WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013

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WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
EDITION VOL. 41 – DEZ 2013
COPYRIGHT WEINFEDER E.V.
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PORTRAITS
WEINFRAU EMILY ALBERS
SCHLOSSHERR ARMIN DIEL
WINZER TIM FRÖHLICH
WINZER MARKUS HEES
VOM MAINRIESLING
ZUM RIESLANER
VINIFIKATION
ORANGE-WEINE
NEUE FARBE IM SPIEL
LANG VERKAUFT AN SCHWEIZER
VDP-CHEFIN WIRD
WINZERIN
DOSSIER
ÖSTERREICHS WEINE & WINZER
COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. – EDITION #41 DEZEMBER 2013
WEINGÜTER
WENN WEINGÜTER
“STIFTEN” GEHEN
WEINFÜHRER
GAULT& MILLAU 2014
EICHELMANN 2014
WEINREISEN
70 JAHRE AOC MUSCAT
REZENSION
DIE AVANTGARDE
DER DEUTSCHEN WINZER
KOCHBUCH FÜR ZWILLINGE
NACHRUF
HELMUT SOLTER
INHALT - EDITORIAL
eDiToriAl............................................02
Dossier ÖsTerreiCH
• Österreich rot: zweigelt, blaufränkisch &
• Cuvees................................................06
• Fritz rieder: Der extreme Weinviertler ..08
• zweimal reifes Wein-Österreich...........09
eVeNTs
• Amerikanische Whiskey Hersteller in
Deutschland .......................................33
PorTrAiT
• Quereinsteiger: Weinfrau emily Albers..05
• Tim Fröhlich: Der Champion setzt auf
wilde Hefen ........................................20
IMPRESSUM
HerAusGeber
Weinfeder e.V. Vereinigung
deutschsprachiger Weinpublizisten,
1. Vorsitzender: Wolfgang Junglas
Weinfeder e.V.
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65370 Oestrich-Winkel
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reDAKTioN, lAYouT & sATz
Arthur Wirtzfeld
Telefon: 09 31 - 322 460
[email protected]
sCHlussreDAKTioN
Arthur Wirtzfeld (ViSdPG)
Ulla Robbe (Lektorat)
AuToreN Dieser AusGAbe
Heidi Diehl, Harry George, Herbert Heil,
Rudolf Knoll, Horst Kröber, Norbert Krupp,
Gisela Pieterek, Martin Sachse-Wienert,
Christian Schiller, Arthur Wirtzfeld
TiTelFoTo
Unpict
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
• Armin Diel: Neues Kelterhaus als
Geburtstagsgeschenk ..........................22
• Markus Hees: Winzer war schon immer
sein Traumberuf .................................28
reGisTer
• Helmut solter: Abschied von einem
großem sektmacher............................19
rezeNsioN
• Die Avantgarde der deutschen Winzer.25
• Das erste Kochbuch von zwillingen (nicht
nur) für zwillinge! ...............................27
WeiNbereiTuNG
• orange-Weine: Neue Farbe im spiel ....12
• Geheimnisvolle Amphoren am
Wegesrand .........................................14
WeiNe
• Jubiläum in Franken: Vom Mainriesling
zum rieslaner .....................................04
• Caiarossa 2009: reinheit als
Qualitätsmerkmal ...............................11
WeiNFüHrer
• Deutschland, deine Weine!
Gault&Millau Weinführer....................31
• Deutschland, deine Weine!
eichelmann Weinführer.......................32
WeiNGüTer
• ein schweizer kauft rheingauer Weingut:
VDP-Chefin wird Winzerin ...................03
• Wenn Weingüter „stiften“ gehen:
Die europäischen stiftungsweingüter...30
WeiNlAGeN
• Doosberg - besondere lage im
rheingau ............................................29
WeiNloKAliTäTeN
• Der stachel lockt nicht mehr................34
WeiNreiseN
• Das süße Gold der rhône: 70 Jahre AoC
Muscat in beaumes-de-Venise.............16
WeiNTrAubeN
• Hochzeitskapelle im Weinberg.............26
CoPYriGHT-HiNWeis:
Alle redaktionellen Beiträge im Weinfeder
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seiTe 2
Wolfgang Junglas
Liebe Leserinnen
und Leser
„lässiger Start, ein Ende in großer Eile und
mit viel Glück“ – so beschreibt RHEINHESSEN WEIN die Weinlese 2013. Die deutschen
Jungwinzer kannten kaum noch die Oktoberlese, hatten sich schon an den Septemberherbst gewöhnt. Die späte Reife,
bedingt durch das kalte Frühjahr und die
späte Blüte, kombiniert mit Regen, hat den
Winzern in diesem Jahr einiges abverlangt –
und wieder einen Ertrag unter dem langjährigen Durchschnitt beschert. Wir, die
Weinjournalisten, sind gespannt wie dieser
Jahrgang aus dem Keller kommen wird. Im
Frühjahr werden wir die Weine verkosten,
beschreiben, bewerten. Gerade schwierige
Jahrgänge fordern viele Worte: Eine
Herausforderung für qualifizierte Weinfedern, die ihr Metier verstehen und den
richtigen Ton treffen. Wein und Weinjournalismus – eine Verbindung sicher so alt
wie der Ausbau von Qualitätswein. Das komplexe Produkt erfordert eingehende Erläuterung – die Freude am Weingenuss
transportiert sich auch in der Kommunikation darüber.
Damit die Mitglieder von Weinfeder besser
zu identifizieren sind haben wir einen Pin
produziert (Abbildung links): Er wird Ihnen in
der nächsten Zeit bei Weinveranstaltungen
sicher häufig begegnen.
iN
Fo
Für Die NäCHsTe AusGAbe #42
reDAKTioNssCHluss
ist der 31. Jan. 2014 - e-Mail-Kontakt
für interessierte u. mitwirkende Autoren
ist: [email protected] - Tel. 0931-322460
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Weinfeder wünscht Ihnen ein genussreiches
Weihnachtsfest und ein glückliches neues
Jahr!
Mit herzlichen Grüßen
WEINGÜTER
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seiTe 3
Ein Schweizer kauft Rheingauer
Weingut - VDP-Chefin wird Winzerin
Von Rudolf Knoll via YOOPRESS
„es ging alles sehr schnell“
E
va Raps, seit 1997 Geschäftsführerin
des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), darf sich demnächst
als „Jungwinzerin“ bezeichnen. Denn sie hat
gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten,
dem Schweizer Käsespezialisten Urban
Kaufmann aus Andwil (Kanton St. Gallen),
das Weingut Hans Lang in Hattenheim erworben. Kaufmann (40) übernahm am 1.
November offiziell die Nachfolge des bald
65-jährigen Lang, der es mit seiner Frau
Gabriele etwas ruhiger angehen lassen will.
„Es ging alles sehr schnell“, erzählte Raps.
„Das erste Gespräch gab es im Frühjahr
2013.“ Sie wird ihre Tätigkeit beim VDP in
nächster Zeit reduzieren und ist glücklich,
dass sie schon eine Nachfolgerin gefunden
hat. Der Übergang wird reibungslos sein.
Denn die Neue ist die Alte: Hilke Nagel, die
vor Raps schon mal die VDP-Geschäfte führte und sich dann wegen der Familie auf den
Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
zurückzog, ehe sie diesen auch vor rund
einem Jahr aufgab, wird ihr Comeback beim
VDP feiern.
