Macht das Leben mit Behinderung überhaupt Sinn? (Laura

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Macht das Leben mit Behinderung überhaupt Sinn? (Laura
Macht das Leben mit Behinderung überhaupt Sinn?
Jahresarbeit von Laura Weingart
Schule: Freiherr-vom-Stein-Schule
Fach: Religion
Fachlehrer: Frau Seiler
Ort : Helsa- St.Ottilien
Abgabedatum: 16.04.2012
16. April
2012
MACHT DAS LEBEN MIT BEHINDERUNG ÜBERHAUPT SINN?
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Was ist der Sinn des Lebens?
3. Was ist eine Behinderung?
4. Wie geht es Menschen mit einer Behinde rung?
4.1 Probleme im Leben eines Behinderten
4.2 Die etwas andere Lebenseinstellung
5. Berichte über das Leben mit eine m behindertem Kind
5.1 Einstellung aus dem Buch: „Wo fahren wir hin Papa?“
5.2 Bericht einer Mutter
5.3 Auseinandersetzung mit beiden Berichten
6. Behinderung und Religion
6.1 Beispiele aus der Bibel
6.2 Die Sicht der Kirche
7. Nachwort
8. Angang
8.1 Interview mit Andrea Weingart
8.2 Literaturverzeichnis
8.3 Internetquellenverzeichnis
8.4 Abbildungsverzeichnis
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MACHT DAS LEBEN MIT BEHINDERUNG ÜBERHAUPT SINN?
1. Vorwort
Als es um die Vergabe der Jahresarbeiten ging, stand für mich fest, dass ich meine Arbeit im
Fach Religion schreiben wollte. Da mich dieses Fach schon immer interessiert hat und sehr
viele ansprechende Themen zur Auswahl standen. Die Entscheidung für ein Thema war nicht
leicht, doch als das Wort Behinderung fiel, wurde ich besonders aufmerksam.
„Macht das Leben mit Behinde rung überhaupt Sinn?“
Ich selbst habe in meinem Leben viele Erfahrungen mit behinderten Menschen gemacht und
kenne mich dementsprechend gut damit aus. Mein Bruder ist Autist und somit gehört der
Umgang mit behinderten Menschen zu meinem Alltag. So ergab sich für mich auch schon oft
die Gelegenheit, Behindertenschulen oder Behindertenwerkstätten zu besuchen. Die oftmals
unglaublich herzliche Art und positive Einstellung der Menschen dort faszinierte und rührte
mich schon immer. Dennoch weiß ich sehr gut, wie schwierig ein Leben mit einem
behinderten Menschen sein kann. Trotz dessen möchte ich noch etwas tiefer in das Thema
Behinderung eindringen und das Thema aus verschiedenen Perspektiven, wie der Religion
oder Kirche in den Blick nehmen.
Aus diesem Grund beschäftige ich mich auf den folgenden Seiten mit Fragen wie:
Was versteht man unter einer Behinderung? Wie ist die Einstellung der Kirche zu diesem
Thema? In Interviews und Büchern hoffe ich zudem zu erfahren, wie Eltern ihr Leben mit
ihrem kranken Kind schildern und wie sie die schwierige Situation bewältigen? Zudem
möchte ich mich mit dem Sinn des Lebens beschäftigen, was darin gesehen wird und wieso
das Leben eines Behinderten eventuell weniger Sinn haben könnte.
Ich hoffe, ich kann in meiner Jahresarbeit Antworten auf meine vielen Fragen finden und
meine bisher eher positive Einstellung zum Leben eines Behinderten beibehalten. Außerdem
erwarte ich, auf viele neue und unterschiedliche Meinungen zu stoßen, um diese mit meiner
vergleichen zu können. Im Folgenden Kapitel werde ich mich zunächst mit dem Sinn des
Lebens auseinander setzen.
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2. Was ist der Sinn des Lebens?
„Jemand, der ohne zwingenden Grund im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, ohne Not und
Krankheit das Leben verlässt, hat nicht verstanden, dass der Sinn des Lebens das Leben selbst
ist.“1 (Kanitschneider)
Die Frage nach dem „Sinn des
Lebens“ ist wohl eine der
herausforderndsten, die ein
Mensch sich in seinem Leben
stellen kann. (Abb.1) Aus diesem
Grund wird der Gedanke daran im
Alltagsstress oft
beiseitegeschoben. Erst im Alter
oder in kritischen Zeiten holt uns
diese Frage oft ein.
Verschiedene Philosophen haben
versucht Antworten auf diese Frage zu finden:
2
Abb. 1 Karikatur über den
Sinn des Lebens
Kanitschneider, ein berühmter Philosoph, welcher sich viel mit Lebensphilosophie
beschäftigte, formulierte Kritik oder Zuspruch zu den folgenden Thesen.
1. Der Sinn des Lebens aus christlicher Sicht ist es, Gott Dank und Ehre zu schenken.
Der Mensch hat viele Fähigkeiten durch Gott erlangt und somit ist Gott ein Ebenbild
in jedem Geschaffenem. Deshalb soll der Sinn im Leben eines Menschen, Gott zu
danken und zu ehren sein. Jedoch verfügt jeder über einen freien Willen, daher hat
jeder das Recht, sich gegen den Schöpfer zu entscheiden. Tut ein Mensch dies, so hat
er mit den entsprechenden Konsequenzen zu rechnen. Die Zuwendung zu Gott
gewährleistet nach dem ewigen Evangelium die Vergebung der Sünden vor Gott.
1 Vgl. http://www.spektrum.de/alias/dachzeile/der-sinn-des -lebens-ist-das-leben-selbst/1000808 (16.01.12)
2 Vgl. http://www.spektrum.de/alias/dachzeile/der-sinn-des -lebens-ist-das-leben-selbs t/1000808 (16.01.12) →
Ideenquelle
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2. Ein anderer Gedanke war, dass die Menschheit auf ein größeres Ziel zu steuere und
darin der Sinn des Lebens läge (Georg Wilhelm Friedrich Hegel).
Diese Theorie wurde jedoch durch Kanitschneider widerlegt. Die Menschheit konnte
sich zu besseren Lebensformen entwickeln, jedoch sei der Gedanke auf ein höheres
Ziel abwegig.
