Noch schlägt das herz des IraN

Transcription

Noch schlägt das herz des IraN
Noch schlägt
das Herz des
Iran
Geschichten von
Frauenrechtlerinnen
Inhalt
Iran – Ein Überblick 4
Frauenrechtsgruppen im Iran 6
Zeitleiste zur Frauenbewegung im Iran 8
Portraits von Frauenrechtlerinnen im Iran 12
ALIEH AGHDAM-DOUST 12
ASIEH AMINI 13
BAHAREH ALAVI 14
BAHAREH hedayat 15
Haleh sahabi 16
JIla Baniyaghoub 17
Kaveh Kermanshahi 18
Khadijeh Moghaddam 19
Mahboubeh Karami 20
mAHBOUBEH aBBASGHOLIZADEH 21
MANSOUREH SHOJAI 22
MEHRANGIZ KAR 23
Nasrin sotoudeh 24
shadi sadr 25
Sussan Tahmasebi 26
PARVIN ARDALAN 27
Shirin ebadi 28
Shiva Nazar AharI 29
Zohreh Arzani 30
© Amnesty International
Eine Veröffentlichung der Iran-Gruppe
von Amnesty International
am Trinity College Dublin, Irland
Deutsche Übersetzung von der
Iran-Koordinationsgruppe der deutschen Sektion
www.amnesty-iran.de
IRAN / 3
© Kosoof (Arash Ashoorinia)
Amnesty International
Frauen im Iran werden oft als Opfer dargestellt – hoffnungslos unfähig, für ihre
eigenen Rechte einzutreten und sie einzufordern. Die Wahrheit ist jedoch, dass
iranische Frauen im Herzen der Menschenrechtsbewegung sind und dass einige die
mutigsten und effektivsten Menschenrechtsaktivisten im Iran sind.
„Noch schlägt das Herz des Iran – Geschichten von Frauenrechtlerinnen“ ist eine
Ausstellung, die die iranischen Menschenrechtsverteidigerinnen würdigt.
Die Ausstellung und diese daraus hervorgegangene Broschüre wurde vom TCD
Community Fund finanziert und von Mitgliedern der Amnesty Iran-Gruppe in Irland
mit Unterstützung von Amnesty International erstellt. Sie stellt 19 Frauen­
rechtlerinnen des Iran vor. Viele wurden wegen ihrer Arbeit inhaftiert und einige
wurden ins Exil getrieben, aber sie kämpfen weiterhin für Frauenrechte im Iran.
4 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
IRAN
gröSSte Städte
Teheran (Hauptstadt): 7,19 Mill.
Mashhad: 2,592 Mill.
Esfahan: 1,704 Mill.
Karaj: 1,531 Mill.
Tabriz: 1,459 Mill.
Verfassung
verabschiedet am 3. Dezember
1979, überarbeitet 1989.
Anmerkung: die Überarbeitung
1989 dehnte die Macht des
Präsidenten aus und schaffte den
Posten des Premierministers ab.
Staatsoberhaupt
Ayatollah Sayed Ali Khamenei
(Oberster Führer der Islamischen
Republik Iran)
Regierungschef
Dr. Mahmud Ahmadinejad
(Präsident)
© (AP/PA Photo)
Ethnische Gruppen / Sprachen
Persisch 51%
Baluchi 3%
Turkmenisch 24% Arabisch 2%
Kurdisch 8%
Türkisch 2%
Luri 7% Andere 2%
© AP
Bevölkerung
77.891.220 (geschätzt 2010)
Religionen
Moslems (offiziell) 98%
(Schiiten 89%, Sunniten 9%)
Andere (darunter Zoroaster, Juden,
Christen und Baha’i) 2%
Nachbarländer
Afghanistan, Armenien,
Aserbaidschan, Irak, Pakistan,
Türkei, Turkmenistan
Todesstrafe
beibehalten
2010 gaben die Behörden 252
Hinrichtungen bekannt, aber es
gab glaubwürdige Berichte über
mehr als 300 weitere Hinrich­
tungen. Die wahre Zahl könnte
sogar höher liegen. Mindestens
ein jugendlicher Straftäter wurde
hingerichtet. Verurteilungen zur
Steinigung werden weiterhin
ausgesprochen.
Iran ist Unterzeichnerstaat
folgender internationaler
Verträge:
Internationaler Pakt über
wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte
Internationaler Pakt über
bürgerliche und politische Rechte
Konvention über die Rechte des
Kindes
Konvention über die Rechte
­Behinderter
Konvention über die Verhinde­rung
und Bestrafung von V
­ ölkermord
Konvention über die Beseitigung
jeglicher Form von Rassen­
diskriminierung
Amnesty International
Menschenrechte im Iran
Die Behörden haben die
­Meinungs-, Vereinigungs- und
Versammlungsfreiheit stark
eingeschränkt.
Es werden weitreichende
Kontrollen einheimischer und
­­internationaler Medien durch­
geführt, die den Kontakt ­
von Iranern mit der Außenwelt
einschränken sollen.
Einzelpersonen und Gruppen
laufen Gefahr, verhaftet,
gefoltert oder inhaftiert zu
werden, wenn sie mit Menschen­­
rechts­­gruppen oder persisch­
sprachigen Medien im Ausland
zusammenarbeiten.
Folter und Misshandlungen von
Häftlingen werden routinemäßig
durchgeführt und bleiben
straflos.
IRAN / 5
Allgemeiner politischer Rahmen
Iran ist eine theokratische Republik, mit
einem religiösen Rechtssystem auf der
Grundlage der Scharia.
Der Oberste Führer, Ayatollah Khamenei,
ist die mächtigste politische Figur im
Iran. Er ernennt den Leiter der Justiz, 6 der 12 Mitglieder des mächtigen
Wächterrates, die Kommandeure aller Streitkräfte, die Leiter der
Freitagsgebete und die Leiter von Radio und Fernsehen. Er bestätigt auch
die Wahl des Präsidenten.
Präsident Ahmadinejad verfolgt eine harte Linie sowohl im Inland als
im Ausland. Eine ständige Verletzung der Menschenrechte im Iran ist
verbunden mit einer Konfrontationshaltung in der internationalen Arena.
Formelle politische Parteien sind eine relativ neue Erscheinung in der
Islamischen Republik Iran und die meisten Konservativen arbeiten lieber
in politischen Zusammenschlüssen als in Parteien.
In den Revolutionsgarden sind schätzungsweise 125.000 Mann aktiv. Sie
haben ihre eigenen Boden-, See- und Luftstreitkräfte neben der regulären
Armee und haben die Kontrolle über Irans strategische Waffen. Die
Garden haben auch eine starke Präsenz in zivilen Institutionen und sollen
ein Drittel der iranischen Wirtschaft über Tochterfirmen und Stiftungen
kontrollieren. Sie kontrollieren auch die freiwilligen Basidj-Milizen.
Geistliche dominieren die iranische Gesellschaft und Justiz. In den letzten
Jahren haben konservative Kräfte die Justiz benutzt, um Reformen durch
Inhaftierung reformorientierter Persönlichkeiten und Journalisten und die
Schließung von Zeitungen zu verhindern.
Frauen im Iran
Frauen im Iran sind verbreiteter gesetzlicher Diskriminierung ausgesetzt:
Sie sind von Schlüsselpositionen des Staates ausgeschlossen – sie können z.B. nicht Richterinnen werden
oder für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren.
Sie haben keine Gleichberechtigung bei Eheschließung, Scheidung, im Sorgerecht und Erbrecht.
Straftaten gegen Frauen werden weniger hart bestraft als solche gegen Männer.
Die Zeugenaussage einer Frau vor Gericht ist halb so viel wert wie die eines Mannes.
Obwohl das gesetzliche Heiratsalter 13 Jahre beträgt, können Väter um Erlaubnis bitten, ihre Töchter früher
zu verheiraten, auch an Männer, die viel älter sind als ihre Töchter.
Männer dürfen mehrere Frauen heiraten, Frauen aber nicht mehrere Männer.
Männer haben das uneingeschränkte Recht auf Scheidung, Frauen nicht.
6 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
Frauenrechtsgruppen
im Iran
Trotz ständiger Unterdrückung und Schikanierung sind
viele iranische Frauenrechtsgruppen weiterhin lebendig.
Sie rücken Fragen ins Bewusstsein wie die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, das Recht auf freie
Meinungsäußerung und die Anwendung der Steinigung
als Hinrichtungsform. Hier sind einige der prominentesten Frauenrechtsgruppen.
Zentrum für
Menschenrechtsverteidiger (CHRD)
Das CHRD ist von Friedensnobelpreisträgerin Shirin ­
Ebadi zusammen mit vier anderen prominenten
Menschen­rechtsanwälten gegründet worden: Mohammad
Ali Dadkhah, Mohammad Seyfzadeh, Mohammad Sharif
und Abdolfattah Soltani. Das CHRD berichtete über
Menschenrechtsverletzungen im Iran, gab politischen
Gefangenen unentgeltlich Rechtshilfe und unterstützte
ihre Familien. Das CHRD ersuchte seit seiner Gründung
2001 vergeblich um offizielle Registrierung. Daher
­arbeiteten Shirin Ebadi und ihre Kollegen in einer recht­
lichen Grauzone mit der ständigen Gefahr von Schließung
und Repressalien. Sie wurden wiederholt schikaniert,
eingeschüchtert, verhaftet und in Haft gehalten.
© Kosoof (Arash Ashoorinia)
Das Büro des CHRD wurde 2008 von den Behörden ge­
schlossen. Einige seiner Mitglieder sind seit den Präsi­
dent­schaftswahlen 2009 inhaftiert worden. Mohammad
Seyfzadeh­wurde im Zusammenhang mit seiner Beteili­
gung an der Gründung des CHRD zu 9 Jahren Haft
ver­­­urteilt. Shirin Ebadi ist seit der Präsidentschaftswahl
nicht in den Iran zurückgekehrt. Sie hat Todesdrohungen
erhalten und ihr Konto im Iran mit dem Preisgeld ihres
Nobelpreises wurde, unter Verletzung iranischen Rechts,
eingefroren.
