Traubenbehandlung während der Véraison

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Traubenbehandlung während der Véraison
WEINBAU
Die Traubenbenetzung mit selektionierten Hefederivaten wird seit 2006 weltweit mit großem
Interesse erforscht. Können die angewendeten Hefepräparate die Weinstilistik unterstützen?
Welchen Einfluss haben natürliche Hefeprodukte auf die Reife der verschiedenen
Rebsorten bei unterschiedlichen Vegetationsbedingungen? Ein Bericht aus der Praxis.
Traubenbehandlung
während der Véraison
Text und
Abbildungen:
Martin Briegel,
Weinlabor
Briegel,
Deidesheim
Neue Herausforderungen durch den Einfluss von
Wetterextremen kommen auf den Winzer zu. Hohe
Temperaturen und Trockenheit oder auch anhaltende Regenfronten können eine unharmonische Traubenreife bewirken. Bis zum Erreichen der optimalen
Phenolreife der Trauben entstehen hohe Zuckergehalte. Auch unerwünscht hohe pH-Werte der Moste
sind problematisch für die Weinbereitung. Die Erwartungen der Verbraucher und die Ambitionen der
Weinerzeuger fruchtige, harmonische und bekömmliche Weine mit einer langlebigen Aromenvielfalt herzustellen, erfordern innovative Lösungen.
Die Anfangsphase des Beerenwachstums ist das
Ergebnis der Zellteilung und Zellexpansion. Die folgende Veränderung und die Entwicklung der Inhaltsstoffe und auch der Qualität der Beeren werden hingegen von biologischen Leitkomponenten, wie sie in
natürlicher Weinhefe vorkommen, gesteuert. Detaillierte Grundlagenforschung und umfangreiche Tests
ermöglichten die Entwicklung von wirtschaftlichen
nwendungen der Hefekomponenten im Weinbau.
Die Ausbringung natürlicher Hefederivate (aus
Saccharomyces cerevisiae, Torulaspora) zu Beginn
des Weichwerdens der Beeren (Véraison) sorgte für
großes Interesse bei den Weinerzeugern. Doch wie
entsteht die nötige Traubenqualität für ausgewogene
Rotweine mit guter Balance, aromatischer Reife und
langanhaltendem Mundgefühl? Wie kann die physiologische Traubenreife gefördert werden?
Praktische Feldversuche
Seit Juni 2006 verfolgt das Weinlabor Briegel in
Deidesheim die Produktentwicklung von Lallemand
Research Inc. (Toulouse/Frankreich). Zu Beginn
wurde ein Screening der Lallemand Hefederivate
durchgeführt. Mehr als 40 Tests wurden im Zeitraum von drei Jahren mit den Schwerpunkten Pflanzengesundheit, Anwendungen im Weinberg und
Validierung der verschiedenen Formulierungen ausgewertet. Die Vor-Ort-Tests bei Weingütern wurden
detailliert untersucht und die Versuchsweine analysiert und sensorisch bewertet. Die Ausbringung der
Hefederivate erfolgt in geringer Menge zu Beginn der
Traubenverfärbung (Véraison) mit einer Weinbergspritze. Wiederholungen dieser Tests ergaben auch
bei unterschiedlichen Jahrgangsbedingungen in den
Weinregionen viele Erfahrungen. Erste Ergebnisse
brachten meist eine interessante Verbesserung der
Weinqualität und somit wurden die praktischen Feldversuche in weiteren Weinbauregionen durchgeführt.
Vinifikation und Verkostung
Untersuchungen in Gaillac (Südwestfrankreich)
durch das Institut Français de la Vigne et du Vin (IFV)
dokumentieren die Zunahme von Aromavorläufern
in den mit Hefederivaten behandelten Trauben. Drei
Fraktionen von selektierten Hefederivaten mit spezifischer Formulierung ermöglichten unterschiedliche
Die erste Behandlung mit Hefederivaten wird bei Beginn
des Weichwerdens der Beeren empfohlen. Eine
Wiederholung folgt dann ca. 7 - 10 Tage später. Kleines
Bild: Trauben nach der 2. Behandlung
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Der Deutsche Weinbau · 11.4.2014 · Nr. 7
WEINBAU
Tests
in Österreich
Sensorischer Vergleich nach Behandlung: 2012 er Weißburgunder
Kontrollwein = blaue Linie, behandelte »Mature«-Variante = rote Linie
Harmonie
ROUNDNESS
5
Aromaintensität
Komplexität
4
krautig
3
2
1
Balance
BALANCE
0
FRESH
Frische
blumig
Thiole
reife Früchte
frische Früchte
Anwendungen zur Förderung der Traubenreife: Die
Produktmuster LalVigne® Mature (Verbesserung der
phenolischen Reife), LalVigne® Aroma (Steigerung
von Aromavorläufern), LalVigne® Thiol (Erhöhung
der Thiolkonzentration) wurden an verschiedenen
Rebsorten angewandt. Die Verkostungsergebnisse
wurden in Zusammenarbeit mit oenologischen Instituten in Ungarn erstellt.
