Familienbewusste Schichtarbeit - `Vereinbarkeit von Familie und

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Familienbewusste Schichtarbeit - `Vereinbarkeit von Familie und
Familienbewusste
Schichtarbeit
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1. Einleitung: Was ist familienbewusste Schichtarbeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
2. Gesundheitliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
3. Soziale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
4. Demografische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
5. Kriterien der Schichtplangestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
6. Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
7. Teilzeit ist möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
8. Zeitkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
9. Individuelle Zeitoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
10. Umsetzung familienbewusster Schichtmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
11. Umsetzung im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
12. Prozess der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
13. Widerstände bei der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
14. Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
15. Dienst- und Betriebsvereinbarungen zu familienbewusster Schichtarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
16. Beispiele guter Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
17. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Vorwort
Schichtarbeit stellt in jeder Hinsicht eine Herausforderung für
das persönliche und betriebliche Zeitmanagement dar. Die 17 %
Schichtbeschäftigten in Deutschland haben es besonders schwer,
ihr Arbeits- und Privatleben in Einklang zu bringen, da Arbeit
am Wochenende, abends oder nachts mit großen Nachteilen
verbunden ist. Deshalb ist es in Schichtbetrieben besonders wichtig,
die Ansprüche der Beschäftigten auf eine gute Work-Life-Balance
zu verwirklichen.
Besonders wenn Schichtarbeit mit Nachtarbeit und Wechselschichten verbunden ist, ist jede vermiedene Schichtarbeit besser
als eine gut gestaltete. Doch dort wo sie unerlässlich ist, sind
Bedingungen zu schaffen, die Gesundheit, Wohlbefinden und das
Aufrechterhalten sozialer und familiärer Netze ermöglichen.
Zu einer modernen Schichtplanung, die arbeitswissenschaftlichen
Erkenntnissen gerecht wird, gehören deshalb die Berücksichtigung
sozialer Belange und insbesondere der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Die vorliegende Broschüre zeigt anhand konkreter
Praxisbeispiele, dass – entgegen dem gängigen Argument, in
Schichtsystemen seien die arbeitsorganisatorischen Freiräume zu
gering – durchaus Möglichkeiten familienbewusster Schichtplangestaltung vorhanden sind.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des
prognostizierten Fachkräftemangels ist das Thema Familienfreundlichkeit zu einem immer wichtiger werdenden Bestandteil
zukunftsorientierter Personalpolitik geworden. Immer mehr Schichtbetriebe nehmen auch die Herausforderung an und machen sich
auf den Weg, zusammen mit der Interessenvertretung und den
Beschäftigten, Lösungen für die Praxis zu finden.
Hier setzt das Projekt „Vereinbarkeit von Familie und Beruf
gestalten“ mit der Broschüre „Familienbewusste Schichtarbeit“
an. Mit Empfehlungen für die Schicht- oder Dienstplangestaltung,
Umsetzungsstrategien und Beispielen guter Praxis ist ein Leitfaden
entstanden, der Betriebs- und Personalräte unterstützt, eine sozialverträgliche und familienbewusste Gestaltung der Arbeitszeiten für
Schichtbeschäftigte zu erreichen.
Die Beispiele in dieser Broschüre zeigen, dass familienbewusste
Schichtgestaltung so vielfältig sein kann wie die Betriebe und
ihre Beschäftigten es sind. Es handelt sich dabei weder um ein
„Luxusproblem“ noch um ein Orchideenthema. Familienbewusste
Arbeitszeitgestaltung ist wesentlicher Bestandteil einer zukunftsund lebensphasenorientierten Personalpolitik, die die individuellen
Bedürfnisse der Beschäftigten besser berücksichtigt.
In diesem Sinne wünsche ich allen Beteiligten viel Erfolg bei der
konkreten Umsetzung einer familienbewussten Schichtplanung.
Ingrid Sehrbrock
1. Einleitung: Was ist familienbewusste Schichtarbeit?
Seit einigen Jahren gewinnt das Thema der Vereinbarkeit von
Familie und Beruf immer größere Bedeutung. In Diskussionen um
die demografische Entwicklung in Deutschland, den Fachkräftemangel und die stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen wird eine
gerechtere Aufgabenteilung zwischen den Bereichen Arbeit und
Privatleben und zwischen den Geschlechtern immer notwendiger.
Familienfreundliche Maßnahmen waren anfangs weitgehend auf
hochqualifizierte Beschäftigtengruppen in boomenden Branchen
beschränkt. Mittlerweile ist das Thema auch in schwierigen
Branchen, in kleinen und mittleren Unternehmen als auch in
männerdominierten Betrieben angekommen. Viele Einzelfälle
zeigen, dass auch unter schlechten wirtschaftlichen und strukturellen Bedingungen familienbewusste Arbeitszeiten realisiert
werden können und nicht auf große „Vorzeigeunternehmen“
beschränkt sein müssen.
Schichtarbeit an sich stellt große Anforderungen an eine sozialverträgliche Gestaltung der Arbeitszeiten, insbesondere wenn
Nachtarbeit und Wochenendarbeit Bestandteil des Schichtmodells
sind. Seit Jahrzehnten existiert eine breite wissenschaftliche
Forschung zu den sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen
von Schichtarbeit und ebenso lange versuchen Gewerkschaften,
Interessenvertretungen und betriebliche Experten gute Lösungen
für die Praxis zu finden.
Diese Broschüre verbindet bestehende Empfehlungen für
die Schichtgestaltung und zeigt anhand von Beispielen und
Umsetzungsstrategien, wie Schichtarbeit familienbewusster
gestaltet werden kann.
Als Querschnittsthema verbindet die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf verschiedenste Aspekte von Arbeit und Leben miteinander:
Arbeitszeit, betriebliche Gesundheitsförderung, demografiefeste
Personalplanung, Arbeitsorganisation usw. Wenn also Kriterien der
Gesundheit, des Sozialen, des Arbeitsschutzes, der ergonomischen
und alter(n)sgerechten Arbeitsgestaltung ausreichend berücksichtigt werden und zugleich Kriterien der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf in die Schichtgestaltung integriert sind, sprechen wir von
familienbewusster Schichtarbeit.
Familienbewusste
Schichtarbeit
Gesundheit
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Soziales
familienbewusste
Schichtgestaltung
Arbeitswissenschaft
Demografie
Eigene Darstellung, 2011
(19 % der Männer und 14,6 % der Frauen) was in etwa dem
Durchschnitt in der EU entspricht. 1991 waren es nur 13 Prozent.
Allerdings ist Deutschland eines der wenigen Länder, in dem
seit 2002 eine deutliche Zunahme von Schichtarbeit (+ 2,1 %)
stattgefunden hat, während im EU-Durchschnitt Schichtarbeit
rückläufig war (–1,8 %) (vgl. Lehndorff u. a. 2010). In Ländern mit
hoher Verbreitung von Schichtarbeit wird sie auch von Müttern
und Vätern häufig ausgeübt. In Deutschland sind ein Viertel der
schichtarbeitenden Frauen und Männer im Alter zwischen 25
und 49 Jahren Eltern. Von den 2,5 Mio. Beschäftigten die nachts
arbeiten sind 600.000 Frauen, was den starken Anstieg seit
Aufhebung des Nachtarbeitsverbots für Frauen (1992) dokumentiert. Schichtarbeit ist das bedeutendste Instrument zur Ausweitung
von Betriebszeiten. Aber auch bei weiteren Flexibilisierungsformen
spielt Schichtarbeit eine große Rolle, wie die folgende Tabelle
verdeutlicht (vgl. Lehndorff u. a. 2010, WSI 2008, Harth u. a. 2009).
Verbreitung von ungewöhnlichen Arbeitszeitformen
Seit den 90er Jahren ist nach einer längeren Phase des Stillstandes der Anteil der Beschäftigten mit wechselnden Schichten
deutlich gewachsen. Nach aktuellen EU-Daten arbeiteten 2008
16,9 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in Schichtsystemen
2
Anteil ungewöhnlicher Arbeitszeitformen an allen Beschäftigten
gewöhnlich
manchmal
insgesamt
Nachtarbeit*
9,5 %
5,7 %
15,2 %
Abendarbeit**
25,8 %
18 %
43,8 %
Samstagsarbeit
24,2 %
20,6 %
44,8 %
Sonntagsarbeit
12,8 %
13 %
25,8 %
* Nachtarbeit: zwischen 23 und 6 Uhr
** Abendarbeit: nach 18 Uhr
Quelle: Lehndorff u. a., 2010
Die Branchen, in denen dauerhafte oder gelegentliche Schichtarbeit
am häufigsten vertreten ist, sind (vgl. Beermann 2008):
„ das produzierende Gewerbe (ohne Bau) (33 %)1,
„ der Handel, Gaststätten und Verkehr (34,8 %) und
„ öffentliche und private Dienstleistungen (23,8 %)
Folgende Schichtsysteme sind dabei zu unterscheiden:
Vollkontinuierliches Schichtsystem („Vollkonti“): 7 Tage in
der Woche, rund um die Uhr ohne Unterbrechungen. Gängig sind
Drei- oder Mehrschichtsysteme, bei denen der Schichtrhythmus
nach einem bestimmten Muster abläuft. Auch Sonderformen wie
12-Stunden- und 24-Stunden-Schichten (Werkschutz) sind möglich.
Für die Gestaltung der Schichtsysteme sind insbesondere das
Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsschutzgesetz grundlegend, das die
Berücksichtigung der neuesten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse vorschreibt.
Eine gesetzliche Definition von Schichtarbeit existiert nicht. Laut
eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts kann von Schichtarbeit
gesprochen werden, wenn eine Arbeitsaufgabe über einen längeren
Zeitraum nur von mehreren Beschäftigten in einer geregelten
Reihenfolge – auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit –
geleistet werden kann (BAG-Urteil 20. 06. 1990 4 AZR 5/90).
Diskontinuierliches Schichtsystem: Meist mit zwei oder drei
Schichten ohne Wochenendarbeit. Zwei-Schichtsysteme bestehen in
der Regel aus Früh- und Spätschicht, Drei-Schichtsysteme aus Früh-,
Spät- und Nachtschicht (vgl. Grzech-Sukalo; Hänecke 2010).
Versetzte Arbeitszeiten: Bezeichnet ein System von Mehrfachbesetzungen, das vorwiegend im Dienstleistungsbereich
Anwendung findet. Einzelne Beschäftigte oder Gruppen arbeiten
z. B. von 8:00 bis 16:00 Uhr, 9:30 bis 17:30 Uhr und 14:00
bis 21:00 Uhr. Von 2001 bis 2007 stieg der Anteil der Beschäftigten
in versetzten Arbeitszeiten in Deutschland von 15 % auf 24,3 %.
Damit sind mehr Beschäftigte in diesen Zeitformen tätig als in
Nacht- und Schichtarbeit (vgl. Groß 2010). Die folgende Tabelle
vergleicht die gängigen Schichtsysteme.
1 Die starke Ausbreitung von Schichtarbeit im produzierenden Gewerbe zeigt die
weiterhin bestehende Bedeutung des Industriestandorts Deutschland.
3
Gängige Schichtsysteme
I Dauerfrühschicht
Permanente
Schichtsysteme
II Dauerspätschicht
(in den USA und Japan bevorzugt)
IV Geteilte Schichten zu konstanten
Zeiten (z. B. Schiffswachen)
III Dauernachtschicht
1. Zweischichtsystem
ohne Wochenendarbeit
I System ohne Nachtarbeit
2. Zweischichtsystem mit
Wochenendarbeit (z.B. mit Springern
oder verdünnten Schichten)
1. Regelmäßige Systeme
Wechselschichtsysteme
a) Zweischichtsystem (z. B. 12-StundenTag-, 12-Stunden-Nachtschicht;
3 Schichtbelegschaften)
b) Dreischichtsysem (z. B. 3 x 8 Stunden;
3 Schichtbelegschaft)
II System mit Nachtarbeit ohne
Wochenendarbeit
(„diskontinuierliche“ Arbeitsweise)
2. Unregelmäßige Systeme (z.B. mit
Variation der Anzahl von Schichtbelegschaften, der Schichtdauer,
der Schichtwechselzeiten, des
Schichtwechselzyklus)
(in Europa
bevorzugt)
a) Schicht-Belegschaften
(z.B. Schiffswachen)
1. Regelmäßige Systeme
III System mit Nachtarbeit und
Wochenendarbeit
(„kontinuierliche“ Arbeitsweise)
b) 4 Schicht-Belegschaften (z. B. 8- oder
12-Stunden-Schichten; kombiniert als
sog. Schwedenschicht)
c) 5- oder 6-Schicht-Belegschaften
2. Unregelmäßige Systeme (z.B. Variation
der Anzahl von Schichtbelegschaften,
der Schichtdauer, der Schichtwechselzeiten, des Schichtwechselzyklus)
Quelle:Kollig 2006 nach Beermann
Gute Arbeit
Mit Schichtarbeit sind vielfach soziale und gesundheitliche Risiken
verbunden. „Nachtarbeit und Wechselschichtarbeit gefährden die
Gesundheit. Schlafstörungen, Magen- und Verdauungsbeschwerden
oder Herzschmerzen treten häufiger auf als bei Beschäftigten
mit Normalarbeitszeit, die durchschnittliche Krankheitsdauer ist
länger“, fasst Seifert die Befunde von Arbeitsmedizinern/innen
zusammen (WSI 2008).
Die unsozialen Arbeitszeitlagen von Schichtarbeit führen häufig
dazu, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schlechter
gelingt als bei „normalen“ Arbeitszeiten und damit negativ
auf die Arbeitsqualität wirkt. Der DGB-Index Gute Arbeit hat in
seiner repräsentativen Untersuchung von 2009 festgestellt, dass
Arbeitszeiten von Schichtbeschäftigten am Wochenende, abends
und nachts weit verbreitet sind und darüber hinaus auch der
Einfluss der Beschäftigten auf die Arbeitszeitgestaltung gering ist.
42 Prozent der Beschäftigten beklagen, dass ihre Arbeitszeiten oft
oder sehr häufig von betrieblichen Interessen bestimmt werden.
„Alles in allem sehen 40 Prozent der Befragten ihre Bedürfnisse
bei der Zeitplanung überhaupt nicht oder nur in geringem Maße
berücksichtigt. Ein noch höherer Anteil, nahezu 60 Prozent der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben an, gar keinen oder
nur geringen Einfluss auf ihre Arbeitszeitgestaltung nehmen zu
können“ (DGB-Index Gute Arbeit 2009).
4
Lage der Arbeitszeiten
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Kommt es vor, dass Sie zu folgenden Zeiten arbeiten…?
Am Wochenende:
samstags und/oder sonntags
17 %
18 %
Abends:
zwischen 18 und 22 Uhr
16 %
18 %
Nachts:
zwischen 22 und 5 Uhr
Meine Arbeitszeit richtet
sich nach dem
betrieblichen Bedarf
7% 6%
35 %
30 %
31 %
35 %
15 %
17 %
Sehr häufig
72 %
25 %
35 %
Oft
Selten
23 %
Nie
Quelle: DGB-Index Gute Arbeit, 2009
Vor allem in Branchen mit hohem Anteil von Schicht-, Nacht- und
Wochenendarbeit herrschen besonders schlechte Bedingungen für
eine gelungene Work-Life-Balance. Zu diesem Ergebnis kam die
Sonderuntersuchung des DGB-Index Gute Arbeit zur Vereinbarkeit
von Familie und Beruf im Jahr 2007. In Betrieben mit einem wenig
familienbewussten Betriebsklima werden von den Beschäftigten
die Arbeitsbedingungen schlechter eingeschätzt als in Betrieben
mit besseren Vereinbarkeitsbedingungen. Gerade diese Beschäf-
tigtengruppen, deren Arbeit kaum Abwechslung, Erfüllung und
Entwicklungsmöglichkeiten bietet, geraten bei den Diskussionen
um Familienfreundlichkeit oft aus dem Blickwinkel, obwohl sie
den gleichen Anspruch auf eine gute Work-Life-Balance haben
wie etwa hochqualifizierte Fachkräfte. Laut DGB-Index gehören zu
den Branchen mit wenig familienbewussten Bedingungen u. a. das
Gastgewerbe und die Verkehrsberufe, also klassische Branchen mit
hohem Anteil an Schichtarbeit (siehe folgende Tabelle).
Ist das Verhältnis zwischen „Beruf“ und „privatem Leben“
bei Ihnen ausgewogen?
Chemie, Kunststoff, Glas
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
In (sehr) hohem Maß
In geringem Maß / Nein
52 %
48 %
Metallerzeugung, -verarbeitung
60 %
40 %
Maschinen-, Fahrzeug-, Schiffbau
60 %
40 %
Baugewerbe
52 %
Groß- und Einzelhandel
Gastgewerbe, Verkehr
54 %
46 %
42 %
58 %
Kredit/Versicherung, Unternehmens-DL.
62 %
Öffentliche Verwaltung
66 %
Erziehung, Unterricht
Gesundheits-, Veterinär-, Sozialwesen
48 %
64 %
58 %
Quelle: DGB-Index Gute Arbeit, INIFES (Tatjana Fuchs), 2007
5
38 %
34 %
36 %
42 %
2. Gesundheitliche Aspekte
Bei der Beurteilung der körperlichen Kapazitäten kommen zwei
positive Faktoren „erschwerend“ hinzu. Zum einen sind die
menschlichen Fähigkeiten, auch mit widrigen Bedingungen klar
zu kommen, generell stark ausgeprägt. Negative gesundheitliche
Folgen machen sich deshalb häufig erst nach Jahren der Praxis
bemerkbar. In der Wissenschaft spricht man vom „Healthy-WorkerEffect“, das heißt Menschen sind über einen langen Zeitraum in
der Lage durch ihre Willensanstrengung und Ressourcen nachts
zu arbeiten ohne sichtbare Schäden davonzutragen. Schichtarbeit erscheint für jüngere Beschäftigte als unproblematisch und
die gesundheitlichen Risiken werden häufig nicht zur Kenntnis
genommen oder verdrängt.
Für die Auswirkungen von Nacht- und Schichtarbeit auf die
Gesundheit ist das Modell der Arbeitsfähigkeit sehr hilfreich, um die
verschiedenen Einflussfaktoren zu identifizieren und ihr Zusammenspiel transparenter zu machen. Grundlegend wirken Aspekte der
Gesundheit, der Qualifikation, der Motivation und der Arbeitsorganisation auf die Ressourcen der einzelnen Beschäftigten und
bestimmen ihre/seine Arbeitsfähigkeit. Schwierige Arbeitsbedingungen können z. B. durch größere Autonomie in der Arbeit, durch
ein gutes Betriebsklima oder durch eine gute körperliche Konstitution ausgeglichen werden und mögliche gesundheitliche Risiken
verringern oder ganz vermeiden. Umgekehrt ist offensichtlich, dass
eine mangelhafte Ausbildung unmittelbar zu Überforderung, Stress
und Unzufriedenheit führt, die auch die Arbeitsfähigkeit massiv
beeinträchtigt.
Bedingungen der Arbeitsfähigkeit
Gesundheit
Ausbildung
und
Kompetenz
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Arbeit
Motivation
Arbeitszufriedenheit
Physische
Kapazität
Fertigkeiten
Psychische
Kapazität
Mentale
Anforderungen
Arbeitsgemeinschaft
Menschliche
Ressourcen
Kenntnisse
Arbeitsfähigkeit
Arbeitsumgebung
Werte
Soziale
Kapazität
Einstellungen
Quelle: Illmarinen, 1999
6
Physische
Anforderungen
Zum anderen ist gerade die Fähigkeit nachts zu arbeiten auf eine
Personengruppe beschränkt, die besondere körperliche Eigenschaften besitzt und mit den Umstellungen der Wechselschichten
relativ gut klar kommt. Andere Menschen sind viel weniger in der
Lage in Nachtschicht zu arbeiten und müssen schnell feststellen,
dass für sie diese Zeitlage überhaupt nicht in Frage kommt. Nachtarbeiter/innen, die längere Zeit damit umgehen können, sind also
bereits eine Positivauswahl. Auch hier stellen sich mögliche gesundheitliche Auswirkungen erst nach Jahren oder Jahrzehnten ein,
wenn sich das gesamte Leben um die Schicht organisiert hat. Als
zeitliche Grenze hat sich eine fünfjährige Schichtarbeit (mit Nachtarbeit) herauskristallisiert. Hier werden die gesundheitlichen Beeinträchtigungen von einigen bereits als so groß wahrgenommen, dass
ein Ausstieg aus der Nachtarbeit erfolgen muss. Wer 20 Jahre und
länger Nacht- und Schichtarbeit macht, spürt in der Regel mehr
oder weniger die gesundheitlichen Auswirkungen (vgl. Illmarinen,
Tempel 2002). Der Anteil an den gesundheitlichen Belastungen
liegt nach Untersuchungen zu 55 % am Schichtmodell, 20 % an
individuellen Faktoren und 10 % am demografischen Faktor.
Der Circadianrhythmus
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
%
30
20
10
0
–10
–20
–30
–40
–50
6
9
12
15
18
21
24
3
6
Erläuterung: y-Achse Leistungsfähigkeit in Prozent, x-Achse Tageszeiten
Quelle: Laurig, 1992
Insgesamt ergibt sich die Schwierigkeit, die Bedeutung einzelner
Aspekte der Arbeitsfähigkeit einzuordnen und zu bewerten. Die
Herausforderung für die Schichtplangestaltung besteht darin, individuelle Ressourcen zu berücksichtigen, damit die Gesundheit bis zur
Rente erhalten bleibt, die Arbeitsbedingungen und Belastungen
entsprechend anzupassen und darüber hinaus die Bedingungen für
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Positiv lässt
sich feststellen, dass es viele Stellschrauben gibt, mit denen die
Bedingungen von Schichtarbeit beeinflusst werden können.
Auch wenn es Unterschiede gibt, z. B. zwischen den Frühaufstehern
und den Nachtmenschen, sind die individuellen Abweichungen vom
Circadianrhythmus gering.
Wenn man um diese biologischen Grundlagen weiß, kann man sich
leicht vorstellen, was passiert, wenn man dann arbeitet, wenn der
Körper eigentlich auf Erholung eingestellt ist bzw. wenn man sich
dann erholen will, wenn der Körper auf Aktivität programmiert ist.
Überanstrengungen im Leistungstief und mangelnde Erholung im
Aktivitätshoch führen zu permanenten körperlichen Belastungen.
Um die normale Arbeitsleistung – gegenüber den Tagarbeitenden –
zu erbringen, müssen also besondere Anstrengungen unternommen
werden, die oftmals die Körperreserven strapazieren
(vgl. Illmarinen, Tempel 2002). Körperliche Auswirkungen sind aber
nicht nur auf die Nachtschicht beschränkt. Studien haben gezeigt,
dass bereits bei Beschäftigten in Zweischichtsystemen gesundheitliche Beeinträchtigungen festzustellen sind
(vgl. Ehrenstein u. a. 1989).
Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse
Für das medizinische Verständnis und die gesundheitlichen
Auswirkungen der Schichtarbeit ist der Circadianrhythmus2 des
Menschen grundlegend. Als tagaktives Lebewesen ist der menschliche Rhythmus zum einen vom Tag-Nacht-Rhythmus abhängig,
den die Natur vorgibt und zum anderen durch den gesellschaftlichen Rhythmus, bestehend aus Phasen von sozialen Aktivitäten
(Erwerbsarbeit, Aktivitäten in Familie und Freizeit, usw.). Aus
diesem Grund kann man sich zwar relativ schnell an andere
Zeitzonen gewöhnen, nicht aber an eine Nachtschicht.
Der Circadianrhythmus ist so etwas wie der tägliche Taktgeber des
Menschen, der die verschiedenen biologischen Vorgänge dirigiert
(Körpertemperatur, Ernährung, Stoffwechsel, Hormonausschüttung,
Regeneration, usw.) und die Abfolge von Leistungshochs und -tiefs
bestimmt. Der Circadianrhythmus ist also nicht umkehrbar und
es gibt auch keine nachweisbaren Möglichkeiten, sich an Nachtarbeit zu gewöhnen. Während längerer Nachtarbeit verkehren sich
also die biologischen Rhythmen nicht, sondern die verschiedenen
Kurvenverläufe verflachen (Prozess der Desynchronisation). Dies
wird als Anpassung erlebt, hat aber gesundheitlich negative Folgen.
Neben diesen zusätzlichen Leistungsanforderungen sind insbesondere alle körperlichen Vorgänge betroffen, die auf einen stabilen
Rhythmus angewiesen sind; also vor allem ausreichender Schlaf,
die Verdauung und der Kreislauf3. Nach jahrelanger Schichtarbeit
mit Nachtschichten ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, in einem
dieser Bereiche gesundheitliche Probleme zu bekommen. Darüber
gibt es seit langem gesicherte arbeitswissenschaftliche Kenntnisse
(vgl. Beermann 2008). Dies muss allerdings nicht automatisch
erfolgen, denn die gesundheitlichen Risiken von Schichtarbeit
3 Epidemiologische Untersuchungen sehen Zusammenhänge zwischen Schichtarbeit und der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychischen
Erkrankungen (vgl. Harth u. a. 2009).
2 lat. circa = ungefähr, dia = Tag, also der ungefähre Tagesverlauf
7
können durch eine Reihe von Maßnahmen in folgenden Bereichen
abgemildert werden:
„ Verbesserungen in der Arbeitsorganisation,
„ Reduktion von Arbeitsbelastungen und Stress,
„ Handlungsspielräume in der Arbeit,
„ ein gutes Betriebsklima und ein guter Zusammenhalt im Team/
in der Schichtgruppe,
„ gesundheitsförderliche Maßnahmen,
„ ein positives betriebliches Umfeld, das auch die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf unterstützt,
„ und natürlich Schichtpläne, die medizinische und soziale Risiken
minimieren.
Probleme mit der Verdauung
In der Nachtschicht ist die Nahrungsaufnahme nach ein Uhr
nachts dadurch erschwert, dass der Magen schlecht auf die
Verdauung eingestellt ist. Hinzu kommt, dass Kantinen selten auf
die Bedürfnisse der Nachtschicht ausgerichtet sind. Es fehlt z. B.
die Möglichkeit warmes Essen zuzubereiten. Appetitstörungen
sind die ersten Signale, dass etwas nicht stimmt. Magen-DarmBeschwerden haben bis zu 55% der Schichtarbeiter/innen
mit Nachtschicht und diese können sich zu Erkrankungen der
Verdauungsorgane entwickeln. Magen-Darm-Störungen bleiben
auch dann noch für längere Zeit bestehen, wenn die Nachtarbeit
aufgegeben und in Normalschicht gearbeitet wird (vgl. Knauth;
Hornberger 1997).
Leistungsfähigkeit
Grundsätzlich ist zwischen Belastungen und langfristigen Auswirkungen von Schichtarbeit zu unterscheiden, die oft erst nach
Jahren oder Jahrzehnten sichtbar werden. Die unterschiedliche
Leistungsfähigkeit kann daran abgelesen werden, dass gleiche
Arbeiten von den Beschäftigten zu unterschiedlichen Tageszeiten
als unterschiedlich beanspruchend empfunden werden. Auch
die Häufigkeit von Fehlern und das Unfallrisiko sind nachts stark
erhöht. Untersuchungen zeigen, dass bereits in der Spätschicht
ein um 17,8 % höheres Unfallrisiko gegenüber der Frühschicht
besteht. In der Nachtschicht ist das Risiko um 30,6 % höher als
am Tag (vgl. Beermann 2008). In amerikanischen Studien wurde
festgestellt, dass das höchste Unfallrisiko bei kontinuierlicher
Schichtarbeit und besonders an Sonntagen vorlag (vgl. Monk
1989).
Psychische Probleme
Verschiedene europäische Studien haben bestätigt, dass Beschäftigte in Schichtarbeit – insbesondere, wenn nachts gearbeitet wird
– häufiger von chronischer Müdigkeit, Nervosität, Angstzuständen,
sexuellen Problemen und Depressionen betroffen sind. Die Störungen
führen häufig in einen Teufelskreislauf, der weitere Schlaflosigkeit zur
Folge haben kann und familiäre und soziale Probleme nach sich zieht
(vgl. Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen 2000, Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und
Umweltmedizin 2006, Wirtz 2010).
Weitere Belastungen
Schichtarbeit ist oft verbunden mit weiteren Arbeitsbelastungen4
und rigiden Arbeitsbedingungen, wie körperlich anstrengende
Arbeit, nervliche Belastungen sowie Arbeitsumgebungsbelastungen
wie Klima, Lärm und Gefahrstoffe. In einer repräsentativen Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
(BAuA) und des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BIBB)
konnte gezeigt werden, dass Nachtarbeit weiterhin mit hohen
zusätzlichen Belastungsfaktoren verbunden ist (vgl. Beermann
2008). Neben den klassischen Belastungen wie Arbeit im Stehen,
Tragen schwerer Lasten, Lärm, Klima, gesundheitsgefährdende
Arbeitsstoffe, ist auch eine Zunahme von psychischen Belastungen
in Schichtarbeit festzustellen. Diese Belastungshäufungen sind
besonders kritisch zu sehen und sollten bei der Gestaltung der
Schichten in jedem Fall berücksichtigt werden. So machen zum
Beispiel 12-Stunden-Schichten unter Bedingungen von schwerer
körperlicher Arbeit wenig Sinn.
Schlafprobleme
Als Folge der gegenläufigen Rhythmen ist die Schlafzeit der Nachtschichtarbeiter/innen oft verkürzt. Störungen durch den Lärm am
Tag tragen dazu bei, dass der Schlaf öfter unterbrochen wird,
weniger tief ist und die Regeneration deshalb unzureichend ist.
Resultat sind Ermüdungen, die das Wachsamkeitsniveau senken
und die Koordination von Bewegungen und Denkabläufen beeinträchtigen können. Studien haben festgestellt, dass im Durchschnitt
die Schlafzeiten vor den verschiedenen Schichten erheblich voneinander abweichen. Vor der Frühschicht beträgt die Schlafdauer
durchschnittlich 7,5 Stunden, nach der Spätschicht 9 Stunden und
nach der Nachtschicht nur 6 Stunden. Am stärksten sind Dauernachtschichtarbeiter/innen von Schlafdefiziten betroffen: Je nach
Untersuchung beklagen 35 – 55% der Dauernachtschichtarbeiter/
innen massive Schlafstörungen; bei ehemaligen Schichtarbeitenden
rückblickend sogar 70 – 90% während ihrer damaligen Nachtschicht. Beim Wechsel zu einer Dauertagschicht gingen die Schlafstörungen auf unter 20 % zurück. Bei den Beschäftigten zwischen
dem 40. und 50. Lebensjahr gaben zwischen 22 % und 36 %
Schlafstörungen an; bei denjenigen, die keine Nachtschicht haben
lag der Anteil von Beschäftigten mit Schlafstörungen zwischen
6,2 % und 13,3 % (vgl. Minors; Waterhouse 1990, Kollig 2006,
Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen 2000, Ilmarinen; Tempel 2002, Janßen, Nachreiner
2004, WDR 2009).
4 Kontovers wird in der Wissenschaft aktuell die Wirkung von Schichtarbeit auf
die Entstehung von Krebs diskutiert. 2007 hatte die Internationale Agentur für
Krebsforschung (IARC) einen geringen Anstieg von Brustkrebs bei weiblichen
Schichtarbeiterinnen festgestellt, der von neueren Studien nicht bestätigt wurde
(vgl. Straif u. a. 2007, Harth u. a. 2009).
8
Physische Arbeitsbedingungen in und ohne Schichtarbeit
Schichtarbeit
(in Prozent)
keine Schichtarbeit
(in Prozent)
Arbeit im Stehen
77,8
49,1
Arbeit im Sitzen
32,6
60,4
Heben / Tragen schwerer Lasten (M: > 20 kg; F: >10 kg)
34,4
18,8
Rauch, Staub, Gase, Dämpfe
22,3
11,0
Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft
29,1
18,5
Öl, Fett, Schmutz, Dreck
27,3
14,3
Zwangshaltung (gebückt, hockend, knieend, liegend)
19,4
12,5
Erschütterungen, Stöße, Schwingungen
7,3
3,7
grelles Licht, schlechte Beleuchtung
15,9
7,0
gefährliche Stoffe, Strahlung
10,9
5,4
Schutzkleidung, -ausrüstung
35,8
16,0
Lärm
37,2
19,4
Mikroorganismen
(Krankheitserreger, Bakterien, Schimmelpilze, Viren)
13,7
5,3
Schichtarbeit
(in Prozent)
keine Schichtarbeit
(in Prozent)
Termin- und Leistungsdruck
54,7
53,1
Arbeitsdurchführung in Einzelheiten vorgeschrieben
37,3
18,0
Arbeitsgang wiederholt sich bis in alle Einzelheiten
64,9
46,8
neue Aufgaben
31,8
41,6
Verfahren verbessern; Neues ausprobieren
23,1
29,4
bei der Arbeit gestört; unterbrochen
(Kollegen, schlechtes Material, Maschinenstörung, Telefon)
45,4
46,3
Stückzahl, Mindestleistung, Zeit vorgeschrieben
41,2
27,7
nicht Gelerntes / nicht Beherrschtes wird verlangt
9,2
8,7
verschiedene Arbeiten / Vorgänge gleichzeitig im Auge behalten
60,5
58,0
kleiner Fehler – großer finanzieller Verlust
19,2
14,1
an Grenzen der Leistungsfähigkeit gehen
20,4
15,8
sehr schnell arbeiten
54,0
40,7
Arbeit belastet gefühlsmäßig
14,9
11,1
Arbeitsbedingungen „häufig“
Psychische Arbeitsbedingungen in und ohne Schichtarbeit
Arbeitsanforderungen „häufig“
Quelle: Beermann, 2008
9
Unterstützt werden diese arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse
durch die Chronobiologie, die die zeitliche Organisation in Physiologie und Verhalten von Lebewesen untersucht. Im Mittelpunkt
stehen die biologischen Rhythmen, deren Zustandekommen und
wie sich soziale Bedingungen („Zeitgeber“) auf die Zeitrhythmen
auswirken.
In einem Interview mit dem Münchener Chronobiologen Prof. Dr.