Dass Lang, der optisch nicht an ein
Rentenalter denken lässt, seinen 20-HektarBetrieb verkauft hat, liegt an der fehlenden
Nachfolge. Tochter Stefanie wählte eine
andere Berufslaufbahn und zeigte kein
Interesse an einer Weiterführung des solide
strukturierten Weingutes, das unter anderem durch seine Zusammenarbeit mit Discounter Aldi von sich reden machte. Seit
einigen Jahren liefert Lang einen Riesling
Classic in stattlicher fünfstelliger Auflage an
Aldi Süd. Der Wein steht in der Regel für
7,99 Euro im Regal. Proteste aus der
Branche wehrte Lang mit dem Argument
ab, dass es sich auch für ihn um ein gutes
Geschäft handle und der Abnehmer ein flotter Zahler sei, der sich an Abmachungen
halte. In der Tat hat ein Winzer im
Tagesgeschäft lang daran zu knabbern, eine
solche Weinmenge an Privatkunden oder
Fachhändler zu vermarkten.
Eva Raps (© A. Wirtzfeld)
Der Kontrakt für das nächste Jahr sei
bereits unterschrieben, berichtete Eva
Raps, die künftig im Weingut für Verkauf
und Verwaltung zuständig sein wird. Lang
selbst wird noch die nächsten drei Jahre
für den Keller und den Weinausbau aktiv
sein. Das ist auch Voraussetzung für
einen Verbleib des Weingutes im VDP.
Normalerweise erlischt bei einem Verkauf zunächst einmal die Mitgliedschaft
(so musste Schloss Reinhartshausen nach
dem Verkauf an die Brüder Lergenmüller
ausscheiden).
„Aber wir haben uns satzungsgemäß verhalten, den Betriebsübergang vorher vom
Bundesvorstand genehmigen lassen und uns
mit der Auflage einverstanden erklärt, dass
ich vorläufig verantwortlich für die Weine
bleibe“, erzählte Hans Lang. „Nach drei
Jahren erfolgt eine Überprüfung nach den
VDP-Richtlinien.“ Bis dahin kann sich
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Weinfan Kaufmann (dessen Vater bereits
Winzerbedarf verkaufte) in Theorie und
Praxis des Weinmachens einarbeiten.
Entscheidend war die „Chemie“ zwischen
Verkäufer und Käufer. „Mit Hans und Gabi
funktioniert es zwischenmenschlich gut“,
verrät Kaufmann, der vorher eine Reihe von
Weingütern im Fokus hatte. Interesse an
einer Übernahme gab es schon längere Zeit.
Für seine Mastschweinzucht und die Käserei,
die zwei Millionen Liter für Appenzeller verarbeitete, hat er schon einen Nachfolger
gefunden. Hilfestellung bei der Suche nach
einem Weingut gab ihm das Mainzer
Beratungsunternehmen „Wine-Land“, das
sich darauf spezialisiert hat, zwischen verkaufswilligen Winzern und Interessenten zu
vermitteln. Sprecher Valentin Brodbecker
meint: „Es ist ein echter Bedarf da, weil es
immer öfter vorkommt, dass willige Nachfolger fehlen.“ ■
WEINE
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
Jubiläum in Franken: Vom
Mainriesling zum Rieslaner
seiTe 4
Von Rudolf Knoll via YOOPRESS
D
er „Niederfall“ ist keine weinfränkische Disziplin, um kritische Journalisten zu bestrafen, sondern eine Art
Erntedankfest. Die Versionen reichen vom
Weglegen des Arbeitsgerätes bis zum
Dankgebet auf den Knien für eine gut verlaufene Weinernte. Die Verbindung mit einem
herz- und schmackhaften Essen lassen sich
die Franken dabei nicht nehmen. Der
„Niederfall“, zu dem Frankens VDP seit einigen Jahren einlädt, hat dazu stets ein
Thema. Es war in diesem Jahr geeignet zu
einem ehrfürchtigen Kniefall vor einer Sorte,
die in Franken gezüchtet wurde und deren
besondere Fähigkeiten scheinbar etwas in
Vergessenheit geraten.
Die Rede ist vom Rieslaner, der 1921 von
Dr. August Ziegler, dem damaligen Leiter
der Würzburger Rebenzüchtung, aus
Silvaner und Riesling gekreuzt wurde, dann
trotz erster Komplimente für die Weine
(„…wundervoller,
eleganter,
edler
Riesling“) aus dem Blickfeld der Winzer
verschwand und erst nach dem Zweiten
Weltkrieg unter dem Ziegler-Nachfolger
Prof. Dr. Hans Breider wieder in den Fokus
gerückt wurde. 1953 wurde die Sorte, vier
Jahre vor dem nationalen Sortenschutz, in
Franken als Mainriesling anerkannt. Aber
sofort wurde gegen diesen Namen wegen
der Verwechslungsgefahr mit dem Rheinriesling außerhalb Frankens votiert.
Ein neuer Name musste gefunden werden.
Nach einem längeren vergeblichen Kampf
für den Mainriesling trafen sich Vertreter der
Betriebe Bürgerspital, Staatlicher Hofkeller,
Domäne Castell und Paul Schmitt im
Frühjahr 1963 und einigten sich auf Rieslaner. Weil die Sorte die Neigung zur
Botrytisbildung hatte, wurde sie vor allem
für die Gewinnung von edelsüßen Weinen
geschätzt. Dabei zeigt sie durchaus RieslingEigenschaften, nämlich Rasse und anregendes Säurespiel. Im Aroma gibt es Unterschiede, hier ist eine exotische Fruchtausprägung mit Düften nach Mango, Banane
und Maracuja typisch.
Doch die Sorte hatte auch, bevor sie züchterisch mittels Klonen-Selektion weiter bearbeitet wurde, ihre Macken. Weil sie hohe
Reife benötigt, ist sie wenig geeignet für den
Ausbau trockener Weine. Denn diese kön-
Verkostung von Mainriesling und Rieslaner zum
Niederfall des fränkischen FDP (© A. Wirtzfeld)
nen leicht zu alkohollastig ausfallen. Ein
anderes Problem war früher die Blüteempfindlichkeit. Sie führte zu extrem geringen Erträgen, in manchen Jahren weniger als
10 Hektoliter auf dem Hektar. In den achtziger Jahren änderte sich das allmählich, so
dass der Rieslaner vor allem für qualitätsbewusste Erzeuger wieder interessant
wurde und im Prädikatsbereich bei Versteigerungen hohe Preise erzielte.
Ein bekannter Promotor des Rieslaner
wurde der Pfälzer Hans-Günter Schwarz in
seiner Ära als Betriebsleiter des Weingutes
Müller-Catoir in Neustadt-Haardt. Er bezeichnete die Rebe zwar als „äußerst sensibel“, entlockte ihr aber durch geringe
Erträge bei hoher Reife geniale fruchtige
Weine. Auch Klaus Keller aus FlörsheimDalsheim war schon bevor sein Betrieb überregional bekannt wurde ein Verfechter des
Rieslaner. 1970 warb er um seine spätere
Gattin Hedwig mit einer Rieslaner-Auslese,
21 Jahre später schenkte er ihr zu Weihnachten sogar einen Rieslaner-Weinberg.
Schwarz und Keller waren auch mit Weinen
bei einer denkwürdigen Verkostung im Vorfeld des „Niederfall“ vertreten. Schwarz betreut das Weingut Minges in Flemlingen auf
dem Sektor Aromasorten; die 2012er
Spätlese von Minges schmeckte wie der Biss
in einen saftigen Apfel. Die 2012 Monsheimer
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Auslese, vinifiziert von Junior Klaus-Peter
Keller, tanzte beschwingt Ballett auf der
Zunge. Aber noch mehr beeindruckten reife
Versionen, vor allem ein einmal neu verkorkter, vielschichtiger 1953er Mainriesling vom
Weingut Robert Schmitt und ein zeitloser,
rassiger 1963er von der Domäne Castell.