Bei nachstehendem Versuchswein handelt es sich
um Testanwendungen bei der Rebsorte Cabernet
Sauvignon aus dem Jahr 2012 durch die Weinbauabteilung der Universität von Pècs. Der Kontrollwein
ist geprägt von einer grünen, vegetativen Note mit
anfänglicher Süße und wenig Körperstruktur. Die mit
LalVigne® Mature behandelte Variante zeigte reife
Frucht mit Körperfülle und harmonischer Tanninstruktur auf (siehe Zusatzinfos im Internet).
Sensorische Unterschiede
Studien zur Wirkung von Hefederivaten wurden
auch 2012 mit der Rebsorte Syrah im Research Institute Viticulture and Oenology in Eger (Ungarn)
durchgeführt. Der Kontrollwein war hierbei fruchtig
ausgeprägt, mit krautig-vegetativer Note und flacher
Körpermitte sowie kurzem Abgang. Die behandelte
»Mature«-Variante wies Noten von roten Beerenfrüchten auf. Im Geschmack zeigte sich ein komplexes Mundgefühl inklusive langem Abgang.
Ein 2012er Weißburgunder wurde mit LalVigne®
Thiol während Véraison behandelt und die Studien
vom Badascony Institute durchgeführt. Die Kontrollvariante zeigte hierbei frische Zitrusaromen mit Noten von Orangenschale, auf. Die behandelte Variante
zeigte im Vergleich mehr Reife und Nuancen von
exotischen Früchten (siehe Abb. oben).
Die Analyse eines 2012er Sauvignon Blanc der
Universität Pècs (Ungarn) wurde spezifisch auf den
Gehalt von 3-Mercaptohexanol (3MH) untersucht.
Durch die Anwendung der Hefederivate konnte hier
die Konzentration an 3MH deutlich erhöht werden
Der Deutsche Weinbau · 11.4.2014 · Nr. 7
Bitterkeit
BITTER
(siehe Abbildung in den Zusatzinfos im Internet).
In Beaune (Burgund) wurden innerhalb von drei
Jahren Tests mit Anwendungen des Hefederivates
»LalVigne Mature« bei Pinot Noir analytisch und sensorisch bewertet.
Resultate bei Spätburgunder
Die Analyse der Trauben (Zucker, Säuren, pH, Glories Index) und die physische Bewertung (Analyse
der Textur der Beeren, u. a.) wurde zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der Traubenreife bis zur
Ernte bei den behandelten Reben und bei den Reben
der nicht behandelten Kontrollparzellen untersucht.
Meist wurde bei den behandelten Beeren eine
dickere Schale festgestellt und die Gehalte an Anthocyanin sowie die Extraktgehalte waren im Vergleich
zu den unbehandelten Beeren erhöht. Die Analyse
der Weine zeigte bei den meisten Parametern (insbesondere Gesamtphenole, Catechin, Leucoanthocyanidin, Gelatine-Index, Resveratrol, Athocyanin,
Hue) positiven Einfluss durch die Behandlung mit
den Hefederivaten. Entsprechend wurde bei der
sensorischen Bewertung der Testweine eine ausgeprägtere Sortentypizität und mehr Komplexität bei
den Burgunderweinen aus den behandelten Beeren
festgestellt. G
Bei verschiedenen Weißweinund Rotweinsorten haben die
Oenologen von Lallemand in
Kooperation mit der Universität für Bodenkultur in Wien
und Experten unterschiedlicher Fachgebiete (Rebenzucht,
Pflanzenschutz, Weinbereitung)
wiederholte Tests mit der Anwendung von Hefederivaten
zum Zeitpunkt der Véraison
durchgeführt.
Interessante Erfahrungen wurden bei der Sorte Grüner Veltliner in Regionen mit unterschiedlicher Bodenstruktur und
bei differenziertem Mikroklima
festgestellt. Aromasorten wie
Traminer und Muskateller zeigten zu den früheren Ernteterminen eine günstige Phenolreife
und Aromaausprägung. Die
Anwendungstests mit »LalVigne
Aroma« wurden auch bei weiteren Rebsorten durchgeführt.
Bei den Sorten Zweigelt und
Blaufränkisch werden die Testanwendungen in den Weinbauregionen vor allem mit dem
speziellen Hefederivat »LalVigne Mature« in diesem Jahr realisiert und ausgewertet.
Fazit: Durch die Ausbringung von spezifischen
Hefederivaten kann Einfluss auf die Traubenreife
und somit auf die Sensorik der Weine und die
Weinqualität genommen werden. Es zeigen sich
Unterschiede bei den Versuchsverkostungen auf.
Zur Optimierung der Traubenqualität werden in
Deutschland viele Anstrengungen unternommen.
Die Praxis wird zeigen, welche Anwendungen im
Weinberg zielführend sein können.
Noch Fragen?
Literaturhinweise beim Autor.
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