Projektbeschreibung LETZTER AUFRUF

Transcription

Projektbeschreibung LETZTER AUFRUF
PROJEKTBESCHREIBUNG
LETZTER AUFRUF von A. Ostermaier
LETZTER AUFRUF
von Albert Ostermaier
Szenisches Projekt der Theatergruppe der Bucerius Law School
im Rahmen des Studium Generale
Premiere am 19.6.2012
im Moot Court der Bucerius Law School
Regie:
Liz Rech
Assistenz: Lea Fischer
Technik:
Alexander Ulmer
mit
Daria Bayer, Justus Duhnkrack, Philipp Eschenhagen, Benjamin
Fischer, Gesa Isermann, Alice de Juvigny, Anselm Keim, Sven
Klüppel, Christina Krandick, Andreas Mildner, Simon Reetz, Max
Ruderer, Jan Stey, Jonas van den Woldenberg, Jieer Xu
ZUM STÜCK „LETZTER AUFRUF“
Ein verhängnisvolles Spiel, bei dem es keinen Gewinner gibt, nimmt seinen Lauf.
Die Spieler sind allesamt Gestrandete, die sich irgendwo auf ihren Reisen zwischen New York, Paris, Sidney oder Moskau verloren haben. Ihr
Zuhause ist der Flughafen, der mit seinem futuristischen Ambiente die
Heimat nur unzulänglich zu ersetzen vermag. Seit Jahren treffen sie aufeinander und bei jeder Begegnung erfinden sie immer wieder neue Identitäten. So zufällig ihre Treffen auch scheinen, so folgen sie stets einem
einzigen Streben. Es gilt, nicht den Täter, sondern das nächste Opfer
unter ihnen zu identifizieren. Wer wird der nächste sein? Serge, der sentimentale Russe aus dem Kiewer Untergrund? Er hat es geschafft. Er ist gut
im Geschäft, jettet durch die ganze Welt. Doch der Preis, den er hierfür
zahlen muss, ist hoch. Er hasst sein Leben und würde alles darum geben,
wieder in seine Heimat zurückkehren zu können. Doch in der Fremde ist
seine Seele längst verhungert.
Leo Torn, der gescheiterte Global Player, will nur noch eins: nichts mehr
mit der Außenwelt zu tun haben, sich selbst vergessen. Sein Traum: als
Romanfigur oder als Nebenrolle in einem Film enden. Sein Problem: Tita,
seine Freundin, die gnadenlos sein Leben dominiert. Mono, DJ und Musiker? Mono hat es aufgegeben, aus der Scheiße herauskommen zu wollen.
Da kann ihm auch seine Freundin Uma, die ihn (noch?) bedingungslos
liebt, nicht mehr helfen.
Sona, Stewardess und Geliebte von Flugkapitän Alan? Das schnelle Geld,
die Verheißung von Welt und ein mondänes Leben hat sie zum Fliegen
getrieben. Nun ist sie es leid, sabbernden Männern Stoffservietten auf
den Schoß zu drapieren und nur ein Kürzel im Kalender ihres Geliebten
zu sein. An der Seite Alans ein neues Leben anzufangen, ist ihr großer
Traum, doch Alan verweigert sich vehement.
Die Figuren verstricken sich in einem gefährlichen Reigen aus Sex, Eifersucht, Einsamkeit, Leere. Vom Höhenflug der beruflichen und privaten
Selbstverwirklichung zum emotionalen und seelischen Absturz ist es oft
nur ein kleiner Schritt. Mit dem rasanten Atem filmischer Bilder erzählt
Albert Ostermaier von Menschen, die in Zwischenräumen ihre mörderisch
komischen Spiele treiben.
ZUM AUTOR
Albert Ostermaier wurde 1967 in München geboren. 1990 erhielt er
das Münchner Literaturstipendium. In der Spielzeit 1996/1997 war er
Hausautor am Nationaltheater in Mannheim. Für das Bayerische Staatsschauspiel schrieb er 1997/8 ein Auftragswerk zum 100. Geburtstag von
Bertolt Brecht. In der Saison 1999/2000 arbeitete er hier als Hausautor.
Preise und Auszeichnungen:
- Lyrik-Preis des PEN Liechtenstein (1995)
- Verleihung des Ernst-Toller-Preises (1997)
- „Stücke“-Förderpreis des Goethe-Instituts für „Tartar Titus“ (1998)
- Hubert von Herkomer-Preis der Stadt Landsberg am Lech (1998)
- Ernst-Hofrichter-Preis der Stadt München (2000)
- Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes für „Letzter Aufruf“
(2000)
DER FLUGHAFEN ALS SINNBILD DER POSTMODERNE
Noch stärker als das Motel ist der Flughafen zu einem Sinnbild der Postmoderne geworden. Wie das Auto ohne die Straße und die Eisenbahn ohne die
Schiene nicht denkbar sind, ist das Flugzeug auf Start- und Landebahnen
angewiesen. Während in den ersten beiden Fällen allerdings das Fahrzeug,
also die Eisenbahn oder das Auto, im Zentrum der Metaphorisierung steht,
ist im letztgenannten Fall weniger das Flugzeug als der Flughafen zu einer
bedeutenden Metapher für die Vielfalt postmoderner, nomadischer Lebensweisen am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts geworden. Tim
Cresswell schreibt:
«The airport has become something of an iconic space for discussions of modernity and postmodernity, and its central role in literature on mobility makes
it an ideal place to consider the ways in which geographies of human mobility
have developed.»
Im Zusammenhang mit der Betrachtung des Flughafens als Metapher der
Postmoderne wird häufig auf Marc Augés (1994) Konzept der «Nicht-Orte»
zurückgegriffen. «Nicht-Orte» bieten Augé zufolge keinen Raum für Geschichte, «die Herrschaft gehört der Aktualität und den Erfordernissen der Gegenwart».
(...)
«Der Raum des Reisenden» ist für Augé «der Archetypus des Nicht- Ortes».
Konkret benennt er «die Hotelketten und Durchgangswohnheime, die Feriendörfer, die Flüchtlingslager, die Slums, die zum Abbruch oder zum Verfall
bestimmt sind». Zudem sieht er «Nicht-Orte» oder «wirkliche Orte der Übermoderne» in «den Flugstrecken, den Bahnlinien und den Autobahnen, den
mobilen Behausungen, die man als ‹Verkehrsmittel› bezeichnet (Flugzeuge,
Eisenbahnen, Automobile), den Flughäfen, Bahnhöfen und Raumstationen,
[…], Freizeitparks, den Einkaufszentren und schließlich dem komplizierten
Gewirr der verkabelten oder drahtlosen Netze, die den extraterrestrischen
Raum für eine seltsame Art der Kommunikation einsetzen, welche das Individuum vielfach nur mit einem anderen Bild seiner selbst in Kontakt bringen»
. Identität werde nur bei Betreten und Verlassen der «Nicht-Orte» relevant,
beispielsweise bei der Grenzkontrolle oder an der Zahlstelle. An den «NichtOrten» selbst stellt Augé hingegen Homogenisierungstendenzen fest. «Der
Raum des Nicht-Ortes schafft keine besondere Identität und keine besondere
Relation, sondern Einsamkeit und Ähnlichkeit.»
(Ramona Lenz: Von der Metaphorisierung der Mobilität zum «Mobility Turn»)
Inszenierungsfotos
Photos: Konstantin Kleine