Broschuere-Beratung zu familienbewussten Arbeitszeiten (PDF, 5,1

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Broschuere-Beratung zu familienbewussten Arbeitszeiten (PDF, 5,1
Herausgeber:
DGB Bundesvorstand
Projekt „Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten!“
Keithstrasse 1/3
10787 Berlin
Text:
Frank Meissner
Svenja Pfahl
Stefan Reuyß
Christina Stockfisch
Redaktion und Layout:
Frank Meissner
Stand: Januar 2013
Fotos:
Fotolia: PictureArt (Titelseite), cFotowerk (S. 5), Kzenon (S. 10) Gina Sander (S. 11), Ursula Deja (S. 21)
pixelio: Helene Souza (S. 6), Gert Altmann (S. 8 und S. 18 oben), Mika Abey (S. 12), Ramona Kitzmüller (S. 16 oben),
JMG (S. 16 unten), Stephanie Hofschlaeger (S. 17), Korkey (S. 23)
DGB: S. 7, S. 15, S. 18 unten, S. 19, S. 20, S. 22
Digitalstock: Kzenon (S. 14)
Die Broschüre kann über die Homepage des Projektes als pdf-Datei heruntergeladen werden (www.familie.dgb.de).
Informationen zum aktuellen Beratungsangebot finden sie ebenfalls auf der Homepage.
Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.
Inhalt
1. Einleitung.............................................................................................................................................. 4
Handlungsfelder familienbewusster Arbeitszeitgestaltung.............................................................................. 4
Der Beratungsprozess ................................................................................................................................... 6
2. Beispiele guter Beratung .................................................................................................................... 7
Kreisverwaltung Soest................................................................................................................................... 7
üstra Verkehrsbetrieb Hannover .................................................................................................................... 9
WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG....................................................................................................... 11
Technische Universität Berlin ...................................................................................................................... 13
Mittelweser Klinik Nienburg........................................................................................................................ 15
RAG Montan Immobilien GmbH.................................................................................................................. 17
RKW Kompetenzzentrum Eschborn ............................................................................................................. 19
Kreispolizeibehörde Paderborn.................................................................................................................... 20
Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Rheinland Pfalz......................................................................... 22
3
1.
Einleitung
senden Zahl älterer Menschen in Zukunft zuständig sein
wird. Viele Beschäftigte, die Pflegeaufgaben übernehmen,
können aufgrund zeitlicher Belastungen ihre Erwerbsarbeit nicht aufrecht erhalten oder müssen ihre
Arbeitszeiten notgedrungen einschränken. Hier können
betriebliche Maßnahmen wesentlich dazu beitragen,
Lösungen zu finden, die allen Seiten zugute kommen.
Im Rahmen des DGB-Projektes „Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten“ werden kostenfrei Beratungen
angeboten, um familienbewusste Arbeitszeiten in Betrieben und Verwaltungen zu fördern. In dieser Broschüre
dokumentieren wir neun erfolgreiche Beratungsprozesse
der letzten Projektphase (2011/2012) aus verschiedenen
Branchen und mit unterschiedlichen Maßnahmen. Die
Beratung wird auch in der aktuellen Projektphase (2013
bis 2014) fortgesetzt. Ziel ist es, passgenaue Lösungen zu
finden, die den Beschäftigten eine bessere Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ermöglichen. Dabei werden Interessenvertretungen und Unternehmensleitungen bzw.
Personalverantwortliche in Betrieben und Verwaltungen
beraten, die sich zuvor auf gemeinsame Ziele verständigen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die festgelegten Ziele auch schnell und erfolgreich durchgesetzt
werden können. Die Berater/-innen begleiten und moderieren diesen Prozess. Dabei werden gemeinsame Handlungsstrategien und betriebsspezifische Lösungen erarbeitet sowie Maßnahmen umgesetzt und ausgewertet.
In allen Beratungen konnten wir das steigende Interesse
am Thema Pflege feststellen. In vielen Fällen sind Betriebe
und Verwaltungen bereits sensibilisiert und reagieren –
oft mit Einzelfalllösungen – auf die wachsende Anzahl
von pflegenden Beschäftigten. In einigen Fällen offenbarte eine Beschäftigtenbefragung den veränderten
Handlungsbedarf für die Betriebe.
2. Vollzeitnahe Teilzeitmodelle
Arbeitszeitverkürzungen – bevorzugt in kurzer Vollzeit –
sind für Flexibilität im Verlauf der Erwerbsbiographie
wichtig, um Arbeitszeiten stärker an die „Wechselfälle
des Lebens“ anzupassen. Die Reduzierung der Arbeitszeit
ist ein wichtiges Instrument um Erwerbsarbeit und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen. Auch Väter
haben ein großes Teilzeitbedürfnis während und nach der
Elternzeitphase. Für die Ausgestaltung von Teilzeit ist es
wichtig, dass Beschäftigte möglichst viele Mitspracherechte (volle Optionalität) besitzen und Teilzeitbeschäftigte nicht diskriminiert werden. Auch ein angepasster
Einstieg nach Elternzeit lässt sich über Teilzeit gut realisieren. Teilzeit in Form abgesicherter Unterbrechungen für
Fürsorgeaufgaben und Kurzzeitfreistellungen sind
individuelle Optionen, um die Balance zwischen Arbeit
und Leben herzustellen.
Handlungsfelder familienbewusster
Arbeitszeitgestaltung
Ausgangspunkt für die Beratung waren vier Handlungsfelder familienbewusster Arbeitszeitgestaltung, die im
Mittelpunkt der Projektaktivitäten standen:
1. Pflegesensible Arbeitszeiten
Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf helfen, die Belastungen der Beschäftigten im Pflegealltag zu verringern. Aktuell sind knapp ein Viertel der
Hauptpflegeverantwortlichen erwerbstätig, 6 Prozent
aller Erwerbstätigen leisten sowohl Pflegeaufgaben als
auch Kinderbetreuung1. 10 Prozent aller Hauptpflegepersonen scheiden aus der Erwerbstätigkeit aus, 11 Prozent
reduzieren ihre Arbeitszeit, wenn sie den Hauptteil der
häuslichen Pflege übernehmen. Um eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu erreichen und Beschäftigte aus ihrer Sprachlosigkeit zu holen, sind einerseits
betriebliche Maßnahmen der Sensibilisierung wichtig und
andererseits konkrete Angebote für Beschäftigte mit
Pflegeverantwortung, wie z. B. individuelle Arbeitszeiten
oder Informationen rund um das Thema Pflege.
Eine Schlüsselrolle für die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf könnte in diesem Zusammenhang eine „kurze Vollzeit“ zwischen 30 und 35 Stunden pro Woche spielen. Für
eine gerechtere Arbeitsteilung der Geschlechter könnte
sie als neuer Arbeitszeitstandard fungieren, der
Fürsorgepflichten/Familienarbeit der Erwerbstätigen besser anerkennt als der derzeitige Vollzeiterwerbsstandard.
Darüber hinaus kommt die „kurze Vollzeit“ den Arbeitszeitwünschen der meisten Menschen entgegen und
könnte eine ausgewogenere Work-Life-Balance ermöglichen.
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und
einer Pluralisierung der Familienformen stellt sich die
Frage, wer für die Pflege und Betreuung der rapide wach-
1
In den Beratungsprozessen fiel besonders auf, dass sich
Betriebe und Verwaltungen mit Schichtsystemen verstärkt
dem Thema Teilzeit zuwenden. Offensichtlich besteht hier
ein großer Nachholbedarf an flexibleren Arbeitszeitmodellen, die von den Beschäftigten gewünscht werden.
Alle Daten sind in unseren aktuellen DGB-Broschüren
dokumentiert (www.familie.dgb.de).
4
3. Lebenslauforientierte Arbeitszeiten
Veränderungen im Lebensverlauf wie die Geburt eines
Kindes oder eine Pflegesituation, aber auch Schicksalsschläge wie Krankheiten, Trennung, Arbeitslosigkeit oder
berufliche Neuorientierungen können durch lebenslauforientierte Arbeitszeiten besser aufgefangen werden.
4. Familienbewusste Arbeitszeiten unter schwierigen Bedingungen
Unter schwierigen Arbeitsbedingungen, z. B. in Schichtbetrieben, ist es besonders wichtig, den Beschäftigten
eine gute Work-Life-Balance zu ermöglichen. Die Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit zum Verhältnis von Familie und Beruf (2007) zeigte eine Differenzierung in Unternehmen, die stark familienfreundlich engagiert sind und solche, in denen Vereinbarkeitsaspekte der
Beschäftigten kaum Berücksichtigung finden. Vielfach
haben Beschäftigte, die in einem wenig familienbewussten Betrieb arbeiten gleichzeitig schlechte Arbeitsbedingungen wie ressourcenarme Arbeit oder kaum Mitsprache
bei der Arbeitszeitgestaltung. Gerade diese Beschäftigtengruppe gerät bei den Diskussionen um Familienfreundlichkeit oft aus dem Blickwinkel, obwohl sie den
gleichen Anspruch auf eine gute Work-Life-Balance hat
wie etwa hochqualifizierte Fachkräfte.
Andererseits zeigen viele Einzelfälle, dass es auch unter
schwierigen wirtschaftlichen und strukturellen Bedingungen gute Lösungen für eine gelungene Vereinbarkeit von
Familie und Beruf geben kann. Vermeintliche Hindernisse
wie kleine und mittlere Unternehmen, männerdominierte
Betriebe, Unternehmen und Verwaltungen in schwieriger
wirtschaftlicher Lage oder Schichtbetriebe müssen nicht
per se familienbewusste Maßnahmen einschränken.
Vielmehr zeigt sich, dass nicht ausschließlich große „Vorzeigeunternehmen“, sondern auch Betriebe in einem
schwierigen Umfeld die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf positiv gestalten können.
Auf betrieblicher Ebene kann mit einem Mix aus Arbeitszeitmodellen die individuelle Zeitsouveränität erhöht
werden: Zeitkonten und insbesondere Langzeitkonten
können für Sabbaticals, Blockfreizeiten oder Familienzeiten verwendet werden. Wechselmöglichkeiten zwischen
Vollzeit und Teilzeit und/oder unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen oder Schichtlagen erhöhen die individuellen
Wahlfreiheiten. Schließlich lassen sich durch die Umwandlung von Zeit- und Geldwerten größere Spielräume
für eine selbstbestimmte Zeitverteilung gewinnen.