DIE KAMPAGNE
Stoppt Steinigungen für immer
Eine Gruppe von iranischen
Menschenrechtsverteidigerinnen,
Rechtsanwältinnen und Journa­
listinnen, angeführt von Anwältin
Shirin Ebadi und den Journalist­innen Mahboubeh Abbas­
gholizadeh und Asieh Amini, zusammen mit anderen Ak­
tivistinnen außerhalb des Iran, starteten 2006 die Kam­
pagne Stoppt Steinigungen für immer, um Steinigungen
im Gesetz und in der Praxis abzuschaffen. Gemäß dem
iranischen Strafgesetz ist Steinigung für die meisten
Formen von Ehebruch vorgeschrieben. Die Kampagne
hat zum Ziel, das Leben aller Menschen im Iran, gegen
die die Steinigung verhängt wurde, zu retten. Diese
mutigen Bemühungen wurden von inter­nationalen Men­
schenrechtsorganisationen, darunter A
­ mnesty Internati­
onal, und vielen Einzelpersonen weltweit unterstützt.
Seit 2006 wurden mindestens 13 Menschen vor der
Steinigung bewahrt. Bei anderen wurde die Hinrichtung
ausgesetzt, und einige Fälle wurden überprüft oder neu
verhandelt. Jedoch war die Kampagne im Iran Repres­
sionen ausgesetzt und ihre Unterstützerinnen wurden
­eingeschüchtert und schikaniert. Einige waren gezwungen,
das Land aus Sorge um ihre Sicherheit zu verlassen, und
leben seitdem im Exil.
Komitee der
Menschenrechtsreporter (CHRR)
Das CHRR wurde 2006 gegründet und
kämpft gegen eine Reihe von Menschen­
rechtsverletzungen, darunter solche, die
Frauen, Kinder, Gefangene und Arbeiter
betreffen. Es wurde Zielscheibe von Angriffen insbeson­
dere seit den Wahlen vom Juni 2009. Im Januar 2010
beschuldigte die Staatsanwaltschaft von Teheran die
Gruppe, Verbindungen zu den Volksmujahedin des Iran
zu haben, einer verbotenen Organisation, und sagte,
dass „jede Zusammenarbeit mit ihm (dem CHRR)
ein Verbrechen sei. Das CHRR bestreitet entschieden,
solche Verbindungen zu unterhalten.
IRAN / 7
© privat
Amnesty International
Mütter für den Frieden
Mütter für den Frieden wurde 2007 gegründet, als über
500 Frauen einen Brief an iranische Behörden schrieben,
in dem sie gegen die nationale Nuklearpolitik Stellung
bezogen. Mütter für den Frieden setzt sich gegen eine
mögliche militärische Intervention im Iran wegen des
Nu­­klearprogramms ein, sucht nach „tragfähigen Lösun­
gen“ für die Instabilität der Region und kämpft gegen die
Festnahme, Inhaftierung und Schikanierung gewöhnlicher
Iraner. Mitglieder der Organisation wurden bei vielen An­
lässen festgenommen und inhaftiert.
Die Kampagne
eine million unterschriften
Die Eine Million Unterschriften-Kampagne, auch bekannt
als Kampagne für Gleichberechtigung, wurde 2006 ins
Leben gerufen. Es ist eine Graswurzelbewegung, beste­
hend aus einem Netzwerk von Menschen, die sich für
ein Ende der Diskriminierung von Frauen im iranischen
Recht einsetzen. Die Kampagne gibt eine grundlegen­
de rechtliche Ausbildung an Freiwillige, die durch das
Land reisen und ihre Ideale verbreiten. Sie sprechen mit
Frauen in ihren Häusern sowie auf öffentlichen Plätzen,
klären sie über ihre Rechte auf und die Notwenigkeit einer
Rechtsreform. Die Freiwilligen haben sich auch zum Ziel
gesetzt, eine Million Unterschriften unter eine Petition zu
sammeln, die eine Abschaffung Frauen diskriminierender
Gesetze im Iran verlangt.
Die Mitglieder der Kampagne legen Wert darauf, ihre
Aktivitäten in voller Übereinstimmung mit dem Gesetz
durchzuführen. Die iranische Verfassung erlaubt friedli­
che Zusammenkünfte, und es ist völlig legal, Bildungs­
seminare zu veranstalten und Unterschriften unter eine
Petition für rechtliche Änderungen zu sammeln. Dennoch
wurden Dutzende der Kampagnenmitglieder wegen
ihrer Aktivitäten verhaftet oder schikaniert, einige beim
Versuch, Unterschriften für die Petition zu sammeln. Da
ihnen Genehmigungen für öffentliche Versammlungen
häufig verweigert werden, halten Kampagnenaktivistinnen
ihre Seminare häufig in Häusern von Sympathisantinnen
ab, von denen einige Drohanrufe erhalten haben, angeb­
lich von Sicherheitskräften, oder zu Verhören einbestellt
wurden. Mitgliedern der Kampagne für Gleichberechti­
gung wurde auch verwehrt, ins Ausland zu reisen.
Das Geheimdienstministerium hat den
Müttern für den Frieden Verbindun­
gen zu linksgerichteten Gruppen wie
den Volksfedayin des Iran unterstellt.
Die Mütter für den Frieden bestreiten
vehement, dass es irgendwelche politi­
schen Verbindungen gibt.
Die trauernden Mütter /
Mütter des Laleh-Parks
Die Trauernden Mütter sind Frauen, deren
Kinder bei den Gewalttätigkeiten nach
den Wahlen im Iran im Juni 2009 getö­
tet, verschwinden gelassen oder verhaftet
wurden. Zu den Mitgliedern der Gruppe
zählen die Mütter von Neda Agha-Soltan
und Sohrab Arabi, die beide bei den Protesten nach den
Wahlen ums Leben kamen. Die Trauernden Mütter treffen
sich schweigend jeden Samstag in der Nähe des Platzes
und zur Zeit der Ermordung der Protestteilnehmerin Neda
Agha-Soltan, um ihrer Söhne und Töchter zu gedenken.
Im Januar 2010 hielten die Trauernden Mütter eine
friedliche Mahnwache im Laleh-Park in Teheran. Die
33 Frauen wurden abgeführt, einige von ihnen wurden
geschlagen und 10 ins Krankenhaus gebracht. Alle 33
Frauen wurden ins Vozara-Haftzentrum in Teheran ge­
bracht. Mitglieder der Gruppe wurden auch im Dezember
2009 festgenommen und inhaftiert.
8 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
Zeitleiste zur Frauenbewegung
im Iran
Die iranische Frauenbewegung geht bis ins späte
19. Jahrhundert zurück. Im folgenden finden Sie eine
kurze Geschichte des mutigen Kampfes für ihre
Rechte und einige Herausforderungen, denen sie
dabei immer noch ausgesetzt sind.
2011 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
4. Juni: Irans Frauenfußball-Nationalmannschaft wird von
einem Qualifikationsspiel für 2012 ausgeschlossen, weil
sie die Kleiderordnung der FIFA nicht
eingehalten hat. Diese besagt, dass
Ohren und Hals nicht bedeckt sein
dürfen, was wiederum die islamische
Kleiderordnung im Iran vorschreibt.
Juli: Die Menschenrechtsverteidigerin und Filmemache­
rin Mahnaz Mohammadi und die Schauspielerin, Blog­
gerin und Dokumentarfilmerin Pegah Ahangarani werden
inhaftiert. Mahnaz Mohammadi wird der Kontakt zu ihrer
Familie oder anwaltlicher Vertretung verweigert.
17. Juli: Die Schauspielerin Marzieh
Vafamehr wird wegen ihrer Rolle im
Film „Mein Teheran zu verkaufen“
verhaftet, weil sie in diesem Film
ohne Hijab auftrat.
2010 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
11. März: „Change for Equality“
(die Webseite der Ein-MillionenUnterschriften-Kampagne) erhält
den „Netizen“(„Netzbürger“)-Preis
von Reporter ohne Grenzen. Die
iranischen Behörden schlossen die
Webseite am folgenden Tag (dem
Welttag gegen Zensur) zum 23. Mal
seit 2006.
2009 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
12. Juni: Präsidentschaftswahlen werden abgehalten.
13. Juni: Die Behörden erklären Amtsinhaber Mahmoud
Ahmadinejad zum Gewinner mit beinahe 63% der
Stimmen. Mir Hossein Mousavi wird Zweiter mit 34 %
und beklagt Wahlbetrug.
Es kommt zu Auseinander­
setzungen Tausender
Protestierender mit der
Polizei.
17. Juni: Bis zu einer halben Million Menschen protestie­
ren auf dem 7.Tir-Platz in Teheran, viele davon Frauen.
Die „Feminist Majority Foundation“ verleiht den Weltwei­
ten Frauenrechtspreis an die Ein-Millionen-UnterschriftenKampagne.
27. Juni: Die Aktivistinnen der Trau­
ernden Mütter versammeln sich zum
ersten Mal im Laleh-Park in Teheran.
Sie sehen sich ständigen Schikanen
durch die Behörden ausgesetzt.
Einige von ihnen werden verhaftet.
2008 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Prominenten Aktivistinnen der EinMillionen-Unterschriften-Kampagne:
Nasrin Sotoudeh, Parvin Ardalan,
Sussan Tahmasebi und Esha Momeni
wird die Ausreise verweigert.
14. Februar: Raheleh Asgarizadeh und Nahim Khosravi
werden wegen der Sammlung von Unterschriften für die
Ein-Millionen-Unterschriften-Kampagne verhaftet.
2007 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
9. Mai: Fünf politische Gefangene, darunter die 28-jährige
Kurdin Shirin Alam-Holi, werden im Geheimen hingerichtet.
April: Anousheh Ansari wird die erste
Iranerin im All.
8. Juni: Shirin Ebadi, Mitbegründerin der Ein-MillionenUnterschriften-Kampagne, erklärt: „Die brutalen Angriffe
machen Irans Frauen nur stärker.“
Der „Erste IPA Verleger-Freiheits­
preis“ geht an die Herausgeberin
Shahla Lahiji.
Amnesty International
IRAN / 9
2006 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
2002 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
10. Januar: Nasim Sarabandi und Fatemeh Dehdashti,
Mitglieder der Ein-Millionen-Unterschriften-Kampagne,
werden inhaftiert wegen der Sammlung von Unter­
schriften in der U-Bahn.