3. Aus physikalischer Sicht endet die Welt ohnehin im Wärmetod und niemand wird in
ein paar Millionen Jahren nur die geringste Spur hinterlassen haben. „Die Welt da
draußen ist schlicht sinnlos.“
3
Physiker suchen nach einer „Theory of Everything“, jedoch würde sie den Sinn der
Welt selbst nicht erfassen, wenn sie die Weltformel erklären könnten, sagt
Kantischneider.
4. Aristippos vertrat die Ansicht, der Lustgewinn sei das oberste Lebensziel. Der Mensch
muss sich jedoch in Acht nehmen, um dem Vergnügen nicht zu unterliegen und
besessen danach zu streben. Kanitschneider erläuterte hierzu: „Gönne die deinen Spaß,
ohne dir daraus das christlich geprägte schlechte Gewissen zu machen, setze deine
Vernunft ein, damit nicht ausversehen Maßlosigkeit und Unverstand dir den Spaß
verderben.“4
So strebe nach dem Vergnügen ohne tragische Dinge
zu verursachen. Doch auch diese Theorie wirft
Fragen auf. Bin ich zufrieden, wenn ich am Ende
meines Lebens reichlich Spaß hatte? Oder sollte der
Sinn sein, Spuren in der Weltgeschichte zu
hinterlassen?
Abb.2 Liebe , als
Sinn des Lebens
Bei allen philosophischen Theorien sollte stets beachtet
werden, dass sie nicht allgemeingültig sind und jeder Mensch
sich individuell in diesem Rahmen entfalten sollte.
Eine klare Antwort jedoch kann niemand auf diese Frage
Abb. 3 Ideal Familie
geben. Für jeden Menschen gibt es einen eigenen Sinn im
Leben. Viele denken, der hauptsächliche Sinn wäre Erfolg und etwas bewirken zu können.
3
Vgl. http://www.spektrum.de/alias/dachzeile/der-sinn-des -lebens-ist-das-leben-selbst/1000808 (16.01.12)
4 Vgl. http://www.spektrum.de/alias/dachzeile/der-sinn-des -lebens-ist-das-leben-selbst/1000808 (16.01.12)
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Doch eine Familie zu haben, (Abb.3.) Freunde und das Gefühl der Liebe zu erfahren (Abb.2)
kann unserem Leben oft einen viel größeren und erfüllteren Sinn geben. Die Antwort auf die
Frage nach dem Sinn des Lebens darf jedoch nie „Garnichts“ sein (nach Albert Camus). Die
große Gefahr des Selbstmordes könnte eine Folge sein. Und Gott hat sicherlich niemanden
das Leben geschenkt, damit er es frühzeitig beendet.
Diese Deutung käme auch meiner persönlichen Einstellung am nächstem. Für mich ist der
Sinn in meinem Leben, meine Familie zu haben und meine Freunde und immer das Positive
zu sehen. Doch auch, die unter Punkt eins dargestellte Position, beinhaltet einen guten Aspekt
für mich, denn ich bin sehr dankbar, dass Gott mir ein Leben geschenkt hat. Doch nur für den
Dank ist es sicherlich auch nicht bestimmt.
Im Bezug auf Behinderte:
-„Beurteilt man den Wert eines Lebens nach Kriterien, wie Tüchtigkeit, Produktivität oder
Wirtschaftlichkeit, dann wird ein Behinderter nicht viel bringen.“ 5
Viele sehen im Leben eines Behinderten keinen großen Sinn und drängen sie somit an den
Rand der Gesellschaft. Doch betrachte man den letzen Punkt der Argumentation, zum Sinn
des Lebens stellt man fest, dass Behinderte oft genau diese Werte schätzen: Liebe,
Einfachheit, Wahrhaftigkeit, Echtheit und auch meist ein starker Glaube. Jede Person ist
einzigartig und hat das Bedürfnis nach Liebe. Die Gesellschaft hat somit die Wahl: entweder
wir unterdrücken Behinderte und die Schwächeren oder wir sehen die Welt als eine
Gemeinschaft, wo jeder seinen Platz hat und wo jeder Leben als gleichwertig gilt.
„Wir sind so viel wert, wie unser Herz“ -
6
5 Vgl. http://www.1000questions.net/de/50q/50q41-de.html (16.11.11)
6 Vgl. http://www.1000questions.net/de/50q/50q41-de.html (16.11.11)
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3. Was ist eine Behinderung?
„Nicht behindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von
uns jederzeit genommen werden kann. Lassen Sie uns die Behinderten und ihre Angehörigen
auf ganz natürliche Weise in unser Leben einbeziehen. Wir wollen ihnen die Gewissheit
geben, dass wir zusammengehören.“ 7
(Richard von Weizsäcker,*1912- , deutscher Politiker, ehem. Bundespräsident)
Der Begriff Behinderung ist sehr komplex und schwer zu definieren. Ist jemand behindert
oder nicht? Diese Frage hängt oft von dem eigenem Menschenbild und der persönlichen
Einstellung ab.
Generell ist Behinderung so zu definieren:
Jemand gilt als behindert, wenn seine unmittelbare Lebensverrichtung deutlich erschwert ist
oder das Teilhaben an der Gesellschaft nicht zu bewältigen ist. Behinderung wird an unseren
gesellschaftlichen Normvorstellungen und Relativierungsfaktoren gemessen.
8
Bekommt eine Person eine Behinderung anerkannt und somit einen Behindertenausweis, so
bringt dies zwei Seiten mit sich. Zum einem die positive, mit Schutz, Förderung und Hilfe. Es
gibt z.B. staatliche Unterstützungen für Behinderte und extra Behindertenförderstätten. Auf
der anderen Seite bringt Behinderung jedoch auch
Stigmatisierung, Diskriminierung und Etikettierung mit
sich und erschwert das Eingliedern in die Gesellschaft
häufig unnötig.
Nach der WHO (Weltgesundheitsorganisation) wird das
Zustandekommen einer Behinderung nach folgendem
Schema definiert: (Abb.4)
Schaden: Erkrankung, angeborene Schädigung, Unfall etc.
Funktionelle Beeinträchtigung: Verlust des Arbeitsplatzes,
Aktivität etc.