Ziel einer lebenslaufsorientierten Arbeitszeitgestaltung ist
es, den differenzierten Lebenswegen der Beschäftigten
besser gerecht zu werden, ungleiche Lebens- und Erwerbsverläufe nicht weiter zu diskriminieren sowie unsoziale atypische Beschäftigungsverhältnisse abzubauen.
Gleichzeitig sollen die Eigenverantwortung in der Lebensgestaltung gestärkt werden und riskante Erwerbsphasen
und berufliche Übergänge abgesichert werden. Der Trend
zu einer flexiblen Anpassung der Arbeitszeiten im Lebensverlauf wurde durch die Beratungen bestätigt. Betriebe und Verwaltungen reagieren auf die sich ändernden Arbeitszeitbedürfnisse der Beschäftigten zunehmend
mit einer wachsenden Anzahl von Arbeitszeitmodellen.
Bei der Auswahl der Beratungen, die aufgrund der großen
Nachfrage erfolgen musste, waren schwierige Rahmenbedingungen ein wesentliches Auswahlkriterium. In
diesen Betrieben hat die Arbeits(zeit)kultur entscheidenden Anteil daran, dass Hindernisse bei der Verwirklichung
familienfreundlicher Maßnahmen ausgeräumt werden
konnten. Aber auch die Strategien einzelner Personen
oder Gruppen können unter bestimmten Bedingungen im
Bemühen um mehr Familienfreundlichkeit erfolgreich sein.
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Der Beratungsprozess
In der konkreten Beratung wurden auch weitere Themen
erörtert wie z. B. Telearbeit oder die Sensibilisierung der
Führungskräfte. Voraussetzung für die Unterstützung
durch den DGB war der Bezug zu familienbewusster
Arbeitszeitgestaltung. Aufgrund großer Nachfrage wurden 20 Betriebe bzw. Verwaltungen ausgewählt, die
zwischen Juli 2011 und Oktober 2012 an maximal sechs
Tagen beraten wurden. Dazu wurde auch auf externe
Berater/-innen zurückgegriffen, die speziell geschult wurden, um den hohen Beratungskriterien zu genügen.
eine intensive, ziel- und lösungsorientierte Auseinandersetzung mit betrieblichen Problemen zur Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ermöglichte. Außerdem konnte der
Blick von außen neue Impulse in die betrieblichen Aushandlungsprozesse bringen.
Aufgrund dieser positiven Erfahrungen wird die Beratung
von Betrieben und Verwaltungen zur familienbewussten
Arbeitszeitgestaltung auch in der aktuellen Projektphase
(2013 bis 2014) fortgesetzt und um ein Coaching für
Betriebsrats-/Personratsgremien erweitert. (Informationen
und Kontaktdaten zur Bewerbung für die Beratung:
www.familie.dgb.de).
Der Beratungsprozess zeichnet sich zum einen durch ein
systematisches Vorgehen aus und zum anderen durch
eine individuelle Anpassung an die betrieblichen Gegebenheiten. Der erste Beratungstag dient einer gründlichen Erhebung des Status Quo und der Festlegung gemeinsamer Ziele. Aufgabe der Berater/-innen ist es zunächst die gemeinsamen Arbeitsschwerpunkte festzulegen und den Zielfindungsprozess zu moderieren. Bereits
in dieser ersten Phase wurden verschiedene Erfahrungen
gemacht. In einzelnen Betrieben war allen Beteiligten von
vornherein klar, welche Aufgaben angegangen werden
sollten. In anderen Betrieben konnte erst nach langen
und teilweise kontroversen Diskussionen ein gemeinsamer Arbeitsplan entwickelt werden. In der Folge orientiert
sich das weitere Vorgehen an den Bedürfnissen der beteiligten Akteure. Informationen durch das Projektteam,
Hinzuziehung weiterer Experten und Expertinnen, Diskussionen mit weiteren betrieblichen Gruppen und Akteuren,
die Durchführung von Workshops sowie Planung und
Auswertung von Belegschaftsbefragungen waren wesentliche Arbeitsphasen in der Beratung. Zwischen den
Beratungstagen bestand die Möglichkeit, weitere Informationen einzuholen oder die nächsten Umsetzungsschritte abzusprechen. Auch die zeitliche Inanspruchnahme der Beratung gestaltete sich unterschiedlich. In
einem Betrieb konnte ein einzelnes Thema mit zwei Beratungstagen bearbeitet werden; in anderen Betrieben
wurden bis zu drei verschiedene Themenfelder nacheinander behandelt. Am Ende des Beratungsprozesses
standen die Auswertung der durchgeführten Maßnahmen
sowie die Analyse der Beratung selbst. In allen Fällen
wurde positiv hervorgehoben, dass durch die Beratungssituation ein verbindlicher Raum geschaffen wurde, der
6
2.
Beispiele guter Beratung
Kreisverwaltung Soest
Im Mittelpunkt der Beratung stand die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Für die rund 1.100
Beschäftigten sollten Maßnahmen entwickelt
werden, die helfen deren private Pflegeverantwortung und die Erfordernisse des beruflichen
Alltags in Einklang zu bringen.
Schon seit Jahren setzt sich die Verwaltung des Kreises
durch verschiedene Maßnahmen zur Vereinbarkeit von
Beruf und Familie dafür ein, ein familienfreundliches
Umfeld zu schaffen. Ein Zeichen dafür ist die Verleihung
des Zertifikates „Familienfreundliches Unternehmen im
Kreis Soest“ in den Jahren 2010 und 2012. Ein hohes
Maß an Selbstbestimmung bei den Arbeitszeiten und der
Arbeitsorganisation, über 50 verschiedene Teilzeitmodelle
sowie ein umfassendes Konzept für das Vorgehen bei
Elternzeit und Wiedereinstieg waren für die Verleihung
ausschlaggebend. Um auch der zunehmend größeren
Zahl der Beschäftigten mit privaten Pflegeaufgaben entgegen zu kommen, gründete sich vor zwei Jahren eine
Arbeitsgruppe. Diese besteht aus Vertreter/-innen des
Personalrats, des Personaldienstes, der Sozialplanung,
der Schwerbehindertenvertretung sowie der Gleichstellungsbeauftragten und mehreren Betroffenen.
Aufgrund des hohen Engagements der Mitglieder gelang
es der Arbeitsgruppe innerhalb weniger Wochen einen
ersten Entwurf einer Vereinbarung zu formulieren. Die
besondere Herausforderung bestand darin, möglichst
passgenaue Lö„Den Beschäftigten der Kreisverwaltung
sungen für die
soll es möglich sein, ihren Berufsalltag
Betroffenen
zu
mit ihren familiären Verpflichtungen
finden, die nicht
unter einen Hut zu bringen. Unsere älter
nur schnell und
werdende Gesellschaft macht es notunkompliziert reawendig, Lösungen zu entwickeln. Die
lisiert
werden
neue Dienstvereinbarung schafft hier
können, sondern
eine Basis, auf der wir aufbauen köndie auch an die
nen.“ Landrätin Frau Irrgang
sich ändernden
Pflegebedarfe angepasst werden können. Dies hat mit
dem besonderen Charakter der Pflege zu tun: Sie ist – im
Vergleich zur Kinderbetreuung – deutlich vielfältiger, mit
sehr viel mehr psychischen Belastungen verbunden und
vor allem schlechter planbar. Aus diesem Grunde erschien
es für alle Beteiligten wenig sinnvoll, sogenannte WennDann-Regelungen zu entwickeln, also beispielsweise
festzulegen, dass bei Pflegestufe 1 eine Reduzierung der
Arbeitszeit um X Stunden möglich ist. Stattdessen wurde
in der Dienstvereinbarung ein einfaches 3-stufiges Verfahren festgelegt. Dieses gestaltet sich wie folgt:
Die Arbeitsgruppe initiierte eine Umfrage sowie mehrere
Workshops mit pflegenden Beschäftigten. Dabei stellte
sich heraus, dass bereits 26 Prozent der Mitarbeiter/innen pflegen und
„Die Dienstvereinbarung soll es
zusätzlich
fast
den Beschäftigten der Kreisverjede/-r Dritte mit
waltung erleichtern, die Verantder
Übernahme
wortung für betreuungs- und
privater Pflegeverpflegebedürftige Personen mit ihrer
antwortung in den
Erwerbstätigkeit in Einklang zu
nächsten Jahren
bringen.“ Personalratsvorsitzender
rechnet. Es zeigt
Herr Kelbert
sich auch, dass
hier dringender Handlungsbedarf besteht, da viele der
bestehenden familienbewussten Maßnahmen nur bedingt
für diese Beschäftigten eine Entlastung brachten. An
dieser Stelle kamen die Experten und Expertinnen des
DGB ins Spiel. Sie sollten helfen, die Kreisverwaltung im
Allgemeinen und die Führungskräfte im Besonderen für
das Thema zu sensibilisieren, entsprechende Maßnahmen
zu entwickeln und eine entsprechende Dienstvereinbarung zu erarbeiten.
Stufe 1: Kleinere Regelungen oder Sofortmaßnahmen
wie z. B. kurzfristiger Urlaub oder die Befreiung von
der Arbeit werden mit der direkten Führungskraft als
erste Ansprechperson vereinbart. Die Führungskraft
informiert ggf. den Personaldienst, wenn es z. B.
darum geht, die Kernarbeitszeit für ein Woche auszusetzen. Damit sind Beschäftigte/-r und Führungskraft
abgesichert, wenn sich z. B. auf dem Dienstweg ein
Unfall ereignet.
Stufe 2: Weitergehende Regelungen oder Maßnahmen,
die über einen längeren Zeitraum laufen. Alternierende
Telearbeit oder die Befreiung von Wochenendarbeit
oder Rufbereitschaft, werden von den Beschäftigten
beim Personaldienst beantragt, der zeitnah entscheidet, gleichzeitig wird die Führungskraft informiert.