Till Roenneberg werden die gesundheitlichen Belastungen durch
Schichtarbeit deutlich (in Spiegel Online vom 14. 04. 2011):
mit und in dieser Außenzeit leben. Das führt zum sozialen Jetlag.
So nennt die Wissenschaft die zeitliche Diskrepanz zwischen
Innen- und Außenzeit, weil sie sehr an Reisen über Zeitzonen
hinweg erinnert, im Gegensatz zu diesen aber chronisch ist.
KarriereSPIEGEL: Wechselschichten führen demnach zu einem
dauernden sozialen Jetlag?
Roenneberg: Ja, sie sind eine der stärksten Angriffe auf die
innere Uhr. Bei Tagschichten bekommen Spättypen eher weniger
Schlaf, weil sie später einschlafen und dennoch morgens um
sechs raus müssen. Spättypen fällt es tendenziell leichter,
Spätschichten zu fahren. Für Nachtschichten sind – wenn
überhaupt – nur die wenigen extremen Spättypen geeignet.
Das sind Killerstunden. Im rotierenden Schichtdienst muss man
arbeiten, wenn die innere Uhr auf Schlaf programmiert ist. Und
soll schlafen, wenn die innere Uhr den Körper eigentlich auf
Aktivität gestellt hat und die Welt draußen laut und hell ist.
Schichtarbeiter leben permanent gegen ihre innere Uhr. Und
leiden unter chronischem Schlafmangel. Das führt unweigerlich
zu Gesundheitsproblemen.
Roenneberg: Die innere Uhr ist ein fundamentales biologisches System, das wir geerbt haben. Also mit den UhrenGenen, von denen die Wissenschaft bisher mehr als 15 entdeckt
hat. Unter zeitlicher Isolation, beispielsweise in einem Schlafbunker, weicht unsere innere Uhr vom 24-Stunden-Tag ab, bei
den meisten Menschen ist der Innentag etwas länger als 24
Stunden. Das Licht, der Wechsel von Tag und Nacht, synchronisiert sie täglich mit der Sonnenzeit.
KarriereSPIEGEL: Wie wirken die Jahreszeiten auf unseren
inneren Schlaf-Wach-Rhythmus?
Roenneberg: Unsere innere Uhr folgt dem Sonnenaufgang.
Deshalb verwirrt die schlagartige Umstellung auf Sommer- und
Winterzeit die innere Uhr des Menschen. Es dauert mehr als
vier Wochen, bis sie sich an diese künstliche Zeitverschiebung
angepasst hat.
KarriereSPIEGEL: Aber offensichtlich tickt die innere Uhr nicht
bei jedem Menschen gleich. Warum gibt es sogenannte Lerchen
und Eulen?
Roenneberg: Wie sich die individuelle innere Uhr in den LichtDunkel-Wechsel einbettet, liegt an den genetisch bedingten
Unterschieden. So entstehen unterschiedliche Chronotypen,
deren natürlicher Schlafrhythmus im Extremfall zwölf Stunden
auseinander liegt. Wenn wir von dem normalen achtstündigen
Schlafbedürfnis ausgehen, ruhen knallharte Frühtypen von 20
bis 4 Uhr. Extreme Spättypen gehen nachts um 3 oder gar 4
ins Bett und wachen gegen 11 oder 12 Uhr von allein wieder
auf. Wenn man sie lässt. Also im Urlaub, ohne Arbeits- oder
Familienzwänge, ohne Wecker oder störende Kleinkinder.
Aber das sind Extreme. Die meisten Menschen zählen zu den
gemäßigten Eulen und Lerchen. Unser Chronotyp-Fragebogen
zeigt, dass etwa 60 Prozent der Bundesbürger zwischen 23.30
und 1.30 Uhr ins Bett gehen und zwischen 7.30 und 9.30 Uhr
wieder aufstehen.
KarriereSPIEGEL: Nun hat nicht jeder die Chance, einen
chronotypisch passenden Beruf zu wählen. Auch Spätaufsteher
werden Lehrer und müssen morgens um acht topfit vor der
Klasse stehen. Kann man sich nicht einfach dran gewöhnen?
Roenneberg: Nie. Auch äußere Zwänge – der Wecker, Arbeitszwang, putzmuntere Kleinkinder – vermögen einen Chronotypen
nie zu ändern. Für etwa 60 Prozent der Deutschen liegen unsere
Arbeitszeiten zu früh. Wenn der Wecker klingelt, ist ihre biologische Schlafenszeit noch nicht beendet. Dennoch müssen sie
www.spiegel.de/karriere/berufsleben/0,1518,756286,00.html
(gekürzt)
Gestaltungskriterien aus medizinischer Sicht
Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass keine Nacht- und
Schichtarbeit besser ist als eine gut gestaltete Schichtarbeit. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. 02. 1992
aufgrund arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse eindeutig festgestellt,
dass Nachtarbeit grundsätzlich für jeden Menschen schädlich ist
und den Gesetzgeber verpflichtet, Arbeitnehmer/innen vor schädlicher Nachtarbeit zu schützen. Bevor Nachtarbeit eingeführt oder
ausgedehnt werden soll, müssen gute Argumente vorliegen. Die
Vermeidung von Schicht- und Nachtarbeit hat deshalb Vorrang. Ist
Nachtarbeit aus sozialen oder produktionstechnischen Gründen
unumgänglich, können gut gestaltete Schichtsysteme die gesundheitlichen Auswirkungen nur begrenzen, aber nicht verhindern.
Für Nacht- und Schichtarbeit ist demnach ein besonders hoher
Arbeitsschutzstandard notwendig. Grenzwerte für gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe oder zeitliche Empfehlungen für stark
belastende Arbeiten sollten für Schichtbeschäftigte heruntergesetzt
werden.
10
Einflussfaktoren von Schichtarbeit
(nach Folkard, 1996; Monk et al., 1996; Wüthrich, 2003)
„ In der Arbeitswissenschaft ist die Schädlichkeit von Dauernachtschicht unstrittig. Diese sollte als Vollzeittätigkeit unbedingt
vermieden werden.
„ Durch kurze Nachtschichtblöcke oder eingestreute (vereinzelte)
Nachtschichten lassen sich die Folgen der Verschiebung von
Tag- und Nachtrhythmus am Besten reduzieren.
„ Auch das vorwärts roulierende System (von Früh- auf
Spätschicht) ist kein Zwang, Beschäftigte mit rückwärtigem
Wechsel haben auch positive Erfahrungen damit gemacht.
Dennoch kommt der Vorwärtswechsel dem biologischen
Rhythmus besser entgegen und sollte bei Neueinführung
beachtet werden.
„ Die gesundheitswissenschaftliche Empfehlung für kurze Schichtwechsel mündet in Modelle, in denen täglich gewechselt wird
(Früh-, Spät-, Nachtschicht, 2 Tage frei). Auch hier sind die
Einschätzungen der Betroffenen sehr kontrovers: Die zunächst
bizarr erscheinenden Modelle haben für viele Beschäftigte
eine starke gesundheitliche Besserung bewirkt. Durch die sehr
kurzen Wechsel hat der Körper keine Möglichkeit sich auf die
Nachtschicht einzustellen. Mit der Folge, dass die Schlafzeiten
sich insgesamt verbesserten. Der Nachteil des Systems ist die
Unübersichtlichkeit durch die schnellen Wechsel. Eine andere
Beschäftigtengruppe lehnte dieses Modell aufgrund seiner
schlechten Vereinbarkeit mit den Familienzeiten ab.
„ Daraus lässt sich folgern, dass ein Angebot von verschiedenen
Auswahlmodellen am ehesten den individuellen Gesundheitsinteressen der Beschäftigten gerecht wird.
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Charakteristika der Schichtsysteme
Individuelle und situationsbezogene Unterschiede
Gestörte
biologische
Rhythmen
Schlafstörungen
Gestörte familiäre
und soziale
Beziehungen
Akute Wirkungen auf Stimmung und Leistungsvermögen
– Bewältigungsstrategien –
Chronische Beeinflussung der Gesundheit
Sicherheit und Effektivität
Quelle: Arbeitsmedizinische Leitlinien, 2006
Aufgrund der individuellen Arbeitsfähigkeiten und der besonderen
betrieblichen Bedingungen lassen sich nur wenige allgemeinverbindliche Kriterien für gesundheitsverträgliche Schichtsysteme
formulieren. In jedem Fall gelten folgende Empfehlungen:
11
3. Soziale Aspekte
Auch wenn durch die zeitlichen Abweichungen der Wechselschicht
das soziale Leben beeinträchtigt ist, gibt es durchaus auch positive
soziale Aspekte der Schichtarbeit.
„ Durch Schichtzulagen und Nachtarbeitszuschläge sind im
Vergleich zu Beschäftigten mit normalen Arbeitszeiten auch
bei verhältnismäßig geringen Qualifikationen relativ hohe
Verdienstmöglichkeiten möglich.
„ In festen Schichtgruppen sind die Kollegen/innen oft jahrelang zusammen und entwickeln darüber hinaus private
Freundschaften. In einem guten Betriebsklima und durch
die Anerkennung der Arbeitskollegen/innen fällt die Arbeit
wesentlich leichter.
„ Während der Nachtschicht sind die Meister oder Vorgesetzten
in der Regel abwesend; die fehlende betriebliche Kontrolle
eröffnet mehr Spielräume für eigene Verantwortung und Selbstkontrolle als in der Tagschicht.
„ Die Abweichungen von der Normalarbeitszeit ermöglichen
Schichtbeschäftigten eine hohe Flexibilität. Auch bei festen
Schichtplänen stehen außerhalb der Arbeitzeit prinzipiell alle
Tages- und Nachtzeiten zur eigenen Verfügung.
„ Einkäufe oder Behördengänge können außerhalb der
Rush-Hour – wenn wenig los ist – erledigt werden. Damit kann
ein Stück zeitlicher Lebensqualität gewonnen werden.
„ In bestimmten Schichtsystemen werden größere Freizeitblöcke
und feste planbare Arbeitszeiten ermöglicht, die größere
Aktivitäten für Familie oder Hobby erlauben als in normaler
Arbeitszeit.
Schichtarbeiter/innen sind es mit vier Stunden und 54 Minuten
somit 42 Minuten weniger. Wer am Wochenende arbeitet, hat
rund vier Stunden weniger Freizeit, die auch in der Woche nicht
mehr aufgeholt werden kann. Wer jeden Sonntag arbeiten muss,
verliert rund fünf Stunden Freizeit pro Woche. Die größte Freizeitmenge an Arbeitstagen ist nach einer Frühschicht vorhanden, die
geringste Menge nach der Nachtschicht (vgl. Knauth 2010).
„ Schichtbeschäftigte sind in ihren Aktivitäten außerhalb der
Erwerbsarbeit insgesamt weniger „außenorientiert“ (Kultur,
Sport, Besuch bei Freunden usw.) als Beschäftigte mit
normalen Arbeitszeiten. Die Freizeit wird eher passiv verbracht
(Erholung, Fernsehen, Lesen usw.). Das hängt einerseits mit
den geringeren Möglichkeiten zusammen und andererseits mit
dem größeren Erholungsbedürfnis durch die Erwerbsarbeit.
„ Die Anzahl von Personen, mit denen Schichtbeschäftigte regelmäßig Kontakt haben (Freunde, Bekannte), ist im Durchschnitt
niedriger. Dies zeigt, wie wichtig die Routinen und Regelmäßigkeiten für das soziale Miteinander sind. Wenn die Erwerbs- und
Freizeiten gegen die normalen gesellschaftlichen Muster laufen,
wird es schwieriger, soziale Kontakte aktiv zu gestalten und
aufrecht zu erhalten.
„ Dieser „Rückzug“ von sozialen Aktivitäten ist selten selbst
gewählt, denn Schichtbeschäftigte haben laut verschiedener
Studien einen ausgeprägten Wunsch nach mehr Zeit für soziale
Kontakte (Familie, Kontakte außer Haus, Besuch öffentlicher
Veranstaltungen). Darin drückt sich vielfach eine große Unzufriedenheit mit den Bedingungen von Schichtarbeit aus. Fast die
Hälfte der Schichtbeschäftigten stellt eine negative Veränderung
der eigenen Lebensweise durch die Schichtarbeit fest.
(vgl. Beermann 2005, Janßen; Nachreiner 2004, BKK 2006, Knauth;
Hornberger 1997; Martin 1994, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen 2000)
Dennoch lässt sich nicht schönreden, dass auch im sozialen Bereich
für Schichtbeschäftigte massive Nachteile bestehen:
„ Gerade während der Spätschicht geht die sozial wertvolle
Zeit am späten Nachmittag bzw. Abend verloren. Hier sind
normalerweise die Zeiten für die Familie, für kulturelle Veranstaltungen oder Zeiten der Geselligkeit mit anderen Menschen.
Dieser Verlust kann auch durch das Wochenende nicht wieder
ausgeglichen werden. Schichtbeschäftigte müssen arbeiten,
wenn andere frei haben.
„ Umfangreiche Zeitbudgetuntersuchungen in Deutschland haben
gezeigt, dass Schichtarbeit zu realen Freizeitverlusten führt (vgl.
Garhammer 1994, Hinnenberg u. a. 2006). Bei normalen Arbeitszeiten stehen im Durchschnitt fünf Stunden und 36 Minuten
pro Tag zur Verfügung (inklusive Wochenende). Bei Nacht- und
12
Insbesondere das Familienleben ist durch die Schichtarbeit oft nicht
einfach zu gestalten:
„ Verschiedene Studien zeigen: Beschäftigte, die immer
oder häufig am Wochenende arbeiten, schätzen ihre
Vereinbarkeitssituation besonders schlecht ein
(vgl. Klenner; Schmidt 2007).
„ Die ständigen Schichtwechsel und die Umstellung der Schlafgewohnheiten belasten die Familien. Wegen der eingeschränkten sozialen Kontakte außerhalb der Erwerbsarbeit
ziehen sich Schichtarbeiter oft in den familiären Bereich zurück.
Die Familie muss als Ausgleich für fehlende Außenkontakte
dienen. Dies kann zu Spannungen führen und die Familie
überfrachten.
„ Außerdem muss die Familie ständig Rücksicht nehmen auf die
besonderen Bedürfnisse der Schichtbeschäftigten. Vor allem
die unterschiedlichen Schlafbedürfnisse können eine Herausforderung sein, wenn die Mutter oder der Vater am Tag schlafen
will, die Kinder aber im Haus herumtoben. Schichtbeschäftigte
sind zu wichtigen Familienanlässen (wie z. B. Geburtstage,
Feiertage) oft nicht da. Ebenso fehlen sie häufig im alltäglichen Familienleben (gemeinsame Mahlzeiten, Zubettgehen
der Kinder). Die Verantwortung für die Kinderbetreuung kann
schwierig werden, wenn die Arbeitsrhythmen nicht zu denen
der Kinder passen.
„ Andererseits kann Schichtarbeit auch die Lösung sein, um
die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung zu bewerkstelligen. Vielfach arbeiten alleinerziehende Mütter in Dauernachtschicht, um tagsüber Zeit für die Kinder zu haben und
nachts das Geld zu verdienen. Dies ist besonders fatal, da
enorme soziale und gesundheitliche Risiken in Kauf genommen
werden. Auch für Eigenzeiten bleibt nur selten Platz.
„ So überrascht es nicht, dass die Scheidungsquoten in Schichtarbeiterfamilien überdurchschnittlich hoch sind. Die Akzeptanz
der Schichtarbeit durch die Familie ist dagegen ein wesentlicher
positiver Faktor, der die gesundheitlichen Risiken vermindern
kann. Arbeiten beide Partner in Schichtsystemen, dann wird die
freie Zeit, in der der Partner arbeitet, nicht als Freizeit erlebt. Die
Nutzung ist also von gemeinsam verbrachter Zeit abhängig.
täten statt, um die speziellen Belastungen der Schichtart auszugleichen. Allerdings müssen auch viele Hobbies aufgegeben
werden, weil sie an der wechselnden Arbeitszeitlage scheitern.
„ Die gesamte alltägliche Lebensgestaltung orientiert sich am
Schichtsystem, so dass bei allen Aktivitäten zuerst der Blick in
den Kalender erfolgt.
„ Die versetzten Lebens- und Arbeitsrhythmen gegenüber Familie,
Freunden und Gesellschaft können zu eingeschränkter beruflicher Mobilität, Qualifikation und Karriereentwicklung führen
und weitere soziale Benachteiligungen nach sich ziehen.
„ Ein fester, verlässlicher Schichtplan vermittelt aber auch
Planungssicherheit – besonders für die Gruppe der Schichtbeschäftigten, die ansonsten ständig entgegen den sozialen
Zeiten lebt und mehr Aufwand betreiben muss, ihr alltägliches
Zeitarrangement zu managen. Eine Umstellung des Schichtsystems bedeutet vielfach auch eine gravierende Umstellung
des bisherigen Familienlebens und der mühsam erarbeiteten
Routinen. Dies ist auch ein entscheidender Grund für den
Widerstand der Beschäftigten bei der Einführung neuer Schichtsysteme.
Gestaltungsempfehlungen aus sozialer Sicht
Nach diesen Überlegungen lassen sich aus sozialer Sicht vier allgemeine Gestaltungsempfehlungen für die Schichtarbeit formulieren:
1. Überschaubarkeit des Schichtplanes
Die Schichtfolge in festen Systemen sollte einfach sein und die
Abfolge sollte leicht zu behalten sein. Auch die Dauer eines
Schichtturnus sollte nicht zu lang sein (z. B. vier Wochen).
2. Zusammenhängende Freizeitblöcke
Freizeitblöcke dienen der Erholung und der Teilnahme am
sozialen Leben. Hier können sich Schichtbeschäftigte am
normalen Tagesrhythmus orientieren. Ebenso besteht die
Möglichkeit, größere Vorhaben oder Aktivitäten in längeren
Freizeiten zu verwirklichen.
3. Wochenendbetonung
Das Wochenende spielt für soziale Aktivitäten eine besondere
Rolle. Hier haben Familienmitglieder, Freunde und Bekannte am
ehesten Zeit sich zu treffen. Deshalb sollten längere Freizeitblöcke mindestens den Samstag und Sonntag umfassen.
Neben den Auswirkungen auf das soziale Leben müssen Schichtbeschäftigte ihr alltägliches Leben aktiver gestalten und mehr Zeit
darauf verwenden, die verschiedenen Zeiten der Familienmitglieder
und Freunde miteinander zu verzahnen:
„ Der Wechsel der Freizeitschwerpunkte in festen Schichten
zwischen vormittags, nachmittags und spät abends verlangt
größere Anpassungsfähigkeit und Planung. Noch komplizierter
wird es in flexiblen Schichten oder Dienstplänen, in denen
kaum zeitliche Planbarkeit besteht. In jedem Fall verlangt
die zeitliche Abstimmung mit den Familienaktivitäten oder
anderen Lebensbereichen großes Organisationstalent. Bei der
Gestaltung ihrer Familienzeit sind Schichtbeschäftigte oft am
Limit ihrer Leistungsfähigkeit.
„ Schichtbeschäftigte passen ihre Freizeitaktivitäten der jeweiligen Schicht an. Es findet eine bewusste Auswahl der Aktivi-
4. Freie Abende
Auch die späten Nachmittage und Abende haben eine höhere
soziale Qualität, da in dieser Zeit die besten Möglichkeiten
bestehen, soziale Kontakte zu pflegen. Freie Nachmittage/
Abende sollten möglichst häufig und in nicht zu großen
Abständen stattfinden. In jeder Arbeitswoche sollten immer
mehrere freie Abende sein.
13
4. Demografische Aspekte
Je nachdem in welcher Lebensphase sich Beschäftigte befinden,
verändern sich bestimmte Wertigkeiten und Bedürfnisse in der
Lebensplanung. In allen Lebensphasen sollten die unterschiedlichen
Lebensbereiche einen angemessenen Platz finden. Vereinbarkeit
von Familie und Beruf in der Mitte des Lebens stellt andere Anforderungen als beim Berufseinstieg oder am Ende des Erwerbslebens.
Ein Single hat andere Zeitgewohnheiten als eine Mutter oder ein
Mensch, der ein Familienmitglied pflegt. Diese unterschiedlichen
Zeitbedürfnisse machen sich auch in der Schichtbelegschaft
bemerkbar und erfordern unter Umständen unterschiedliche
Schichtmodelle, um Familie und Schichtarbeit besser zu vereinbaren.
„ In den nächsten 10 bis 15 Jahren wird es einen dramatischen Rückgang der jungen Bevölkerung und einen gleichzeitig steigenden Bedarf an hoch qualifizierten Fachkräften
geben, insbesondere im Dienstleistungsbereich. Bereits heute
prognostizieren zwei Drittel der Unternehmen mit mehr als
500 Beschäftigten in den nächsten Jahren Schwierigkeiten,
geeignetes Personal zu finden (IfD-Allensbach 2009). Eine
Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und eine
Verlängerung der Lebensarbeitszeit könnte das Erwerbspersonenangebot zwar verbessern, dies dürfte aber nicht
ausreichen (Enquête Kommission Demographischer Wandel
2002). Mit dem Konzept der Bundesregierung zur Fachkräftesicherung („Fachkräfte gewinnen – Wohlstand sichern“;
Bundesarbeitsministerium 2011) sollen zum einen durch eine
bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mehr Frauen in
Beschäftigung gebracht werden. Zum anderen sollen mehr
Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden. Die folgende
Grafik veranschaulicht den erwarteten Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials und damit den Handlungsbedarf.
Diese Orientierung am Lebenslauf wird durch den demografischen Wandel immer wichtiger, der die Gesellschaft grundlegend
verändert. Immer weniger junge Menschen stehen zunehmend
älteren Beschäftigten und Rentnern gegenüber. Vier Faktoren
bestimmen die demografische Entwicklung in Deutschland ebenso
wie in vielen Ländern Europas und darüber hinaus:
(1.) eine steigende Lebenserwartung;
(2.) die deutliche Zunahme der Altersgruppe der über 65-Jährigen
bis zum Jahr 2030 (dann erreichen die Jahrgänge der „BabyBoom-Generation“ das Rentenalter);
(3.) eine seit Jahrzehnten auf niedrigem Niveau stagnierende
Geburtenrate und
(4.) die geringe Zuwanderung sowie hohe Auswanderungsquote.
Entwicklung des
Erwerbspersonenpotenzials
(in Mio.)
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
45
43
44,6
–6,5 Mio
43,1
41
41,0
39
37
35
38,1
2010
2015
2020
2025
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2011
Das höchste Potenzial für die kurz- wie längerfristige Mobilisierung
von Fachkräften sieht die Bundesregierung in der Ausweitung der
Arbeitszeiten von erwerbstätigen Frauen und in der Integration von
nicht berufstätigen Müttern in den Arbeitsmarkt (siehe Abbildung).
14
Potenziale für die Mobilisierung von Fachkräften
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Gesamtpotenzial: hoch +++ mittel ++ gering +
Arbeitszeit von
erwebstätigen
Frauen ausweiten
+++
Hohes Potenzial
Ausländische
Abschlüsse
anerkennen
+
Geringes Potenzial
Fachkräfte
international
rekrutieren
+
Nicht erwerbstätige
Mütter
integrieren
+++
Ältere länger in
Arbeit halten
++
Berufliche
Mobilität
erhöhen
++
(Langzeit-)
Arbeitslose
aktivieren
+
Wirksamkeit kurz- bis mittelfristig
Betreuung und
Bildung für
Kinder ausbauen
++
Mehr Jugendliche
in Berufsausbildung
integrieren
+
Frauen für
MINT-Berufe
interessieren
+
Wirksamkeit mittel- bis langfristig
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2011
„ Aktuell finden sich in 22 % aller Unternehmen und 43 %
der Großunternehmen Beschäftigte, die Pflegeaufgaben
übernommen haben. Es gibt derzeit ca. 1,4 Millionen Pflegebedürftige die in Privathaushalten gepflegt werden. Diese
Zahl wird in absehbarer Zeit massiv zunehmen: 2030 ist mit
3,4 Millionen Pflegebedürftigen zu rechnen. Hier zeigt sich die
Dringlichkeit mit der Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf
und Pflegeaufgaben eingeführt werden müssen.
„ Heute geben von den Hauptpflegepersonen 10 % gleich zu
Beginn einer neu aufkommenden Pflegesituation ihre Erwerbstätigkeit auf (Schneekloth; Wahl 2005). Auch hier kann mit
familienfreundlichen Maßnahmen gegengesteuert werden,
damit sich Pflege und Beruf nicht ausschließen. Mit Blick auf
die langfristig sinkende Zahl des Erwerbspersonenpotenzials ist
hier eine Trendwende unumgänglich.
55- bis 64-Jährigen bei 56,2 % auf einem Höchststand und damit
mehr als 10 % über dem europäischen Durchschnitt (2000: 37,6 %).
Dadurch entstehen folgende Herausforderungen des demografischen
Wandels für die betriebliche Personalpolitik:
„ Bei Personaleinstellungen steht die Sicherung des Fachkräftebedarfs im Mittelpunkt. Durch neue Rekrutierungsstrategien
können die Zielgruppen ausgeweitet werden.
„ Unternehmen können im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter/innen durch familienfreundliche Maßnahmen Wettbewerbsvorteile erzielen (siehe Abbildung). Dies geschieht insbesondere durch eine zukunftsweisende Personalpolitik.
Familienfreundlichkeit ist bei der
Arbeitgeberwahl ebenso wichtig
oder wichtiger als das Gehalt …
Die notwendigen Umgestaltungen der Arbeits- und Lebenswelt
berühren unmittelbar Fragen der Arbeitszeitgestaltung wie auch
der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Die in Deutschland
lange gängige Praxis, auf junge Belegschaften zu setzen und ältere
Beschäftigte zu entlassen, ist erfreulicherweise der Erkenntnis
gewichen, dass auch ältere Menschen einen wesentlichen Beitrag
in der Erwerbsarbeit leisten. 2010 waren über ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (26,2 %) über 50 Jahre alt. Mit
7,2 Mio. Beschäftigten über 50 Jahren sind dies über eine Million
mehr als 2006 (5,9 Mio., 22,7 Prozent) und zwei Millionen mehr als
vor 10 Jahren (5,2 Mio.,17,9 %) (vgl. Brussig 2011). Nach Angaben
des Statistischen Bundesamtes lag 2009 die Beschäftigtenquote der
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
… für junge Beschäftigte
zwischen 25 und 30 Jahre
mit Kindern
… für junge Beschäftigte
zwischen 25 und 30 Jahre
ohne Kinder
90 %
70 %
Dieselbe Studie ergab, dass 77% der Eltern zwischen 25 und 39 Jahren
für mehr Familienfreundlichkeit die Arbeitsstelle wechseln würden.
Quelle: Personalmarketingstudie, Hrsg. BMFSFJ, 2010
15
Altersaufbau der Bevölkerung
Deutschland (2009)
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Altersaufbau 2060
Alter in Jahren
Männer
100
Alter in Jahren
Frauen
Männer
90
80
80
70
70
60
60
50
50
40
40
10
0
400
200
0
0
200
Tausend je Altersjahr
Frauen
30
„ Untergrenze der
mittleren Bevölkerung
„ Obergrenze der
mittleren Bevölkerung
20
600
100
90
30
800
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
20
10
0
400
600
800
800
Quelle: Statistisches Jahrbuch, 2010
600
400
200
0
0
200
Tausend je Altersjahr
400
600
800
Quelle: Statistisches Bundesamt, 2009
„ Beschäftigung: Betriebliche Strategien, die auf die Vielfalt der
Beschäftigten zielen wie z. B. Diversity Management, gewinnen
an Bedeutung. Zum Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit müssen die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten
der Beschäftigten als Bereicherung anerkannt werden. Unterschiede in Alter, Familienstand, Bildung oder Lebenserfahrung
finden Berücksichtigung in verschiedenen Instrumenten der
Arbeits(zeit)gestaltung und in Weiterbildungsangeboten
(lebenslanges Lernen). Eine dadurch gewonnene Kultur der
gegenseitigen Wertschätzung trägt wesentlich zu einem
besseren, verständigungsorientierten Betriebsklima bei.
„ Berufsaustritt: Durch neue Ausstiegsmodelle wie den gleitenden
Übergang in den Ruhestand entstehen neue Optionen für die
Phase des Berufsaustritts. Insbesondere lässt sich der Knowhow-Transfer von den älteren zu den jüngeren Beschäftigten so
gestalten, dass Betriebswissen besser erhalten bleibt.
Immer stärker setzt sich die Erkenntnis durch, dass ältere Arbeitnehmer/innen nicht weniger leistungsfähig sind als jüngere. Durch
entsprechende Arbeitsgestaltung, Bildungsanreize und Gesundheitsorientierung können körperliche und geistige Fitness bis ins hohe
Alter erhalten bleiben. Trotz sinkender physischer Kräfte können
die Nachteile durch andere Kompetenzen wettgemacht werden
(Erfahrungswissen, Verantwortungsbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit, soziale Kompetenz, Qualitätsbewusstsein, Loyalität).
Wissenschaftlich nachgewiesen sind allerdings auch die negativen
Folgen bestimmter extremer Einflussfaktoren auf ältere Beschäftigte, wie starke Hitze oder Kälte, schwere körperliche Tätigkeiten,
Aufgaben die hohe Ansprüche an Seh- und Hörvermögen stellen,
stark eingeschränkte Spielräume sowie Stress und Leistungsdruck
ohne ausreichende Pausen. In diesen Fällen lassen sich mit ergonomischen Maßnahmen relativ leicht Verbesserungen erzielen. Durch
Belastungswechsel und Lernanreize können die Bedingungen für
eine gute Arbeitsfähigkeit verbessert werden. Wichtig ist darüber
hinaus ein präventives Vorgehen d. h. eine Ausrichtung auf
langfristige Maßnahmen und Erfolge (vgl. Matthäi; Morschhäuser
2009).
Kernpunkte einer demografiefesten Personalpolitik sind eine
familienbewusste und alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung, betriebliche Gesundheitsförderung und das lebenslange Lernen. Denn die
klassische Dreiteilung des Lebenslaufs in Ausbildung – Erwerbsleben
– Ruhestand löst sich zunehmend auf und Phasen der Erwerbstätigkeit wechseln sich ab mit Phasen der Familienorientierung
und der Weiterbildung oder Umorientierung. Betriebe/Dienststellen
müssen sich insgesamt stärker auf altersgemischte Beschäftigtengruppen einstellen. Der demografische Wandel führt dazu, dass
die Themen alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung, familienbewusste
Arbeitszeiten, Gesundheitsförderung und Qualifizierung stärker in
den betrieblichen Fokus geraten und miteinander verzahnt werden.
16
und Interessenvertretungen verstärkt damit auseinandersetzen wie
Arbeitsplätze ausgestaltet werden, damit auch Über-50jährige dort
ohne Schwierigkeiten arbeiten können.
Ältere Beschäftigte: „Kompetenzmodell“
statt „Defizitmodell“
Die Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter wurde lange Zeit
meist im Sinne eines Defizitmodells betrachtet, also unter
der Perspektive, dass Ältere im Laufe der Zeit immer weniger
leistungsfähig werden und ihnen jüngere Beschäftigte deshalb
prinzipiell vorzuziehen sind.
Die Leistungs- und Lernfähigkeit, die Arbeitsproduktivität und
die Motivation älterer Arbeitnehmer/innen sind jedoch individuell sehr unterschiedlich. Wissenschaftliche Studien konnten
zeigen, dass die Leistungsunterschiede innerhalb einer Altersgruppe weitaus größer sind als zwischen den verschiedenen
Altersgruppen. Zwar treten chronische Erkrankungen (vor allem
Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie
Herz-Kreislauf-Erkrankungen) bei älteren Arbeitnehmer/innen
gehäuft auf. Viele Defizite lassen sich aber durch geeignete
Hilfsmittel kompensieren.
Darüber hinaus gibt es genügend Hinweise darauf, dass ältere
Beschäftigte über Vorteile gegenüber Jüngeren verfügen, z. B.
sind sie ihnen überlegen an Erfahrungswissen und Arbeitsdisziplin, in der Einstellung zur Qualität, an Zuverlässigkeit,
Loyalität und Führungsfähigkeit.
Damit Unternehmen besser mit dem Alterungsprozess ihrer
Belegschaften umgehen lernen, ist deshalb ein Wechsel vom
Defizit- zu einem Kompetenzmodell, vom Risiko- zum Chancenmodell, notwendig. Auf diese Weise kann die Leistungsfähigkeit
von Älteren differenzierter beachtet werden und ihre speziellen
Fähigkeiten werden stärker anerkannt. Im Kompetenzmodell
steht nicht mehr die Frage im Mittelpunkt, was Beschäftigte
nicht (mehr) können, sondern wird gefragt, was sie können.
Handlungsansätze alternsgerechter
Personalpolitik
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Wertschätzende
Unternehmenskultur
Formale
Weiterbildung
Persönliche
Entwicklungsplanung
Förderung der
Arbeits- und
Leistungsfähigkeit
Am Erwerbsverlauf
orientierte
Arbeitszeitgestaltung
Quelle: Huber u. a., 2006
Quelle: Huber u. a., 2006
Allerdings wird die alternsgerechte Arbeitsgestaltung in
bestimmten Branchen und an einigen Arbeitsplätzen an Grenzen
stoßen und kaum zu einer Beschäftigungsfähigkeit bis zur Rente
reichen5. Gerade hier müssen besondere Anstrengungen unternommen werden, Karriereplanung und berufliche Laufbahnen zu
überdenken und z. B. Schichtarbeit, wie in einigen Bundesländern
bereits eingeführt, zu faktorisieren, um einen früheren Ausstieg aus
der Erwerbsarbeit zu ermöglichen.
