Die Welt aus 60 Perspektiven

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Die Welt aus 60 Perspektiven
FOTOS: ZWELETHU MTHETHWA/COURTESY JACK SHAINMAN GALLERY, NEW YORK; PRIVAT
Afrika: Zwelethu Mthethwa, 1960 in Südafrika geboren, studierte
als einer der wenigen Schwarzen während des Apartheidregimes
an der Universität Kapstadt und ist heute ein international bekannter
Maler und Fotograf. Wiederkehrendes Thema seiner Arbeiten sind
Porträts von Schwarzen aus Armensiedlungen, die sich trotz ihrer
Lebensumstände Stolz und Selbstbewusstsein bewahrt haben.
Die Welt aus 60 Perspektiven
Internationale Ausrichtung, multikulturelle Verankerung:
Die neue Kunstsammlung im Group Head Office zeigt auf insgesamt
60 Etagen das Selbstverständnis einer globalen Deutschen Bank
Asien: Yan Pei-Ming,
geboren 1960 in Schanghai,
will mit politisch aufgeladenen Zeichnungen und
Gemälden die grundlegenden
Fragen menschlicher
Existenz erkunden. Dabei bewegt sich der Künstler
im Spannungsfeld persönlicher Erinnerungen und
humanitärer Anliegen. So
stellt er beispielsweise
Porträts von hungernden
Kindern neben Bilder von USSoldaten aus dem Irak-Krieg.
Bilder wie das der verwaschenen Dollarnote wirken
wie religiöse Vanitas-Motive,
die die Vergänglichkeit alles
Irdischen symbolisieren.
YAN PEI-MING/COURTESY ATELIER YAN PEI-MING, SHANGHAI; PRIVAT
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Perspektiven
Die Kunst der Deutsche Bank Türme
FOTOS: NEO RAUCH/VG BILD-KUNST, BONN 2011/COURTESY EIGEN + ART, BERLIN; GREGOR HOHENBERG
Deutschland: Neo Rauch, geboren 1960, stieg nach der Wende rasch zum international gefeierten Star der
„Neuen Leipziger Schule“ auf. Der Maler verarbeitet deutsch-deutsche Geschichte in einem Mix aus
DDR-Motiven, US-Comicstrips und Pop-Art-Elementen. Losgelöst von Zeit und Raum, formieren sich Industrielandschaften,
Arbeiter und fähnchenschwenkende Hausfrauen zu suggestiven, teilweise magisch anmutenden Bildwelten.
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Amerika: Die 45-jährige
US-Amerikanerin
Ellen Gallagher arbeitet
mit Witz afroamerikanische Geschichte auf.
In der Serie „DeLuxe“
verfremdet sie Anzeigen
aus schwarzen LifestyleZeitschriften der 1940er
Jahre. Dabei nutzt sie
die unterschiedlichsten
Techniken und Materialien,
selbst Kaugummis
verwendet sie in ihren
Collagen.
FOTOS: ELLEN GALLAGHER/COURTESY HAUSLER & WIRTH, ZÜRICH; EDGAR CLEIJNE
E
ine Wand aus 60 Monitoren zieht den
Blick schon von weitem an. Auf jedem
Bildschirm laufen Endlosschleifen von
Infos. Es geht dabei nicht um Aktien- oder
Wechselkurse, wie man es in der Eingangshalle
einer Großbank erwarten würde. Nein, diese
elegant geschwungene „Art Wall“ im Foyer der
neuen Deutsche Bank Türme liefert einen ersten Überblick über die 60 Maler, Zeichner und
Fotografen, die in der neuen Sammlung einen
besonderen Stellenwert einnehmen: Sie bespielen mit ihren Werken jeweils eine komplette
Etage – strukturiert nach Region und Nationalität. Turm A ist ausschließlich mit deutscher
und europäischer Kunst bestückt, während die
Kunst aus Asien, Amerika, Afrika und dem Nahen Osten in Turm B untergebracht ist.