7
Stufe 3: Findet sich auf diesem Wege keine Lösung
wird die „Betriebliche Kommission Pflege“ eingeschaltet. Diese ist zusammengesetzt aus dem Personaldienst, der zuständigen Sachgebiets- und/oder Abteilungsleitung bzw. der Ausbildungsleitung, dem Personalrat bzw. der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gleichstellungsbeauftragten und der Schwerbehindertenvertretung. Die Kommission hat eine Beratungs- und Schlichtungsfunktion. Es soll Einvernehmen unter Berücksichtigung der Pflegesituation, der
Beschäftigungssituation und der konkreten dienstlichen Belange erzielt werden. Dabei wird den Beschäftigten ermöglicht, seine/ihre Situation zu erläutern und
die eigenen Vorstellungen zu notwendigen Maßnahmen darzulegen.
und mobiles Arbeiten vorgeschlagen. Im Bereich Sonstiges sind die Übernahme der Versicherungskosten nach
dem Familienpflegezeitgesetz durch den Arbeitgeber,
weitere Ausnahmen von geltenden Dienstanweisungen
bzw. Dienstvereinbarungen, der Wechsel auf eine gleichwertige Stelle unter Berücksichtigung der mittelfristigen
Personalplanungen, eine finanzielle Unterstützung (analog den Vorschussrichtlinien) sowie die Berücksichtigung
bei den Kategorien der leistungsorientierten Bezahlung
vorgesehen.
Die Dienstvereinbarung wurde nach ihrer Erstellung in
Workshops mit sämtlichen Führungsverantwortlichen der
Kreisverwaltung diskutiert und auf ihre Praktikabilität
getestet. Dadurch ergaben sich wertvolle Hinweise für
Verbesserungen, gleichzeitig erhöhte diese Vorgehensweise die Akzeptanz bei den Führungskräften, denen in
diesem Prozess eine zentrale Rolle zukommt. Damit die
Vereinbarung auch gelebt wird, wurde sie vor ihrer endgültigen Verabschiedung allen Beschäftigten der Kreisverwaltung im Rahmen der Personalversammlung vorgestellt. Des Weiteren erfolgte ein Einführungsworkshop mit
Betroffenen, die dabei die Möglichkeit hatten, ihre Pflegesituation gemeinsam mit der neu gegründeten Pflegeberatungsgruppe und dem Experten vom DGB zu erörtern. Eine Evaluierung der Dienstvereinbarung ist erstmalig Ende 2013 vorgesehen. Im Beratungsprozess wurde
von allen Beteiligen vor allem die hohe Kompetenz beim
Thema Pflege und Beruf hervorgehoben, die zu einer
schnellen und individuellen Lösung beigetragen hat.
Um welche Maßnahmen es sich handeln kann, ist offen
und hängt von der jeweiligen Pflege- und Arbeitssituation
ab. Die Dienstvereinbarung enthält lediglich einen Ideenkatalog zu den Handlungsfeldern Arbeitszeit, Arbeitsort
und sonstige Maßnahmen. Im Bereich Arbeitszeit werden
folgende Maßnahmen vorgeschlagen: flexible Nutzung
des Arbeitszeitkontos, flexible Nutzung der Gleitzeit,
früherer Arbeitsbeginn, Befreiung von der Rufbereitschaft
und
von
Überstunden,
kurzfristige
Freistellung/Urlaubsgewährung, keine kurzfristigen Dienstplanänderungen im Schichtdienst. Im Handlungsfeld Arbeitsort werden die bevorzugte Bewilligung von Telearbeit
8
üstra Verkehrsbetrieb Hannover
merkbar und andererseits wirken die hierarchischen
Strukturen ungünstig auf die Flexibilisierungsbemühungen.
Arbeitsverdichtung und eine älter werdende Belegschaft machen familienbewusste Schichtmodelle erforderlich. Mit der „leichten Vollzeit“
wird ein vollzeitnahes Teilzeitmodell für die
Schichtbeschäftigten eingeführt, das die gesundheitlichen Risiken der Beschäftigten reduziert.
An dieser Stelle setzten die Beratungen des DGB-Projektes ein, um neue Ideen für die Umsetzung von familienbewussten Maßnahmen zu gewinnen. Die Beteiligten des
Beratungsprozesses waren der Betriebsratsvorsitzender,
ein Vertreter der Personalabteilung, die Auditbeauftragte
sowie weitere Betriebsräte und Abteilungs-/Schichtleiter.
In der Beratung haben sich drei Themenbereiche herauskristallisiert, in denen der größte Handlungsbedarf besteht. Ein wesentlicher Punkt betraf die Verbesserungen
der Arbeitszeitgestaltung insbesondere bei der Schichtplanung. Ein anderer Punkt die Sensibilisierung der Führungskräfte für Vereinbarkeitsthemen und schließlich das
Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
Die üstra ist der größte Verkehrsbetrieb der niedersächsischen Landeshauptstadt. Rund 75 Prozent der Belegschaft ist im gewerblichen Bereich als Fahrer/-in, Handwerker/-in oder in Gleisbau und Wartung beschäftigt. Die
überwiegende Mehrheit arbeitet Vollzeit (92 Prozent),
was auch durch die relativ niedrigen Löhne im Verkehrsdienstleistungsbereich bedingt ist. Die ca. 1.900 Beschäftigten arbeiten vor allem in den drei Hauptbereichen
Fahrdienst, Werkstatt und Verwaltung. Der Anteil der
weiblichen Beschäftigten beträgt 13 Prozent, 60 Prozent
aller Beschäftigten arbeiten im Schichtdienst.
Leichte Vollzeit
Im Zuge der Auditierung durch die Hertiestiftung wurde
bereits der Fokus auf eine Reduzierung von gesundheitlichen und sozialen Belastungen in der Schichtarbeit gelegt
sowie der Etablierung von familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen. Eine neue Dienstplanstruktur ermöglicht
den Diensttausch und Wunschdienste (Wechsel zwischen
Früh-Mittag, Mittag-Spät). Ein zentrales Ergebnis einer
Beschäftigtenbefragung war der große Handlungsbedarf
bei Vereinbarkeitsthemen. In mehreren Beratungen wurde
gemeinsam mit den Bereichsleitern diskutiert, wie mehr
Flexibilität in der Schichtplangestaltung integriert werden
kann, um die Vereinbarkeitssituation zu verbessern.
Insbesondere das Thema Teilzeit in Schichtarbeit wurde
als ein Instrument bewertet, mit dem die
Arbeitsorganisation stärker flexibilisiert und gleichzeitig
die gesundheitlichen und familienbewussten Aspekte in
den Vordergrund gerückt werden sollten. In den
Diskussionen wurden die Hindernisse für die Einführung
von Teilzeit gründlich analysiert. Aus der Perspektive der
Beschäftigten ist das geringe Verdienstniveau eine
wesentliche Hürde für die Akzeptanz von Teilzeit. Um die
materiellen Ausfälle zu begrenzen, wurden deshalb
Modelle mit einer „leichten Vollzeit“ – also knapp unter
dem Vollzeitvolumen favorisiert. Außerdem konnten
Erfahrungen in anderen Betrieben und Verkehrsbetrieben
dazu beitragen, die Bedenken gegen Teilzeitmodelle
abzubauen. Erste Erfahrungen von Beschäftigten mit
dieser leichten Vollzeit waren sehr positiv und bekräftigten das Bestreben, dieses Modell anzubieten und weiter
auszubauen.
Hauptschwierigkeit für die Beschäftigten sind die zunehmend stressigen Bedingungen im Fahrdienst. Zunehmender Verkehr, Arbeitsverdichtung und Personalabbau tragen dazu bei, dass die Belastungen steigen. Kaum ein/-e
Fahrer/-in erreicht das das 60. Lebensjahr auf dem Bock.
Die meisten scheiden früher aus dem Erwerbsleben aus.
Gleichzeitig werden weniger Beschäftigte eingestellt, so
dass der Alterdurchschnitt der Belegschaft zunimmt.
Darüber hinaus werden erste Anzeichen für einen drohenden Fachkräftemangel sichtbar und das Unternehmen
ist bestrebt, ihre Attraktivität für Bewerber/-innen zu
erhöhen.
Geschäftsführung und Betriebsrat sind sehr bemüht,
durch verschiedene Projekte und externe Beratung auf die
demografischen Herausforderungen zu reagieren. Auf
Initiative der Geschäftsführung wurde vor einigen Jahren
die Auditierung zum familienbewussten Betrieb der Hertie-Stiftung begonnen. Im Zuge des Auditierungsprozesses wurden eine Reihe familienfreundlicher Maßnahmen
beschlossen und zum Teil umgesetzt. Das Hauptziel des
Audits richtet sich auf die Reduzierung von gesundheitlichen und sozialen Belastungen in der Schichtarbeit sowie
der Etablierung von familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen. In diesem Spannungsverhältnis von Restrukturierungen des Unternehmens (Kostenreduzierung durch
öffentliche Ausschreibungen) und Projekten, die den
Beschäftigten zugute kommen sollen, sind verschiedene
Aktivitäten gestartet worden, die aber nur teilweise die
gewünschte Wirkungen erzielt haben. Hier machen sich
einerseits die langen Traditionen des Unternehmens be9
Sensibilisierung der Betriebskultur
Das Ziel, eine größere Akzeptanz für Teilzeit zu erreichen,
wurde wiederum als ein willkommener Anlass genutzt,
um Führungskräfte für das Thema Vereinbarkeit von
Familie und Beruf zu sensibilisieren und Einfluss auf die
Betriebskultur zu nehmen. Die langen Traditionen haben
zur Folge, dass die Bindungen der Beschäftigten zum
Unternehmen sehr eng sind. Viele arbeiten ihr gesamtes
Berufsleben bei der üstra, zum Teil haben schon die Väter
hier gearbeitet. Auch dies sind Gründe dafür, dass sich
eine Kultur der Flexibilität und der Anerkennung heterogener Beschäftigtenbedürfnisse kaum entwickeln konnte.
Ziel der Beratung war es deshalb auf eine Veränderung
der Unternehmenskultur hinzuwirken. Auch die Attraktivität des Unternehmens für Bewerber/-innen sollte angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels gesteigert werden. Dazu wurden Seminare mit Führungskräften
konzipiert und durchgeführt, in denen einerseits flexible
Arbeitszeitmodelle (v. a. Teilzeitmodelle) vorgestellt wurden, Umstellungsprozesse in anderen Betrieben beschrieben wurden und andererseits über Hindernisse und
Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Teilzeit diskutiert
wurde. Dabei wurden die Bedenken der Schicht- und
Abteilungsleiter ernst genommen und darüber hinaus mit
kreativen Methoden für das Thema Work-Life-Balance
geworben. Die intensiven Diskussionen und die positiven
Rückmeldungen aus dem Seminar belegen den ge-
wünschten Effekt und haben Personlabteilung und Betriebsrat bestärkt, weitere Seminare durchzuführen.
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Schließlich wurde das Thema Vereinbarkeit von Pflege
und Beruf als weiterer Schwerpunkt ausführlich diskutiert.
