-Vertrag von dem jeweiligen Berufsverband erteilt, wenn der Heilmittelerbringer die in § 6 Abs. 4 IKK-Vertrag genannten Voraussetzungen nachweist. Dies setzt voraus, dass sie speziell ausgebildet sind und hinsichtlich ihrer Ausbildung und Eignung durch den jeweiligen Berufsverband überprüft und anerkannt worden sind. Dabei ist die Überprüfung und Anerkennung durch den jeweiligen Berufsverband zwingend. Als speziell ausgebildet und damit teilnahmeberechtigt gelten Heilmittelerbringer mit der durch den entsprechenden Berufsverband ausgestellten Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung sowie solche Heilmittelerbringer, die eine durch den entsprechenden Berufsverband bestätigte Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation nachweisen können. Zur Erbringung von Leistungen nach diesem Vertrag ist der Heilmittelerbringer ab dem Zeitpunkt berechtigt, ab dem er die Teilnahmeberechtigung gem. § 6 Abs. 3 IKK-Vertrag vom jeweiligen Berufsverband erhält (§ 6 Abs. 5 IKK-Vertrag). 8 Mit Wirkung zum 1.7.2006 schloss der BVHE zwei weitere Versorgungsverträge nach §§ 140a ff. SGB V: Einen mit der Betriebskrankenkasse des Bundesverkehrsministeriums (BKK BVM), den anderen mit beigetretenen gesetzlichen Krankenkassen (BKK BVM, BKK Ernst & Young, BKK Herkules, BKK Kassana, BKK R+V, KEH Ersatzkasse, mhplus BKK sowie TAUNUS BKK). 9 In dem mit der BKK BVM geschlossenen Versorgungsvertrag sind die Teilnahmevoraussetzungen für nicht-ärztliche Therapeuten inhaltsgleich zu dem mit der IKK geschlossenen Vertrag geregelt, insbesondere sieht auch dieser Vertrag vor, dass die Teilnahmeberechtigung vom jeweiligen Berufsverband bei Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzungen erteilt wird (§ 6 Abs. 3 BKKBVM-Vertrag) und der Heilmittelerbringer von dem Zeitpunkt an berechtigt ist, Leistungen nach diesem Vertrag 12/2012 Rechtsprechung zu erbringen, ab dem er die Teilnahmeberechtigung vom jeweiligen Berufsverband erhält. 10 Der mit Wirkung ab 1.7.2006 in Kraft getretene Vertrag mit beigetretenen gesetzlichen Krankenkassen regelt in § 2 Nr. 1, dass die „Leistungserbringung eine Zulassung des Leistungserbringers durch den jeweiligen Berufsverband voraussetzt“. Die Durchführung der Behandlung darf nur hierfür analog den gemeinsamen Empfehlungen nach § 124 Abs. 4 SGB V von qualifizierten Therapeuten und in nach § 124 Abs. 2 SGB V zugelassenen Praxen erfolgen. 11 In den für die Streitjahre abgegebenen Umsatzsteuererklärungen erfasste der Kläger die als Heileurythmist erbrachten Leistungen nicht, da es sich seiner Ansicht nach um nach § 4 Nr. 14 UStG 1999/2005 steuerfreie Leistungen handelte. 12 Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 1999 bis 2003 vertrat das beklagte FA die Ansicht, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG lägen wegen fehlender Kassenzulassung des Klägers und wegen fehlender Aufnahme der Heileurythmie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht vor. Hierauf setzte das FA die Umsatzsteuer für 1999 bis 2003 mit den Bescheiden vom 14.10.2005 fest. Außerdem änderte das FA die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen 2005 und 2006 mit den Bescheiden vom 19.4.2007 (Umsatzsteuer 2005) und vom 8.5.2008 (Umsatzsteuer 2006). Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. 13 Das FG gab nur der Klage wegen Umsatzsteuer 2006 statt und wies die Klage im Übrigen als unbegründet ab. Zur Begründung führte es in seinem veröffentlichten Urteil im Wesentlichen aus: 14 Die bis einschließlich 2005 erbrachten Leistungen des Klägers seien steuerpflichtig, weil insoweit der berufliche Befähigungsnachweis fehle. Der Berufsstand des Heileurythmisten habe keine berufsrechtliche Regelung erfahren, sodass von einer beruflichen Befähigung grundsätzlich nicht ausgegangen werden könne. Ein Befähigungsnachweis liege zwar auch vor, wenn die Leistungen des Unternehmers in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert würden. Grundlage hierfür sei in erster Linie eine Zulassung des jeweiligen Unternehmers oder seiner Berufsgruppe gem. § 124 Abs. 2 SGB V, woran es im Streitfall fehle. Die vom Kläger erbrachten Leistungen seien auch nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden. Unerheblich sei, ob den Patienten die Vergütungen für die Leistungen zu weit über 90 % nachträglich erstattet worden seien, weil im Zeitpunkt der Leistung nicht festgestanden habe, ob die Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen. An dieser Ungewissheit ändere sich auch in den Fällen des sog. Systemmangels nichts. Zu dessen Feststellung und den daraus zu ziehenden Konsequenzen seien allein die Gerichte befugt. Im Streitfall sei weder vom Kläger vorgetragen noch ersichtlich, dass eine gerichtliche Entscheidung vorliege. 15 Die Klage wegen Umsatzsteuer 2006 sei dagegen begründet, weil die Leistungen des Klägers als Regelleistungen im Sinne des BFH-Urteils vom 11.11.2004 (BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 34/02, BFHE 208, 65 = BStBl. II 2005, 316 = UR 2005, 2071) vergütet worden seien. Maßgeblich 1 2 Mit Anm. Heidner, UR 2005, 210. Mit Anm. Heidner, UR 2005, 210. 475 hierfür seien der verbindliche Abschluss von Integrierten Versorgungsverträgen und die Mitgliedschaft des Klägers im Berufsverband Heileurythmie. 16 Die vom FG zugelassene Revision haben sowohl der Kläger als auch das FA eingelegt. 17 Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das FG habe ihm die Steuerfreiheit seiner in den Streitjahren 1999 bis 2003 und 2005 erbrachten Leistungen zu Unrecht versagt: 18 Hinsichtlich der Kostentragung für heileurythmische Leistungen habe sich die Sach- und Rechtslage – gegenüber dem die Jahre 1973 bis 1978 betreffenden BFH-Urteil vom 11.11.2004 (BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 34/02, BFHE 208, 65 = BStBl. II 2005, 316 = UR 2005, 2072) – entscheidend geändert, da seit 1999 mehrere gesetzliche Krankenkassen die Kosten der Heileurythmie regelmäßig erstatteten: Die securvita als Satzungsleistung, die IKK im Rahmen eines Modellprojektes und die AOK X aufgrund einer Vereinbarung mit dem Kläger. Nach dem BFH-Urteil vom 11.11.2004 (BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 34/02, BFHE 208, 65 = BStBl. II 2005, 316 = UR 2005, 2073) genüge für die Annahme einer regelhaften Kostenübernahme der Sozialversicherungsträger die Aufnahme der Leistung in die Satzung einzelner Krankenkassen. Die Kostenübernahme beruhe somit nicht mehr – wie früher – auf Ausnahme- oder Ermessensentscheidungen der gesetzlichen Krankenkassen. 19 Dass die Heileurythmie nicht in das Leistungsverzeichnis der Heilmittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses aufgenommen worden sei, hänge damit zusammen, dass der Bundesausschuss seine Beschlüsse nur auf Antrag fasse, die Berufsverbände der Leistungserbringer der Anthroposophischen Medizin und insbesondere der Berufsverband Heileurythmie aber nicht antragsberechtigt seien und daher eine Prüfung und Empfehlung über eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 SGB V nicht in Gang setzen könnten. Das BSG habe in seinem Urteil vom 22.3.2005 (BSG, Urt. v. 22.3.2005 – B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221 – Rz. 42) die Annahme eines „Systemversagens“ als nicht fernliegend erachtet. 20 Soweit Krankenkassen in den Streitjahren die Kosten für die heileurythmischen Leistungen des Klägers trugen, hätten sie diese ganz überwiegend bzw. ausschließlich als Regelleistung übernommen, was sich aus der hohen Kostenübernahmequote von 95 % bis 98 % bei allen Patienten dieser gesetzlichen Krankenversicherungen ergebe. Entgegen der Ansicht des FA sei die Regelhaftigkeit der Kostenübernahme nicht danach zu bestimmen, ob alle Krankenkassen bundesweit und einheitlich die Kosten für die Leistungen übernehmen, sondern danach, ob die Leistung seitens der jeweils übernehmenden Kasse als Regelleistung angesehen und finanziert werde. Nur diese Auslegung entspreche dem Zweck des § 4 Nr. 14 UStG, der in der Entlastung der Kostenträger von der Umsatzsteuer liege. Entscheidend sei allein, wie die Kasse selbst die Leistung auffasse und darstelle, ob als Einzelfall-Ausnahmeentscheidung oder als Regelleistung ohne Einzelfallprüfung. Bei allen Kassen, die heileurythmische Leistungen finanzierten, sei Letzteres der Fall gewesen. Die gegenteilige Auffassung des FA führe dazu, dass nur die Aufnahme von Leistungen in den bundesweiten Leistungskatalog das Erfordernis der regelhaften Kostenübernahme erfüllen könne, obwohl nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Aufnahme der 3 Mit Anm. Heidner, UR 2005, 210. 476 Rechtsprechung Leistungen in die Heilmittel-Richtlinien lediglich ein Indiz für die Annahme der beruflichen Befähigung darstelle. 21 Soweit das FA allein auf die Aufnahme in das bundesweit einheitliche Leistungsverzeichnis der HeilmittelRichtlinien abstelle, berücksichtige es nicht die Möglichkeit von Satzungsleistungen nach § 194 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Die Aufnahme als Satzungsleistung selbst sei zwar freiwillig, mit der Aufnahme in die Satzung verpflichte sich die Kasse jedoch zu diesen Leistungen gegenüber ihren Versicherten. Im Falle von Satzungsleistungen seien die Regelungen naturgemäß nicht bundesweit einheitlich, sondern kassenindividuell. Gleichwohl erfüllten auch solche Satzungsleistungen nach dem BFHUrteil vom 11.11.2004 (BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 34/02, BFHE 208, 65 = BStBl. II 2005, 316 = UR 2005, 2074) das Erfordernis der regelhaften Kostenübernahme. 22 Dass eine regelhafte Kostenübernahme auch beim Abschluss eines Vertrags einer einzelnen Krankenkasse mit einem Leistungserbringer vorliege, ergebe sich aus dem BFH-Urteil vom 10.3.2005 (BFH, Urt. v. 10.3.2005 – V R 54/04, BFHE 210, 151 = BStBl. II 2005, 669 = UR 2005, 674). Darin sei vom BFH nicht beanstandet worden, dass das FG die berufliche Qualifikation des Klägers u.a. auf der Grundlage eines Ernährungsberatungsvertrags mit nur einer Krankenkasse sowie seiner Tätigkeit für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen bejaht habe. Der BFH habe insoweit auf die Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzungen von Versorgungsverträgen nach § 11 Abs. 2, § 23 Abs. 4, § 40, § 111 SGB V abgestellt. 23 Selbst wenn unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kein Befähigungsnachweis für die Streitjahre 1999 bis 2003 und 2005 vorliege, ergebe sich dieser aus einer Rückwirkung des vom FG für das Streitjahr 2006 anerkannten beruflichen Befähigungsnachweises, da sich im Hinblick auf die berufliche Qualifikation des Klägers ab dem Jahr 2006 nichts geändert habe. Ebenso wie das FG Baden-Württemberg (FG BW, Urt. v. 17.7.2007 – 1 K 490/04, EFG 2007, 1910) aus der zeitweisen Aufnahme der Fußreflexzonenmassage in die Heilmittel-Richtlinien ein Fortwirken der beruflichen Qualifikation angenommen habe, sei im Streitfall spiegelbildlich von einer Rückwirkung der beruflichen Qualifikation auf die Streitjahre vor Inkrafttreten der Integrierten Versorgungsverträge auszugehen. 24 Im Übrigen verstoße eine Versagung der Steuerbefreiung für die Heileurythmie sowohl gegen die Ziele der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG als auch gegen den Neutralitätsgrundsatz: 25 Ziel des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie sei es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht, die Sozialversicherungssysteme zu entlasten, sondern die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen. Da nur diejenigen Heilbehandlungen steuerbefreit seien, die unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufwiesen, müsse der Ausschluss eines bestimmten Berufs durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein, die sich auf die berufliche Qualifikation des Behandelnden und damit auf Erwägungen im Zusammenhang mit der Qualität der erbrachten Leistungen beziehen. Damit nicht vereinbar sei es, die Steuerbefreiung an eine Kassenzulassung der Berufsgruppe der Heileurythmisten zu knüpfen. Im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Krankenversicherungssysteme in den Mitgliedstaaten hande4 Mit Anm. Heidner, UR 2005, 210. 12/2012 le es sich bei der Voraussetzung einer regelhaft erbrachten Leistung der gesetzlichen Krankenkassen um kein zulässiges Kriterium. Die fehlende Kassenzulassung sage nichts über die berufliche Qualifikation eines Heileurythmisten und die Qualität seiner Leistung aus und sei somit als Kriterium ungeeignet. Dasselbe gelte für den Umstand, dass die Heileurythmie nicht Bestandteil der Heilmittel-Richtlinie sei, worauf sich das BVerfG und der BFH stützten. 26 Der Neutralitätsgrundsatz verbiete es, dass Wirtschaftsteilnehmer mit gleichartigen Umsätzen unterschiedlich behandelt werden. Anthroposophische Ärzte nähmen Heileurythmiebehandlungen seit Jahrzehnten umsatzsteuerfrei vor und seien dafür eher weniger qualifiziert als ausgebildete Heileurythmisten. Zudem gehörten Heileurythmiebehandlungen durch Heileurythmisten in anthroposophischen Krankenhäusern seit jeher zum Therapieangebot und würden dort nach § 4 Nr. 14 UStG oder § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG als umsatzsteuerfrei anerkannt. 27 Für das Streitjahr 2006 habe das FG die Steuerfreiheit zu Recht bejaht, da die Heileurythmie in den Versorgungsverträgen ausdrücklich als deren Bestandteil erwähnt sei. Den Versicherten werde ein Rechtsanspruch auf die Leistungen garantiert. Auf der Grundlage dieser Verträge finde auch eine Qualitätssicherung in Bezug auf Ausbildung und Qualifikation der beteiligten Therapeuten statt. Zudem sähen § 1 Nr. 3 und § 2 Nr. 1 eine analoge Anwendung der §§ 124 ff. SGB V ausdrücklich vor; die Leistungserbringung setze also eine Zulassung des Leistungserbringers seitens des Berufsverbandes voraus. 28 Der Kläger beantragt, 1. das angefochtene Urteil des FG Baden-Württemberg vom 22.6.2009 aufzuheben, soweit es die Streitjahre 1999 bis 2003 (12 K 179/06) und 2005 (12 K 855/09) betrifft, 2. die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 1999 bis 2003 vom 14.10.2005 sowie für das Streitjahr 2005 vom 19.4.2007 und die Einspruchsentscheidungen vom 24.3.2006 und vom 29.5.2007 aufzuheben und die Umsatzsteuer auf 0 . festzusetzen, 3. die Revision des FA betreffend das Streitjahr 2006 (12 K 2055/09) zurückzuweisen. 29 Das FA beantragt, die Revision des Klägers hinsichtlich Umsatzsteuer 1999 bis 2003 und 2005 zurückzuweisen und hinsichtlich Umsatzsteuer 2006 das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. 30 Das FG habe die Steuerfreiheit der Leistungen des Klägers in 2006 zu Unrecht bejaht, da Integrierte Versorgungsverträge keine einheitliche und verbindliche Regelung der Kostenübernahme durch alle gesetzlichen Krankenkassen enthielten. Es sei weiterhin von einem unterschiedlichen Leistungsverhalten der Kassen auszugehen. Eine klare Rechtsgrundlage bestehe nur für die Versicherungsnehmer bezüglich ihres Anspruchs auf Kostenübernahme von Heileurythmieleistungen, sofern sie bei bestimmten Krankenkassen versichert seien. Aus dem Urteil des BSG vom 22.3.2005 (BSG, Urt. v. 22.3.2005 – B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221) lasse sich nicht ableiten, dass Heileurythmie generell zum Leistungsbereich der Krankenkassen gehöre. 31 Ein Beschluss des Bundesausschusses, wonach Leistungen eines Heileurythmisten zum Leistungsumfang 12/2012 Rechtsprechung der gesetzlichen Krankenkassen (§§ 124, 92 SGB V) zählten, sei nicht bekannt und lasse sich den Gründen des FG-Urteils nicht entnehmen. Auch nach Auskunft von AOK und BKK seien die Leistungen der Heileurythmie nicht Gegenstand der Heilmittel-Richtlinien. 32 Ob und inwieweit die Nichtaufnahme der Heileurythmie in den Leistungskatalog im Hinblick auf den Wandel der Erstattungspraxis von einzelnen Sozialversicherungsträgern seine Richtigkeit habe, liege außerhalb des Entscheidungsbereichs der Finanzbehörde. Diese könne lediglich anhand der gesetzlichen Regelungen des SGB V prüfen, ob die Leistungen in der Regel von Sozialversicherungsträgern finanziert würden. 33 Eine Steuerfreiheit der streitigen Umsätze sei unvereinbar mit dem Neutralitätsgrundsatz, da dies zur Folge hätte, dass gleichartige Leistungen wegen der regional unterschiedlichen Erstattungspraxis der einzelnen Krankenkassen für die Inanspruchnahme von Leistungen, die nicht im jeweils geltenden Leistungskatalog (§ 92 SGB V) enthalten sind, umsatzsteuerrechtlich unterschiedlich zu beurteilen wären. 34 Soweit der Kläger anführe, dass Heilpraktiker und Physiotherapeuten im Gegensatz zu Heileurythmisten ausdrücklich zu den nach § 4 Nr. 14 UStG befreiten Berufen zählten und darin eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung liege, könne dem nicht gefolgt werden. Auch wenn die Tätigkeit eines Heileurythmisten mit der Tätigkeit eines Physiotherapeuten vergleichbar sei und eine ähnliche Ausbildung bzw. ähnliche Ausbildungsbedingungen vorlägen, komme es darauf nicht mehr an. Bestimmendes Merkmal für die Definition der arztähnlichen Berufe sei nach dem EuGH-Urteil Solleveld (EuGH, Urt. v. 27.4.2006 – Rs. C-443/04 und C-444/04 – Solleveld und van den Hout-van Eijnsbergen, EuGHE 2006, I-3617 = UR 2006, 587 – Rz. 37 und 40) die Qualifikation des Behandelnden. Der Heilpraktiker und der Physiotherapeut gehörten unstreitig zu den Berufen nach § 4 Nr. 14 UStG und hätten somit die Qualifikation, während der Heileurythmist die für § 4 Nr. 14 UStG erforderliche Qualifikation nicht besitze. 