In Zukunft müssen alle Überlegungen zur Nacht- und Schichtarbeit
vor dem Hintergrund des Wandels der Arbeitsbevölkerung getroffen
werden. Die Ausgrenzung bestimmter Beschäftigtengruppen macht
keinen Sinn, da der Arbeitskräftebedarf nicht aus einer Altersgruppe
allein gedeckt werden kann. In Zukunft müssen sich Arbeitgeber
5 „2004 erreichten etwa 97 Prozent der Ärzteschaft, 92 Prozent des Hochschullehrpersonals, 93 Prozent der Rechtsberater und -beraterinnen und 91 Prozent
der Ingenieurinnen und Ingenieure das gesetzliche Rentenalter im Beruf. Dagegen
gingen 86 Prozent der Bergleute, 37 Prozent der Maurer, 32 Prozent der Schweißer und 36 Prozent der Rohrinstallateure gesundheitsbedingt vorzeitig in Rente.“
(Initiative Neue Qualität der Arbeit 2010)
17
Alternsgerechte
Personaleinsatzplanung
Horizontale
Laufbahngestaltung
Ein Beispiel dafür ist „Das Demographie-Netzwerk“ (ddn)6 – eine
Plattform von Unternehmen, auf der gemeinsam mit Politik und
Wissenschaft über betriebliche Erfahrungen diskutiert wird, um
Instrumente und Strategien einer demografiefesten Personalpolitik
zu verbessern. Die Mitglieder dieses Netzwerkes haben gemeinsam
die folgenden zehn Regeln entwickelt:
Das Demographie Netzwerk (ddn):
Die zehn goldenen Regeln
1) Wir betrachten die Unternehmenskultur als Chefsache und
ermöglichen durch eine wertschätzende Führung, dass
unterschiedliche Beschäftigtengruppen und Generationen
produktiv und respektvoll zusammenarbeiten.
2) Wir treten für eine nicht diskriminierende, alters-, geschlechtsund herkunftsneutrale Personalauswahl, Personalgewinnung
und Personalentwicklung ein.
3) Wir betreiben eine vorausschauende, demographiegerechte
Personalplanung und bemühen uns um eine vielfältige, ausgewogene Altersstruktur in unserer Belegschaft.
4) Wir streben in unseren Unternehmen eine angemessene
Repräsentanz auch der Generation 50plus an.
5) Wir sorgen durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen
dafür, dass alle Mitarbeiter/innen im Unternehmen gesund
altern und ihre Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig,
mindestens bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze
erhalten können.
6) Wir unterstützen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch
ein konsequentes betriebliches Gesundheitsmanagement bei
Aufbau und Pflege persönlicher Ressourcen und fördern die
Selbstverantwortung des Einzelnen, gesund zu leben und zu
arbeiten.
7) Wir entwickeln Arbeitszeit- und Vergütungsmodelle, die
geeignet sind, die Beschäftigung unterschiedlicher Generationen und Mitarbeitergruppen zu fördern.
8) Wir richten altersgemischte Teams ein, um den Wissenstransfer zwischen den Generationen zu fördern. Wir wollen in
unseren Unternehmen sowohl das Erfahrungswissen als auch
das aktuelle Fachwissen, innovative Ideen und soziale Kompetenzen in vollem Umfang nutzen.
9) Wir sind überzeugt, dass ein arbeitsbegleitendes, lebenslanges Lernen wesentlich zum Erhalt der Beschäftigungs- und
Leistungsfähigkeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
beiträgt. Deshalb bieten wir Lern- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten in unseren Unternehmen für alle Beschäftigten
an. Wir setzen auf die Selbstverantwortung des Einzelnen,
Lernmöglichkeiten wahrzunehmen und sich beruflich weiterzuentwickeln, und entwickeln miteinander die dafür nötige
Methodenkompetenz.
10) Wir zeigen Wege auf, wie eine berufliche Karriere alternsgerecht über viele Jahre hinweg verlaufen kann. Dadurch wollen
wir auch älteren Beschäftigten neue berufliche Perspektiven
eröffnen. Wir streben in unseren Unternehmen flexible
Übergänge zwischen Arbeit und Ruhestand an und entwickeln
tragfähige Alternativen zu Frühverrentung und Vorruhestand.
6 Das ddn wird gefördert durch die Initiative Neue Qualität der Arbeit (inqa).
18
5. Kriterien der Schichtplangestaltung
In der Arbeitswissenschaft herrscht Einigkeit darüber, dass
Erwerbsarbeit ein ganzes Arbeitsleben möglich sein sollte ohne
gesundheitliche oder soziale Beeinträchtigungen zu verursachen
(vgl. Nachreiner 2002). Wie dies mit zunehmendem Arbeitsstress,
Personalabbau und einer längeren Erwerbsbiografie bis 67 Jahre
funktionieren soll, darüber gibt es bisher keine umfassenden
Konzepte. Grundsätzlich gilt in der Wissenschaft eine Arbeit nur
dann als menschengerecht, wenn folgende Merkmale zutreffen7:
„ Schädigungslosigkeit und Erträglichkeit der Arbeit,
„ Ausführbarkeit der Arbeit,
„ Zumutbarkeit der Arbeit,
„ Zufriedenheit bei der Arbeit,
„ Förderlichkeit der Arbeit für die Persönlichkeit,
„ Sozialverträglichkeit der Arbeit.
Das Ziel der menschgerechten Arbeitsgestaltung ist demnach weit
mehr als die Vermeidung von Gesundheitsgefahren oder Arbeitsunfällen. Sie umfasst die Entwicklung der ganzen Persönlichkeit des
Menschen durch die Erwerbsarbeit (siehe auch folgende Übersicht).
7 siehe folgende Übersicht: Menschengerechte Arbeitsgestaltung
19
Menschengerechte Arbeitsgestaltung (Übersicht)
Menschengerechte Arbeitsgestaltung
„ Anpassung der Arbeit an den Menschen
„ Vermeidung und Abbau von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
(1) Zielsetzung
„ Erhalt der Arbeitsfähigkeit
„ Förderung der Gesundheit
„ Schädigungslosigkeit
„ Ausführbarkeit
(2) Kriterien
„ Zumutbarkeit
„ Persönlichkeitsförderlichkeit
„ Präventiv
(Vermeidung von Belastungen und Senkung der
Erkrankungswahrscheinlichkeit)
(3) Vorgehensweise
„ Korrektiv
(Abbau von Belastungen, Fehlbeanspruchungen und Mängeln)
„ Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätten/Arbeitsumgebung
„ Gestaltung des Arbeitsplatzes
„ Gestaltung der Arbeitsmittel
(4) Bereiche
„ Gestaltung der Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufe und
Arbeitszeiten und deren Zusammenwirken
„ Gestaltung der Pausen
„ Förderung bzw. Verbesserung der Sozialbeziehungen
Quelle: Huber u. a., 2006
Bezogen auf eine alter(n)sgerechte Schichtplangestaltung sind vier
Zielsetzungen relevant, die präventiv und durch organisatorische
Anpassungen bzw. Qualifikationsmaßnahmen durchgesetzt werden
können:
„ der Arbeit ein gesundes Maß geben,
„ Erhalt und Förderung der Arbeitsfähigkeit,
„ Vorsorge für alle Alters- und Beschäftigtengruppen schaffen,
„ Zukunftsperspektiven für Ältere schaffen.
der individuellen Ressourcen sowie das Wohlbefinden und die
Lebensqualität der Beschäftigten. Schließlich sollen alle Schichtbeschäftigten ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen das
Rentenalter erreichen. Konkrete Handlungsbereiche sind Veränderungen in der Arbeitsorganisation und Ergonomie (z. B. barrierefreies Arbeiten) und Maßnahmen der Personalpolitik (z. B. Altersstrukturanalyse), die alternsgerechte Berufsverläufe und Karrieren
ermöglichen sollen. Darüber hinaus lassen sich die Handlungsinstrumente der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der
Gesundheitsförderung sinnvoll mit der alternsgerechten Schichtplangestaltung verbinden.
Kriterien für die Beurteilung einer alternsgerechten Arbeitsgestaltung sind der Erhalt der funktionellen Kapazität, Förderung
20
Felder menschengerechter Arbeitsgestaltung (Übersicht)
Beispiele
Arbeitsstruktur
Gruppenarbeit,
Projektarbeit
Arbeitszeit
Schichtarbeit,
Zeitkonten
Arbeitsorganisation
Arbeitsinhalte
Technologie
Fertigungsverfahren
Kollegen/innen
betriebliches Umfeld
Vorgesetzte
Betriebsklima
Klima
Hitze, Kälte,
Gase, Staub
Gefahrstoffe
Arbeitsumgebung
Beleuchtung
Schall/Schwingungen
Arbeitsraum
Arbeitsplatz
Großraumbüro
Bewegungsablauf
Ergonomie
Technik und Ausstattung
Büro, Maschinen,
Anzeigen, Stellteile
Lasten
Arbeitsmittel
Bedienung
Arbeitskleidung
Vereinbarkeit von Familie
und Beruf
Work-Life-Balance
persönliche
Schutzkleidung
Familienverpflichtungen
soziale Kontakte
Freizeit
Quelle: Huber u. a. 2006
21
Arbeitswissenschaftliche Empfehlungen zur
Schichtplangestaltung
Wird in drei Schichten oder vollkontinuierlich über die ganze
Woche gearbeitet, lassen sich gesundheitliche und/oder soziale
Beeinträchtigungen (Nachtarbeit, Wochenendarbeit, Spätschichten)
reduzieren, indem arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse bei der
Schichtplangestaltung beachtet werden. Das ideale Schichtmodell
gibt es allerdings nicht, doch je nach Arbeitsbedingungen und
Beschäftigteninteressen lassen sich gesundheitlich und/oder sozial
„verträglichere“ Modelle verwirklichen.
Durch kurze Schichtblöcke (maximal drei hintereinanderliegende
Schichten) werden die Umstellungsschwierigkeiten auf den
Wechsel von Früh-, Spät- und Nachtschicht vermindert. Der Körper
hat nicht die Möglichkeit sich an die Nachtschicht anzupassen
und vermeidet dadurch, permanent gegen den inneren biologischen Rhythmus zu arbeiten. Gleiches gilt für den Wechsel der
Schichten (Rotationsrichtung): Früh-, Spät-, Nachtschicht kommt
dem Biorhythmus stärker entgegen, als der Wechsel Nacht-, Spät-,
Frühschicht.
Häufig wird durch den Schichtplan bestimmt wann Familien- oder
Freizeitaktivitäten stattfinden können. Bei Änderungen der Arbeitszeiten ist es für Schichtbeschäftigte deshalb besonders wichtig,
dass die Arbeitszeiten relativ vorhersehbar sind. Für den Fall
von kurzfristigen Änderungen der Arbeitszeit sollten Spielregeln
vereinbart werden oder diese sollten am besten nur in Absprache
mit den Betroffenen erfolgen.
1. Aufeinanderfolge der Schichten
Kriterien
maximale Anzahl
hintereinanderliegender
gleicher Schichten
Empfehlungen
Früh-, Spät-, NachtSchichten
möglichst wenig hintereinanderliegende
Schichten (max. 3), um Schlafdefizite zu
vermeiden, Umstellungsprobleme auf den
Tagesrhythmus zu umgehen und soziale
Kontakte zu pflegen
Dauernachtschicht
Dauernachtschicht vermeiden, um mögliche
langfristige Gesundheitsschäden zu vermeiden
Vorwärtswechsel, da weniger
Umstellungsprobleme auf die biologische
Tagesrhythmik
Rotationsrichtung der Schichten
(z. B. früh, spät, nachts)
Spezielle Schichtfolgen
Frühschicht – frei – Spätschicht
einzelne freie Tage in Schichtfolge vermeiden oder
einzelne Arbeitstage zwischen freien Tagen
2. Dauer und Verteilung der Arbeitszeit
Kriterien
Empfehlungen
maximale Anzahl
hintereinanderliegender
Arbeitstage
maximal fünf bis sieben Arbeitstage, um Ermüdungen und langfristige gesundheitliche
Beeinträchtigungen zu vermeiden
Schichtdauer
Grundsätzlich begrenzt das Arbeitszeitgesetz (§ 3) die tägliche Dauer der Arbeitszeit auf
8 Stunden. Ausnahmen sollten nur unter folgenden Voraussetzungen erfolgen:
„ die Arbeitsinhalte und die Arbeitsbedingungen sind so gestaltet, dass längere Arbeitszeiten
ohne negative gesundheitliche Folgen zulässig sind
„ ausreichend vorhandene Pausen
„ ein Schichtsystem, das eine zusätzliche Ermüdungsanhäufung vermeidet
„ kein Anfallen zusätzlicher Überstunden
„ dass eine vollständige Erholung nach der Arbeitszeit möglich ist.
Ruhezeit zwischen
zwei Schichten
Die Dauer der Ruhezeit beträgt mindestens 11 Stunden.
22
3. Lage der Arbeitszeit
Kriterien
Empfehlungen
Frühschicht
sollte nicht zu früh sein, um ein Schlafdefizit zu vermeiden (6.30 Uhr ist besser als 6.00 Uhr)
Spätschicht
sollte nicht zu spät enden, damit ausreichend geschlafen werden kann und soziale Kontakte
abends möglich sind
Nachtschicht
sollte so früh wie möglich enden, um ausreichend schlafen zu können
Wochenendarbeit
Wochenendarbeit minimieren, um mehr Zeit für soziale Kontakte zu haben,
Vereinbarkeit Beruf/Freizeit/Erholung
4. Kurzfristige Abweichungen vom Soll-Plan
Empfehlungen
Kurzfristige Abweichungen vom Schichtplan durch den Arbeitgeber sollten vermieden werden, um Freizeit planen zu können.
Stattdessen können "Spielregeln" in Bezug auf Vorankündigungsfrist und Freizeitausgleich festgelegt werden.
Beschäftigte sollten möglichst souverän über ihre Zeit verfügen können.
Quelle: Knauth 1996
Pausenregelungen
Pausen8 sind ein wichtiger Faktor bei der Arbeitszeitorganisation.
Sie dienen der Erholung von Arbeitsbelastungen. Arbeitszeiten
wirken vor allem auf zwei Ebenen auf die Gesundheit ein:
Erstens bestimmt die Dauer des Arbeitstages den Rhythmus von
Anspannung und Ruhephasen und damit die Regeneration der
Menschen. Zweitens verschärft die Intensität der Arbeitszeit alle
übrigen Arbeitsbelastungen (z. B. Lärm, Monotonie), die auf die
Beschäftigten einwirken.
Noch immer gibt es eine große Anzahl von Arbeitstätigkeiten, bei
denen die Handlungsspielräume für die Beschäftigten sehr klein sind
und z. T. monotone Arbeiten verrichtet werden müssen. Gerade hier
wirken Pausen präventiv und entlastend. Bei freier Arbeitsgestaltung
werden Kurzpausen in der Regel selbstständig genommen. Hier
besteht tendenziell die Gefahr, dass Pausen „vergessen“ werden
oder aufgrund von Arbeitsverdichtung gänzlich auf sie verzichtet
wird. Ein „Arbeiten ohne Ende“ kann aber auch auf eine fehlende
betriebliche Pausenkultur zurückgeführt werden.
„ Immer mehr Beschäftigten fällt es schwer von der Arbeit
abzuschalten.
„ Schwierige Arbeitsbedingungen wie flexible Arbeitszeiten,
Personalabbau, Überstunden, einseitige körperliche
Belastungen, Monotonie, Überforderung/Unterforderung
oder schädliche Umwelteinflüsse wirken sich negativ auf die
Gesundheit der Beschäftigten aus, mit Folgen, die oft erst nach
Jahren körperlich in Erscheinung treten.
„ In vielen Berufen mit schweren körperlichen Arbeiten scheiden
bis zur Hälfte der Beschäftigten aus gesundheitlichen Gründen
als Erwerbsunfähige vor dem gesetzlichen Rentenalter aus und
werden frühverrentet (vgl. IG Metall 2006).
Erholzeiten wirken sich auf verschiedene Bereiche aus:
– sie entzerren die täglichen Arbeitszeiten und reduzieren dadurch
den Stress,
– sie kompensieren Belastungen,
– sie wirken präventiv zur Bewältigung bevorstehender Arbeitsanforderungen,
– sie minimieren die Unfälle in Betrieben/Verwaltungen,
– sie tragen zum Erhalt der Leistungsfähigkeit bei und wirken
gesundheitsfördernd,
– sie unterstützen die betriebliche Kommunikation und die sozialen
Kontakte und verbessern dadurch das Betriebsklima.
In Betrieben/Verwaltungen mit Schichtarbeit gibt es deshalb viele
gute Gründe für die Einführung von Erholpausen:
„ Arbeitsbelastungen und Zeitstress steigen weiterhin an, obwohl
das Arbeitsschutzgesetz den Arbeitgebern seit 1996 vorschreibt,
die Arbeitsbelastungen so gering wie möglich zu halten.
„ Die Anforderungen Erwerbsarbeit, Familie und Freizeit in
Einklang zu bringen werden größer.
Kurzfristige Zeitverluste der Pause werden durch Erholungswirkungen mehr als wettgemacht. Deshalb sollten bezahlte
Kurzpausen von fünf Minuten pro Stunde tagsüber und zehn
Minuten in der Nacht eingeführt werden.
8 Pausen sind unbezahlte Arbeitsunterbrechungen von mindestens 15 Minuten, die
in Schicht-/Dienstplänen vorher festgelegt werden müssen. Arbeitsunterbrechungen oder Betriebspausen aus technischen Gründen sind keine Erholungspausen.
23
Planungssicherheit und Vorhersehbarkeit der
Schichtarbeitszeit
Beschäftigte benötigen vor allem Planungssicherheit, um die
verschiedenen familiären und privaten Zeitanforderungen und
Zeitwünsche vereinbaren zu können (vgl. z. B. Klenner; Pfahl 2008).
Erfahrungsgemäß spielt die Zeitsouveränität der Beschäftigten im
Beruf eine untergeordnete Rolle, Anpassungen an den Arbeitsanfall
und flexible Personaleinsatzplanung sind dagegen der Normalfall.
Bei fehlender Planung werden Beschäftigte häufig sehr kurzfristig
zur Arbeit bestellt oder nach Hause geschickt. Gerade Teilzeitbeschäftigte werden häufig für kurzfristige Arbeitsschwankungen
eingesetzt. Im Extremfall wird die Arbeit auf Abruf organisiert und
Beschäftigte wissen erst am Vortag oder sogar am Einsatztag,
wann ihr Dienst beginnt.
Durch tarifliche Öffnungsklauseln, kann der Arbeitgeber die
Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus verlängern, wenn regelmäßig
und in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst anfällt. Auch der
Ausgleichszeitraum kann auf ein Jahr ausgedehnt werden. Hier
können die gesundheitlichen Risiken stark ansteigen.
Empfehlungen für die Bereitschaftszeit:
„ Die zusätzlichen Bereitschaftszeiten, mindestens die erbrachte
tatsächliche zusätzliche Arbeitsleistung, sollte zeitnah in Freizeit
ausgeglichen werden.
„ Außerdem sollten die Dienstpläne langfristig erstellt werden,
um Planungssicherheit zu garantieren.
Rufbereitschaft10 wird gegenüber der Bereitschaftszeit nicht als
Arbeitszeit definiert und gilt als Ruhezeit. Durch die permanente
Anspannung ist der Erholungswert der Rufbereitschaftszeit allerdings eingeschränkt. Ein erholsamer Schlaf in der Nacht ist kaum
möglich. Meist werden die Beschäftigten darüber hinaus am
nächsten Tag in den normalen Tagdienst eingeteilt, so dass sich
Erholungsdefizite anhäufen, da ein Ausgleich nicht unmittelbar
erfolgen muss. Im Gesundheits- oder Rettungsdienst sind die
Arbeitsphasen oft mit komplexen Aufgaben verbunden, die die
Anspannung weiter erhöhen.
Zur Planungssicherheit und Vorhersehbarkeit der Schichtzeiten
gelten deshalb folgende Empfehlungen:
„ Verbindlich sollte die Einhaltung der Mindestankündigungszeit
von vier Tagen (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz; TzBfG)
sein. Noch besser ist die Festlegung langfristiger Planungszeiträume.
„ Besonders berücksichtigt werden sollten geblockte oder
zusammenhängende freie Tage am Wochenende (z. B. Freitag
und Samstag), um die sozial wertvolle Zeit am Wochenende
nutzen zu können.
„ Feste Planungszeiträume schaffen sowohl für die Beschäftigten
als auch für den Betrieb Sicherheit und Kontinuität. Kurzfristige
Abweichungen vom Plan, die der Arbeitgeber wünscht, sollten
begrenzt werden und z. B. durch Freizeitausgleich honoriert
werden.
„ Autonome Dienstplangestaltung in der Gruppe oder im Team
hat sich auch bei der Vorhersehbarkeit der Arbeitszeiten
bewährt.
Empfehlungen für die Rufbereitschaft:
„ Auch wenn keine Arbeit geleistet wird, sollte die Rufbereitschaft
zu einem Mindestanteil zur Arbeitszeit gerechnet und entlohnt
werden.
„ Nach Einsätzen in der Rufbereitschaft sollten bis zur regulären
Arbeitszeit ausreichend Ruhezeiten zur Verfügung stehen.
„ Die Anzahl der Rufbereitschaften sollte begrenzt werden.
Bereitschaftsdienst9 ist sehr unterschiedlich gestaltet. Da wo der
Arbeitsanteil annähernd die Hälfte der Bereitschaftszeit erreicht,
sind die Belastungen oft genauso groß wie in der normalen
Arbeitszeit. Aber auch Bereitschaftsdienste mit jeweils kurzen
Einsätzen bergen Risiken. Eine inqa-Studie hat verschiedene
Rettungseinsätze miteinander verglichen und festgestellt, dass
sporadische Einsätze auf dem Rettungswagen im ländlichen Raum
ein ähnlich hohes Gesundheitsrisiko bergen wie häufigere Einsätze
in Ballungszentren.
12-Stunden-Schichten
Sehr umstritten sind verlängerte tägliche Arbeitszeiten bis zu
12-Stunden-Schichten, die in einzelnen Tarifverträgen möglich
sind. Der große Reiz von langen Schichten oder „komprimierter
Arbeitszeit“ sind die Reduktion der Arbeitstage, mehr Freischichten
und damit eine Reduzierung der Wegezeiten. Automatisch verkürzt
sich die Anzahl der Nacht- und Abendarbeiten und ermöglicht
längere Ruhezeiten sowie mehr Zeit für Fürsorgetätigkeiten und die
Familie.
In der chemischen Industrie sind in vollkontinuierlich arbeitenden
Betrieben Sonntagsschichten von 12 Stunden zulässig. Generell
ist dort in Schichtbetrieben bei Arbeitsbereitschaft eine tägliche
Arbeitszeit bis zu 12 Stunden möglich.
Aus medizinischer Sicht sind 12-Stunden-Schichten sehr
fragwürdig, da jede Ausdehnung der Arbeitszeit über die tägliche
8-Stunden-Grenze hinaus eine Steigerung des Beeinträchtigungsrisikos nach sich zieht. Dies gilt umso mehr wenn diese Grenze der
täglichen Arbeitszeit um vier Stunden überschritten wird (vgl. Wirtz
9 Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit (EuGH 2000), in der Beschäftigte sich am
Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten müssen.
Die überwiegend aufgewendete Zeit (also mindestens 51 %) muss frei von jeder
Tätigkeit und Verantwortung sein.
10 Beschäftigte sind während der Rufbereitschaft verpflichtet, sich an einem dem
Arbeitgeber anzuzeigenden Ort aufzuhalten, um jederzeit die Arbeit aufnehmen
zu können.
Bereitschaftszeit und Rufbereitschaft
In Bezug auf die Planungssicherheit und Vorhersehbarkeit der
Arbeitszeiten, stellen Bereitschaftszeiten und Rufbereitschaften
eine besondere Herausforderung für die Arbeitszeitgestaltung dar.
Oft sind auch die Arbeitsbelastungen kaum geringer als in der
normalen Arbeitszeit.
24
2010, Nachreiner u. a. 2005). Allerdings konnten Untersuchungen
zeigen, dass 12-Stunden-Schichten unter bestimmten Voraussetzungen (Arbeitsbedingungen, ausreichende Regeneration)
weniger belastend sind als normale 8-Stunden-Schichten, an die
kurzfristige Überstunden angehängt werden (vgl. Wirtz 2010).
Schichtmodellen geschaffen, die unterschiedliche Kriterien berücksichtigen. Im Einzelhandel werden für Vollzeitbeschäftigte häufig
zwei Modelle zur Auswahl gestellt: Eine 4-Tage-Woche mit langen
Arbeitszeiten und langem Freizeitblock wird häufig von Beschäftigten ohne Fürsorgeverpflichtungen bevorzugt. Eine 5-Tage-Woche
mit normalen täglichen Arbeitszeiten favorisieren Beschäftigte mit
Familieninteressen.
„Infineon (Dresden) führte die 12-Stunden-Schicht ein. Vorher
arbeitete Manuela Schäfer (42 Jahre, Zeitarbeiterin) an sechs
Tagen in Folge jeweils acht Stunden. Jetzt dauern die Schichten
zwölf Stunden, an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Wobei die
ersten beiden Tagesschichten sind. Am dritten und vierten Tag
arbeitet die gelernte Elektromontiererin nachts. Körperlich, sagt
sie, verkrafte sie den Rhythmuswechsel erstaunlich gut. ‚Aber ich
habe praktisch kein Familienleben mehr.’ Der Mann, den sie jetzt
verlässt, arbeitet selbst auf Montage. Nur am Wochenende ist er
zu Hause. Bedingt durch ihre Schichten, sagt Manuela Schäfer,
hätten sie sich manchmal vier Wochen lang nicht gesehen. ‚Und
wenn doch, dann war ich nicht ansprechbar.’ Sie zögert, so als
überlege sie, ob sie aussprechen soll, was sie denkt: ‚Man ist
nach vier solchen Schichttagen kein Mensch mehr’.“
Für eine sozialverträgliche Schichtplangestaltung sollte in jedem
Fall mindestens ein freier Abend pro Woche an Werktagen zur
Verfügung stehen. Ein weiteres familienbewusstes Kriterium ist die
Planbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit der individuellen Arbeitszeiten.
Vielfach scheitern Schichtmodelle an einer unzureichenden betrieblichen Umsetzung. Sozialverträgliche und familienbewusste Anforderungen lassen sich nicht verwirklichen, wenn die Planung bereits
auf wackligen Füßen steht. So sollten die vorgesehenen Arbeitszeiten der Beschäftigten im Schichtsystem auch realisierbar sein.
Das schönste Schichtmodell nützt nicht viel, wenn z. B. alle zwei
Wochen zusätzliche Schichten (Bringschichten) in die Freiblöcke
integriert werden müssen und damit die Freischichten zusammenschmelzen und/oder die Abfolge der Schichten durcheinander
gebracht werden (wenn z. B. vor einer Frühschicht eine Spätschicht
zusätzlich erbracht werden muss).
Einen noch größeren Knackpunkt stellt die ausreichende Personalbemessung inklusive der eingeplanten Personalreserven dar. Hier
gilt insbesondere, dass chronische Unterbesetzung oder falsche
Planungen (wenn z. B. die normalen Krankheitszeiten nicht mit
eingerechnet werden) die Vorteile eines ausgetüftelten Schichtmodells zunichte machen. Zusätzliche Schichten, Überstunden oder
ungeregelte Springerdienste führen fast automatisch zu weniger
Regenerationszeiten und erschweren die Abstimmung mit den
Familienzeiten. In vielen Betrieben hat sich eine Praxis etabliert,
in der Überstunden zur Normalität gehören und die Personalbemessung niedrig gehalten wird. Beschäftigte müssen dann
permanent an ihrer Leistungsgrenze arbeiten. Gegensteuern lässt
sich nur mit zusätzlichem Personal, von dessen Notwendigkeit das
Management überzeugt werden muss (siehe Kapitel 10 Umsetzung
familienbewusster Schichtmodelle). Über die Mitbestimmungsmöglichkeiten zur Arbeitszeit kann hier Einfluss auf die Personalplanung genommen werden.
aus: IG Metall Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen (2007):
Sozialreport Zeitarbeit, S. 37
Nach Auffassung verschiedener Autoren sollten verlängerte
Arbeitstage nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen gewährt
werden (vgl. Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebensund Arbeitsbedingungen 1997):
„ Arbeitstätigkeiten, -bedingungen und -belastungen müssen für
eine verlängerte Arbeitszeit geeignet sein;
„ vor allem körperlich leichte Arbeit (z. B. Arbeit in Kontrollräumen, leichte Maschinenbedienung mit längeren Pausen,
regelmäßige Kontrollgänge) sind geeignet;
„ das Schichtsystem muss ausreichend Erholung garantieren;
„ ein hoher Anteil an Bereitschaftsdiensten mit entsprechend
wenigen Anteilen Arbeitszeit;
„ es dürfen keine zusätzlichen Überstunden anfallen;
„ die Arbeitszeiten müssen Familie und Beruf vereinbar machen
sowie
„ eine ständige ärztliche Überwachung muss gewährleistet sein.
Das Dilemma der Schichtplangestaltung
Die unterschiedlichen Empfehlungen zur Schichtplangestaltung
aus medizinischer, sozialer und demografischer Sicht machen
bereits deutlich, wie groß die Planungsanforderungen sind. In der
Praxis ist es deshalb nicht immer möglich allen Kriterien gerecht
zu werden. Die Schichtplangestaltung befindet sich daher oft in
dem Dilemma zwischen gesundheitlichen und sozialen Anforderungen abwägen zu müssen und Entscheidungen für eine Seite
zu treffen. Hier kann eine Bedarfsanalyse helfen, die Wünsche
und Bedürfnisse der Schichtbeschäftigten besser abzubilden.
Im Idealfall werden Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen
25
6. Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft keinesfalls nur
Familien mit kleinen Kindern. Alle Beschäftigten haben einen
Anspruch auf eine gute Balance von Erwerbsarbeit und Privatleben;
unabhängig vom Geschlecht, Familienstand, Qualifikation und
Arbeitsverhältnis bzw. -form. Außerdem müssen die unterschiedlichen Lebensbereiche in allen Lebensphasen einen angemessenen
Platz finden. Vereinbarkeit in der Mitte des Lebens muss anderen
Anforderungen genügen als beim Berufseinstieg oder kurz vor der
Rente. Familienfreundlichkeit lässt sich als Kriterium der Schichtplangestaltung (soziale Kriterien) und über die Rahmenbedingungen in Betrieben und Verwaltungen realisieren. Mit Verbesserungen in der Arbeitsorganisation, Angeboten zur Kinderbetreuung
und der Unterstützung von Eltern sowie pflegenden Beschäftigten
lassen sich oft mit wenig Aufwand gute Resultate erzielen. Eine
höhere Wertschätzung der Beschäftigten durch familienbewusste
Maßnahmen und ein familienfreundliches Betriebsklima steigern
zudem die Motivation der Beschäftigten. Dazu ist es erforderlich
die besonderen Lebenslagen der Beschäftigten zu kennen, um ihre
Familienbedürfnisse in der Arbeitszeitgestaltung zu berücksichtigen.
die Beschäftigte von ihrem Arbeitgeber erfahren, auch wenn sie
nicht im Betrieb sind. Zum anderen bleibt das Wissen der Beschäftigten dem Betrieb erhalten und muss nicht wieder neu aufgebaut
werden.
Kinderbetreuung
Die Organisation der Kinderbetreuung stellt für junge Familien
ein zentrales Problem dar, das durch betriebliche Unterstützung
abgebaut werden kann. Neben der großen Lösung „Betriebskita“
gibt es eine Reihe niederschwelliger Angebote. Denkbar sind
Kooperationen mit wohn- oder dienstortnahen Kindertagesstätten
durch die Sicherung von Belegrechten, um die Betreuungssituation
während der Arbeitszeit zu verbessern. Auch die Unterstützung
von Elterninitiativen oder die Zusammenarbeit mit Tagesmüttern
sind sinnvolle Lösungen. Durch die Zusammenarbeit mit den
unterschiedlichen Betrieben und Behörden vor Ort kann auch
die gemeinsame Einrichtung einer überbetrieblichen Kita geprüft
werden. Dadurch ist es möglich, die Betreuung der Kinder aller zu
sichern. Beispielsweise wurde in München eine kooperative Behördenkita eingerichtet für Kinder von Beschäftigten der Landeshauptstadt München und des Freistaats Bayern. Insgesamt stehen fast
70 Plätze zur Verfügung, auf denen Kinder von der 9. Lebenswoche
bis zum Übertritt in die Schule betreut werden.
Die Abbildung auf der nächsten Seite stellt eine Übersicht der
betrieblichen Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern dar und zeigt,
wie wenig verbreitet diese Leistungen bisher sind.
Arbeitsorganisation
Einen wichtigen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und
Beruf kann die Gestaltung familienfreundlicher Arbeitsplätze auch
in Schichtbetrieben leisten. Durch Teamarbeit und mehr Selbstorganisation kann flexibel auf den Fürsorgebedarf reagiert werden.
Die Arbeitsorganisation bietet eine Reihe von Möglichkeiten, ohne
großen personellen und finanziellen Aufwand familienfreundliche
Lösungen einzurichten. Die Firma Merz Pharma in Frankfurt z. B.
hat für alle Beschäftigten in der Produktion eine private Telefon-,
Internet-und Email-Nutzung bereitgestellt, um Beschäftigten mit
Fürsorgeaufgaben die Kommunikation mit Zuhause und Ämtern/
Einrichtungen zu erleichtern. Eltern-Kind-Zimmer, in denen Beschäftigte arbeiten und gleichzeitig ihre Kinder beaufsichtigen bieten
eine Notlösung, wenn die Kinderbetreuung mal nicht funktioniert. So genannte Kontakthalteprogramme sind Maßnahmen,
um während einer Elternzeit/Freistellung die Verbindung zum
Betrieb oder zur Dienststelle nicht abreißen zu lassen. Das können
begrenzte Teilzeittätigkeiten oder Urlaubsvertretungen sein oder
auch der Intranetzugang von zu Hause. In jedem Fall geht es
darum, die freigestellten Beschäftigten über aktuelle Entwicklungen
im Betrieb zu informieren und mögliche Qualifizierungsbedarfe zu
realisieren. Ein wesentlicher Effekt ist zum einen die Wertschätzung,
Beispiele für „schichtfreundliche“ Kinderbetreuung sind eine Kita
der Charité in Berlin, die auch die problematischen Randzeiten
abdeckt, in denen die Schichtwechsel stattfinden oder eine Kooperation von Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt mit einem städtischen
24-Stunden-Kinderhotel.