Der zunehmende Altersdurchschnitt der Belegschaft lässt
erwarten, dass in Zukunft auch mit mehr Fällen von
Pflege von Angehörigen zu rechnen ist. Die Beratungen
wurden dazu genutzt, eine Betriebsvereinbarung für
pflegende Beschäftigte vorzubereiten, die den besonderen
Bedürfnissen dieser Beschäftigtengruppe entgegenkommt. Dabei konnten die Erfahrungen des Projektes
genutzt werden und die aktuelle Broschüre zu pflegesensiblen Arbeitszeiten um verschiedene Anregungen
aufzunehmen.
Beratungsprozess
Wesentlich für die erfolgreiche Beratungstätigkeit waren
das sehr offene und kooperative Klima zwischen den
beiden Parteien. Alle Beteiligten Akteure haben ein großes gemeinsames Interesse familienbewusste Arbeitszeiten zu etablieren und die „Lehmschicht“ innerhalb der
Führungsstruktur durchlässiger zu machen. Die Beratung
wurde als Ideengeber für weitere Aktivitäten und Moderator des Umsetzungsprozesses angesehen. „Wir waren
anfangs skeptisch und hätten nicht gedacht, dass sich so
viele neue Impulse entwickeln würden“ – so der Personalverantwortliche bei der üstra.
10
WIKA Alexander Wiegand SE & Co. KG
endet um 20:00, 21:00 oder 22:00 Uhr, wobei die exakte
Festlegung des Arbeitsbeginns und des Arbeitsendes eine
Woche im Voraus erfolgt. Der Schichtwechsel findet
immer um 14.30 Uhr statt. Die Wochenarbeitszeit der
Beschäftigten im 2-Schichtsystem kann damit entweder
25, 35 oder 45 Stunden pro Woche umfassen. Nur ein
kleiner Teil der Beschäftigten aus der Produktion arbeitet
in 3-Schichtsystemen, mit langen oder kurzen Wechseln.
In allen Schichtsystemen sind die Wochenenden arbeitsfrei. Die Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten arbeitet in
einem besonderen Jobsharing-Modell mit einer „Grundarbeitszeit“ von 50 Prozent, wobei sich zwei Beschäftigte
eine Stelle teilen. Zusätzlich müssen 10 Prozent zusätzliche Arbeitszeit („Reservezeit“) flexibel erbracht werden.
Dafür erhalten die Teilzeit Beschäftigten 60 bzw. 70 Prozent des Vollzeitgehalts. Die „Reservezeiten“ werden im
Jahresverlauf von den Vorgesetzten festgelegt. Als Anerkennung für diese betriebliche Flexibilität erhalten Teilzeit
Beschäftige einen garantierten Kündigungsschutz von drei
Jahren. Darüber hinaus besteht eine sogenannte
„Hausfrauenschicht“, die es einer kleinen Gruppe von
Beschäftigten mit Fürsorgepflichten erlaubt, in einer Spätschicht dauerhaft von 15:00 bis 20:00 Uhr zu arbeiten.
Mehr Flexibilität im Schichtbetrieb für den Betrieb und die Beschäftigten wünschen sich beide
Seiten. Durch eine Beschäftigtenbefragung wird
der Bedarf an verschiedenen Teilzeitmodellen
sowie an pflegesensiblen Arbeitszeiten erkennbar.
Das Unternehmen WIKA ist eines der führenden Produzenten für Druck- und Temperaturmesstechnik und hatte
2012 einen Jahresumsatz von ca. 730 Millionen Euro. Am
Hauptsitz des 1946 gegründeten Unternehmens in Klingenberg arbeiten ca. 2.000 Beschäftigte. Knapp 10 Prozent sind Teilzeitbeschäftigt, diese sind in der Regel
Frauen. Als größter Arbeitgeber in der Region betreibt
das Unternehmen eine familienbewusste Personalpolitik
und hat u. a. eine eigene Kinderkrippe eingerichtet.
Das alte Schichtsystem
Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet in Schichtsystemen.
Die überwiegende Mehrheit von ihnen ist in einem besonderen 2-Schichtsystem beschäftigt, welches auf einer
35-Stunden-Woche basiert, zugleich aber auch – mittels
variabler Schichtlänge – eine betriebliche Flexibilität
sicherstellt. Die Frühschicht beginnt je nach betrieblicher
Auslastung um 7:00, 8:00 oder 9:00 Uhr. Die Spätschicht
11
Mehr Flexibilität im Schichtsystem
Ein wesentlicher Grund für die Inanspruchnahme der
Beratung war die noch nicht ausreichende Flexibilität der
Arbeitszeitmodelle sowohl für Beschäftigte als auch für
betriebliche Belange. Das bisher als Standard angebotene
Arbeitszeitmodell für Teilzeitbeschäftigte, erweist sich
nicht für alle Teilzeitinteressierten als optimal. Ein Ziel des
Betriebsrates ist es, die Zeitsouveränität der Beschäftigten
zu erhöhen. Mehr Vielfalt und Wahlmöglichkeiten zwischen Zeitmodellen sollen den Lebensrealitäten der Beschäftigten in unterschiedlichen Lebensphasen besser
gerecht werden. Auch die Akzeptanz der Führungskräfte
gegenüber den bisherigen Teilzeitmodellen steht einer
weiteren Ausdehnung und/oder verschiedenen Wahlmodellen im Wege, die von Beschäftigten gewünscht werden. Die Geschäftsleitung ist vor allem an einer Ausdehnung der Zeitkonten interessiert und erhofft sich darüber
eine stärkere Flexibilität, von der alle Seiten profitieren
könnten.
Offensichtlich zeigt sich hier, dass die Vereinbarkeit von
Pflege und Beruf stark an Bedeutung gewinnt und bei
einer familienbewussten Arbeitszeitgestaltung besonders
berücksichtigt werden sollte. Auch im Zusammenhang mit
dem Thema der wachsenden Zahl älterer Beschäftigter
werden in Zukunft neue Lösungen gebraucht.
Trotz insgesamt sehr positiver Bewertung der Vereinbarkeitsbedingungen durch die vorhandenen Arbeitszeitmodelle können zwei „Baustellen“ identifiziert werden. Zum
einen fällt auf, dass die Attraktivität des Standard-TeilzeitModells gering ist und sich nur wenige einen Wechsel in
dieses Modell vorstellen können. Bei gleichzeitig hohem
Interesse an Teilzeit besteht in diesem Bereich noch
offener Handlungsbedarf. Zum anderen rechnet ein
Fünftel der Befragten in den nächsten Jahren damit, ihre
Arbeitszeitsituation verändern zu wollen. Offensichtlich
kommt es – abhängig von Familiensituation und Lebensphase – zu sich ändernden Arbeitzeitwünschen im Lebensverlauf. Darauf könnte mit einem Angebot an mehr
Flexibilität reagiert werden. Im Rahmen des Beratungsprozesses werden daher flexible Übergänge zwischen
verschiedenen Arbeitszeitformen oder unterschiedliche
Teilzeitmodelle diskutiert. In den nächsten Beratungsgesprächen werden konkrete Maßnahmen erörtert, wie auf
die Bedarfsanalyse reagiert werden kann.
Ein weiteres Argument für die Einführung familienfreundlicher Arbeitszeiten ist die wachsende Zahl älterer Beschäftigter. Hier wird die Notwendigkeit erkannt, sich mit
der besonderen Situation der Beschäftigtengruppe der
über 50jährigen auseinanderzusetzen, da die steigenden
Leistungsanforderungen – insbesondere in der Schichtarbeit – für ältere Beschäftigte nur schwer zu erfüllen sind.
Auch wenn sich die körperlichen Belastungen der Arbeit
in Grenzen halten, werden bei vielen Tätigkeiten hohe
Anforderungen an die Konzentration gestellt. Auch ist mit
steigenden psychischen Belastungen zu rechnen.
Belegschaftsbefragung
Weitere Bedarfe von Teilzeit und unterschiedlichen Teilzeitformen wurden noch nicht ermittelt; hier bestand im
Betrieb großes Interesse an der Erhebung der Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten. Daher wurde im Beratungsprozess eine Belegschaftsbefragung beschlossen,
die ausführlich mit verschiedenen Akteuren diskutiert und
anschließend in ausgewählten Betriebsteilen durchgeführt wurde. Erste Ergebnisse der Befragung liegen bereits vor. Die Rücklaufquote von 80 Prozent kann bereits
als Indikator dafür gewertet werden, dass mit der Befragung ein realistisches Bild der Arbeitszeitwünsche vorliegt.
Beratungsprozess
Der Beratungsprozess in diesem Unternehmen ist bisher
sehr konstruktiv verlaufen. Trotz zum Teil konträrer Positionen zwischen Betriebsrat und Personalleitung waren
sich beide Seiten einig, dass eine gründliche Analyse des
Status Quo und der Arbeitszeitbedürfnisse der Beschäftigten erste wichtige Schritte für eine Umgestaltung der
Arbeitszeiten sind. Die Beratungssituation bot einerseits
den Raum um Diskussionen auszutragen, strittige Punkte
zu klären und andererseits ein neues Arbeitszeitmodell
Schritt für Schritt umzusetzen.
Drei wesentliche Punkte konnten ermittelt werden: Völlig
überraschend sind aktuell bereits 15 Prozent der Befragten mit Pflegeaufgaben beschäftigt, was weit über dem
Bundesdurchschnitt liegt. Bisher werden bei WIKA für
pflegende Beschäftigte Einzelfalllösungen gefunden.
12
Technische Universität Berlin
erst ein Artikel in der Uni-Zeitung „TU intern“ veröffentlicht, anschließend eine Beschäftigtenbefragung
durchgeführt und ein Schwerpunkt im Personalrats-Info
zu dem Thema gesetzt. Für die Online-Befragung entwickelte die Arbeitsgruppe einen Fragebogen. Dieser
wurde dieser von Mitarbeiter/-innen des Strategischen
Controllings umgesetzt und ausgewertet. Von den 4.500
Beschäftigten haben sich 18 Prozent an der Befragung
beteiligt, was angesichts des schwierigen Themas eine
positive Rücklaufquote ist. Es wurde festgestellt, dass die
Mehrzahl der Befragten ein großes Interesse an betrieblich geförderter Unterstützung für Pflegende hat, da entweder akuter Bedarf besteht oder sich die Pflegesituation
in naher Zukunft abzeichnet. Gewünscht wurden u. a.
eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit, mehr Information und Beratung zum Thema, eine bessere Unterstützung durch Führungskräfte sowie eine schnelle und
lösungsorientierte Bearbeitung entsprechender Anträge.
Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sowie die
Sensibilisierung von Führungskräften standen im
Mittelpunkt der Beratung. Eine Beschäftigtenbefragung und eine Zukunftswerkstatt dienten
dazu, das Thema Familienfreundlichkeit in der
Universität zu befördern.
Die Technische Universität Berlin versteht sich als international renommierte Universität in der deutschen Hauptstadt. Forschung und Lehre werden von einem breiten
Spektrum sich ergänzender Disziplinen bestimmt. Sie
reichen von den Ingenieurwissenschaften über die Natur-,
Planungs-, sowie Wirtschaftswissenschaften bis hin zu
den Geistes- und Sozialwissenschaften. An der TU Berlin
sind rund 7.700 Mitarbeiter/-innen beschäftigt. Die Universität hat 2011 zum zweiten Mal nach 2008 das Audit
„Beruf und Familie“ als auch das "Total E-Quality-Prädikat" erhalten. Diese Zertifikate bescheinigen, dass die TU
Berlin gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und
gesetzliche Forderungen nach Gleichstellung der Geschlechter und Förderung Studierender und Beschäftigter
mit Familienaufgaben erfüllt. Mit einer familienfreundlichen Personalpolitik sowie familienerleichternden Studienbedingungen unterstützt die TU Berlin die Vereinbarkeit von Beruf/Studium und Familie.
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Von Juli 2011 bis Dezember 2012 nahm die TU Berlin das
DGB-Beratungsangebot auf Initiative des Personalrats
wahr. Von Anfang an waren die Universitätsleitung und
der Personalrat beteiligt; darüber hinaus beteiligten sich
die Leiterin des Familienbüros und eine Vertreterin aus
dem Bereich Weiterbildung an der Arbeitsgruppe. Bis
dahin dominierte das Thema Kinderbetreuung die Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an der
TU Berlin. Doch im Hinblick auf den demografischen
Wandel sah die Gruppe zukünftig auch das Thema Altern
und Pflege stärker auf die Universität zukommen. Deshalb wurde am ersten Beratungstag in der gemeinsamen
Zielfindung für den Beratungsprozess vereinbart, gemeinsam intensiv am Thema „Vereinbarkeit von Beruf und
Pflege“ zu arbeiten.
Logo familienbewusste TU Berlin
Diese Umfrageergebnisse waren die Grundlage für eine
Zukunftswerkstatt zur Sensibilisierung der Führungskräfte.
Die Schwerpunkte der Diskussion an den vorbereiteten
Thementischen waren:
Wie kann ich Beruf und Pflege vereinbaren? Wie organisiere ich meinen Alltag als Führungskraft, wenn ich
eine/einen Angehörige/-n pflegen muss?
Was können Führungskräfte tun, um ihre Mitarbeiter/innen in einer Pflegesituation zu unterstützen?
Wie kann mich die TU als Führungskraft unterstützen,
wenn ich meine Mitarbeiter/-innen bei Vereinbarung
von Beruf und Pflege unterstützen will?
Welchen Nutzen habe ich als Führungskraft, wenn ich
meine Mitarbeiter/-innen bei der Vereinbarung von
Beruf und Pflege unterstütze?
Um für das Thema Pflege zu sensibilisieren und die Meinungen und Erfahrungen der Beschäftigten zu berücksichtigen wurde im Rahmen des Beratungsprojektes zu
13
Erfolgskriterien des Beratungsprozesses
Der Beratungsprozess zeichnete sich durch die kooperative, stringente und sehr engagierte Zusammenarbeit der
beteiligten Akteure aus. Begünstigend kam hinzu, dass
fast alle Arbeitsgruppenmitglieder Pflegesituationen selbst
erlebt haben und ihnen die Problematik somit vertraut
war. Förderlich wirkte sowohl die Prozessmoderatorin
durch die DGB-Berater/-innen als auch die enge zeitliche
Taktung. Die Termine für die Treffen der Arbeitsgruppen
lagen nie länger als drei Monate auseinander. Aufgaben
und Verantwortlichkeiten für die Weiterführung des
Prozesses wurden auf jeder Sitzung konkret festgelegt.
Auch die hergestellten Synergien mit dem aktuellen ReAuditierungsprozess „Beruf und Familie“ und den darin
vereinbarten Zielen sowie mit dem Weiterbildungsangebot der TU waren sehr hilfreich und trugen zum
Erfolg des Beratungsprozesses bei.
Auch zum jährlich stattfindenden Gesundheitstag wurde
ein Informationsstand zum Thema Beruf und Pflege organisiert, um mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen. So wurde das Thema Beruf und Pflege durch verschiedene, einander ergänzende Sensibilisierungs- und
Informationsmaßnahmen enttabuisiert und zu einem
Schwerpunktthema an der TU Berlin befördert. Aufbauend auf die Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung und
der Zukunftswerkstatt wird die Arbeitsgruppe nun entsprechende Schlüsse ziehen, um geeignete TU-spezifische
Maßnahmen in die Wege zu leiten und diese Angebote
für alle Beschäftigten transparent und nachhaltig lebbar
zu machen.
14
Mittelweser Klinik Nienburg
der Schluss gezogen, dass es erfolgversprechender ist, die
jeweiligen Lösungen für konkrete Arbeitszeitprobleme der
Beschäftigten am Einzelfall auszurichten und darüber
Hinweise auf allgemeine Handlungsfelder zu erhalten.
Nach einem Umstrukturierungsprozess bestand
Unsicherheit und Unzufriedenheit unter den Beschäftigten. Dass es auch unter solch schwierigen
Rahmenbedingungen möglich ist, die Vereinbarkeitssituation der Beschäftigten zu verbessern,
dafür ist das Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung im Herzen Niedersachsens ein gutes
Beispiel.
Optimale Lösungswege für die ganze Abteilung
finden:
So standen beispielsweise die Beschäftigten einer Diagnostikabteilung immer wieder vor der Herausforderung,
dass Untersuchungstermine vom Chefarzt kurzfristig
außerhalb der regulären Dienstzeiten gelegt wurden. Die
Arbeitsgruppe „Beruf und Familie“ entwickelte daraufhin
unter Beteiligung einer Kollegin dieser Abteilung, ein
System der verlässlichen Öffnungszeiten, mit zwei langen
und drei kurzen Diensttagen. Der Chefarzt war von der
Idee verlässlicher Öffnungszeiten so begeistert, dass er
selbst vorschlug, auf einen langen Dienst pro Woche zu
verzichten.
Die Mittelweser Klinik in Nienburg ist, mit seinen zehn
Haupt- und zwei Belegabteilungen, eine 100prozentige
Tochtergesellschaft der Rhön-Klinikum AG. Derzeit findet
ein Umstrukturierungsprozess statt, mit dem Ziel Kosten
einzusparen. Das verunsichert die insgesamt 606 Beschäftigten (81 Prozent Frauen, 47 Prozent Teilzeitbeschäftigte). Durch die Initiative des Betriebsrates, der es
sich zum Ziel gesetzt hat, die familienorientierte Arbeits(zeit)gestaltung der Klinik voranzutreiben kam auch
der Beratungsprozess zur nachhaltigen Vereinbarkeit von
Beruf und Familie zu Stande.
Obwohl die Skepsis unter den Beschäftigten wie auch
dem Betriebsrat groß war und die Beteiligten der Arbeitsgruppe „Beruf und Familie“ überrascht waren, „dass
unter solch schwierigen Bedingungen einiges möglich
ist“, wurde eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eingeführt:
Eine wichtige Funktion nahm während der ersten Entwicklungsphase die Arbeitsgruppe „Beruf und Familie“
ein, die seit mehreren Jahren existiert und durch engagierte Beschäftigte aus verschiedenen Funktionsgruppen
innerhalb der Klinik vertreten wird. Die ersten Beratungsgespräche dienten dazu, Ideen und Vorschläge für familienbewusste Maßnahmen zu sammeln. Die Problemanalyse und die daran anschließende Erarbeitung von konkreten Lösungsoptionen ließen erkennen, dass Probleme
in allen drei zentralen betrieblichen Handlungsfeldern
bestanden, die es gemeinsam anzugehen galt.
Betriebliche unterstützte Kinderbetreuung: Das
Krankenhaus verhandelt derzeit mit einem Träger eines
Kindergarten über die Einrichtung einer weiteren
Gruppe mit erweiterten Öffnungszeiten, die die zeitlichen Bedürfnisse der Beschäftigten besser berücksichtigt. Sollte dies in absehbarer Zeit nicht zum Erfolg
führen wurde bereits ein Plan B entwickelt: Die Einrichtung eines Betriebskindergartens in Kooperation
mit weiteren Unternehmen aus der unmittelbaren Umgebung. Neben dem Gebäude wurde bereits ein externer Träger gefunden. Derzeit steht die Suche nach
adäquaten Fördermitteln ganz oben auf der Agenda.
Weiter wird geprüft, ob kommunale Gelder oder Mittel
des Bundesfamilienministeriums beantragt werden
können.
Notfallbetreuung: Parallel zum Ausbau einer regelmäßigen Betreuung verfolgt das Krankenhaus den Plan
einer Notfallbetreuung nach dem Vorbild des
Kinderparadieses eines großen Möbelhauses. In dieser
Einrichtung können sowohl Kinder von Beschäftigten
als auch Kinder von Kunden für eine kurze Zeit am Tag
unter Aufsicht spielen.