Dass der Rieslaner auch als Eiswein glänzen
kann, demonstrierten die Güter Ruck aus
Iphofen (1998) und der Staatliche Hofkeller
Würzburg (1999) mit brillanten, geschliffenen Weinen aus gefrorenen Trauben.
Ebenfalls sehr jugendlich: die cremige
1988er Beerenauslese vom Zehnthof
Luckert aus Sulzfeld und die enorm konzentrierte 1992er Beerenauslese von Schmitt’s
Kinder, die mit ihren 160 Grad Oechsle
eigentlich eine Trockenbeere war.
bleibt die Frage nach dem stellenwert des
rieslaner: Die Fläche ist nicht nur in
Franken abnehmend. 35 Hektar sind es
aktuell noch in bayerischen Fluren; ähnlich
ist die Größenordnung in der Pfalz; bundesweit sind es kaum mehr als 80 Hektar.
Fränkische Winzer stellen die Frage, ob die
Journalisten zu wenig über Rieslaner
schreiben. Umgekehrt wird ebenfalls ein
Schuh daraus. Die Erzeuger sind mit dieser
Sorte nicht sonderlich offensiv unterwegs.
Auch im aktuellen Gault Millau ist kaum
Rieslaner zu finden. ■
PORTRAIT
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seiTe 5
Quereinsteigerin:
Portrait der Weinfrau Emily Albers
Von Heidi Diehl
M
it einem Weinglas in der Hand
fühlt sich Emily Albers wie im siebten Himmel – schauen, riechen,
schmecken, und andere für gute Weine
begeistern, dass ist es, wofür sie brennt.
Eine späte Liebe, könnte man sagen, denn
ihre Ausbildung zur Weinakademikerin
begann sie erst in einem Alter, in dem
andere schon langsam beginnen, darüber
nachzudenken, was sie im Ruhestand
machen wollen. Sie hat es nie bereut, und
mit der Ausbildung gefunden, wonach sie
gewissermaßen Jahrzehnte suchte.
Nach dem Abitur entschied sich die
Hamburgerin zu einer Ausbildung als
Hotel- und Gaststättengehilfin im Hotel
„Vier Jahreszeiten“ ihrer Heimatstadt. Sie
wollte unbedingt einen Beruf, in dem sie
mit Menschen zu tun hat. Nach der
Ausbildung ging sie als Rezeptionistin ins
Interconti nach London, merkte aber schon
bald, dass sie diese Arbeit nicht ausfüllte.
Deswegen wechselte sie nach Paris, um
Öffentlichkeitsarbeit zu studieren, schrieb
ihre Diplomarbeit zu PR-Arbeit in der
Hotellerie und arbeitete dann auch eine
Weile auf diesem Gebiet.
Doch die große weite Welt, und insbesondere New York, zogen die junge Frau magisch
an. Sie packte ihre Sachen, fand auch einen
tollen PR-Job bei der Firma H. Stern
Jewellers, der sie vier Jahre ausfüllte, ehe sie
zurück nach Deutschland ging, wo sie
zunächst in der PR-Schiene bei Sat 1, später
drei Jahre als PR-Chefin für Montblanc
International in Hamburg tätig war – mit
Wein hatte das alles nichts zu tun.
1996 wagte die 43-Jähre den Schritt in
die Selbstständigkeit, gründete ihre eigene PR-Agentur mit Spezialisierung
Touristik und Hotellerie – und kehrte
somit irgendwie auch zu ihren beruflichen Wurzeln zurück. Sieben Jahre arbeitete sie für Interconti. Dort kam sie erstmals auch mit Weinveranstaltungen in
Berührung und fand sehr schnell Gefallen
daran. „Nur, ich hatte keine Ahnung von
Wein, aber da war so ein Gefühl, das sich
schnell Raum verschaffte und nach mehr
Wissen rief“, erinnert sich Emily Albers.
Und da unter ihren Kunden auch immer
mehr Weinfirmen waren, entschloss sie
sich, Weinkurse zu belegen.
“ich hatte keine
Ahnung von
Wein, aber da
war so ein
Gefühl, das sich
schnell raum
verschaffte
und nach mehr
Wissen rief“
Emily Albers (© Heidi Diehl)
Beim Wine und Spirit Education Trust in
Geisenheim wurde sie fündig. Sie lernte
jede Menge über Rebsorten, Weinländer
und wie man Weine analysiert. Nach dem
zweiten Grundkurs hatte sie sich die
Berechtigung zum Fernstudium zur
Weinakademikerin erworben. „Warum
nicht noch mal studieren?“, fragte sich
die 53-Jährige. „Es war eine extrem harte
Zeit, denn das Studium findet neben der
Berufstätigkeit statt, es war sehr
anspruchsvoll, aber auch sehr befriedigend“, schaut sie zurück. „Der Tag, an
dem ich endlich mein Diplom in den
Händen hielt, war ein glücklicher. Denn
immerhin gehörte ich nun zu den nur
rund 150 Menschen in Deutschland, die
diese Ausbildung erfolgreich absolviert
hatten.“
Heute brilliert sie mit ihren Fachkenntnissen,
was ihre Kunden, darunter die Schlumberger
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Vertriebsgesellschaft in Meckenheim und
der Naturkorkverband in Portugal und
Deutschland sowie verschiedene Weingüter
sehr zu schätzen wissen.
Gern moderiert Emily Albers, die auch
Mitglied der Deutschen Sommelier Union
ist, Weinveranstaltungen, sowohl für
Fachleute als auch für ganz normale
Weinliebhaber. Sehr gern würde sie Weinseminare für künftige Fachleute in
Hotellerie und Gastronomie anbieten.
Denn, so muss sie immer wieder erfahren,
gibt es nicht nur bei Azubis, sondern oftmals auch bei fertig ausgebildeten
Hotelfachleuten eine erschreckende Unkenntnis in Sachen Wein. Dabei geht es ihr
nicht darum, aus ihnen Sommeliers zu
machen, doch zu Kompetenz gehört eben
auch, dass man den Gästen ein bisschen
mehr zu den Weinen auf der Karte sagen
kann, als dass sie rot oder weiß sind. ■
DOSSIER: ÖSTERREICH
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seiTe 6
gerade zuteil wird, vergisst man leicht“,
so Caro Maurer, „dass der eigentliche
Hauptdarsteller in den österreichischen
Rotweinbergen der Zweigelt ist. Er ist die
am weitesten verbreitete Rotweinsorte
und äußerst beliebt vor allem bei einem
Publikum, das gern ein gutes Glas trinkt,
ohne sich sofort Gedanken über das
Terroir des Weinbergs zu machen.“ Fakt
ist: Die meisten Weintrinker finden den
Zugang zu österreichischem Rotwein
eher über einen soft schmeckenden, frischen und kirschfruchtigen Zweigelt als
über Blaufränkisch, der wegen seiner
höheren Säure einfach für viele schwieriger zu trinken ist.