Abb.4
7 Vgl. http://glaube-und-kirche.de/zitate_krankheit_behinderung.htm (16.11.11)
8 http://www .myhandicap.de/behinderung.html (25.01.2012)
7
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Soziale Beeinträchtigung: persönliche, familiäre, gesellschaftliche Konsequenzen (Abb.5)
persönliche Folgen:
Einschränkung der:
Unabhängigkeit
Beweglichkeit
Freizeitaktivitäten
familiäre Folgen
Pflegebedarf
gesellschaftliche Folgen
Fürsorgeanspruch
gestörte
soziale
Beziehungen
wirtschaftliche
Belastung
Produktivitätsverlust
gestörte soziale
Integration
usw.
sozialen Integration
usw.
wirtschaftlichen und
beruflichen
Möglichkeiten
usw.
Abb. 5 Folgenkette, wie sich Behinderung in verschiedenen Bereichen auswirken
kann.
Behinderung aus pädagogischer Sicht (Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates):
„Als behindert gelten, die in ihrem Lernen, im sozialen Verhalten, in der sprachlichen
Kommunikation oder in den psychomotorischen Fähigkeiten soweit beeinträchtigt sind, dass
ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft wesentlich erschwert ist. Deshalb bedürfen sie
besonderer pädagogischer Förderung. Behinderungen können ihren Ausgang nehmen von
Beeinträchtigungen des Sehens, des Hörens, der Sprache, der Stütz- und
Bewegungsfunktionen, der Intelligenz, der Emotionalität, des äußeren Erscheinungsbildes
sowie von bestimmten chronischen Krankheiten“9
9 Vgl. http://www.myhandicap.de/behinderung.html (25.01.2012)
8
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Nach dieser Definition werden
Behinderte noch in verschiedene
Kategorien eingeordnet:
1. Geistige Behinderung
(größte Teil nach Abb. 6)
2. Seelische Behinderung
3. Hörschädigung
(Gehörlosigkeit +
Schwerhörigkeit)
4. Körperbehinderung
(Abb.7)
5. Lernbehinderung
Abb.6 Anzahl verschiedener
Behinderungen in Werkstätten
6. Sehschädigung
7. Sprachbehinderung
8. Verhaltensstörung
In der Theorie ist die Einordnung gut nachvollziehbar, jedoch ist es in der Realität oftmals
schwer Behinderungen auseinander zu halten. So weisen körperlich-, geistige- und seelische
Behinderungen einige Gemeinsamkeiten auf.
Alle Definitionen haben eindeutige Ähnlichkeiten, sie schildern einen Behinderten als
eingeschränkt. Jedoch ist generell zu sagen, dass jeder eine eigene Definition finden sollte und
sich auch sein eigenes Menschenbild bilden darf.
„Behindert ist, wer sich behindert fühlt.“10
Die Ansicht ist immer subjektiv, eine Person kann sich selbst behindert fühlen oder durch die
Gesellschaft behindert werden. Behinderung sollte jedoch kein Stempel auf der Stirn sein und
dem Menschen genauso die Möglichkeit gegeben sein, sein Leben so normal wie möglich zu
gestalten.
10 http://www.myhandicap.de/behinderun g.html (25.01.2012 )
9
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Abb. 7 Kennzeichnet körperliche
Behinderung
4. Wie geht es Menschen mit einer Behinderung?
„Menschen mit sehr schweren Behinderungen haben ja nicht die Chance, uns ihre Gedanken
und Wünsche selbst vorzutragen. Mit ihren Gesten, ihrer Mimik, ihren Geräuschen führen sie
uns in ihre Welt, und es ist unsere Aufgabe, diese Signale zu deuten, die richtigen Antworten
zu finden und auf ihre Wünsche einzugehen.“
11
Zuerst sollte man bei dieser Frage bedenken, dass es viele hundert verschiedene Behinderung
gibt, welche die unterschiedlichsten Symptome aufweisen.
Viele, die mit ihrem Handicap geboren wurden, können
sich gut mit ihrer Krankheit arrangieren. Wird jemand
jedoch durch z.B. einen Unfall querschnittsgelähmt, so
sind die psychischen Folgen oft fatal. Sie sehen keinen
Sinn mehr in ihrem Leben und werden häufig depressiv.
Abgesehen von der Schwere der Behinderung, sollte man
das Leben eines Behinderten in zwei Kategorien einteilen
-
Probleme und die etwas andere Lebenseinstellung
Abb. 8 Stark
eingeschränkter Mann
denn es gibt nicht nur negative Seiten im Leben eines Behinderten.
11
Schwere Behinderung- eine Aufgabe für die Gesellschaft!
10
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4.1 Probleme im Leben eines Behinderten:
Jedem sollte klar sein, dass ein kranker Mensch (Abb. 8) nicht dieselben Möglichkeiten
hat, wie ein gesunder. Am schlimmsten, so scheint es für Außenstehende, ist, dass viele
von ihnen Dinge, nach denen jeder strebt, oft nicht erfahren können: ein guter Job, viele
Freunde, Sexualität, eine eigene Wohnung oder eine Partnerschaft. Zudem müssen sie
nicht nur auf vieles verzichten, sondern werden auch oft verachtet und diskriminiert.
Ihnen wird das Eingliedern in die Gesellschaft hierdurch unnötig erschwert.
Ein weiteres Problem ist, vor allem für geistig Behinderte, sich nicht ausdrücken zu
können. Viele Mütter spüren, dass es ihrem Kind nicht gut geht, doch es selbst kann sich
nicht äußern und leidet deshalb z.B. an starken Schmerzen. Ihnen kann nicht optimal
geholfen werden und die Suchen nach der Ursache zieht sich
oft über einen langen Zeitraum hinweg.
Außerdem erlebt man oft in Behindertenwerkstätten oder ich
selbst auch Zuhause Aussetzer, in denen die behinderte Person
außer Kontrolle gerät. Dies zerrt an den Nerven der Eltern oder
Betreuer und ist für die Behinderten selbst im Nachhinein
erniedrigend.
Es gibt noch weitere Gründe, warum das Leben eines
Abb.9
Behinderten bzw. mit einem Behinderten, für alle Beteiligten kompliziert und schwer zu
bewältigen ist. Die Ausführung würde jedoch an dieser Stelle zu weit führen. Trotzdem
sollte man auch die positive Seite im Leben eines Behinderten betrachten.