477 ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit (Umsatzsteuergesetz 1999: „im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes“) und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker steuerfrei. Die Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie um, wonach „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden“, steuerfrei sind. 38 § 4 Nr. 14 UStG setzt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 18.8.2011 – V R 27/10, UR 2011, 9025 = BFH/NV 2011, 2214; BFH, Urt. v. 2.9.2010 – V R 47/09, BFHE 231, 326 = BStBl. II 2011, 195 = UR 2011, 101) bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und er die dafür erforderliche berufliche Qualifikation besitzt, damit die Heilbehandlungen unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden eine ausreichende Qualität aufweisen (vgl. EuGH, Urt. v. 27.4.2006 – Rs. C-443/04 und C-444/04 – Solleveld und van den Hout-van Eijnsbergen, EuGHE 2006, I-3617 = UR 2006, 587 – Rz. 37). n Begriff der Heilbehandlung 39 2. Heilbehandlungen i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie sind Tätigkeiten, die zum Zwecke der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden (EuGH, Urt. v. 6.11.2003 – Rs. C-45/01 – Dornier, EuGHE 2003, I-12911 = UR 2003, 5846 = BFH/NV Beilage 2004, 40 – Rz. 48; EuGH, Urt. v. 20.11.2003 – Rs. C-212/01 – Unterpertinger, EuGHE 2003, I-13859 = UR 2004, 70 = BFH/NV Beilage 2004, 111). Diese Voraussetzungen lagen nach den Feststellungen des FG im Streitfall vor, denn die auf ärztliche Anordnung erbrachten heileurythmischen Leistungen des Klägers dienten dem Zweck der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen der Leistungsempfänger. y Aus den Entscheidungsgründen n Revision teilweise erfolgreich 35 II. Die Revision des Klägers wegen Umsatzsteuer 1999 bis 2003 und 2005 ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Revision des FA wegen Umsatzsteuer 2006 ist im Ergebnis begründet und führt mangels Spruchreife zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). 36 Das FG hat die Steuerfreiheit der heileurythmischen Leistungen des Klägers für die Streitjahre 1999 bis 2003 und 2005 zu Recht verneint. Für das Streitjahr 2006 kann der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht abschließend über die Steuerfreiheit der Umsätze des Klägers entscheiden. n Umsatzsteuerbefreiung von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin durch Erbringen ärztlicher oder arztähnlicher Leistungen 37 1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer 5 Mit Anm. Marchal, UR 2011, 905; Anm. Wüst, UR 2011, 906. n Nachweis der erforderlichen beruflichen Qualifikation aufgrund berufsrechtlicher Regelungen 40 3. Der Nachweis der Qualifikation kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats für die nicht unter die Katalogberufe fallenden Unternehmer insbesondere aus berufsrechtlichen Regelungen ergeben (vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 30.4.2009 – V R 6/07, BFHE 225, 248 = BStBl. II 2009, 679 = UR 2009, 563). 41 Eine berufsrechtliche Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung ist, wie das FG zu Recht festgestellt hat, für das Berufsbild des Heileurythmisten in Deutschland trotz entsprechender Initiativen der Berufsverbände bislang nicht erlassen worden. Die vom Kläger erworbene Qualifikation („Abschluss-Zeugnis“ bzw. „Heileurythmie-Diplom“ mit Zulassung als Heileurythmist) kann somit nicht auf einer derartigen berufsrechtlichen Regelung beruhen und steht ihr auch nicht gleich, da sie nicht von staatlichen, sondern von einem privaten Ausbildungsinstitut verliehen wurde. 6 Mit Anm. Widmann, UR 2003, 594. 478 Rechtsprechung 12/2012 n Nachweis der für die Leistungserbringung erforderlichen Berufsqualifikation aus einer „regelmäßigen“ Kostentragung durch Sozialversicherungsträger n Keine Zulassung der Berufsgruppe der Heileurythmisten von den gesetzlichen Krankenkassen in den Streitjahren als Leistungserbringer 42 4. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG, Urt. v. 29.10.1999 – 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132 = BStBl. II 2000, 155 = UR 1999, 494) kann der Nachweis der für die Leistungserbringung erforderlichen Berufsqualifikation auch aus einer „regelmäßigen“ Kostentragung durch Sozialversicherungsträger folgen, wobei eine derartige Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen nach der Rechtsprechung des Senats nur dann von Bedeutung ist, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat (vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 2.9.2010 – V R 47/09, BFHE 231, 326 = BStBl. II 2011, 195 = UR 2011, 101 – unter II 3 der Gründe). Die Kostentragung kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69 ff. SGB V ergeben. So ist z.B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V oder die Zulassung des Unternehmers oder seiner Berufsgruppe nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 2.9.2010 – V R 47/09, BFHE 231, 326 = BStBl. II 2011, 195 = UR 2011, 101 – unter II 3 der Gründe; BFH, Urt. v. 30.4.2009 – V R 6/07, BFHE 225, 248 = BStBl. II 2009, 679 = UR 2009, 563 – unter II 1 b der Gründe). 45 a) Weder der Kläger selbst noch die Berufsgruppe der Heileurythmisten ist in den Streitjahren als Leistungserbringer von den gesetzlichen Krankenkassen nach § 124 SGB V zugelassen. Selbst in den aktuellen Empfehlungen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen nach § 124 Abs. 2 SGB V vom 18.10.2010 sind die Heileurythmisten weder bei den zulassungsfähigen noch bei den nicht zulassungsfähigen Berufsgruppen genannt. 43 Darüber hinaus ergibt sich der für die Steuerfreiheit erforderliche Befähigungsnachweis nach der Rechtsprechung des Senats auch daraus, dass der Behandelnde die Qualifikation hat, die in einem Versorgungsvertrag gem. § 11 Abs. 2, § 40, § 111 SGB V für Leistungen von Fachkräften zur medizinischen Rehabilitation benannt ist (vgl. BFH, Urt. v. 25.11.2004 – V R 44/02, BFHE 208, 80 = BStBl. II 2005, 190 = UR 2005, 2527). Steuerfreie Leistungen kommen danach in Betracht, wenn eine Rehabilitationseinrichtung aufgrund eines mit einer Krankenkasse geschlossenen Versorgungsvertrags gem. § 11 Abs. 2, § 40, § 111 SGB V mit Hilfe von Fachkräften Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbringt. In diesem Fall sind regelmäßig sowohl die Leistungen der Rehabilitationseinrichtung als auch die Leistungen der Fachkräfte an die Rehabilitationseinrichtung steuerfrei, soweit diese Fachkräfte die in dem Versorgungsvertrag benannte Qualifikation haben. Ferner kann sich nach dem Senatsurteil vom 30.4.2009 (BFH, Urt. v. 30.4.2009 – V R 6/07, BFHE 225, 248 = BStBl. II 2009, 679 = UR 2009, 563) der berufliche Befähigungsnachweis auch aus einer Kostentragung nach § 43 SGB V in Verbindung mit einer „Gesamtvereinbarung“ ergeben. Charakteristisch für die Kostentragung in diesen Fällen ist, dass vertragliche Vereinbarungen mit gesetzlichen Krankenkassen geschlossen und zur Leistungserbringung jeweils Fachkräfte eingebunden werden, die bestimmte Qualifikationsanforderungen zu erfüllen haben. n Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen 46 b) Der berufliche Befähigungsnachweis ergibt sich auch nicht daraus, dass die betreffenden Leistungen in den durch die Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien gem. § 92 SGB V konkretisierten Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden sind oder nach Maßgabe der Satzung der jeweiligen Krankenkasse gem. § 194 Abs. 1 Nr. 3 SGB V übernommen werden (vgl. BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 34/02, BFHE 208, 65 = BStBl. II 2005, 316 = UR 2005, 2078 – unter II 4 b bb der Gründe). n Heileurythmische Leistungen keine Heilmittel im Sinne der Heilmittel-Richtlinien 47 aa) Insoweit hat das FG zu Recht entschieden, dass es sich bei den heileurythmischen Leistungen um keine Heilmittel im Sinne der Heilmittel-Richtlinien handelt und deren Kosten daher nicht von den gesetzlichen Krankenkassen getragen wurden. n Heileurythmische Leistungen als Satzungsleistung einzelner Krankenkassen 48 bb) Das FG hat in seiner Entscheidung zwar nicht berücksichtigt, dass Satzungsleistungen neben den Leistungen aus den Heilmittel-Richtlinien die zweite Kategorie von Kassenleistungen bilden, auf die der Versicherte einen Anspruch hat und der berufliche Befähigungsnachweis daher auch aus einer Kostentragung nach Maßgabe der Satzung von Krankenkassen folgen kann (BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 34/02, BFHE 208, 65 = BStBl. II 2005, 316 = UR 2005, 2079 – unter II 4 b bb der Gründe). 49 Entgegen der Auffassung des Klägers reicht es insoweit aber nicht aus, dass – wie vorliegend in den Streitjahren 1999 bis 2003 und 2005 – nur einzelne Krankenkassen die heileurythmischen Leistungen als Satzungsleistung ersetzten, da dies keine regelmäßige Finanzierung der Sozialversicherungsträger im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG und des erkennenden Senates darstellt: n Anthroposophische Medizin als Satzungsleistung n Kein Vorliegen des beruflichen Befähigungsnachweises für die Streitjahre 1999 bis 2003 und 2005 44 5. Nach diesen Grundsätzen liegt – entgegen der Auffassung des Klägers – ein beruflicher Befähigungsnachweis in den Streitjahren 1999 bis 2003 und 2005 nicht vor: 7 8 Mit Anm. Heidner, UR 2005, 254. Mit Anm. Heidner, UR 2005, 210. 50 (1) Ausweislich § 13 Abs. 2 Nr. 2 der Satzung der securvita vom 19./20.11.1996 gehörte zum Leistungskatalog der Versicherten auch die Anthroposophische Medizin und damit die Heileurythmie. Außerdem erstattete die IKK im Rahmen eines Modellprojekts zur Anthroposophischen Medizin nach §§ 63 ff. SGB V die Kosten heileurythmischer Leistungen. 9 Mit Anm. Heidner, UR 2005, 210. 12/2012 Rechtsprechung n Regelmäßige Kostentragung durch den Großteil der Träger gesetzlicher Krankenkassen 51 (2) Leistungen eines Heileurythmisten werden aber nur dann im Sinne des BVerfG-Urteils vom 29.10.1999 (BVerfG, Urt. v. 29.10.1999 – 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132 = BStBl. II 2000, 155 = UR 1999, 494) und des Senatsurteils vom 13.4.2000 (BFH, Urt. v. 13.4.2000 – V R 78/99, BFHE 191, 441 = UR 2000, 436) „in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert“, wenn ein Großteil der Träger gesetzlicher Krankenkassen eine Kostentragung in ihrer Satzung regelt. Dem steht nicht entgegen, dass die Heileurythmie als Teil der anthroposophischen Medizin nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht als Heilmittel ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift ermöglicht es den gesetzlichen Krankenkassen zwar, derartige Leistungen zu übernehmen, verpflichtet sie aber nicht dazu. n Träger der gesetzlichen Krankenversicherung 52 (a) Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind gem. § 12 i.V.m. § 21 Abs. 2 SGB I und § 4 Abs. 2 SGB V die Ortskrankenkassen (§§ 143 ff. SGB V), die Betriebskrankenkassen (§§ 147 ff. SGB V), die Innungskrankenkassen (§§ 157 ff. SGB V), die Landwirtschaftlichen Krankenkassen (§ 166 SGB V), die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 167 SGB V) und die Ersatzkrankenkassen (§ 168 SGB V). Die gesetzlichen Krankenkassen sind dezentral organisiert, ihre Zahl wechselt jährlich: Gab es im Streitjahr 1999 noch 455 gesetzliche Krankenkassen, ging ihre Zahl im Streitjahr 2000 auf 420, in 2003 auf 324 und im Streitjahr 2006 auf 267 zurück (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Daten des Gesundheitswesens 2011 – unter 8.4: Zahl der gesetzlichen Krankenkassen). n Satzungsmäßige und individuell vereinbarte Kostentragung durch drei gesetzliche Krankenkassen zur Annahme einer regelmäßigen Kostentragung nicht ausreichend 53 (b) Der Senat kann nach den Umständen des Streitfalles offen lassen, wie viele gesetzliche Krankenkassen eine Kostentragung in ihre Satzung aufzunehmen haben, damit von einer regelmäßigen Finanzierung durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auszugehen ist. Denn der Kläger hat lediglich dargelegt, dass dies – auch unter Berücksichtigung einer individuellen Vereinbarung mit der AOK X – bei lediglich drei Krankenkassen der Fall war. Zur Annahme einer regelmäßigen Kostentragung durch „die Sozialversicherungsträger“ genügt dies nicht. Soweit die Ausführungen im Senatsurteil vom 11.11.2004 (BFH, Urt. v. 11.11.2004 – V R 34/02, BFHE 208, 65 = BStBl. II 2005, 316 = UR 2005, 20710 – unter II 4 b bb und II 5 der Gründe) dahingehend verstanden worden sind, dass bereits die Kostentragung in der Satzung einer gesetzlichen Krankenkasse genügen sollte, hält der Senat hieran nicht fest. n Keine Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen wegen „Systemversagens“ 54 cc) Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich der berufliche Befähigungsnachweis auch nicht aus einer Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen wegen „Systemversagens“. 10 Mit Anm. Heidner, UR 2005, 210. 479 n Begriff des Systemversagens 55 (1) Nach der Rechtsprechung des BSG kann sich eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen ausnahmsweise ergeben, wenn die fehlende Anerkennung der Heilmethode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht (Systemversagen). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde oder zwar kein Antrag auf Anerkennung gestellt wurde, eine Überprüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wegen eines indikationsbezogenen Wirksamkeitsnachweises jedoch angezeigt gewesen wäre (BSG, Urt. v. 27.3.2007 – B 1 KR 30/06 R, SGb 2007, 287 = Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung 2007-36; BSG, Beschl. v. 9.11.2006 – B 10 KR 3/06 B, juris). Die Annahme eines Systemversagens ist ausgeschlossen, solange vertraglich zugelassene Leistungserbringer zur Behandlung der bestehenden Erkrankung in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen (LSG NW, Urt. v. 28.2.2008 – L 5 KR 113/07, juris). n Kein Systemversagen bezüglich heileurythmischer Leistungen 56 (2) Der Senat hält im Hinblick auf die dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze ein Systemversagen für ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht dargelegt hat, dass die für eine Überprüfung durch den Bundesausschuss notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen vorgelegen haben, ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass vertraglich zugelassene Leistungserbringer zur Behandlung der Erkrankungen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung standen (Versorgungslücke). 57 Hinzu kommt, dass nur die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit einen Leistungsanspruch gegen die gesetzlichen Krankenkassen aufgrund Systemversagens feststellen können (vgl. BSG, Beschl. v. 21.3.2005 – B 1 KR 16/04 B, juris; BSG, Urt. v. 28.3.2000 – B 1 KR 11/98 R, BSGE 86, 54 = SGb 2001, 436). Aus der veröffentlichten sozialgerichtlichen Rechtsprechung ergeben sich für ein Systemversagen bei heileurythmischen Leistungen keine Anhaltspunkte, insbesondere nicht aus dem vom Kläger angeführten BSG-Urteil vom 22.3.2005 (BSG, Urt. v. 22.3.2005 – B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221). Darin hat das BSG lediglich zu den Grenzen aufsichtsbehördlichen Einschreitens bei besonderen Therapieeinrichtungen, zu denen auch die Heileurythmie gehört, eingehend Stellung genommen. Soweit der Kläger behauptet, aus diesem Urteil (BSG, Urt. v. 22.3.2005 – B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221 – Rz. 42) ergebe sich, dass das BSG die Annahme eines „Systemversagens“ für nicht fernliegend erachte, ist dies dem Urteil nicht zu entnehmen. Im Zusammenhang mit einem Systemversagen hat das BSG vielmehr offen gelassen, welche Folgen für aufsichtsrechtliche Maßnahmen sich aus seinem Urteil vom 16.9.1997 (BSG, Urt. v. 16.9.1997 – 1 RK 28/95, BSGE 81, 54 [71 f.]) ergeben. Selbst wenn sich die behauptete Aussage dem Urteil sinngemäß entnehmen ließe, enthielte sie jedenfalls nicht die für eine „regelhafte“ Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erforderliche Feststellung eines Systemversagens. 480 Rechtsprechung 58 Im Übrigen wäre selbst die sozialgerichtliche Feststellung eines Systemversagens für heileurythmische Leistungen nur dann zu berücksichtigen, wenn die hieraus folgende Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen auch den Charakter eines Befähigungsnachweises hätte (Senatsurteil des BFH, Urt. v. 2.9.2010 – V R 47/09, BFHE 231, 326 = BStBl. II 2011, 195 = UR 2011, 101 – unter II 3 der Gründe). n Keine Rückwirkung eines für spätere Streitjahre anerkannten Befähigungsnachweises 59 dd) Der für die Steuerfreiheit heileurythmischer Leistungen erforderliche Befähigungsnachweis für die Jahre 1999 bis 2003 und 2005 kann auch nicht aus einer Rückwirkung des vom FG für das Streitjahr 2006 anerkannten Befähigungsnachweises abgeleitet werden. n Im Umsatzsteuerrecht geltendes Abschnittsprinzip 60 (1) Nach dem auch im Umsatzsteuerrecht geltenden Abschnittsprinzip (vgl. BFH, Urt. v. 12.6.1975 – V R 42/74, BFHE 116, 201 = BStBl. II 1975, 755 = UR 1975, 191; BFH, Urt. v. 25.11.1976 – V R 98/71, BFHE 121, 550 = BStBl. II 1977, 448 = UR 1977, 15511; BFH, Urt. v. 27.6.1991 – V R 106/86, BFHE 165, 304 = BStBl. II 1991, 860 = UR 1991, 317; BFH, Urt. v. 18.6.1993 – V R 101/88, BFH/NV 1994, 746) werden alle steuerrechtlich erheblichen Vorgänge für diesen Besteuerungszeitraum erfasst, ohne dass grundsätzlich eine Bindung an die Beurteilung in einem vorangegangenen Besteuerungszeitraum besteht oder für einen folgenden Besteuerungszeitraum eintritt (BFH, Urt. v. 27.6.1991 – V R 106/86, BFHE 165, 304 = BStBl. II 1991, 860 = UR 1991, 317 – unter II 1 der Gründe; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 211a Rz. 1). Liegen – wie im Streitfall – die Voraussetzungen der Steuerfreiheit in den Streitjahren 1999 bis 2003 und 2005 nicht vor, kann das Fehlen von einzelnen Tatbestandsmerkmalen grundsätzlich nicht dadurch ersetzt werden, dass auf deren Vorliegen in einem späteren Veranlagungszeitraum (2006) rekurriert wird. n Kein Entgegenstehen der Senatsrechtsprechung zur Rückwirkung von Bescheinigungen 61 (2) Etwas anderes ergibt sich – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht aus der Senatsrechtsprechung zur Rückwirkung von Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG (BFH, Urt. v. 20.8.2009 – V R 25/08, BFHE 226, 479 = BStBl. II 2010, 15 = UR 2010, 29) sowie zur rückwirkenden Anerkennung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-Richtlinie (BFH, Urt. v. 18.2.2010 – V R 28/08, BFHE 228, 474 = BStBl. II 2010, 876 = UR 2010, 376). 62 Im BFH-Urteil vom 20.8.2009 (BFH, Urt. v. 20.8.2009 – V R 25/08, BFHE 226, 479 = BStBl. II 2010, 15 = UR 2010, 29) beruhte die Rückwirkung auf dem Vorliegen eines – im Streitfall nicht vorhandenen – Grundlagenbescheids (§ 171 Abs. 10 AO), im BFH-Urteil vom 18.2.2010 (BFH, Urt. v. 18.2.2010 – V R 28/08, BFHE 228, 474 = BStBl. II 2010, 876 = UR 2010, 376) auf einer Bescheinigung der Bezirksregierung. Im Streitfall liegt keine (rückwirkende) Bescheinigung über die Befähigung des Klägers vor, die für die Steuerfreiheit im Streitjahr 2006 maßgeblichen Versorgungsverträge wurden erst mit Wirkung ab 1.1.2006 bzw. ab 1.7.2006 abgeschlossen. 