Zweigelt (© ÖWM)
Österreich rot:
Zweigelt, Blaufränkisch
& Cuvees
Von Herbert Heil
ein Workshop zeigt die
stärken der beiden
sorten auf
Großer Qualitätsschub
Ö
sterreich, wer wollte es bezweifeln,
hat außergewöhnlich gute Weine zu
bieten, weiß wie rot, wobei von den
gut 45.000 Hektar Rebfläche 30.000 auf
weiße und 15.000 auf rote Sorten entfallen. Flächendeckend sind in Österreich 22
weiße und 13 rote Sorten für die Produktion von Qualitätswein, Prädikatswein
sowie von Landwein zugelassen.
So gesehen gibt es viele Möglichkeiten,
sich von der Qualität der Weine aus der
Alpenrepublik zu überzeugen. Eine
Möglichkeit bot sich Anfang Oktober in
Frankfurt bei einem hochinteressanten
Workshop zum Thema „Österreich rot –
Zweigelt, Blaufränkisch und Cuvées. Das
Expertenduo Caro Maurer, Master of Wine
und Weinjournalistin, sowie ÖWMSommelier Gerhard Elze moderierten die
gut besuchte Veranstaltung, die die beiden
roten Rebsorten ins rechte Licht rückte.
„Angesichts des Hype, der dem Blaufränkisch – und zwar durchaus zu Recht –
Elf Zweigelt standen zur Verkostung bereit
– von einfach bis hochpreisig, vom
Qualitätswein bis zur Reserve. Allesamt von
überdurchschnittlichem Format. Wobei der
elegante, neutrale, würzig in der Nase sich
präsentierende 2011 Zweigelt von Schloss
Gobelsburg (Niederösterreich) sowie der
2011 Zweigelt „Schwarz Rot“ vom Weingut
Johann Schwarz (Burgenland) mit seiner
sehr guten Balance am überzeugendsten
abschnitten. Welch große Weine man aus
der Sorte Zweigelt auch machen kann, zeigten einige Vorzeigewinzer, die den Beweis
antreten, dass Zweigelt auch tief und hochkomplex ausfallen kann, wenn man es darauf anlegt. So zum Beispiel der „Hallebühl“
vom Weingut Umathum, der „Z“ vom
Weingut Birgit Braunstein/Martin Pasler
oder die Reserve „Rubin Carnuntum“ vom
Weingut Glatzer.
Zur Ehrenrettung des Zweigelt muss auch
gesagt werden: Es ist eine Rebsorte, die,
rechnet man in Weinvegetationszyklen,
noch ein Jungspund ist. Denn erst seit den
60er Jahren wird er großflächig angebaut. Im
Klartext heißt dies: Erst anhand von gut 50
Ernten konnten die Winzer Erfahrungen mit
der 1922 vom heute noch umstrittenen
Professor Friedrich Zweigelt (ein vorauseilender Nazionalsozialist), gezüchteten Sorte
aus Sankt Laurent und Blaufränkisch
machen. Inzwischen setzt man beim
Zweigelt – gerne als „Softie“ verspottet und
ursprünglich als Massenträger konzipiert –
auf Qualität, sprich die Winzer fahren die
Erträge zurück. Aus dem Allerweltswein ist
somit längst ein anspruchsvoller Roter
geworden, dem eine größere Zukunft noch
bevorsteht.
Eine Gegend, in der Zweigelt einen besonders hohen Stellenwert hat, ist Carnuntum,
das östlichste und auch wärmste niederösterreichische Weinbaugebiet. Rubin
Carnuntum, ein Rotwein, der das Gebiet
repräsentiert, gibt es schon lange, noch vor
sämtlichen DAC- und Herkunftsüberlegungen.
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seiTe 7
Demgegenüber ist der Blaufränkisch der
Star unter Österreichs Rotweinen.
Flächenmäßig zwar nur die Nummer zwei,
wird er nicht nur in Österreich geschätzt
und geliebt. Kein Wunder, denn er ist
robust, reift relativ spät und hat deshalb
auch in schwierigen Jahren beste Chancen
völlig auszureifen und dabei gesund zu
bleiben.
Hinzu kommt eine weitere Fähigkeit. Er
lässt die unterschiedlichen Bodentypen
geschmacklich hervortreten. Auf lehmigen
Böden wird er intensiver, voller und erdigwürziger. Auf Kalkböden tritt die Frucht –
reife, dunkle Kirschen – stärker hervor, und
auf Schiefer ist es die Mineralität, die sich
bemerkbar macht.
Bei der Probe in Frankfurt wurde die ganze
Bandbreite und Ausdrucksmöglichkeit dieser
Sorte deutlich, die in Deutschland unter dem
Namen Lemberger in Württemberg bekannt
ist. Der Blaufränkisch ist eine alte autochthone Rebsorte. Synonyme für den Blaufränkisch sind „Lemberger“, „Limberger“
und - in Ungarn - „Kekfrankos“. Die Weine
haben in der Jugend eine dunkle, purpur-violette Farbe und ein charakteristisch-würziges, sehr fruchtiges Bukett nach
Waldbeeren. Sie zeigen viel Struktur und
Charakter und werden durch sorgfältige
Lagerung vielschichtiger und geschmeidiger.
Gute Blaufränkisch kommen zum Beispiel
vom „Leithaberg“. Auch davon konnte man
sich beim Workshop überzeugen. Die
Weine von Prieler oder Hillinger waren
exzellente Vertreter. Wobei zu sagen ist:
Leithaberg DAC-Weine sind immer sehr
mineralisch und relativ kräftig im
Charakter. „Leithaberg muss man schmekken können“, so ein geflügeltes Wort der
dortigen Winzer. Es ist die Kombination
von bodenbedingter Würze, Mineralität,
Frucht sowie Frische und Eleganz, die den
Weintypus ausmachen.
Und auch auf den schwereren Lehmböden
des Mittelburgenlandes sowie nördlich des
Rosaliagebirges wachsen Blaufränkisch mit
besonderer Fruchttiefe und Länge.
Das Mittelburgenland liegt im Herzen des
Burgenlandes nahe der ungarischen
Grenze. Als bedeutendstes Anbaugebiet
für die Sorte Blaufränkisch in Österreich
wird das Mittelburgenland auch Blaufränkischland genannt. Mit der Blaufränkisch-Rebe ist es den Österreichern
gelungen, einen weltweit unverwechselbaren, gebietstypischen Rotwein zu schaffen,
der seit 2005 auch DAC-Status genießt. Die
Hochburgen des Blaufränkisch sind die
Gemeinden Deutschkreutz, Horitschon,
Neckenmarkt und Lutzmannsburg.