Kinderbetreuung beschränkt sich aber nicht auf die ersten
Lebensjahre, sondern zieht sich durch alle Entwicklungsphasen
eines Kindes. Wünschenswert wären deshalb Programme für alle
Lebensphasen. Angebote zur Ferienbetreuung und Entwicklung
von Kindernotfallbetreuung (auch für Schulkinder) oder Eltern-KindZimmer sind weitere denkbare Handlungsoptionen. So wurde z. B.
beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in Kooperation mit dem
Betriebsrat eine Ferienbetreuung aufgestellt, die von ehemaligen
Beschäftigten des Senders organisiert und betreut wird. Der große
Enthusiasmus der Ruheständler/innen kommt bei den Kindern und
26
Betriebliche Sozialleistungen
für Erziehende
„gibt es bei
uns“1)
Sonderurlaub bei
Krankheit des Kindes
53%
Möglichkeiten der
Notfallbetreuung
21%
Geldleistungen wie
Kinderzulage, Einmalzahlungen zur Geburt
Vermittlung von Betreuungsplätzen oder Hilfe
bei der Organisation
Freizeitangebote
für Kinder der
Beschäftigten
Hilfe bei der Vermittlung
hauswirtschaftlicher
Dienstleistungen
33%
Jugendlichen so gut an, dass die Ferienbetreuung immer ausgebucht ist. Außerdem ist der Austausch von Eltern und Ehemaligen
für beide Seiten bereichernd.
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Elternzeit und Elterngeld
Elternzeit kann der Arbeitgeber weder ablehnen noch vertraglich
ausschließen. In der Elternzeit gelten Teilzeitanspruch und Kündigungsschutz und es darf keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt
werden. Zulässig ist aber eine Teilzeitbeschäftigung bis zu
30 Stunden wöchentlich. Grundsätzlich haben Beschäftigte nach
Beendigung der Elternzeit einen Anspruch auf eine dem Arbeitsvertrag entsprechende, gleichwertige Tätigkeit. Eine grundsätzliche
Garantie, auf den alten Arbeitsplatz zurückzukehren, gibt es aber
nicht. Im Wesentlichen müssen Entgelt, Arbeitszeit und Arbeitsort
der Tätigkeit entsprechen, die vor Beginn der Elternzeit ausgeübt
wurde. Alle davon abweichenden Wünsche seitens des Arbeitgebers
oder seitens der Beschäftigten können nur im gegenseitigen Einvernehmen geregelt werden.
„auch für mich
wichtig“2)
91%
83%
Elterngeld wird für 14 Monate gewährt und kann unter den
Partnern frei aufgeteilt werden, wobei ein Partner die Leistung
nicht länger als 12 Monate beziehen kann. Anspruch auf Elternzeit
haben Mütter und Väter, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, also
auch bei befristeten Arbeitsverträgen und bei Teilzeitarbeitsverträgen. Alleinerziehende haben Anspruch auf die vollen 14 Monate
Elterngeld.
Mit dem Elterngeld ist das betreuende Elternteil sozial besser
abgesichert und weniger von Transferleistungen oder Partnereinkommen abhängig. Gerade auch Väter sollen ermutigt werden,
Elterngeld zu beanspruchen. Ziel dieser Regelung ist es, für eine
partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit zu sorgen.
Und die Zahlen zeigen den Erfolg. So steigt die Anzahl der Väter
in Deutschland, die Elternzeit nehmen und Elterngeld beziehen
seit der Einführung des Elterngeldes 2007 ununterbrochen an.
Knapp ein Viertel der Väter der im ersten Quartal 2010 geborenen
Kinder bezogen Elterngeld. Doch bei der betrieblichen Umsetzung
kommen auf die Betriebs- und Personalräte neue Beratungs- und
Informationsaufgaben zu.
79%
65%
7%
49%
8%
49%
5%
37%
Stillraum
Wiedereinstieg in den Beruf
Um den Kontakt zum Betrieb/zur Dienststelle auch während der
Elternzeit oder einer Freistellung aufgrund von Pflegetätigkeiten
nicht abreißen zu lassen, bieten sich verschiedene Instrumente an,
die mit relativ wenig Aufwand eingeführt werden können. Schon
vor der Elternzeitzeit sollte ein Personalgespräch mit den Beschäftigten stattfinden, in dem die beruflichen Perspektiven abgeklärt
werden. Eine gute Möglichkeit, in der Elternzeit die Verbindung
zum Betrieb/zur Dienststelle aufrecht zu halten, ist die regelmäßige Information über Aktuelles aus dem Betrieb. Einladungen
zu Betriebsveranstaltungen, Festen oder Betriebsversammlungen
tragen dazu bei, die Eltern auf dem Laufenden zu halten. Möglich
ist auch die Benennung einer Elternzeitpatin/eines Paten, die oder
der für einzelne Elternzeitler/innen verantwortlich ist und sie mit
den neuesten Informationen versorgt.
5%
Kinderspielzimmer im
Betrieb
36%
6%
1) Prozent der Beschäftigten mit diesen betrieblichen
Leistungen,
2) Beschäftigte, in deren Betrieb es diese Angebote nicht gibt
Quelle: WSI-Befragung, 2005
27
Überblick über Kontakthalteprogramme und Maßnahmen zum Wiedereinstieg nach Elternzeit/Freistellung.
Verlängerung der
Elternzeit
Verbindung zum
Betrieb halten
Aktivitäten
während der
Elternzeit
Vorbereitung
Wiedereinstieg
Betriebliche
Elternpause*
Kontakt während
der Elternzeit
Weiterbildung
Rückkehrgespräche
ElternzeitPatenschaften
Tätigkeiten während
der Elternzeit
Trainee-Programm**
* bei der betrieblichen Elternpause kann die bezahlte Freistellung über die gesetzliche Elternzeit verlängert werden;
** das Trainee-Programm ist eine interne Qualifikation nach dem Wiedereinstieg und informiert v. a. über Veränderungen in der Dienststelle
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist ein besonders heikles
Thema. Gegenüber dem Thema Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit
und Kindererziehung wird dieses gesellschaftlich wie individuell
nicht weniger wichtige Thema bisher vernachlässigt. Auch auf
betrieblicher Ebene ist das Thema Pflegeverantwortung für ältere
und/oder kranke Menschen vielfach noch tabuisiert. Der Umgang
mit Pflegebedürftigen bringt weitaus weniger erfreuliche Erlebnisse mit sich als mit Kindern. Pflegende Angehörige müssen oft
mit einem fundamentalen Rollenwechsel in der Familie umgehen
(z. B. die Eltern, die von den Kindern gewaschen und gewickelt
werden). Sie müssen im Alltag und in der Freizeitgestaltung starke
Einschränkungen in Kauf nehmen und es droht der Verlust sozialer
Kontakte und der Lebensqualität. Die Tabuisierung des Themas und
das fehlende Verständnis der Kolleginnen und Kollegen verstärken
den Stress und die psychischen Belastungen für die Pflegenden.
Schließlich kann der Wiedereinstieg in den Betrieb unterschiedlich
gestaltet werden. Schon während der Elternzeit ist ein schonender
Einstieg über Teilzeitbeschäftigung oder die Übernahme einer
Urlaubsvertretung möglich. Es hat sich gezeigt, dass durch die
Inanspruchnahme von Teilzeit während der Elternzeit, die Dauer des
Ausstiegs insgesamt verringert und der frühere Einstieg in den Beruf
erleichtert wird. Auch nach der Elternzeit möchten die Mütter und
Väter unter Umständen ihre Arbeitszeit reduzieren, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.
Neben der Aufrechterhaltung der Kommunikation in der Elternzeit ist
der Erhalt der Qualifikation ein wichtiges Thema. Oft ist der Wiedereinstieg bereits nach wenigen Monaten mit Reibungen und Verlusten
verbunden. Je länger die Pause ist, desto schwieriger gestaltet
sich die Rückkehr. Fortbildungen, die an die Bedürfnisse der Eltern
angepasst sind (z. B. mit Kinderbetreuung, Seminare mit kürzeren
Einheiten) verhindern den Qualifikationsverlust in der Elternzeit.
Besonders hilfreich sind interne Fortbildungen: Sie bieten den Vorteil
der kurzen Anreise und verbinden den Besuch der Veranstaltung mit
einem Wiedersehen im Betrieb/in der Dienststelle. Auch die Organisation der Kinderbetreuung ist hier wenig aufwendig.
Der Umgang mit Krankheit, Alter, Tod und dem Sterben eines
nahestehenden Menschen sind besonders schwierig und belastend.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod kann Angst erzeugen. Und
wer nicht die Möglichkeit hat, sich darüber auszutauschen, bei
dem/der können früher oder später körperliche und seelische
Folgen entstehen. Wenn pflegende Beschäftigte dann zusätzlich
beruflichem Druck ausgeliefert sind, weil die Personaldecke zu
dünn ist oder Kürzungen drohen, könnten sie die ersten Opfer von
Personaleinsparungen sein. Schon jetzt scheiden 10 % aller Hauptpflegepersonen aus der Erwerbsarbeit aus und 11 % reduzieren
ihre Arbeitszeit, wenn sie den Hauptteil der häuslichen Pflege
übernehmen (Schneekloth; Wahl 2005).
Um die Tabuisierung dieses Themas aufzubrechen und Beschäftigte
aus ihrer Sprachlosigkeit zu holen, sind einerseits Maßnahmen der
Sensibilisierung wichtig und andererseits konkrete Angebote für
Beschäftigte mit Pflegeaufgaben, wie zum Beispiel individuelle
Arbeitszeitregelungen, ein/e Ansprechpartner/in im Betrieb sowie
eine Infobox („Notfallkoffer“) mit Informationen zu staatlichen
Leistungen, externen Dienstleistungen und Institutionen, an die sich
Betroffene wenden können. Auch die Reform des Pflegegesetzes
(2008) mit der Möglichkeit einer unbezahlten Freistellung oder
28
Neueste Untersuchungen der Universität Münster belegen den
positiven Einfluss einer familienbewussten Personalpolitik. Bei
allen wesentlichen Zielen der Personalpolitik zeigen sich positive
Ergebnisse: Bei Mitarbeitergewinnung und -bindung, Arbeitszufriedenheit, Motivation der Beschäftigten, Fehlzeiten, Qualifikation, Kundenbindung, Kostensenkung und Produktivität gibt
es einen positiven Zusammenhang zur Familienfreundlichkeit.
Zusätzlich erreichen Betriebe mit hohem Familienbewusstsein ihre
betriebswirtschaftlichen Ziele deutlich besser als solche, die ihre
Personalpolitik nicht danach ausrichten. Somit ist familienbewusste
Personalpolitik ein wichtiger Parameter für wirtschaftlichen Erfolg
(Schneider u. a. 2008).
das Familienpflegezeitgesetz bieten sich an, um das Thema auf die
Agenda zu bringen und betrieblich zu gestalten.
Weil die Pflegesituationen sehr individuell sind und Pflegeverläufe
häufig nicht vorhersehbar sind, helfen insbesondere kurzfristige
Freistellungen und individuelle Arbeitszeitoptionen. In vielen
Betrieben und Verwaltungen können pflegende Beschäftigte in
Absprache mit dem Team und den Vorgesetzten auch kurzfristig
ihre Arbeitszeiten ändern oder zwischendurch kurzfristig nach
Hause fahren. Bei den Landesforsten Rheinland-Pfalz zum Beispiel
besteht für alle Beschäftigten, die neu in eine Pflegesituation
kommen, die Möglichkeit ein monatliches Freizeitkontingent zu
nutzen, über das die Beschäftigten frei verfügen können (stunden-,
tage, wochenweise oder am Stück).
Die aktive Beteiligung der Leitung und die Unterstützung durch die
Führungsebene ist ein entscheidender Faktor bei der Umsetzung
einer familienbewussten Kultur. Sensibilisierung und Seminare
für Führungskräfte sind ein erster Schritt in diese Richtung. Noch
besser gelingt diese Aufgabe, wenn Familienfreundlichkeit als
strategische Aufgabe der Unternehmensführung ernst genommen
wird. Das heißt, wenn familienbewusste Personalpolitik als
Querschnittsthema betrachtet wird, das alle wichtigen Unternehmensbereiche berührt – als selbstverständliche Führungsaufgabe, die auch Bestandteil in Zielvereinbarungen und Mitarbeiter/innengesprächen ist und aktiv kommuniziert wird (Betriebszeitung, Intranet usw.). Auf Dienst-/Betriebsversammlungen oder
Workshops kann für das Thema geworben werden. Wo wird immer
noch in Stereotypen gedacht? Was könnten neben strukturellen vor
allem symbolische Hindernisse sein? Wie können wir den Abbau
dieser Hindernisse vorantreiben, damit familiäre Verantwortung
stärker anerkannt und unterstützt wird?
Familienfreundlichkeit als betriebswirtschaftlicher
Erfolgsfaktor
All diese Maßnahmen sollten durch die Betriebs- bzw. Dienstkultur
mitgetragen werden. Hier sind vor allem die Arbeitgeber und
Führungskräfte, Meister und Schichtgruppenleiter gefordert, für
eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sorgen.
Eine beschäftigten- und familienorientierte Betriebskultur bringt
auch für den Arbeitgeber viele Vorteile. Ein gutes Personalmanagement nimmt die Beschäftigten in ihrer Vielfalt, Verschiedenartigkeit und Ganzheit in den Blick und damit ihre unterschiedlichen Belange, Bedürfnisse und Besonderheiten. Es ist offensichtlich, dass Beschäftigte mit Fürsorgeverpflichtungen andere
Interessen an Erwerbsarbeit haben als Beschäftigte ohne diese
sozialen Aufgaben. Aber auch im Lebensverlauf ändern sich die
Anforderungen an die Arbeit: Berufseinstieg, Familiengründung,
Karriere, Berufsetablierung, Pflege und Ausstieg aus dem Erwerbsleben bezeichnen verschiedene Phasen, die eine ganz spezifische
Perspektive auf das Verhältnis von Beruf und Familie bzw. Privatleben bedingen.
29
7. Teilzeit ist möglich
Teilzeit und Schicht sind längst kein Widerspruch mehr. Das zeigt
die mittlerweile große Vielfalt von Teilzeitmodellen auch in Schichtund Dienstplänen. Hieß es früher, dass in Schichtmodellen alles
kollektiv geregelt ist und deshalb kaum Spielraum für individuelle
Lösungen vorhanden sei, zeigt sich heute eine erstaunliche Kreativität für maßgeschneiderte Lösungen.
Auch für den Betrieb ergeben sich durch Teilzeit Vorteile. Neben
der hohen Leistungsbereitschaft von Teilzeitbeschäftigten lohnt
sich Teilzeit trotz der Herausforderung für die Tätigkeitsbeschreibungen oder für die Schicht- und Dienstplanung. Damit besteht
für das Management auch die Chance neue Wege zu gehen
und neuen Schwung in die Zeitorganisation zu bringen. Der
scheinbare Mehraufwand der Organisation am Anfang wird durch
die Vorteile der Flexibilität schnell mehr als wettgemacht. Die
Widerstände gegen Neueinführungen entpuppen sich häufig als
Traditionsfallen („das haben wir schon immer so gemacht“) oder
als Bequemlichkeit der Planer (siehe Kapitel 13 Widerstände in der
Umsetzung).
Weihnachtsgeld) wird der Wunsch nach Arbeitszeitreduzierung
einen Monat im Voraus gewährt. Die zusätzlichen freien Tage
werden in Absprache mit dem Vorgesetzten festgelegt.
Bei Trumpf in Ditzingen, einem der weltweit größten Anbieter von
Werkzeugmaschinen sollen in einem neuen Arbeitszeitmodell
alle Beschäftigten jeweils für zwei Jahre ihre Arbeitszeit zwischen
15 und 40 Stunden frei wählen können. Zusätzlich können über
verschiedene Möglichkeiten (Ansparen, Umwandlung von Geld in
Zeit) Zeiten für ein Sabbatical angespart werden. Bis vor Kurzem
waren Teilzeitplätze nur gegen den Widerstand der Personalabteilung zu realisieren. Mit der Kehrtwende in der betrieblichen Arbeitszeitpolitik versucht der Betrieb die Fachkräfte im
wirtschaftlich starken Südwesten durch familienbewusste Arbeitszeiten zu binden.
b) Geteilte Schichten (Job-Sharing)
Die ursprüngliche Teilzeit-Variante in festen Schichtsystemen sind
geteilte Schichten. Hier teilen sich zwei Beschäftigte einen Arbeitsplatz (Job-Sharing) und arbeiten jeweils an verschiedenen Tagen
im jeweiligen Schichtrhythmus. Die unterschiedlichen Wochentage
variieren dabei, gleichen sich aber im Durchschnitt wieder aus. In
diesem Modell sind viele Variationsmöglichkeiten denkbar. Z. B.
könnte ein/e Beschäftigte/r nur die Frühschicht belegen, die/der
andere nur in Spätschicht arbeiten (bzw. ein bestimmtes Verhältnis
von Früh-, Spät- und Nachtschichten vereinbart werden).
Der Nachteil dieses Modells ist die extreme Reduzierung der
Arbeitszeit um die Hälfte. Die Wahl besteht nur zwischen der
normalen Vollzeit oder der halben Arbeitszeit, was mit erheblichen Einkommenseinbußen verbunden ist und bei entsprechend
geringem Vollzeitentgelt von vielen Beschäftigten kaum zu
verkraften ist.
Die Firma Braun B. Melsungen bewilligt deshalb in ihrer „FamilienTeilzeit“ eine finanzielle Zulage für Beschäftigte mit Kindern
zwischen 15% – 25% (je nach Anzahl der zu betreuenden Kinder).
Die geteilten Schichten können sehr flexibel eingeteilt werden;
außerdem kann das Modell auch für Beschäftigte mit Pflegeverantwortung genutzt werden.
Im LKW-Werk Daimler in Wörth wurde versucht, das Job-Sharing im
Schichtsystem mit Qualifikationsmaßnahmen zu verbinden. Da sich
die Suche nach geeigneten Teilzeitpartner/innen schwierig gestaltet
hatte, wurden betriebliche Weiterbildungen angeboten, um sich
für beide Arbeitsplätze fit zu machen. Auf diese Weise konnten
Die größte Herausforderung stellen einheitliche Schichtsysteme
dar, mit Schichtgruppengrößen, die sich nur wenig variieren lassen
(z. B. Vollkontischicht mit 5 Schichtgruppen und gleichmäßiger
Personalbesetzung). Doch auch hierfür lassen sich Teilzeitlösungen
finden.
a) Zusätzliche Freischichten
Am leichtesten lassen sich Teilzeitmodelle einführen, wenn die
individuellen Arbeitszeiten über die Anzahl der Schichten bzw.
Dienste reduziert werden. Die bestehenden Schichtmodelle
müssen nicht verändert werden, sondern werden lediglich über die
Personalbesetzung angepasst. Damit können Teilzeitmöglichkeiten
zwischen 8 Stunden (eine Schicht pro Woche) bis zu einer vollzeitnahen Teilzeit erreicht werden. In vielen Betrieben liegen die Untergrenzen der wöchentlichen Arbeitszeit allerdings deutlich höher.
Bei der BASF in Ludwigshafen z. B. werden solche verschiedenen
Teilzeitgrößen über die Ausweitung der Freischichten realisiert.
Eine kluge Teilzeitvariante ist das sogenannte „Vollzeit Select“ der
BMW AG. Pro Jahr können Beschäftigte im Schichtbetrieb bis zu
20 zusätzliche freie Tage beantragen, ohne dass der Vollzeitstatus
verändert wird und die Ansprüche auf die betriebliche Altersversorgung verändert werden. Bei entsprechend niedrigerem
Entgelt und angepassten Zusatzleistungen (Erfolgsbeteiligung und
30
familienbewusste Maßnahmen sinnvoll durch kreative Lösungen
(Aufgabenvielfalt, Weiterbildung) ergänzt werden.
gelegt, dass die Schichtzulagen optimal ausgeschöpft wurden und
die finanziellen Nachteile der Teilzeit begrenzt werden konnten.
c) Sonderschichten
Eine andere Variante der Teilzeitbeschäftigung in relativ festen
Schichten sind Sonderschichten, die entweder zusätzlich zum
herkömmlichen Schichtmodell angeboten werden oder sich auf
eine Schicht (oder ein spezielles Modell) beschränken. Im ersten
Fall werden quer zu den normalen Schichten verkürzte Tagesoder Sonderschichten für bestimmte Beschäftigtengruppen (mit
Kinderbetreuung oder Pflege) angeboten. Dann kann beispielsweise täglich von 8 bis 14 Uhr gearbeitet werden. So wurde im
Krankenhaus Delmenhorst ein Mitteldienst speziell für Eltern
eingeführt, der die vormals starren Arbeitszeiten stärker flexibilisiert
hat. Der Frühdienstbeginn um 5:48 Uhr wurde zunächst in einer
Abteilung auf 8:00 Uhr verschoben und ermöglichte es Eltern
ihre Kinder noch vor Arbeitsbeginn in einer Kinderbetreuungseinrichtung unterzubringen. Mittlerweile wird die Mittelschicht
auch in weiteren Abteilungen praktiziert.
Im zweiten Fall arbeiten Beschäftigte nur in einer bestimmten
Schicht, die entweder verkürzt ist (z. B. Nachtschichten von
sechs Stunden) oder die über zusätzliche Freischichten in Teilzeit
angeboten wird (z. B. Tagschicht von Montag bis Donnerstag).
Problematisch sind besonders die Dauernachtschichten, die von
vielen alleinerziehenden Müttern praktiziert werden, um Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen. Es liegt
auf der Hand, dass diese Vereinbarkeitslösung mit starken gesundheitlichen Belastungen erkauft wird.
Schließlich lassen sich über spezielle Schichtfolgen, mit einem
bestimmten Schichtverhältnis (z. B. zwei Drittel Frühschichten, ein
Drittel Spätschichten) Flexibilisierungs- und Teilzeitmöglichkeiten
vergrößern.
e) Ausgedünnte Schichten
Eine weitere Möglichkeit Teilzeitarbeit in ein festes System zu
integrieren sind ausgedünnte Schichten. Wenn es Produktion oder
Kundenaufkommen zulassen, können unter Umständen bestimmte
Schichten (Nachtschicht oder Spätschicht) mit reduziertem Personal
gefahren werden. So bietet das Schichtsystem die Möglichkeit auch
Teilzeitangebote zu integrieren, wenn sich aus den ausgedünnten
Schichten für einen Teil der Beschäftigten Freischichten ergeben.
In Verbindung mit ausgedünnten Schichten kann auch ein ganz
spezielles Verhältnis der Schichtfolgen vereinbart werden, das
insgesamt die negativen Folgen von Spätschicht oder Nachtschichten vermeidet.
f) Versetzte Arbeitszeiten
Unproblematisch ist die Schaffung von Teilzeitstellen in Schichtmodellen, in denen versetzte Arbeitszeiten realisiert werden können.
Bei der Polizei oder in Krankenhäusern, Verkehrseinrichtungen
(Flughafen, Häfen) oder öffentlichen Verwaltungen lassen sich
beliebige Teilzeitmodelle und Varianten kreieren.
Auch die Variationen über ausgedünnte Schichten, Sonderschichten, überlappende Schichten usw. sind hier wesentlich größer
als in festen Schichtsystemen.
Bei der Flughafen München Gesellschaft (FMG) werden unterschiedlichste Zeitoptionen über den Tag verteilt angeboten, die
zum einen die Schwankungen im Fluggastaufkommen auffangen,
zum anderen auch den Arbeitszeitwünschen der Beschäftigten
entgegenkommen. Am Vormittag werden teilweise halbstündig
gestaffelte Anfangszeiten organisiert.
Diskussion um Teilzeit
In verschiedenen Betrieben sind wir bei der Recherche zu dieser
Broschüre auf ähnliche Diskussionen zur Teilzeit in Schichtsystemen
gestoßen. Die Einführung von Teilzeit war in vielen Fällen ein
wesentlicher Türöffner für die Bereitschaft zu größerer Flexibilität
und individuellen Zeitoptionen. Darüber hinaus hat die Etablierung
von Teilzeit dazu beigetragen, die Betriebs- oder Dienststellenkultur zu verändern und auch von der Norm abweichende
Zeitvorstellungen zuzulassen. Oft werden diese Veränderungsprozesse mit Betriebsthemen verbunden. Im Krankenhaus Delmenhorst ging es auch um die Stärkung der Beschäftigteninteressen
(ver.di Kampagne „Mein Frei gehört mir“). In einem Chemiebetrieb wurden mittels eingeschränkter Leiharbeit, die Bedenken
ausgeräumt, dass mit der Teilzeit Qualifikationen nicht mehr
zur Verfügung stehen. Hier einige wichtige Argumente in der
Diskussion um die Einführung von Teilzeit:
d) Verzicht auf Einbringschichten
In vielen Schichtsystemen sind die Arbeitszeiten so organisiert,
dass die Schichtrhythmen nicht mit den vertraglichen oder tariflichen Arbeitszeiten übereinstimmen. Sind die Schichtzeiten länger
als die vertraglichen Arbeitszeiten, dann müssen Freischichten
genommen werden, die meist über ein Überstundenkonto gebucht
werden. Im umgekehrten Fall müssen sogenannte Einbringschichten in den bestehenden Plan eingebracht werden, um auf
das erforderliche Vollzeitvolumen zu kommen. Hier wird quasi
auf dem Präsentierteller eine Teilzeitoption angeboten. Wird auf
die Einbringschichten verzichtet, kann die Arbeitszeit zu einem
kleinen Teil reduziert werden und gleichzeitig bleiben die Vorteile
des jeweiligen Schichtmodells (mit den entsprechenden Freizeitblöcken) erhalten.
Ein gutes Beispiel hierfür ist die Firma Rasselstein, die später
ausführlicher vorgestellt wird. Über 90 Prozent der Beschäftigten
arbeitet hier Teilzeit in einem festen Schichtmodell mit 32 Wochenstunden. Teilzeitbeschäftigte haben den Vorteil, dass die 4-tägigen
Freizeitblöcke nicht durch Bringschichten unterbrochen werden.
Außerdem wurden durch geschickte Planung die Schichten so
31
„ Management und Zeitkultur
Die Unternehmensleitung musste in vielen Fällen davon
überzeugt werden, dass Teilzeit in Schicht Vorteile für den
Betrieb bringt. Ausgangspunkt sind fast immer einzelne Teilzeitanfragen von gesundheitlich oder familiär belasteten Kollegen/
innen. Vielfach herrscht immer noch das Denken vor, dass Teilzeit
auf gesundheitlich belastete oder ältere Beschäftigte beschränkt
ist. Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass Teilzeit
ein gutes Argument ist, um junge qualifizierte Schichtarbeiter/
innen anzuwerben, Eltern zu unterstützen und Beschäftigte mit
Familienpflichten zu halten bzw. zu gewinnen.
„ Teilzeit und Entgelt
Für Beschäftigte sind vor allem Gehaltseinbußen ein wesentliches Hindernis für die Teilzeitbeschäftigung. In einem Betrieb
der chemischen Industrie (Glasindustrie) macht sich jeder Tag
Arbeitszeitreduktion mit ca. 100 Euro netto für Beschäftigte im
gewerblichen Bereich bemerkbar und ist bei einem Nettolohn
von 2.400 Euro für viele ein schmerzlicher Verlust. Auch hier
lassen sich durch geschicktes Ausnutzen der Schichtzuschläge die
Ausfälle minimieren (siehe Betriebsbeispiel Rasselstein).
„ Teilzeit und Gesundheit
Auch für belastete Schichtarbeitende und Beschäftigte mit langer
Schichtpraxis ist die Teilzeit eine gute Möglichkeit weiterhin
motiviert zu arbeiten und gleichzeitig Anerkennung zu erhalten,
anstatt sich über Krankschreibungen den Belastungsausgleich zu
„organisieren“. Für die Beschäftigten ist es ein besseres Gefühl,
wenn ein größerer Freizeitblock zur Verfügung steht und das
Leben selbstbestimmt organisiert werden kann.
Teilzeit ist aber auch eine Alternative für Schichtbeschäftigte,
die aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation nicht mehr nachts
arbeiten können. Auch wenn eine Umstellung auf die Tagschicht
aus organisatorischen Gründen abgelehnt wird, hilft die
Reduzierung der Arbeitszeit insgesamt.
„ Teilzeit und Qualifizierung
In der Teilzeitdiskussion spielt die Frage der Qualifizierung
eine wichtige Rolle. Mit jedem Teilzeitplatz muss entsprechendes Know-how ersetzt werden. Wenn eine Umverteilung
der Arbeit innerhalb der Gruppe/des Teams nicht möglich ist,
müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden (Qualifizierung, Personalersatz), die die Personalabteilung realisieren
muss.
32
8. Zeitkonten
In Schichtarbeit sind Zeitkonten nichts Ungewöhnliches: Durch
Überstunden, Ausgleichszeiten, durch Gleitzeit usw. können
Zeitguthaben aufgebaut und entweder tage-, wochen- oder stundenweise wieder abgebaut werden. Ein Grunddilemma der Zeitkonten
wird allerdings auch hier übernommen. Durch die Logik der
Kontoführung wird in aller Regel zunächst Zeit „angehäuft“, um dann
die angefüllten Konten wieder abzubauen. Nur selten bauen Beschäftigte Minusstunden auf, weil vermeintliche Nachteile befürchtet werden
oder das psychologisch ungute Gefühl entsteht, dem Arbeitgeber etwas
zu schulden. Diese Mentalität fördert aber in der Regel Mehrarbeit und
kommt einer betrieblichen Überstundenkultur zugute. Deshalb bleibt
der Einsatz von Zeitkonten auch unter dem Aspekt der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ambivalent.
ankündigungsfristen definiert werden. Hat der Arbeitgeber ein
Interesse an kurzfristiger Flexibilität kann dies über Boni vergütet
werden (z. B. durch Zeitaufschläge bei kurzfristigen Einsätzen).
5. Zugriffsrechte der Beschäftigten auf ihre Zeitguthaben sichern.
Wenn Beschäftigte in Vorleistung gehen und dem Arbeitgeber
ihre Zeit zur Verfügung stellen, müsste es selbstverständlich
sein, dass die Beschäftigten größtmögliche Autonomie über ihre
Zeitguthaben erhalten.
6. Regelungen zur Personalaufstockung beschließen.
Wenn über längere Zeit mit knappen Personaldecken gearbeitet
wird, sollten Regelungen greifen, um Neueinstellungen vorzunehmen. Sind die Personalreserven zu knapp kalkuliert, werden
die Vorteile familiensensibler Schichtsysteme zunichte gemacht.
Regelungsfelder bei Arbeitszeitkonten
1. Höchstarbeitszeiten (Tag, Woche, Quartal) festlegen.
Hier werden die Rahmenbedingungen der Arbeitszeit festgelegt.
Gerade in Schichtarbeit sind die besonderen Belastungen zu
berücksichtigen und die gesetzlichen Arbeitszeitstandards zu
erfüllen.
7. Mehrarbeit definieren.
Bei kurzfristig angeordneten Schichten, Sonderschichten oder
wenn vereinbarte Kontogrenzen überschritten werden, können
diese wie Mehrarbeit behandelt werden. Mit einer entsprechenden Regelung fallen diese dann unter die Mitbestimmungspflicht, sind nach dem Prinzip der Freiwilligkeit möglich und
müssen – wie bei Überstunden üblich – zusätzlich vergütet
werden.
2. Kontobewirtschaftung: Grenzen, Aufbau, Abbau, Ausgleichszeiten von Konten müssen konkret festgelegt und geregelt sein.
Die Kontogrenzen sollten festgelegt werden, da ansonsten ein
ausufernder Berg von Überstunden droht. Auch der Zeitraum für
den Abbau kann geregelt werden und die Möglichkeiten Zeiten
zwischen verschiedenen Konten (Gleitzeitkonto, Langzeitkonto)
hin und her zu schieben eingeschränkt bzw. verhindert werden.
8. Flexibilitätsbonus als Zeitzuschlag einführen.
Auch andere Formen der Vergütung für arbeitnehmerseitiges
Entgegenkommen sind möglich.
9. Verzinsung von Zeitguthaben vereinbaren.
Werden über einen längeren Zeitraum Zeitkontingente zur
Verfügung gestellt, sollten diese auch zusätzlich honoriert
werden.
3. Regelungsmodus bei Überschreiten der Höchstgrenzen
bestimmen.
Wenn die Konten überzulaufen drohen, müssen Sanktionsmaßnahmen greifen, damit ein Missbrauch der Konten verhindert wird.
In der Praxis haben sich sogenannte Ampelregelungen bewährt. Hier
werden grüne, gelbe und rote Zeitzonen definiert und Maßnahmen
beschrieben, die umgesetzt werden, wenn diese Zonen erreicht
werden. Zum Beispiel könnte bei Erreichen der gelben Ampelphase
ein Gespräch mit der/dem Vorgesetzten vorgeschrieben werden.
10. Konfliktregelungsmodus festlegen.
In vielen Fällen haben sich Regelungen für Konflikte bewährt.
Das kann die Aufteilung von Verfügungsschichten betreffen
(z. B. kann eine bestimmte Anzahl von Schichten vom Arbeitgeber festgelegt werden und über eine bestimmte Anzahl
autonom verfügt werden) oder es wird ein Ausschuss gebildet,
der in Arbeitszeitkonflikten zwischen Beschäftigten und
Vorgesetzten eingesetzt wird (vgl. Klenner; Seifert 1998).
4. Mindestankündigungsfristen festlegen und regeln.
Um die Planbarkeit der Arbeitszeit zu gewährleisten und die
betriebliche Verfügbarkeit einzuschränken sollten Mindest33
9. Individuelle Zeitoptionen
Unabhängig von den einzelnen Schichtmodellen lassen sich überall
individuelle Zeitoptionen und Regelungen in bestehende Systeme
integrieren. Inwieweit diese Möglichkeiten über Verträge wie
Betriebsvereinbarungen oder Betriebsabsprachen festgeschrieben
werden sollen, muss in der Praxis entschieden werden. In funktionierenden Teams sind informelle Absprachen in der Regel völlig
ausreichend. Kommt es allerdings zu Ungleichbehandlungen in
den verschiedenen Teams/Abteilungen und/oder entscheiden
Vorgesetzte nach unterschiedlichen Kriterien, dann haben sich
festgelegte Vereinbarungen bewährt, auf die sich die Beschäftigten berufen können. Auch um normale Personalschwankungen
aufgrund von Urlaub und Erkrankung abzudecken, sind individuelle
Zeitlösungen nichts Unbekanntes und dürften den Personalplanern
keine großen Schwierigkeiten bereiten.