Drei Handlungsfelder standen dabei besonders im Fokus:
die Regelungen der Arbeitszeit, die Organisation der
Arbeit selbst und schließlich die Arbeits- und Betriebskultur, die in den verschiedenen Krankenhausstationen
unterschiedlich gelebt wurden. Auch die Bedingungen für
Beschäftigte mit Fürsorgetätigkeit unterschieden sich von
Station zu Station deutlich voneinander. Daraus wurde
15
Beratungsprozess
Die Mittelweser Klinik in Nienburg ist ein Beispiel für die
Vielfalt von unterschiedlichen Lösungen, die Bedeutung
von Kreativität im Prozess sowie die Wirksamkeit vereinter Energien, mit denen die Stolpersteine auf dem Weg zu
einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beiseite geschoben werden können. Wie hilfreich der Blick
von außen dabei sein kann, erfuhr die Arbeitsgruppe
„Beruf und Familie“ durch die Beratung: „Da merkt man
doch wie betriebsblind die Jahre machen. Dank der Experten und Expertinnen des DGB sehen wir jetzt manche
Situation differenzierter.“ Und der Betriebsrat stellt fest:
„Veränderungen im Arbeitszeitbereich umzusetzen ist
schwierig. Da war es schon hilfreich mit den Kollegen und
Kolleginnen vom DGB in fünf Workshops diese Themen
aufzuarbeiten. So haben wir viele neue Ideen und Ansätze
aufnehmen können. Auf der nächsten Betriebsversammlungen werden wir mit diesem Hintergrund für
Veränderungen werben.“
Haushaltnahe Dienstleistungen: Neben Kind-zentrierten Maßnahmen soll es für die Beschäftigten mit
Fürsorgetätigkeiten in Zukunft auch möglich sein, die
Wäsche waschen zu lassen oder Garten- und Reinigungsarbeiten in Auftrag zu geben. Anbieter dieser
Maßnahmen sollen externe Dienstleister sein, mit denen die Klinik bereits kooperiert. Diese Angebote sind
dann gegen eine entsprechende Kostenbeteiligung, für
weitere Beschäftigtengruppen verfügbar.
Steigerung der Mobilität: Da die Klinik außerhalb
des Stadtzentrums liegt und viele Beschäftigte weite
Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen, sind Angebote
geplant, die einen Verzicht auf den eigenen PKW attraktiver machen. Zum einen sollen diese Beschäftigten
bei Dienstfahrten oder dem Weg vom Bahnhof zur Klinik zu Sondertarifen ein Taxi nutzen können. Zum anderen bemüht sich die Geschäftsführung in Gesprächen mit der Kommune um die Einführung von preiswerten Job-Tickets für den ÖPNV.
Kinderessen in der Kantine: Als familienbewusste
Maßnahme soll die Nutzung der Betriebskantine ausgeweitet werden. Kinder von Beschäftigten sollen zukünftig die Möglichkeit haben, preiswert zu Mittag essen können. Die entsprechende Verhandlungen zwischen dem Kantinenbetreiber und der Geschäftsführungen stehen kurz vor dem Abschluss.
16
RAG Montan Immobilien GmbH
Die RAG Immobilien GmbH hat einen Firmentarifvertrag
und zahlreiche Betriebsvereinbarungen mit familienbewussten Aspekten (z. B. eine Gesamtbetriebsvereinbarung
zur Arbeitszeit, zu Langzeitkonten und zum betrieblichen
Eingliederungsmanagement).Mitte 2011 wurde das Unternehmen als familiebewusster Arbeitgeber mit dem
Zertifikat des Audits „Beruf und Familie“ ausgezeichnet.
Auf Initiative des Betriebsrates nahm die RAG Montan
Immobilien GmbH von Juli bis Dezember 2011 das Beratungsangebot des DGB-Projektes wahr. Nach einer Bestandsaufnahme und Problemanalyse kristallisierte sich
heraus, dass ein Beratungsschwerpunkt auf die Ausdehnung flexibler Regelungen von Schichtbeschäftigten
gelegt wird. Fast ein Fünftel der Beschäftigten sind gewerbliche Mitarbeiter/-innen, die auch von der Arbeitszeitflexibilisierung der Angestellten profitieren sollen.
Arbeiten an verschiedenen Standorten, häufige Dienstreisen und teils lange Anfahrtswege sind Kennzeichen für das mobile Arbeiten im Unternehmen. Durch die Einführung
von Telearbeit wurden die Arbeitsbedingungen familienbewusster gestaltet.
Die RAG Montan Immobilien mit Hauptsitz in Essen bündelt ein vielseitiges Know-how rund um Immobilien und
entwickelt als Full-Service-Anbieter ehemals industriell
genutzte Areale zu neuen Standorten. Dazu gehören
Gewerbe- und Industrieflächen, Standorte für Photovoltaik- und Windkraftanlagen, moderne Wohngebiete,
Einzelhandel-, Grün-, Freizeit- sowie Naherholungsflächen. Seit über 30 Jahren verwaltet das Unternehmen
Liegenschaften des RAG-Konzerns. Mit den vier Geschäftsfeldern Entwicklung, Erneuerbare Energien, Umwelt sowie Management betreibt das Unternehmen erfolgreich den Strukturwandel im Ruhrgebiet und Saarland.
Einen weiteren Focus legte die Arbeitsgruppe im Beratungsprozess auf die Erweiterung der räumlichen Mobilität, da
der Betrieb einen großen Einzugsbereich hat und die
Mitarbeiter/-innen teilweise entsprechend erhebliche
Fahrzeiten in Kauf nehmen und
die Tätigkeiten bei der RAG Montan Immobilien GmbH
für viele Beschäftigte häufige Dienstreisen und Außentermine umfassen.
Im Verlaufe des Beratungsprozesses wurden zwei Formen
des mobilen Arbeitens favorisiert:
alternierende Telearbeit für bestimmte Personengruppen und
mobiles Arbeiten von zu Hause und unterwegs als
Standard für alle.
Mobiles Arbeiten
Für die Projektarbeit vor Ort sind intensive Kontakte,
kurze Wege und eine gute Erreichbarkeit entscheidende
Voraussetzungen. Die Büros im Ruhrgebiet und im Saarland fungieren deshalb bei der Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern als dezentrale Schnittstellen. Am
Hauptsitz in Essen und in den Büros in Dortmund, Essen,
Moers und Sulzbach bieten über 300 Beschäftigte ihre
Erfahrungen aus zahlreichen realisierten Projekten an.
Über zwei Drittel der Beschäftigten sind Männer, die
überwiegend in Vollzeit arbeiten.
17
Sicherung der Betriebsabläufe durch eine Abstimmung
im Team,
Festlegungen von Ausnahmen (operativer Bereich,
Forstwirtschaft, Gartenbau, Empfang, Archiv, Azubis,
Praktikanten und stud. Hilfskräfte) sowie
die allgemeine Übereinkunft möglichst wenige und
keine starren Regeln festzulegen.
Dabei wird eine Begrenzung des Mobil-Stundenkontingentes auf 16 Stunden pro Monat für Vollzeitbeschäftigte
angestrebt (für Teilzeitbeschäftigte jeweils anteilig). Ziel
des Beratungsprozesses war neben der Information über
und Sensibilisierung für die Vor- und Nachteile mobilen
Arbeitens die Erarbeitung einer Betriebsvereinbarung
„Mobiles Arbeiten“ und die Initiierung einer Pilotphase.
Dabei wurden auch mögliche Umsetzungsschwierigkeiten
der Pilotphase Telearbeit besprochen wie z. B. Fragen der
Technik und Zugriffsrechte sowie Auswahlkriterien der
Beschäftigten für die Pilotphase.
Diese Anregungen flossen in die Erarbeitung der Betriebsvereinbarung „Mobiles Arbeiten“ ein, die im Jahr
2012 abgeschlossen wurde.
Beratungsprozess
Die Treffen der Arbeitsgruppe fanden in einer sehr harmonischen und konstruktiven Diskussions- und Aushandlungskultur zwischen den Betriebsparteien statt. In
diesen Diskussionen der Arbeitsgruppe wie auch im
Workshop mit Verantwortlichen aus verschiedenen Betriebsbereichen wurden offen Probleme angesprochen
und lösungsorientiert diskutiert. Sehr positiv war auch die
direkte Anknüpfung an den Auditierungsprozess als familienfreundlicher Arbeitgeber. Dadurch konnte an klare
Leitbilder und Zielsetzungen angedockt werden und Synergien zur Umsetzung der Audit-Zielvereinbarungen genutzt werden.
Auf einem Workshop zur Telearbeit im September 2011
wurden mit 15 Verantwortlichen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens Erwartungen und Probleme
diskutiert. Ein wichtiges Thema war u. a. die Frage, wie
verhindert werden kann, dass sich aus der Telearbeit eine
Erwartungshaltung der Führungskräfte in Richtung permanenter Verfügbarkeit entwickelt. Wichtig war es den
Beteiligten, die Regelungsmaßnahmen zu begrenzen,
damit es nicht zu kompliziert wird und dass die Vereinbarungen nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt bleibt, da sie für alle eine Entlastung sein können. Durchweg positiv wurde Telearbeit als Möglichkeit
zur Einsparung von Fahrwegen und zum schnellen Reagieren in Notfällen bewertet. Weitere, zu klärende Fragen
stellten sich im Workshop heraus:
„In dem Prozess zur Umsetzung
unserer Ziele im Rahmen des
Audits Beruf und Familie wurden
wir
kompetent
vom
DGB
unterstützt. Die fachliche Beratung
sowie der Expertenblick haben uns
sehr geholfen.“ (Betriebsratsvorsitzende, Frau Otto)
Wie werden Führungskräfte dafür sensibilisiert?
Wie werden Abstimmungsprozesse im Team gestaltet?
Ist Telearbeit auf allen Arbeitsplätzen praktikabel?
Anschließend wurden konkrete Vorschläge für die Umsetzung in der Pilotphase erarbeitet:
Höchstgrenze von 16 Stunden Mobile Arbeitszeit pro
Monat, über die alle Beschäftigten frei verfügen können,
eine sechsmonatige Pilotphase mit anschließender
Evaluierung,
18
RKW Kompetenzzentrum Eschborn
Mehr mittelfristige Freistellungsmöglichkeiten für Beschäftigte mit Familienaufgaben.
Abgrenzung der Anspruchsberechtigten für einen Teleheimarbeitsplatz sowie Transparenz der Kriterien.
Entwicklung einer neuen Betriebsvereinbarung Arbeitszeiten und Telearbeit, die um das
Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf
erweitert wurde.