Blaufränkisch (© ÖWM)
Die typischen Blaufränkisch des Südburgenlandes werden ab Jahrgang 2009
unter Bezeichnung Eisenberg DAC
(Eisenberg DAC Reserve ab Jahrgang 2008)
vermarktet. So gesehen sind das südliche
Burgenland und der Blaufränkisch seit
jeher ein perfektes Paar, und wenn sie
gemeinsam auftreten, dürfen sie nun stolz
das Prädikat „Eisenberg DAC“ auf dem
Etikett tragen, während alle anderen
Weine aus dieser Region „Burgenland“ als
Herkunft angeben. Somit wird dem charakterstärksten und faszinierendsten Wein
der Region nun mit einer eigenen
Appellation gehuldigt.
Zweigelt Weine
namhafter Winzer
zeugen von
bodenbedingter
Würze, Mineralität,
Frucht sowie Frische
und Eleganz.
(Foto: Hillinger)
Zu den besten in Frankfurt präsentierten
Blaufränkisch gehörten neben den oben
erwähnten noch die Weine von Krutzler,
Achs, Igler, Kirnbauer und Wieder.
Eine „bella figura“ machten auch die roten
Cuvées. Sie stammten vornehmlich aus
Carnuntum, dem Anbaugebiet östlich von
Wien Richtung Bratislava, und aus dem
Burgenland. Zu den herausragenden
Vertretern gehörten die Tropfen von
Gerhard Markowitsch („Rosenberg“ Carnuntum), vom Weingut Payr („Reserve
Bühl“ - Carnuntum) sowie aus dem Burgenland Weingut Pöckl („Admiral“), Kollwentz
(„Eichkogel“), Goldenits („Tetuna“) und
Tschida („Domkapitel“). ■
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DOSSIER: ÖSTERREICH
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Fritz Rieder – der extreme
Weinviertler
seiTe 8
Von Rudolf Knoll via YOOPRESS
Die Weine von
Friedrich (Fritz) rieder
erreichen reserve-Qualität,
und das auf hohem Niveau
W
ir sind im österreichischen Weinviertel: „Jawohl, ich bin ein extremer Winzer“, lacht Fritz Rieder
aus Kleinhadersdorf, einem Ortsteil von
Poysdorf an der sogenannten Brünner
Straße, die Wien mit der zweitgrößten
Stadt Tschechiens verbindet. Viele seiner
Kollegen in diesem Raum erzeugen hauptsächlich Grundweine für die österreichische Sektproduktion; einige legen Wert auf
überdurchschnittliche Gewächse. Aber am
meisten profiliert hat sich im Verlauf von
knapp 20 Jahren das Weingut Weinrieder –
so dass viele den 55-jährigen als „Herr
Weinrieder“ ansprechen.
Warum sein Weingut nicht wie er heißt,
erklärt er ganz einfach: „Rieder ist ein häufiger Name im Weinbau. Auch in Poysdorf
gibt es ein paar Weinbauern mit diesem
Namen.“ Mit Weinrieder hat er sich eine
Alleinstellung erworben. Die hat er gewissermaßen auch mit einer speziellen
Weinart, zumindest in dieser Region.
Eiswein ist eine besondere Spezialität von
Fritz Rieder.
Deshalb war er auch in der Lage, kürzlich
zu „Weinrieder-Extrem“ einzuladen, und
bei dieser Gelegenheit über 30 Eisweine
aus drei Jahrzehnten sowie weitere edelsüße Granaten und seine besten trockenen
Weine zu entkorken. Rund 500 Händler,
Gastronomen und sonstige Weinfans pilgerten extra nach Kleinhadershof, um – so
Fritz – „Weine abseits vom gewohnten
Mainstream“ zu verkosten.
Zu Veranstaltungen mit Zugkraft lud der
Winzer schon mehrfach ein. Aber das
Weinarchiv mit zahlreichen reifen
Gewächsen wurde erstmals in diesem
Umfang geplündert. Zurück ging es bis ins
katastrophale Jahr 1980. Dem 1980er
Eiswein vom Müller-Thurgau gab das
Fritz Rieder (© Weingut Weinrieder)
Magazin Falstaff vor gut 30 Jahren 21 von
20 möglichen Punkten. Aber damals war
Eiswein für Österreich noch etwas Neues
und offenbar schwer einzuschätzen. Heute
würde die Note anders ausschauen.
Für Fritz Rieder war die Extrem-Bewertung
natürlich Motivation, auf diesem Feld weiterzumachen. „1979 war mein erster
Jahrgang. Ich hatte damals wenig Ahnung
und habe mir anfangs alle möglichen
Dellen geholt“, erzählt er offen. „Nur edelsüß klappte recht gut.“
Wenn man sich von Alt nach Jung durchprobiert, stellt man auch einen
Lernprozess fest. Die Eisweine wurden mit
den Jahren immer besser, immer klarer im
Aroma. Und sie zeigen eine beachtliche
Stabilität, etwa der 1986er Welschriesling,
geerntet am 24. Dezember. Welschriesling
und Rheinriesling spielen die Hauptrollen
in der Eiswein-Produktion des Betriebes.
Echte Größe zeigen zum Beispiel der
2002er und 2003er Riesling Schneiderberg,
die es durchaus mit bedeutenden deutschen Eisweinen aufnehmen können.
2011 war ein besonders spannender
Jahrgang in letzter Zeit. In der 5-HektarCOPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Lage Hölzler spekulierte Rieder bis ins neue
Jahr: Erst am 2. Februar wurden die
Trauben vom Welschriesling geerntet. Der
Wein entwickelte sich zu einem sehr typischen Eiswein, knackig, mit brillanter
Frucht. Daneben gibt es noch eine weitere
Welschriesling-Eiswein-Version, bezeichnet als „Privat“, die sich ungemein mineralisch und mit viel Spannung präsentiert.
Interessant ist diese Weinart auch wegen
ihrer Preise. In Deutschland kostet ein
überzeugender Eiswein aus gutem Haus
eine dreistellige Summe; wenn ein
bedeutender Name dahintersteht, kann
es schon mal vierstellig bei Auktionen
werden. Beim Weingut Weinrieder bleiben die Preise zweistellig, die „Basis“ ist
schon für 19,50 Euro zu haben (2012
Welschriesling, ein rassiger „Weckruf“
mit feinem Apfelduft).
Hin und wieder wagt sich Rieder an
Trockenbeerenauslesen, meist vom
Chardonnay. Strohwein machte er nur ein
einziges Mal, 1997. Obwohl das nicht das
Gelbe vom Ei war, stellte der Kleinhadersdorfer den Wein bei „Extrem“ vor.
Schließlich hatte er viele Trostpflaster im
Glas zu bieten.
DOSSIER: ÖSTERREICH
Dazu gehören seit einer Reihe von Jahren
auch seine trockenen Weine vom Riesling
und Grünen Veltliner. Früher war er hier
anspruchslos. Ein Erlebnis mit einem
Gastronomen vor rund 25 Jahren führte
ihn auf den richtigen Weg. „Der hat mir
verdeckt Wein eingeschenkt, der mich
nicht froh machte. Als ich ihm sagte, den
könne man wegschütten, meinte er nur,
das sei ein Weinrieder-Wein …“.
Kantig und etwas derb waren die Weine
einst, die Kellertechnik war unzureichend.
Dann ersetzte er alte Fässer und eine
Kelter, die Trauben mehr strapazierte als
auspresste. Ab dem Jahrgang 1997 wurden
die Weine deutlich besser. Heute kann er
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
vor allem mit Reserve-Qualität von hohem
Niveau aufwarten. Zu seinen Kellergeheimnissen gehören etwas Maischestandzeit
und längeres Lager auf der Feinhefe.