Viele Maßnahmen, die für die Teilzeit beschrieben wurden wie
zusätzliche Freischichten, Sonderschichten, ausgedünnte Schichten
oder versetzte Arbeitszeiten (siehe Kapitel 7 Teilzeit ist möglich)
lassen sich natürlich auch ohne Arbeitszeitreduzierungen realisieren
und vergrößern die Optionen in der Arbeitsorganisation.
Darüber hinaus sind gerade für Beschäftigte mit Fürsorgeaufgaben
spezielle Schichtlagen besonders interessant. Zum Beispiel nur
Früh- oder nur Spätschichten. Pflegende Beschäftigte bevorzugen
vor allem die klassischen Normalarbeitszeiten, da viele Pflegedienste, Arzt- oder Behördentermine daran ausgerichtet sind.
Flexibilität in der Arbeitsorganisation
Eine Möglichkeit, die individuelle Flexibilität zu erhöhen sind
teamübergreifende Vertretungen und/oder die Option das Schichtmodell zu wechseln. In Absprache mit den Kollegen/innen und
Vorgesetzen sind solche Wechsel fast immer ohne Schwierigkeiten
zu realisieren. Bereichs- oder abteilungsübergreifend können solche
Vertretungen allerdings an den unterschiedlichen Anforderungen
scheitern. Einige Betriebe versuchen daher über zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen die personelle Flexibilität zu erhöhen. Im
Daimler-LKW-Werk in Wörth können sich zwei Beschäftigte einen
Platz in der Schicht teilen, um ihre Arbeitszeit zu halbieren. In der
Vergangenheit war die Suche nach der/dem geeigneten TeilzeitPartner/in kompliziert, weil nicht genügend gleich ausgebildete
Beschäftigte zur Verfügung standen. Jetzt können zwei Teilzeitkandidaten/innen über eine Qualifizierungsmaßnahme die Fähigkeiten der/des jeweils anderen erwerben und sich den Arbeitsplatz
teilen (Job-Sharing). Auch bei Boehringer in Ingelheim und Biberach
wurde ein Qualifizierungsprojekt für alle Beschäftigten gestartet,
um abteilungsübergreifende Einsätze zu ermöglichen und die
personelle Flexibilität zu erhöhen.
Bei der Fraport AG, der Gesellschaft des Flughafens Frankfurt, die
mit 8.000 Schichtbeschäftigten den größten Flughafen Deutschlands betreibt, wird mit verschiedenen Maßnahmen versucht, einen
individuellen Schichtdienst zu organisieren. Neben vielen Teilzeitvarianten und Einzeldienstplänen ist eine Tauschbörse für Schichten
eingerichtet, die zukünftig auch elektronisch vom PC aus bedient
werden kann. Darüber hinaus stellt der Arbeitgeber zwei „JokerTage“ pro Jahr zur Verfügung, an denen kurzfristige Freistellungen
möglich sind. In bestimmten Abteilungen gibt es die Möglichkeit
zur sogenannten „Wunschdienstplanung“: Beschäftigte planen
in kleinen Gruppen gemeinsam ihre Wunschdienste für einen
Zeitraum von sechs Wochen. Die Planer korrigieren gegebenenfalls
in Absprache mit den Gruppenmitgliedern, wobei eine 85 – 90 %
Wunscherfüllung erreicht wird. Allerdings stoßen die Wunschdienste noch schnell an technische Grenzen, so dass die „Wunschdienstplanung“ auf wenige Abteilungen beschränkt bleibt. Auch
im regulären Schichtdienst werden verschiedene Wunsch-Arbeitszeitlagen berücksichtigt und zwischen Dauerwünschen (bestimmte
Dienstplanmuster) und kurzfristigen Arbeitszeitwünschen unterschieden. In anderen Abteilungen kommen ebenfalls autonome
Gestaltungskriterien zum Zuge. So werden u. a. unattraktive
Schichten in Eigenregie verteilt. Um die Nachteile gleichmäßig zu
verteilen und gleichzeitig individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen, werden verschiedene Kriterien zugrunde gelegt.
Klassisch werden in Schichtsystemen Springer eingesetzt, um die
Flexibilität aufrecht zu erhalten. Bei Audi z. B. ist der Einsatz von
Springern so geregelt, dass die Springer selbst in einem festen,
vorhersehbaren Schichtplan arbeiten und flexibel auf die Abteilungen verteilt werden. Das setzt allerdings ein relativ großes
Spektrum an Fähigkeiten voraus.
Eine autonome Schichtgestaltung kann auch betriebsweit
eingeführt werden. Während im Frankfurter Flughafen einzelne
Abteilungen ihre Schichten im Team festlegen, werden z. B. bei
der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) alle Schichten in
kollegialer Absprache festgelegt. Die Schichtgruppensprecher/innen
sind hier für die Festlegung verantwortlich. Sie organisieren den
34
Abstimmungsprozess im Team und sorgen dafür, dass es zu keinen
Ungerechtigkeiten bei der Arbeitszeitfestlegung kommt.
Flexibilität gegeben und kurzfristige Flexibilität kann in beide
Richtungen wirken.
Je größer der betriebliche Flexibilitätsspielraum, desto individueller
können auch die Zeitarrangements vereinbart werden. So kann z. B.
festgelegt werden, nur an bestimmten Tagen zu arbeiten oder in
speziell festgelegten Zeiträumen (von 10:30 bis 18:45), in speziellen Wechselverhältnissen (z. B. eine Woche vier Tage, eine Woche
sechs Tage usw.) oder mit speziellen Schichtlängen (z. B. könnte
die Nachtschicht kürzer als die Frühschicht sein). Ebenso können
bestimmte feste Auszeiten (z. B. mittags zwischen 12:00 und 14:00)
vereinbart werden, um z. B. Pflegeaufgaben oder Kinderbetreuung
zu organisieren.
Flexible Schichtübergaben für eine bessere Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
Sehr hilfreich ist in festen Schichtsystemen die Einführung von
flexiblen Schichtübergängen. Unter Berücksichtigung von Produktionsabläufen bzw. Service- oder Besetzungszeiten sind Gleitzeiten
und flexible Schichtübergaben in vielen Schichtsystemen gangbar.
Meist werden im Team die Arbeitszeitkorridore abgesprochen, in
denen die Schichtübergaben erfolgen oder wie Anfang und Ende
der Schichten an die familiären Anforderungen angepasst werden
können (wie z. B. bei der Reha-Klinik in Lübben). Bei der Fraport AG
(Frankfurter Flughafen) werden Dienstübergaben mit einer Gleitzeitspanne zwischen 15 und 60 Minuten praktiziert, die auch in
einigen operativen Bereichen des Flughafens genutzt wird.
Das Beispiel der Heidelberger Druckmaschinen zeigt, dass auch
kleine Zeitspannen bei der Schichtübergabe von Plus/Minus
30 Minuten für alle Seiten sinnvoll sein können. Die Produktionsabläufe können flexibler gestaltet werden (Stillstände zum Ende
der Schicht werden reduziert) und die Beschäftigten können in
Absprache mit den Vorgesetzten ihre Spielräume erweitern und
über das Zeitkonto zusätzliche Freischichten herausarbeiten. Vor
der Einführung der Gleitzeit waren die Bedenken und Widerstände
groß und nur wenige konnten sich eine Gleitzeit in der Produktion
vorstellen. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und es gibt
kaum noch Kritiker der Gleitzeit. Sowohl die Interessen der
Beschäftigten hinsichtlich mehr Flexibilität und zusätzlichen ganzen
Gleitzeittagen als auch die Reduktion von unproduktiven Zeiten
konnten verwirklicht werden. Bei den Heidelberger Druckmaschinen
hat eine Pilotphase geholfen, die Gegenargumente zu entkräften.
Die Vorgesetzten wurden insbesondere durch die wirtschaftlichen
Argumente überzeugt. Damit wurde die Einführung der Gleitzeit
quasi durch die Hintertür ermöglicht.
Weiter kann es sehr hilfreich sein, den Wechsel zwischen verschiedenen Schichtmodellen mit unterschiedlichen Schichtrhythmen
anzubieten. Selbst die Auswahl zwischen nur zwei Schichtmodellen
kann eine große Erleichterung bedeuten und helfen, die Zeitinteressen von verschiedenen Beschäftigtengruppen zu realisieren. Im
Einzelhandel werden für Vollzeitbeschäftigte häufig zwei Grundmodelle angeboten – eine 5-Tage-Woche mit normalen täglichen
Arbeitszeiten und eine 4-Tage-Woche mit langen täglichen Arbeitszeiten und längeren Freizeitblöcken. Für beide Modelle lassen sich
Vor- und Nachteile aufführen, so dass die Entscheidung von den
Beschäftigten entsprechend ihren eigenen Bedürfnissen getroffen
werden soll.
Kurzfristige Flexibilität
Neben der Flexibilität im normalen Schichtplan kommt es aufgrund
von Familienarbeiten immer wieder vor, dass auch kurzfristig und
spontan auf die familiären Anforderungen reagiert werden muss.
Sei es durch Erkrankung des Kindes oder eine plötzliche Verschlimmerung des Pflegefalls. In vielen Fällen können solche Notfälle
individuell über Team- oder Abteilungsabsprachen abgefangen
werden. So werden z. B. bei BASF in Ludwigshafen solche Probleme
im Team geregelt. In diesen besonderen Fällen sind die Springer
besonders hilfreich bzw. die team- oder abteilungsübergreifende
Vertretung.
Auch im öffentlichen Dienst sind solche Notfalllösungen mittlerweile kaum noch ein Thema. Bei der Polizei in Bremen werden
für bestimmte Großeinsätze (Kirchentag, Castor-Transporter)
besondere Kinderbetreuungsmöglichkeiten angeboten, wenn die
Kollegen/innen mehrere Tage im Sondereinsatz sind.
Die Einführung von Gleitzeit bietet sich deshalb besonders gut
an, um flexible und individuelle Elemente in die Schichtsysteme
zu integrieren. Die Veränderungen sind in der Regel nicht so
gravierend, so dass die Planer wenig Aufwand haben und auf die
vertraute Praxis aufgebaut werden kann. Die Resultate sind jedoch
meist so überzeugend, dass Widerstände gegen weitere Flexibilisierungsschritte für die Beschäftigten reduziert werden. Genauso
wichtig ist die Erkenntnis, dass viele Verbesserungen möglich sind,
die vorher als nicht praktikabel oder als Unsinn abgetan wurden
(siehe Kapitel 13 Widerstände bei der Umsetzung).
Familienbewusste Rahmenbedingungen wie das Vorhandensein
einer Betriebskita mit Randöffnungszeiten, eines ElternkindZimmers oder die Möglichkeit im Notfall auf externe Dienstleister
zurückzugreifen, erleichtern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
ungemein (siehe Kapitel 6 Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf).
Mehr Zeitautonomie in der Schichtgestaltung
In kleinen und mittleren Betrieben sind die Modellvarianten der
Schichten aufgrund der geringen Beschäftigtenzahl natürlich
geringer. Dafür bestehen aber größere Chancen, die individuellen
Bedürfnisse gegenüber dem Team und den Vorgesetzten durchzusetzen. In einem Dentallabor mit 28 Beschäftigten wird z. B.
versucht, betriebliche Interessen (v. a. kurzfristige Aufträge) und die
Flexibilisierungsinteressen der Beschäftigten unter einen Hut zu
In einigen Betrieben und Verwaltungen werden kurzfristige Einsätze
mit einem Bonus vergütet (z. B. wird die Arbeitszeit mit dem Faktor
1.2 abgerechnet). Damit wird ein Anreiz für betriebsbedingte
35
sparen. Andererseits sollten die Arbeitszeitwünsche der Polizisten/
innen mehr Berücksichtigung finden und eine bessere Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ermöglicht werden. Die größere Autonomie
in der Zeitgestaltung konnte dazu genutzt werden, Schichten freier
einzuteilen und Freizeiten und Familienzeiten besser zu planen.
Auch sollten Teilzeitbeschäftigte besser in den Dienstplan integriert
werden. Mit der Vermeidung von Mehrarbeit sollten auch die
Belastungen im Schichtdienst reduziert werden.
In der Praxis wurden nur noch die Rahmenbedingungen der
Dienstplanung festgelegt und die konkrete Ausgestaltung individuell entschieden. Grundlage der bedarfsorientierten Schichten
sind Jahresarbeitszeitkonten, auf die die geleisteten Dienste
gutgeschrieben werden. Entscheidend für die Umsetzung sind die
Auflösung der bestehenden festen Dienstgruppen und die Bildung
von Beschäftigtenpools. Ein Personalverantwortlicher („Koordinator/in“) hat die Aufgabe zwischen persönlichen Wünschen und
übergeordneten Kriterien (z. B. gerechte Urlaubseinteilung) zu
vermitteln.
Die Beurteilung des BSM durch die Polizisten/innen hat eine heiße
Diskussion um das Pro und Contra des neuen Schichtsystems
ausgelöst. Dabei scheint das BSM die Beschäftigten in Befürworter
und Gegner zu polarisieren. Während in Dienststellen mit geringer
Fluktuation und hoher Verlässlichkeit unter den Kollegen/innen das
Modell breite Zustimmung findet, sieht die Beurteilung in Dienststellen mit häufigem Personalwechsel völlig anders aus. In ersteren
führen die langfristigen Absprachen zu einer gerechteren Verteilung
von ungeliebten Schichten und individuelle Freiräume lassen sich auf
Grundlage von kollegialer Kooperation und Rücksichtnahme verwirklichen. Anders in Dienststellen mit häufigen Personalwechseln: Die
Auflösung von festen Teams, Vorgesetztenanweisungen und wenig
Kollegialität führen zu hoher Unzufriedenheit, kaum Planungssicherheit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die auf Kosten
der Work-Life-Balance gehen (vgl. Mensching u. a. 2004). Hier
wünschen sich die Kollegen/innen mehrheitlich die alten starren
Arbeitszeiten zurück. Insgesamt wird deutlich, wie entscheidend die
Rahmenbedingungen für die Wahl des Arbeitszeitmodells sind.
bringen. Durch Teilzeitangebote, flexible Arbeitszeiten und Unterstützung bei der Kinderbetreuung werden z. B. Beschäftigte nach
der Elternzeit im Betrieb gehalten. Die im Team selbst organisierten
Schichtpläne helfen dabei, Lösungen zu finden, wenn ein Kind
krank ist.
In größeren Betrieben oder Verwaltungen lassen sich Entscheidungsspielräume für die Beschäftigten insbesondere in teilautonomen und autonomen Gruppen- oder Teamstrukturen verwirklichen. Das Beispiel der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)
zeigt, dass für die eigenverantwortliche Schichteinteilung der
Beschäftigten bestimmte Voraussetzungen sowohl im Team als
auch bei den Vorgesetzten geschaffen werden müssen. Im Team
müssen die sozialen Kompetenzen so weit gestärkt werden, dass
Ungerechtigkeiten vermieden werden, jede/r in die Lage versetzt
wird die eigenen Interessen zu artikulieren und schließlich die
Gruppe für die Einzelinteressen sensibilisiert wird. Weiter sind
Leitungskompetenzen als Gruppensprecher/in für Entscheidungsprozesse oder die Moderation von Konflikten notwendig, um
die Eigenständigkeit der Teams zu gewährleisten. Auf Seiten der
Vorgesetzten verursacht der Kontrollverlust zunächst Misstrauen
gegenüber den größeren Handlungsspielräumen der Beschäftigten,
das abgebaut werden muss. Oft verändern sich auf den unteren
Vorgesetztenebenen (Meister, Abteilungsleiter) die Tätigkeiten oder
werden sogar ganz überflüssig. Auch aufwendige Zeiterfassungssysteme und Formen der Arbeitsorganisation können zur Disposition gestellt werden, die sich auch auf die Betriebskulturen
auswirken.
Das Beispiel des „Bedarfsorientierten Schichtdienstmanagements“
(BSM) in der Polizei zeigt die Schwierigkeiten, ein starres Schichtdienstsystem flächendeckend umzustellen und individuelle und
autonome Elemente dabei zu integrieren. Hintergrund der Veränderung waren einerseits die betriebswirtschaftlichen Überlegungen,
den Personaleinsatz bedarfs- und belastungsorientierter zu
gestalten, um damit vor allem systematische Mehrarbeit einzu-
36
10. Umsetzung familienbewusster Schichtmodelle
arbeitet werden. Meist wird die Planung in Grob- und Feinplanung
unterschieden, wobei der Grobplan bis zu mehreren Monaten im
Voraus die Einsatztage und/oder bestimmte Zeitfenster festlegt.
Die eigentliche Einsatzplanung erfolgt dann wesentlich zeitnaher,
Wochen oder Tage vor dem Dienst oder Einsatz.
Bei der Umsetzung eines familienbewussten Schichtmodells oder
Dienstplans stellen die betrieblichen Besonderheiten eine große
Herausforderung dar. Grundsätzlich kann zwischen Schichtplänen
und Einsatzplänen unterschieden werden. Während der Schichtplan
meist sehr übersichtlich die festen Schichten und Schichtzyklen
fixiert und die kollektive Schichtgruppe organisiert, bildet der
Einsatzplan den entgegengesetzten Planungspol. Vorteil der
Schichtplanung sind die festen Vorgaben für viele Beschäftigtengruppen, die eine sehr große Planbarkeit gewährleisten. Nachteil
sind vor allem die fehlende Berücksichtigung individueller Arbeitszeitinteressen und die geringe Flexibilität z. B. bei familiären
Verpflichtungen oder Notfällen.
Bei der Einsatzplanung werden teilweise sehr komplexe,
wechselnde Einsatzzeiten mit exakten Zeitvorgaben für einzelne
Beschäftigte auf Minuten genau festgelegt. Größtmögliche Flexibilität steht hier einer fehlenden Vorhersehbarkeit der Arbeitszeiten
gegenüber. Darüber hinaus besteht in solchen Systemen die Gefahr,
dass ausschließlich nach ökonomischen Kriterien geplant wird und
sich einzelne Beschäftigte individuell mit ihren Vorgesetzten auseinandersetzen müssen. Eine Zwischenform bilden Dienstpläne, die
Merkmale beider Organisationsprinzipien verbinden, also kollektive
Zyklen vorgeben, in denen sich passgenaue individuelle Arbeitszeiten wiederfinden.
Ein komplett neues Schichtsystem für den ganzen Betrieb oder die
Dienststelle einzuführen ist meist ein sehr aufwendiger Prozess,
weil viele Dinge zu berücksichtigen sind und die Umstellungen mit
tiefen Einschnitten im Familienleben der Beschäftigten verbunden
sein können. Erfahrungen zur Umstellung von traditionellen auf
familienbewusste und gesundheitsförderliche Schichtsysteme
zeigen fast immer ein großes Widerstandspotenzial, das erst
im Laufe der Zeit durch positive Erfahrungen in Zustimmung
verwandelt werden kann. Deshalb dauert ein solcher Umstellungsprozess sehr lange – meist ein Jahr – und bedarf einer guten
Vorbereitung und schrittweisen, transparenten Durchführung, in die
möglichst viele betriebliche Akteure mit eingebunden werden. Wie
ein solcher Umsetzungsprozess organisiert werden kann und was
dabei zu bedenken ist, wird im Weiteren (Kapitel 12 Prozess der
Umsetzung) beschrieben.
Die andere Möglichkeit Veränderungen zu gestalten, besteht
darin, Stück für Stück kleinere Neuerungen einzuführen und
funktionierende Modelle weiterzuentwickeln. Nach dem Prinzip
„auf Bekanntes aufbauen und dieses fortführen und entwickeln“
können immer mehr individuelle Elemente hinzugefügt werden.
Die Einführung von Teilzeit in Schichten lässt sich beispielsweise
durch individuelle Freischichten relativ einfach vornehmen ohne das
ganze Schichtmodell umzukrempeln. Für welche Strategie man sich
entscheidet, hängt von der Dringlichkeit der Probleme, den betrieblichen Bedingungen und den erwarteten Erfolgsaussichten ab.
Das Dilemma zwischen kollektiver oder individueller Gestaltung der
Schicht stellt sich in den verschiedenen Systemen also sehr unterschiedlich dar. Neben den beschriebenen Flexibilisierungsformen
in festen Schichtsystemen bietet vor allem die Auswahl zwischen
ganz unterschiedlichen Schichtmodellen eine Alternative, um den
Arbeitszeitwünschen der verschiedenen Beschäftigtengruppen
besser gerecht zu werden. Je breiter die Palette an Angeboten und
Schichtmodellen ist, desto mehr finden sich die Arbeitszeitwünsche
der unterschiedlichen Beschäftigtengruppen darin wieder. Sofern
diese Möglichkeit umgesetzt werden kann, ist es immer ratsamer
auch für wenige Beschäftigte eine Alternative anzubieten, als die
Belegschaft vor die Entscheidung für ein einziges Modell zu stellen.
Ein einzelnes Modell erreicht vielleicht eine Mehrheit der Beschäftigten, spaltet aber möglicherweise die Belegschaft oder findet sehr
wenig Akzeptanz bei den Gegnern.
Umgekehrt lassen sich auch in individuellen Einsatzplänen mehr
Planbarkeit und vor allem eigene Zeitinteressen verwirklichen,
wenn bestimmte Grobpläne für einen längeren Zeitraum ausge-
In beiden Fällen empfiehlt es sich, neue Systeme oder Veränderungen an bestehenden Modellen vorher in kleinen Abteilungen
testen zu lassen. Die Bereitschaft zu Neuerungen wächst, wenn
Pilotprojekte zugelassen werden und die Erfahrungen der Betroffenen dazu kommuniziert werden. Diese Pilotprojekte sind einerseits Türöffner für Veränderungen und andererseits können sie
bestimmte Fehlentwicklungen verhindern, die bei einer flächendeckenden Einführung wesentlich negativere Folgen hätten und
womöglich das ganze neue System gefährden würden.
37
sinnvoll sind und wann informelle Absprachen genügen. Bei
Bedarf kann später noch nachgesteuert werden.
Ein weiteres Kriterium der Schichtplangestaltung betrifft die Frage,
wie viel fest geregelt und verbindlich vorher bestimmt werden
muss oder offen gelassen werden kann und in der Praxis zwischen
Beschäftigten und Vorgesetzen bzw. zwischen den Kollegen/innen
informell geklärt werden kann. Festlegungen bedeuten unter
Umständen größere Klarheit, wenig Ungerechtigkeiten und geringeren Planungsaufwand; aber auch größere Schwierigkeiten, wenn
unvorhergesehene Umstände eintreffen. Informelle Regelungen
haben dagegen den großen Vorteil, dass sie sehr individuelle
und spontane Lösungen auch für kurzfristige Probleme bieten
können. Größter Nachteil hierbei sind die Abhängigkeiten von den
beteiligten Personen: Wenn Vorgesetzte oder Kollegen/innen nicht
mitspielen oder Antipathien sehr groß sind, dann wird es unter
Umständen schwierig die eigenen Zeitinteressen durchzusetzen.
Die Anforderungen an die sozialen Kompetenzen von Vorgesetzten
und Teammitgliedern sind hier höher. Insgesamt lassen sich
keine eindeutigen, allgemeinverbindlichen Antworten geben. Als
generelle Empfehlung gilt:
a) Je mehr der ökonomische Druck im Betrieb auf die Beschäftigten verlagert wird, desto besser fährt man mit verbindlichen
Regelungen.
b) Bei den Planungen zur Schichtgestaltung sollte man diese
Überlegungen im Hinterkopf haben und sich bei den verschiedenen Regelungsfeldern überlegen, wann feste Vereinbarungen
Nicht zu vergessen ist die zentrale Frage der Personalbemessung.
Über allen Erwägungen zu einem familienbewussten Schichtmodell stehen die personellen Kapazitäten. Denn das schönste
Schichtmodell nützt wenig, wenn ständig für Kollegen/innen eingesprungen werden muss, Freischichten nicht genommen werden
oder die Zeitkonten nicht abgebaut werden können. Seriöse
Schichtplanung kalkuliert immer einen bestimmten Prozentsatz an
personellen Reserven ein und vermeidet eine Situation bei der die
Personaldecke bis zum Zerreißen angespannt ist. Daimler Wörth
z. B. mit 7.000 Schichtbeschäftigten rechnet mit einer Personalreserve zwischen 22 % und 30 % und Rasselstein (Weißblechproduktion) mit ca. 1.500 Schichtbeschäftigten hat einen Personalpuffer zwischen 18 % und 20 %.
In festen Schichtmodellen bedeutet eine größere Anzahl von
Schichtgruppen in aller Regel auch mehr Personal und eine größere
Variationsbreite von Modellen. Je nachdem welche Kriterien bei
der Gestaltung besonders im Vordergrund stehen (gesundheitliche,
soziale oder demografische) kann die Neugestaltung der Schicht
auch ein Hebel sein, um Neueinstellungen zu forcieren.
38
11. Umsetzung im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung
Erkrankungen, Allergien und Migräne bei Frauen und Männern
werden mit Vereinbarkeitsproblemen in Verbindung gebracht. Das
Risiko, keine gute Work-Life-Balance zu finden, erhöht sich bei
Arbeit zu unsozialen Zeiten. Laut Angaben des DGB-Index Gute
Arbeit wird die Vereinbarkeitssituation von denjenigen Beschäftigten am schlechtesten beurteilt, die einen hohen Anteil von
Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit leisten (vgl. DGB 2007).
Familienbewusste Schichtarbeit kann ebenso gut im Rahmen des
betrieblichen Gesundheitsmanagements oder der betrieblichen
Gesundheitsförderung eingeführt und umgesetzt werden. Eine gute
Unterstützung der Beschäftigten bei der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf reduziert nachweislich das Risiko für stressbedingte
gesundheitliche Beeinträchtigungen. Denn Zeit- und Rollenkonflikte
sind eine der Hauptkomponenten für dauerhaften Stress.
Einer Studie der Europäischen Beobachtungsstelle für berufsbedingte Risiken zufolge gaben im Jahr 2005 20 % der befragten
Beschäftigten aus den 25 Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union an, dass sie ihre Gesundheit durch arbeitsbedingten Stress
gefährdet sehen. Nach Angaben der Studie waren 2005 bis zu
60 % der versäumten Arbeitstage auf stressbedingte Krankheiten
zurückzuführen. Die volkswirtschaftlichen Kosten von arbeitsbedingtem Stress wurden 2002 in den EU-25-Staaten auf 20
Milliarden Euro pro Jahr geschätzt (vgl. European Agency for
Safety and Health at Work 2008). Zum „Welttag für Sicherheit
am Arbeitsplatz“ am 28. April 2011 erklärte Annelie Buntenbach,
DGB-Vorstandsmitglied, „Die psychischen Belastungen in der
Arbeitswelt haben alarmierende Ausmaße angenommen und
dürfen von Arbeitgebern und Politik nicht länger tabuisiert
werden.“
In Deutschland lässt sich schon seit mehreren Jahren eine dramatische Zunahme von psychischen Störungen beobachten. Der
Anteil an Krankheitstagen durch psychische Störungen hat sich
seit Beginn der 1990er Jahre mehr als verdoppelt. Der Gesundheitsreport des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen 2010
zeigt, dass mittlerweile jeder 12. Ausfalltag mit einer psychischen
Diagnose verbunden ist (BKK 2010). Der DGB stellt 2011 fest,
dass allein die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen
im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent gestiegen sind. Von
1999 bis 2011 beträgt der Anstieg 80 Prozent. Neben den Leiden
der Betroffenen und deren Familien verursachen psychische
Erkrankungen auch hohe Kosten für die Sozialversicherungen
und Betriebe. So wird allein die Gesetzliche Krankenversicherung
mit direkten Kosten in Höhe von rund 17 Milliarden Euro durch
arbeitsbedingte Erkrankungen belastet. EU-weit werden die Kosten
psychosozialer Risiken auf 265 Milliarden Euro jährlich geschätzt
(DGB 2011).
Die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie hat neben den psychischen aber auch physische Beeinträchtigungen zur Folge: Erhöhte
Serumcholesterolwerte, kardiovaskuläre und gastrointestinale
Was zeichnet eine familiensensible Gesundheitsförderung aus?
Sie berücksichtigt differenzierte Daten und Ergebnisse nach
Beschäftigtengruppen (Geschlecht, Alter, Familien-/Haushaltkonstellation, Kinder, Pflege usw.), um die vielfältigen Einflussfaktoren von Gesundheit zu erfassen. Bei der Festlegung von
Zielen, Methoden und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung werden diese verschiedenen Beschäftigtengruppen
berücksichtigt und entsprechend unterschiedlich angesprochen.
Eine familiensensible Gesundheitsförderung stärkt die individuellen
bzw. gruppenspezifischen Ressourcen der Beschäftigten und fördert
ihre Gesundheitskompetenzen. Sie ist dann besonders erfolgreich,
wenn Themen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein integraler
Bestandteil von betrieblicher Gesundheitsförderung sind. Um einem
ganzheitlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz gerecht zu werden,
gilt es, auf allen Ebenen der Gesundheitsförderung (Analyse,
Planung, Durchführung, Kooperation, Evaluation) Vereinbarkeitsfragen mitzudenken und als Querschnittsthema zu verankern.
Akteure der betrieblichen Gesundheitsförderung
In der betrieblichen Gesundheitsförderung geht es um die
menschengerechte Gestaltung von Arbeit. Die Beschäftigten als
Zielgruppe sollten als Experten ihrer eigenen Arbeitsbedingungen
im Prozess eine aktive Rolle spielen. Der Arbeitgeber trägt die
Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz und er hat
Sorge dafür zu tragen, dass eine kontinuierliche Verbesserung des
Arbeits- und Gesundheitsschutzes gewährleistet wird. Darüber
hinaus sind diejenigen Personen beteiligt, die aufgrund ihrer
Funktion und Fachkenntnis intern zuständig sind.
39
Akteure in der betrieblichen Gesundheitsförderung
– Arbeitgeber bzw. vom Arbeitgeber beauftragte Person
– Betriebsrat/Personalrat
– Schwerbehindertenvertretung nach § 95.4 SGB IX
– Betriebsarzt/-ärztin
– Fachkraft für Arbeitssicherheit
– Sicherheitsbeauftragte/r nach § 22 SGB VII
– Beschäftigte
– andere betriebsinterne Beauftragte
– Suchtbeauftragte/r
– Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte
– Männerbeauftragter
– Mobbing- oder Konfliktbeauftragte/r
⎫
⎬
⎭
⎫
⎬
⎭
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Mitglieder im Arbeitsschutzausschuss
(§ 11 ASiG)
Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe
bzw. in einem Gesundheitszirkel
– staatliche Arbeitsschutzbehörden
– Krankenkassen
– Berufsgenossenschaften
– Unfallversicherungsträger
– Gewerkschaften
– weitere externe Berater/innen
Quelle: DGB, 2008
Handlungsfelder
Ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit zielt sowohl auf die
arbeitende Person wie auf das betriebliche Umfeld. Schon bevor
Krankheiten entstehen und ausbrechen können, ist es notwendig,
Gesundheitsrisiken zu erkennen und möglichst zu beseitigen.
Damit Gesundheit erhalten werden kann, müssen Fähigkeiten und
Bedingungen, die das Wohlbefinden unterstützen, erkannt und
gefördert werden. Prävention und Gesundheitsförderung im Betrieb
haben einen gemeinsamen Leitgedanken: Eine Gesundheitsbeeinträchtigung, die nicht eintritt, vermindert nicht nur menschliches Leid, sondern ist auch einzel- und gesamtwirtschaftlich von
Nutzen (vgl. Huber u. a. 2006a).
Bei der Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung
wird meist unterschieden zwischen Maßnahmen der Verhaltensprävention und Maßnahmen der Verhältnisprävention. Das Ziel
betrieblicher Gesundheitsförderung sollte darin bestehen, durch
einen ganzheitlichen Ansatz die Gesundheitspotenziale der
Beschäftigten zu fördern. Dies kann zum einen durch Verhältnisprävention erreicht werden, also durch die Gestaltung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Ziel
der Herstellung „gesunder Verhältnisse“ ist es, Gesundheitsrisiken
in den Umwelt- und Lebensbedingungen von vornherein zu
vermeiden bzw. zu kontrollieren, zu reduzieren oder zu beseitigen.
Parallel und verknüpft mit dem Bemühen, Gesundheit als Organisationsprinzip im Betrieb zu fördern, sollte betriebliche Gesundheitsförderung zum anderen auf eine Verhaltensprävention zielen. Diese
setzt am persönlichen Verhalten des Menschen an, konzentriert sich
auf die Stärkung der persönlichen Handlungsfähigkeit der Beschäftigten und will zu gesundheitsgerechtem Verhalten motivieren und
befähigen. Durch die Kombination dieser beiden Ansätze können
sowohl Rahmenbedingungen für die Förderung der Gesundheit
gestaltet werden, als auch Beschäftigte in die Lage versetzt
werden, sich gesundheitsförderlich zu verhalten.
40
Beispiele für Verhaltenspräventionsmaßnahmen zu Vereinbarkeitsfragen in der betrieblichen Gesundheitsförderung
Fitnessprogramme als Ausgleich zu Stress und Belastung
Angebote zu Massage und Bewegung
Gesundheit
Anti-Stress-Training wie Yoga oder autogenes Training
Ernährungskurse
Gesundheitschecks
Zeitmanagement als Schutz vor Selbstüberforderung
Selbstmanagement
Einhalten/Erlernen von Kurzpausen und Verschnaufpausen
Ausbildung zum/zur Gesundheitsauditor/in
Qualifikation
Pflegekurse zur Betreuung von Angehörigen
Einbeziehung der Familienangehörigen (z. B. bei Schulungen), um Nachhaltigkeit von Maßnahmen
zu stärken und zur Sensibilisierung für Vereinbarkeitsthemen
Führungsseminare
Sensibilisierung
Gender-Mainstreaming
Väterseminare, die traditionelle Rollenbilder in Frage stellen
ausgebildet. Seit 2008 gibt es für die Beschäftigten ein eigenes
Trainingscenter, in dem sie kostenlos unter fachlicher Betreuung
trainieren können. Neben dem Fitnesstraining können auch akute
und chronische Muskel- und Skeletterkrankungen mit Krankengymnastik und gerätegestützter Therapie behandelt werden.
