für die Welt - Südwestmetall

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für die Welt - Südwestmetall
SEPTEMBER 2016
KOMMENTAR
Noch mehr
Bürokratie
Von Peer-Michael Dick,
FOTO: VERBAND
Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall
Am Reformpaket der Bundesregierung zum Mutterschutz wird
deutlich: Statt Bürokratie konsequent abzubauen, belastet man
Betriebe zusätzlich mit überflüssigen Vorschriften.
So sollen Unternehmen künftig beispielsweise alle Arbeitsplätze, auch jene von Männern,
auf ihr Gefährdungspotenzial
für Schwangere und Stillende
hin prüfen. Dazu gibt es Dokumentations- und Informationspflichten.
Wenn laut Gesetz selbst Fußballer wie Mario Götze von ihren Vereinen über das Risiko
im Falle einer Schwangerschaft
aufgeklärt werden müssten,
zeigt dies den Unsinn solcher
Regelungen. Faktisch bedeutet
die Reform zudem ein Beschäftigungsverbot für Schwangere
in der Produktion.
Dabei steht außer Frage: Der
Schutz werdender Mütter hat
höchste Priorität. In unserer
Branche ist es Praxis, sie etwa
vom Fließband an andere, weniger belastende Arbeitsplätze
zu versetzen. Der Regulierungs-Rundumschlag der Bundesregierung würde auch das
erschweren. Er ist daher unangemessen und praxisfern.
KURZ & BÜNDIG
Beim Anlagenbauer Dürr in
Bietigheim-Bissingen brummt
das Geschäft: 11 Prozent mehr
Bestellungen im ersten Halbjahr 2016 als ein Jahr zuvor.
Porsche stellt in der Region
Stuttgart mehr als 1 400 Mitarbeiter für die Entwicklung und
Produktion des ersten rein
elektrischen Sportwagens ein.
Produktion
Scharfe Klingen
für die Welt
Produktion bei
Friedr. Dick: Auf
das Material
kommt es an –
und auf die
Verarbeitung.
FOTOS: MIERENDORF (4)
1 2 AKTIV 3 .
Metzger und Köche setzen auf Messer aus Schwaben
und hohe Stückzahlen unter einen
hält Johann Pusch ein großes Hut bringen.
Denn es geht hier neben edlen
Kochmesser an das Schleifband
der Maschine, um der Klinge die Kochmessern für Profis und ambierforderliche Schärfe zu verleihen. tionierte Hobbyköche um funktioHandarbeit ist auch in Zeiten von nale Werkzeuge für Metzger oder
Industrie 4.0 eines der
Erfolgsgeheimnisse von
Friedr. Dick.
Das 1778 gegründete
Messer im Schlachthof haben oft
Traditionsunternehmen
aus Deizisau südöstlich nur wenige Wochen Lebensdauer
von Stuttgart ist einer Steffen Uebele, Vertriebs- und Marketingleiter
der weltweit führenden
Hersteller von Profimessern, Wetzstählen, Schärf- und Arbeiter in der Fleisch-Industrie.
Abziehmaschinen oder Spezial- Diese Geräte müssen zwar sehr
werkzeugen etwa für Gold- und scharf sein, dürfen aber nicht so
viel kosten. „Messer im SchlachtHufschmiede.
Allerdings stehen nur wenige hof haben durch ständiges SchärMeter von Puschs Arbeitsplatz fen oft nur wenige Wochen Leentfernt in einer anderen Halle bensdauer“, erklärt Uebele.
Entsprechend groß sind der Beauch Roboter: Die Maschinen bearbeiten Messerklingen vollauto- darf und auch die Stückzahlen, die
matisch in mehreren Arbeitsgän- die 180 Mitarbeiter am Hauptsitz
gen. Nur der Wechsel der Klingen in Deizisau herstellen: 1,85 Milliovon einer Maschine zur anderen nen Produkte verlassen das Werk
und die anschließende Qualitäts- im Jahr, rund 70 Prozent davon
kontrolle werden derzeit noch per sind Messer. Dick-Produkte haben
weltweit einen ausgezeichneten
Hand erledigt.