Vergoren werden die Weine relativ warm.
„Dabei bildet sich mehr Glycerin, der
Alkohol wird besser eingebunden“, hat
Rieder gelernt. Wer es nicht weiß, siedelt
seine Weine schon mal in Spitzen-Betrieben der Wachau an. Nur im Preis sind
sie deutlich günstiger.
Gegründet wurde das Weingut übrigens
1928 von Großvater Franz, der damals bei
einer Bank beschäftigt war und ein
Leidtragender des Börsen-Crash wurde.
„Daraufhin hat er sich neu orientiert und
seiTe 9
wurde Winzer“, weiß der Enkel. Wer weiß,
wie sich sein Leben bei einer anderen
Entscheidung des Opas entwickelt hätte.
Zocken liegt ihm beim Weinbau im Blut.
Vielleicht würde er heute an der Börse spekulieren … aber so muss er sich um die
Zukunft seines 20-Hektar-Betriebes kümmern. Die Aussichten sind gut: Junior Lukas
war sechs Monate beim deutschen Spitzenwinzer Klaus-Peter Keller in FlörsheimDalsheim in der Ausbildung! ■
Zweimal reifes Wein-Österreich
Von Rudolf Knoll via YOOPRESS
in Österreich gibt es einige
betriebe, die sich um die
erhaltung der Kultur mit
reifen Weinen bemühen
R
eife Weißweine von Grüner Veltliner
und Riesling sind in Österreich trotz
des eigentlich bekannten Lagerpotenzials dieser Sorten kein bedeutendes
Thema. Allenfalls einige Top-Gastronomen
wagen sich heran. Aber allmählich kommt
Bewegung in die Sache, wie zwei Ereignisse
in letzter Zeit deutlich machten.
Wenn in Österreich eine Verkostung trokkener Weißweine aus mehreren Jahrgängen stattfindet, dann kann es schon
vorkommen, dass gleich nach dem derzeit noch aktuellen 2012er die nächste
Kategorie mit 2011 unter „Altweine“ eingeordnet ist. Die meisten Weinfans bei
unseren Nachbarn gieren förmlich nach
jungen Gewächsen, obwohl viele ihre
beste Form längst nicht erreicht haben.
Was schon etwas länger im Keller lag, ist
für diese Genießer mit Tunnelblick uninteressant.
Weinkeller mit gereiften Weinen (© Unpict)
Gottlob gibt es einige Betriebe, die sich um
die Erhaltung der Kultur mit reifen Weinen
bemühen. So sind die Genossenschaften
von Dürnstein und Krems sehr gut bestückt
mit Weinen aus einigen Jahrzehnten. In der
Kremser Schatzkammer liegen sogar weit
über 100.000 Flaschen, die teilweise noch
im Verkauf sind. Senior ist ein Grüner
Veltliner Kabinett aus dem Jahrgang 1946,
der für 250 Euro zu haben ist. Auch Betriebe
wie Jurtschitsch und Bründlmayer in
Langenlois, Salomon in Krems sowie das
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Weingut der Stadt Krems sind gut mit
Altweinen bestückt, die allerdings nur mehr
in Ausnahmefällen in den Verkauf kommen.
Und da ist dann noch Peter Dolle aus Strass
mit seinem „Senior“ 1967 Weißburgunder
für 156 Euro. Weniger bekannt ist der
Naturkeller der Familie Retzl in Zöbing, wo
der vermutlich älteste noch trinkbare trokkene Weißwein Österreichs liegt, ein
Riesling von 1903 (einmal vor einigen Jahren
verkostet, nach dem Ablegen der zunächst
modrig anmutenden Aromen großartig).
DOSSIER: ÖSTERREICH
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
seiTe 10
Nach dem skandaljahr 1985,
als Glykol das Weinland
erschütterte, wurden die
Weine knochentrocken und
mit manchmal unreifer
säure in die Flasche
gebracht, weil die Winzer
weg wollten von den
belanglosen süßweinen
Es gibt in Österreich noch andere Leute, die
reife Weine horten – und irgendwann erkennen, dass das kein Werk für die Ewigkeit sein
kann. So kam es kürzlich im namhaften
Auktionshaus Dorotheum in Wien zu einer
bemerkenswerten Versteigerung, bei der
neben Rotweinen und Süßweinen etliche
Lots mit älteren Weißweinen, meist zwischen sieben und zehn Jahren alt, offeriert
wurden. Weinmarketingchef Willi Klinger
begrüßte im Vorfeld diese Auktion („Wir
sind ein Weinland von Weltruf und können
damit das Reifepotenzial unserer Weine
unter Beweis stellen“). Er appellierte vor
allem an die Gastronomie („jede gute
Weinkarte muss auch eine Jahrgangstiefe
aufweisen“).
Die meisten der Weine kamen aus der
Wachau, dem Kamptal und dem Kremstal;
die Roten und Edelsüßen aus dem
Burgenland; etliche renommierte Erzeugernamen standen dahinter. Einlieferer
war eine namhafte Traditionsgaststätte in
Wien (Zum Weißen Rauchfangkehrer,
Weihburggasse 4), die für ihre umfangreiche Weinkarte bekannt ist.
Fast 800 Lots (etwa 8000 Flaschen) wurden
insgesamt präsentiert, meist im 6er oder
12er Pack. Nur knapp 280 dieser Angebote
kamen unter den Hammer, etliche
Schnäppchen werden noch für einige Tage
im Nachverkauf zu haben sein (siehe Tipp).
Dann wandern sie zurück in die Keller des
Einlieferers. Die Ausrufpreise waren teilweise sehr günstig, aber offenbar fanden
nicht genügend Weinfans mit einem Faible
für solche Gewächse eine Teilnahme interessant. Außerdem fand die Bekanntgabe
der Versteigerung an die Medien erst eine
Woche vorher statt.
„Wir hatten im Vorfeld gewisse Kommunikationsprobleme“, meint der zunächst enttäuschte Gastronom Alexander Stauder.
Darauf führt er es auch zurück, dass die
mehr als 60 Lots von Süßwein-Kaiser Alois
Kracher nicht versteigert wurden. So mancher Interessent habe nicht verstanden,
Die Korkqualität war früher oft bedenklich. (© Marionette)
wie eine Auktion abläuft, zumal es die
erste große Weinversteigerung in Österreich überhaupt war. Stauder setzt auf
einen langen Atem und einen Lernprozess
bei Interessenten. „Wir haben weitere
Auktionen geplant. Theoretisch könnten
wir mit unseren Vorräten auch zehn
Versteigerungen bestücken.“
Besonders begehrt waren die Nobelweine
von F. X. Pichler aus der Wachau. Der „M“
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aus 2005 schoss dabei den Vogel ab. Zwölf
Flaschen gingen für 708 Euro weg, weitere
drei Flaschen brachten 312 Euro. Bei den
Rotweinen brachten „Senioren“ von
Prieler (Neusiedlersee-Hügelland) ebenfalls sehr gute Ergebnisse (z. B. 920 Euro
für zwölf Flaschen 1999er Blaufränkisch
Goldberg). Der „Cupido“ vom Weingut J.
Heinrich (Mittelburgenland) durchbrach
mit 637 Euro für sechs Flaschen die 100erMarke/Flasche.