8.März: zum ersten Mal
wird der Internationale
Frauentag öffentlich in
einem der größten Tehera­
ner Parks, dem Laleh-Park
begangen.
Sakineh Mohammadi Ashtiani wird
von einem Gericht in Tabriz des
Ehebruchs schuldig befunden und zu
99 Peitschenhieben verurteilt, die vor
ihrem 17-jährigen Sohn ausgeführt
werden. Ihr Fall wird später wieder er­
öffnet, als ein Gericht ihre Beteiligung
am Tod ihres Ehemanns vermutet. Sie
wird später freigesprochen, aber der Richter überprüft
auch ihre frühere Anklage wegen Ehebruch und verurteilt
sie zum Tod durch Steinigung.
Dezember: Der Leiter der Justiz, Ayatollah Shahroudi,
ordnet ein Verbot der Steinigung an. Die Gerichte
­sprechen jedoch nach wie vor Steinigungsurteile aus.
2000 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
8.März: Zum ersten Mal seit der Revolution wird der
Frauentag in Teheran begangen.
2005– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Frauen diskutieren auch über Sexualität und kritisieren
die patriarchalische Struktur offen in Weblogs, die als
die einzigen unzensierten Medien im Iran gelten.
Mahmoud Ahmadinejad wird zum
Präsidenten Irans gewählt.
1999 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
8. März: Aktivistinnen versammeln
sich im Studentenpark (Park-e
­Daneshjoo) in Teheran und begegnen
heftiger Gegenwehr. Im Juni ver­
sammeln sich 6000 Aktivistinnen vor
der Universität Teheran.
2004 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Das Frauenkulturzentrum öffnet die
erste Frauenbibliothek. Sedigheh
Dolat-Abadi und Mehrangiz Kar er­
halten den jährlichen „Human Rights
First“-Preis.
64% der Studienanfänger sind weib­
lich. Die Verschlechterung der wirt­
schaftlichen Situation zwingt Millionen von Frauen
zur Arbeitsaufnahme.
2003 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
9. Oktober: Shirin Ebadi erhält
den Friedensnobelpreis für ihre
Menschenrechtsarbeit.
Studentinnen liegen vor ihren männlichen Bewerbern bei
den nationalen Eingangsprüfungen für die Universitäten.
1998 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Die erste Frauen-Polizeiakademie seit der Revolution
1979 wird eingeweiht
11. Oktober: Die erste Journalistinnenunion seit der
­Islamischen Revolution wird gebildet.
1997 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Trotz der Wahl von Mohammad
­Khatami mit 80% der Stimmen
­ändert sich wenig an der Situation
der Frauen.
1996 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Faezeh Hashemi, Tochter des ehe­
maligen Präsidenten Akbar Hashemin­
Rafsanjani, wird von Hardlinern
wegen ihrer Kritik und des Tragens
von Jeans und des Radfahrens attackiert. Mit einem
Erdrutschsieg und der höchsten Zahl von Stimmen in
Teheran wird sie in das 5. Majlis (Parlament) gewählt.
10 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
1980-1988: Iran-Irak-Krieg
1980 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Azam Taleghani, Ateghe Sedighi, Maryam Behruzi und
Ghoharoshaye Dastqeib sind die ersten vier Frauen, die
nach der Revolution ins Parlament kommen. Frauen­mili­zen werden zur Verteidigung des Vaterlandes trainiert.
Tausende Aktivistinnen werden verhaftet und viele in
Gefängnissen hingerichtet, ebenso wie Männer. Amnesty
International veröffentlicht Berichte über Vergewaltigun­
gen durch Gefängniswärter vor der Hinrichtung.
Gründung der Islamischen Republik Iran
1979 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Das Familienschutzgesetz wird geändert und Frauen wird
der Zugang zum Richteramt und anderen Bereichen wie
Gärtnerarbeit versperrt. Die
Verschleierung wird verpflichtend,
zunächst für Regierungsbehörden, dann für das ganze
Land. Linke Demonstrationen gegen den Schleier werden
mit Gewalt beantwortet. Im ersten Parlament sind unter
den 217 Abgeordneten nur 3 Frauen.
1925-1979: Pahlavi-Dynastie
1978 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
33 Prozent der Studenten sind jetzt weiblich, etwa
2 Millionen arbeiten. 190.000 sind beruflich mit einem
Universitätsabschluss tätig. 333 Frauen sind in
Gemeinderäten, 22 im Parlament und zwei im Senat.
1975 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Frauen erhalten das Sorgerecht für ihre Kinder nach dem
Tod ihres Ehemanns.
1971 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Das erste Frauenfußballspiel in Teheran findet statt.
1969 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Am 4. Juni werden Shirin Ebadi,
Manijeh Farzad, Meimanat Chubak,
Adineh Banimehr, Zahra Khavaran,
Azamush Malek und Homayundokht
Homayuni zu den ersten Richterinnen
des Iran ernannt.
1967 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Das Familienschutzgesetz wird
ratifiziert. Es gibt Fortschritte beim
Scheidungsrecht, da Scheidungen an
Familiengerichte verwiesen werden.
Die Polygamie wird eingeschränkt,
da die schriftliche Zustimmung der
ersten Frau nun erforderlich ist. Das
Heiratsalter für Mädchen wird auf 18 heraufgesetzt.
Farokhroo Parsa wird die erste Ministerin im Iran.
1962 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
In Bahman erhalten Frauen endlich das Recht zu wählen
und gewählt zu werden. Fatwas (religiöse Gutachten)
von bekannten Persönlichkeiten wie Ayatollah Khomeini
verurteilen dies als häretisch; die folgenden Demonstra­
tionen werden unterdrückt.
1961 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Die erste Anwältinnenvereinigung wird gegründet und ver­
langt für Frauen das Wahlrecht, das Recht, ins Parlament
gewählt zu werden sowie Gleichberechtigung im Beruf.
1958 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Sattareh Farmanfarmaian gründet
die ersten Klassen zur Ausbildung
von Sozialarbeiterinnen und soziale
Einrichtungen.
1956 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Maryam Svoji, Schriftstellerin, Dichterin und Juristin,
ist die erste Frau, die über rechtliche Fragen im Radio
spricht.
1953 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Kurz nach dem Putsch von 1953
wird der Höhere Frauenrat gebildet,
geleitet von Ashraf Pahlavi.
1952 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Veröffentlichung von „Hoghugh-e Zan“ (Zeitschrift für
Frauenrechte) durch Ebtehaj Mostahagh.
Amnesty International
IRAN / 11
1951 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – 1934 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Mehrangiz Dawlatshahi, die erste Botschafterin, grün­
det mit Safayeh Firouz die Menschenrechtsorganisation
„Rah Naw“ (Neuer Weg). Die beiden treffen den jungen
Schah und verlangen das Wahlrecht. Durch Einspruch
religiöser Autoritäten wird die Debatte beendet.
1949 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Yekatrina Saidkhanian wird zur
ersten Anwältin des ­Landes ernannt.
Dr. Mehrangiz Manuchehrian ver­
öffentlicht einen Aufsatz mit dem
Titel: „Kritik an der Verfassung des
Iran unter dem Gesichtspunkt der
Frauenrechte“.
1947 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
5. Februar: Raziyeh Sha’bani, eine prominente Aktivistin,
wird verhaftet.
1946 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Fatemeh Sayah und Simin Daneshvar gründen zusam­
men mit anderen prominenten Aktivistinnen die „Hezb-e
Zanan-e Iran“ (Iranische Frauenpartei).
1940 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Mehrangiz Afzal und Zia Javid sind die ersten Hoch­
schulabsolventinnen in Naturwissenschaften im Iran. Die
erste iranische Pilotin, Efat Tejaratchi, führt ihren ersten
Alleinflug durch.
1936 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Reza Shah, seine Frau und Töchter,
wohnen der Graduierungszeremonie
am Lehrerinnenausbildungskolleg in
Teheran bei. Alle Frauen werden an­
gewiesen, unverschleiert zu kommen.
Das Ablegen des Schleiers wird ver­
pflichtend und Tschador und Kopftuch
in der Öffentlichkeit werden verboten.
Die ersten Frauen beginnen ihr Studium an der Univer­
sität Teheran. Amineh Pakhravan wird die erste Dozentin
und Dr. Fatemeh Sayah 1938 die erste Professorin.
1935 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Die iranische Regierung verabschiedet ein Gesetz, das
Frauen die Zulassung zu staatlichen Universitäten erlaubt.
Ruhangiz Saminejad wird die erste
iranische Schauspielerin in einem
längeren Film.
1931 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Die erste offizielle Frauenkonferenz wird in Teheran
abgehalten. Das Heiratsalter wird auf 15 Jahre für Mäd­
chen und 18 für Jungen heraufgesetzt.
Die erste Gruppe von Mädchen aus dem Iran reist nach
Europa, um ihre Ausbildung fortzusetzen.
1926 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Banu Namus gründet die erste Mädchenschule in Shiraz.
Eine erregte Menschenmenge schüttet ihr daraufhin heiße
Asche auf den Kopf und hält ihr eine Fackel an die Haut.
1785-1925: Qajaren-Dynastie
1923 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
31. Januar: Die „Jamiyate Nesvan-e …“ (Patriotische
Frauengesellschaft) wird gegründet.
1922 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Sedigheh Dolatabadi wird die erste iranische Frau, die
an der Internationalen Frauenkonferenz teilnimmt.
1919 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Sedigheh Dolatabadi gründet die erste
Frauenzeitschrift („Zaban-e Zanan“
– Stimme der Frau), die unter dem
Namen einer Frau registriert wird.
1910 – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Trotz der Tatsache, dass 97% der iranischen Frauen An­
alphabetinnen sind und das Schreiben für Frauen tabu
ist, gründet Dr. Kahali Jadid al-Islam Hamedani die erste
Frauenzeitschrift „Danesh“.
1904/1905 – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Frauen werden vor allem in Teheran und Tabriz im
Kampf für eine Verfassung aktiv und boykottieren
ausländische Waren, führen Untergrundaktionen gegen
ausländische Streitkräfte durch, organisieren, Straßen­
proteste und verkaufen Schmuck, um Verfassungskräfte
zu unterstützen.