11 Mit Anm. Weiß, UR 1977, 157. 12/2012 n Kein Entgegenstehen der Rechtsprechung zum Fortwirken einer beruflichen Qualifikation nach Streichung der Leistung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen 63 (3) Auch die Berufung des Klägers auf die Ausführungen des FG Baden-Württemberg (FG BW, Urt. v. 17.7.2007 – 1 K 490/04, EFG 2007, 1910) führt nicht zur Annahme eines rückwirkenden Befähigungsnachweises. Anders als im Streitfall ging es dort nicht um die Rückwirkung eines Befähigungsnachweises, sondern um das Fortwirken der beruflichen Qualifikation nach Streichung der Fußreflexzonenmassage aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, wobei der spätere Leistungsausschluss nicht auf der beruflichen Qualifikation der Behandelnden und der Qualität der erbrachten Leistungen beruhte. n Kein Verstoß gegen Unionsrecht 64 ee) Die Versagung der Steuerbefreiung für heileurythmische Leistungen in den Streitjahren 1999 bis 2003 und 2005 verstößt nicht gegen Unionsrecht. n Zulässiges Differenzierungskriterium der regelhaften Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen 65 (1) Ohne Erfolg macht der Kläger insoweit geltend, das Erfordernis der regelhaften Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen stelle im Hinblick auf Ziel und Zweck des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EGRichtlinie kein zulässiges Differenzierungskriterium dar, weil eine fehlende Kassenzulassung nichts über die berufliche Qualität des Heileurythmisten und die Qualität seiner Leistung aussagen. Abgesehen davon, dass die regelmäßige Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen nur Indizcharakter hat, ist die Verknüpfung zur Qualität der erbrachten Heilbehandlungsleistung nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dadurch gewährleistet, dass einer Kostentragung nur dann indizielle Bedeutung zukommt, wenn diese den Charakter eines Befähigungsnachweises hat (vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 2.9.2010 – V R 47/09, BFHE 231, 326 = BStBl. II 2011, 195 = UR 2011, 101 – unter II 3 der Gründe). n Wahrung des unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes 66 (2) Die Steuerpflicht heileurythmischer Leistungen widerspricht auch nicht dem unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz. Dieser besagt insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze ausführen, bei der „Erhebung“ der Mehrwertsteuer und im Besteuerungsverfahren nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen (vgl. zuletzt BFH, Urt. v. 2.9.2010 – V R 47/09, BFHE 231, 326 = BStBl. II 2011, 195 = UR 2011, 101 – unter II 2 der Gründe m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH). 67 Von gleichartigen Leistungen in diesem Sinne ist bei Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nur insoweit auszugehen, als sie eine gleichwertige Qualität aufweisen (vgl. BFH, Urt. v. 2.9.2010 – V R 47/09, BFHE 231, 326 = BStBl. II 2011, 195 = UR 2011, 101 – unter II 2 der Gründe; EuGH, Urt. v. 27.4.2006 – Rs. C-443/04 und C-444/04 – Solleveld und van den Hout-van Eijnsbergen, EuGHE 2006, I-3617 = UR 2006, 587 – Rz. 40). Für heileurythmische Leistungen, für die kein Rechtsanspruch auf 12/2012 Rechtsprechung 481 Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen besteht, fehlt ein Indiz für die erforderliche Qualifikation des Behandelnden. Da sich der Befähigungsnachweis auch nicht aus anderen Indizien ergibt, fehlt es damit im Ergebnis an der Gleichartigkeit der erbrachten Leistungen, und ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz ist ausgeschlossen. der Abschlussprüfung vom 28.11.1994 wurde ihm hierauf das Abschluss-Zeugnis verliehen sowie später das „Heileurythmie-Diplom“ ausgestellt. Diese Ausbildung ist nach § 3 Nr. 1 BVHE-Satzung anerkannt und berechtigt den Kläger, im Zusammenhang mit einem verordnenden Arzt bei Erwachsenen und Kindern Heileurythmie anzuwenden. n Mögliche Steuerfreiheit der heileurythmischen Leistungen im Streitjahr 2006 n Anerkennung der Teilnahmeberechtigung des Leistungserbringers durch den Berufsverband 68 6. Für das Streitjahr 2006 kommt zwar eine Steuerfreiheit der heileurythmischen Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG in Betracht. Der Senat kann hierüber aber nicht abschließend entscheiden, da Feststellungen dazu fehlen, ob und ggf. ab welchem Zeitpunkt dem Kläger die Teilnahmeberechtigung an den Integrierten Versorgungsverträgen von seinem Berufsverband erteilt wurde. 74 cc) Allerdings sind die Leistungserbringer – und damit auch der Kläger – erst von dem Zeitpunkt an berechtigt, Leistungen nach den Integrierten Versorgungsverträgen zu erbringen, ab dem sie die Teilnahmeberechtigung von dem jeweiligen Berufsverband erhalten haben (§ 6 Nr. 5 IKK-Vertrag). Diese Teilnahmeberechtigung wird von dem jeweiligen Berufsverband erteilt, wenn der Leistungserbringer die in § 6 Nr. 4 IKK-Vertrag genannten Voraussetzungen nachweist und die Regelungen des Vertrags anerkennt. Dabei sind die Überprüfung und Anerkennung durch den jeweiligen Berufsverband zwingend. n Erfüllung der in Integrierten Versorgungsverträgen enthaltenen Qualifikationsanforderungen 69 a) Im Streitfall beruht die Kostentragung zwar weder auf einem Versorgungsvertrag gem. § 11 Abs. 2, § 40, § 111 SGB V noch auf § 43 SGB V in Verbindung mit einer „Gesamtvereinbarung“ (vgl. Ausführungen unter II 4). Die für Versorgungsverträge und Gesamtvereinbarungen geltenden Grundsätze gelten jedoch auch für Integrierte Versorgungsverträge (§§ 140a ff. SGB V), die Berufsverbände von Leistungserbringern mit gesetzlichen Krankenkassen abschließen, sofern der jeweilige Berufsverband die Teilnahmeberechtigung der Leistungserbringer davon abhängig macht, dass die in den Verträgen enthaltenen Qualifikationsanforderungen erfüllt werden. n Erfordernis weiterer Sachaufklärung im Streitfall 75 Zur Anerkennung der Teilnahmeberechtigung durch den Berufsverband des Klägers enthält das Urteil des FG keine Feststellungen. Eine für die Leistungserbringung durch den Kläger erforderliche Anerkennung ergibt sich insbesondere nicht aus dem im Klageverfahren als Anlage K 17a vorgelegten Schreiben vom 7.12.2007. Danach bestätigt der Berufsverband lediglich, dass der Kläger ordentliches Mitglied des Berufsverbands ist und an der Integrierten Versorgung mit der IKK und den anderen beigetretenen Kassen teilnimmt. Ab welchem Zeitpunkt dem Kläger die Teilnahmeberechtigung für die jeweiligen Versorgungsverträge erteilt wurde, lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen. Die fehlenden Feststellungen wird das FG daher im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. 70 b) Ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen, kann der Senat mangels Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen. n Kein Erfordernis eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH n Ordentliches Mitglied des Leistungserbringers in dem am Integrierten Versorgungsvertrag beteiligten Berufsverband 71 aa) Die vom BVHE zu Beginn und im Laufe des Streitjahres abgeschlossenen Integrierten Versorgungsverträge mit gesetzlichen Krankenkassen betreffen die Versorgung mit Anthroposophischer Medizin, zu der auch die Heileurythmie gehört. Der Kläger war nach den Feststellungen des FG ordentliches Mitglied des BVHE und konnte damit als Leistungserbringer in die integrierte Versorgung mit Anthroposophischer Medizin einbezogen werden. n Konkrete Qualifikationsanforderungen im Versorgungsvertrag 72 bb) Die Versorgungsverträge enthalten auch konkrete Qualifikationsanforderungen an die Leistungserbringer. Diese können nur dann zugelassen werden, wenn sie speziell ausgebildet sind. Als speziell ausgebildet und damit teilnahmeberechtigt gelten Heilmittelerbringer mit der durch den entsprechenden Berufsverband ausgestellten Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung (vgl. § 6 Nr. 4 IKK-Vertrag). 73 Der Kläger hatte im Anschluss an eine vierjährige Grundausbildung in Eurythmie ein eineinhalbjähriges Aufbaustudium in Heileurythmie absolviert. Aufgrund 76 7. Eine Vorlage an den EuGH zur Einholung einer Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ist nicht erforderlich, da die im Streitfall entscheidungserhebliche Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie durch die EuGH-Rechtsprechung (insbesondere EuGH, Urt. v. 10.9.2002 – Rs. C-141/00 – Kügler, EuGHE 2002, I-6833 = UR 2002, 513; EuGH, Urt. v. 27.4.2006 – Rs. C-443/04 und C-444/04 – Solleveld und van den Hout-van Eijnsbergen, EuGHE 2006, I-3617 = UR 2006, 587) bereits hinreichend geklärt ist. Änderung der Bemessungsgrundlage Zur Vorsteuerberichtigung beim letzten Abnehmer einer Lieferkette wegen ihm außerhalb der Lieferkette gewährter Herstellerrabatte UStG § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 a.F., § 17 Abs. 1 Satz 4; 6. EG-Richtlinie Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts durch nachträglich ausgezahlte Gutschriften, ist dessen Vorsteuerabzug nicht nach § 17 482 Rechtsprechung Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 15.12.2004 gültigen Fassung zu berichtigen. BFH, Urt. v. 15.2.2012 – XI R 24/09 Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urt. v. 29.5.2009 – 1 K 4494/08 U, EFG 2010, 456 y Sachverhalt 1 I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin, eine GmbH, im Streitjahr 2004 den von ihr in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. – in der bis zum 15.12.2004 gültigen Fassung – berichtigen muss, weil sie außerhalb einer Lieferkette nachträglich gewährte Herstellerrabatte erhalten hatte. 2 Die Klägerin war u.a. im Baustoffhandel tätig. Sie bezog im Streitjahr Zement von der D-GmbH, die ihrerseits den Zement von der Z-AG bezog. Die Z-AG gewährte der Klägerin außerhalb der Lieferkette Rabatte in Form von nachträglich ausgezahlten Gutschriften. Die Z-AG minderte unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 15.10.2002 (EuGH, Urt. v. 15.10.2002 – Rs. C-427/98 – Kommission/Deutschland, EuGHE 2002, I-8315 = BStBl. II 2004, 328 = UR 2002, 523) ihre steuerpflichtigen Umsätze für das Kalenderjahr 2004 in Höhe der gewährten Rabatte und berichtigte den von ihr geschuldeten Steuerbetrag entsprechend. 3 Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der Klägerin durch das FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung D vertrat der Prüfer die Auffassung, dass korrespondierend zu der Steuerminderung der Z-AG der Vorsteuerabzug bei der Klägerin als Empfängerin der Rabatte zu mindern sei. Dementsprechend änderte das beklagte FA mit Bescheid vom 24.10.2006 den Umsatzsteuerbescheid für 2004. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Das FA änderte während des Einspruchsverfahrens den Umsatzsteuerbescheid für 2004 mit Bescheid vom 19.2.2008 erneut und nahm die Vorsteuerkürzung, soweit sie den Zeitraum 1.1. bis 30.4.2004 betraf, wieder zurück. Im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg. 4 Das FG wies die sich anschließende Klage als unbegründet ab. Die ab dem 16.12.2004 geltende Neuregelung des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG, wonach ein durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigter Unternehmer seinen Vorsteuerabzug auch dann berichtigen müsse, wenn er nicht Leistungsempfänger der Ausgangsumsätze sei, sei auf den Streitfall nicht anzuwenden. Alle relevanten Vorgänge (Rabattgewährung durch die Z-AG) lägen im Streitjahr vor diesem Zeitpunkt. 5 Die Vorsteuer könne jedoch nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. berichtigt werden. Der Wortlaut der Vorschrift sei nicht eindeutig. Er schließe nicht aus, dass „der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist“ im Sinne dieser Berichtigungsvorschrift auch der sei, an den der Umsatz auf einer späteren Stufe innerhalb einer Lieferkette ausgeführt werde. Zur Vermeidung systemwidriger Vorsteuerüberhänge müsse jede Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage und die damit einhergehende Minderung der Umsatzsteuer korrespondierend eine Minderung der Vorsteuer des Unternehmers nach sich ziehen, bei dem die geminderte Bemessungsgrundlage wirtschaftlich die Aufwendungen für seine Eingangsleistungen reduziere. Dies gelte selbst dann, wenn der Gesetzgeber entsprechend der früher von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung ursprünglich die Vorstellung gehabt habe, eine Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage könne nur innerhalb einer konkreten Leistungsbeziehung in 12/2012 Betracht kommen. Denn § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. sei im Lichte der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH auszulegen. 6 Das Urteil ist veröffentlicht. 7 Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. Die vom FG getroffene Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut dieser Berichtigungsvorschrift sei unzulässig. Das FG nehme damit einen Akt der Rechtsetzung vor, der dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Deutschland habe vor der Änderung des Umsatzsteuergesetzes mit Wirkung vom 16.12.2004 die im Streitfall einschlägige Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie bewusst nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG sei daher nicht nur klarstellend, sondern rechtsbegründend. Sie könne nur auf Sachverhalte Anwendung finden, die – anders als im Streitfall – nach dem 16.12.2004 verwirklicht worden seien. Eine Rückwirkung sei § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht beigelegt worden. 8 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom 19.2.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.11.2008 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2004 auf einen bestimmten Betrag festgesetzt wird. 9 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. 10 Es trägt vor, die Auslegung des dem § 17 UStG zugrunde liegenden Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie durch die Rechtsprechung des EuGH sei von der Finanzverwaltung zunächst nicht geteilt worden. Die Verwaltung habe sich mit Veröffentlichung des EuGH-Urteils Kommission/Deutschland (in BStBl. II 2004, 328) unter gleichzeitiger Bekanntgabe des BMF-Schreibens vom 19.12.2003 (BMF, Schr. v. 19.12.2003 – IV B 7 - S 7200 101/03, BStBl. I 2004, 443 = UR 2004, 100) dieser Auslegung jedoch angeschlossen. Da die betroffenen Unternehmer erst mit Veröffentlichung dieses BMF-Schreibens im Bundessteuerblatt Teil I vom 30.4.2004 von der Änderung der Verwaltungsauffassung erfahren hätten, sei aus Vertrauensschutzgründen von einer Vorsteuerberichtigung für vor dem 30.4.2004 erhaltene Preisnachlässe abgesehen worden, wie dies im Streitfall durch den Änderungsbescheid vom 19.2.2008 geschehen sei. Die mit Wirkung vom 16.12.2004 erfolgte Änderung des § 17 Abs. 1 UStG durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG) vom 9.12.2004 (BGBl. I 2004, 3310) sei nach der Gesetzesbegründung zu Art. 5 Nr. 12 EURLUmsG (BR-Drucks. 605/04, 69–71) lediglich klarstellend. y Aus den Entscheidungsgründen n Revision erfolgreich 11 II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Umsatzsteuer (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Eine Rechtsgrundlage zur Berichtigung des von der Klägerin in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs ist nicht vorhanden. n Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags und des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs nach einer Änderung der Bemessungsgrundlage 12 1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt 12/2012 Rechtsprechung bemessen; nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (abzüglich der Umsatzsteuer). Hat sich diese Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so haben nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F.) und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F.) entsprechend zu berichtigen. n Keine Minderung der Bemessungsgrundlage für Umsätze des Zwischenhändlers an den letzten Unternehmer der Lieferkette 13 a) Für die an die Klägerin von der D-GmbH ausgeführten Umsätze (Zementlieferungen) hat sich die Bemessungsgrundlage, das Entgelt, nicht gemindert. Es fehlt mithin insoweit an den Voraussetzungen, an die die Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. anknüpft. n Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags des ersten Unternehmers bei Minderung der Bemessungsgrundlage für seine Umsätze an den Zwischenhändler 14 b) Der Umsatz, dessen Bemessungsgrundlage sich nachträglich geändert hat, wurde nicht an die Klägerin, sondern (von der Z-AG) an die D-GmbH ausgeführt. 15 Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer – wie im Streitfall die Z-AG der Klägerin – einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers – hier der Umsatz der Z-AG an die D-GmbH – (vgl. EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-317/94 – Elida Gibbs, EuGHE 1996, I-5339 = BStBl. II 2004, 324 = UR 1997, 2651; EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-288/94 – Argos Distributors Ltd., EuGHE 1996, I-5311 = UR 1997, 263; EuGH, Urt. v. 15.10.2002 – Rs. C-427/98 – Kommission/Deutschland, EuGHE 2002, I-8315 = BStBl. II 2004, 328 = UR 2002, 523; BFH, Urt. v. 12.1.2006 – V R 3/04, BFHE 213, 69 = BStBl. II 2006, 479 = UR 2006, 2852 – unter II 1 b der Gründe; BFH, Urt. v. 13.7.2006 – V R 46/05, BFHE 214, 463 = BStBl. II 2007, 186 = UR 2007, 148 – unter II 2 der Gründe; BFH, Urt. v. 13.3.2008 – V R 70/06, BFHE 221, 429 = BStBl. II 2008, 997 = UR 2008, 651 – unter II 1 b aa der Gründe). Diese – die Z-AG – konnte daher den für ihren Umsatz an ihren Abnehmer der nächsten Stufe – die D-GmbH – geschuldeten Steuerbetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. zu ihren Gunsten berichtigen (vgl. BFH, Urt. v. 12.1.2006 – V R 3/04, BFHE 213, 69 = BStBl. II 2006, 479 = UR 2006, 2853 – unter II 1 b der Gründe). Der von der D-GmbH an die Klägerin ausgeführte Umsatz ist hiervon nicht betroffen. n Für die Berichtigung des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs nach einer Änderung der Bemessungsgrundlage maßgeblicher Unternehmer 16 2. Entgegen der Vorentscheidung und der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (BMF, Schr. v. 1 Mit Anm. Weiß, UR 1997, 268. 