4.2 Die etwas andere Lebenseinstellung
Betritt man, als gesunder Mensch, eine
Behindertenschule/-werkstatt, so wird einem sofort
etwas auffallen, eine unglaublich warme
Atmosphäre.
Abb.10 Behindertenarbeit
11
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Ein Gespräch mit einem Behinderten, der keine geistige
Einschränkung hat, kann einem eine Erklärung dafür geben: Sie haben
eine ganz andere Lebenseinstellung. (Abb.9)
Stimmt es etwa, dass jeder „normale“ Mensch das Gefühl hat, einem
Behinderten fehlt etwas im Leben? Ein Gespräch, während meiner
Konfirmationszeit, brachte mich in dieser Hinsicht zum Staunen. „Ich
liebe mein Leben, ich habe meine Freunde und kann sogar auf meine
eigene Art und Weise Party machen.“ 12 Dies waren die Worte eines
jungen Mädchens im Rollstuhl, welches sich kaum bewegen konnte.
Abb.11 Behinderte
in einer
Partnerschaft
Auch andere Eindrücke zeigen mir immer wieder, dass auch behinderte Menschen oft sehr
glücklich sein können. Sie haben Freunde untereinander und manche führen sogar eine
Partnerschaft. (Abb.11) Zudem kann man keinesfalls behaupten, sie hätten keine Aufgabe in
unserer Gesellschaft. In einer Behindertenwerkstatt wird ihnen die Möglichkeit geboten,
einfache Arbeit zu verrichten. (Abb.10) Ich habe sogar schon gesehen, wie extra ein
Arbeitsplatz geschaffen wurde, damit eine Frau, die nur eine Hand bewegen konnte,
Schrauben in Tütchen verpacken konnte. Und das erstaunliche daran wiederum ist: es macht
sie unheimlich glücklich, eine Aufgabe erfüllen zu dürfen.
Ein gesunder Mensch fordert häufig nur und strebt nach immer mehr. Geht man hingegen zu
einem kranken Kind unterhält sich mit ihm, schenkt ihm nur einen Moment der
Aufmerksamkeit, dann wird es zufrieden sein. Betritt man einen Klassenraum mit einem
Päckchen Eis, werden alle Augen groß und jedes Gesicht strahlt Freude aus. Ein Jugendlicher
heute wünscht sich einen großen Fernseher, doch aus eigener Erfahrung kann ich sagen, nix
macht meinen autistischen Bruder glücklicher, als ein Eimer mit Kaugummis.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich nicht den Eindruck habe, dass ein Behinderter
Mensch kein glückliches Leben führen kann. Außenstehende sehen oft nur die negativen
Aspekte. Doch beschäftigt man sich mehr mit Behinderten, so fällt einem die Lebensfreude
auf und man stellt selbst fest, dass es auch wichtigere Dinge wie Erfolg gibt. Menschen mit
Behinderung können einem unheimlich viel Liebe schenken, trotz ihrer schwierigen Situation.
Ein Außenstehender wird jedoch nie richtig beurteilen können, ob mehr Behinderte
12 Besuch in der Orth opädischen Klinik Hess. Lichtenau
12
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unglücklich oder glücklich sind, da es nur der eigene Eindruck ist und einem Behinderten oft
die Möglichkeit fehlt, uns seine Gefühle zu erklären.
5.Berichte über das Leben mit einem Behindertem Kind
„Elternschaft ist also nicht nur Abstammungslehre. Sondern darüber hinaus einer besondere
Beziehung der Sorge um und für einen anderen Menschen, der über einen relativ lange
Zeitspanne in seiner Existenz und in seinem Wohlergehen abhängig von denjenigen ist, die
seine Eltern sind- entweder weil sie die soziale Elternschaft übernehmen oder weil ihnen das
Recht zur Sorge überantwortet wird.“ 13 (Hille Hacker)
Während einer Schwangerschaft ist die Freude auf das Kind meist unendlich groß und die
Eltern malen sich die schönsten Träume für ihre Kinder aus. Doch dann der Schock, dass
Kind ist krank, die Vorfreude und Familiensicherheit gerät aus dem Gleichgewicht. Deshalb
ist Elternschaft oft keine einfache Aufgabe. Ein behindertes Kind kann auf der einen Seite viel
Gutes schenken: Dankbarkeit und Zuneigung.
Jedoch gerät die Lebensplanung auf der anderen Seite aus dem Ruder und das neue Leben
kostet viel Kraft.
In den folgenden zwei Berichten wird das Leben zweier Familien mit behinderten Söhnen
geschildert und die in den vergangenen
Artikeln erläuterten Aspekte vertieft.
5.1 Einstellung aus dem Buch: Wo
fahren wir hin Papa?
In „Wo fahren wir hin Papa?“ von Jean-
Abb.12
JeanLouis
Fournier
Louis Fournier (Abb.12) schildert der
Autor sein Leben mit seinen beiden behinderten Kindern. Seine Einstellung ist äußerst negativ
und das Buch eine Entschuldigung an seine „missratenen Kinder“. Für ihn hat ein Leben mit
Behinderung keinen großen Sinn, ja er wünscht seinen Söhnen, ihnen wäre das Leben erspart
geblieben. Sein Buch ist stark durch Neid gegenüber glücklichen Eltern geprägt, große Freude
13 Hauptsache gesund
13
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bereiten seine Kinder ihm nicht. Viele Male erwähnt er, seine Kinder hätten nur Stroh im
Kopf und sie könnten eigentlich Nichts!
Die Situation seiner Kinder beschreibt er als furchtbar, sie konnten kaum lachen, waren oft
abwesend. Einer seiner Söhne musste zudem früh sterben.
„Man darf nicht glauben, der Tod eines behinderten Kind sei weniger traurig. Der Tod eines
Kindes, das nie glücklich war und bei seinem kurzen Abstecher auf die Erde nur Leid erleben
durfte, ist entsetzlich.“14 , schreib er über den Tod seines Sohnes. In seinem Buch wünscht er
seinen Kinder oft sie hätten Flügel, damit sie von der Welt verschwinden könnten, die nicht
für sie gemacht war.