Aufgrund der besonderen Belastungen von Beschäftigten in
Nacht- und Schichtarbeit sind spezifische Maßnahmen der
Verhaltensprävention empfehlenswert. Hervorzuheben sind
Angebote zur Stressvermeidung (z. B. Yoga, autogenes Training,
Stressmanagement), um mögliche Schlafdefizite auszugleichen.
Ernährungsberatung sowie spezielle Essensangebote der Kantinen
für Schichtbeschäftigte wie z. B. warmes Essen und leichte Kost
sind gerade in der Nachtschicht eine wichtige Maßnahme, um
Magen-Darm-Probleme zu verringern. Es wird empfohlen, bei
Wechselschicht den individuellen Rhythmus des Essens (Frühstück,
Mittagessen, Abendessen) im gleichen Zeitfenster über die
Schichten beizubehalten. Weiter helfen Bewegungsangebote den
individuellen Gesundheitszustand zu verbessern.
Eine effektive betriebliche Gesundheitsförderung sieht in jedem
Betrieb anders aus, da sinnvolle Maßnahmen immer davon
abhängen, in welcher Ausgangslage sich ein Unternehmen
befindet, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht und
welche Resultate für die Beschäftigten erreicht werden sollen.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf und betriebliche Gesundheitsförderung sind Querschnittsthemen, die auf unterschiedlichsten
Ebenen im Betrieb wirken und sehr komplex werden können, wenn
sie gemeinsam angegangen werden. Deshalb sind eine fundierte
Bestandsaufnahme sowie eine gute Planung und Steuerung
unerlässlich. Soll das Thema betriebliche Gesundheitsförderung
erstmals angeschoben werden, ist es unter Umständen sinnvoll, mit
einem kleinen überschaubaren Thema zu starten oder ein Projekt
zu initiieren, um den Prozess von kompetenten externen Experten
begleiten zu lassen.
Ein gutes Beispiel für die Verknüpfung von Verhältnisprävention
und Verhaltensprävention bietet die Firma Rasselstein in
Andernach. Neben der Einführung eines neuen Schichtmodells,
das nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen erstellt wurde,
einer Kooperation mit der städtischen Kita und weiteren Serviceangeboten werden die familienfreundlichen Maßnahmen mit der
betrieblichen Gesundheitsförderung verknüpft. Ziel ist es, das
Wohlbefinden der Beschäftigten zu verbessern, Belastungen am
Arbeitsplatz zu reduzieren sowie individuelle, soziale und organisatorische Ressourcen aufzubauen. Dazu wurden die Führungskräfte qualifiziert und die Betriebsräte zu Gesundheitsauditoren
41
Beispiele für Verhältnispräventionsmaßnahmen zu Vereinbarkeitsfragen in der betrieblichen Gesundheitsförderung
familienfreundliche Arbeitszeiten
Möglichkeiten zu Teilzeit und Freistellungen
Wechsel von Vollzeit nach Teilzeit und umgekehrt
familienfreundliche Schicht- und Dienstplangestaltung
Arbeitszeit
Arbeitszeitkonten, die Familienbedürfnisse berücksichtigen
Vermeidung von Wochenendarbeit
Planbarkeit der Arbeitszeiten und keine Arbeit auf Abruf
Lebenslauforientierte Arbeitszeiten
Telearbeit
Arbeitsorganisation
Kontakthalteprogramme während der Elternzeit oder bei Freistellungen
Eltern-Kind-Zimmer
Kinderbetreuung
Betriebskindergarten, Kooperationen verschiedener Betriebe, Unterstützung von Elterninitiativen,
Belegplätze in Einrichtungen, usw.
Ferienprogramm für Kinder
Notfallkoffer für Kinderbetreuung
Organisation von Unterstützung
Service
Notfallkoffer zur Pflege von Angehörigen
Informationen zu Tagesbetreuung, Begleitung von Behördengängen, Einkaufsservice, Kurzzeit- und
Verhinderungspflege, usw.
Hausaufgabenhilfe
Geld
finanzielle Zuschüsse für Eltern und pflegende Beschäftigte
Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Unternehmensziel
Vereinbarkeit von Familie und Beruf als strategische Managementaufgabe
Betriebsklima
Führungsseminare
Sensibilisierung in Veranstaltungen, Seminaren, Betriebsversammlungen, Betriebsöffentlichkeit
42
12. Prozess der Umsetzung
Einsatz von Rechtsmitteln erforderlich machen. Dennoch sind die
Erfolgsaussichten für die Einführung eines neuen Schichtmodells
größer, wenn gemeinsame Ziele, Methoden und Schritte vereinbart
werden können.
Im Folgenden soll ein gemeinsam verabredeter Umstellungsprozess
zwischen Interessenvertretung und Arbeitgeber beschrieben
werden. Selbstverständlich lassen sich Interessen auch gegen den
Widerstand des Arbeitgebers durchsetzen oder kann es Phasen im
Verständigungsprozess geben, die konfliktträchtig sind und den
Einführung eines neuen Schichtsystems
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
1. Bestandsaufnahme
6. Evaluation und
Entscheidung
2. Planung des
Vorgehens
6 Phasen der
Einführung eines
neuen
Schichtsystems
3. Informationsbeschaffung
5. Testphase
4. Modellentwicklung
Quelle: eigenes Modell, 2011
43
1. Phase Bestandsaufnahme
Schichtarbeit – eine kritische Bestandsaufnahme
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf
gestalten
Zeitsouveränität
Samstag, Sonntag, Feiertag
Vereinbarkeit von
Beruf und Familie
Planbarkeit
Verfügung
über die Zeit
Soziale Dimension
„Feierabend“
Arbeitszeitdauer
Gesund in Rente
Gesundheit
Nachtarbeit
Ausgestaltung
der Schichtarbeit
Schichtarbeit –
eine kritische
Bestandsaufnahme
Erreichung des
Rentenalters
individuell
gesellschaftlich
Beschäftigungspolitische
Dimension
Finanzielle
Dimension
Zuschläge durch Tarifverträge
einzelbetrieblich
Steuerbefreiung nach EStG
Quelle: Fergen u. a., 2006
2. Phase Planung des beteiligungsorientierten Umsetzungsprozesses
Zu Beginn der Überprüfung oder der Einführung eines neuen
Schichtmodells sollte eine kritische Bestandsaufnahme der
aktuellen Arbeitszeiten stehen. Die obere Abbildung aus der IG
Metall-Broschüre zur Schichtarbeit zeigt die verschiedenen Dimensionen, die sich auf die Schichtarbeit auswirken. In einem Dialog
mit den betrieblichen Akteuren (Arbeitgeber, Interessenvertretung,
betroffene Beschäftigte, Betriebsärzte, Fachkraft für Arbeitssicherheit usw.) sollen die unterschiedlichen Interessen, Sichtweisen
und Prioritäten von Beschäftigtengruppen und Management
erörtert werden. Eventuell können auch in diesem frühen Stadium
externe Berater/innen zur Unterstützung hinzugezogen werden.
Hier geht es darum, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche
Beweggründe für eine Veränderung ausschlaggebend sind und
welche Auswirkungen eine mögliche Arbeitszeitumstellung nach
sich ziehen würde. Am Ende der ersten Phase stehen einerseits die grundsätzliche Entscheidung, ob das Ziel durch eine
Arbeitszeitumstellung erreicht werden kann (oder Änderungen
am bestehenden System ausreichend sind) und andererseits eine
gemeinsame Verständigung über die weiteren Schritte (Zeitplanung,
Methoden, Zuständigkeiten).
In Phase zwei steht die konkrete Umsetzung und Organisation der
Umstellung im Vordergrund. In dieser Phase oder einer späteren ist es
ratsam, den Prozess über eine Arbeits- oder Projektgruppe zu steuern,
an der die wichtigsten betrieblichen Experten/innen und Entscheidungsträger beteiligt sind. Auch die Mitwirkung von betroffenen
Beschäftigten aus verschiedenen Schichtmodellen in diesen Arbeitsgruppen hat sich bewährt, um möglichst alle Interessen zu berücksichtigen und die Perspektiven zu erweitern. Darüber hinaus sollten
Arbeitsweise und Zuständigkeiten dieser Steuerungs- oder Planungsgruppe geklärt werden. Wer gehört weiter zur Steuerungsgruppe?
Wie oft trifft sie sich? In welcher Form greift sie in den Prozess ein?
Weiter sollten die inhaltlichen Planungen konkretisiert werden:
Auf welche Beschäftigtengruppen sollen die Maßnahmen zielen?
Welche Prioritäten werden festgelegt? Was soll auf jeden Fall
verändert werden, was könnte zusätzlich verändert werden? In
welchen Bereichen oder Abteilungen sollen Veränderungen zuerst
eingeführt werden? Diese Planungen können über eine Zielvereinbarung und einen Zeitrahmen (Test-, Umsetzungs-, Evaluationsphase) festgeschrieben werden.
Spätestens an dieser Stelle sollten auch die Beschäftigten über
die verschiedenen Betriebsmedien informiert werden bzw. im
44
Betriebsrats- oder Personalratsgremium entschieden werden, in
welcher Form die Belegschaft am Prozess beteiligt werden kann.
plätze, die kurz- und mittelfristig in altersgerechte umgewandelt
werden können);
„ Zukunftsszenario (Altersstruktur in fünf und/oder zehn Jahren)
sowie Berücksichtigung der Altersstruktur in der Personalplanung.
3. Phase Informationsbeschaffung
Nach dieser Klärung grundsätzlicher Ziele und Vorgehensweisen
beginnt die Feinarbeit. Erstens soll ein möglichst umfassendes
Informationspaket zusammengestellt werden, über das, was
überhaupt möglich ist und realistisch erscheint. Zweitens verhilft
der Blick über den Tellerrand hinaus mit Beispielen guter Praxis
zu neuen Ideen und Anregungen. Und drittens sind umfassende
Informationen über die eigene Belegschaft und die verschiedenen
Beschäftigtengruppen notwendig, um die Arbeitszeitmodelle an
deren Bedürfnisse und Interessen anzupassen.
b) Belegschaftsbefragungen
Im Rahmen von betrieblicher Gesundheitsförderung sind anonym
durchgeführte Belegschaftsbefragungen ein gutes Instrument um:
„ zu erfahren, wie die Beschäftigten ihre Arbeitsbedingungen
wahrnehmen;
„ gesundheitliche „Brennpunkte“ festzustellen;
„ individuelle und durch den Betrieb/die Dienststelle bedingte
Gesundheitsrisiken festzustellen;
„ für das Thema Gesundheit und Vereinbarkeit zu sensibilisieren
und ins Gespräch zu kommen.
Wichtige Punkte sind unter anderem:
„ Gesetzliche Rahmenbedingungen (Arbeitszeitgesetz, Tarifverträge) (siehe rechtlicher Überblick in Kapitel 14);
„ aktuelle arbeitswissenschaftliche Empfehlungen in Bezug auf
gesundheitliche und sozialverträgliche Schichtgestaltung;
„ Praxisbeispiele guter Arbeit;
„ Austausch und Information über Literatur, Seminare, Gewerkschaften, Verbände, Institutionen und andere Beratung.
c) Gefährdungsbeurteilungen
Durch das Arbeitsschutzgesetz sind Betriebe und Dienststellen
verpflichtet, ihren Arbeits- und Gesundheitsschutz permanent zu
verbessern. Dabei gilt es, arbeitsbedingte Erkrankungen präventiv,
also vorausschauend zu verhindern. Gefährdungsbeurteilungen
bilden hierbei ein wichtiges und umfangreiches Analyseinstrument,
um ganzheitliche und demografiesensible Maßnahmen zu
entwickeln. In Betrieben und Verwaltungen mit mehr als zehn
Beschäftigten ist die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilungen
gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus können weitere Informationsquellen für die Bestandsaufnahme von Gesundheitsrisiken
genutzt werden:
„ Gesundheitsbericht,
„ Arbeitsplatzbeschreibungen,
„ Belastungsanalysen,
„ Arbeitsstättenbegehungen,
„ arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen und Informationen der Betriebsärzte,
„ Fehlzeiten- und Krankenstandsanalysen,
„ Betrieblicher Gesundheitsbericht der Krankenkassen,
„ Unfall- und Berufskrankenanzeigen,
„ Sicherheitstechnische Informationen der Sicherheitsfachkräfte,
„ Vorsorgeuntersuchungen,
„ Jährliche Berichte der Krankenkassen über Krankenstandsentwicklung,
„ Daten der Fachkraft für Arbeitssicherheit über Arbeitsunfälle
und arbeitsplatzbezogene Gefährdungen,
„ anonymisierte Ergebnisse arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen,
„ Arbeits- und Arbeitsplatzanalysen, Arbeitssituationsanalysen.
Ein detaillierter Soll-Ist-Vergleich hat die Aufgabe, die Anforderungen von Seiten des Betriebes und von Beschäftigtenseite
genauer zu erfassen.
Anforderungsbereiche des Betriebes/der Verwaltung können
folgende sein:
„ Tätigkeiten, Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen;
„ Personalstrukturen (Alter und Qualifikation);
„ externe Rahmenbedingungen und Infrastruktur;
„ besondere Anforderungen an das Unternehmen/die Verwaltung
(z. B. saisonale Schwankungen, Bereitschaftsdienste);
„ zukünftige Planungen (Produkterweiterungen, Standortausdehnung).
Betriebliche Orientierungs- und Analyseinstrumente
Um „gute Arbeit“ im Betrieb/in der Dienststelle zu realisieren,
benötigt man Informationen von den Beschäftigten. Dazu gehören
einerseits die Leistungs- und Qualifikationsprofile der Beschäftigten, als auch die verschiedenen Tätigkeitsanforderungen der
jeweiligen Stelle. Auf dieser Grundlage lassen sich Maßnahmen
zur Arbeitsgestaltung bzw. zur Qualifikation auch für spezielle
Beschäftigtengruppen (Eltern, pflegende Beschäftigte, ältere oder
behinderte Beschäftigte) ableiten. Hier eine Übersicht über Orientierungs- und Analyseinstrumente:
d) Arbeitsbewältigungsindex (ABI, Work-Ability-Index)
Der Arbeitsbewältigungsindex (ABI) ist ein Messinstrument, das
mittels eines Fragebogens die individuelle Arbeitsfähigkeit/belastung der Beschäftigten ermittelt. Erfragt werden Krankheiten
und das individuelle gesundheitliche Wohlbefinden. Anschließend
wird ein individueller ABI-Wert ermittelt, der Aufschluss über
mögliche Veränderungen der Arbeitsfähigkeit geben soll. Der ABI
a) Altersstrukturanalyse
Sie enthält eine:
„ Darstellung der betrieblichen Altersstruktur nach Abteilung,
Geschlecht, Qualifikation und weiteren Merkmalen;
„ Durchführung einer alternskritischen Gefährdungsbeurteilung
(Auflistung der altersgerechten Arbeitsplätze und der Arbeits45
5. Phase Test
sollte in Verbindung mit Gefährdungsbeurteilungen und Mitarbeiterbefragungen eingesetzt werden. Auch in hoch belasteten
Arbeits- und Tätigkeitsbereichen kann es sinnvoll sein, den ABI
anzuwenden, um den individuellen Handlungsbedarf zu ermitteln.
Wegen der sensiblen und zu schützenden Daten sollte dieses
Messinstrument nur vom Betriebsarzt oder den Gesundheitsexperten/innen der Krankenkassen angewendet werden.
Die Testphase dient vor allem der Überprüfung der Alltagstauglichkeit. Dabei müssen sich die Modelle einerseits in den Arbeitsprozessen bewähren und andererseits den Anforderungen der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf genügen. Da die Umstellungen
im sozialen Leben erst allmählich gelingen und gesundheitliche
Auswirkungen meist nach mehreren Monaten feststellbar sind, ist
ein langfristiger Zeitraum für die Testphase einzuplanen. Um eine
realistische Beurteilung der neuen Schichtsysteme zu erhalten ist
eine Mindestdauer von einem halben Jahr unbedingt erforderlich,
noch besser sind einjährige Testphasen.
4. Phase Modellentwicklung
Erst nach dieser Klärungsphase sollten die neuen Arbeitszeitmodelle entwickelt werden, die vor allem das Ziel haben, eine
begrenzte Zahl von Modellen für eine Testphase zu entwerfen.
Die Projekt- oder Steuerungsgruppe kann gemeinsam oder
getrennt mehrere mögliche Modellalternativen zur Diskussion
stellen. Dabei sollte nochmals überprüft werden, ob die bisher
vereinbarten Kriterien eingehalten werden. Auch mögliche Konflikte
durch Arbeitsabläufe zwischen den Abteilungen sowie Konflikte, die
durch betriebsinterne Anforderungen oder Belegschaftsinteressen
ausgelöst werden könnten, sollten mitbedacht werden. In dieser
Phase ist ebenfalls eine breite Unterstützung durch die betrieblichen Akteure und auch durch Externe empfehlenswert.
Die Beschränkung auf wenige Testmodelle hat den Vorteil, dass
die Vor- und Nachteile des jeweiligen Modells sich stärker herauskristallisieren und das Stimmungsbild für oder gegen ein Modell
deutlicher hervortreten lassen. Dies erleichtert die Entscheidung in
der Belegschaft für das endgültige Modell. Wobei dann wiederum
verschiedene oder leicht differenzierte Modelle angeboten werden
können.
Ist der Prozess der Modellfindung abgeschlossen, sollten die
Modelle und die anschließende Testphase in der Belegschaft
vorgestellt und diskutiert werden. Eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung könnte den weiteren Weg schriftlich festhalten. Wichtiger
ist allerdings eine gute Partizipation der Beschäftigten, auch durch
die Kommunikation des Umstellungsprozesses, die die spätere
Akzeptanz des Modells wesentlich beeinflussen wird. Je stärker
die Betriebsöffentlichkeit die Umstellung mitverfolgt und darüber
diskutiert, desto nachhaltiger können die positiven Effekte des
neuen Modells genutzt werden.
Während der Testphase sind verschiedene prozessbegleitende
Aktivitäten möglich. Gespräche in der Projekt- oder Steuerungsgruppe, Erfahrungsaustausch der Betroffenen sowie Rückmeldungsund Problemanalysen können hier erfolgen. Weiter können bereits
mögliche Auswirkungen auf Arbeitsabläufe und die Organisationsstrukturen in Betrieb/Verwaltung beobachtet und festgehalten
werden. Fragen nach Anpassungen in der Organisation und
möglichem Qualifikationsbedarf der Beschäftigten oder Vorgesetzten können jetzt bereits aufbereitet werden.
Auch die Erarbeitung weiterer Modellvarianten kann vorbereitet
werden. Wichtig ist aber, dass im Testlauf keine Veränderungen am
Modell vorgenommen werden. Umstellungen würden zum einen
die Ergebnisse verfälschen und die Bewertung schwieriger machen
und zum anderen möglicherweise zu großen Unsicherheiten in der
Belegschaft führen. Deshalb sollte die Testphase vor allem dafür
genutzt werden, Ergebnisse und Einschätzungen zu sammeln und
anschließend auszuwerten.
6. Phase Evaluation und Entscheidung
Die letzte Umsetzungsphase sollte zu einer ausführlichen
Bewertung der Testergebnisse genutzt werden. Hier fließen die
Rückmeldungen zu den Auswirkungen, Problemen und Erfahrungen an die Arbeitsgruppe ein. Die Einbeziehung der Belegschaft
kann über verschiedene Medien erfolgen: Workshops, Veranstaltungen und eine Fragebogenaktion kann die normalen Aktivitäten
(Betriebs-/Dienstversammlungen, Abteilungsversammlungen,
Intranet usw.) ergänzen. Bewährt hat sich auch eine Vorher- und
Nachher-Befragung der Beschäftigten in der Pilotgruppe. Ziel ist es,
die Entscheidung über das zukünftige Arbeitszeitmodell endgültig
zu klären: Haben sich die Erwartungen im Testpilot erfüllt? Sollen
Veränderungen am getesteten Modell vorgenommen werden (mit
erneutem Testlauf)? Oder soll das alte Modell beibehalten werden?
Danach erfolgen die Information der Betriebsöffentlichkeit sowie
die endgültige Umsetzung des neuen Schichtmodells.
46
13. Widerstände bei der Umsetzung
länger etabliert sind. Gleichzeitig kann die höhere Flexibilität auch
den Unternehmensinteressen zugute kommen. Das Beispiel der
Heidelberger Druckmaschinen zeigt, wie beide Seiten von flexiblen
Arbeitszeiten profitieren können (siehe Kapitel 9 Individuelle
Zeitoptionen).
Vorbehalte und Widerstände gegen die Einführung neuer Schichtpläne kommen einerseits von den Beschäftigten selbst, andererseits aus Teilen des Managements z. B. von Schichtführern/innen
oder Meistern/innen. Die Bedenken der Belegschaft gründen sich
im Wesentlichen darauf, dass die komplizierten Anpassungen
an die aktuellen Schichtrhythmen in der Vergangenheit große
Anstrengungen gekostet haben und im Verlauf der Jahre ein
Zeitarrangement zustande gekommen ist, mit dem die Schichtbeschäftigten einigermaßen gut leben können (siehe Kapitel 3
Soziale Aspekte). Dieses Arrangement wieder in Frage zu stellen,
bedeutet auch, den schwierigen Prozess der Neugestaltung
wiederum zu beginnen. Um die Beschäftigten von den Verbesserungen eines neuen Schichtmodells zu überzeugen, sind deshalb
umfangreiche und intensive Gespräche und Informationsveranstaltungen notwendig. Durch gute Beispiele und Argumentationen
lässt sich Überzeugungsarbeit leisten. Dennoch wird man nicht
alle Bedenken zerstreuen können, da entweder unterschiedliche
Interessen bestehen bleiben oder die eigenen positiven Praxiserfahrungen erst noch gemacht werden müssen.
Was das Vertrauen des Managements in die Belegschaft betrifft,
ist vor allem ein Wandel der Unternehmenskultur anzustreben. Die
aktive Unterstützung der Unternehmensführung in Sachen familienbewusster Arbeitszeiten ist ein wichtiger Garant dafür, dass die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Schichtarbeit gelingen kann.
Oftmals ist dies erst möglich, wenn die Unternehmensführung
einen Kulturwandel einleitet und strategisch unterstützt (z. B. in
Zielvereinbarungen und Bewertungen der Führungskräfte). Studien
zum Arbeitsfähigkeitsindex (ABI) zeigen, dass ein solcher Kulturwandel in Schichtbetrieben vor allem über den Dreiklang von betrieblicher Gesundheitsförderung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen
und guter Führung zu erreichen ist (vgl. Weiß 2011). Erfahrungen
in verschiedenen Betrieben und Verwaltungen belegen immer
wieder, wie entscheidend der Wille zur Umsetzung ist. Dafür sind
verschiedene Machtpromotoren aus dem Management, der Interessenvertretung, den Akteuren der betrieblichen Gesundheitsförderung
und den Beschäftigten selbst wichtig.
Von Seiten der Interessenvertretung wird häufig argumentiert, dass
ein neues Arbeitszeitmodell eine neue Betriebsvereinbarung erforderlich macht, die aber aufgrund von veränderten Machtkonstellationen in der aktuellen Situation nur mit größeren Abstrichen zu
realisieren sei. Dies spräche eher für eine Strategie der behutsamen
Veränderung bestehender Arbeitsmodelle.
Oft muss auch das Betriebsrats-/Personalratsgremium selbst
überzeugt werden, dass Vereinbarkeitsthemen wichtig sind. Die
Bedeutsamkeit, Gestaltbarkeit und Politikfähigkeit dieses strategischen und querschnittsorientierten Themas wird von vielen
Interessenvertretern selten erkannt. Dabei handelt es sich um ein
Themenfeld, das große Schnittmengen mit dem Arbeitgeber bietet
und deshalb weniger konfliktträchtig ist als andere Themen. Es
zeigt sich, dass Familienfreundlichkeit ein Zukunftsthema ist, das
mit vielen anderen Handlungsfeldern verbunden ist: Arbeitszeit,
Gesundheitsförderung, Personalentwicklung, Arbeitsgestaltung,
Entgeltpolitik und Geschlechtergerechtigkeit. Diese Verbindungen
lassen sich für die Beschäftigten nutzen. Betriebs- und Personalräte
können hier punkten und ihre vielfältigen Kompetenzen
verknüpfen, um auf eine familienfreundliche Betriebskultur hinzuwirken. Bei der Sensibilisierung zum Thema Vereinbarkeit innerhalb
der Betriebe und Verwaltungen können sie als Impulsgeber und
Motor wichtige Veränderungen auf den Weg bringen und sich als
aktiver Gestalter profilieren.
Die Gegenargumente der Vorgesetzten beziehen sich zum einen auf
organisatorische und betriebswirtschaftliche Bedenken und zum
anderen auf das fehlende Vertrauen in die Belegschaften.
Um den organisatorischen Befürchtungen zu begegnen, können
auch hier positive Beispiele sinnvoll sein. Gleichwohl ist die
Angst vor Veränderungen nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Neue Schichtmodelle sind oft mit neuen Anforderungen an die
Organisation verbunden, die sich aber auch positiv auswirken
können. Veränderungen in der Arbeitsorganisation bringen die
Schichtplaner in Schwung und wecken ein neues Flexibilitätspotenzial. Die Schichtbesetzung wird dynamisiert wenn z. B. Teilzeit
in Schichten eingeführt wird oder eine laufende Steuerung der
Personaleinsatzplanung erforderlich wird. Neue Wirtschaftlichkeitsreserven können über neue Steuerungsformen (z. B. Abwesenheitssteuerung) erschlossen werden, die in anderen Bereichen schon
47
14. Recht
Die folgende Übersicht gibt einen guten Überblick über die bestehenden Rechtsgrundlagen, die Anknüpfungspunkte für familienfreundliche Maßnahmen bieten.
Dem Betriebs- oder Personalrat steht eine Reihe von Gesetzen zur
Verfügung, um den Betrieb/ die Dienststelle familienfreundlicher
zu gestalten. Diese Gesetze legen verpflichtende Ziele fest, die die
Geschäftsleitung berücksichtigen muss und über deren Einhaltung
der Betriebs-/Personalrat wacht.
Themen
Rechtsgrundlage
Bemerkungen
Grundgesetz (GG)
„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“
(Art. 6 Abs. 1)
Betriebsverfassungsgesetz
(BetrVG)
„Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben […] die Vereinbarkeit von Familie
und Erwerbstätigkeit zu fördern […].“ (§ 80 Abs. 1 Nr. 2b)
Bundesgleichstellungsgesetz
(BGleiG)
für Beschäftigte im öffentlichen Dienst
„ Ziel des Gesetzes: u. a. „die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit für
Frauen und Männer zu verbessern.“ (§ 1 Abs. 1)
Besonders Abschnitt 3 Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit für Frauen und
Männer
„ Familiengerechte Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen (§ 12)
„ Förderung von Teilzeit, Telearbeit und familienbedingter Beurlaubung (§ 13 und 15)
Wechsel von Teilzeit nach Vollzeit, beruflicher Wiedereinstieg (§ 14)
Vereinbarkeit
von
Familie und Beruf Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz
(AGG)
Tarifverträge zur
Familienfreundlichkeit
Ziel: Benachteiligung aufgrund von ethnischer Herkunft, Religion, Behinderung, Alter
oder Geschlecht zu verhindern.
„ dazu gehört die Benachteiligung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft
„ Freistellung von der Arbeit wegen Betreuung von Kindern und Angehörigen
„ Arbeitszeitflexibilisierung
„ Teilzeit
„ Telearbeit
„ Elternförderung
„ Ausgestaltung der Elternzeit
„ Weiterbildungsangebote während der Elternzeit
„ Vertretungseinsätze/Projektbeteiligungen während der Elternzeit
„ Kinderbetreuung
„ Sozialzulagen/Familienzulagen
(vgl. Flüter-Hoffmann 2005 und Bispinck 2005)
48
Themen
Arbeitszeit
Rechtsgrundlage
Bemerkungen
Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
fixiert den rechtlichen Rahmen von Arbeitszeitflexibilisierung:
„ Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer/innen
„ Verbesserung der Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten
„ Schutz von Sonn- und Feiertagen
„ Beschränkung von Mehr-, Schicht- und Nachtarbeit
„ Definitionen von Arbeitszeit, Nachtarbeit, Arbeitsbereitschaft usw.
„ Berücksichtigung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse
„ Öffnungsklauseln bei Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft
Betriebsverfassungsgesetz
(BetrVG)
Initiativrecht
„Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in
folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: […]
2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie
Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit
[…].“ (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3)
„ Betriebsvereinbarung (§ 77 BetrVG) und Möglichkeit einer Einigungsstelle (§ 76
BetrVG)
Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG)
„Der Personalrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht,
gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über
1. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der
Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage […]
3. Aufstellung des Urlaubsplanes, Festsetzung der zeitlichen Lage des Erholungsurlaubs
für einzelne Beschäftigte, wenn zwischen Dienststellenleiter und den beteiligten
Beschäftigten kein Einvernehmen erzielt wird […].“ (§ 75 Abs. 3)
„ Ablehnung von Teilzeitanträgen (§ 76 Abs. Abs. 1 Nr. 8)
„ Personalvereinbarung (§§ 73, 74) und die Möglichkeit einer Einigungsstelle (§ 71)
Teilzeit- und
Befristungsgesetz (TzBfG)
Anspruch auf Verkürzung der Wochen-, Monats-, Saison- und/oder Jahresarbeitszeit
(§ 8), soweit keine betrieblichen Gründe entgegenstehen
„ auch befristete Teilzeit oder Teilzeit auf Probe sind möglich (allerdings ohne
Rechtsanspruch)
„ Mindestankündigungsfrist 4 Tage (§ 12)
Altersteilzeitgesetz (AltTZG)
möglich für alle Beschäftigten, die vor dem 1.1.2010 das 55. Lebensjahr vollendet haben
„ Bedingung: Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder schriftliche Vereinbarung
zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Arbeitsschutzgesetz
(ArbSchG)
Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung als Bestandteil eines dynamischen,
ganzheitlichen und präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
Ziele des Gesetzes:
„ menschengerechte Gestaltung der Arbeit
„ kontinuierliche Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
„ Beseitigung von arbeitsbedingten Erkrankungen
„ Grundsatz der präventiven Gefahrenbekämpfung an der Quelle
„ Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung
Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB)
„ Anspruch auf Anpassung der Arbeitszeit: (§ 611)
„ Anspruch auf Arbeitszeitänderung: (§ 315)
Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) „ Insolvenzschutz für Zeitkonten (§ 7d)
Flexigesetz I und II
Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen sowie
Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler
Arbeitszeitregelungen:
„ Sicherung und Übertragbarkeit von (Zeit-)Wertguthaben
„ v. a. Anpassungen in SGB III-VI sowie X-XI
Tarifvereinbarungen
zu Schichtarbeit:
„ Zeitbegrenzungen, Zeitkorridore, Ausgleichszeiträume
„ Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft
„ Zuschläge für Nacht- und Schichtarbeit
„ Sonderleistungen
„ Ausnahmeregelungen für Beschäftigtengruppen (z. B. Eltern, ältere Beschäftigte)
49
Themen
Elternzeit, -geld
Mutterschutz
Rechtsgrundlage
Bemerkungen
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen:
„ menschen- und behindertengerechte Arbeitsgestaltung (§ 81 Abs.4)
„ Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen (§ 81 Abs. 5)
Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)
„ Anspruch auf Einhaltung einer 5-Tage-Woche
„ Befreiung von Nachtarbeit (§ 81 Abs. 4 Ziffer 4)
„ Freistellung von Mehrarbeit (§ 124)
Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz (BEEG)
12 Monate, bzw. 14 Monate (beide Eltern) 65% des Nettoeinkommens
(max. 1.800 Euro)
„ freie Entscheidung, welcher Elternteil Elternzeit nimmt
„ bis zum 3. Geburtstag des Kindes (8. Geburtstag mit Zustimmung des Arbeitgebers)
„ Teilzeit bis zu 30 Stunden wöchentlich möglich
„ Geschwisterbonus für schnelle Geburtenfolge
„ Mindestelterngeld: 300 Euro
Mutterschutzgesetz
(MuSchG)
„ Verbot von Mehrarbeit, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit (§ 8 Abs. 1)
„ Beschäftigungsverbot für einzelne Tätigkeiten, wenn Gesundheitsgefahren für
Mutter und/oder Kind drohen (§ 3)
„ Schutzfristen: 6 Wochen vor der Entbindung; 8 Wochen nach der Geburt
(12 Wochen bei Früh- und Mehrlingsgeburten) (§ 6)
„ Stillzeiten während der Arbeitszeit
„ besonderer Kündigungsschutz
Sozialgesetzbuch V (SGB V)
„ Freistellung zur Betreuung kranker Kinder und Krankengeld (§ 45)
„ Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder
Sozialgesetzbuch VIII (SGB
VIII)
(KJHG)
Kinder- und Jugendhilfe (KJHG)
„ Insbesondere dritter Abschnitt: Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und
in Kindertagespflege
„ (Tagesbetreuungsausbaugesetz TAG)
„ steuerliche Begünstigungen von Kinderbetreuungskosten
Ländergesetze zur
Kinderbetreuung: z.B.
Kindertagesstättengesetz
(KiTaG)
Rechtsansprüche auf öffentliche Kinderbetreuung oder auf Betreuungsmöglichkeiten
für unter Dreijährige sind auf Länderebene geregelt.
Kinderbetreuung
Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) Soziale Pflegeversicherung
Pflege
Pflegezeitgesetz (PflegeZG)
Möglichkeiten zur Freistellung aus Pflegegründen:
„ 10 Tage (Kurzzeit)
„ 6 Monate
„ Pflegestützpunkte und wohnortnahe Beratung
„ Erhöhung des Pflegegeldes
Familienpflegezeitgesetz
über einen Zeitraum von zwei Jahren kann die Arbeitszeit bis zu 50 % reduzieren
werden (mit bis 75 % des Gehalts); anschließend Vollzeitarbeit mit entsprechend
reduziertem Gehalt als Ausgleich
50
schneiderei mit 2-Schichtbetrieb wollte eine Schneiderin nach der
Elternzeit in Teilzeit gehen und nur noch vormittags arbeiten. Der
Teilzeitwunsch wurde vom Arbeitgeber mit der Argumentation
verweigert, dass aus „organisatorischen Gründen“ alle Beschäftigten wechseln müssen. Dagegen verwies das Gericht darauf, dass
das Wechseln im Schichtbetrieb allein kein Ablehnungsgrund ist.