Dieser Fokus ist neu. Und er reflektiert nicht
nur das weltweite Kunstengagement der Bank,
er zeigt auch die Entwicklung der vergangenen
Jahre auf: In den Wirtschafts- und Finanzmetropolen sogenannter Schwellenländer
sind lebendige Kunstzentren entstanden, die
sich auf der Weltkarte der Gegenwartskunst
immer stärker behaupten. Welch visionäre
Kraft und gesellschaftliche Relevanz die Künstler aus Indien, China oder Südamerika haben,
das zeigt die hochkarätige Auswahl in Frankfurt
allein schon in der neuen Ausstattung der Großraumbüros. Inklusive der Arbeiten weiterer
Künstler in den rund 120 Besprechungsräumen
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wird hier ein ebenso einmaliger wie repräsentativer Querschnitt durch die aktuelle, internationale Kunstszene geboten. Nicht umsonst gilt
die Kunstsammlung als die bedeutendste ihrer
Art besonders in der Gegenwartskunst und den
Medien, in denen sich neue Ideen und Konzepte derzeit am unmittelbarsten ausdrücken
– etwa Fotografie und Arbeiten auf Papier.
Vor der ökologischen Runderneuerung der
Taunusanlage sah das noch anders aus. Da beherrschten die Lokalmatadoren der Akademien
Düsseldorf, Berlin, Frankfurt und Köln das Bild
der Sammlung. Das hatte gute Gründe: Als die
Bank 1984 ihr Hauptquartier bezog, stand die
deutsche Avantgarde hoch im Kurs. Die Sammlung der Deutschen Bank umspannte damals alle
Strömungen bundesdeutscher Kunstgeschichte
nach 1945 und war damit ebenso wegweisend wie mit ihrem Konzept, das Werk eines
Künstlers auf einer ganzen Etage vorzustellen.
Mittlerweile zählen deren Vertreter wie Beuys,
Richter und Polke zu den Klassikern. Aber sie
transportieren nicht mehr das Selbstverständnis
des global agierenden Unternehmens – und sie
vermittelten auch nicht das Profil der Sammlung
selbst, die von Anfang an weit internationaler
aufgestellt war, als es in den Türmen wirkte.
ALS DER UMBAU ANSTAND, war also klar, dass
ein neues ästhetisches Gesamtkonzept für die
Zentrale am Main gefragt war. Ein großer Teil
der hier präsentierten „Klassiker“ aus dem
deutschsprachigen Raum ging als Dauerleihgabe an das Frankfurter Städel-Museum, mit
dem die Deutsche Bank seit Jahren kooperiert.
In den Türmen, traditionell Schaufenster der
Kunstsammlung, stellt sich jetzt eine visionäre junge Künstlergeneration vor, die mit aller
Kraft daran arbeitet, das religiöse, ethnische,
politische, ja selbst ästhetische Schubladendenken zu überwinden.
Wangechi Mutu, eine gebürtige Kenianerin,
die heute in New York lebt, ist da nur ein Beispiel. Ihre erotisch aufgeladenen Fabelwesen
aus Mensch, Tier und Maschine vereinen auf
verstörende Weise die Götter, Geister und Dämonen Schwarzafrikas mit westlichem Sexkonsum und Gewaltverherrlichung.
Ganz anders arbeitet dagegen die französisch-marokkanische Künstlerin Yto Barrada.
Ihr Werk reflektiert die besondere Situation ihrer Heimatstadt Tanger. Im Norden Marokkos
gelegen, bildet sie eine Schnittstelle zwischen
arabischer, afrikanischer und europäischer
Kultur.
Mutu und Barrada waren 2010 und sind 2011
die beiden ersten „Künstlerinnen des Jahres“
der Deutschen Bank. Dieser Titel, ein neuer
Meilenstein im Programm der Künstlerförderung der Deutschen Bank, ist mit Ankäufen für
die Unternehmenssammlung sowie einer Soloschau im Deutsche Guggenheim verbunden.