Im Rahmen des Beratungsprozesses von November 2011
bis Juli 2012, in denen die Arbeit an Inhalten und Formulierungen der neuen Betriebsvereinbarung im Vordergrund
standen, konnten diese Anliegen in konkrete Regelungsinhalte übersetzt werden:
eine differenzierte Festlegung der Kernarbeitszeit an
den Werktagen, so dass montags und freitags eine um
eine Stunde verkürzte Kernarbeitszeit gilt,
die Einführung eines Ampelkontos mit fest definierten
Höchstwerten für die einzelnen Ampelphasen sowie einem Standardproze„Mitarbeitende können mit der Geschäftsführung eine befristete Teilzeitbeschäftigung in
dere
zum
Form eines Kurzzeit-Sabbaticals vereinbaAbbau von
ren. Dazu können Mitarbeitende innerhalb
großen Zeiteines Kalenderjahres eine Arbeitsphase in
guthaben soVollzeit mit einer Freistellungsphase kombiwie zum Ernieren.
kennen von
Während der Gesamtzeit werden durchgehend
möglichen
anteilig Bezüge gezahlt. Die Freistellung erÜberlastsitufolgt für maximal drei Monate, die nicht zuationen,
sammenhängend sein müssen.“ (Auszug
die EinfühBetriebsvereinbarung Arbeitszeit von 2012)
rung eines
Kurz-Sabbatical für alle Beschäftigten, um
Freistellungen von bis zu drei Monaten pro Kalenderjahr zu ermöglichen,
Erhalt von längerfristig befristeten Teleheimarbeitsplätzen insbesondere für Beschäftigte mit besonderen familialen Belastungen.
Das RKW Kompetenzzentrum in Eschborn ist eine gemeinnützige Forschungs- und Entwicklungseinrichtung,
getragen vom Rationalisierungs- und Innovationszentrums der Deutschen Wirtschaft e.V. Arbeitsschwerpunkte
der bundesweit aktiven Einrichtung sind Fachkräftesicherung, Innovation und Existenzgründung sowie die
Förderung ausgewählter Branchen (z. B. Bauwirtschaft,
Kultur- und Kreativwirtschaft).
Zwei Drittel der gut 100 Beschäftigten des RKW Kompetenzzentrums sind weiblich, aufgrund der zunehmenden
projektförmigen Arbeit sind etwa 30 Prozent der Mitarbeiter/-innen befristet beschäftigt, ein großer Teil der
Beschäftigten hat einen wissenschaftlichen Hintergrund.
Der zeitlich befristete und erfolgreiche Beratungsprozess
konnte ganz konkrete Ergebnisse erzielen: Die neue Betriebsvereinba„Die Teilnahme an alternierender Telerung zur Arheimarbeit ist freiwillig und steht allen Bebeitszeit wurde
schäftigten offen. Teleheimarbeit soll jedoch
im
Sommer
insbesondere gewährt werden, wenn dadurch
2012 zwischen
• die Betreuung eines oder mehrerer Kinder
im Alter unter 16 Jahren erleichtert wird,
Geschäftsfüh•
wenn die Pflege eines Angehörigen bzw.
rung und Beeiner Angehörigen erleichtert wird.“
triebsrat abge(Auszug
Betriebsvereinbarung Arbeitszeit von
schlossen und
2012)
trat unmittelbar danach in Kraft.
Ausgangspunkt für die Teilnahme am Beratungsprozess
war das Anliegen, die bestehenden Betriebsvereinbarungen zu den Arbeitszeiten sowie zur alternierenden Teleheimarbeit zusammenzuführen und dabei einige Inhalte
zu überarbeiten. Konkrete Anliegen dabei waren:
Eine Absicherung flexibler Gestaltungsmöglichkeiten
zugunsten von mehr Zeitsouveränität für den/die Einzelnen/Einzelne, ohne dabei die Arbeitsfähigkeit sowie
die Kommunikationsprozesse in den verschiedenen
Teams zu gefährden.
19
Kreispolizeibehörde Paderborn
teilung, Mitgliedern des Personalrates, der Gleichstellungsbeauftragten und einer alleinerziehenden Mitarbeiterin. Im Zuge des Beratungsprozesses führte diese
Gruppe als ersten Schritt eine Problemanalyse zur Vereinbarkeit in den einzelnen Dienststellen der Kreispolizeibehörde durch und konnte drei wesentliche Hindernisse
identifizieren. Das Grundproblem für die Polizeibeamten
und Polizeibeamtinnen bei der Vereinbarkeit von Familien- und Arbeitszeit stellt ein unflexibles Drei-SchichtSystem dar. Hinzu kommen aber auch die geringe Planbarkeit der Arbeitszeiten sowie die Inkompatibilität von
Teilzeitbeschäftigung mit dem Schichtdienst. Wie sollte
nun mit diesem Ergebnis umgegangen werden?
Arbeiten im Schichtdienst, häufig auch am Wochenende und noch dazu außerhalb der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen. Die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestaltet
sich für die 558 Beschäftigten der Kreispolizeibehörde Paderborn nicht einfach. Diese Situation
sollte durch die Experten und Expertinnen vom
DGB verbessert werden.
Neben den Vereinbarkeitsproblemen der vorwiegend
Vollzeitbeschäftigten (91 Prozent) Beamten und Beamtinnen sind noch viele weitere spezifische Arbeitsbelastungen festzustellen, die Beschäftigte mit Fürsorgetätigkeiten schnell an die Grenze ihrer Belastbarkeit kommen
lassen. Weil nicht mehr davon ausgegangen werden
kann,
dass
hinter
jeder/jedem
Polizeibeamtin/Polizeibeamten auch ein/-e Partner/-in steht, die/der
ganz selbstverständlich die Haus- und Familienarbeit
übernimmt, werden Fragen der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf zunehmend wichtiger. Egal ob sich Beschäftigte alleinerziehend oder mit Partner/-in um die Kinder
Zuerst formulierte die Steuerungsgruppe als zentrale Ziele
die Verbesserung von Ferien- und Notfallbetreuung sowie
eine bessere Passfähigkeit von Teilzeit- und Schichtarbeit
(30 Beschäftigte). Um beide Ziele auch angemessen erreichen zu können, wurden die Beschäftigten ins Boot geholt. Im Zuge eines Workshops mit interessierten und
betroffenen Beschäftigten konnten deren Schwierigkeiten
und Bedürfnisse differenzierter erfasst werden. Als Ergebnis des Workshops wurden vier Handlungsfelder identifiziert:
Arbeitszeit: Probleme der täglichen Vereinbarkeit
werden insbesondere hervorgerufen durch die starren
Zeiten von Arbeitsbeginn und Arbeitsende in den
Dienststellen.
Kinderbetreuung: Das Angebot an Betreuungsplätzen in Stadt und Region reicht bei Weitem nicht aus,
um den Bedarf zu decken. Außerdem passen die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungsstätten nicht zu den
Arbeitszeiten der Dienststelle. Problematisch ist ebenfalls eine fehlende Betreuung in den Ferienzeiten.
Information: Durch fehlende Informationen und fehlende Ansprechpartner/-innen innerhalb der Behörde
werden die Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen oft
mit ihren Problemen allein gelassen.
Arbeitsorganisation: Vor allem die Aufgabenzuteilung während der Schwangerschaft wird von den betroffenen Frauen als ein „Abschieben“ auf bedeutungslose Verwaltungsarbeiten (Anlegen von Listen)
empfunden.
kümmern oder die Pflege für Familienangehörige übernehmen, wächst der Zeitbedarf, wenn Fürsorgearbeiten
erledigt werden müssen. Die dienstlichen Rahmenbedingungen entspre„Wir waren schon vorher auf dem
chen den gegebeWeg und durch die externe Beranen Lebensrealitung wurden uns neue Impulse
täten allerdings
gegeben. Am Ziel sind wir aber
immer weniger,
noch nicht.“ Gleichstellungsbeaufwas den Polizeitragte, Frau Lange
beruf nicht nur für
die 114 Frauen, sondern zunehmend auch für die 444
dort beschäftigten Männer, sowie potentielle Nachwuchskräfte unattraktiv erscheinen lässt. Darauf gilt es angemessen zu reagieren und nachhaltige Alternativen zu
entwickeln. Zu diesem Ergebnis kam auch die Steuerungsgruppe „AG Beruf & Familie“, bestehend aus Direktionsleitung, Verantwortlichen aus der Personalab-
Zudem wurde deutlich, dass die Problemlagen nicht in
allen Dienststellen gleich waren und dass es stark von der
jeweiligen Leitung abhing, welche Möglichkeiten sich den
Beschäftigten mit Fürsorgeaufgaben boten. Hier sind die
Führungskräfte gefordert, sich stärker zu beteiligen und
über die Vereinbarkeitsmöglichkeiten in der Kreispolizei
20
zu informieren. Im Zuge eines weiteren Workshops wurde
versucht, diese Sensibilisierung zu erreichen. Mit den
Leitern und Leiterinnen von Dienststellen wurde sowohl
über die bereits bestehenden Vereinbarkeitsmaßnahmen
informiert als auch die Anwendung für betroffene Beschäftigte veranschaulicht. Zudem bot sich die Möglichkeit die Ergebnisse des Workshops mit den Beschäftigten
in die Runde einzubringen, wodurch die Diskussion bereichert werden konnte. So stellte sich im Laufe des Pro-
tationsstellen eingerichtet, die flexible Arbeitszeiten für
die Kinderbetreuung benötigen. Bei der Besetzung dieser
familienfreundlichen Rotationsstellen werden auch Pflegende mitberücksichtigt.
zesses unter anderem heraus, dass die Relevanz neuer
Arbeitszeitmodelle von der Leitungsebene durchaus
wahrgenommen wird, entsprechende Maßnahmen aber
auf Vorgaben des Landes zur Umsetzung von EU-Richtlinien (Arbeitszeitgestaltung) warten müssen. Ein Ergebnis
des Workshops ist die Verbesserung der Kommunikations- und Informationswege, die künftig von der Führungsetage direkt bis zu den Betroffenen führen soll.
Nicht zuletzt durch den konstruktiven Workshop ermutigt, wurde vereinbart, das Thema Vereinbarkeit von
Beruf und Familie in die regelmäßigen Führungskräftetreffen zu integrieren. Damit wurde ein wesentlicher
Schritt getan, um dem Thema Vereinbarkeit in der Organisationskultur aller Dienststellen mehr Gewicht zu verleihen.
unter bestimmten Voraussetzungen die Dienststelle
aussuchen kann, wo sie/er nach längerer Abwesenheit
wieder in das Berufsleben startet.
Transparenz und Information: Sämtliche Maßnahmen,
die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der
Kreispolizeibehörde verbessern, werden in einer
Dienstanweisung zusammengefasst. So sind die Möglichkeiten gebündelt und keine Informationen gehen
verloren. In dieser Dienstanweisung wird auch die alternierende Telearbeit beschrieben.
Telearbeit: Das Verfahren zur Besetzung von Telearbeitsplätzen wird genauso wie die Vergabe der Rotationsstellen über eine jährlich durchgeführte Interessenabfrage geregelt und berücksichtigt die individuellen
Bedürfnisse der Bewerber/-innen.