Vielmehr muss der Arbeitgeber begründen, weshalb der Arbeitszeitwunsch nicht durch Änderungen im Betriebsablauf oder durch
Ersatzkräfte realisiert werden kann.
Weitere gesetzliche Grundlagen
Da der öffentliche Dienst jeweils auf länderspezifischen Regelungen
beruht, gibt es für die Beschäftigten jedes Bundeslandes und des
Bundes gesonderte Regelungen (Bundesgleichstellungsgesetz,
Landesgleichstellungsgesetze; Bundes- und Landespersonalvertretungsgesetze; Bundesbeamtengesetz). Die Inhalte der jeweiligen
Landesregelungen unterscheiden sich teilweise in ihrer Reichweite.
Einen guten Überblick dieser gesetzlichen Grundlagen und ihrer
Anknüpfungspunkte für familienbewusste Maßnahmen in der
Dienststelle bietet die Broschüre „Vereinbarkeit von Familie und
Beruf für Personalräte“; S.27 – 38 (http://familie.dgb.de/service/
bildungsarbeit/dgb-broschuren/++co++025d1a26-4e3f-11e0568a-00188b4dc422). Die umfangreichste Literatur zum Thema
Recht und Vereinbarkeit von Familie und Beruf finden sie im Juris
Praxiskommentar (Düwell u. a. 2009).
Faktorisierung der Arbeitszeiten
Um die negativen Folgen von jahrelanger Schichtarbeit zu
reduzieren, ist es empfehlenswert, eine Faktorisierung der
Arbeitszeiten in Schichtarbeit vorzunehmen. Ein Beispiel, wie
verschiedene Modelle aussehen, gibt die Gewerkschaft der
Polizei. Je nach Modell werden entweder die in Schicht geleisteten
Jahre gezählt oder stundenweise auf ein Lebensarbeitszeitkonto
verbucht. Im ersten Modell könnte z. B. nach 30 Schichtjahren
ein Faktor zwischen 1,05 und 1,45 angerechnet werden, so dass
1,5 bis 15 Jahre Zeitgewinn resultieren und die Beschäftigten
entsprechend früher verrentet werden könnten. Im zweiten Modell,
in dem die einzelnen Schichten faktorisiert und z. B. auf ein Lebensarbeitskonto gutgeschrieben werden, würde ein 8-Stunden-Dienst
mit dem Faktor 1,5 dann eine Gutschrift von 12 Stunden bedeuten
(http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/Posa/$file/PosSchichtEndstand.
pdf).
Auf Länderebene gelten solche Regelungen bereits für Beamte
und Beamtinnen. In Rheinland-Pfalz ist geplant das Rentenalter für
Polizisten/innen im gehobenen Dienst auf 62 Jahre und im höheren
Dienst auf 64 Jahre zu reduzieren. Dabei sollen auch die geleisteten
Schichtdienstzeiten faktorisiert werden (vgl. Gewerkschaft der
Polizei 2011).
Probleme bei der Gewährung von Teilzeit
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz gilt in ganz Deutschland für
(fast) alle Beschäftigungsverhältnisse. Gegen die Einführung von
Teilzeit werden verschiedene Begründungen ins Feld geführt.
Rechtlich sind diese Gründe relevant, wenn sie einer nachweisbaren und nachvollziehbaren Entscheidung der Arbeitsorganisation
entspringen. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (§ 8 Abs. 4, TzBfG)
nennt vier Ablehnungsgründe: 1. Unverhältnismäßige Kosten
(Kosten, die eine besondere Teilzeitbeschäftigung verursacht); 2.
wesentliche Beeinträchtigung im Betrieb; 3. wesentliche Beeinträchtigung der Organisation oder des Arbeitsablaufs (z. B. Teilzeit
läuft den Anforderungen und/oder der Betriebsvereinbarung des
Schichtsystems zuwider oder verursacht lange Übergabegespräche);
4. keine Ersatzkraft. Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts SchleswigHolstein (Az.: 3 SaGa 14/10 vom 15. 12. 2010) stärkt eher die
Rechte der Arbeitnehmer/innen auf Teilzeit. In einer Änderungs-
51
15. Dienst- und Betriebsvereinbarungen
zu familienbewusster Schichtarbeit
Betriebs- und Dienstvereinbarungen sind geeignet, Grundsätze
einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Betrieb zu
verankern und den verbindlichen Handlungsrahmen zu schaffen. Bei
der Familienfreundlichkeit in der Arbeitswelt hat sich in den letzten
Jahren einiges bewegt. Aber nach wie vor bestehen in nur 10 Prozent
der Unternehmen Betriebsvereinbarungen und in 20 % der öffentlichen Einrichtungen Dienstvereinbarungen dazu; d. h. das Regelungspotenzial ist nach wie vor groß. Gerade in Schichtbetrieben fehlt
dieser Ansatz in Betriebs-/Dienstvereinbarungen oft noch komplett.
Anschließend werden in den Vereinbarungen oft Teilzeitmöglichkeiten geregelt, die für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
wichtig sind:
„… möchte die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter Teilzeit arbeiten,
soll diesem Wunsch entsprochen werden.“(Fahrzeughersteller
Kraftwagen)
„Teilzeit ist grundsätzlich auf allen Stellen/Funktionen des Betriebes
möglich. Teilzeitarbeit wird nur auf freiwilliger Basis geleistet; der
Umfang und die Festlegung der Arbeitszeiten einer Teilzeitkraft
sollen einvernehmlich geregelt werden. Mit der Reduzierung der
Arbeitszeit dürfen keine Arbeitsintensivierung, keine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sowie des Arbeitsplatzes verbunden
sein.“ (Gastgewerbe)
Die Abteilung Mitbestimmung der Hans-Böckler-Stiftung sammelt
und analysiert kontinuierlich Betriebs- und Dienstvereinbarungen
zu bestimmten Themenfeldern. Das folgende Kapitel bezieht sich in
erster Linie auf die Ergebnisse der Auswertung zum Thema „Flexible
Schichtsysteme“ von Hiltraud Grzech-Sukalo und Kerstin Hänecker.11
Eine weitere Auswertung der Abteilung Mitbestimmung der
Hans-Böckler-Stiftung zum Thema „Diskontinuierliche Schichtsysteme“ (Grzech-Sukalo; Hänecker 2011) hat 105 Betriebsvereinbarungen analysiert. Die Einführung diskontinuierlicher Schichtsysteme zielt meist auf eine Verlängerung der Maschinenlaufzeiten
und damit auf eine Ausdehnung der Betriebszeiten – oft verbunden
mit einer Verlängerung der individuellen Arbeitszeiten ab. Die
Auswertung zeigt, dass die Variationen bei diskontinuierlichen
Schichtsystemen vielfältig sind. Nicht selten wird angestrebt, bestehende Arbeitsplätze zu sichern oder neue zu schaffen, wenn es z. B.
gehäuft Mehrarbeit und Überstunden gibt. Häufig wird allgemein
als Ziel der Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Rücksichtnahme
auf soziale Belange der Beschäftigten des Betriebes genannt. Im
Folgenden zeigen wir einige Beispiele für Regelungsfelder bezüglich
einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in diskontinuierlichen Schichtsystemen:
Hier drei Beispiele für die recht allgemeinen Formulierungen zur
Familienfreundlichkeit bzw. zum Ausgleich der zeitlichen Interessen
von Beschäftigten und Arbeitgeber aus Schichtbetrieben dieser
Auswertung.
„Die Bereitstellung von Arbeitsplätzen mit familienfreundlichen
Arbeitszeitformen, wie z. B. Teilzeitarbeitsplätze ist eine wesentliche
Voraussetzung für die Erreichung der Ziele dieser Vereinbarung. Die
Arbeitszeit soll sowohl den Belangen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als auch den betrieblichen Interessen entgegenkommen.“
(Gummi- und Kunststoffherstellung)
Dem hohen Stellenwert entsprechend wird das Thema Arbeitszeit
meist in einem eigenen Absatz/Paragraphen behandelt, der mit
einer allgemeinen Absichtserklärung eröffnet wird.
Einige Betriebsvereinbarungen regeln Ausgleichstage, die Beschäftigte entlasten sollen. Diese werden entweder im Voraus im
Schichtplan eingetragen oder können weitgehend von den Beschäftigten bestimmt werden. Eine solche Regelung gewährt den Betroffenen mehr Zeitautonomie, während die Festlegung im Voraus eine
große Planungssicherheit bedeutet. Überwiegend wird ein Freizeitausgleich für Arbeit an ungünstigen Tagen oder zu ungünstigen
Zeiten gegenüber einem finanziellen Ausgleich bevorzugt.
„Es sind flexible Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, so dass den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Wünschen nach besonderen
Arbeitszeitregelungen im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten
ein entsprechender Arbeitsplatz angeboten werden kann.“ (Papiergewerbe)
11 Für die Thematik familienbewusste Schichtarbeitsgestaltung sind vorrangig die
folgenden veröffentlichten Auswertungen relevant „Chancengleich und familienfreundlich“ (Maschke; Zurholt; 2006), „Flexible Schichtsysteme“ (Grzech-Sukalo;
Hänecker; 2010) und „Diskontinuierliche Schichtsysteme“ (Grzech-Sukalo;
Hänecker 2011).
52
In der Regel werden in (diskontinuierlichen) Schichtsystemen
Vollzeitkräfte eingesetzt. Teilzeitkräfte müssen jedoch nicht von
vornherein ausgeschlossen sein. Für sie wird die Arbeitszeit im
Schichtsystem anteilig geregelt, andernfalls ist eine extra Betriebsvereinbarung vorgesehen. Dies erfordert einigen planerischen und
organisatorischen Mehraufwand.
genden Auszug wird zumindest auf die Ebene verwiesen, auf der
dies geregelt werden sollte.
Besondere Personengruppen werden oft gänzlich aus dem Schichtbetrieb herausgenommen. Frauen im Mutterschutz werden zum
Beispiel nicht selten vorrangig in den Frühschichten beschäftigt.
Bewährte Instrumente, um Schichtsysteme zu flexibilisieren, sind
Gleitzeit, die vorübergehende Ausdehnung oder Verkürzung
einzelner Schichten oder der Wechsel von Schichtsystemen. Dieser
wird in den Betriebsvereinbarungen detailliert geregelt.
Für die Organisation der Schichtbelegschaft kann auch die
Abteilung oder das Team zuständig sein.
„Die Personaleinsatzplanung erfolgt auf Gruppenebene unter
weitestgehender Berücksichtigung der Mitarbeiterwünsche.“
(Maschinenbau)
„Jedes Team hat die Aufgabe, die Arbeits- und Freizeiten
(z. B. Urlaub) der einzelnen Mitarbeiter so zu organisieren, dass
jeweils die definierte Schichtstärke erreicht wird. Die übrigen Mitarbeiter belegen jeder ein so genanntes Zeitfenster.“ (Chemische
Industrie)
Die Auswertung „Flexible Schichtsysteme“ zeigt, welche
Regelungstrends zur flexiblen Gestaltung von Schichtarbeitssystemen bestehen und wie die betrieblichen Akteure das Thema
aufgreifen. Sie bildet die betriebliche Regelungspraxis ab und gibt
Anregungen für die Gestaltung eigener Vereinbarungen. Vorgestellt
werden im Folgenden die Regelungsfelder, in denen Bezug auf
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf genommen wird, jeweils
veranschaulicht durch entsprechende Passagen aus anonymisierten
Betriebsvereinbarungen:
Eine solche Vereinbarung stärkt die Eigenverantwortung und damit
oft die Arbeitszufriedenheit und erhöht gleichzeitig die Planungsgenauigkeit im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein
solches Vorgehen setzt allerdings eine funktionierende demokratische Teamarbeit voraus.
c) Arbeitszeitkonten
Flexibilisierung durch Arbeitszeitkonten wird zunehmend auch für
Schichtdienstleistende genutzt. Sie werden oft als Freizeit- oder
Freischichtkonten bezeichnet. Ziel ist es, die Arbeitszeit kontrolliert
zu verwalten, sowohl durch den Betrieb als auch durch die Beschäftigten selbst.
a) Ziele von Vereinbarungen zu flexiblen Schichtsystemen
Die meisten Präambeln berücksichtigen neben der Anpassung
an den betrieblichen Bedarf die Bedürfnisse der Beschäftigten
bei der Zielsetzung. Die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten individuell zu gestalten soll die Zeitsouveränität der Beschäftigten
erhöhen und sie motivieren; z. B. durch bessere Planbarkeit
ihrer Schichtarbeitszeiten, geringere Belastung und erhöhte
Eigenverantwortlichkeit. Hier ein Formulierungsbeispiel aus einer
Präambel:
„Für alle Mitarbeiter wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. Auf
diesem werden die Abweichungen zwischen tariflich wöchentlicher
und der sich daraus ergebenden täglichen Arbeitszeit einerseits
und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit andererseits registriert.“
(Metallerzeugung und -bearbeitung)
Häufiger wird der Abbau der Plusstunden durch Freizeit und/oder
Freischichten geregelt. Auch wenn betriebliche Belange Vorrang
haben, können Beschäftigte in der Regel nach Absprache mit dem
Vorgesetzten Freischichten „entnehmen“, die z. B. der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienen. Betriebliche Gründe dagegen
beziehen sich meist auf die Mindestbesetzung der Schichten, die
gewährleistet sein muss.
„Ziel dieser Vereinbarung ist die Schaffung eines Schichtsystems,
das auf die Anforderungen von Mitarbeitern und Unternehmen
eingeht. […] Flexible Gestaltungsmerkmale sollen Unternehmen
wie Mitarbeiter gleichermaßen profitieren lassen.“ (Mineralölverarbeitung)
In anderen Fällen werden auch allgemeine Ziele des Gesundheitsschutzes für die Beschäftigten vereinbart.
„Der Zeitausgleich kann in Absprache mit dem Vorgesetzten
stunden-, tage- oder wochenweise erfolgen. Dem Antrag des
Arbeitnehmers muss stattgegeben werden, es sei denn, nachvollziehbare dienstliche oder betriebliche Gründe sprechen dagegen.“
(Gesundheit und Soziales)
„Ziel dieser Betriebsvereinbarung ist die Steuerung des Mitarbeitereinsatzes im Schichtbetrieb, um die Ressourcen besser zu planen
und auf der anderen Seite die Belastung der Mitarbeiter durch
Schichtarbeit so gering wie möglich zu halten.“ (Papiergewerbe)
b) Regelungen zur Flexibilisierung von Schichtsystemen
Viele Vereinbarungen berücksichtigen bei der Personaleinsatzplanung neben den betrieblichen Belangen ausdrücklich auch
Beschäftigtenwünsche. Formulierungen dazu bleiben oft zunächst
allgemein und geben kaum Umsetzungshinweise. Im nachfol53
d) Langfristige Planung
Idealerweise ist die flexible Arbeitsgestaltung für die Beschäftigten
planbar. Dafür sollte eine Grundplanung über einen längeren
Zeitraum erstellt werden. Später können sowohl betriebliche
Schwankungen als auch Beschäftigtenwünsche integriert werden.
Durch diese Grundplanung wird die Schichtarbeit für die Beschäftigten vorhersehbarer und damit zuverlässiger; Familienleben und
Freizeitaktivitäten können eher darauf abgestimmt werden.
„Für jeden Mitarbeiter gilt, dass maximal 10 % seiner Schichten
flexible Schichten sein dürfen.“ (Telekommunikationsdienstleister)
e) Kurzfristige Absprachen
In Absprache mit Vorgesetzten und Kollegen kann ein/e
Beschäftigte/r von sich aus eine kurzfristige Reduzierung der
Arbeitszeit beantragen (aus Vereinbarkeitsgründen wichtig, z. B.
beim Eintreten von Pflegefällen): Dies kann sich auf den Ausfall
ganzer Schichten beziehen oder die Verkürzung einer Einzelschicht,
wie der folgende Auszug zeigt.
„Aufgrund der jährlichen Absatzplanung wird im Dezember für
die Produktionsabteilungen eine individuelle Produktionsplanung
erstellt. Darin wird die voraussichtliche monatliche Arbeitszeit pro
Abteilung oder Maschine für das nächste Jahr im Voraus geplant.
Die Planungen werden jährlich per Aushang bekannt gegeben
und im laufenden Jahr monatlich mit dem Betriebsrat abgestimmt.
Treten grundlegende Änderungen auf, wird der Jahresplan im
laufenden Jahr geändert.“ (Papiergewerbe)
„Ein Mitarbeiter kann kurzfristig auf seinen Wunsch die Verkürzung
der Schicht beantragen. Der Vorgesetzte soll diesem Wunsch
nachkommen, soweit keine betrieblichen Gründe entgegenstehen,
insbesondere die Mindestbesetzung gewährleistet ist und der
Freizeitausgleich der Steuerung der Zeitsalden dient.“ (Gesundheit
und Soziales)
Auch Freischichten sollten für die Beschäftigten planbar sein, damit
sie ihr Arbeits- und Privatleben gut aufeinander abstimmen können.
f) Gleitzeit, Arbeitszeitkorridore
Gleitzeitregelungen bei Nacht- und Schichtarbeit regeln vor
allem Spielräume beim Schichtwechsel. Für eine funktionierende
Schichtübergabe müssen Zeitgrenzen für die Gleitzeitspanne
festgelegt sein, innerhalb derer die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten (weitgehend) selbst einteilen können. Diese Gleitzeitspanne
entspannt die Zeitsituation für pflegende Beschäftigte und Eltern
und ist damit oft eine sehr hilfreiche Maßnahme zur besseren
Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier ein Beispiel für eine
entsprechende Formulierung.
„Die Verteilung von Freischichten wird im Voraus festgelegt und
dem Mitarbeiter monatlich mitgeteilt.“
Die Beschäftigten können über die Lage von Arbeits- oder
Freischichten mitentscheiden. Nachfolgend ist dies für die Planung
zusätzlicher Schichten im Jahr geregelt.
„Die Vertragsparteien vereinbaren, dass unabhängig von der
tatsächlich verplanten Arbeitszeit pro Mitarbeiter 22 zusätzliche
Schichten geleistet werden müssen. Von den Ausgleichsschichten
werden 11 Schichten vom Mitarbeiter in Absprache mit dem
Schichtmeister festgelegt (Mitarbeiterschichten).“ (Mineralölverarbeitung)
„Bei einer Planung mit Schichtrahmenmodellen gilt ein Gleitzeitfenster von 30 Minuten flexibler Gleitzeit (-15 bis +15 Minuten um
den hinterlegten Start-/Endzeitpunkt, je zu Beginn und Ende der
Schicht).“ (Telekommunikationsdienstleister)
In langfristig geplanten Schichtsystemen werden Anzahl und Lage
flexibler Schichten festgelegt. In diesem Fall können vorhersehbare
Schwankungen im betrieblichen Bedarf genutzt werden, um
Freischichten zu gewähren.
Die Akzeptanz von Schichtsystemen und die Arbeitszufriedenheit
wachsen, wenn die Beschäftigten an der Schichtplangestaltung
beteiligt werden. Das gilt auch für kurzzeitige Wechsel von
Schichtsystemen in Form zusätzlicher Schichten. Laut folgender
Vereinbarung werden die Wünsche der Beschäftigten so berücksichtigt.
„In den Schichtrahmenmodellen sind bedarfsorientierte flexible
Schichten enthalten, bei denen ausschließlich die Arbeitstage und
freien Tage definiert sind. Die Schichten und die Schichttage sind
nicht definiert.“ (Telekommunikationsdienstleister)
„Der Bedarf zur Nutzung der zusätzlichen Schichten ergibt sich
aus der Belegung der Gruppen und wird anhand der Belegungsdaten in der Gruppe festgestellt. Die Personaleinsatzplanung erfolgt
auf Gruppenebene unter weitestgehender Berücksichtigung der
Mitarbeiterwünsche.“ (Unternehmensbezogene Dienstleistungen)
Ein begrenzter Umfang möglicher flexibler Schichten für den
einzelnen Beschäftigten garantiert, dass in den Schichten ausreichend Personal vorhanden ist. Zudem bleiben Minus- oder
Plusstunden im vereinbarten Rahmen bzw. ist ein zeitnaher
Ausgleich möglich. Im Folgenden ist festgelegt, dass nur ein
bestimmter Prozentsatz von Schichten flexibel sein darf. Auch das
trägt zu mehr Planbarkeit von Arbeits- und Freizeit bei.
Wie dies in einem konkreten Schichtsystem umsetzbar ist, sollte
im Voraus festgelegt werden. Angemessene Ankündigungsfristen
gewähren hierbei Planungssicherheit. Für die Beschäftigten gehört
dazu auch ein vorhersehbarer Schichtplanrhythmus, in dem nicht
nur die Arbeitszeiten festgelegt sind, sondern auch die sich aus der
Schichtfolge ergebenden Ruhe- und Freizeiten. Aus der Vereinbarkeitsperspektive und nach arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen
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sollte ein Schichtplan übersichtlich und vorhersehbar sein, was
folgende Formulierung klar vorgibt.
„Der Schichtplanrhythmus der einzelnen Mitarbeiter soll nicht
verändert werden.“ (Verlags- und Druckgewerbe)
g) Beteiligung von Beschäftigten
Bei der Gestaltung von Schichtsystemen sollten von Beginn an
neben Arbeitgeber und Interessenvertretung auch Beschäftigte der
betroffenen Abteilungen einbezogen werden. Die Beteiligung sollte
zumindest eine innerbetrieblich transparente Information über die
Ziele und den Entwicklungs- und Umsetzungsprozess sowie eine
Wahlmöglichkeit aus verschiedenen Vorschlägen zuvor entwickelter
Schichtmodelle umfassen. Vor allem die Lage der Freischichten
ist für das Sozialleben, die Familie und die Freizeitplanung der
Beschäftigten von Bedeutung. In Absprache mit den Vorgesetzten
können sowohl der Personalbedarf als auch (familienbedingte)
Beschäftigtenwünsche berücksichtigt werden, wie die folgende
Vereinbarung vorsieht.
„Bei der Erstellung der monatlichen Arbeitszeitpläne sind – soweit
nicht betriebliche Interessen dem entgegenstehen – die persönlichen Wünsche der Mitarbeiter zu berücksichtigen (z. B. ungeplante
Urlaubstage oder Freizeitausgleich).“ (Metallerzeugung und
-bearbeitung)
tigten oft Arbeitsbeginn und Arbeitsende selbst bestimmen, solange
die Grenzen für Gleit- und Kernzeit eingehalten werden.
„Die Mitarbeiter […] können den Beginn und das Ende der
täglichen Arbeitszeit innerhalb des jeweiligen Gleitzeitrahmens […]
selbst gestalten.“( Maschinenbau)
Eine Flexibilisierung von Schichtsystemen wird z. B. durch Gleitzeit,
evtl. mit Kernarbeitszeiten geregelt. Dabei können die Beschäf-
In der Schichtarbeit muss dieser zeitliche Spielraum meist mit
Kollegen und Vorgesetzten abgestimmt werden.
h) Ankündigungsfristen beim Wechsel von Schichtsystemen
Bei flexiblen Schichtsystemen mit bedarfsgesteuerten Wechseln ist
die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit der Arbeitszeiten besonders
heikel. Angemessene Ankündigungsfristen im Sinne der arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen zu Nacht- und Schichtarbeit (§ 6
ArbZG) sind zu berücksichtigen. Dies gilt besonders in Bezug auf
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, damit hier gute Arrangements und Lösungen gefunden werden können.
„Die Mitteilungsfrist bei erstmaliger Einführung von Schichtarbeit
oder einem Wechsel in ein anderes Schichtmodell gegenüber den
Mitarbeitern beträgt zwei Wochen.“ (Informationstechnikhersteller)
Insgesamt lässt sich feststellen, dass in Schichtsystemen die
betrieblichen Arbeitszeitschwankungen reduziert werden können,
Planbarkeit und Vorhersehbarkeit steigen und größere Spielräume
für die Beschäftigten eingefügt werden können. In vielen Betriebs-/
Dienstvereinbarungen werden diese Ziele und Begrifflichkeiten
jedoch nicht präzise geregelt. Diese können in nachfolgenden
Regelungen/Ergänzungen genauer aufgeschlüsselt und auch in
Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konkretisiert
werden.
55
16. Beispiele guter Praxis
A) Klinikum Delmenhorst
stark von den jeweiligen Chefärzten oder Leitungen ab.
Beim Thema Kinderbetreuung besteht eine enge Kooperation
zwischen Krankenhaus und der Stadt, die auf dem Krankenhausgelände eine neue Kita errichtet. Das Krankenhaus beteiligt sich
an den Betriebskosten und erhält im Gegenzug ein Kontingent
an Belegplätzen, was für viele Eltern eine enorme Erleichterung
bringen wird. Außerdem hat es den positiven Nebeneffekt, dass
die Attraktivität des Krankenhauses als örtlicher Arbeitgeber erhöht
wird.
Für Beschäftigte mit Pflegeaufgaben bestehen Möglichkeiten zur
Arbeitszeitreduzierung, um Pflege und Beruf zu vereinbaren. Weiter
wurde im Rahmen des Audits Beruf und Familie das Beratungsangebot des Sozialdienstes um unterstützende Dienstleistungen
für pflegende Beschäftigte erweitert. Darüber hinaus bestehen
Kontakte zu städtischen Einrichtungen, die beim Thema Pflege
beraten und helfen können.
Auch in der betrieblichen Gesundheitsförderung werden
verschiedene Aktivitäten durchgeführt, die der Vereinbarkeit von
Familie und Beruf zugute kommen, wie der Gesundheitstag oder
Angebote zu Rückenschulung, Aqua-Fitness oder Walking. Teilweise
können die Beschäftigten auch von den Therapeuten im Haus
profitieren, z. B. durch die Inanspruchnahme der physikalischen
Therapie.
Im Klinikum Delmenhorst arbeiten 718 Beschäftigte, 81 % Frauen
und ca. 400 Beschäftigte im Schichtdienst (ohne den Bereitschaftsdienst). Die Teilzeitquote beträgt 43 % und wird fast ausschließlich
von Frauen in Anspruch genommen. In Elternzeit befinden sich
zurzeit ca. 30 Beschäftigte.
Besonderheiten
Sowohl bei den Ärzten als auch beim Krankenhausfachpersonal leidet die Region bereits unter Fachkräftemangel. Das
Mittelzentrum Delmenhorst ist bemüht, in Konkurrenz zu den
Nachbarstädten Bremen und Oldenburg, die eigene Attraktivität
zu erhöhen. Immer stärker setzt sich auch im ärztlichen Bereich die
Möglichkeit zur Teilzeitausbildung durch, die die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf sehr erleichtert.
Das zunehmende Durchschnittsalter der Beschäftigten und die
ungleiche Altersverteilung werden als problematisch gesehen. Die
meisten Beschäftigten sind zwischen 40 und 50 Jahre alt, jüngere
oder ältere Beschäftigtengruppen sind kaum vertreten, so dass
eine große homogene Gruppe älter wird. Allmählich zeichnet
sich in dieser Gruppe ab, dass mit beginnenden gesundheitlichen
Problemen die Zeit bis zur Rente nicht so leicht zu bewältigen ist.
Verschärfend kommt der Wegfall der Altersteilzeit hinzu, die bei
vielen Beschäftigten nach jahrelangem Schichtdienst sehr beliebt
war. Auch der Charakter der Beschäftigung hat sich vor allem für
Frauen im Pflegebereich gewandelt; Beschäftigte sind dort längst
nicht mehr die klassischen Zuverdienerinnen, sondern oft in einer
Hauptverdienerposition.
Arbeitszeiten
Im Krankenhaus mit durchgängigem Betrieb muss die Arbeitszeit
rund um die Uhr organisiert werden, um die Patientenversorgung
zu gewährleisten, was besonders in der Urlaubszeit schwierig ist.
Charakteristisch für die Arbeitszeitgestaltung ist ein Schichtsystem,
das zum einen Stück für Stück humaner und familienfreundlicher
gestaltet wird und zum anderen sowohl für Teilzeit- als auch für
Vollzeitbeschäftigte sehr verschiedene, individuelle Arbeitszeitvarianten anbietet. Auch in den Abteilungen herrscht eine große
Vielfalt an unterschiedlichen Zeitpraxen. Allerdings hängen die
Realisierungschancen davon ab, ob es gelingt, sich gegen die
betrieblichen Anforderungen durchzusetzen und welche Arbeitszeitoptionen durch das Team ermöglicht werden können.
In der Regel werden die Arbeitszeiten für Vollzeitbeschäftigte in
einem klassischen Dreischichtbetrieb mit Früh-, Spät- und Nachtschicht organisiert, wobei die typische Frühschicht im Pflegebereich um 5:48 Uhr beginnt und um 14:00 Uhr endet (Spätdienst:
12:30–20:42 Uhr, Nachtdienst: 20:15–6:15 Uhr). In der Nacht
Familienbewusste Rahmenbedingungen
Während der Elternzeit werden die Mütter und Väter zu den
Abteilungsbesprechungen eingeladen, wo sie über betriebliche
Veränderungen auf dem Laufenden gehalten werden. Außerdem
besteht die Möglichkeit sich bei innerbetrieblichen Weiterbildungen
zu qualifizieren. Auch über die regelmäßig erscheinende Mitarbeiterzeitung bleibt der Kontakt zum Krankenhaus erhalten. Im
Auditierungsverfahren „Beruf und Familie“ wird nun versucht, die
verschiedenen Aktivitäten zu systematisieren und diejenigen Abteilungen zu ermuntern, aktiver zu werden, die sich bisher zurückgehalten haben. Denn oft hängt das familienbewusste Engagement
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wird mit ausgedünnten Schichten gearbeitet, so dass ca. drei
Nachtschichten pro Monat anfallen. Meist wird fünf Tage in Frühund fünf Tage in Spätschicht bearbeitet. Daneben gibt es eine
Reihe von individuellen Ausnahmen. Verschiedene Abteilungen
haben noch eine 5,5-Tage Woche, in den meisten Abteilungen
ist die 5-Tage-Woche etabliert. In einer Abteilung wurde ein
Zwischendienst entwickelt der erst um 7:00 Uhr morgens beginnt
(bis 15:12 Uhr) und von dem gerade Menschen mit Familienaufgaben profitieren, da die Unterbringung der Kinder im Kindergarten um 7 Uhr wesentlich einfacher gelingt. Auch das Ende des
Mitteldienstes ist variabel. Diese Einzelfallregelungen waren so
populär, dass sie in anderen Abteilungen übernommen wurden.
größer, wenn sich das Team schon lange kennt, als wenn ein neues
Mitglied mit Betreuungsaufgaben Rücksichtnahme einfordert.
Hieraus können sich unter Umständen Konflikte ergeben, die die
Position im Team schwächen.
Wer also am längsten im Team ist, hat oft die meisten Rechte und
in der Regel gilt, dass jüngere Beschäftigte weniger Spielräume
haben, ihre Vereinbarkeitssituation zu verbessern. In der Praxis
ergeben sich daraus sehr unterschiedliche Bedingungen in den
Abteilungen. Es gibt Teams in denen fast alles möglich ist – von
früher gehen bis zu Wunschdienstplänen – und es gibt Teams, in
denen wenig Spielräume zur Verfügung stehen.
Voraussetzung für die Realisierung der Arbeitszeitwünsche ist,
dass sie in die betrieblichen Abläufe passen. Für die Krankenhausleitung steht im Vordergrund, dass bei Arbeitszeitfragen die
Patientenversorgung vorgeht. Hinzu kommt, dass im Krankenhaus
die klassischen hierarchischen Strukturen vorherrschen (Schichtleitung, Stationsleitung, Bereichsleitung, Pflegedirektion). So kann
es in bestimmten Abteilungen vorkommen, dass sich die Dienstpläne stark an den ökonomischen Interessen orientieren. Setzen
sich diese Leitungen zu oft durch, besteht die Gefahr, dass das
Team auseinandergesprengt wird, woran die Leitung kein Interesse
haben kann. Hat sich das Verhältnis zwischen Team und Leitung
eingespielt, kann die Hierarchie auch ein Vorteil sein, da die Teams
relativ autonom handeln können, solange es gut läuft und keine
Anweisungen von oben kommen.
In der Praxis stellt sich ein abteilungsspezifisches Geben und
Nehmen ein, bei dem das Team einige Entscheidungsspielräume
hat und individuelle Flexibilität ermöglicht, wenn im Gegenzug
bei personellen Engpässen die Beschäftigten einspringen. In
diesem Spannungsverhältnis kann es immer wieder zu Ungerechtigkeiten kommen, wenn von der Leitung Erwartungshaltungen
an die Beschäftigten bestehen, die kaum zu erfüllen sind oder
die Hilfsbereitschaft der Beschäftigten ausgenutzt wird. Dann ist
der Betriebsrat gefragt, der Leitung Grenzen zu setzen und die
Interessen der Beschäftigten zu stärken. Aber auch in Phasen
des Pflegenotstandes war es wichtig, den Arbeitgeber damit zu
konfrontieren, dass durch die Arbeitszeitbedingungen Pflegebeschäftigte zur Konkurrenz der ambulanten Pflege abgewandert
sind.
Teilzeitbeschäftigte machen in der Regel volle Schichten und
reduzieren ihre Arbeitszeiten durch mehr Freischichten. Aber auch
hier gibt es viele Variationsmöglichkeiten: Verkürzte Mittelschichten,
Beschäftigte im OP, die nur vormittags (8 bis 12 Uhr) eingesetzt
werden, Wochenarbeitszeiten bis zu 8 Stunden (vier Nachtschichten
im Monat) oder eine Dauernachtwache, die ein bis zwei Mal pro
Monat drei Nächte hintereinander arbeitet. Früher waren sieben
Schichten hintereinander möglich; jetzt sind diese gesundheitlich
bedenklichen Schichten, die gerade bei Beschäftigten mit Familienaufgaben sehr beliebt sind, auf drei Nachtschichten hintereinander
begrenzt. Auch durch die Überzeugungsarbeit des Betriebsrates
setzt sich die Erkenntnis der gesundheitlichen Bedenklichkeit von
Nachtschichten durch.