Perspektiven
Die Kunst der Deutsche Bank Türme
Tattoo-Freak Dr Lakra, der früher mal Punks
in Mexiko-Stadt tätowierte und heute Puppen,
Poster und Glamourfotos mit seinem albtraumhaften Universum aus Schlangen, Fetischen
und Pin-up-Girls überzieht. Für all diese
Künstler ist der „Clash der Kulturen“ selbstverständlich. Sie mixen souverän Einflüsse aus
West und Ost, Nord und Süd – und vielen mag
es dabei ergehen wie dem Multimediakünstler
Yane Calovski, der sagt: „Wir sind hochgebildet
und mehrsprachig, aber wir haben das Gefühl
dafür verloren, wo wir eigentlich hingehören.“
Globalisierung, Migration, die Suche nach
einer besseren Zukunft und die Frage nach den
eigenen Wurzeln – das sind die großen Themen der Gegenwartskünstler rund um den Erd-
Europa: Adrian Paci wurde 1969 in Albanien geboren und floh 1996 mit seiner
Familie nach Italien. Seither drehen sich seine Videoarbeiten und Fotografien
hauptsächlich um Migration. Auf dem Foto „Centro di Permanenza temporanea“
drängen sich mexikanische Flüchtlinge auf einer Gangway, ohne Flugzeug
weit und breit – ein Sinnbild der Hoffnungslosigkeit.
FOTOS: ADRIAN PACI/COURTESY GALLERIA FRANCESCA KAUFMANN, MAILAND; PRIVAT
ball. Eine umfassendere Sammlung, die sich
mit diesen Themen befasst, konnte man bislang allerdings noch nirgendwo sehen. Dabei
sind gerade die, wie Friedhelm Hütte betont,
„für die Gesellschaft von zentraler Bedeutung“.
„Art works“, lautet das Motto der Deutschen
Bank. Kunst wirkt – und zwar im Betrachter,
der sich mit ihr beschäftigt. Kunst stellt Fragen, eröffnet neue Perspektiven und führt so
zu innovativen Ansätzen. Deshalb ist es seit
mehr als 30 Jahren erklärtes Ziel der Deutschen Bank, Mitarbeitern, Kunden und einer
breiten Öffentlichkeit Zugang zu zeitgenössischer Kunst zu bieten. Die „Art Wall“ im Foyer
ist nur das Aushängeschild eines umfassenden
Vermittlungsprogramms. Auf jeder Etage werden die Künstler vorgestellt. Vor allem aber gibt
es ein reiches Angebot an Führungen, Lunch
Lectures und Künstlergesprächen.
Kunst verbindet Menschen. Kunst verändert die Gesellschaft. Art works – nirgendwo wird das besser sichtbar als im Frankfurter Hauptsitz der Deutschen Bank. O
ISABELLE HOFMANN
Der Clash der Kulturen
prägt die Künstler
ebenso wie
die Sammlung
FOTOS: SHIRIN ALIABADI/COURTESY THE THIRD LINE, DUBAI; PRIVAT
Vorgeschlagen wurden die Künstlerinnen übrigens von Okwui Enwezor, Hou Hanru, Udo Kittelmann und Nancy Spector. Die international
renommierten Kuratoren bilden seit 2008 unter
dem Vorsitz von Pierre de Weck, Mitglied der
Konzernleitung der Deutschen Bank, das Global Art Advisory Council der Deutschen Bank
und unterstützten die hauseigene Kunstabteilung um deren Leiter Friedhelm Hütte auch bei
der Ausstattung der Taunusanlage.
Während im „europäischen Turm“ viele
Künstler einem breiteren Publikum bekannt
sein dürften – hier finden sich beispielsweise
„Fallensteller“ Andreas Slominski, der Leipziger Malerfürst Neo Rauch, Landschaftsmaler
Peter Doig oder der Young-British-Artist-Star
Gavin Turk –, überwiegen in Turm B die exotisch klingenden Namen. Ob es die iranische
Fotografin Shirin Aliabadi ist, die mit ihren
provokanten Porträts feiernder Mädchen im
nächtlichen Teheran gegen die Unterdrückung
der Frau in ihrer Heimat angeht. Der Chinese Yan Pei-Ming, dessen expressive Aquarelle
modernen Vanitas-Bildern gleichen. Oder der
Naher Osten: Die Iranerin
Shirin Aliabadi provoziert
religiöse Fanatiker. Bekannt
wurde die 1973 geborene
Künstlerin mit Fotografien stark
geschminkter Frauen, die
unter bunten Kopftüchern
wasserstoffblonde Perücken
tragen. Die Aufnahmen
selbstbewusster Mädchen, die
nachts im Auto durch Teheran
brausen, sind Sittenwächtern ein
Dorn im Auge, denn sie stehen
für eine Generation, die sich zunehmend Freiräume erobert.
Mehr Informationen unter:
www.deutsche-bank.de/kunst-in-den-tuermen
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