Ruf. Inzwischen wird in 84 Länder
geliefert. Der Exportanteil steigt
Produkte gehen
stark und liegt laut Uebele inzwiin 84 Länder
schen bei rund zwei Drittel des
Die Kombination aus Handar- Umsatzes.
beit – fast wie im HandwerksbeEin gutes Messer machen nach
trieb – verbunden mit hoher Ra- Einschätzung des Vertriebschefs
tionalisierung an anderen Stellen vor allem zwei Faktoren aus: das
der Produktion mache die beson- Ausgangsmaterial – also die verdere Stärke von Dick aus, meint schiedenen Stähle – und der
Steffen Uebele, der Vertrieb und Verarbeitungsprozess. An den
Marketing leitet. So kann das Fa- Legierungen, die jeweils auf die Eimilienunternehmen beste Qualität genschaften des fertigen Messers
Deizisau. Mit prüfendem Blick
„
Sorgfalt: Für den
Härteprozess werden alle Klingen
einzeln aufgelegt.
Kontrolle: Thomas Götz überprüft,
ob die Wetzstähle gerade sind.
Handarbeit:
­Johann Pusch ist
Experte für den
letzten Schliff.
abgestimmt sein müssen, arbeiten
die Dick-Entwickler zusammen
mit Partnern aus der Stahl-Industrie. Im Einzelfall kann es Monate
dauern, bis alles passt.
Auch für die Verarbeitung lässt
man sich Zeit und setzt auf große
Sorgfalt, etwa bei den Härteprozessen. Für geschmiedete Koch-
messer im Premiumsegment sind
übrigens rund 50 Arbeitsschritte
notwendig. Die edlen Messer entwirft der Betrieb meist ohne Hilfe
externer Designer: „Die Messer
sind inzwischen nicht nur bei Köchen, sondern auch bei Sammlern
begehrt“, so Uebele.
Jürgen Schmidt
Abwasser heizt Entwicklungszentrum
Umformtechnik-Konzern Schuler setzt auf Innovationen – überall
FOTOS: DPA, SCHULER AG
Energiequelle: Aus
Abwasser
lässt sich
das ganze
Jahr über
Wärme
­gewinnen.
Göppingen. „Innovation To-
wer“ nennt der Göppinger
Pressenhersteller Schuler
seinen Neubau. Hier sollen im Sommer kommenden
Jahres die Entwicklungs-
Innovationsturm: Der SchulerNeubau ist 50 Meter hoch.
und Engineering-Abteilungen einziehen. Innovativ ist
auch die künftige Klimatisierung: Das über 50 Meter
hohe Gebäude mit 750 Arbeitsplätzen wird quasi mithilfe von Abwasser geheizt
und gekühlt.
Das Prinzip ist einfach. Abwasser hat eine Temperatur
von mindestens 15 Grad, im
Sommer wie im Winter. Wärmetauscher entziehen ihm einen Teil der Wärme und leiten diese an das Gebäude
weiter, wo sie zum Heizen
eingesetzt wird.
Umgekehrt lässt sich das
System auch zur Kühlung
nutzen: Bei sommerlichen
Temperaturen entzieht man
den Büros die Wärme und
gibt sie in die Kanalisation
ans Abwasser ab.
Wärmetauscher auf
155 Metern Länge
Auf den Weg gebracht haben die Stadtwerke Göppingen diese umweltfreundliche Energieerzeugung. Um
das Hochhaus zu versorgen,
will man jetzt in einen der
größten Abwasserkanäle der
Göppinger Innenstadt Wärmetauscher in die 2,60 Meter dicken Rohre einbauen
– und zwar auf einer Länge
von 155 Metern.
Die Anlage gilt als eine der
größten zur Nutzung von
Energie aus Abwasser in ganz
Baden-Württemberg. Das
kommunale Versorgungsunternehmen hat bereits bewiesen, dass die Technik gut
funktioniert.
So bezieht etwa die ört­
liche Kreissparkasse seit
zwei Jahren ihre Energie aus
dem Kanal. Damit kann sie
ihren Wärme- und Kältebedarf am Hauptsitz zu etwa
der Hälfte decken.
Noch besser sieht es
bei Schuler aus. Der Innovation Tower, in den der
Weltmarktführer für Umformtechnik mehr als 40 Millionen Euro investiert, soll
fast ganz ohne weitere Heizquellen auskommen.
JÜS