WEINE
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
Etliche der ersteigerten Weine werden
wohl in private Keller gelangen, denn die
Gastronomie war offenbar sehr zurückhaltend und verpasste die Chance, die
Weinkarte zu bereichern. Ein Grund ist
vermutlich, dass so mancher Wirt schwarz
einkauft; in der Szene spricht man von
„griechischen
Verhältnissen“.
fast
Andererseits ist eine Weinhandlung wie
Del Fabro in Wien seit einigen Jahren
bemüht, den Gastronomen reifere
Gewächse näher zu bringen.
Dies geschah aktuell wieder im Rahmen
des WIFI-Weinherbstes, einem Treff der
Gastroszene und von Weinbegeisterten.
WIFI ist eine Einrichtung der Wirt schaftskammer für die Erwachsenen bildung, die sich auch dem Thema Wein
geöffnet hat.
Auf dem Programm stand eine Altweinprobe mit Österreichs Paradesorte Grüner
Veltliner, die zurück bis ins Jahr 1971
reichte. Der Wein vom Weingut Salomon
in Krems wurde einige Jahre vorher neu
verkorkt und offenbar auch mit
Kohlensäure aufgefrischt. Er schmeckte
wie ein zwei- oder dreijähriger Wein. Ein
Höhepunkt der Verkostung war ein
1973er von Mayer am Pfarrplatz, bei dem
die rund 80 Teilnehmer den vor zwei
Jahren verstorbenen Franz Mayer posthum hochleben ließen.
Zwei Probleme ließen die reifen Österreicher erkennen: Die Korkqualität war früher oft bedenklich; rund ein Dutzend
Flaschen mussten deshalb aussortiert
werden. Und in den Jahren ab dem
Skandaljahr 1985, als Glykol das Weinland
erschütterte, wurden die Weine knochentrocken und mit manchmal unreifer Säure
in die Flasche gebracht, weil die Winzer
weg wollten von den belanglosen
Süßweinen, die das Image kaputt
gemacht hatten. Das besserte sich dann
wieder vor gut zehn Jahren.
Ein 1999er von Franz Leth aus der Region
Wagram zeigte Saftigkeit und Charme,
ebenso die 2002er von Bründlmayer
(Langenlois) und Hirtzberger (Wachau).
Mit diesem Duo wurde gleichzeitig deutlich gemacht, dass es ambitionierten
Erzeugern auch im Flutjahr 2002 gelungen
war, exzellente Weine zu erzeugen. Bei
einem 2003er von Ewald Gruber
(Weinviertel) konnten Vorurteile abgebaut werden. Dem Hitzejahrgang wurde
seinerzeit oft attestiert, es mangle ihm an
Säure. Aber die Selektion des Röschitzer
Winzers präsentierte sich so straff und
jugendlich, dass man ihm bei einer
Blindprobe ein Alter von vielleicht drei
Jahren attestiert hätte. ■
seiTe 11
Caiarossa 2009 – Reinheit
als Qualitätsmerkmal
Von Arthur Wirtzfeld via YOOPRESS
Wein, so sagt man,
„wird im Weinberg geboren“
D
ie nur wenige Kilometer vom
Tyrrhenischen Meer entfernten 16
Hektar Rebfläche von Caiarossa werden seit zehn Jahren rigoros nach den
Prinzipien des biodynamischen Anbaus bewirtschaftet. Das Ergebnis dieser Anstrengungen ist ein Caiarossa 2009 – Cuvée
aus sieben Rebsorten – 25 Prozent Cabernet
Franc, 21 Prozent Merlot, 19 Prozent
Sangiovese, 18 Prozent Cabernet Sauvignon
sowie Petit Verdot, Syrah und Alicante.
Großen Anklang fand dieses Cuvée bisher
bei italienischen und ausländischen Weinführen. Der Espresso-Guide, Veronelli,
Falstaff, James Suckling „überschütteten“
den Caiarossa 2009 mit Auszeichnungen.
Mit zwar unterschiedlichen Worten haben
dennoch alle das Gleiche zum Ausdruck
gebracht: Der Caiarossa 2009 ist reintönig
und betörend in der Nase, vollmundig, saftig
und gleichzeitig tiefgründig und komplex.
Ein erfreuliches Urteil für den Eigentümer,
den holländischen Unternehmer Eric Albada
Jelgersma, der außer in der Toskana auch im
französischen Margaux investiert hat, und
den jungen Önologen Dominique Genot, der
sich auf Caiarossa im Alltag engagiert, um
diese Reinheit mit nach den Regeln der
Biodynamik erlaubten, natürlichen Mitteln
und viel Handarbeit im Weinberg intakt zu
erhalten.
„Das Geheimnis liegt im Gleichgewicht zwischen der Pflanze und ihrem Umfeld“, so
bekräftigt Weinmacher Dominque Genot,
„ein Gleichgewicht, das durch alle
Jahreszeiten hindurch erhalten bleiben
muss. Dafür gibt es kein Alleinrezept: die
Balance wird von Jahreszeit zu Jahreszeit
gesucht und perfektioniert, und jeder
Handgriff wird auf das spezifische Ambiente
abgestimmt. Als Pflanzenschutz verwenden
wir heute gering dosierte Kupfer- und
Schwefelpräparate, Algen-, Rhabarber- oder
Frangula-Extrakte, die das natürliche
Abwehrsystem der Reben nachhaltig stärCOPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Caiarossa 2009
(© Caiarossa s.r.l Società Agricola)
ken, und bei der Düngung beschränken wir
uns auf den Einsatz von selbst erzeugtem
Kompost.“
Charakteristisch für den Jahrgang 2009
waren ein Frühjahr mit ergiebigen
Niederschlägen bis Mai und ein sehr heißer
und trockener Sommer, so dass die Lese der
einzelnen Weinberge einige Tage früher
begann. Das Traubengut wurde zuerst
bereits am Rebstock selektiert und dann
noch zwei Mal am Sortiertisch. Danach wurden die einzelnen Rebsorten separat und
Parzelle für Parzelle in einzelnen, glasbeschichteten Zementbottichen oder Eichenfässern vinifiziert. Es folgten 18 Monate
Ausbau in Barriques und Tonneaux und weitere 6 Monate in Zementbottichen. Erst
nach einer Verfeinerung von weiteren 12
Monaten auf der Flasche kam der Wein auf
den Markt. In den Handel kamen 46.000
Flaschen des Caiarossa 2009, die in ausgesuchten Vinotheken zu finden sind.
Mein Fazit: Sieben Rebsorten auf einen
Streich – ein Hochgenuss: Trotz all seiner
Intensität und ausgeprägtem Terroir ist der
Caiarossa 2009 saftig, frisch und lebendig
ohne eine Spur von Überreife. Seine glänzende Textur und tadellose Balance sind
Garanten für eine schöne Entwicklung. ■
WEINBEREITUNG
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
seiTe 12
Längst nicht alle „Orangen Weine“ sind hochfarbig (© Igor Normann)
Orange-Weine: Neue Farbe im Spiel
Von Rudolf Knoll via YOOPRESS
Die Gegensätze:
„enormer Druck.
experiment gelungen.
schnell zuschlagen.“
vs
„Missraten.
strapaziert.