Einmal spricht er sogar davon, man solle anormale Kinder verbieten. Für ihn selbst schien
seine Situation unerträglich, oft spielt Selbstmitleid ihn seinen Schilderungen mit. Er gibt sich
sogar die Schuld am schlechten Leben seiner Kinder. Die Welt sei ungerecht, so etwas zu
zulassen. Nicht nur die Kinder haben gelitten, sondern auch der Vater. Vor allem, weil es ihm
nicht leicht fiel, seine Kinder zu lieben. Er verfasst deshalb sogar selbst einen Brief, indem
ihm seine Söhne Vorwürfe machen. Außerdem stellt er Probleme zwischen seiner gesunden
Tochter und ihren kranken Brüdern dar, Schulkameraden machten sich über sie lustig. Auch
die Scheidung mit seiner Frau war eine Folge, der schwierigen Situation.
„Denn ich kann mir nicht vorstellen, mit ihm unter einem Dach zu lebe…“ 15
Ja, er sieht nicht nur keinen Sinn im Leben seiner Kinder, sondern auch keinen in einem
gemeinsamen Leben. „Meine sind die hässlichsten und dümmsten. Ich bin selbst schuld, dass
sie mir missraten sind.“ 16 Spiegelt nochmals die unglaublich pessimistische Einstellung
wieder.
Daher würde Jean- Louis Fournier die Leitfrage meiner Arbeit mit einem klarem „Nein!“
beantworten. In gewisser Art und Weise mochte er seine Kinder, ihr Leben hätte er ihnen
jedoch lieber erspart. Doch sollte man auch bedenken, dass seine Schilderungen oft auch
gegen sich selbst gehen und er sich selbst Vorwürfe macht. Er empfindet sein Leben als durch
und durch schrecklich. Es gibt keinen Strohhalm, an dem er sich festhalten konnte.
Selbstmitleid prägt ihn sehr. Vielleich wäre das Leben mit seinen Kindern einfacher und
14 Vgl. Wo fahren wir hin Papa? S. 91
15 Vgl. Wo fahren wir hin Papa? S. 147
16 Vgl. Wo fahren wir hin Papa? S. 147
14
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schöner gewesen, hätte er einen Fluchtpunkt, wie Religion, eine gute Ehe oder Urlaub gehabt.
Doch nach seinen Schilderungen wirken sein Leben und das seiner Kinder als völlig wertlos
und als Ungerechtigkeit der ganzen Welt.
5.2 Bericht einer Mutter
Ich habe ein Interview mit meiner eigenen Mutter geführt, da mein Bruder Autist (21) ist, um
noch eine andere Sichtweise aufzuzeigen. Ich habe ihr fünf Fragen gestellt. Auf die erste, wie
ihr Leben mit einem behinderten Kind sei, sagte sie mir, sie habe ein sehr inniges Verhältnis
zu ihrem Kind. Ihre Bedürfnisse stelle sie gerne für ihn hinten an. „Es gibt für mich nichts
schöneres, wenn mein Kind meine Nähe sucht und glücklich ist.“ Diese Worte zeigen, wie
sehr eine Mutter auch ein behindertes Kind lieben kann. Zudem erzählte sie mir, wie viel sie
durch ihr krankes Kind lernen konnte, z.B. welche Werte im Leben wirklich zählen. Zu
meiner Frage, wie sich die Behinderung auf das Familienleben auswirkte, sagte sie mir, dass
es in jeder Familie individuell sein, bei uns jedoch die Folgen gravierend sind. Ein Leben mit
einem stark autistischen Kind ist sehr anstrengend und einschränkend. Dinge, wie Urlaub,
Ruhe oder Ausgehen sind Seltenheiten. Die Einschränkungen sind groß und fallen oft sehr
schwer. Außerdem trennen sich auch die Kreise der Familie. Es zeigt sich, wer immer hinter
einem steht und Rückgrat zeigt und wer vielleicht auch nicht.
„Hätten sie ihrem Kind gern das Leben erspart?“, war meine nächste Frage, worauf meine
Mutter nur antwortete: „Der Mensch hat nicht das Recht darüber zu urteilen, was lebenswert
ist. oft habe ich erlebt, wie Behinderte trotz großer Einschränkungen und Schmerzen viel
Freude erleben und oft viel dankbarer sind, als viele andere Menschen.“
Auf die Frage, ob sie ihr Kind als weniger wert ansieht, als ein gesundes, gab sie klar zu
verstehen: „Nein, auf keinen Fall! Ich liebe mein krankes Kind genauso wie mein gesundes.“
Daraufhin erzählte sie mir noch, wie schwer es für sie ist, die Behinderung für ihren Sohn
anzunehmen, jedoch sei es für sie weniger schwer anzunehmen, dass sie ein behindertes Kind
hat. Man müsse alle Träume, die man für sein Kind hatte begraben, da sie nicht mehr
realistisch sind. „Daran haben ich mein ganzes Leben zu knabbern.“
Sie habe schon einmal gehört, ein behindertes Kind anzunehmen, sei fast genauso schlimm,
wie eines zu verlieren. Und dieses Gefühl habe sie auch. „Du musst das gesunde Kind in
deinem Herzen sterben lassen, um zu realisieren, dass es krank ist.“ Dieses Zitat war sehr
15
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ergreifend. Der Weg dahin sei eine lange Trauerarbeit. Daher sagte sie mir auch, dass es
einige Stützen in ihrem Leben gibt. Zum einem der Glaube und vor allem ihre Familie. Auch
mich selbst nannte sie, da es ihr unglaublich wichtig ist, dass ich in einer einigermaßenen
Normalität leben kann. Ihr krankes Kind selbst sieht sie auch als Stütze. „Er ist die Aufgabe,
die ich im Leben habe.“
Den Glauben bezeichnet sie als innere Kraft in ihr, die ihr selbst, wenn sie verzweifelt ist, die
Gewissheit gibt, dass es immer weiter geht. „Meinen Glaube habe ich in den letzen Jahren
sehr zu schätzen gelernt.“
5.3 Auseinandersetzung mit beiden Texten
Ich habe mich für diese beiden Berichte entschieden, da Meinungen wohl nicht weiter
auseinander gehen könnten, wie diese.