Die Teilzeitlösungen sind in der Regel auf einen Zeitraum befristet,
um die Rückkehr zur Vollzeit zu erleichtern.
Weiter gibt es im Verwaltungsbereich eine Gleitzeitregelung und
Bereitschaftsdienste, die einen Teil der Ärzte und den medizinischtechnischen Bereich (Labor, Röntgenabteilung, OP, Anästhesie)
betreffen. Für Beschäftigte mit Betreuungsaufgaben gibt es die
Möglichkeit sich von den Bereitschaftsdiensten befreien zu lassen.
Allerdings muss dies wiederum im Team verhandelt werden.
Für Mehrarbeit wurden Zeitkonten eingeführt, die innerhalb eines
Monats ausgeglichen werden sollen. Hier besteht nach Ansicht des
Betriebsratsvorsitzenden noch Handlungsbedarf, da nicht geregelt
ist, wie die Überstunden abgebaut werden. Für Teilzeitbeschäftigte
ist die Auszahlung wegen der ungünstigen Steuerklasse meist nicht
attraktiv.
Umsetzungsprozess
Die Veränderungen der Arbeitszeiten haben sich in einem längeren
Umbruchprozess entwickelt. Dabei sind in den letzten Jahren auch
die betrieblichen Strukturen mit gewachsen. Ausgangspunkt waren
Arbeitszeiten mit einer 6-Tage-Woche und Arbeitsblöcken von zwölf
Tagen Arbeit hintereinander und anschließenden zwei freien Tagen.
Das Aufbrechen dieser Strukturen und die Etablierung einer 5-TageWoche hat relativ viel Zeit in Anspruch genommen. Dieser Prozess
ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Eine Strategie, um das Ziel
einer menschengerechten Schichtplangestaltung zu erreichen, war
es, den Anteil der Teilzeitbeschäftigten zu erhöhen. Damit wurde
ein Kulturwandel eingeleitet, der einerseits die alten Zeitmuster
ablöste und andererseits das Selbstbewusstsein der Beschäftigten
Flexibilität
Die individuellen Zeitoptionen werden vor allem durch das
Spannungsverhältnis zwischen Teamerfordernissen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen begrenzt.
Grundsätzlich sind Wechsel in andere Teams möglich. Diese
werden aber selten genutzt, da die Teams meist schon seit Jahren
bestehen und zum guten Betriebsklima beitragen. Das Team ist
die zentrale Institution, in der individuelle Regelungen getroffen
werden können. Je höher die sozialen Kompetenzen im Team, desto
besser funktionieren Ausnahmeregelungen. Oft sind die Durchsetzungsmöglichkeiten deshalb von der Zusammensetzung des
Teams abhängig. Das gegenseitige Verständnis ist normalerweise
57
und wird. Ansonsten besteht die Hauptaufgabe der Interessenvertretung darin, zum einen die überbordenden Ansprüche des
Arbeitgebers zurückzuweisen und zum anderen, den Beschäftigten
den Rücken zu stärken. Durch die Stärkung der individuellen Durchsetzungsmöglichkeiten soll der kulturelle Wandel forciert werden.
Vielfalt und neue Initiativen sollen zugelassen werden ohne die
kollektiven Interessen aus dem Blick zu verlieren.
Auch beim nächsten anstehenden Thema, dem demografischen
Wandel, sollen auf diese Weise Konzepte gefunden werden, wie
Arbeitsabläufe und Arbeitszeitgestaltung angepasst werden
können.
Last but not least verweist Arthur Harms auf die schwierigen
gesellschaftspolitischen Bedingungen der Krankenhäuser. Die
Konditionen müssen hier dringend verbessert werden, um eine gute
Pflege zu gewährleisten und gleichzeitig die Arbeitsverdichtung der
Beschäftigten zu verhindern, damit deren Vereinbarkeit von Familie
und Beruf gelingen kann.
stärken sollte, ihre Zeitbedürfnisse in die Praxis umzusetzen.
Der Betriebsrat musste zunächst viel Arbeit investieren, um die
tariflichen Möglichkeiten der Arbeitszeitreduzierung aus familiären
Gründen zu verbreiten. Dabei wurden auch härtere Konflikte und
die Anrufung der Einigungsstelle nicht gescheut, um die Teilzeitwünsche der Kollegen/innen umzusetzen. Mittlerweile gehört es zur
Normalität Teilzeit anzubieten.
Ein weiterer Schwerpunkt der Betriebsratsarbeit lag auf der
Sensibilisierung für Vereinbarkeitsthemen. Beschäftigten, die
sich oft mit ihrer „helfenden Grundhaltung“ vor den Karren der
Krankenhausleitung spannen ließen, sollte Mut gemacht werden,
die eigenen Bedürfnisse anzumelden und eigene Zeitinteressen zu
verwirklichen. Initiativen des Betriebsrates wie Gesundheitstage
oder Informationsveranstaltungen mit Experten/innen (z. B. um
Auswirkungen von Schichtarbeit zu verdeutlichen) halfen ebenso
wie die ver.di-Kampagne „mein Frei gehört mir“, den Einfluss des
Arbeitgebers zurückzudrängen und eine positive Stimmung für
die Neugestaltung von Schichten mit kürzeren Blöcken und eingestreuten Nachtschichten zu erzeugen. Dies hat wesentlich dazu
beigetragen, eine „Kultur des Wünscheäußerns“ zu etablieren und
gleichzeitig die Solidarität für Kollegen/innen mit Familienaufgaben
zu fördern.
B) Hotel Excelsior Berlin
Nicht selten stehen kleine und mittlere Unternehmen vor der
Herausforderung, Flexibilität für ihre Beschäftigten zu ermöglichen.
Kommen schwierige Rahmenbedingungen der Branche hinzu,
kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leicht zu einem
Exotenthema degradiert werden. Im Allgemeinen ist die Beschäftigung im Hotel- und Gaststättenbereich durch geringe Bezahlung
und wenig familienbewusste Arbeitszeiten gekennzeichnet.
Wechselnde Arbeitszeiten mit geringer Verlässlichkeit, Schichtarbeit,
Arbeit zu ungewöhnlichen Zeiten, Wochenendarbeit oder Saisonarbeit sind nicht unüblich. Die Europäische Agentur für Sicherheit
und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz stellte schon 2008 für die
Beschäftigten von Hotels, Restaurants und Cateringunternehmen
steigende Risiken im psychosozialen und körperlichen Bereich
(z. B. Arbeiten im Stehen und Gehen, ungünstige klimatische Bedingungen) fest. Hinzu kommen unsichere Arbeitsverhältnisse mit
Zeitverträgen und Arbeit unter Zeitdruck, unregelmäßiger Arbeitsanfall sowie ständiger Kontakt mit den Kunden. Dies hat zur Folge,
dass die Fluktuation groß ist. Auch sind Interessenvertretungen
besonders in privat geführten Hotels kaum zu finden. Weitere
negative Bedingungen wie fehlende Tarifbindung, die Konkurrenz
zu gelben Gewerkschaften und die Behinderung von Betriebsratsarbeit tragen nicht gerade dazu bei, die Arbeitsbedingungen sowie
das Image der Branche zu verbessern.
Das aktuell eingeleitete Auditverfahren „Beruf und Familie“
verfolgt das Ziel, die guten Arbeitszeitpraktiken zu systematisieren.
Hier soll ein Kompromiss gefunden werden zwischen kollektiven Standards, die für alle Beschäftigten gelten und kreativen
Lösungen, die aus den Teams kommen. Um mehr Gerechtigkeit
herzustellen, sollen nun verstärkt auch die Abteilungen im
Krankenhaus profitieren, deren Bedingungen ungünstiger waren.
Aktuell wird an einer gerechteren Urlaubsfestlegung gefeilt, die
allgemeine Kriterien festlegt. Wer dann z. B. im Sommerurlaub zu
kurz gekommen ist, wird in den nächsten Ferien bevorzugt berücksichtigt.
Ob die Vereinheitlichungen am Ende in eine Betriebsvereinbarung
fließen werden, ist noch nicht sicher. Denn zu viele Regelungen
bergen nach Einschätzung des Betriebsratsvorsitzenden Arthur
Harms auch die Gefahr, dass die Flexibilität in den Teams wieder
eingeengt wird und neue Entwicklungen unterbunden werden.
Wie produktiv diese Freiräume sein können, hat die Einführung
des Zwischendienstes gezeigt, der zuerst als individuelle Lösung
in einer Abteilung eingeführt wurde. Hier hatten die Kollegen/
innen diskutiert, ob es nicht andere Lösungen für den frühen
Arbeitsbeginn geben kann und untereinander Zwischenlösungen
abgesprochen, die dann im Team ausgedehnt wurden. Schließlich
sprach sich das Beispiel in den anderen Stationen herum und
wurde auch dort übernommen. Daran zeigt sich wie ein neues
Zeitelement behutsam in bestehende Schichtmodelle integriert
werden kann.
Umso wichtiger sind Ausnahmebeispiele in schwierigen Branchen.
Das Vier-Sterne-Hotel Excelsior in Berlin beschäftigt 74 Menschen.
Die Hälfte der Beschäftigten ist weiblich, vier Frauen arbeiten
Teilzeit und drei befinden sich in Elternzeit. In Schicht arbeiten
sieben Beschäftigte.
Eine Besonderheit im Hotel- und Gaststättengewerbe ist die hohe
zeitliche Flexibilität, da die Belegungszahlen immer kurzfristig
schwanken können. Auch wenn Berlin als Touristenmagnet
ganzjährig wirkt und kaum jahreszeitliche Schwankungen
Aufgabe des Betriebsrates
Der Betriebsrat hat diesen Prozess insoweit unterstützt, dass die
Freiheiten in den Teams geschützt wurden und die Verbreitung
neuer Ideen und Lösungen in anderen Abteilungen begleitet wurde
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auftreten, können sich die betrieblichen Abläufe kurzfristig
verändern. Das Excelsior Hotel Berlin wird von den Grand City
Hotels & Resorts verwaltet, aber auf der Ebene der Arbeitsorganisation eigenständig gestaltet.
auf festgelegte, verlässliche Arbeitszeiten. In einer Betriebsvereinbarung „Dienstplan“ ist beschlossen, dass die Dienstpläne 14 Tage
vor dem ausgeschriebenen Dienst aushängen müssen. Hiervon wird
nur in Ausnahmefällen abgewichen, wenn unvorhergesehene Dinge
passieren. Es wird versucht, Familieninteressen in den Dienstplan
zu integrieren: So wird z. B. darauf geachtet, dass alleinerziehende
Mütter und Väter keine Spätdienste übernehmen.
Die Dienstpläne werden von den Vorgesetzten erarbeitet und vom
Betriebsrat drei Wochen im Voraus kontrolliert und genehmigt.
Entsprechen die Dienstpläne nicht den vereinbarten Regelungen,
werden sie unter Angabe der sachlichen Gründe abgelehnt.
Gleiches gilt für kurzfristige Änderungen der Dienstpläne. Diese
strikte Kontrolle der Arbeitszeiten garantiert in hohem Maße die
Planbarkeit für die Beschäftigten.
Familienfreundliche Maßnahmen
Familienbewusste Regelungen im Hotel sind einerseits die verlässlichen und geregelten Arbeitszeiten mit nur wenigen Überstunden
und andererseits individuelle Möglichkeiten, die eigene Work-LifeBalance herzustellen.
In einer Betriebsvereinbarung ist festgeschrieben, dass bei der
Dienstplangestaltung der Arbeitgeber auf die Familienpflichten der
Beschäftigten Rücksicht zu nehmen hat. Wenn z. B. die Kinder am
Wochenende nicht betreut werden können, wird in Absprache mit
dem Vorgesetzten nach alternativen Lösungen gesucht. Aufgrund
des relativ hohen Durchschnittsalters der Beschäftigten im Hotel
hat auch das Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf an
Bedeutung gewonnen. Viele ältere Beschäftigte haben Pflegeaufgaben übernommen, die sich schlecht mit den betrieblichen
Zeitanforderungen vereinbaren lassen. Hier besteht die Möglichkeit
zur kurzfristigen unbezahlten Freistellung.
Auch das Thema Gesundheit steht seit einiger Zeit auf der betrieblichen Agenda. Alle vier Wochen ist der Betriebsarzt vor Ort,
kontrolliert und berät die Beschäftigten vor allem in Bezug auf die
Arbeitssicherheit und gesundheitliche Belastungen.
Gleitzeiten oder Übergabezeiten existieren im Hotel nicht. Aber
auf einem Zeitkonto, das im Haustarifvertrag festgelegt ist, können
zehn Plusstunden bzw. fünf Minusstunden angesammelt werden.
Überstunden werden mit 33,5 % vergütet und müssen innerhalb
eines halben Jahres ausgeglichen werden. Das kann wahlweise
in Freizeit- oder Geldausgleich erfolgen. Dadurch hat auch der
Arbeitgeber ein großes Interesse an der Einhaltung der normalen
Arbeitszeiten. Die geringen Kontogrenzen haben dazu geführt,
dass Überstunden erfolgreich eingedämmt wurden. Darüber hinaus
werden die wöchentliche Obergrenze von 48 Stunden und tägliche
10-Stunden-Grenze nicht überschritten.
Schichtsystem
Früher war es üblich die Beschäftigten unabhängig von der Qualifizierung in Vertretungsfällen relativ willkürlich überall im Haus
einzusetzen. In den Arbeitsverträgen ist jetzt sichergestellt, dass
die Dienstpläne nur noch qualifikationsgerecht besetzt werden.
Dennoch existieren keine festen Arbeitsgruppen, die Beschäftigten werden variabel eingesetzt. Bestimmte Aufgabenbereiche
sind auf bestimmte Zeiten festgelegt. Das Housekeeping-Team
arbeitet größtenteils in der Frühschicht; lediglich zwei Beschäftigte werden hier im Spätdienst eingesetzt. Beschäftigte im
Service- und Küchenbereich arbeiten dagegen je nach Geschäft
im Früh- und Spätdienst. Über Qualifizierungsmaßnahmen besteht
die Möglichkeit, auch in anderen Bereichen zu arbeiten. Aber eine
Frühstücksserviererin wird nach dem für sie geltenden Arbeitsvertrag nur in der Frühschicht eingesetzt. Spezielle Schichten wie
etwa Arbeit nur am Wochenende werden nicht mehr angeboten.
Damit soll ein zeitlicher Wildwuchs verhindert und möglichst
gerechte Zeitverteilungen für alle Beschäftigten ermöglicht werden,
ohne auf individuelle Freiräume zu verzichten.
Auch wenn es nach Einschätzung des Betriebsrates an vielen
Stellen Verbesserungsbedarf gibt, ist er mit der betrieblichen
Zeitgestaltung zufrieden. Die gute Planbarkeit durch feste Dienstpläne in Kombination mit der Realisierung individueller Variationsmöglichkeiten hilft die Vereinbarkeitssituation der Beschäftigten zu
verbessern. Auch die Vermeidung von Überstunden ist ein wesentlicher Faktor, um die betrieblichen Anforderungen zurückzudrängen.
Einführungsprozess
Das ursprüngliche Arbeitszeitmodell war dadurch gekennzeichnet,
dass die hohe Flexibilität in erster Linie den betrieblichen Erfordernissen diente. Arbeitszeiten waren kaum verlässlich und Mehrarbeit,
wie in der Hotelbranche allgemein üblich, gang und gäbe.
Auch den Rechten der Auszubildenden wurde wenig Beachtung
geschenkt. Nach dem Motto „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“
wurden dem Nachwuchs viele Belastungen zugemutet, ohne einen
entsprechenden Ausgleich dafür anzubieten.
Die erfolgreichen familienfreundlichen Maßnahmen sind vor allem
das Ergebnis eines längeren Prozesses, in dem zunächst einmal
die Rechte der Interessenvertretung durchgesetzt werden mussten
und der Arbeitgeber den Betriebsrat als gleichwertigen Verhandlungspartner anerkannt hat. In einem 6-jährigen Prozess mit vielen
harten Auseinandersetzungen wie Einigungsstellen und Arbeitsgerichtsverfahren konnte der Betriebsrat einen Status erkämpfen,
bei dem die Interessenvertretung vom Arbeitgeber ernst genommen
wird und die Interessen der Beschäftigten auch durchgesetzt
werden. Die klare und kompromisslose Linie des Gremiums und das
Die Planung erfolgt in zwei Schichten von Montag bis Sonntag mit
Früh- und Spätdienst mit roulierenden Schichten an fünf Tagen in
der Woche und anschließenden zwei Tagen frei, wobei die freien
Tage über die Woche rollen. In der Regel wird der Dienst wochenweise gewechselt. Darüber hinaus gibt es noch eine spezielle
Mittelschicht. Die Dienstpläne sind so gestaltet, dass mindestens
zwei freie Wochenenden pro Monat zur Verfügung stehen.
Besonders viel Wert legt der Betriebsratsvorsitzende Ingolf Noske
59
ständige Insistieren auf Arbeitnehmerrechte hat dazu beigetragen,
sich Respekt gegenüber der Geschäftsführung zu verschaffen.
Heute dürfen Auszubildende grundsätzlich keine Überstunden
machen. Und die verlässlichen und familienfreundlichen Arbeitszeiten sind dem Druck des Betriebsrates zu verdanken.
die Beschäftigten besteht die Möglichkeit, Essen aus der Kantine
mit nach Hause zu nehmen.
Parallel hierzu wurden im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung verschiedene Maßnahmen eingeführt, die Gesundheit
und Vereinbarkeit von Familie und Beruf miteinander verbanden.
Im Jahr 2003 wurde das Projekt „Der gesunderhaltende Betrieb“
gestartet, mit dem Ziel, das Wohlbefinden der Beschäftigten zu
verbessern, Belastungen am Arbeitsplatz zu reduzieren und individuelle, soziale und organisatorische Ressourcen aufzubauen. Neben
der Qualifizierung von Führungskräften und Beschäftigten im
Bereich der Gesundheitsförderung und des Arbeitsschutzes wurden
die Betriebsräte zu Gesundheitsauditoren/innen ausgebildet. Sie
führen seitdem im Betrieb regelmäßige Arbeitsplatzanalysen durch,
um gemeinsam mit den Kollegen/innen vor Ort den jeweiligen
Arbeitsplatz unter Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes und der
Gesundheitsförderung zu kontrollieren und ggf. zu optimieren.
Des Weiteren bietet der Betrieb im Rahmen der Prävention allen
Kollegen/innen regelmäßige Gesundheits-Checks an. Seit 2008
gibt es für die Beschäftigten ein eigenes Trainingscenter, in dem
sie kostenlos unter fachlicher Betreuung trainieren können. Das
Trainingszentrum ist mehr als nur ein Fitnesscenter. Dort können
auch akute und chronische Muskel- und Skeletterkrankungen
mit Krankengymnastik und gerätegestützter Therapie behandelt
werden.
Auch die Familienangehörigen der Beschäftigten werden in das
Projekt einbezogen. Sie können z. B. an internen Weiterbildungsangeboten im Bereich der Gesundheitsförderung teilnehmen.
Der Betriebsrat möchte zudem erreichen, dass Familienmitglieder
langfristig das eingerichtete Sportstudio nutzen und mittags in der
Kantine essen gehen können.
Eine Botschaft des Betriebsrates für Betriebe in einer schwierigen
Branche mit traditionell starken Arbeitgebern lautet: Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, muss zunächst einmal
die Durchsetzungsfähigkeit der Interessenvertretung gestärkt
werden.
C) Rasselstein, Andernach
Die Rasselstein GmbH ist ein Unternehmen der Metallbranche und
ein führender Hersteller von Weißblechen in Europa. Am Standort
Andernach in Rheinland-Pfalz sind 2.400 Menschen beschäftigt,
wovon ca. 1.500 (63 %) in Schicht arbeiten. Waren vor einigen
Jahren Frauen in der Produktion eine absolute Ausnahme, werden
mittlerweile auch dort zunehmend mehr beschäftigt. Heute
arbeiten 40 Frauen im gewerblichen Bereich.
Die hohe Attraktivität von Rasselstein – auch aufgrund von
Familienfreundlichkeit, Gesundheitsprojekten und einem guten
Schichtmodell – ist mittlerweile so groß, dass es kaum Fluktuation
gibt. Mit 10 Jahren Betriebszugehörigkeit gehört man eher zu den
„jüngeren“ Beschäftigten. Auf eine freie Stelle kommen 30 Bewerbungen und 2011 wurden 60 Auszubildende – bei 900 Bewerbungen – eingestellt.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Rasselstein wurde im Jahr 2006 durch die Hertie-Stiftung als
„familienfreundlicher Betrieb“ zertifiziert. Doch Familienfreundlichkeit bei Rasselstein begann bereits im Jahr 2000, als eine
Ingenieurin Nachwuchs bekam. Da es der Personalabteilung nicht
gelang, die Stelle adäquat zu besetzen, musste ein anderer Weg
gefunden werden. Die Beschäftigte war bereit, nach einem Jahr
wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Um diesen frühen Wiedereinstieg zu ermöglichen, baute das Unternehmen eine Kooperation
mit einer Kindertagesstätte in Andernach auf. Der Betrieb sponserte
den Belegplatz, die Kollegin erhielt einen Zuschuss von monatlich
153,– Euro für die Kinderbetreuungskosten. Der Betriebsrat setzte
sich dafür ein, dass alle Eltern von diesem Unterstützungsangebot
profitieren. So entstand die betrieblich geförderte Kinderbetreuung bei Rasselstein. Heute kooperiert das Unternehmen mit
zwei Kindertagesstätten, die Krippen- und Kindergärtenplätze zur
Verfügung stellen sowie spontane Notfallbetreuung anbieten.
Diese familienfreundliche Maßnahme trägt dazu bei, dass 80%
der Elternzeitler/innen nach ca. einem Jahr wieder in den Betrieb
zurückkehren.
Seitdem hat sich eine Menge getan: Heute bietet das Unternehmen
Dienstleistungen an wie z. B. einen Wasch- und Bügelservice oder
eine Informations- und Beratungsstelle für Beschäftigte, die in
Elternzeit gehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen. Für
Besonderheiten im Schichtsystem
Belastungen in der Schichtarbeit fallen z. B. durch körperlich
schwere Tätigkeiten vor allem im Verpackungsbereich an und durch
monotone Überwachungstätigkeiten in der Produktion. Zusätzlich
machen Lärm, Hitze und Schmutz den Beschäftigten in verschiedenen Produktionsbereichen zu schaffen.
60
Schichtplan Rasselstein
1. Woche
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag
F
F
S
S
N
N
F
F
S
2. Woche
3. Woche
N
N
4. Woche
F
S
5. Woche
6. Woche
N
7. Woche
S
8. Woche
S
S
N
N
F
F
S
S
N
N
F
F
S
N
S
F
9. Woche
10. Woche
Sonntag
S
N
F
F
S
N
N
F
F
S
N
(Erläuterung: F = Frühschicht, S = Spätschicht, N = Nachtschicht)
Woche: 11 Bringschichten). Um die Teilzeitbeschäftigung möglichst
attraktiv zu machen wurden die steuerfreien Schichtzuschläge
optimiert. Durch geschickte Schichtplanung in den Zeiten, in denen
mehr Zuschläge bezahlt werden, konnten die Gehaltsnettoverluste
begrenzt werden.
In der Produktion wird in fünf Schichten gearbeitet: Zwei Tage früh,
zwei Tage spät, zwei Tage nachts und schließlich vier Tage frei.
Dieses Muster verteilt sich gleichmäßig über das Jahr, was eine
große Verlässlichkeit und Planungssicherheit garantiert. Mit den
fünf Schichten kann eine gleiche Schichtzusammensetzung mit
eingespielten Teams gewährleistet werden. Am Anfang der Schichtumstellung wurde das System mit 4,5 Schichten und flexibler
Zusammensetzung gefahren, was sich nicht bewährt hat. Die
kurzen Blöcke entsprechen jetzt den modernen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie verhindern mit dem schnellen Wechsel
eine Gewöhnung an die Nachtschicht und vermindern dadurch die
gesundheitlichen Risiken. Gleichzeitig sind die sozialen Nachteile
geringer als im alten System, wo jeweils wochenlange Zeiten
für die Erwerbsarbeit geblockt waren und regelmäßige Termine
außerhalb der Arbeit kaum wahrgenommen werden konnten. Auch
der zusammenhängende längere Freizeitblock ist ausreichend, um
sich zu erholen und Zeit mit der Familie zu verbringen. Zumindest
alle drei Wochen sind die Wochenenden frei.
Darüber hinaus werden die Arbeitszeiten auf einem Zeitkonto
verbucht. Plus- oder Minusstunden können durch Zusatzschichten
entstehen, wenn Kollegen/innen ausfallen oder umgekehrt, wenn
Bringschichten durch freie Tage nicht realisiert werden können oder
sich Produktionsausfälle ereignen. Die Höchstgrenzen betragen
plus/minus 100 Stunden. Innerhalb eines Zeitraums von zwei
Jahren müssen die Konten wieder ausgeglichen werden, was in
einer Ergänzungstarifvereinbarung geregelt ist. Werden bestimmte
Zeitgrenzen überschritten, greifen Mechanismen nach dem Ampelprinzip: Bei plus/minus 40 Stunden befindet man sich im grünen
Bereich; bei plus/minus 60 Stunden ist man im gelben Bereich,
wird gewarnt und muss sich Gedanken machen, wie die Stunden
abgebaut/aufgebaut werden können; bei plus/minus 80 Stunden
trifft die Teamleitung verbindliche Vereinbarungen mit der/dem
Beschäftigten, in welcher Weise die Stunden ab- bzw. aufgebaut
werden. Der Ausgleich der Zeitkonten erfolgt in der Regel durch
ganze Tage. Auch stundenweise Zeitentnahmen sind möglich,
da bei den regelmäßigen Teambesprechungen auch einzelne
Plusstunden anfallen können. Eine Folge der Einführung von
Konten ist der Wegfall von Mehrarbeit.
Die Besonderheit des Schichtmodells ist, dass es auf etwas mehr
als 32 Stunden pro Monat ausgelegt ist. Der überwiegende Teil
der Beschäftigten (96 %) arbeitet freiwillig Teilzeit und muss nur
wenige Ausgleichsschichten zusätzlich erbringen, um auf die
vereinbarte Arbeitszeit zu kommen. Vollzeitbeschäftigte haben
dagegen den Nachteil, dass die Freizeitblöcke immer wieder durch
Zusatzschichten verkürzt werden und damit der Erholungswert
des Schichtmodells sinkt. Bei einer 32-Stunden-Woche müssen
drei Mal im Jahr zusätzliche Bringschichten geleistet werden (bei
einer 33-Stunden-Woche: 6 Bringschichten; bei einer 34-Stunden-
Innerhalb der normalen Schichten sind Möglichkeiten der individuellen Flexibilität vorgesehen: So ist ein Schichttausch zwischen
61
scheiterte daran, dass der Aufwand für die Pausenvorbereitung
(Händewaschen, Absprachen mit Kollegen/innen) nicht angemessen
erschien. Hier zeigt sich, wie wichtig eine Pilotphase ist. Trotz guter
Ideen und Vorsätze konnten sich die möglichen Verbesserungen
nicht in der Praxis bewähren.
Kollegen/innen üblich, wenn z. B. die Freischichten aus familiären
Gründen anders gelegt werden sollen. Verkürzungen der Schichtlängen sind im Allgemeinen nicht möglich. Aber für einen
bestimmten Zeitraum können Beschäftigte, z. B. wenn sie einen
Angehörigen pflegen, nur in einer bestimmten Schicht arbeiten.
Eine Dauernachtschicht ist dagegen aus gesundheitlichen Gründen
grundsätzlich für alle Beschäftigten ausgeschlossen.
Zur Optimierung der Schichtübergaben überlappen sich die
Schichten um 15 Minuten. Für das Übergabegespräch sind fünf
Minuten eingeplant. Da die/der übergebende Kollege/in früher
gehen könnte, wird als Ausgleich eine zusätzliche Freischicht pro
Jahr für alle Schichtbeschäftigten gewährt.
Auch die betriebliche Flexibilität kann in wirtschaftlichen Krisenzeiten erweitert werden. Durch kurzfristige Reaktion auf betriebliche Schwankungen kommt der Betriebsrat dem Unternehmen
entgegen. Im Gegenzug wird verhindert, dass Beschäftigte in
Kurzarbeit gehen müssen.
Einführungsprozess
Vor der Einführung des aktuellen Schichtsystems wurde klassisch
in langen Schichtblöcken gearbeitet mit sieben Tagen Früh-, Spätund Nachtschicht und anschließender Freiwoche. Der Auslöser
für die Umstellung war Mitte der 90er Jahre ein vom Arbeitgeber
geplanter Personalabbau, der 40 Kollegen/innen treffen sollte. In
einer solidarischen Aktion konnte der Betriebsrat einen Teil der
Belegschaft dazu bewegen, ihre Arbeitszeiten zu verkürzen und
damit die Entlassung abwenden. Damit wurde der Einstieg in
die Teilzeit eingeleitet. Auch in der letzten Finanzkrise wurde das
Instrument zur Beschäftigungssicherung genutzt, indem weitere
Beschäftigte überzeugt werden konnten von Vollzeit in Teilzeit zu
wechseln.
Gleichzeitig wurde der Umsetzungsprozess von der Universität
Karlsruhe wissenschaftlich durch Prof. Knauth begleitet. Dazu
zählten eine umfangreiche Informations- und Diskussionsphase
mit anschließender Einführung einer Pilotgruppe, in der das
spätere Schichtmodell getestet wurde. Anfangs war die Skepsis
der Beschäftigten gegenüber dem neuen Modell sehr groß. Eine
typische Reaktion auf die neuen Arbeitszeiten war: „Welches Hirn
denkt sich denn so einen Unsinn aus? Da kann man sich doch nicht
dran gewöhnen!“ Dann verbreiteten sich erste positive Berichte
aus der Pilotgruppe und konnten allmählich die Widerstände gegen
den neuen Schichtrhythmus verringern. Hilfreich war sicher auch
die Bereitschaft der Kollegen/innen in Teilzeit zu wechseln, um
damit die Beschäftigungssicherung möglich zu machen.
Auch der Arbeitgeber leistete einen Beitrag indem auf eine der drei
zusätzlichen Bringschichten (bei der 32-Stunden-Woche) verzichtet
wurde. Der größere Arbeitsaufwand durch die Kontoführung
und die Optimierung der Schichten für die Teilzeitbeschäftigten,
wurde relativ schnell dadurch ausgeglichen, dass keine Menschen
entlassen wurden, das Betriebswissen dem Unternehmen nicht
verloren ging und in wirtschaftlich guten Zeiten Kosten für Einarbeitung/Rekrutierung neuer Beschäftigter eingespart wurden.
Die letzten Zweifel der Kollegen/innen wurden aber erst in der
eigenen Praxis mit dem neuen Schichtmodell beseitigt. Damals
bestand nach der alten Altersteilzeitregelung in der aktiven Teilzeitphase die Möglichkeit wieder auf die 35-Stunden-Woche zu gehen,
was aber kaum eine/r der Kollegen/innen in Anspruch nahm.
Vielmehr fiel die Entscheidung zugunsten von mehr Freizeit und
weniger Geld aus.
Insgesamt bewertet Betriebsrat Robert Verbücheln das Arbeitszeitmodell sehr positiv. Beleg für den Erfolg des Schichtmodells ist die
große Zufriedenheit der Beschäftigten: Insbesondere hat sich das
soziale Leben enorm verbessert, da das Familienleben nicht mehr
wochenweise stattfindet. Früher konnte es öfter passieren, dass
man Aktivitäten mit den Kindern um zwei Wochen verschieben
musste, weil sich z. B. das Wetter zum gemeinsamen Schwimmbadbesuch verschlechtert hatte. Jetzt bietet der kurze Rhythmus eine
gute Planbarkeit und bessere Möglichkeiten mit Freunden/Familie
oder in Vereinen aktiv zu sein. Auch bei kurzfristigem Zeitbedarf
des Arbeitgebers wird auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Rücksicht genommen. Mittlerweile können sich die Beschäftigten
kein anderes Arbeitszeitmodell mehr für die Schicht vorstellen.
Auch der Betriebsrat sieht hier kaum noch Verbesserungsbedarf.
Die große Aufmerksamkeit anderer Betriebe für das Rasselsteiner
Schichtmodell zeigt die hohe Attraktivität. Viele andere Unternehmen möchten das Schichtsystem übernehmen und kommen zu
Rasselstein um sich vor Ort vom Schichtmodell zu überzeugen.
Im Laufe der Jahre wurden immer wieder kleinere Verbesserungen
in das Schichtsystem eingeführt. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes (Kronos-Projekt) sollten demografiefeste Elemente
in das Schichtmodell integriert werden. Dabei wurde insbesondere
überlegt, wie durch veränderte Schichtzeiten (z. B. Verlegung des
Beginns der Frühschicht von 5:00 auf 6:00 Uhr) das Schlafverhalten
positiv beeinflusst werden könnte. Auch wenn in der Pilotphase
durchaus positive Effekte auf den Schlaf festzustellen waren, wurde
die Schicht nicht eingeführt, da andere negative Folgen das Schlafverhalten konterkarierten. Auch die Einführung von Kurzpausen
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10178 Berlin
Verfasser/in:
Frank Meissner
Dr. Christina Stockfisch
Redaktion:
Frank Meissner
Dr. Christina Stockfisch
Titelfoto:
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Fotos:
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Gwenaël Piaser, Rebecca Anne, Denube, ab plan alp, Markus Berlin, Will Spaetzel)
Layout und Druck:
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Stand:
Oktober 2011
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Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie
aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.
EUROPÄISCHE UNION
Europäischer Sozialfonds
Familienbewusste Schichtarbeit
Vereinbarkeit von
Familie und Beruf gestalten!
Projekt des DGB-Bundesvorstandes
Henriette-Herz-Platz 2
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