12 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
ALIEH AGHDAM-DOUST
lEHRERIN UND
FRAUENRECHTLERIN
„Widerspruch ist Teil unseres bürgerlichen
© www.we-change.org
Lebens als Menschen und meine Beteiligung
an den Frauenprotesten gehörte zu der
Lebensweise, die ich gewählt habe.“
Alieh Aghdam-Doust, 58, ist Mitglied der Kampagne
für Gleichberechtigung. Sie war zur Zeit der Islamischen
Revolution Lehrerin und später auf Anordnung des Erzie­
hungsministeriums gezwungen, ihren Beruf aufzugeben.
Alieh Aghdam-Doust, eine gewaltlose politische Gefange­
ne, verbüßte ab Januar 2009 eine dreijährige Haftstrafe
im Evin-Gefängnis in Teheran wegen ihres Protestes
gegen diskriminierende Gesetze nach der Islamischen
Revolution von 1979. Sie wurde im Januar 2007 wegen
„Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch Teil­
nahme an einer illegalen Versammlung“ verurteilt. Ihre
Verurteilung bezog sich auf eine friedliche Demonstration
gegen Frauendiskriminierung, an der sie im Juni 2006
teilnahm. Diese wurde von Sicherheitskräften gewaltsam
aufgelöst und 70 Personen wurden verhaftet.
Alieh Aghdam-Doust wurde im März 2010 in Einzelhaft
verbracht, nachdem sie am Internationalen Frauentag,
dem 8. März 2010, vor weiblichen Mitgefangenen eine
Rede gehalten hatte. Sie wurde später in Abwesenheit
ihres Anwaltes vor Gericht gestellt und wegen ihrer Rede
mit neuen Anklagen konfrontiert. Sie ist noch nicht
deswegen verurteilt worden. Im November 2010 ver­
brachte sie eine Woche in Einzelhaft, nachdem sie gegen
die Verlegung weiblicher Gefangener in die „MethadonAbteilung“, in der weibliche Drogenabhängige einsitzen,
protestiert hatte.
Alieh Aghdam-Doust wurde am 8. Januar 2012 nach
Verbüßung ihrer Haftstrafe entlassen.
Amnesty International
IRAN / 13
ASIEH AMINI
JOURNALISTIN, dICHTERIN UND
FRAUENRECHTLERIN
„Gesetze spiegeln nicht die Wünsche einiger
hundert Leute wider, die Steine auf andere
werfen. Gesetze müssen die Gesellschaft
genauso wie die Sicherheit von Individuen
Normen unserer Zeit in Einklang stehen.
Gesetze müssen Gesellschaften von Gewalt
und Kriminalität wegführen.“
Asieh Amini ist Journalistin, Dichterin und Aktivistin für
Frauen- und Menschenrechte. Viele Jahre hat sie gegen
die Todesstrafe im Iran gekämpft, insbesondere die
Hinrichtung von Minderjährigen und die Steinigung von
Frauen. Sie ist eine der Gründerinnen der Kampagne
„Schluss mit Steinigungen“, die viele vor der Hinrichtung
durch Steinigung bewahrt hat, und ist Gründungsmitglied
und Leiterin der Iranischen Frauenvereinigung (Kanoon
Zanan Iran). Asieh Amini lebt jetzt mit ihrem Mann Javad
Montazeri im Exil in Norwegen.
Asieh Amini hat in den letzten zwei Jahren mehr als
60 Artikel, Berichte und Interviews auf Farsi, Englisch
und Norwegisch veröffentlicht. Diese betrafen soziale
Fragen im Iran wie Menschenrechte, Frauenrechte und
Steinigung. Sie hat diese Fragen auch auf verschiedenen
internationalen Konferenzen erörtert. Asieh Amini ist
Herausgeberin von Online-Magazinen, „Frauen im Iran“
und „Koneshgaran“ und der Zeitungen „Sobhe Emrooz“,
„Etemaad“ und „Iran Javan“. Sie ist auch Reporterin für
die Tageszeitung „Azad“ und hat Artikel auf „Roozonline“
veröffentlicht.
© Kosoof (Arash Ashoorinia)
schützen. Gesetze müssen mit den zivilisierten
2009 verlieh Human Rights Watch Asieh Amini den Hell­
man/Hammett-Preis. Laut der Organisation „wurde damit
gewürdigt, dass sie das Leben einiger Jugendlicher und
Frauen im Todestrakt gerettet hat, indem sie ihre Fälle
veröffentlichte, Kampagnen an die Behörden organisierte
und Familien von Opfern überzeugte, auf ihr Recht auf
Vergeltung zu verzichten.“
Im März 2007 gehörte Asieh Amini zu 33 Frauen, die
verhaftet wurden, als sie gegen die Anklage von fünf
Frauenrechtlerinnen in Teheran protestierten. Sie wurde
einige Tage später freigelassen und von den Anklagen
gegen sie freigesprochen.
Im Januar 2012 erhält sie den Oxfam Novib/PEN Award.
14 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
© privat
BAHAREH ALAVI
JOURNALISTIN, bLOGGERIN,
FRAUENRECHTLERIN
UND AKTIVISTIN FÜR DIE
RECHTE DER KURDEN
Bahareh Alavi, Menschenrechtlerin und Mitglied der
„Eine Million Unterschriften-Kampagne“, war eines der
jüngsten Mitglieder der Frauenbewegung. Sie begann ihre
Menschenrechtlichen und journalistischen Aktivitäten, als
sie 16 war, und wurde 2007 Mitglied der „Eine Million
Unterschriften-Kampagne“. Am 26. April 2011 starb
­Bahareh Alavi im Alter von 20 Jahren bei einem Auto­
unfall.
Bahareh Alavi beteiligte sich an den Protesten von 2009
nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen. Sie
­beschrieb sie detailliert in ihrem Blog. In den Tag nach
den Protesten, als viele politische und zivilgesellschaft­
liche Aktivisten verhaftet wurden, waren auch viele ihrer
Freundinnen und Freunde betroffen. Bahareh Alavi ver­
öffentlichte ihre Lage in den Medien.
Bahareh Alavi schrieb einen regelmäßigen Weblog, „Die
Tochter der Sonne“, über die Einschränkungen, die sie
als iranische Frauen erfuhr, und die Wut und Trauer die
sie bei jeder Hinrichtung empfand. Im April 2010 schrieb
sie einen Artikel für das „Menschenrechtshaus des
Iran“ über das Leben von Farangis Khanum Davoudifar,
der Mutter von Kaveh Kermanshahi, einer kurdischen
­Menschenrechtsaktivistin und Mitglied der „Eine Million
Unterschriften-Kampagne“.
In ihren letzten Projekten vor ihrem vorzeitigen Tod
beschäftigte sie sich u.a. mit einer Untersuchung weib­
licher Genitalverstümmelung und der Übersetzung eines
Buches über die Erfahrung, im Iran lesbisch zu sein. ­
In einem Interview mit BBC sprach sie über Frauenrechte
in der Ehe und die Gleichberechtigung für Frauen im Iran.
Amnesty International
IRAN / 15
BAHAREH hedayat
StudentiN und
frauenrechtlerin
„Wir sind erschöpft, aber sind nicht gebeugt
oder gebrochen. Wir stehen weiterhin ­aufrecht,
wenn auch mit verwundeten und ruhelosen
Diktatoren, die ein fruchtbares Land plündern,
das durch die selbstlose Opferbereitschaft
vergangener und gegenwärtiger Generationen
genährt wird.“
Bahareh Hedayat, 30, ist Studentin und Frauenrechtle­
rin und Mitglied der Kampagne für Gleichberechtigung.
Sie verbüßt gegenwärtig eine 10-jährige Haftstrafe nach
ihrer Verhaftung am 31. Dezember 2009, inmitten der
Unruhen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen.
Sie verbrachte 81 Tage in Einzelhaft und erduldete einen
grauenhaften Verhörprozess, bevor sie ins Evin-Gefängnis
gebracht wurde. Am 16. Juli 2011 wurde ihr ein viertägi­
ger Hafturlaub zur Begehung eines religiösen Feiertages
gegen 700.000 US-Dollar Kaution gewährt.
Bahareh Hedayat ist Mitglied des „Büros für die Bewah­
rung der Einheit“ (einer Studentenorganisation) und Vorsit­
zende von dessen Frauenkomitee sowie Mitglied der „Eine
Million Unterschriften-Kampagne“ gegen Frauen diskri­
minierende Gesetze. Wegen ihres Einsatzes war ­Bahareh
Hedayat vor ihrer Verhaftung 2009 bei zahlreichen Anläs­
sen festgenommen und inhaftiert worden. Sie war für den
Studenten-Friedenspreis 2010 nominiert worden.
Sie ist verheiratet mit Amin Ahmadian, einem politischen
Aktivisten und Mitglied der „Islamischen Graduierten­
vereinigung“. Am 24. Mai 2011 wurde Bahareh Hedayat
ein halbstündiges Treffen mit Verwandten von Angesicht
zu Angesicht gestattet. Dies war ihre erste persönliche
Begegnung mit ihren Eltern nach 13 Monaten.
© privat (Campaign for Equality)
Herzen. Wir sind Zeugen der Bemühungen von
Einige der Anklagen, die gegenwärtig gegen Bahareh
Hedayat erhoben werden, beziehen sich auf einen Brief
anlässlich des Studententages am 7. Dezember 2010.
Diesen Brief hatte sie verfasst mit Majid Tavakkoli,
einem prominenten Studentenführer und politischen
Gefangenen, und er lobte die Anstrengungen iranischer
­Studenten im Ausland. Der Brief fand großes Echo im
und außerhalb des Iran und stieß auf großes Medien­
interesse.
2012 erhielt sie den Menschenrechtspreis der Edelstam
Foundation, Stockholm/ Schweden.
Nach einer zweiten Berufung hielt das Gericht an einer
9½-jährigen Haftstrafe fest. Am 17. Januar 2013 wurde
sie jedoch aus medizinischen Gründen vorläufig aus der
Haft entlassen, laut Mitteilung ihres Ehemanns gegen
eine hohe Kaution und die Zusage, keinerlei Interviews
zu geben und nicht an politischen Zusammenkünften
oder Aktivitäten teilzunehmen. Wenn sie die Bedingun­
gen einhalte, werde ihr Hafturlaub zwecks medizinischer
Behandlung verlängert, hieß es.