Auf der einen Seite Fournier: er sieht im Leben eines Behinderten keinen großen Sinn und
seine Kinder konnten ihm kaum Glück schenken. Meine Mutter hingegen vertraut auf Gott
und sieht sich gar nicht im Recht, über die Lebensqualität ihres Kindes zu urteilen. Zudem
beschreibt sie ein sehr schönes und inniges Verhältnis zu ihrem Kind und möchte es
keinesfalls missen.
Fournier hingegen stellt sich ein Leben ohne die beiden Söhne einfacher und besser vor. Was
in beiden Berichten jedoch mitschwingt, sind die großen Einschränkungen und der Schmerz,
alle Wünsche für das Kind fallen zu lassen. Doch auch hier ist Fournier pessimistischer, er
fühlt sich von der Welt verlassen und findet in Nichts Halt. Die Sicht meiner Mutter ist
jedoch, dass das Glück ihres Kindes auch ihres ist und sie gern auf vieles verzichtet.
Außerdem zeigt sie, dass Familie und auch der Glaube eine tragende Kraft in Krisenzeiten
darstellen können und man immer nach vorne sehen muss, um die Situation durchzustehen.
Fournier hingegen fehlt jeglicher Halt, deshalb wird es für ihn auch besonders schwierig sein,
ein glückliches Leben mit seinen Kindern zu führen. So sollte man daraus schließen, dass
wenn einem solch ein Schicksalsschlag trifft, man sich etwas suchen sollte, was einem Kraft
spendet. Dies könnte eine gute Ehe, ein zweites Kind, Urlaub oder auch Gott sein.
Ich selbst würde behaupten, dass meine Mutter ein unglaublich starker Mensch ist und
niemals aufgibt. Es ist für mich auch immer wieder erstaunlich, wie positiv sie der
Behinderung entgegensteht. Sie versucht alles, um ihrem Sohn ein einigermaßen glückliches
16
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Leben zu ermöglichen. Das unglaublich gute Verhältnis zwischen ihnen ist immer wieder
faszinierend.
6. Behinderung und Religion
6.1 Beispiele aus der Bibel
Behinderung und Krankheit sind eines der bedeutendsten Themen in der Bibel. Wer kennt
nicht die zahlreichen Heilungswunder von Jesus? Die Menschen hielten ihn zum Teil für den
Sohn Gottes, da er sich hinter die Menschen auf der Schattenseite stellte und vor allem oft von
ihren Leiden erlösen konnte.
So heilte er z.B. zwei Blinde in Mt 9,27-31, durch
bloße Berührung ihrer Augen(Abb.13) oder eine
verkrüppelte Hand in Mk 3,1-6. Es gibt viele
Geschichten der Bibel, die solche Wunder schildern.
Die Heilmethoden von Jesus waren oft nur Worte
oder eine Berührung, selten heilte er durch Medizin.
Die Heilungen gingen jedoch nicht nur von Jesus
alleine aus, von den Kranken musste eine Bereitschaft
ausgehen. „ Wer ein Gott treues und liebendes Herz
hab und seinen Nächsten liebt, erhält Heilung von
Jesus.“
17
Abb. 13
Blindenheilung
Außerdem soll die eigene menschliche Lebenskraft mit der Kraft des Geistes und dem Glaube
an der höchsten Liebe zu Gott Wunder vollbringen. Dafür muss die Seele jedoch erst frei
werden, von Materiellem loslassen und den Geist erwecken. Nur Menschen mit einer reinen
Seele und vor allem dem Wunsch nach Heilung konnten diese auch erfahren. Doch der
Wunsch musste einen starken Glaube an Jesus beinhalten und das Vertrauen auf ihn.
Nur Jesus war in der Lage, Kranke zu heilen, er ist alleine der wahre Heiland für die
Menschheit. Der Geist Gottes war mit ihm eins und so konnte er durch Gott heilen.
17 Vgl. http://j-lorber.de/faq/1/heilwund.htm (25.01.12)
17
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MACHT DAS LEBEN MIT BEHINDERUNG ÜBERHAUPT SINN?
Die Geheilten selbst beschrieben die Heilung als eine plötzliche Stärkung und Linderung der
Schmerzen, zudem sahen sie oft ein helles Licht. Jesus hatte jedoch kein Interesse, sich mit
seinen Gabe zu schmücken und befahl den Geheilten zu schweigen.
Auf Grund dieser Tatsachen ist zu entnehmen, dass Behinderung in der Bibel kein
Nebenthema darstellt. Und gerade dadurch, dass Jesus sich genau hinter die Kranken stellte,
erlangen sie auch einen hohen Stellenwert. In der Bergpredigt Mt. 5,1-7,29, werden diese
sogar selig gesprochen. Er spricht die Menschen auf der Schattenseite an und spricht ihnen
Glück zu. Durch Jesus zeigt sich, dass Gott gerade hinter den Menschen steht, die es oft nicht
leicht haben und leiden müssen. Sie werden keinesfalls außer Acht gelassen, sondern gestärkt.
Daher sollte man im Bezug auf das Thema Behinderung sagen, sie sind in Gottes Augen viel
wert und vor allem können sie den Glauben oft stärker erleben als andere. Jesus setzte diesen
für eine Heilung voraus und ohne diesen wäre es auch zu keiner Heilung gekommen, denn der
Glaube war die Heilung. Das Gefühl, Gott ist bei ihnen und die Hoffnung auf eine bessere
Welt ließ sie im Herzen gesund werden. Gott lässt niemanden allein.
6.1 Die Sicht der Kirche
„Manch einem wird Krankheit zum Segen und Gesundheit
zum Schaden. Gott weiß, was uns vorwärts bringt.“ Aurelius
Augustinus, 354-430, Kirchenvater 18
Abb.14 Leitbild
Ein Beispiel, dass zeigt, dass die Kirche versucht Behinderte
zu unterstützen, ist das diakonische Unternehmen „Hephata“(Abb.14). Der Name zeigt schon
den Hintergrund der Organisation - „Öffne Dich!“. Die Erklärung dieses Namens ist ein
biblisches Hoffnungsbild:
„Während Jesus einen Mann heilt, der taub und stumm ist, spricht er das Wort – Hephata“
(Markus 7.32-37)
Hephata ist für alle Menschen, egal welchem Alters, welcher Nationalität oder welchem
Glaubens offen und engagiert sich in der Jugend- und Behindertenhilfe.