Rückkehr nach Familienpause: Beschäftigte mit längeren familiären Auszeiten erhalten die Möglichkeit
eines „Wiedereinstiegs auf Probe“. Dies ist eine befristete Maßnahme, bei der sich die/der Beschäftigte
Beratungsprozess
Im Beratungsprozess wurden folgende Ziele erreicht:
Derzeit wird an einer Möglichkeit gearbeitet, die Vielzahl
an Informationen zu diesem Themenbereich für alle Beschäftigten anschaulicher und besser zugänglich, um
Aktualität und Übersichtlichkeit aller Maßnahmen zu
gewährleisten. Rückblickend wurde in kurzer Zeit viel
Positives bewirkt und viel Elan für weitere Verbesserungen entwickelt: „Am Ziel sind wir aber noch nicht!“, stellt
der Leiter der Kreispolizeibehörde fest.
Sensibilisierung auf allen Ebenen: Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist innerhalb der Behörde stärker in den Fokus gerückt – von den Beschäftigten bis zu den Führungskräften.
Einführung einer flexiblen Arbeitszeitregelung für Beschäftigte mit Fürsorgeverantwortung: Es wurden Ro21
Struktur- und Genehmigungsdirektion
Süd, Rheinland Pfalz
und zur Telearbeit sind die Belange der Beschäftigten mit
Familienaufgaben berücksichtigt. So arbeiten die Beschäftigten der SGD Süd im Rahmen einer Gleitzeitregelung, die bis zu 24 freie Tage pro Jahr ermöglicht.
Darüber hinaus verfügt die Behörde über 20 dauerhafte
Telearbeitsplätze. In familiären Ausnahmesituationen
werden zusätzliche Telearbeitsplätze auch temporär vergeben. Beschäftigte mit schulpflichtigen Kindern, die das
12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird zudem
die Möglichkeit eröffnet, an bis zu zehn Arbeitstagen
„Ferientelearbeit“ zu leisten.
Sensibilisierung zum Thema Vereinbarkeit von
Pflege und Beruf durch Workshops mit Führungskräften und betroffenen Beschäftigten sowie eine
Palette verschiedener pflegesensibler Maßnahmen.
Offen war zu Beginn des Beratungsprozesses, ob die
geltenden Dienstvereinbarungen auch den Bedürfnissen
von pflegenden Beschäftigten hinreichend gerecht werden. Angesichts der absehbaren demografischen Veränderungen in Deutschland sowie der Altersstruktur, der bei
der SGD Süd Beschäftigten, wurde das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege als eine zentrale zukünftige
Herausforderung eingestuft.
Beim Auftakttreffen der Berater/-innen mit der internen
Steuerungsgruppe Die Beschäftigten der SGD Süd können
wurde zunächst ihre tägliche Arbeitszeit im Rahmen der
die Durchführung Gleit- und Kernarbeitszeiten selbst
einer
Beschäf- gestalten. Die Kernarbeitszeiten sind wie
folgt festgelegt:
tigtenbefragung
• Mo.-Do.: 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr &
vereinbart.
Ziel
14.00 Uhr – 15.30 Uhr
der
Befragung
• Fr.: 9:00 Uhr bis 12:30 Uhr
war, herauszufinden, wie viele Beschäftigte neben ihrer beruflichen Tätigkeit mit der Versorgung/Betreuung von pflegebedürftigen
Angehörigen befasst sind und wie sich Beruf, Familie und
Pflegeaufgaben bisher vereinbaren lassen. Diese Befragung wurde, inhaltlich begleitet durch das Beraterteam,
im Frühjahr 2012 vom Personalreferat durchgeführt.
Die SGD Süd ist eine Landesbehörde für das südliche
Rheinland-Pfalz mit Hauptsitz in Neustadt an der Weinstraße. Aufgabenschwerpunkt der Behörde ist die
Durchführung von komplexen Genehmigungsverfahren
aus den Bereichen Gewerbeaufsicht, Wasserwirtschaft,
Abfallwirtschaft und Bodenschutz. Auch die Bereiche
Raumordnung, Naturschutz und Bauwesen gehören zum
Aufgabenspektrum. Die SGD Süd hat aktuell 560 Beschäftigte, etwas mehr als die Hälfte sind Männer. Mit 70
Prozent ist der Großteil der Beschäftigten in Vollzeit tätig.
Ausgangspunkt für die Entscheidung an der Beratung
teilzunehmen, war die Erkenntnis von Personalreferat und
Gesamtpersonalrat, dass bisher zu wenig darüber bekannt ist, ob und wie die Beschäftigten von eigenen Pflegeaufgaben betroffen sind bzw. wie sie ihre beruflichen
Aufgaben und die Pflege bisher schon vereinbaren können.
Mehr als ein Viertel aller Beschäftigten nahm an der
Befragung teil.
Von diesen Befragten waren rund 40 Prozent zum
Zeitpunkt der Befragung mit Pflegeaufgaben befasst,
weitere 29 Prozent hatten früher schon selbst gepflegt.
Vier Fünftel der Befragten berichteten von Vereinbarkeitsproblemen zwischen Beruf und Pflege.
Die Behörde hat sich in den letzten Jahren bereits intensiv
mit der Verbesserung
„Gut zu sehen, dass der
von VereinbarkeitsArbeitgeber ein offenes Ohr für
möglichkeiten für Bedas Thema Pflege hat.“ (Frau K.,
schäftigte mit Familipflegende Mitarbeiterin)
enaufgaben befasst.
Schwerpunkte waren die Arbeitszeitgestaltung, Telearbeit
und umfangreiche Maßnahmen der Gesundheitsförderung. In den Dienstvereinbarungen über die Arbeitszeit
Die Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung unterstrichen
die große Bedeutung sowie den Handlungsbedarf hinsichtlich des Themas Beruf und Pflege.
22
Um mehr über die konkreten Bedarfe der Pflegenden zu erfahren,
wurde im Mai 2012 ein
eintägiger Workshop für
Beschäftigte mit Pflegeaufgaben durchgeführt,
an dem zwölf Betroffene
teilnahmen. Im Rahmen des intensiven Workshops, der
großen Zuspruch fand, wurden gemeinsam Wünsche und
Gestaltungsvorschläge erarbeitet. Diese richteten sich
vordringlich auf das Betriebsklima – d. h. auf die Anerkennung und die Sensibilität, welche pflegenden Beschäftigten innerhalb der Dienststelle entgegen gebracht
wird – aber auch auf die konkrete Gestaltung der täglichen Arbeitszeiten sowie die Möglichkeiten zur Telearbeit.
Maßnahmen vereinbart, die das Thema behördenintern
befördern und unterstreichen sollten.
"Familienbewusste Arbeitszeiten schaffen einen gerechten Ausgleich zwischen
beruflicher und familiärer
Verantwortung".
(Frau
Kleineheismann, Gleichstellungsbeauftragte, SGD Süd)
Dazu gehörten im Einzelnen:
Ein Rundschreiben des Präsidenten an alle Mitarbeiter/-innen mit der Ankündigung, die Vereinbarkeit von
Beruf und Pflege zu ermöglichen
Durchführung von Informationsveranstaltungen zum
Thema Pflege unter Mitwirkung des Pflegestützpunktes
Präsentation der Fotoausstellung des Bundesministeriums für Gesundheit „DaSein – ein neuer Blick auf die
Pflege“ im Foyer des Hauptgebäudes
Ergänzung des Leitfadens für Mitarbeitergespräche um
den Themenkomplex Beruf und Pflege
Bewerbung der bestehenden Intranet-Seiten zum
Thema Beruf und Pflege
Erweiterung der Abfrage des Weiterbildungsbedarfes
der Beschäftigten um den Themenkomplex Beruf und
Pflege
Planung eines jährlichen Weiterbildungsseminars für
pflegende Beschäftigte im Rahmen der behördlichen
Gesundheitsförderung
In einem zweiten Workshop mit den Führungskräften
wurde mit der Dienststellenleitung, den Abteilungsleitungen sowie Referatsleitungen einen Tag lang über
Möglichkeiten zur Erleichterung des Miteinanders von
Beruf und Pflege diskutiert. Hier fanden insbesondere die
von den betroffenen Beschäftigten selbst formulierten
Gestaltungswünsche Gehör. So wurden gemeinsam Vorschläge für die Arbeitszeitgestaltung von Pflegenden
erarbeitet und gleichzeitig ein tiefer gehendes Verständnis für die Arbeits- und Lebenssituation von pflegenden
Beschäftigten erzielt.
In Folge der vielfältigen Analyse- und Diskussionsschritte
beschloss die Behörde,
„Das hätte ich nie gedacht,
die bestehende Dienstdass ich hier nicht die Einzige
vereinbarung über die
bin!“ (Frau Z., pflegende
Arbeitszeit für eine
Mitarbeiterin)
ergänzende Regelung,
die die besondere Vereinbarkeitssituation von Pflegenden
berücksichtigt, zu öffnen. Damit wird die Möglichkeit
geschaffen, pflegende Beschäftigte von den Kernzeiten
der Gleitzeit auszunehmen. In Kürze soll diese neue Regelung durch eine Dienstvereinbarung zwischen Dienststellenleitung und Personalrat umgesetzt werden. Auf
Grund der ergebnisorientierten und vertrauensvollen
Zusammenarbeit von Personalabteilung, Personalrat und
dem Team der Berater/-innen verlief der Beratungsprozess
außerordentlich produktiv. Dank der verschiedenen
durchgeführten Maßnahmen (Beschäftigtenbefragung,
Betroffenen-/Führungskräfteworkshop sowie der breiten
Palette an Einzelmaßnahmen) konnte das Thema der
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf grundlegend in der
Betriebskultur verankert und gezielte Arbeitszeitverbesserungen für pflegende Beschäftigte auf den Weg gebracht werden.
Da die Sensibilisierung sowohl der Pflegenden als auch
der Führungskräfte für das Thema der Vereinbarkeit von
Beruf und Pflege als wichtiges Handlungsfeld erkannt
wurde, wurde von der Dienststellenleitung in Zusammenarbeit mit dem Personalreferat ein breites Bündel an
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Beratung zu familienbewussten Arbeitszeiten
Dokumentation guter Beratungspraxis
Vereinbarkeit von
Familie und Beruf gestalten!
Projekt des DGB-Bundesvorstandes
Keithstr. 1/3
10787 Berlin