16 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
© privat
Haleh sahabi
politische aktivistin und
frauenrechtlerin,
religionswissenschaftlerin
Haleh Sahabi, 54, war politische Aktivistin, Frauenrecht­
lerin und Religionswissenschaftlerin. Sie war Mitglied der
„Mütter für Frieden“ und beteiligte sich an Kampagnen
für Frauenrechte. Haleh Sahabi war eine der wenigen
weiblichen iranischen Korangelehrten. Sie verbrachte
einen Großteil ihres Lebens mit dem Studium des Koran
auf der Suche nach Gleichberechtigung von Männern und
Frauen im Islam. Ihr Hauptanliegen war, zu beweisen,
dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, und einen
Weg zu finden, ihre Forschungsergebnisse der religiösnationalistischen Öffentlichkeit zu vermitteln.
Haleh Sahabi, eine von Amnesty International betreute
politische Gefangene, verbüßte eine zweijährige Haft­
strafe, nachdem sie wegen ihrer friedlichen Demonstra­
tionsteilnahme im Protest gegen Präsident Ahmadinejads
Amtseinführung im August 2009 verhaftet worden war.
Sie wurde Mitte August 2009 gegen Kaution freigelassen,
aber später zu zwei Jahren Haft verurteilt wegen „Propa­
ganda gegen das System durch wiederholte Anwesenheit
bei illegalen Versammlungen und wegen Störung der
öffentlichen Ordnung“.
Haleh Sahabi starb, offensichtlich nachdem sie von einem
Angehörigen der Sicherheitskräfte geschlagen worden
war, am Morgen des 1. Juni 2011 während der Beiset­
zung ihres Vaters Ezzatollah Sahabi, einem ehemaligen
Abgeordneten und Führer der „Nationalreligiösen Allianz“.
Amnesty International erhielt den Bericht eines Augen­
zeugen, der sagte, dass ein oder mehrere Angehörige
der Sicherheitskräfte Haleh Sahabi grob behandelt und
geschlagen hatten, nachdem sie sich weigerte, ein Foto
ihres Vaters herauszugeben, das sie hochhielt.
Haleh Sahabis eigene Beisetzung, organisiert von Sicher­
heitskräften, wurde um 10 Uhr abends an ihrem Todestag
durchgeführt. Eine vorherige Autopsie fand nicht statt.
­Einige Trauernde wurden laut Berichten bei ihrer Bei­
setzung verhaftet. Als Reaktion auf ihren Tod traten 18
gewaltlose politische Gefangene in einen Hungerstreik.
JIla Baniyaghoub
Journalistin und
frauenrechtlerin
IRAN / 17
© Kosoof (Arash Ashoorinia)
Amnesty International
„Anders als Sie habe ich nicht Jura studiert,
aber ich kenne das Recht in allgemeiner
Weise, wie es jeder Bürger kennen sollte,
und ich weiß, dass Staatsanwälte nicht dazu
da sind, Journalisten oder andere Bürger zu
verfolgen, sondern auch die Regierung, wenn
diese Bürgerrechte verletzt.“
Jila Baniyaghoub, 41, ist eine freie Journalistin und
Chefredakteurin der Website Kanoon Zanan Irani
­(Iranisches Frauenzentrum), einer Nachrichtenseite, die
Frauenthemen behandelt. Die Seite steht unter regel­
mäßiger Überwachung durch iranische Behörden, die
wiederholt versucht haben, sie zu schließen. Sie ist auch
Gründungsmitglied der „Eine Million UnterschriftenKampagne“.
Jila Baniyaghoub begann ihre Journalismus-Karriere
bei der Tageszeitung „Hamshahri“, als sie noch an der
Universität Allameh Tabatabai Journalismus studierte.
Sie hat seitdem für verschiedene Zeitungen gearbeitet,
darunter „Sarmayeh“, und wurde mehrfach bedroht oder
entlassen wegen ihrer Berichterstattung über Unter­
drückung durch die Regierung.
2001 reiste Jila Baniyaghoub durch den Nahen Osten.
Dort schrieb sie Artikel über Flüchtlinge und Frauen,
die sie traf und behandelte Themen wie soziale und
rechtliche Diskriminierung. Sie veröffentlichte kürzlich
ein Buch, „Journalisten im Iran“, das die Erfahrungen
iranischer Journalisten dokumentiert, darunter auch ihre
eigenen. Derzeit schreibt sie ein Buch mit dem Titel:
„Frauen in Abteilung 209 von Evin“.
2009 gewann Jila Baniyaghoub den „Mut im Journalis­
mus“ -Preis der Internationalen Frauen-Medienstiftung.
In den letzten Jahren hat sie auch andere internationale
journalistische Auszeichnungen erhalten, darunter den
„Internationalen Freiheit der Meinungsäußerung“ -Preis
der Kanadischen Journalisten für Meinungsfreiheit und
den „Bestes Weblog“ -Preis von Reporter ohne Grenzen.
Jila Baniyaghoub wurde bei vier Anlässen inhaftiert. Zu­­
letzt wurde sie im Juni 2009 verhaftet, als sie über Pro­
teste nach der Wahl im Iran berichtete. Jila Bani­yag­houbs
Ehemann, der Journalist Bahman Ahmadi Amou’i, wurde
damals auch verhaftet. Sie wurde im August freigelassen,
aber ihr Ehemann bleibt gegenwärtig noch in Haft. Am 12.
Dezember 2011 schrieb er einen ­bewegenden Brief an sei­
ne Frau aus der Haft. Ein Zitat: „Vielleicht, wenn du nicht
gewesen wärest, wäre ich vor Jahren anders­wo gelandet
und nicht hier in der Abteilung 350 des Evin-Gefängnis
neben den besten, aufrichtigsten und aus­erwählten Kin­
dern unseres Landes. Jetzt aber kann ich auf diese Art zu
leben stolz sein und meinen Kopf hochhalten.“
Im August 2012 forderte man sie erneut auf, ihre einjäh­
rige Haftstrafe mit 30 Jahren Berufsverbot als Journa­
listin im Evin-Gefängnis anzutreten. Seit 1. September
2012 ist sie nunmehr in Haft.
18 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
© privat
Kaveh Kermanshahi
Journalist und
Menschenrechtler
Kaveh Kermanshahi, 27, Journalist und Menschenrechtler,
fing 2005 an, auf dem Gebiet der Bürger- und Menschen­
rechte zu arbeiten, als er Mitglied des Zentralrates der
Nichtregierungsorganisation „Zhiar“ in Kermanshah wur­
de. Drei Jahre später löste das iranische Innen­ministerium
die Organisation auf. 2006 begann er, bei der „Eine
Million Unterschriften-Kampagne“ mitzuarbeiten.
2007 wurde Kaveh Kermanshahi Mitglied des Zentralrats
der „Menschenrechtsorganisation von Kurdistan“.
Er half mit, die Vertretung des studentischen „Büros für
die Stärkung der Einheit“ in Kermanshah aufzubauen und
war verantwortlich für den Menschenrechtsausschuss.
Kaveh Kermanshahi hat einen Bachelor-Abschluss in
Rechtswissenschaft der Universität Kermanshah.
Kaveh Kermanshahi schreibt den Blog „Zhiar“, der mehr­
mals von iranischen Behörden blockiert wurde. Er hat Be­
richte für die kurdische „Human Rights Watch-Agentur“,
„Radio Zamaneh“, „Roozonline“, „Change for Equality“
und andere kurdische und Farsi-Websites geschrieben.
Kaveh Kermanshahi wurde im Februar 2010 vom irani­
schen Geheimdienst festgenommen und inhaftiert. Er
wurde vier Monate lang in Einzelhaft gehalten und harten
Bedingungen und Verhören unterworfen. Im Mai 2010
wurde er gegen Kaution freigelassen, ohne formell ange­
klagt worden zu sein. Er wurde schließlich im Berufungs­
verfahren zu 4 Jahren Haft verurteilt.
Jedoch entschied sich Kaveh Kermanshahi, sich nicht
erneut zum Haftantritt anzumelden, um seine Strafe zu
verbüßen. Er lebt seit März 2012 in Deutschland.
Amnesty International
IRAN / 19
© privat
Khadijeh Moghaddam
Aktivistin für frauenrechte
und Die umwelt
Khadijeh Moghaddam ist aktives Mitglied der „Kampagne
für Gleichberechtigung“ und „Mütter für den Frieden“.
Die 2006 ins Leben gerufene „Kampagne für Gleichbe­
rechtigung“ ist eine iranische Frauenrechtsbewegung, die
von Frauen wie Männern getragen wird und die Diskrimi­
nierung von Frauen im iranischen Recht abschaffen will.
„Mütter für den Frieden“ wurde 2007 von einer Anzahl
iranischer Frauen mit dem Ziel gegründet, gegen eine
mögliche militärische Intervention aus Anlass des irani­
schen Atomprogramms Stellung zu beziehen und „trag­
fähige Lösungen“ für die instabile Region zu entwickeln.
2009 wurde Khadijeh Moghaddam im Zusammenhang
mit einer am 11. Januar 2009 abgehaltenen Demonstra­
tion der „Mütter für den Frieden“ angeklagt wegen
„Missachtung von Polizeibefehlen“, „Störung der öffent­
lichen Ordnung“ und „Propaganda gegen das System“.
Khadijeh Moghaddam ist häufig wegen ihrer Tätigkeit als
Aktivistin der Frauen- und Umweltbewegung gerichtlich
vorgeladen worden. Auch wurde sie wegen ihrer Teil­
nahme an friedlichen Protesten verhaftet und mit einem
Ausreiseverbot belegt.
Am 18. Dezember 2011 erhielt Khadijeh Moghaddam
den Menschenrechtspreis der Stadt Bochum, den sie
auch persönlich entgegennehmen konnte.
Bereits 2008 war Khadijeh Moghaddam im Zusammen­
hang mit Zusammenkünften in ihrer Wohnung fest­
genommen und verhört worden, die sie für Mitglieder der
„Kampagne für Gleichheit“ und „Mütter für den Frieden“
organisiert hatte.