Ihr Impuls ist, dass Gott alle Menschen liebt und sie somit jedem Nächstenliebe schenken
wollen. Die Menschen sollen sich öffnen und integriert werden. Nächstenliebe soll einen
höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft erlangen und Ausgrenzung verhindert werden.
Die Würde des Menschen steht an erster Stelle, jeder Mensch soll nach Hephata gleich
angesehen werden.
18 Vgl. http://glaube-und-kirch e.de/zitate_krankheit_behinderung.htm (16.11.11)
18
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MACHT DAS LEBEN MIT BEHINDERUNG ÜBERHAUPT SINN?
Somit spiegelt Hephata ein kirchliches Unternehmen wieder, das sich hinter Behinderte stellt
und ihnen ein höheren Ansehen vermitteln möchte.
Die deutschen Bischöfe äußerten sich zudem am 12 März 2003 über Behinderungen und
hofften damit, Behinderten und deren Angehörige Ermutigung zu spenden. Sie fühlen sich für
sie verantwortlich, da alle vor Gott den absolut gleichen Wert haben und ihre Geburt vom
Schöpfer gewollt war. Die Bischöfe setzen zum Ziel, Behinderte mehr in die Gesellschaft
einzubeziehen und ihnen auch einen kirchlichen Zugang zu vermitteln.
„Dabei soll die Selbstbestimmung gestärkt und eine aktive Teilhabe in Kirche und
Gesellschaft gefördert werden.“ 19
Zudem setzen sich die Bischöfe gegen Humangenetik 20 und Biomedizin 21 ein, um die
Sensibilität über die Würde des Menschen herauszustellen. Woran sich zeigt, dass die Kirche
alle Menschen als gleich ansieht und es keine Einschränkungen dahingehend geben darf.
Sowohl Hephata, als auch die Worte der Bischöfe zeigen nochmals, dass die Kirche keine
Unterschiede macht und vor allem auch Behinderte mit in die Kirche einbeziehen will.
„Christliche Menschenbild: Dass der Mensch nicht sein eigener Schöpfer ist, sondern dass
sich alles Leben Gott verdankt“22
19 Vgl. http://www.behindertenpastoral-
dbk.de/c_publikation/02_seiten_publikation/01_unbehindert_leben.html
20 Die Humangenetik ist ein Teilgebiet der Genetik. Diese beschäftigt sich speziell mit dem Erbgut
des Menschen.
21 Die Biomedizin ist eine Teildisziplin der Humanbiologie im Grenzbereich von Medizin und
Biologie (molekularen und zellbiologischen Grundlagen des Lebens)
22 http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2011/leben-laesst-sich-vor-leid-nicht-schuetzen-7367
19
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7. Nachwort
„Es ist wie bei uns Menschen, was wäre unser Körper ohne unsere Gliedmaßen, nichts an
uns ist überflüssig. Gesellschaften, die Minderheiten ausgrenzen und ausschließen sind
verstümmelte Gesellschaften. Es fehlt die Solidarität, jeder lebt, wie auf einer einsamen
Insel. Aber wer will das, jeder möchte doch eins werden - Schwule, Schwarze, Behinderte
wir sind doch alle Menschen. Deshalb ist es für uns auch so wichtig zu arbeiten, denn wir
sind ein Teil der Gesellschaft und das waren wir schon immer.“ 23
Dies sind Worte aus dem Film „me too, wer will schon normal sein“ von einem Mann der
an Down- Syndrom leidet. Ich habe diese Passage gewählt, da sie gut meine eigene
Meinung am Ende meiner Jahresarbeit widerspiegelt. In unsere Gesellschaft ist jeder
Mensch gleichwertig und niemand hat das Recht, darüber zu urteilen, ob ein behindertes
Leben weniger Sinn hat. Aus religiöser Sicht ist jedes Leben gewollt und hat somit auch
einen Sinn, da das Leben durch Gott gegeben ist. Nach meinen Recherchen kann ich mich
nur noch mehr hinter meine positive Einstellung zu Behinderten stellen. Sie bringt oftmals
Schwierigkeiten mit sich und die Situation ist für niemanden einfach, doch trotzdem
gehören Behinderte in unsere Gesellschaft, wie jeder andere auch. Außerdem können viele
Menschen noch von ihnen lernen und begreifen, dass es wichtigere Werte im Leben gibt,
wie z.B. Ruhm und Reichtum. Und gerade weil sie es oft nicht leicht haben, sollten wir
ihnen helfen auch ein Teil unserer Gesellschaft zu werden und bei niemandem einen
Unterschied machen. Sie haben genauso das Recht auf dieses Leben wie jeder andere.
Die Ausarbeitung meiner Jahresarbeit hat mir viel Spaß gemacht und ich konnte viele
neue Erkenntnisse gewinnen. Besonders eindrucksvoll war für mich das Buch von
Fournier, denn hierdurch konnte ich meine Meinung deutlich festigen. In meinem
weiteren Leben werde ich noch mehr Respekt gegenüber behinderten Menschen zeigen
und ich bin mir bewusst, wie schwierig ein Leben mit Krankheit für die Person selbst und
auch für die Beteiligten ist.
23 Film: Me too, wer will schon normal sein?
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8. Anhang
8.1 Interview
Laura Weingart: „Wie ist das Verhältnis zwischen ihnen und ihrem Kind?“
Andrea Weingart: „Ich habe ein sehr inniges Verhältnis zu meinem Kind und stelle
meine Bedürfnisse gern für ihn hinten an. Mein Kind steht für mich an erster Stelle.