2 Mit Anm. Stadie, UR 2006, 287. 3 Mit Anm. Stadie, UR 2006, 287. 483 19.12.2003 – IV B 7 - S 7200 - 101/03, BStBl. I 2004, 443 = UR 2004, 100 – Rz. 14) kann § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass – wie das FG entschied – Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift (= „Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist“) auch der ist, an den der Umsatz, dessen Bemessungsgrundlage sich geändert hat, zwar nicht ausgeführt wurde, der aber Leistungsempfänger auf einer späteren Stufe innerhalb einer Lieferkette war (vgl. Nieskens, UR 2004, 441 – unter II 4; a.A. Nieskens, UR 2004, 640; Nieskens, UR 2005, 57 – unter III 3 c cc; Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 17 UStG Rz. 53; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 UStG Anm. 139). n Richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts 17 a) Die Rechtsprechung ist sowohl nach nationalem (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 15.4.2010 – IV R 5/08, BFHE 229, 524 = BStBl. II 2010, 912 – unter II 2 b bb der Gründe m.w.N.) als auch nach Unionsrecht (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 27.11.2003 – Rs. C-497/01 – Zita Modes, EuGHE 2003, I-14393 = UR 2004, 194 = BFH/NV Beilage 2004, 128 – Rz. 34 m.w.N.) verpflichtet, den Sinn und Zweck einer Norm unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in das Gesetz und damit ihres systematisch-teleologischen Zusammenhangs zu ermitteln. Ein Gericht hat sich bei der Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen auszurichten (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 11.7.2002 – Rs. C-62/00 – Marks & Spencer, EuGHE 2002, I-6325 = UR 2002, 436 – Rz. 24 m.w.N.). n Richtlinienkonformität einer Auslegung von mehreren möglichen Auslegungen des nationalen Rechts 18 b) Die hiernach gebotene richtlinienkonforme Auslegung kommt nur in Betracht, wenn es im konkreten Fall verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 2.4.1998 – V R 34/97, BFHE 185, 536 = BStBl. II 1998, 695 = UR 1998, 3495 – unter II 3 b der Gründe; BFH, Urt. v. 22.1.2004 – V R 41/02, BFHE 204, 371 = BStBl. II 2004, 757 = UR 2004, 248 – unter II 1 der Gründe; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rz. 246 m.w.N.). Lässt der Gesetzestext mehrere Auslegungen zu und ist nur eine mit dem Unionsrecht vereinbar, so ist – wie bei der verfassungskonformen Auslegung im Hinblick auf das Grundgesetz – der Auslegung der Vorzug zu geben, nach der die Norm nicht als unionsrechtswidrig einzustufen ist (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 8.9.2010 – XI R 40/08, BFHE 231, 343 = BStBl. II 2011, 661 = UR 2011, 322 – unter II 4 der Gründe; BFH, Urt. v. 29.6.2011 – XI R 15/10, BFHE 233, 470 = BStBl. II 2011, 839 = UR 2011, 837 – unter II 2 der Gründe; zur verfassungskonformen Auslegung vgl. Klein/Gersch, AO, 10. Aufl., § 4 AO Rz. 33 m.w.N.). n Keine richtlinienkonforme Auslegung gegen den Wortlaut und Wortsinn des nationalen Gesetzes 19 c) Die in der Vorentscheidung getroffene richtlinienkonforme Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht möglich. Sie geht über Wortlaut und Wortsinn des Gesetzestextes hinaus. Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. (Vorsteuerberichtigung bei dem „Unternehmer, an den 4 Mit Anm. Wäger, UR 2004, 24. 5 Mit Anm. Stadie, UR 1998, 351. 484 Rechtsprechung dieser Umsatz ausgeführt worden ist“) ist – entgegen dem FG – eindeutig. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin wäre danach nur bei einer Änderung der Bemessungsgrundlage für den zwischen der Klägerin und der D-GmbH ausgeführten Umsatz vorzunehmen; das Entgelt für diesen Umsatz ist aber – wie dargelegt – unverändert (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 UStG Anm. 139; ferner BFH, Urt. v. 12.1.2006 – V R 3/04, BFHE 213, 69 = BStBl. II 2006, 479 = UR 2006, 2856 – unter II 1 b der Gründe). Diese Regelung ist mithin nicht auslegungsfähig (vgl. Nieskens, UR 2004, 441 – unter II 4). Das für die Klägerin günstigere nationale Recht geht in diesem Fall dem Unionsrecht vor (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 25.11.2004 – V R 4/04, BFHE 208, 470 = BStBl. II 2005, 415 = UR 2005, 553 – unter II A 4 c der Gründe m.w.N.). n Unterlassen einer rechtzeitigen Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in nationales Recht trotz Kenntnis der Richtlinienwidrigkeit des nationalen Rechts 20 3. Über seinen Wortlaut hinaus ist § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht anzuwenden. Einer teleologischen Extension steht entgegen, dass der Gesetzgeber bis zur Änderung des § 17 Abs. 1 UStG durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz mit Wirkung ab 16.12.2004 es – in Kenntnis der Problematik – unterlassen hatte, die nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen bei Rabattgewährungen außerhalb einer Lieferkette – wie im Streitfall – in nationales Recht umzusetzen. n Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs nach Gemeinschaftsrecht in der Auslegung durch den EuGH 21 a) Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, „wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei . . . erlangten Rabatten . . .“ 22 Hierzu führte der EuGH für den Fall, dass eine Vergütung nicht an den Leistungsempfänger des Rabattgewährenden, sondern an einen anderen zum Vorsteuerabzug berechtigten Abnehmer einer Lieferkette gewährt wird, der die Ware für sein Unternehmen verwendet, aus, „ein Vorsteuerüberhang, der sich aus der nachträglichen Erstattung eines Gutscheins ergäbe, [kann] dadurch verhindert werden, dass bei dem Endabnehmer eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie vorgenommen wird. Diese Vorschrift sieht nämlich vor, dass der ursprüngliche Vorsteuerabzug berichtigt werden kann, wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben“ (EuGH, Urt. v. 15.10.2002 – Rs. C-427/98 – Kommission/Deutschland, EuGHE 2002, I-8315 = BStBl. II 2004, 328 = UR 2002, 523 – Rz. 66). n Anpassung der Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs an das Gemeinschaftsrecht erst durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz 23 b) Eine dementsprechende Vorsteuerberichtigung war im Umsatzsteuergesetz ursprünglich nicht vorgese6 Mit Anm. Stadie, UR 2006, 287. 7 Mit Anm. Weiß, UR 1997, 268. 12/2012 hen. Erst mit § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG i.d.F. des EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetzes wurde Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie insoweit in nationales Recht umgesetzt und eine Berichtigung der abgezogenen Vorsteuer für den Fall angeordnet, dass ein anderer Unternehmer als der, für den der Umsatz ausgeführt wurde, durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt wird. n Nach Auffassung der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung vor der Gesetzesänderung Entgeltminderung nur in der jeweiligen Leistungsbeziehung 24 aa) Sowohl die Rechtsprechung des BFH (vgl. noch BFH, Beschl. v. 14.4.1983 – V B 28/81, BFHE 138, 113 = BStBl. II 1983, 393 = UR 1983, 106) als auch die Finanzverwaltung (vgl. noch BMF, Schr. v. 25.5.1998 – IV C 3 S 7200 - 29/98, BStBl. I 1998, 627 = UR 1998, 283) gingen hinsichtlich § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. davon aus, dass sich eine Entgeltminderung nur in der jeweiligen Leistungsbeziehung ergeben könne. n Übereinstimmung der früheren Auffassung der Bundesregierung mit alter Rechtsprechung und Ansicht der Finanzverwaltung 25 bb) Die Bundesregierung teilte zum Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 UStG a.F. in ihrem Antwortschreiben vom 10.11.1992 auf eine Anfrage der Europäischen Kommission mit, dass „Voraussetzung für eine Berichtigung der Steuer und Vorsteuer nach § 17 Abs. 1 UStG . . . eine Änderung der Bemessungsgrundlage für den Umsatz des Lieferers an seinen unmittelbaren Abnehmer“ sei (vgl. EuGH, Urt. v. 15.10.2002 – Rs. C-427/98 – Kommission/Deutschland, EuGHE 2002, I-8315 = BStBl. II 2004, 328 = UR 2002, 523 – Rz. 11). n Aufrechterhaltung der Auffassung der Bundesregierung auch nach den EuGH-Urteilen Elida Gibbs und Argos Distributors 26 cc) Auch nach Ergehen der EuGH-Urteile Elida Gibbs (EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-317/94 – Elida Gibbs, EuGHE 1996, I-5339 = BStBl. II 2004, 324 = UR 1997, 2657) und Argos Distributors Ltd. (EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-288/94 – Argos Distributors Ltd., EuGHE 1996, I-5311 = UR 1997, 263) vertrat die deutsche Regierung noch 2002 im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland vor dem EuGH die Ansicht, dass eine Verminderung der Besteuerungsgrundlage des Herstellers in den Fällen, in denen der Hersteller und der, dem der Gutschein letztlich erstattet werde, nicht in einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zueinander stünden, dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer widerspreche; deshalb habe sie das einschlägige nationale Recht nicht an die Entscheidung des EuGH im Urteil Elida Gibbs (EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-317/94 – Elida Gibbs, EuGHE 1996, I-5339 = BStBl. II 2004, 324 = UR 1997, 2658) angepasst (vgl. EuGH, Urt. v. 15.10.2002 – Rs. C-427/98 – Kommission/Deutschland, EuGHE 2002, I-8315 = BStBl. II 2004, 328 = UR 2002, 523 – Rz. 17 bis 20, 34). Gegen den Neutralitätsgrundsatz werde auch verstoßen, wenn von einer formellen Berichtigung der Besteuerungsgrundlage des Herstellers, die auch den Vorsteuerabzug des Einzelhändlers berühre, abgesehen werde, da die Steuerpflichtigen nur bei einem System, 8 Mit Anm. Weiß, UR 1997, 268. 12/2012 Rechtsprechung bei dem sich die Steuerschuld des Lieferanten und der Vorsteuerabzug des Abnehmers betragsmäßig entsprächen, nicht von der Mehrwertsteuer belastet würden (vgl. EuGH, Urt. v. 15.10.2002 – Rs. C-427/98 – Kommission/Deutschland, EuGHE 2002, I-8315 = BStBl. II 2004, 328 = UR 2002, 523 – Rz. 36). n Keine bloße Klarstellung, sondern materielle Änderung der Rechtslage zur Vorsteuerberichtigung durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz 27 dd) Hiernach ist nicht davon auszugehen, dass eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs für einen Fall wie diesen bereits durch § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. getroffen gewesen wäre. Der Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG kommt mithin – entgegen der Ansicht des FA – rechtsbegründende Funktion zu. 28 Soweit in den Gesetzesmaterialien zu Art. 5 Nr. 12 EURLUmsG (BR-Drucks. 605/04, 70) – worauf das FA hinweist – ausgeführt wird, „§ 17 UStG ist klarstellend dahin zu ergänzen, dass sich die Bemessungsgrundlage bei dem Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt und den finanziellen Aufwand für die Vergütung des Gutscheins trägt, mindert, während bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, der Vorsteuerabzug unverändert bleibt“, ergibt sich nichts anderes. Angesichts dessen, dass der Gesetzgeber – bewusst – jahrelang davon abgesehen hat, § 17 UStG an die EuGH-Rechtsprechung im Urteil Elida Gibbs (EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-317/94 – Elida Gibbs, EuGHE 1996, I-5339 = BStBl. II 2004, 324 = UR 1997, 2659) anzupassen, kann von einer bloßen „Klarstellung“ der Rechtslage durch § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG keine Rede sein. n Keine Abweichung der Entscheidung von der Rechtsprechung des V. Senats des BFH 29 4. Soweit der V. Senat des BFH in einem Urteil, das Preisnachlässe einer Einkaufsgenossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern betrifft, zum Preisnachlass des ersten Unternehmers einer Lieferkette an den Zwischenhändler ausgeführt hat, dass sich beim Empfänger des Preisnachlasses auch im entsprechenden Umfang der Vorsteuerabzug mindere bzw. im entsprechenden Umfang zu berichtigen sei (BFH, Urt. v. 13.3.2008 – V R 70/06, BFHE 221, 429 = BStBl. II 2008, 997 = UR 2008, 651 – unter II 1 b aa der Gründe), handelt es sich um ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum, dem der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen nicht folgt und das auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung gebietet (vgl. z.B. Senatsurteil des BFH, Urt. v. 9.2.2011 – XI R 35/09, BFHE 233, 86 = BStBl. II 2011, 1000 = UR 2011, 538; Gräber/ Ruban, FGO, 7. Aufl., § 11 FGO Rz. 11 m.w.N.). n Keine rückwirkende Anwendung der durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz vorgenommenen Rechtsänderung 30 5. Die Klägerin hat – wie das FG zu Recht entschied – ihren Vorsteuerabzug auch nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 4 9 Mit Anm. Weiß, UR 1997, 268. 10 Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG) vom 9.12.2004, BGBl. I 2004, 3310. 485 UStG i.d.F. des Art. 5 Nr. 14 Buchst. a EURLUmsG zu berichtigen. 31 Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gem. § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, liegen alle umsatzsteuerrelevanten Vorgänge (Rabattgewährung durch die Z-AG) im Streitjahr vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetzes am 16.12.2004 (Art. 22 Abs. 1 EURLUmsG – am 15.12.2004 verkündet). Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch unstreitig. Da der Gesetzgeber eine rückwirkende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht vorgesehen hat, kann diese Regelung – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – nur auf Sachverhalte Anwendung finden, die nach dem 15.12.2004 verwirklicht worden sind. n Spruchreife des Rechtsstreits 32 6. Das Urteil des FG war danach aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann auf Grundlage der Feststellungen des FG selbst entscheiden. Anmerkung: 1. Entscheidung zur alten Rechtslage mit Ausstrahlung auf aktuelle Fragen Die Entscheidung XI R 24/09 vom 15.2.2012 stellt eigentlich steuerrechtliche Vergangenheitsbewältigung dar. Das Urteil betrifft einen Fall aus dem Streitjahr 2004, in dem ein Baustoffhändler Zement von einem Zwischenhändler bezogen und dessen Vorlieferant, der Hersteller des Zements, dem Baustoffhändler unmittelbar nachträgliche Gutschriften auf den Preis gewährt hatte. Das FA setzte daraufhin dessen Vorsteueranspruch herab, was der BFH nun verworfen hat. Weil der Baustoffhändler nicht Abnehmer des Zementherstellers gewesen war, verneint der BFH das Vorliegen der Voraussetzungen des damals maßgebenden § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. Dieser sah die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nur vor beim Abnehmer des Umsatzes, dessen Bemessungsgrundlage berichtigt wird. Erst Ende 2004 wurde § 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG n.F. geschaffen.10 Danach muss jeder unternehmerische Abnehmer einer Leistung eine Vorsteuerkorrektur vornehmen, der von einer Minderung der Bemessungsgrundlage „wirtschaftlich begünstigt“11 wird; dies kann auch jemand sein, der nicht unmittelbarer Abnehmer desjenigen Unternehmers ist, der seine Umsatzsteuer berichtigt. Nach neuerer Rechtslage hätte der Baustoffhändler seinen Prozess also verlieren müssen. Obwohl die Entscheidung damit keine unmittelbare Bedeutung mehr für das geltende Umsatzsteuergesetz hat, enthält sie Hinweise, die über den Fall hinausreichen. Dass in diesem Bereich zudem mit Änderungen zu rechnen ist, zeigt der neue Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 10.5.2012 zur Gutscheinproblematik12, der allerdings die hier entschiedene Fallkonstellation der Preiserstattung ohne vorherige Ausgabe eines entsprechenden Gutscheins nicht unmittelbar erfasst. 11 Kritisch zu dieser Formulierung Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 UStG Anm. 134 – Lfg. 138, April 2009. 12 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen vom 10.5.2012, COM (2012) 206 final. 486 Rechtsprechung 2. Keine Vorsteuerberichtigungspflicht nach altem Recht Ein belastender Verwaltungsakt bedarf stets einer ausreichenden ihn rechtfertigenden Rechtsgrundlage. Die vorliegende Entscheidung des XI. Senats fragt deshalb richtigerweise danach, ob das im Streitjahr maßgebende Gesetz ausgereicht hat, um dem Unternehmer seinen nach § 15 UStG zunächst (zutreffend) vorgenommenen Abzug der Vorsteuer im Wege der Berichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG wieder zu nehmen. Im vorliegenden Fall verneint er dies und lässt es damit zu, dass der Baustoffhändler die Vorsteuer behalten darf, obwohl die Umsatzsteuerschuld des Zementherstellers herabgesetzt worden ist. Auch wenn damit in der Gesamtschau des Vorgangs kein mehrwertsteuerlich neutrales Ergebnis erreicht wird, kommt der BFH zu dieser Entscheidung, weil er das systematisch eigentlich folgerichtige Ergebnis einer korrespondierenden Vorsteuerkorrektur auf § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht zu stützen vermochte. Er begründet dies damit, dass er eine richtlinienkonforme Auslegung zu Lasten des Baustoffhändlers nicht für möglich hält.13 Denn eine solche komme nur in Betracht, wenn es im konkreten Fall verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gebe. Das sei aber vorliegend nicht der Fall, weil dem der eindeutige Wortlaut und der Sinn des Gesetzestextes entgegenstehe. Das ist zutreffend. Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. ist völlig klar: Im Fall der Minderung der Bemessungsgrundlage eines Ausgangsumsatzes muss ausdrücklich nur „der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug“ berichtigen. Weil vorliegend das Entgelt aber nicht in der Lieferbeziehung von Zwischenhändler und Baustoffhändler gemindert worden ist, wird der gesetzliche Tatbestand nicht erfüllt. Damit fehlt es an der Verpflichtung zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs und mithin an einer Eingriffsgrundlage für das FA.14 Diese kann angesichts der Klarheit des Gesetzestextes auch weder aus einer Analogie noch einem Anwendungsvorrang des Unionsrechts hergeleitet werden.15 Das hatte die Finanzverwaltung seinerzeit aber angenommen16 und war mit dieser Sicht auch weder im Schrifttum17 noch in der Rechtsprechung allein geblieben, wie der Hinweis des XI. Senats auf ein noch 2008 getroffenes obiter dictum des V. Senats18 zeigt19. 3. Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur zeitnahen Umsetzung von EuGH-Rechtsprechung Die Entscheidung macht deutlich, wie begrenzt die nationalen Handlungsspielräume unter der Ägide einer zunehmend vom EuGH beherrschten Mehrwertsteuerrechtsprechung zwischenzeitlich sind. Der EuGH hatte nämlich bereits 1996 in seiner ElidaGibbs-Entscheidung20 festgestellt, dass auch bei die Lieferkette überspringenden Preisgutschriften eines 13 BFH, Urt. v. 15.2.2012 – XI R 24/09, UR 2012, 481 – Rz. 18 ff. 14 Zum steuerrechtlichen Legalitätsprinzip siehe Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., Köln 2010, § 4 Rz. 150 ff. 15 So auch Nieskens, UR 2004, 441 (448). 16 Vgl. BMF, Schr. v. 19.12.2003 – IV B 7 - S 7200 - 101/03, BStBl. I 2004, 443 = UR 2004, 100. 17 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 UStG Anm. 139 – Lfg. 138, April 2009. 18 BFH, Urt. v. 13.3.2008 – V R 70/06, BStBl. II 2008, 997 = UR 2008, 651. 19 BFH, Urt. v. 15.2.2012 – XI R 24/09, UR 2012, 481 – Rz. 29. 12/2012 Herstellers einer Ware an einen Einzelhändler oder an den letzten Abnehmer die Bemessungsgrundlage des Herstellers gemindert werden kann, obwohl sich im Verhältnis zu seinem direkten Abnehmer das Entgelt nicht ändert. Diese Rechtsprechung wurde hierzulande aber lange für falsch gehalten, weshalb man die nationale Rechtslage nicht änderte und das Urteil ignorierte, bis schließlich im Jahr 2002 in einem Vertragsverletzungsverfahren der Verstoß gegen das Sekundärrecht festgestellt wurde.21 Erst dann veröffentlichte man das Elida-Gibbs-Urteil22 und setzte es gesetzlich um. Bis dahin bestand nach Auffassung des BFH nun also eine Gesetzeslücke. Indem der BFH die späte Gesetzesänderung als bewusstes jahrelanges Unterlassen geißelt23, bringt er zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber zu einer viel rascheren Reaktion verpflichtet gewesen war. Acht Jahre darf die Umsetzung einer EuGH-Entscheidung jedenfalls nicht auf sich warten lassen. Fälle, in denen der Gesetzgeber und sein Souffleur in Gestalt des BMF ein derart hartnäckiges Beharrungsvermögen gezeigt haben, sind allerdings selten. 4. Materielle Gesetzesänderung keine bloße Klarstellung Der BFH zeiht die 2004 gegebene Gesetzesbegründung zudem der Irreführung, soweit sie vorgab, die Änderung sei nur „klarstellend“.24 Denn § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. habe für einen Fall wie den vorliegenden gerade keine Vorsteuerberichtigung vorgesehen. Das ist, wie oben aufgezeigt, letztlich richtig und ein zweiter Fingerzeig für den Gesetzgeber, nämlich bei „Klarstellungen“ genau hinzuschauen, ob das geänderte Recht wirklich bloß unklar war oder vielleicht doch ein bisschen anders als das neue. Sofern der BFH für seine Feststellungen allerdings die Stellungnahmen der Bundesregierung im damaligen Vertragsverletzungsverfahren heranzieht, geht dies meines Erachtens fehl. Denn die Bundesregierung hatte lediglich die bis dahin allgemein anerkannte Auffassung verteidigt, wonach Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigungen immer nur korrespondierend in den jeweiligen Leistungsbeziehungen erfolgen können. Im damaligen nationalen Systemverständnis stellte die Preiserstattung außerhalb einer Leistungsbeziehung deshalb keine Minderung der Bemessungsgrundlage, sondern umsatzsteuerrechtlich unbeachtlichen Werbeaufwand dar.25 Mithin stellte sich schon dem Grunde nach nicht die Frage nach der Vorsteuerberichtigung. Dass die Bundesregierung im Fall der Zulassung einer Minderung der Umsatzsteuer bei die Lieferkette überspringenden Preisgutschriften auf eine dann folgerichtige Berichtigung der Vorsteuer bei dem Unternehmer, dem die Preiserstattung zu Gute kommt, hätte verzichten wollen, kann man den damaligen Ausführungen jedenfalls kaum entnehmen. 20 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-317/94 – Elida Gibbs, EuGHE 1996, I-5339 = BStBl. II 2004, 324 = UR 1997, 265 m. Anm. Weiß. 21 EuGH, Urt. v. 15.10.2002 – Rs. C-425/98 – Kommission/ Deutschland, EuGHE 2002, I-8315 = BStBl. II 2004, 328 = UR 2002, 523. 22 Im BStBl. II 2004, 324. 23 BFH, Urt. v. 15.2.2012 – XI R 24/09, UR 2012, 481 – Rz. 28. 24 BFH, Urt. v. 15.2.2012 – XI R 24/09, UR 2012, 481 – Rz. 26 ff. 25 Vgl. Nieskens, UR 2004, 551 (448). Rechtsprechung 12/2012 5. Orientierung an der grammatikalischen Auslegung Im Ergebnis bleibt die vorliegende Entscheidung aber richtig, auch wenn das gefundene Ergebnis systematisch keineswegs befriedigen kann.26 Und sie ist insofern auch beruhigend, als sie das strenge Wortlautverständnis wieder stärker in das Zentrum der Betrachtung rückt.27 Dies ist deshalb erwähnenswert, weil man in der jüngeren Rechtsprechung des BFH eine gegenläufige Tendenz ausmachen könnte. So soll etwa die Vermögensverwaltung durch juristische Personen öffentlichen Rechts umsatzsteuerbar sein, obwohl § 2 Abs. 3 UStG eindeutig eine Anknüpfung an den Begriff des Betriebs gewerblicher Art gem. §§ 1 und 4 KStG anordnet, wonach die Vermögensverwaltung gerade nicht besteuert wird; der BFH hält das Umsatzsteuergesetz hier für eigenständig richtlinienkonform auslegungsfähig28. Ebenfalls nicht zweifelsfrei ist etwa die Entscheidung zum Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen, die für unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG verwendet werden. Hier versagt der BFH dem Unternehmer trotz Leistungsbezugs für sein Unternehmen das Recht auf Vorsteuerabzug29; der Wortlaut des § 15 Abs. 1 UStG verhinderte diese Feststellung nicht. Alle diejenigen, für die der Text des Gesetzes die erste und entscheidende Rechtsfindungsquelle darstellt, dürften der aktuellen Entscheidung deshalb eine versöhnliche Wirkung abgewinnen. Und obwohl sie vorliegend unterlegen ist, hilft die vorliegende Entscheidung insofern auch und gerade der Verwaltung, deren Aufgabe allein darin besteht, nur genau das zu vollziehen, was ihr der Gesetzgeber aufgetragen hat – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ministerialrat STEPHAN FILTZINGER, Mainz 26 Vgl. dazu ausführlich Tehler, UVR 2003, 33. 27 Zu den Wortlautgrenzen der richtlinienkonformen Auslegung siehe Reiß in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., Köln 2010, § 14 Rz. 8 ff. 28 Vgl. dazu insbesondere BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, UR 2010, 646 m. Anm. Bollweg und Küffner; BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 = UR 2011, 617 m. Anm. Küffner. 29 BFH, Urt. v. 13.1.2011 – V R 12/08, BStBl. II 2012, 61 = UR 2011, 295 m. Anm. Filtzinger; vgl. dazu auch BMF, Schr. v. 2.1.2012 – IV D 2 - S 7300/11/100002 – DOK 2011/1014846, BStBl. I 2012, 60 = UR 2012, 243 – unter II 1 c. 487 2. Beantragt der Unternehmer, zur Vermeidung von unbilligen Härten die Umsatzsteuer-Voranmeldungen (weiterhin) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in Papierform abgeben zu dürfen, muss das Finanzamt diesem Antrag entsprechen, wenn dem Unternehmer die elektronische Datenübermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. 3. Liegt eine solche wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit nicht vor, verbleibt es bei dem Anspruch des Unternehmers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts über diesen Antrag. 4. Der Unternehmer darf vom Finanzamt hinsichtlich der zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Weg erforderlichen Hard- und Software grundsätzlich nicht auf den Internetzugang anderer „Konzerngesellschaften“ verwiesen werden. BFH, Urt. v. 14.3.2012 – XI R 33/09 Vorinstanz: FG Niedersachsen, Urt. v. 20.10.2009 – 5 K 149/05, EFG 2010, 277 y Sachverhalt 1 I. Streitig ist, ob die Klägerin berechtigt ist, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abzugeben. 2 Die Klägerin ist eine im Jahr 2004 gegründete GmbH & Co. KG. Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin sind die Eheleute A und B sowie deren Kinder C und D. Einziger Kommanditist der Klägerin ist A. 3 Die Klägerin vermietet Betriebsgrundstücke an verbundene Unternehmen und erwirtschaftete in den Jahren 2005 bis 2008 einen Gewinn. Sie erstellte ihre Buchführung handschriftlich mit einem sog. „amerikanischen Journal“. 4 Mit Schreiben des A beantragte die Klägerin unter dem 12.12.2004 beim beklagten FA, ihre UmsatzsteuerVoranmeldungen weiterhin in Papierform abzugeben und begründete dies wie folgt: 5 „Umsatzsteuervoranmeldung 2005 für Steuernummer: . . . Sehr geehrte Damen und Herren, ich beantrage hiermit, auch in Zukunft die Meldungen auf amtlichem Formular handschriftlich abgeben zu dürfen, weil ich a) aus technischer Sicht, b) aus persönlichen Gründen Besteuerungsverfahren Elektronische Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen – Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steuervollzugs – Verpflichtungsklage auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts – fehlerfreie Ermessensausübung UStG § 18 Abs. 1; 6. EG-Richtlinie Art. 22 Abs. 4 Buchst. a; MwStSystRL Art. 250 Abs. 2; AO § 34 Abs. 1, § 150 Abs. 8; FGO §§ 101, 102 1. Die Verpflichtung eines Unternehmers, seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, ist verfassungsgemäß. nicht in der Lage bin, der Vorschrift zu entsprechen. Die Buchhaltung ist so klein, dass sie zurzeit ohne elektronische Hilfe erledigt werden kann. Außerdem verfügt die Buchhaltung nicht über die erforderliche Hard- und Software. Zusätzlich ist anzumerken, dass die Sachbearbeitung noch nicht in der Lage ist, mit einem PC umzugehen [. . .]“. 6 Den Antrag lehnte das FA mit Schreiben vom 21.12.2004 ab. 7 Der Einspruch vom 25.12.2004, in dem A u.a. auf sein Alter, auf das Fehlen eines Internetzugangs, auf seine mangelnde Fähigkeit zur Nutzung des Internets, auf den Umstand, dass es sich um ein „neues Unternehmen“ handele, welches „noch anlaufen“ müsse, sowie darauf verwiesen hatte, dass voraussichtlich nur ca. 150 Buchungssätze pro Jahr anfallen würden und dass die Buchführung in Form eines „amerikanischen Journals“ erstellt 488 Rechtsprechung werde, so dass ein technischer Anschluss „völlig überdimensioniert“ wäre, blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 18.3.2005 führt das FA zur Begründung aus: 8 „[. . .] Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt in Ausnahmefällen weiterhin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung in herkömmlicher Form (Papier) zulassen. Ein Härtefall kann vorliegen, wenn und solange es dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu schaffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Unternehmer – finanziell nicht in der Lage ist, entsprechende Investitionen zu tätigen oder – kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtigt oder – in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtigt. Keines dieser Merkmale trifft jedoch zu. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft zu einem Konzern gehört. Der Konzern – zu welchem die Einspruchsführerin gehört – unterhält nach den vorliegenden Wirtschaftsprüfungsberichten eine hauseigene EDV-Anlage, in der sowohl die anfallenden Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst werden. Mehrere der Konzerngesellschaften unterhalten zudem eine Internetpräsenz. Finanzielle Investitionen müssten – wenn überhaupt – nur in sehr geringem Umfang getätigt werden. Dies ist der Einspruchsführerin finanziell zuzumuten und verstößt gegen keinerlei Übermaßverbot. Die Einwendung, die Übermittlung von Steuerdaten mit der ELSTER-Software sei nicht sicher, ist unberechtigt [. . .]“ 9 Auf die daraufhin erhobene Klage mit dem Antrag, das FA zu verpflichten, ihr zu gestatten, UmsatzsteuerVoranmeldungen weiterhin in herkömmlicher Form (Papierform) abgeben zu dürfen, verpflichtete das FG das FA, den Antrag der Klägerin vom 12.12.2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG neu zu bescheiden. 10 Die Klägerin habe nach der ab 1.1.2009 geltenden und im Streitfall maßgebenden Rechtslage keinen Anspruch, von der Verpflichtung befreit zu werden, Umsatzsteuer-Voranmeldungen in elektronischer Form abzugeben. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen in elektronischer Form nach § 18 Abs. 1 UStG liege innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Weder das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Hard- und Software noch das geltend gemachte Alter der Geschäftsführer A und B oder die vorgebrachten generellen Sicherheitsbedenken gegen die Abgabe elektronischer Steueranmeldungen führten zu einem Anspruch auf Befreiung nach § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO. 11 Das FA sei aber zur Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 12.12.2004 zu verpflichten, weil es von dem ihm durch § 18 Abs. 1 UStG eingeräumten Ermessen nicht i.S.d. § 102 Satz 1 FGO in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Es habe die Ermessensentscheidung nicht aufgrund einer erschöpfenden Ermittlung des Sachverhalts getroffen und die Ermessensentscheidung nicht mit einer hinreichenden Begründung (§ 121 Abs. 1 AO) versehen. Das FA habe in seiner Einspruchsentscheidung pauschal auf eine „Konzernstruktur“ verwiesen, in die die Klägerin eingebunden gewesen sei, ohne die „Konzerngesellschaften“ zu bezeichnen oder in sonstiger Weise darzulegen, welche Verflechtungen seiner Ermessenserwägung zugrunde lagen. Außerdem fehlten jegliche Erwägungen zu Umsätzen und Gewinnen der Klägerin oder anderer 12/2012 mit der Klägerin verbundener Unternehmen. Zwar habe das beklagte FA im Klageverfahren Konkretisierungen vorgenommen, allerdings überschreite dieses Nachholen den Rahmen des § 102 Satz 2 FGO, so dass der Ermessensfehler nicht geheilt werden könne. 12 Das Urteil ist veröffentlicht. 13 Mit ihrer durch das FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG gehe unzutreffend von der Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 1 UStG, § 150 Abs. 8 AO aus. Der Gesetzgeber könne dem Unternehmer nicht vorschreiben, wie er den notwendigen Schriftwechsel mit den Finanzbehörden zu führen habe. Dies stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und die Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG dar. 14 Jedenfalls verneine das FG unzutreffend eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen einer ggf. durchzuführenden Härtefallprüfung. Im Jahr 2008 habe das von ihr verwendete amerikanische Journal lediglich 30 Buchungen ausgewiesen. Lediglich in vier Fällen habe sich eine Umsatzsteuer ergeben. Aus drei Geschäftsvorfällen habe sich zusammen ein näher bezifferter Vorsteuerbetrag ergeben. Im Jahr 2009 seien fünf UmsatzsteuerVoranmeldungen eingereicht worden, aus denen sich eine Zahllast ergeben habe. Die übrigen sieben Umsatzsteuer-Voranmeldungen hätten „Null-Meldungen“ enthalten. Sie verfüge nicht über die technischen Voraussetzungen zur elektronischen Übermittlung und sei auch nicht verpflichtet, diese zu schaffen. Außerdem bestehe die Gefahr von Virenverseuchung und unberechtigten Zugriffen auf ihre Buchhaltung über das Internet. 15 Im Übrigen sei der Zwang zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auch dann unverhältnismäßig und unzumutbar, wenn der Steuerpflichtige nicht mit dem elektronischen Datenverkehr vertraut sei und nicht über hinreichende Medienkompetenz verfüge. Dies sei bei den Geschäftsführern A und B der Fall. Auf die weiteren Geschäftsführer C und D könne nicht abgestellt werden. Diese seien „lediglich formal als solche bestellt“ und nur wegen des Alters von A und B zu Geschäftsführern berufen worden. Tatsächlich nähmen die Kinder C und D – aus unterschiedlichen Gründen – keine Geschäftsführertätigkeit wahr. 16 Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 21.12.2004 sowie der Einspruchsentscheidung vom 18.3.2005 unbefristet zu verpflichten, ihrem Antrag, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform abgeben zu dürfen, zu entsprechen. 17 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. 18 Es ist der Auffassung, § 18 Abs. 1 UStG und § 150 Abs. 8 AO verstießen nicht gegen das Grundgesetz. 19 Ein Anspruch nach § 150 Abs. 8 AO auf Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen in Papierform scheide aus. Der finanzielle Aufwand für den Erwerb eines Computers sei für die Klägerin unerheblich. Darüber hinaus könne die Klägerin auf die Nutzung des Internets durch den Unternehmensverbund der X-KG zurückgreifen. Die X-KG, an deren Vermögen A zu 50 % beteiligt sei, unterhalte eine hauseigene EDV-Anlage, in der sowohl die angefallenen Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst würden. Mehrere Gesellschaften des von der X-KG beherrschten Unternehmensverbunds hätten eine Internetpräsenz in Form einer Homepage. 12/2012 Rechtsprechung 489 20 Alter und Hinweis auf mangelnde Computererfahrung einzelner von mehreren Geschäftsführern der Komplementärin der Klägerin führten ebenfalls nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Vielmehr seien dies lediglich Aspekte, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen seien, wobei auch in Betracht gezogen werden könne, dass gem. § 34 Abs. 1 AO grundsätzlich jeder Geschäftsführer einer GmbH deren steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen habe. rungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.“ y Aus den Entscheidungsgründen n Für eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts maßgebende Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz n Revision erfolglos 21 II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und 4 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin vom FA neu zu bescheiden ist. n Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ab dem 1.1.2009 geltenden Regelungen 22 1. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch zu Recht unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ab dem 1.1.2009) geltenden Regelungen des § 18 Abs. 1 UStG und des § 150 Abs. 8 AO beurteilt. n Einführung der Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen zum 1.1.2005 23 a) Die Verpflichtung, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen elektronisch zu übermitteln, war zum 1.1.2005 durch § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. eingeführt worden. Nach dieser Vorschrift hatte der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Umsatzsteuer-Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln; auf Antrag konnte das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. n Neufassung der Regelung zum 1.1.2009 24 b) § 18 Abs. 1 UStG wurde mit Wirkung vom 1.1.2009 durch das Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens (Steuerbürokratieabbaugesetz) vom 20.12.2008 (BGBl. I 2008, 2850) neu gefasst (Art. 8 Nr. 2 Buchst. a, Art. 17 StBürokratAbG). Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln. Gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf Antrag auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall hat der Unternehmer eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben. 25 Hierzu bestimmt der zeitgleich eingeführte § 150 Abs. 8 AO (Art. 10 Nr. 4, Art. 17 StBürokratAbG): „Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklä- 26 c) Bei Verpflichtungsklagen auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts kommt es grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz bestehende Sach- und Rechtslage an (vgl. BFH, Urt. v. 21.7.1992 – VII R 28/91, StRK StBerG 1975 § 36 R. 17 = BFH/ NV 1993, 440 – unter 2 b der Gründe; BFH, Urt. v. 2.6.2005 – III R 66/04, BFHE 210, 265 = BStBl. II 2006, 184 – unter II 2 b aa der Gründe; BVerwG, Urt. v. 24.6.2004 – 2 C 45.03, BVerwGE 121, 140 – unter 1a der Gründe m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 101 FGO Rz. 25 f. m.w.N.; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 101 FGO Rz. 8; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 VwGO Rz. 102). 27 Dies gilt auch bei Ermessensentscheidungen, wenn – wie hier – eine Ermessensreduzierung auf Null geltend gemacht wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.1.1992 – 1 C 49.88, NVwZ 1992, 1211; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 5 AO Rz. 235 ff., 242; Brandis in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 101 FGO Rz. 8 m.w.N.; Wagner, EFG 2010, 280 [281]; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 VwGO Rz. 113). Eine solche Verpflichtung kann nur ausgesprochen werden, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die gerichtliche Entscheidung ergeht, ein Anspruch auf die erstrebte Verpflichtung des FA besteht (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 101 FGO Rz. 25 m.w.N.; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 AO Rz. 77 m.w.N.; Wagner, EFG 2010, 280 [281]). n Verfassungsmäßigkeit der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung 28 2. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Regelung in § 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO verfassungsgemäß (vgl. FG Nds., Urt. v. 17.3.2009 – 5 K 303/08, EFG 2009, 1069, rkr.; FG Hamburg, Urt. v. 9.11.2009 – 2 K 65/08, n.v., rkr.; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821 [822]; Heß in Weimann/Lang, Umsatzsteuer, § 18 UStG Ziff. 2.1.1; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 18 UStG Rz. 50; Wagner, EFG 2010, 280 [282]; wohl auch Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 18 UStG Rz. 224; Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, § 18 UStG Rz. 11; Leonard in Bunjes, UStG, 10. Aufl., § 18 UStG Rz. 4; Schmid in Offerhaus/ Söhn/Lange, UStG, § 18 UStG Rz. 24). Die Regelung liegt innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und wahrt insbesondere die Verhältnismäßigkeit. n Verfassungsrechtlich legitimes Ziel der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der UmsatzsteuerVoranmeldung 29 a) Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG dient verfassungsrechtlich legitimen Zielen. 490 Rechtsprechung n Vorteile online übermittelter elektronischer Steuererklärungen für die Finanzverwaltung 30 aa) Die online übermittelte elektronische Steuererklärung bietet der Finanzverwaltung den großen Vorteil, die vom Steuerpflichtigen bzw. von dessen Berater bereits erfassten elektronischen Daten unmittelbar weiterverarbeiten zu können. Neben der Verwaltungsvereinfachung und der administrativen Kostenersparnis verbessert die elektronische Übermittlung offenkundig die Überprüfungsmöglichkeiten von Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch die Finanzverwaltung und beschleunigt die Auswertung (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821 [822]; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 150 AO Rz. 36 i.V.m. § 85 AO Rz. 33 ff.). n Wahrung gewichtiger öffentlicher Belange 31 bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich sowohl bei der Sicherstellung der von Art. 3 Abs. 1 GG verlangten Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Steuervollzugs (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = BStBl. II 1991, 654 = StRK EStG 1975 Allg. R. 76; BVerfG, Urt. v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 [115] = BStBl. II 2005, 56) und auch bei der Gewährleistung einer effektiven, möglichst wirtschaftlichen und einfachen Verwaltung (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) um gewichtige öffentliche Belange handelt (vgl. BFH, Urt. v. 16.11.2011 – X R 18/09, BStBl. II 2012, 129 – unter B II 1 c cc [3] – Rz. 67; BFH, Urt. v. 18.1.2012 – II R 49/10, BFHE 235, 151 – unter II C 3 c aa der Gründe – Rz. 47 – und II C 3 c bb ggg der Gründe – Rz. 96). 32 Die Automatisierung und maschinelle Bearbeitungsfähigkeit der Steueranmeldungen sind in besonderem Maße geeignet, die Verwirklichung der genannten Belange zu fördern. n Kontrollmöglichkeiten zur Gewährleistung der steuerlichen Belastungsgleichheit 33 (1) Hängt die Festsetzung einer Steuer – wie vorliegend – von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = BStBl. II 1991, 654 = StRK EStG 1975 Allg. R. 76 – unter C I 2 der Gründe; BVerfG, Urt. v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 = BStBl. II 2005, 56 – unter C II 1 der Gründe). n Bekämpfung des Steuerbetrugs im Bereich der Umsatzsteuer 34 (2) Dabei kommt insbesondere im Bereich der Umsatzsteuer der Bekämpfung des Steuerbetrugs besondere Bedeutung zu (vgl. z.B. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821 [822]; Mattes, UR 2006, 689; Ammann, UR 2009, 372; Kemper, UR 2009, 751; Pahne, UR 2011, 247). So wird beispielsweise in dem Bericht des Bundesrechnungshofs vom 3.9.2003 über Steuerausfälle bei der Umsatzsteuer durch Steuerbetrug und Steuervermeidung davon ausgegangen, dass dem Fiskus zum damaligen Zeitpunkt durch nationale und internationale Betrugsdelikte im Bereich der Umsatzsteuer jährlich zweistellige Milliardenbeträge entgehen (BT-Drucks. 15/1495, 3). Ebenso ergibt sich aus 12/2012 dem Gemeinsamen Bericht des Bundesrechnungshofs und der Rechnungshöfe von Belgien und den Niederlanden zum innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug vom 12.3.2009 die Notwendigkeit eines schnelleren Datenaustauschs der Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten (www.bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen/ sonderberichte). n Unionsrechtliche Befugnis der Mitgliedstaaten zur Regelung einer Übermittlung von UmsatzsteuerVoranmeldungen auf elektronischem Weg 35 cc) Auch das Unionsrecht sieht die Befugnis der Mitgliedstaaten vor, die Übermittlung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf elektronischem Weg vorzuschreiben (vgl. Art. 22 Abs. 4 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie 77/388/ EWG; Art. 250 Abs. 2 MwStSystRL 2006/112/EG, ABl. EU Nr. L 347/2006, 1). n Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit 36 b) § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu z.B. BFH, Urt. v. 16.11.2011 – X R 18/09, BStBl. II 2012, 129 – unter B II 1 c cc der Gründe – Rz. 62 ff.). n Beachtung einer Zumutbarkeit durch eine Härtefallregelung 37 aa) Der Gesetzgeber hat die Frage der Zumutbarkeit gesehen und ihr durch die sog. Härtefallregelung in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG Rechnung getragen. n Anspruch auf Befreiung bei wirtschaftlicher oder persönlicher Unzumutbarkeit 38 bb) Zudem haben die Finanzbehörden in den Fällen des § 150 Abs. 8 AO abweichend von § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG keinen Ermessensspielraum. Denn ausweislich der Gesetzesmaterialien wurde durch § 150 Abs. 8 AO „in Ergänzung der einzelgesetzlichen Regelungen“ (vgl. BTDrucks. 16/10940, 10) der nach den Einzelsteuergesetzen bestehende Ermessensspielraum bei der Entscheidung über einen Härtefallantrag in den in § 150 Abs. 8 AO aufgeführten Fällen (wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit) – zu Gunsten der Steuerpflichtigen – beseitigt und ein Anspruch auf Befreiung begründet (vgl. BTDrucks. 16/10910, 1; BT-Drucks. 16/10940, 10; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 150 AO Rz. 53). § 150 Abs. 8 AO konkretisiert bestimmte Härtefälle und verdichtet in Fällen der wirtschaftlichen oder persönlichen Unzumutbarkeit den nach den Einzelsteuergesetzen bestehenden Anspruch des Steuerpflichtigen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Befreiungsantrag zu einem Anspruch auf Befreiung. n Aufnahme des Befreiungsanspruchs durch den Finanzausschuss in den Entwurf zum Steuerbürokratieabbaugesetz 39 (1) § 150 Abs. 8 AO, der in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Steuerbürokratieabbaugesetz vom 2.9.2008 (BT-Drucks. 16/10188) noch nicht enthalten war, ist aufgrund der Beschlussempfehlung des federführenden Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 12.11.2008 in den Gesetzentwurf aufgenommen worden (BT-Drucks. 16/10910). 40 Der Finanzausschuss empfahl darin „insbesondere, den Gesetzentwurf dahingehend zu ändern, dass in be- 12/2012 Rechtsprechung stimmten Härtefällen ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Übermittlung von Daten an die Finanzverwaltung in Papierform besteht“ (vgl. BTDrucks. 16/10910, 1). n Ziel der Aufnahme des Befreiungsanspruchs durch den Finanzausschuss 41 (2) Im Bericht des Finanzausschusses vom 13.11.2008 wird das Anliegen des Antrags allgemein vorgestellt (BTDrucks. 16/10940, 3): 42 Danach ermögliche es § 150 Abs. 8 AO „denjenigen, die nicht über die technischen Voraussetzungen verfügen, weiterhin Daten auf Papierbasis zu übermitteln“. Die Regelung sei so weit gefasst, dass eine ungerechtfertigte Versagung einer Ausnahmegenehmigung ausgeschlossen sei. Gegen die Möglichkeit der tatsächlichen Freiwilligkeit der elektronischen Datenübermittlung habe man sich entschieden, da man zu der Auffassung gekommen sei, dass die Nutzung der von der Steuerbehörde aufgebauten Infrastruktur im wirtschaftlich notwendigen Ausmaß nur durch die verpflichtende Einführung der elektronischen Datenübermittlung sichergestellt sei. Um dennoch jede Form von Unbilligkeit zu vermeiden, habe man sich auf eine großzügige Ausnahmeregelung ohne Notwendigkeit eines förmlichen Antrags geeinigt. Auch Schwierigkeiten mit der Kapazität der Datenleitungen insbesondere im ländlichen Raum führten zur Erzielung einer Ausnahmegenehmigung. n Kein Ermessensspielraum der Finanzbehörde im Fall unbilliger Härte 43 (3) Weiter wird § 150 Abs. 8 AO wie folgt im Einzelnen dargestellt (BT-Drucks. 16/10940, 10): 44 „Die Finanzbehörden können nach den einschlägigen Regelungen der Steuergesetze (z.B. § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 31 Abs. 1a Satz 2 KStG, § 14a Satz 2 GewStG oder § 181 Abs. 2a AO) zur Vermeidung unbilliger Härten auf Antrag auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten. § 150 Abs. 8 AO bestimmt in Ergänzung der einzelgesetzlichen Regelungen, dass dem Antrag zu entsprechen ist, wenn die Härte darin besteht, dass dem Steuerpflichtigen die Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung wirtschaftlich oder persönlich nicht zuzumuten ist. In diesen Fällen haben die Finanzbehörden abweichend von den einzelgesetzlichen Regelungen keinen Ermessensspielraum. 45 Einem Steuerpflichtigen ist die Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung insbesondere nicht zuzumuten, wenn er nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügt und es für ihn nur mit nicht unerheblichem finanziellen Aufwand möglich wäre, die für eine elektronische Übermittlung der Steuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz mittels Datenfernübertragung erforderlichen technischen Möglichkeiten zu schaffen. Eine unbillige Härte ist darüber hinaus anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten einer Datenfernübertragung zu nutzen. In der Praxis dürften diese Voraussetzungen insbesondere bei Kleinstbetrieben gegeben sein.“ n Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung 46 c) Die in § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG enthaltene Anordnung begegnet unter Berücksichtigung der Regelungen 491 in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und in § 150 Abs. 8 AO keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. n Keine Verpflichtung des Unternehmers zur Übermittlung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen ausschließlich auf elektronischem Weg 47 aa) Der Einwand der Klägerin, die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG verpflichte den Unternehmer, Umsatzsteuer-Voranmeldungen „nur“ noch auf elektronischem Weg zu übermitteln, greift zu kurz. 48 Denn die Vorschriften des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und des § 150 Abs. 8 AO bieten bei sachgerechter, die Vorstellungen des Gesetzgebers berücksichtigender Anwendung hinreichend Gewähr, dass etwaige Härten im Einzelfall vermieden werden. n Keine Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung bei Unterschreiten eines Mindestumsatzes 49 bb) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG das FA den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien kann, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1000 . beträgt. Wird diese Befreiung erteilt (vgl. dazu Abschn. 18.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE), entfällt somit auch die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung. 50 Unabhängig von der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG kann das FA den Unternehmer von der Abgabe von Voranmeldungen befreien, z.B. wenn und soweit in bestimmten Voranmeldungszeiträumen regelmäßig keine Umsatzsteuer entsteht (Abschn. 18.6 Abs. 1 Satz 1 UStAE). n Keine wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung im Streitfall 51 3. Im Ergebnis zu Recht hat das FG entschieden, dass sich ein Anspruch der Klägerin darauf, die UmsatzsteuerVoranmeldungen weiterhin auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck (Papierform) abgeben zu dürfen, nicht aus § 150 Abs. 8 AO ergibt. 52 Die dafür erforderliche Voraussetzung, dass der Klägerin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO), liegt nicht vor. n Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit 53 a) Wirtschaftliche Unzumutbarkeit i.S.d. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO ist gegeben, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 2 Alt. 1 AO). 54 Davon kann im Streitfall schon angesichts der von der Klägerin erwirtschafteten Gewinne (in den Jahren 2005 bis 2008 jeweils mehr als näher bezifferte Beträge) nicht ausgegangen werden. Sie trägt selbst vor, dass für den Zugang zum Internet in der heutigen Zeit nur ein unerheblicher finanzieller Aufwand erforderlich sei. Soweit sie darauf hinweist, bei der Frage des finanziellen Aufwands dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass für ei- 492 Rechtsprechung nen internetfähigen Computer GEZ-Gebühren erhoben würden, wäre dies im Streitfall jedenfalls angesichts der Höhe der Gewinne der Klägerin unbeachtlich. n Vorhandensein der technischen Voraussetzungen 55 aa) Zwar wurde zu § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. die Ansicht vertreten, die Vorschrift umfasse nicht die Pflicht des Unternehmers, sich zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Wege Hard- und Software (erst) anschaffen zu müssen (vgl. FG Hamburg, Beschl. v. 10.3.2005 – II 51/05, EFG 2005, 992; FG Nds., Urt. v. 17.3.2009 – 5 K 303/08, EFG 2009, 1069, rkr.; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821 [824]; Seer in Widmann [Hrsg.], Steuervollzug im Rechtsstaat [DStJG 31], Köln 2008, S. 7, 23; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 18 UStG Rz. 53). 56 Diese Ansicht konnte sich auf die Gesetzesbegründung zu § 18 Abs. 1 UStG a.F. stützen, wonach dem Härtefallantrag insbesondere dann stattzugeben sei, wenn der Unternehmer nicht über die technischen Voraussetzungen verfüge, die für die Übermittlung nach der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung eingehalten werden müssten (BT-Drucks. 15/1798, 13; BT-Drucks. 15/1945, 14). n Schaffung der technischen Voraussetzungen 57 bb) § 150 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Alt. 1 AO stellt jedoch für einen Anspruch auf Befreiung nicht auf das Vorhandensein technischer Ausstattung ab, sondern darauf, ob die „Schaffung“ der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung für den Unternehmer nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre. 58 Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass im Rahmen des § 150 Abs. 8 AO bei wirtschaftlicher Zumutbarkeit der Anschaffung allein das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung der Voranmeldungen erforderlichen Technik keinen Anspruch i.S.d. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO auf Befreiung von der Abgabe von Voranmeldungen in elektronischer Form begründet (ebenso Wagner, EFG 2010, 280 [282]; a.A. Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 150 AO Rz. 21; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 150 AO Rz. 43 – jedoch ohne auf den Wortlaut des § 150 Abs. 8 Satz 2 AO näher einzugehen). 59 Dies bedeutet aber nicht, dass die Frage der vorhandenen technischen Ausstattung nicht im Rahmen der Ermessensausübung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG zu berücksichtigen wäre (siehe unter II 4 b dd). n Voraussetzungen einer persönlichen Unzumutbarkeit 60 b) Der Klägerin ist die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf elektronischem Weg auch nicht i.S.d. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO aus persönlichen Gründen unzumutbar. n Individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten des Steuerpflichtigen 61 aa) Persönliche Unzumutbarkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen (vgl. § 150 Abs. 8 Satz 2 Alt. 2 AO). 12/2012 n Mangelnde Medienkompetenz 62 bb) Diese Voraussetzung ist zwar gegeben, wenn der Steuerpflichtige über keinerlei Medienkompetenz verfügt und z.B. aufgrund seines Alters auch keinen Zugang zur Computertechnik mehr finden kann (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 150 FGO Rz. 53; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 150 AO Rz. 43; Klein/Rätke, AO, § 150 AO Rz. 21; Pahlke/Koenig/Cöster, AO, 2. Aufl., § 150 AO Rz. 40). Darauf beruft sich die Klägerin aber ohne Erfolg. n Mangelnde Computererfahrung einzelner von mehreren Geschäftsführern 63 (1) Die Klägerin ist eine KG (§ 161 HGB). Sie wird durch die Komplementär-GmbH und diese durch ihre vier Geschäftsführer A, B, C und D vertreten. Zu Recht weist das FG darauf hin, dass Alter und mangelnde Computererfahrung lediglich einzelner von mehreren Geschäftsführern grundsätzlich nicht geeignet sind, einen Anspruch auf Befreiung i.S.d. § 150 Abs. 8 Satz 1 AO zu begründen. 64 Denn bei einer KG haben die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 161, 114, 125, 164, 170 HGB) die Pflichten zu erfüllen, welche dieser Gesellschaft wegen der Besteuerung auferlegt sind (§ 34 Abs. 1 AO). Ist persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH, haben deren Geschäftsführer (§ 35 GmbHG) die steuerlichen Pflichten dieser Gesellschaft (§ 34 Abs. 1 AO) und mit diesen die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen. Zu diesen Pflichten gehört es auch, Steuererklärungen abzugeben (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 34 AO Rz. 45; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 34 AO Rz. 19). n Verpflichtung jedes einzelnen Geschäftsführers zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft 65 (2) Sind – wie hier – mehrere gesetzliche Vertreter einer GmbH bestellt, so trifft jeden von ihnen gem. § 34 Abs. 1 AO, § 35 GmbHG die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen, d.h. grundsätzlich jeder von ihnen hat auch alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die der GmbH auferlegt sind (vgl. BFH, Urt. v. 26.4.1984 – V R 128/79, BFHE 141, 443 = BStBl. II 1984, 776 = UR 1984, 278; BFH, Urt. v. 23.6.1998 – VII R 4/98, BFHE 186, 132 = BStBl. II 1998, 761 = StRK AO 1977 § 69 R. 70). 66 Als Geschäftsführer der GmbH trifft deshalb auch C und D die Verpflichtung, bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln (§ 34 Abs. 1 AO, § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG). Unerheblich sind die Einwände der Klägerin, C und D seien lediglich formal bestellt (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 34 AO Rz. 54 m.w.N.) und private Gründe hinderten C und D an der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit. Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht über die für eine Datenfernübertragung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, sind weder vorgetragen noch anderweitig zu erkennen. n Kein Vorliegen sonstiger Gründe für einen Anspruch auf Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck 67 c) Sonstige Gründe, aus denen sich im Streitfall aus § 150 Abs. 8 Satz 1 AO außerhalb der in § 150 Abs. 8 Satz 2 12/2012 Rechtsprechung 493 AO formulierten Regelbeispiele („insbesondere“) ein Anspruch der Klägerin auf Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck ergeben könnte, sind durch das FG nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich. messen nicht – wie nach § 102 Satz 1 FGO erforderlich – in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. 68 Sie können insbesondere nicht aus allgemeinen Bedenken gegen die Sicherheit der von § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG vorgeschriebenen elektronischen Übermittlung von Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch eine Datenübertragung nach Maßgabe der – aufgrund der Ermächtigung in § 150 Abs. 6 AO erlassenen – Steuerdaten-Übermittlungsverordnung i.d.F. der Änderungsverordnung vom 20.12.2006, BGBl. I 2006, 3380 (abgedruckt u.a. bei Heuermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 150 AO Rz. 51), hergeleitet werden (vgl. FG Nds., Urt. v. 17.3.2009 – 5 K 303/08, EFG 2009, 1069, rkr.; FG Hamburg, Urt. v. 9.11.2009 – 2 K 65/08, n.v., rkr.; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821 [827 f.]; Wagner, EFG 2010, 280 [282]; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 18 UStG Rz. 50; Heß in Weimann/Lang, Umsatzsteuer, § 18 UStG Ziff. 2.1.1; wohl auch Treiber in Sölch/ Ringleb, UStG, § 18 UStG Rz. 12a; Leonard in Bunjes, UStG, § 18 UStG Rz. 4; a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 18 UStG Anm. 51 a.E.). n Pflichtgemäße Ermessensausübung durch umfassende Einzelfallabwägung 69 Hierzu hat das FG zu Recht im Einzelnen – und insoweit von der Revision nicht angegriffen – dargelegt, dass die Übermittlung der Daten im – auf der Basis der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellten – ELSTER-Verfahren (vgl. dazu Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821 [824 ff.]; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 150 AO Rz. 35 ff.) nicht manipulationsanfälliger als die papiergebundene Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist. 70 Ein etwaiges trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten verbleibendes Risiko eines „Hacker-Angriffs“ auf die gespeicherten oder übermittelten Daten ist im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen (vgl. BFH, Urt. v. 18.1.2012 – II R 49/10, BFHE 235, 151 – unter II C 4 c der Gründe – Rz. 102). n Verpflichtung des Finanzamts durch die finanzgerichtliche Entscheidung zur Neubescheidung 71 4. Im Ergebnis zu Recht hat das FG das FA zur Neubescheidung der Klägerin verpflichtet (§ 101 Satz 2 FGO). n Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung 72 a) Da nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 150 Abs. 8 AO für einen Anspruch der Klägerin, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen, nicht gegeben sind, verbleibt es bei ihrem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG, auf die elektronische Übermittlung zur Vermeidung unbilliger Härten zu verzichten (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 150 AO Rz. 53 f.; Schmid in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 18 UStG Rz. 24). Davon ist das FG zutreffend ausgegangen. n Kein Gebrauchmachen von dem eingeräumten Ermessen 73 b) Dem ist das FA bislang – wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat – nicht nachgekommen, weil es von dem durch § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG eingeräumten Er- 74 aa) Im Rahmen des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG sind einerseits die vom Unternehmer für das Vorliegen eines Härtefalls vorgetragenen Gründe in die pflichtgemäße Ermessensausübung und Einzelfallabwägung umfassend einzubeziehen. Andererseits sind diesen Erwägungen die dargelegten Interessen des Fiskus an einer elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen gegenüberzustellen. n Berücksichtigung einer „Konzernzugehörigkeit“ 75 bb) Das FA hat in seiner Einspruchsentscheidung vom 18.3.2005 im Kern dargelegt, dass ein Härtefall i.S.d. § 18 Abs. 1 UStG dann vorliegen könne, wenn ein Unternehmer finanziell nicht zu den für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Investitionen in der Lage sei oder kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit oder eine Umstellung der Soft- bzw. Hardware beabsichtige. Es hat das Vorliegen dieser Tatbestände verneint und dabei die Zugehörigkeit der Klägerin zu einem „Konzern“ berücksichtigt. n Keine vollständige Würdigung der vom Steuerpflichtigen zur Begründung seines Befreiungsantrags vorgetragenen Gründe 76 cc) Dies ist bereits deshalb unzureichend, weil das FA die von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 12.12.2004 und mit ihrem Einspruch vom 25.12.2004 vorgetragenen Gründe für eine Befreiung nicht – bzw. nicht vollständig – gewürdigt hat. 77 Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt aber voraus, dass die Behörde ihre Entscheidung anhand eines einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts trifft und dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind (vgl. dazu z.B. BFH, Urt. v. 22.5.2001 – VII R 79/00, BFH/NV 2001, 1369 – unter II 1 der Gründe; BFH, Beschl. v. 25.8.2010 – X B 149/09, BFH/NV 2011, 266 – unter II 2 b der Gründe m.w.N.; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 5 AO Rz. 122; Kruse in Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 102 FGO Rz. 1a m.w.N.; Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 102 FGO Rz. 87, 97 ff. m.w.N.). n Keine Zurechnung von im Konzernverbund vorhandenen technischen Ausstattungen 78 dd) Bei der nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG zu treffenden Ermessensentscheidung muss das FA insbesondere den Einwand eines Unternehmers berücksichtigen, er verfüge nicht über die für eine elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen erforderliche Hardund Software (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 150 AO Rz. 54; Leonard in Bunjes, UStG, § 18 UStG Rz. 4). Das ergibt sich aus der (unter II 1a und b) dargelegten Entstehungsgeschichte des § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG und insbesondere aus den (unter II 2 b bb) wiedergegebenen Vorstellungen des Gesetzgebers. Rechtsprechung 494 79 Soweit das FA in seiner Einspruchsentscheidung die Klägerin hinsichtlich der für eine elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen erforderlichen technischen Ausstattung auf den Internetzugang anderer „Konzerngesellschaften“ verwiesen hat, ist diese – vom FA vor dem FG und in der Revisionserwiderung vertiefte und vom FG grundsätzlich für zutreffend gehaltene – Erwägung nicht statthaft. Denn bei der Klägerin und den vom FG angesprochenen „Konzerngesellschaften“ handelt es sich um selbständige Rechtssubjekte. Folglich kann die technische Ausstattung anderer „Konzerngesellschaften“ grundsätzlich nicht der Klägerin zugerechnet werden. Zudem hat das FA bei seiner Argumentation die sich aus dem Steuergeheimnis gem. § 30 AO ergebenden Grenzen nicht beachtet. 80 Ob im Fall einer Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) etwas anderes gilt, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt liegen die Voraussetzungen einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (siehe dazu z.B. BFH, Urt. v. 1.12.2010 – XI R 43/08, BFHE 232, 550 = BStBl. II 2011, 600 = UR 2011, 4561; BFH, Urt. v. 7.7.2011 – V R 53/10, BFHE 234, 548 = UR 2011, 943 = BFH/NV 2011, 2195) im Streitfall nicht vor. Davon geht offenbar auch das FA aus. 1 12/2012 n Verpflichtung des Finanzamts zu erneuter Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats 81 c) Das FA hat den Antrag der Klägerin, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen, bislang in der Einspruchsentscheidung vom 18.3.2005 erst auf der Grundlage der mittlerweile außer Kraft getretenen Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. und des im Dezember 2004 von der Klägerin dargestellten – mittlerweile jedenfalls teilweise überholten – Sachverhalts beurteilen können. 82 Da die Sache mangels einer Ermessensreduzierung auf Null nicht i.S.v. § 101 Satz 1 FGO spruchreif ist (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 101 FGO Rz. 2; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 102 FGO Rz. 10 m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 102 FGO Rz. 118) und der Senat nicht befugt ist, sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Finanzbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 24.8.2011 – I R 87/10, BFH/NV 2012, 161 – unter II 3 der Gründe; Kruse in Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 102 FGO Rz. 9 m.w.N.; Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 102 FGO Rz. 114 m.w.N.), verbleibt es bei der vom FG bereits ausgesprochenen Verpflichtung des FA, die Klägerin – nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats – erneut zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Mit Anm. Eberhard/Mai, UR 2011, 460. Verwaltungsentscheidungen Ort der sonstigen Leistung Vereinfachter Nachweis der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers bei Pannenhilfe an Nutzfahrzeugen im Drittlandsgebiet ansässiger Unternehmer kraftwagens im Drittlandsgebiet erfolgt. Dieser Nachweis ist regelmäßig durch eine Kopie der vom Leistungsempfänger mitgeführten Fahrzeugpapiere zu führen. Bei anderen Nutzfahrzeugen (z.B. Kleintransporter und sog. Sprinter) kann in der Regel nicht allein aufgrund einer ausländischen Zulassung die Unternehmereigenschaft des Halters bzw. eine Nutzung zu unternehmerischen Zwecken unterstellt werden. UStG § 3a Abs. 2 OFD Niedersachsen, Vfg. v. 19.1.2012 – S 7117 - 59 - St 173 In Fällen der Pannenhilfe an einen Unternehmer für dessen Unternehmen bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG. Hierzu hat der leistende Unternehmer nachzuweisen, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist, der die Leistung für den unternehmerischen Bereich bezieht (vgl. Abschn. 3a.2 Abs. 9 ff. UStAE). Der Nachweis der Unternehmereigenschaft eines ausländischen Unternehmers aus einem Drittland, der im Inland Pannenhilfe benötigt, ist meist schwierig zu erbringen. In den Fällen von Pannenhilfe für Lastkraftwagen i.S.v. § 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG (Personenbeförderungsgesetz) mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mindestens 7,5 Tonnen von im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmern wird es nach Abstimmung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nicht beanstandet, wenn vom leistenden Unternehmer der Nachweis über den Sitz des Leistungsempfängers, über die Unternehmereigenschaft und die unternehmerische Verwendung der Pannenhilfe nur durch einen Nachweis über die Zulassung des Last- Steuerbefreiungen Bewaffnete Sicherheitsbegleitung als Umsatz für die Seeschifffahrt UStG § 4 Nr. 2, § 8 Abs. 1 Nr. 5 BayLfSt, Vfg. v. 16.4.2012 – S 7155.2.1 - 2/9 St 33 Leistungen für die Seeschifffahrt sind umsatzsteuerfrei Nach § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG sind Umsätze für die Seeschifffahrt von der Umsatzsteuer befreit. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG sind auch andere als in § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG bezeichnete sonstige Leistungen, die für den unmittelbaren Bedarf der in § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG bezeichneten Wasserfahrzeuge bestimmt sind, steuerfrei. Die Auflistung in Abschn. 8.1 Abs. 7 UStAE von Leistungen, die unter § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG fallen, ist nicht abschließend. 12/2012 Verwaltungsentscheidungen Die Bereitstellung einer bewaffneten Sicherheitsbegleitung . . . Auf Kreuzfahrtschiffen wird für bestimmte Routen eine bewaffnete Sicherheitsbegleitung eingesetzt, zu deren Aufgaben z.B. die Koordinierung der Sicherheitsmaßnahmen an Bord, das Briefing bzw. Training der Schiffsbesatzung und die bewaffnete Abwehr von Piratenangriffen gehören. Streitig war, ob dieses Leistungspaket „Bereitstellung einer bewaffneten Sicherheitsbegleitung“ für Kreuzfahrtschiffe nach § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG als umsatzsteuerfrei zu behandeln ist. . . . ist eine umsatzsteuerfreie Leistung für die Seeschifffahrt Nach dem Ergebnis der Erörterungen durch die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder in Umsatzsteuerfragen ist zwingende Voraussetzung für die Steuerbefreiung, dass die Leistung für den unmittelbaren Bedarf des Seeschiffes und unmittelbar an den Unternehmer der Seeschifffahrt erbracht wird. Diese Voraussetzungen werden von dem Leistungspaket „Bereitstellung einer bewaffneten Sicherheitsbegleitung“ erfüllt. 495 selbst Abgabenschuldner und somit unmittelbar zur Zahlung an den Empfänger verpflichtet zu sein (Abschn. 10.4 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Die Abgabe ist somit kein (zusätzliches) Entgelt für die eigene Leistung (Abschn. 10.4 Abs. 3 Satz 1 UStAE im Umkehrschluss). Die Abgabe ist auf der Rechnung für den Übernachtungsgast bzw. auf der Eintrittskarte nicht in die Bemessungsgrundlage der Beherbergungsleistung / kulturellen Leistung einzubeziehen, sondern ist als gesonderter Betrag auszuweisen. Abschließend weise ich darauf hin, dass die Abgabe jedoch zum Entgelt für die Beherbergungsleistung / kulturellen Leistung gehört, wenn eine Stadt ihre Satzung derart (um-) gestaltet, dass der Beherbergungsbetrieb, die Kultureinrichtung oder der Veranstalter selbst Abgabeschuldner ist. Dies gilt auch, wenn die Abgabe gesamtschuldnerisch mit dem Übernachtungsgast, dem Erwerber der Eintrittskarte oder dem Besucher der Veranstaltung geschuldet – und nicht nur dafür gehaftet – wird (Abschn. 10.4 Abs. 4 Satz 1 UStAE). Einzelfälle bitte ich entsprechend der jeweiligen Satzung nach diesen Kriterien zu beurteilen. Die Bezugsverfügung (LFD Thür., Vfg. v. 14.12.2010 – S 7200 A - 75 - A 3.11, UR 2011, 364) wird aufgehoben. Bemessungsgrundlage Ausstellung von Rechnungen Behandlung der Kultur- und Tourismusförderabgabe bzw. der Übernachtungssteuer als durchlaufende Posten Ausstellung mehrerer Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis über dieselbe Leistung UStG § 10 Abs. 1 UStG §§ 14c, 15; UStDV §§ 33–35 LFD Thüringen, Vfg. v. 13.12.2011 – S 7200 A - 75 - A 5.14 OFD Frankfurt a.M., Vfg. v. 28.10.2011 – S 7300A - 131 St 128 In Thüringen erheben verschiedene Städte eine Kultur-/ Tourismusförderabgabe für Übernachtungen/Eintrittsgelder bzw. eine Übernachtungssteuer. Satzungen zur Erhebung von Abgaben auf Übernachtungen liegen mir derzeit von den Städten Eisenach, Erfurt, Gera, Jena und Weimar vor. Die Erhebung von Abgaben auf Eintrittsgelder ist mir nur von der Stadt Weimar bekannt. Die oben genannten Abgaben belaufen sich entweder auf einen bestimmten Prozentsatz des vom Übernachtungsgast für die Beherbergung aufgewendeten Betrags (einschließlich der Umsatzsteuer) oder auf einen bestimmten Betrag je Übernachtung und Übernachtungsgast bzw. je Eintrittskarte/Besucher. Umsatzsteuerlich stellen die Abgaben für die Beherbergungsbetriebe, Kultureinrichtungen oder Veranstalter durchlaufende Posten dar, da Abgabenschuldner nach den vorliegenden Satzungen jeweils der Übernachtungsgast, der Erwerber der Eintrittskarte oder der Besucher der Veranstaltung ist. Die Beherbergungsbetriebe, Kultureinrichtungen oder Veranstalter haften zwar gem. § 6 ThürKAG (Thüringer Kommunalabgabengesetz) gesamtschuldnerisch, haben jedoch grundsätzlich nur die Abgabe für die jeweilige Stadt zu vereinnahmen und an diese abzuführen. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Satzung die Beherbergungsbetriebe, Kultureinrichtungen oder Veranstalter als „Abgabenpflichtige“ gem. § 6 ThürKAG definiert. Durch den Bezug auf § 6 ThürKAG, der einen Haftungstatbestand regelt, liegt auch hier nur eine Haftungsschuld vor. Die Beherbergungsbetriebe, Kultureinrichtungen oder Veranstalter fungieren dabei als Mittelsperson, ohne Es kommt vor, dass Unternehmer Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer und daneben über denselben Umsatz eine weitere Rechnung oder eine – später ausgestellte – Gesamtabrechnung mit erneutem gesonderten Umsatzsteuerausweis erstellen. Zu den Rechnungen gehören auch Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) oder Fahrausweise (§ 34 UStDV). Unternehmer, die für ein und dieselbe Leistung mehrere Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erteilen, schulden die in den zusätzlichen Abrechnungen ausgewiesene Steuer – neben der Umsatzsteuer für den ausgeführten Umsatz – nach § 14c Abs. 1 UStG. Der Leistungsempfänger kann für die empfangene Leistung – auch wenn er mehr als eine Rechnung erhalten hat, die die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllen würden – den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG nur einmal in Anspruch nehmen, da nur die gesetzlich geschuldete Steuer als Vorsteuer abziehbar ist. 1. Erteilung von Gesamtabrechnungen Unternehmer, die über bereits ausgeführte Umsätze oder über Voraus- oder Abschlagszahlungen zum Vorsteuerabzug berechtigende Einzelrechnungen erteilen und später in einer Gesamtabrechnung die Umsatzsteuer hierfür nochmals gesondert ausweisen, schulden die zusätzlich ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Das betrifft z.B. Einzel- und Monatsabrechnungen von Kurierdiensten, von Tankstellen, von zahntechnischen Labors, Abschlags- und Schlussrechnungen von Bauunternehmen, vorläufige und endgültige Rechnungen der Auto- 496 Verwaltungsentscheidungen vermieter, Monats- und Jahresrechnungen über Leasingraten. In diesen oder vergleichbaren Fällen sollte das Abrechnungsverfahren so gestaltet werden, dass nur eine Rechnung (entweder die Einzelrechnung oder die spätere Gesamtabrechnung) den Rechnungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt oder die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für eine Voraus- oder Anzahlung in der Gesamtrechnung abgesetzt wird (vgl. hierzu die Beispiele in Abschn. 14.8 Abs. 7 UStAE). 2. Abrechnungen über Fahrausweise Fahrausweise (z.B. Bahnfahrkarten, Flugscheine usw.) werden vielfach so gestaltet, dass sie einem unternehmerischen Leistungsempfänger unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug ermöglichen (vgl. §§ 34 und 35 UStDV, Abschn. 14.7 UStAE und Abschn. 15.5 UStAE). Wenn über diese Leistung ein Reisebüro zusätzlich eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis im Einvernehmen mit den Verkehrs- oder Leistungsträgern unter Hinweis auf die Vermittlertätigkeit (Ausweis der Umsatzsteuer „im Namen und für Rechnung des Verkehrs- oder Leistungsträgers“) erteilt, schuldet der betreffende Verkehrs- oder Leistungsträger die in der Reisebürorechnung ausgewiesene Umsatzsteuer zusätzlich nach § 14c Abs. 1 UStG. Erteilt das Reisebüro die Rechnung ohne Hinweis auf die Vermittlertätigkeit und wird die Leistung nicht vom Reisebüro, sondern vom Verkehrs- oder Leistungsträger erbracht, schuldet das Reisebüro die gesondert ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG. Die Verkehrs- oder Leistungsträger bzw. die Reisebüros können – um eine zusätzliche Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 oder 2 UStG zu vermeiden – das Abrechnungsverfahren so gestalten, dass nur ein Beleg (entweder die Fahrkarte bzw. der Flugschein oder die Abrechnung des Reisebüros) den Rechnungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt. Beispielsweise kann in den Rechnungen des Reisebüros über Fahrausweise die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen werden (Erteilung sog. Bruttorechnungen). Die Rundverfügungen vom 16.3.2001 (OFD Frankfurt a.M., Vfg. v. 16.3.2001 – S 7300 A - 131 - St IV 21, USt-Kartei OFD Ffm § 15 – S 7300 - Karte 34) ist überholt und kann ausgesondert werden. Hinweis: Siehe auch BMF, Schr. v. 28.2.2001 – IV B 7 S 7300 - 8/01, UR 2001, 180. 12/2012 Aufzeichnungspflichten Muster des Umsatzsteuerheftes (Vordruckmuster USt 1 G) UStG § 22 Abs. 5 BMF, Schr. v. 30.4.2012 – IV D 3 - S 7532/08/10005 – DOK 2012/0292789 Durch Art. 6 Nr. 3 i.V.m. Art. 12 Abs. 4 EU-VorgabenUmsG (Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 8.4.2010, BGBl. I 2010, 386 = BStBl. I 2010, 334) wurde mit Wirkung vom 1.7.2010 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b USG) erweitert und neu strukturiert. Durch Art. 6 Nr. 8 i.V.m. Art. 12 Abs. 4 EU-VorgabenUmsG wurde mit Wirkung vom 1.7.2010 die Abgabefrist für die Zusammenfassende Meldung (§ 18a UStG) geändert. Durch Art. 4 Nr. 2 und 8 und Art. 32 Abs. 5 JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl. I 2010, 1768) wurden mit Wirkung vom 1.1.2011 die Regelungen zum innergemeinschaftlichen Erwerb in § 1a Abs. 4 UStG ergänzt. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes: (1) Das durch BMF-Schreiben vom 30.4.1981 (BMF, Schr. v. 30.4.1981 – IV A 1 - S 7389 - 1/81, IV A 3 - S 7340 - 14/81, BStBl. I 1981, 312 = UR 1981, 186) eingeführte und zuletzt durch BMF-Schreiben vom 2.2.2009 (BMF, Schr. v. 2.2.2009 – IV B 9 - S 7532/08/10005 – DOK 2009/0065245, BStBl. I 2009, 370 = UR 2009, 180) geänderte Vordruckmuster USt 1 G – Umsatzsteuerheft wird entsprechend der Neufassung der Regelung zum innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 4 Satz 2 UStG, der Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG und der Abgabefrist für die Zusammenfassende Meldung nach § 18a UStG angepasst. (2) Die anderen Änderungen gegenüber dem bisherigen Vordruckmuster sind lediglich redaktioneller Art. (3) Die Umsatzsteuerhefte sind ab sofort entsprechend dem beiliegenden Muster* herzustellen. * Vordruckmuster hier nicht abgedruckt. Literatur Zeitschriftenbeiträge Manzur Esskandari · Daniela Bick, Innergemeinschaftliche Lieferungen – Zur „um . . . zu“-Formel des EuGH in der Rechtsprechung von BFH und BGH, UStB 2012, 139–143. Hans-Martin Grambeck, Leistungsort für Güterbeförderungsleistungen im Drittland – Zur (Nicht-)Anwendbarkeit und Untauglichkeit des neuen § 3a Abs. 8 UStG, UStB 2012, 133–139. Ulrich Grünwald, Anzahlungsbesteuerung im Umsatzsteuerrecht – Wie endgültig ist die vorläufige Besteuerung?, DStR 2012, 998–1001. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., Entwurf eines BMF-Schreibens betreffend Nachweispflichten bei der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b; § 6a UStG); Änderungen der §§ 17a, 17b und 17c UStDV – Stellungnahme, Ubg 2012, 363–366. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., Entwurf eines überarbeiteten BMF-Schreibens zu Leistungsbeziehungen bei der Abgabe werthaltiger Abfälle; Anwendung der Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes – Stellungnahme, Ubg 2012, 367–368. Bert Kaminski, Plädoyer für eine umsatzsteuerliche Anrufungsauskunft, Stbg 5/2012, M1. V Jetzt abonnieren! Die führende Spezialzeitschrift für das Umsatzsteuerrecht. www.otto-schmidt.de 12/2012 Erstens: Zweimal monatlich die Zeitschrift. So bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Zweitens: Die UR-CD. Eine riesige Datenbank mit regelmäßigen Updates zweimal im Jahr. Drittens: Machen Sie jetzt den Test und bestellen Sie Ihr Schnupperabo mit 6 Heften inklusive Archiv-CD für nur 25,– 1. Außerdem: Abonnenten genießen einen Preisvorteil bei speziellen Seminaren. Infos unter www.otto-schmidt.de/seminare Bestellfax (02 21) 9 37 38-943 씲 Ja, ich bestelle die Umsatzsteuer-Rundschau. Die ersten sechs Hefte inklusive der Archiv-CD erhalte ich im Schnupperabo für nur 25,– 1. Wenn ich nach Erhalt des sechsten Heftes das Abo nicht innerhalb von 14 Tagen (Datum des Poststempels) widerrufe, bekomme ich die Umsatzsteuer-Rundschau zweimal monatlich zum Jahresbezugspreis von 274,– 1 plus Versandkosten. Kündigungstermin: sechs Wochen zum Jahresende. Preisstand 1.1.2012. _________________________________________________________________________________________________________________________ Name PLZ / Ort _________________________________________________________________________________________________________________________ Straße Datum / Unterschrift Mein Recht: Das Probeabonnement ist ohne Risiko – ich kann es bis 14 Tage nach Erhalt des letzten Heftes beim Verlag oder meiner Buchhandlung widerrufen. _____________________________________________________ Datum Unterschrift / Widerrufsrecht 11/11 Bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder beim Verlag Dr. Otto Schmidt · Postfach 51 10 26 · 50946 Köln UMSATZSTEUER-RUNDSCHAU Zitierweise: UR (bis 1983 UStR) sandkosten. Die Rechnungsstellung erfolgt jährlich zu Beginn des Bezugszeitraumes für das aktuelle Kalenderjahr (ggf. anteilig). Redaktion Rechtsanwalt Rolf-Peter Humbert (Schriftleitung), Anschrift des Verlags; Telefon 02 21 / 9 37 38-1 52 (Redaktions-Sekr.) bzw. -4 99 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), Telefax 02 21 / 9 37 38-9 02 (Redaktions-Sekr.) bzw. -9 43 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), E-Mail: [email protected] Bestellungen bei jeder Buchhandlung sowie beim Verlag. Kündigungstermin für das Abonnement 6 Wochen vor Jahresschluss. Verlag Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln, Postfach 5110 26, 50946 Köln, Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Köln. Anzeigen Thorsten Deuse (Anzeigenleitung), Telefon 02 21 / 9 37 38-4 21, Telefax 02 21 / 9 37 38-9 42, E-Mail: [email protected], gültig ist die Preisliste Nr. 39 vom 1.1.2012. Satz und Druck rewi druckhaus, Reiner Winters GmbH, Wiesenstraße 11, 57537 Wissen, E-Mail: [email protected] Erscheinungsweise Jeweils zum 5. und 20. eines Monats. Bezugspreis Jahresabonnement 274,– . (mit CD), Einzelheft 13,70 .; Jahresabonnement kombiniert mit der „Finanz-Rundschau für Einkommensteuer“ 484,– . (mit CD). Alle Preise verstehen sich inkl. gesetzlicher MwSt. sowie zzgl. Ver- ISSN 0341–8669 Hinweis für den Leser Der Zeitschrifteninhalt wird nach bestem Wissen erstellt, Haftung und Gewähr müssen jedoch wegen der Komplexität und des ständigen Wandels der Rechtslage ausgeschlossen werden. Urheber- und Verlagsrechte Manuskripte werden nur zur Alleinveröffentlichung angenommen. Der Autor versichert, über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an seinem Beitrag einschließlich aller Abbildungen allein verfügen zu können und keine Rechte Dritter zu verletzen. Mit Annahme des Manuskripts (Aufsatz, Bearbeitung, Leitsatz) geht für die Dauer von vier Jahren das ausschließliche, danach das einfache Nutzungsrecht vom Autor auf den Verlag über, jeweils auch für Übersetzungen, Nachdrucke, Nachdruckgenehmigungen und die Kombination mit anderen Werken oder Teilen daraus. Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere auch die Befugnis zur Einspeicherung in Datenbanken sowie zur weiteren Vervielfältigung und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken im Wege fotomechanischer, elektronischer und anderer Verfahren einschließlich CD-ROM und OnlineDiensten. Die Zeitschrift und alle veröffentlichten Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Dies gilt auch für Entscheidungen und deren Leitsätze, soweit sie redaktionell oder vom Einsender redigiert bzw. erarbeitet wurden. Jede vom Urheberrechtsgesetz nicht ausdrücklich zugelassene Verwertung bedarf vorheriger schriftlicher Zustimmung des Verlags. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung, Mikroverfilmung und Einspeicherung, Verarbeitung bzw. Wiedergabe in Datenbanken oder anderen elektronischen Medien und Systemen. Fotokopien dürfen nur als Einzelkopien für den persönlichen Gebrauch hergestellt werden. Hinweise für Autoren und Einsender Bitte senden Sie alle Aufsatzmanuskripte, zum Abdruck bestimmte Gerichtsentscheidungen und Leserbriefe unmittelbar an die Redaktion. Bei der Einsendung von Entscheidungen sind wir für den Hinweis dankbar, ob sie rechtskräftig sind. Bitte geben Sie möglichst schon bei der Einsendung Ihre Bankverbindung an. Unter Verwendung eines PC-Textverarbeitungsprogramms erstellte Manuskripte übersenden Sie bitte im Dateianhang per E-Mail oder auf einem elektronischen Datenträger mit Ausdruck und Angabe des verwendeten Systems. Bei Überlassung reiner Papiermanuskripte sollte der Text aus technischen Gründen handschriftliche Anmerkungen und Verbesserungen nur in roter Farbe enthalten. UR_Anzeigenjob:UR_Anzeigenjob 06.06.12 11:02 Seite 3 Spitzen-Beratung. Die personalrechtliche Situation von Führungskräften ist verzwickt: Die für Arbeitnehmer entwickelten arbeitsrechtlichen Grundsätze gelten für sie nur bedingt, und die zum Anstellungsvertrag hinzutretende Organstellung als Geschäftsführer oder Vorstand eines Unternehmens wird stark durch gesellschaftsrechtliche Vorgaben geregelt. Nicht zu vergessen die steuerrechtlichen Aspekte, die bei einem gewinnbringenden Vertragsabschluss mit einer Führungskraft stets zu berücksichtigen sind. Dieses neue Handbuch macht Ihnen die Beratung von Führungskräften leicht: Als Informations- und Nachschlagewerk erläutert es die personalrechtlichen Besonderheiten von Führungskräften in Abgrenzung zu normalen Arbeitnehmern sowie aus den drei rechtlichen Blickwinkeln – Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht. 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Die behandelten Fragen zeichnen sich nicht allein durch Aktualität aus, sondern berücksichtigen darüber hinaus auch die grundlegenden und langfristigen Perspektiven. Unternehmenssteuerrecht Gosch Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Kapitalgesellschaften Wendt Rechtsprechungs-Highlights zum Unternehmenssteuerrecht der Personengesellschaften Neumann Bestandsaufnahme der Fallen und Klippen bei der Organschaft Schaden/Lars Zipfel § 8b Abs. 7 KStG: Steuerfalle oder Steuerchance? Seitz/Dr. Alexander Düll Übertragung von Wirtschaftsgütern und betrieblichen Sachgesamtheiten in Mitunternehmerschaften Wagner Das Treuhandmodell als Gestaltungsinstrument 2011/2012 NEU Internationales Steuerrecht Schwenke Finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten und -tochtergesellschaften Eisgruber Steuerliche Ergebniszurechnung zu einem in Deutschland nicht steuerpflichtigen Organträger? Mihm Rechtsprechung und Rechtserkenntnisse zu § 50d Abs. 9 und 10 EStG Umsatzsteuerrecht Widmann Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Umsatzsteuer Eggers Die Geschäftsveräußerung im Ganzen – Aktuelle Brennpunkte und Beratungsansätze Reiß Entwicklungen im Recht des Vorsteuerabzugs Umwandlungssteuerrecht Beinert/Möhlenbrock Teilbetriebsbegriff nach UmwStG Köhler Wertausgleich bei Buchwerteinbringungen in Kapitalgesellschaften Pung/Schumacher Ausgewählte Fragen hin sichtlich der Veräußerungs- und Ersatztatbestände im Sinne des § 22 UmwStG " ✗ www.otto-schmidt.de UR_Anzeigenjob:UR_Anzeigenjob 06.06.12 11:02 Seite 4 Steuerberater-Jahrbuch 2011/2012 Zugleich Bericht über den 63. Fachkongress der Steuerberater Köln, 11. und 12.10.2011. Herausgegeben im Auftrag des Fachinstituts der Steuerberater von StB und WP Prof. Dr. Thomas Rödder, StB und WP Dipl.-Kfm. Manfred Günkel und StB Dr. Dr. Ursula Niemann. 2012, 653 Seiten DIN A5, gbd. 89,80 €. ISBN 978-3-504-62657-0 Steuerrecht und besondere Beratungsrisiken Schneider Schenkungsteuerrisiken bei Leistungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern Behrens Gestaltungsrisiken bei der Grunderwerbsteuer Randt Risiken bei verschärften Steuerhinterziehungsregeln ✁ Bestellschein ausfüllen und faxen (02 21) 9 37 38-943 Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Steuerberater-Jahrbuch 2011/2012 Zugleich Bericht über den 63. Fachkongress der Steuerberater Köln, 11. und 12.10.2011. Band 63, 653 Seiten DIN A5, 2012, gbd. 89,80 1. ISBN 978-3-504-62657-0 Name Straße PLZ Ort Telefon Fax Datum Unterschrift 6/12 B e s t e l l e n S i e b e i I h r e r B u c h h a n d l u n g o d e r b e i m V e r l a g D r. O t t o S c h m i d t · P o s t f a c h 5 1 1 0 2 6 · 5 0 9 4 6 K ö l n UR_Anzeigenjob:UR_Anzeigenjob 06.06.12 11:02 Seite 5 Umwandlungen verlässlich steuern. Neu 2012 Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, 2. Auflage 2012. Herausgegeben von WP/StB Prof. Dr. Thomas Rödder, RiBFH Dr. Andreas Herlinghaus und LMR Dr. Ingo van Lishaut. 2. Auflage 2012, rd. 1.400 Seiten Lexikonformat, gbd. ca. 160,– €. ISBN 978-3-504-37016-9. Erscheint im Spätsommer 2012. Fünf Jahre nach dem SEStEG hat die Finanzverwaltung mit dem Umwandlungssteuer-Erlass 2011 ihre Auffassung zu Unternehmens-Umstrukturierungen formuliert, nicht immer zur Zufriedenheit der Unternehmen und ihrer Berater. Beratungsrisiken hinweg tragen. Neu hinzugefügt wurden den bewährten Anhängen weitere zur Abgeltungs- und Erbschaftsteuer, zur verbindlichen Auskunft in Umwandlungsfällen sowie der Text des Umwandlungssteuer-Erlasses 2011. Dieser in seiner Perspektive ausgewogene und zuverlässige Standardkommentar bietet – nunmehr in sorgfältiger Diskussion der Verwaltungsansicht – verlässliche Erläuterungen, die über Untiefen und Erscheint im Spätsommer, jetzt vormerken. Bei Ihrer Buchhandlung oder direkt bei www.otto-schmidt.de