20 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
Mahboubeh Karami
Journalistin und Aktivistin
für Frauenrechte
gegangen bin. Ich glaube von ganzem Herzen
an mein Anliegen, und ich bin bereit, den
Preis dafür zu zahlen.“
© Raha Asgarizadeh
„Ich bereue nicht den Weg, den ich
Mahboubeh Karami, Journalistin und Aktivistin für
Frauenrechte, gehört der „Eine Million Unterschriften-­
Kampagne“ an. Früher war sie Direktorin der Frauen­
sektion der unabhängigen Organisation „Menschen­
rechtsaktivisten im Iran“ (HRAI). Für die „Kampagne für
Gleichberechtigung“ hat sie Artikel geschrieben.
Als ihre Mutter 2009 starb, war sie in Haft, und ihr
wurde nicht gestattet, das Gefängnis aus Anlass des
Jahres­tags des Todes ihrer Mutter zu verlassen. Vor
ihrer Verhaftung war sie die einzige Fürsorgeperson ihres
alternden Vaters, der an Alzheimer erkrankt war und
inzwischen auch gestorben ist.
Mahboubeh Karami, 42, wurde im März 2010 verhaftet
und ohne Anklage oder gerichtliches Verfahren in Einzel­
haft im Evin-Gefängnis Teheran festgehalten.
Mehrere weibliche gewaltlose politische Gefangene
im Evin-Gefängnis, darunter Bahareh Hedayat (S.15),
Mahboubeh Karami und Shiva Nazar Ahari (S. 29) traten
Ende Oktober 2012 für eine Woche in einen Hunger­
streik. Sie protestierten gegen ihre Behandlung durch
das weibliche Gefängnispersonal. Sie seien auf entwür­
digende Art durchsucht worden und persönliche Dinge
seien konfisziert worden. Einige berichteten von sexueller
Belästigung. Sie beendeten den Hungerstreik, nachdem
sie sie die Zusicherung erhalten hatten, dass die Vorgän­
ge untersucht würden.
Am 18. August 2010 wurde sie gegen eine Kaution von
500.000 US-Dollar freigelassen. Am 15.Mai 2011 trat
sie eine dreijährige Gefängnisstrafe an, die gegen sie
wegen ihrer friedlichen Unterstützung von erweiterten
Frauenrechten verhängt worden war. Sie wurde verurteilt
wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation
(HRAI)“ und wegen „Zusammenkünften und Ver­ab­re­dun­­gen
mit der Absicht, die Staatssicherheit zu be­ein­träch­ti­gen
und Propaganda gegen das System zu verbreiten“.
Mahboubeh Karami leidet unter gesundheitlichen Proble­
men. Zur Zeit ihrer Verhaftung im März 2010 hatte sie
Depressionen, die während ihrer Inhaftierung schwerer
wurden. Es wird auch berichtet, dass sie unter Schlaflo­
sigkeit und Atemproblemen litt.
Mahboubeh Karami musste ihren Hungerstreik abbre­
chen, da ihr Gesundheitszustand bedrohlich wurde
und man sie in die Krankenabteilung des Gefängnisses
bringen musste.
Amnesty International
IRAN / 21
© privat
mAHBOUBEH aBBASGHOLIZADEH
jOURNALISTIN, fILMEMACHERIN
UND FRAUENRECHTlErin
Mahboubeh Abbasgholizadeh war ein Gründungsmitglied
der Kampagne „Stoppt Steinigungen für immer“, die der
Steinigung im Gesetz und in der praktischen Durchfüh­
rung ein Ende setzen will. Sie ist aktives Mitglied der
­Bewegung für eine „Iranische Frauencharta“. Sie war
Direktorin des Schulungszentrums, das zur Unterstützung
des anwachsenden NGO-Netzwerks im Iran gegründet
wurde. Die Organisation wurde 2004 vom Revolutions­
gericht des Iran bei ihrer ersten Festnahme geschlossen.
Sie stand auch an der Spitze der „Vereinigung von Schrift­­­stellerinnen und Journalistinnen“ und war die verantwort­
liche Herausgeberin der Frauenzeitschrift Farzaneh.
Im März 2007 wurde Mahboubeh Abbasgholizadeh
zusammen mit anderen Aktivistinnen während einer
friedlichen Demonstration vor dem Revolutionsgericht
in Teheran verhaftet. Sie wurde vom 4. bis 19. März
in Einzelhaft gehalten. Sie war in der Abteilung 209 des
berüchtigten Evin-Gefängnisses inhaftiert, die
vom Geheimdienst-Ministerium der Islamischen Republik
Iran unterhalten wird. Als Voraussetzung für ihre Frei­
lassung am 19. März 2007 wurde eine Kaution von
250 Millionen­Toman (oder 260.000 US-Dollar) fest­
gesetzt. Das Schulungszentrum wurde geschlossen und
dessen Bankguthaben eingefroren.
Im Dezember 2009 gehörte Mahboubeh Abbasgholizadeh
zu denjenigen im Iran, die auf dem Weg zur Beerdigung
des Großayatollahs Hosseinali Montazeri verhaftet wur­
den. Er war ein ranghoher Geistlicher, der die iranische
Regierung kritisiert hatte, weil sie die Demonstrationen
im Gefolge der umstrittenen Präsidentschaftswahl im
Juni 2009 gewaltsam niedergeschlagen hatte. Mahbou­
beh Abbasgholizadeh wurde nach 24 Stunden unter der
­Bedingung, ihre regimekritischen Filme von ihrer Website
zu entfernen, freigelassen. Heute lebt sie in den USA.
22 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
Mansoureh Shojai ist eine iranische Journalistin, Über­
setzerin und Frauenrechtlerin. Sie war Gründerin vieler
bedeutsamer Organisationen im Iran, so des „Frauen­
kulturzentrums“, der „Banoo Bibliothek“, der „Sedigheh
Dolatabadi Bibliothek“ und der „Eine Million Unter­
schriften-Kampagne“.
Jüngst war Mansoureh Shojai Mitgründerin des „Frauen­
solidaritätskomitees gegen soziale Gewalt“ und der
„Grünen Koalition von Frauen“. Sie ist Verfasserin von
mehr als 200 Artikeln in verschiedenen Magazinen,
Zeitschriften und Websites.
Mansoureh Shojai hat 22 Jahre lang als Bibliothekarin
in der Iranischen Nationalbibliothek gearbeitet. Seit dem
Jahr 2000 organisierte und gründete sie örtliche Biblio­
theken für Frauen und Kinder in Teheran und anderen
Städten und fand dabei die Unterstützung und Zusam­
menarbeit nationaler und internationaler Organisationen
wie z.B. der UNO.
© Kosoof (Arash Ashoorinia)
MANSOUREH SHOJAI
BIBLIOTHEKARIN, JOURNALISTIN,
ÜBERSETZERIN UND
FRAUENRECHTLERIN
Am 27. Dezember 2009 wurde Mansoureh Shojai ver­
haftet und ins Gefängnis eingeliefert. Es war ihre dritte
Verhaftung seit 2005. Nach einem Monat wurde sie
unter der Bedingung freigelassen, ihr Haus als Sicherheit
zu verpfänden.
Mansoureh Shojai lebt nun in Deutschland, wo sie
von der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt wird. Ihre
Forschungen konzentrieren sich auf die Beziehungen
zwischen der iranischen Frauenrechtsbewegung und
der grünen Bewegung. Im Januar 2011 erhielt sie ein
Stipendium des deutschen Zweigs der internationalen
PEN-Vereinigung.
Mansoureh Shojaee ist Co-Editorin und Verantwortliche
einer Webseite für Frauenrechte. In den zwei Jahren, seit
sie in Deutschland lebt, wurde sie dreimal aufgefordert,
im Evin-Gefängnis ihre Strafe anzutreten.
Amnesty International
IRAN / 23
MEHRANGIZ KAR
Menschenrechtsanwältin,
Journalistin und
FrauenrechtLerin
„Wenn ich über Frauenrechte spreche,
fühle ich manchmal tiefen Ekel, weil ich
dieser Rechte aufzählen muss, für die
ich keine Lösungen weiß.“
Mehrangiz Kar, 67, ist Journalistin, Frauenrechtlerin
und Menschenrechtsanwältin. Trotz der Beschränkun­
gen, die weiblichen Anwälten auferlegt sind, war sie als
Ver­teidigerin in Zivil- und Strafgerichten des Iran tätig
und publizierte regelmäßig in verschiedenen einfluss­
reichen und unabhängigen Zeitschriften wie etwa Zanan.
­Mehrangiz Kar hat 14 Bücher veröffentlicht und über
100 Artikel in iranischen Zeitungen und Zeitschriften.
Ihre Bücher behandeln Themen wie die Rechte der
Frauen und das Verhältnis von Recht und Politik im Iran.
Mehrangiz Kar wurde 2001 von Amnesty International
als „Menschenrechtsheldin“ ausgezeichnet. Sie ist die
Witwe von Siamak Pourzand, dem Journalisten und
politischen Dissidenten, der nach einer langen Zeit der
Folterung und Einkerkerung am 29. April 2011 starb.
Mehrangiz Kar wurde im April 2000 wegen ihrer Teil­
nahme an einer Berliner Konferenz zu sozialen und
­kulturellen Fragen inhaftiert. Ihre Äußerungen dort
­stellten keine Aufstachelung zur Gewalt dar; dennoch
betrachtete die iranische Justiz ihre Teilnahme als
„schädlich für die nationale Sicherheit“.
© privat
eine so lange Reihe von Verletzungen
Ihr Prozess fand im Dezember 2000 statt, und sie
wurde wegen ihrer Erklärungen auf der Konferenz zu vier
Jahren Gefängnis verurteilt. Vor der für den November
2001 terminierten Verhandlung am Revisionsgericht
wurde sie gegen Kaution freigelassen, um sich in den
USA wegen Brustkrebs behandeln zu lassen. Im Februar
2001 verließ sie für diese Behandlung den Iran, kehrte
jedoch nicht zurück, weil sie im Fall ihrer Rückkehr die
sofortige Inhaftierung befürchten müsste.
Mehrangiz Kar war 2005/2006 Radcliffe Fellow an der
Harvard University und arbeitete am Carr Center für
Menschenrechtspolitik an der John F.Kennedy School
of Government in Harvard. 2004 erhielt sie von Human
Rights First einen Menschenrechtspreis. Sie war auch
Fellow am Woodrow Wilson Center, der American Uni­
versity in Washington DC, der Universität von Virginia in
Charlottesville und an der Columbia University.