Es gibt für mich nichts schöneres, wenn mein Sohn meine Nähe sucht und glücklich
ist. Das macht mich auch glücklich. Ich habe auch viel durch mein Kind gelernt, z.B.
dass manche Werte wichtiger sind, als materielle Dinge.“
Laura Weingart: „Welche Komplikationen ergeben sich im Familienleben?“
Andrea Weingart: „Ich denke, Komplikationen im Familienleben sind bei vielen
Behinderungen sehr unterschiedlich. Bei uns sind sie schon sehr gravierend, da wir
ein stark autistisches Kind haben. In vielen Hinsichten wie Urlaub, Ruhe, Ausgehen
gibt es große Einschränkungen, die oft schwer fallen. Ein Leben mit Autist ist sehr
einschränkend und anstrengend. Zudem trennen sich auch die Kreise in denen man
lebt. Es zeigt sich wer in der Familie wirklich hinter einem steht und Rückgrat hat.“
Laura Weingart: „Hätten Sie ihrem Kind gern das Leben erspart?“
Andrea Weingart: „Ich bin der Meinung, dass der Mensch nicht das Recht hat zu
urteilen, was lebenswert ist. Ich habe oft erlebt, dass Behinderte trotz großer
Einschränkungen und Schmerzen viel Freude erleben und oft dankbarer sind, als viele
andere in ihrem Leben.“
Laura Weingart: „Ist ihr Kind für sie weniger wert, nur weil es nicht so ist, wie
Andere?“
Andrea Weingart: „Nein auf keinen Fall, ich liebe mein krankes Kind genauso, wie
mein gesundes. Für mich ist es nicht so schlimm ein behindertes Kind zu haben,
jedoch die Krankheit für ihn anzunehmen fällt mir sehr schwer. Man muss all seine
Träume, die man für das Kind hatte begraben, da sie nicht mehr realistisch sind.
Daran habe ich schon mein ganzes Leben zu knabbern. Ich habe schon einmal gehört,
ein behindertes Kind anzunehmen, sei genauso schlimm, wie eines zu verlieren. Und
dieses Gefühl habe ich auch. Du musst das gesunde Kind in deinem Herzen sterben
21
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lassen, um zu realisieren, dass es krank ist. Doch der Weg dorthin ist eine lange
Trauerarbeit.“
Laura Weingart: „Gibt es etwas in ihrem Leben, was ihnen Kraft und Stärke
spendet?“
Andrea Weingart: „Ja gibt es, zum einem der Glaube und vor allem meine Familie.
Mein gesundes Kind zum Beispiel gibt mir sehr viel Kraft, da es mir unglaublich
wichtig ist, dass es in einer einigermaßen Normalität aufwachsen kann. Doch auch
mein krankes Kind schenkt mir Kraft, denn er ist nun mal die Aufgaben, die Gott mir
im Leben gegeben hat. Der Glaube ist für mich, wie eine innere Kraft, die mir selbst,
wenn ich verzweifelt bin, die Gewissheit gibt, dass es immer weiter geht. Meinen
Glaube habe ich in den letzten Jahres sehr zu schätzen gelernt.“
8.2 Literaturquellen
1. Der Sinn des Lebens ist gelebt zu werden
Peter Radtke, Verlag Sankt Michaelsbund, ISBN: 978-3-920821-98-6
2. Hoffnung für alle Bibel, Brunnen Verlag
ISBN-10: 3-7655-6051-0
3. Wo fahren wir hin Papa?
Jean- Louis Fournier, ISBN: 978-3-423-24745-0 Deutscher Taschenbuch Verlag
4. Hauptsache gesund, Hille Hacker, Kösel-Verlag
5. Schwere Behinderung eine Aufgabe für die Gesellschaft! Lebenshilfe-Verlag
Marburg, Roland Böhm und Klaus Kräling
8.3 Internetquellen
1. http://chrismon.evangelisch.de/artikel/2011/leben- laesst-sich- vor-leid- nichtschuetzen-7367 (03.02.12)
2. http://glaube-und-kirche.de/zitate_krankheit_behinderung.htm (15.11.11)
3. http://j-lorber.de/faq/1/heilwund.htm (25.01.12)
4. http://lebenssinn.com/der-lebenssinn (25.01.12)
5. http://www.1000questions.net/de/50q/50q41-de.html (16.11.11)
22
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MACHT DAS LEBEN MIT BEHINDERUNG ÜBERHAUPT SINN?
6. http://www.behindertenpastoraldbk.de/c_publikation/02_seiten_publikation/01_unbehindert_leben.html
(25.01.12)
7. http://www.myhandicap.de/behinderung.html (25.01.2012 )
8. http://www.sinn-des-lebens.eu/#es-gibt-einen-sinn-des-lebens (16.11.11)
9. http://www.sinnforum.de/ (25.01.12)
10. http://www.spektrum.de/alias/dachzeile/der-sinn-des-lebens-ist-das-lebenselbst/1000808 (16.11.11)
11. http://www.talentmarketing.de/wahlpflichtfach/reha_web/1_behinderung.htm
(25.01.2012)
8.4 Abbildungen
Coverfoto: http://blickpunktiiiiiicaritas.de/tl_files/april%202011/iStock_000009439332XSmall.jpg
1. http://herschelschule.schulcms.de/live/media/8/8/c35fb98b1a9114d190f9e845c2599f.p
ng
2. http://ehe-familie.de/images/fotolia8653783m.jpg
3. http://www.spiegel.de/img/0,1020,199428,00.jpg
4. http://www.talentmarketing.de/wahlpflichtfach/reha_web/1_behinderung.htm
25.01.2012
5. http://www.talentmarketing.de/wahlpflichtfach/reha_web/1_behinderung.htm
(25.01.2012)
6. http://www.talentmarketing.de/wahlpflichtfach/reha_web/1_behinderung.htm
25.01.2012
7. http://www.forsea.de/projekte/2004_marsch/marsch_images/05012129_mannheim.jpg
8. http://www.welt.de/multimedia/archive/01310/laureus_bentele_fr_1310755p.jpg
9. http://images.yume.vn/blog/201108/10/1312957497_0.0.0.1.jpg
10. http://www.caritas-nrw.de/photos/bilder-heft-3-06/3-06-22.jpg
11. http://images.yume.vn/blog/201108/10/1312957497_0.0.0.1.jpg
12. http://www.herault.fr/files/atarroux/Jean-Louis-Fournier.jpg
13. http://vitajesu.files.wordpress.com/2009/12/jesus_and_a_blind_man1.jpg
14. http://www.hephata.de/img/img_home.gif
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Sonstige Quellen:
Film: Me too, wer will schon normal sein?
Hephata Diakonie: Leitlinie Hephata (Flyer)
CD Evangelischer Erwachsenen Katechismus, Gütersloher Verlagshaus, Andreas Brummer,
Manfred Kießig und Martin Rothgangel
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