2004 erhielt sie von Human Rights First einen Men­
schenrechtspreis.
Nasrin sotoudeh
Menschenrechtsanwältin
© Kosoof (Arash Ashoorinia)
24 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
„Ich danke euch dafür, dass ihr der Welt die
massive Kluft demonstriert habt zwischen den
Entscheidungen des herrschenden Regimes
und der Sehnsucht einer ganzen Nation.“
Nasrin Sotoudeh, Menschenrechtsanwältin, gehört der
„Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte“,
der „Eine Million Unterschriften-Kampagne“ und der
„Gesellschaft für Kinderrechte“ an. Sie hat politische
Gefangene rechtlich vertreten, die nach den Protesten
gegen die Präsidentschaftswahlen 2009 inhaftiert wor­
den waren. Sie hat auch Opfer von Kindesmisshandlung
vertreten und minderjährige Täter, denen die Todesstrafe
drohte. Unter ihren früheren Klienten befindet sich auch
die Trägerin des Friedensnobelpreises, Shirin Ebadi.
Nasrin Sotoudeh, 47, hat ein Diplom in Internationalem
Recht der Shahid Beheshti Universität. Seit 1991 hat
sie für Medien Interviews gegeben und Artikel geschrie­
ben, so für die Zeitungen Jamee, Toos und Sobh e
Emorooz und das Aban Magazin. Sie ist verheiratet und
hat zwei kleine Kinder.
Nasrin Sotoudeh hat mehrere internationale Auszeich­
nungen für ihre Menschenrechtsarbeit gewonnen, darun­
ter 2008 den Preis des Internationalen Menschenrechts­
komitees von Italien, 2010 den Goldmohnpreis der Stadt
Florenz und 2011 den PEN/Barbara Goldsmith Preis für
die Freiheit zu schreiben.
Nachdem sie am 4. September 2010 verhaftet wurde,
hat Nasrin Sotoudeh die meiste Zeit in Einzelhaft im
Evin-Gefängnis, Teheran, verbracht. Ihre Gesundheit hat
darunter gelitten, dass sie drei Hungerstreiks durchführ­
te, um gegen ihre Verhaftung und die Haftbedingungen
zu protestieren. Während ihres Hungerstreiks trank sie
drei Tage lang kein Wasser („trockener“ Hungerstreik).
Am 9. Januar 2011 wurde Nasrin Sotoudeh zu 11
Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie „gegen die natio­
nale Sicherheit gehandelt“ und „Propaganda gegen das
System“ betrieben habe. Sie erhielt auch für 20 Jahre
Berufs- und Ausreiseverbot. Nach weltweiten Protes­
ten wurde sie zu “nur” 6 Jahren Haft und 10 Jahren
Berufsverbot verurteilt. Gegen ihren Ehemann und ihre
Tochter wurde 2012 ein Reiseverbot verhängt. Besuche
der Familie wurden nicht in dem rechtlich vorgesehe­
nen Umfang erlaubt. Die Schikanen wurden Ende 2012
teilweise zurückgenommen, nachdem Nasrin Sotoudeh
in einen 49-tägigen Hungerstreik getreten war.
Während ihres Hungerstreiks wurde ihr – zusammen
mit dem iranischen Filmemacher Jafar Pahani – von der
Europäischen Union der Sacharow-Preis für Meinungs­
freiheit verliehen.
Amnesty International
IRAN / 25
shadi sadr
Anwältin, Journalistin und
MenschenrechtsVerteidigerin
„Wir müssen daran arbeiten, Steinigung
auszurotten, wo immer sie in der Welt
Akt (...) , durch den die Herrschenden
Kontrolle über die Gesellschaft gewinnen
und die Menschen daran hindern wollen,
ihr Recht auf Privatleben zu genießen.
Shadi Sadr ist eine iranische Journalistin, Anwältin und
Verteidigerin von Menschenrechten. Sie gründete die
angesehene Website Zanan-e Iran (Frauen in Iran), die
erste Website, die ausschließlich Frauenrechtsaktivistin­
nen gewidmet war. Sie hat Aktivistinnen und Journalist­
innen verteidigt, darunter mehrere zum Tode verurteilte
Frauen, deren Urteile danach revidiert wurden.
Shadi Sadr war Direktorin von Raahi, einem Rechtsbe­
ratungszentrum für Frauen, bis zu dessen Schließung
2007. Das Zentrum betrieb kostenlose Rechtsberatung
für randständige Frauen und Frauen, die rechtlicher
­Unterstützung bedurften. 2006 war sie mitbeteiligt an
der Initiierung der Kampagne „Schluss mit der Steini­
gung“. Vorher war sie viele Male vom GeheimdienstMinisterium drangsaliert und zu Verhören einbestellt
worden.
© Jorn van Eck / Amnesty International
vorkommt: es ist ein brutaler und inhumaner
Die Behörden schlossen das Raahi Rechtsberatungs­
zentrum, während sie 2007 in Haft war. Sie wurde auf
Kaution entlassen, doch im Juli 2009 während der
Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen von zwei
Zivilpolizisten erneut verhaftet, als sie zum Freitags­
gebet ging. Nach 11 Tagen wurde sie als Reaktion auf
den internationalen Protest entlassen, und sie floh nach
Deutschland.
2009 erhielt sie den Lech-Walesa-Preis für ihre Förde­
rung der Menschenrechte, der Meinungsfreiheit und
der Demokratie im Iran. Auch erhielt sie 2009 von der
niederländischen Regierung die Menschenrechtsver­
teidiger-Tulpe.
Sussan Tahmasebi
Aktivistin für Frauenrechte
und zivilgesellschaftliche
Entwicklung
© privat
26 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
„Die Frauen des Iran sind außerordentlich
stark. Sie haben unglaubliche Fortschritte
gemacht und haben über 100 Jahre lang
für ihre gesetzlichen und sozialen Rechte
gekämpft. Sie sind keine Opfer und müssen
nicht gerettet werden. Sie kämpfen einen
schwierigen Kampf, und augenblicklich stehen
die Zeichen nicht gut für sie.“
Sussan Tahmasebi, Aktivistin für die Rechte von Frauen
und die Entwicklung der Zivilgesellschaft, ist Gründungs­
mitglied der „Kampagne für Gleichberechtigung“.
Sie hat in mehreren iranischen Nichtregierungsorgani­
sationen sowohl auf nationaler wie lokaler Ebene
­gearbeitet. Sussan Tahmasebi erhielt 2010 den AlisonDes-Forges-Preis von Human Rights Watch für ihre
Beharrlichkeit, Frauenrechte als vordringliches Thema
auf die nationale politische Agenda des Iran zu setzen.
Sussan Tahmasebi hat eine Schlüsselrolle bei der
Zusammenarbeit zwischen iranischen und den entspre­
chenden internationalen Nichtregierungsorganisationen
eingenommen. Sie war Mitgründerin des Iranischen zivil­
gesellschaftlichen Schulungs- und Forschungs­zentrums,
das von den Sicherheitskräften im März 2007 geschlos­
sen wurde. Gegenwärtig ist sie Herausgeberin der
­englischen Ausgabe von Change for Equality, die Website
der „Eine Million Unterschriften-Kampagne“.
Im Juni 2006 wurde Tahmasebi verhaftet und beschul­
digt, Propaganda gegen den Staat verbreitet zu haben
und eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darzustel­
len. Ihr Verfahren fand am 4. März 2007 statt, und sie
wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, von denen
18 Monate ausgesetzt wurden. Sie wurde vor dem Beru­
fungsverfahren gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.
Am Tag ihres Verfahrens hielten Aktivistinnen der
Frauen­­bewegung eine Protestversammlung vor dem
Gebäude des Revolutionsgerichts ab. Als Tahmasebi das
Gebäude verließ, wurde sie erneut zusammen mit ­
32 Demonstrantinnen verhaftet. Sie wurde der Bedrohung
der nationalen Sicherheit beschuldigt sowie der Geheim­
bündelei und der Missachtung polizeilicher Anordnungen.
Obgleich diese Beschuldigungen später fallengelassen
wurden, ist sie weiterhin Drangsalierungen der Sicher­
heitskräfte ausgesetzt.
Sussan Tahmasebi lebt heute in den USA.
PARVIN ARDALAN
jOURNALISTIN, aUTORIN,
FRAUENRECHTLERIN
IRAN / 27
© Kosoof (Arash Ashoorinia)
Amnesty International
„Diesen Preis widme ich allen Frauen in
meinem Land, meiner Mutter, den Müttern
von Männern, die wegen ihres Gewissens
gefangen gehalten werden, und all den
anderen Müttern dieses Landes, die, selbst
darunter leidend, uns gelehrt haben, der
Diskriminierung zu widerstehen, damit auch
wir diese Lehren an unsere Kinder und
künftige Generationen weitergeben können.“
Parvin Ardalan, 37, ist Journalistin und Autorin. Sie ar­
beitete für frauenspezifische Medien wie Zanestan und
The Feminist Tribune of Iran, bis die iranischen Behörden
beide Online-Magazine im Jahr 2007 unterbanden.
Parvin Ardalan erhielt 2007 den Olof-Palme-Preis für
ihre Erfolge und Bemühungen um die Erlangung gleicher
Rechte für die Frauen im Iran. Im März 2008 wurde
Parvin Ardalan daran gehindert, den Preis in Schweden
entgegen zu nehmen. Ihr Reisepass wurde für drei Tage
beschlagnahmt, um sie an der Reise zu hindern. An
ihrer Stelle nahm ihre Schwester den Preis entgegen.
Parvin Ardalan gehörte dem „Frauen-Kulturzentrum“ an,
der allerersten iranischen Nichtregierungsorganisation,
die sich der Förderung von Frauenrechten widmete. Sie
wurde im Jahr 2007 zusammen mit Zanestan verboten.
Ardalan war auch ein Gründungsmitglied der „Eine Million
Unterschriften-Kampagne“.
Im September 2008 wurde Parvin Ardalan wegen ihrer
Beiträge zu den Websites Change for Equality und
Zanestan zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Schon
vorher war sie verhaftet und beschuldigt worden, an der
Organisation einer friedlichen Demonstration beteiligt
gewesen zu sein, die im Juni 2006 für erweiterte Frau­
enrechte eingetreten war. Heute lebt sie in Schweden.
28 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
© Kristin Rødland Buick / Amnesty International
Shirin ebadi
Menschenrechtsanwältin und
Nobelpreisträgerin
„So lange Frauen, wo auch immer in der
Welt, die Menschenrechte vorenthalten
werden, kann es keine Gerechtigkeit und
keinen Frieden geben.“
Shirin Ebadi erhielt 2003 den Friedensnobelpreis für
ihre Anstrengungen, die Menschenrechte und besonders
die Rechte der Frauen, Kinder und politischen Gefange­
nen im Iran voran zu bringen. Sie war die erste muslimi­
sche Frau, die den Friedensnobelpreis erhielt.
Shirin Ebadi war eine der ersten Richterinnen im Iran.
Sie amtierte als Präsidentin des Stadtgerichts von
Teheran in den Jahren 1975 bis 1979 und war die erste
iranische Frau, die den Status einer Gerichtspräsidentin
erlangte. Zusammen mit anderen Richterinnen wurde sie
nach der Islamischen Revolution von 1979 aus dieser
Position entlassen. Sie wurde zur Hilfskraft an dem
Gericht degradiert, dessen Vorsitzende sie einst gewesen
war, bis sie um Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand
bat. Als sie 1992 ihre Zulassung als Anwältin erhielt,
eröffnete Shirin Ebadi eine private Kanzlei.
Als Anwältin hat sich Shirin Ebadi vieler kontroverser
Fälle angenommen und hat politische Dissidenten
verteidigt. Folglich wurde sie bei vielen Gelegenheiten
festgenommen. Sie war an der Gründung vieler Nicht­
regierungsorganisationen im Iran beteiligt, so an der
„Eine Million Unterschriften-Kampagne“. Sie ist auch
Mitbegründerin des „Zentrums für Menschenrechts­
anwälte (CHRD)“, einer in Teheran angesiedelten Nicht­
regierungsorganisation, die im Dezember 2008 von den
iranischen Behörden gewaltsam geschlossen wurde.
Als Universitätsprofessorin bietet Shirin Ebadi Schulungs­
kurse in Menschenrechten an. Sie hat über 70 Artikel
und 13 Bücher veröffentlicht, die sich verschiedenen
Aspekten der Menschenrechtsproblematik widmen.
2004 wurde sie vom Forbes Magazine als eine der 100
einflussreichsten Frauen der Welt aufgeführt.
Shirin Ebadi lebt nicht mehr im Iran und bekam von
Freunden und Kollegen den Rat, im Exil auszuharren,
weil ihr bei einer Rückkehr die Verhaftung droht.
Shiva Nazar AharI
JOURNALISTIN, BLOGGERIN UND
FRAUENRECHTLERIN
IRAN / 29
© privat
Amnesty International
„Wenn dein Herz für einen anderen
Gefangenen, eine Frau, ein zur Arbeit
gezwungenes Kind schlägt, wirst du eine
Angeklagte. Wenn du Vertrauen in die
Menschen und den Glauben an Humanität
und nichts anderes gefunden hast, begehst
du dein erstes Verbrechen.“
Shiva Nazar Ahari, 27, ist Journalistin, Bloggerin und
Gründungsmitglied des „Komitees der Menschenrechts­
reporter“ (CHRR). Das CHRR wurde 2006 gegründet
und kämpft gegen ein breites Spektrum von Men­
schenrechtsverletzungen, darunter solche, die Frauen,
Kinder, Gefangene und Arbeiter treffen. Sie war auch
Gründungsmitglied der „Gesellschaft der Tara-Frauen“,
einer bürgergesellschaftlichen Organisation, die sich die
rechtlich erlaubte gewaltlose Verteidigung von Frauen­
rechten zum Ziel gesetzt hat.
Shiva Nazar Ahari hat einen Abschluss der Islamischen
Azad-Universität in Ingenieurwesen. Als sie versuchte,
sich für die nationale Eingangsprüfung als Doktorandin
einzuschreiben, wurde sie laut Berichten daran gehindert.
Ihr wurde letztendlich wegen ihrer Arbeit als Menschen­
rechtlerin verboten, ihre Ausbildung fortzusetzen.
Shiva Nazar Ahari wurde am 20. Dezember 2009 ver­
haftet, als sie auf dem Weg zur Beisetzung von Groß­
ayatollah Montazeri war, einem hochrangigen regierungs­
kritischen Geistlichen. Am 9. Januar 2011 verurteilte sie
ein Berufungsgericht zu vier Jahren Haft im Exil in einem
Gefängnis in Karaj und 74 Peitschenhieben ­wegen
„Feindschaft gegen Gott“ und „Propaganda gegen das
System“.
Shiva Nazar Ahari war vorher schon mehrfach festge­
nommen und inhaftiert worden. Sie verbrachte einige
Zeit in einer „käfigähnlichen“ Einzelzelle, wo sie ihre
Arme und Beine nicht bewegen konnte. Sie hatte ein­
geschränkten Zugang zu ihrer Familie und gar keinen zu
ihren Anwälten.
Im März 2011 wurde Shiva Nazar Ahari der „Theodor
Haecker-Preis“ der Stadt Esslingen für ihre mutige Inter­
net-Berichterstattung über Menschenrechts­verletzungen
verliehen. Der Preis soll Einzelpersonen oder Gruppen an­­
erkennen, die sich für Frieden und Demokratie einsetzen.
Sie trat am 8. September 2012 ihre 4-jährige Haftstrafe
im Evin-Gefängnis an.
30 / Geschichten von Frauenrechtlerinnen
© Raha Asgarizadeh
Zohreh Arzani
Familienanwältin und
Menschenrechtsaktivistin
Zohreh Arzani ist Familienanwältin und Menschenrechts­
aktivistin. Sie hat viele Aktivistinnen für Menschenrechte
und im besonderen Frauenrechte vor Gericht vertre­
ten, z.B. Nahid Jafari, Somayeh Rashidi und Sussan
­Tahmasebi.
Zohreh Arzani ficht beständig für die Gleichheit der
Geschlechter und protestiert gegen diskriminierende
Gesetze wie etwa die, die das Recht von Frauen auf Ar­
beit beschneiden, ihnen den Aufenthaltsort vorschreiben
oder eine Erlaubnis für das Verlassen des Landes vor­
schreiben. Sie kämpft auch für das Recht auf Scheidung
und dafür, das Mindestheiratsalter herauf zu setzen,
das gegenwärtig bei 13 Jahren für Mädchen liegt, es sei
denn, ein Gericht erlaubt ein noch jüngeres Alter.
Zohreh Arzani hebt die verschiedenen internationalen
Resolutionen und Abkommen hervor, die dafür nützlich
sein können, sowohl die Gewalt gegen Frauen wie die
diskriminierenden Gesetze zu bekämpfen, die Gewalt­
anwendung im Leben der Frauen verstärken. Sie behaup­
tet, „wenn von den Gesetzen her mehr Unterstützung
käme, würden wir bessere Chancen haben, Gewalt gegen
Frauen im Iran zu bekämpfen und auszurotten.“ Als
Mitglied der „Kampagne für Gleichheit“ und ihres Schu­
lungskomitees hat Zohreh Arzani Workshops zum Schutz
der Familie und zu Menschenrechten geleitet. Zohreh
Arzani wurde in der Vergangenheit vor iranische Gerichte
zitiert und über ihre Arbeit vernommen.
Zohreh Arzani kennt das iranische Justizsystem aus erster
Hand. Zusammenkünfte mit Staatsanwälten und Klienten
erwiesen sich als undurchführbar, weil das Revolutions­
gericht, um die Verfahren zu verschleppen, falsche Infor­
mationen zu den anstehenden Fällen herausgegeben
hatte. Zohreh Arzani hat wie viele andere Anwälte gegen
diese ungerechte Vorgehensweise protestiert. Sie kämpft
weiter für Einhaltung der Menschenrechte im Iran.
Amnesty International
IRAN / 31
Die Verletzung von Frauenrechten
ist nur ein kleiner Teil der
Menschenrechts­problematik im Iran.
Mehr Informationen dazu finden
Sie auf der Webseite der
Iran-Koordinationsgruppe
der deutschen Sektion von
Amnesty International:
www.amnesty-iran.de/Main/Informieren
Unser Ziel ist, die
Menschenrechts­bewegung
im Iran zu unterstützen.
Das tun wir u.a. durch folgende Aktivitäten zum Iran:
Wir sammeln, übersetzen und veröffentlichen Berichte
über Menschenrechtsverletzungen.
Wir koordinieren Aktionen für Menschenrechte und
beteiligen uns an entsprechenden Veranstaltungen.
Wir erstellen Fallakten zu Einzelfällen von Opfern von
Menschenrechtsverletzungen.
Wir betreuen und motivieren Amnesty-Gruppen in
der Menschenrechtsarbeit.
Wir leiten Eilaktionen zu Menschenrechtsverletzungen
an Unterstützer/innen weiter.
Wir beantworten länderspezifische Anfragen von
Mitgliedern und aus der Öffentlichkeit.
Wir erstellen Ländergutachten in Asylverfahren.
AMNESTY INTERNATIONAL Sektion der Bundesrepublik Deutschland e. V. . 53108 Bonn
T: +49 228 98373-0 . F: +49 228 630036 . E: [email protected] . W: www.amnesty.de
SPENDENKONTO 80 90 100 . Bank für Sozialwirtschaft . BLZ 370 205 00 Amnesty International setzt sich auf der Grundlage der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für eine Welt
ein, in der die Rechte aller Menschen geachtet werden.
Die Stärke der Organisation liegt im freiwilligen
und finanziellen Engagement von weltweit mehr als
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licher Nationalitäten, Kulturen und Altersgruppen.
Gemeinsam setzen sie Mut, Kraft und Fantasie
für eine Welt ohne Menschenrechtsverletzungen ein.
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für die Aufklärung von Menschenrechts verletzungen und die Bestrafung der Täter
gegen Folter, Todesstrafe, politischen Mord
und das »Verschwindenlassen« von Menschen
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oder Überzeugung inhaftiert sind
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für den Schutz der Rechte von Flüchtlingen
für den Schutz der Menschenrechte in
bewaffneten Konflikten und für wirksame
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für den besonderen Schutz der Rechte von
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für die Förderung der wirtschaftlichen,
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