Flach.“
E
in neuer Begriff macht in der
Weinszene die Runde. Er wird unterschiedlich interpretiert. Und es hat den
Anschein, als ob manche Erzeuger meinen,
sie könnten den Wein neu erfinden und
neue Geschmacksdimensionen erreichen.
Derartige Weine sind schon relativ weit verbreitet. Nach einem ersten „Orange Wine
Festival“ in Österreich vor einem Jahr waren
am 28. Oktober wieder in Wien beim zweiten derartigen Festival rund 50 Winzer mit
etwa hundert Weinen aus Österreich,
Slowenien, Kroatien und Italien dabei. Aus
Österreich sind einige prominente Namen
wie Loimer, Muster, Wimmer-Czerny,
Preisinger und Strohmeier vertreten.
Aber die Frage ist, ob deren Weine und die
von anderen Erzeugern, die ein „zurück zur
absoluten Natur“ predigen, überhaupt als
Orange-Weine durchgehen. Grundsätzlich
versteht man darunter Weißweine, die wie
COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Rotwein ausgebaut werden, also auf der
Maische verbleiben und nicht sofort oder
nach einigen Stunden Standzeit abgepresst
werden. Im weiteren Sinn gehören der
Verzicht auf Reinzuchthefen, Zusatz von
schwefeliger Säure und die Filtration sowie
der Ausbau in Amphoren in diese Kategorie.
Doch längst nicht alle sind sie hochfarbig.
Vielfach schmecken sie ganz normal und
haben auch nicht die Gerbstoff-Struktur, die
eine Reihe der „neuen Weine“ vom klassischen Ausbau unterscheidbar macht. Ob sie
besser sind? Für den, der gern auf Holz
beißt, vielleicht. Denn lange Maischestandzeiten bei Weißweinen sorgen nun mal
meist dafür, dass Bitterstoffe in den Wein
übergehen.
Ein paar oberschlaue Sommeliers, die kürzlich bei einer Veranstaltung des Weinhändlers Linke in München dabei waren,
WEINBEREITUNG
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
seiTe 13
schwärmten von neuen Stilistiken und
Perspektiven, für die man Gäste begeistern
könne. Die Weine, die sich bei der Probe in
den Gläsern befanden, waren indes alles
andere als bezaubernd und vermittelten
keinerlei Trinkspaß. Der Hinweis, man
müsse sie halt ein paar Tage vorher öffnen,
zog nicht so recht.
Probiert wurden zwei Nosiola aus dem
Trentino, ausgebaut in Amphoren mit
mehrmonatiger Standzeit auf der Schale.
Die Weine wirkten streng, strapaziert und
säurebetont. Statt der „anderen Welt“, die
die Winzerin hier erkannte, kam Sehnsucht
nach einem klassischen Nosiola auf. Eine
weiße Cuvée aus der Südsteiermark, die in
Internet-Foren bejubelt wird, ließ im
Aroma an die erste Begegnung mit solchen
Gewächsen
erinnern.
„Unsauberer
Putzlappen“ wurde damals notiert und
jetzt mit der kritischen Nase erneut festgestellt, dass die Hygiene im Keller bei diesem Betrieb wohl nicht ganz weit oben
steht.
Besser wurde es mit einem Weißwein aus
dem Friaul, der aber nur gut sechs Wochen
auf der Maische stand und dann zwei Jahre
im großen Holzfass reifte. Mit etwas weniger Alkohol wäre der Wein sogar als gut zu
bezeichnen, ebenso wie eine weststeirische Cuvée aus Weißburgunder und
Chardonnay, die deshalb als Orange-Wein
eingestuft wurde, weil hier kein zugesetzter Schwefel im Spiel war (dafür einige
Milligramm aus der Natur, die durchaus
stützend wirken können).
Sicher nicht als Orange-Weine gelten die
Grauburgunder, die länger auf der Maische
stehen und aufgrund ihrer rötlichen
Beerenhaut dabei roséfarben werden. In
Baden und Württemberg wird so etwas
gelegentlich gemacht; dem vorprogrammierten Ärger mit der Weinprüfung wird
durch die Deklaration als „Deutscher
Wein“ (der frühere Tafelwein) ausgewichen. Der Vin Jaune aus dem französischen
Jura, der viel Tradition hat, steht nicht in
Gefahr, von den „orangen WeinRevolution“ erfasst zu werden, obwohl der
Wein von der weißen Sorte Savagnin hochfarbig ist, über sechs Jahre in einem
Barriquefass liegen muss und im eigenwilligen Geschmack an Sherry erinnert.
Eine immer wichtigere Rolle in diesem
Konzert spielen offenbar die Amphoren,
die mal im Keller stehen oder auch – wie
es in Georgien seit Jahrtausenden üblich
ist – in die Erde vergraben sind.
Grundsätzlich ist es nicht so, dass Wein
aus Amphoren anders schmecken muss
als ein normaler Wein. Der erste
Amphorenwein des Berichterstatters,
Bei Ärger mit der Weinprüfung wird auf die Deklaration als
„Deutscher Wein“ (der frühere Tafelwein) ausgewichen (© Igor Normann)
getrunken im Dezember 2003 bei einem
Weinbauern in der georgischen Region
Kachetien, war hell, klar, kernig und erinnerte an einen soliden Silvaner aus
Rheinhessen. Erst vor kurzem waren zwei
2011er aus den autochthonen georgischen Weißweinsorten Kisi und Mtsvane
an der Reihe, die beide in den Amphoren
(Qvevri) vergoren und dann in diesen
Behältnissen sechs Monate gelagert
wurde. Das Ergebnis: hochfarbig, kraftvoll, würzig, im Aroma etwas Dörrobst
und Honig, eher sanft im Gerbstoff, aber
sehr stabil im Anbruch über etliche Tage
hinweg. (Erzeuger Schuchmann Wines)
Das Gegenstück ein paar Tage zuvor kam
von einem namhaften Pfälzer Weingut.
Die Cuvée von Gewürztraminer und
Grauburgunder stand vier Monate in der
ebenerdig abgestellten Amphore (aus
Spanien) auf der Maische und wurde
unfiltriert gefüllt. Ein phantasievoller
Autor lobte in „Die Welt“: „Enormer
Druck. Experiment gelungen. Schnell
zuschlagen.“ Unsere Runde spuckte die
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ersten Schlucke wieder aus und kam einheitlich zur Feststellung: „Missraten.
Strapaziert. Flach.“
Schlau sind die Vertreter der orangen
Richtung, weil sie Winzer, die schon immer
Weine nach alter Väter Sitte erzeugen, mit
ins Boot holen. Ein typisches Beispiel dafür
ist der ehemalige Maschinenbau-Ingenieur
Mladen Roxanich in Istrien (Kroatien), der
2005 seinen ersten Wein machte, bei seinen hochfarbigen Weißen Maischestandzeiten von acht bis 100 Tagen praktiziert
und sie anschließend noch mindestens drei
Jahre im großen Holzfass ausbaut. Er gilt in
der Branche inzwischen als Orange-Winzer
– obwohl er eigentlich nur Wein nach seinen Möglichkeiten im Keller macht und es
hier fertig bringt, viel Spannung und
Komplexität zu erzeugen. Vielleicht kann er
mit seiner Qualität als Vorbild für die hochfarbige Szene dienen. Nicht wenige aus
dieser Runde betreiben mit ihrer Richtung
eher Marketing und scheinen darauf zu
vertrauen, dass viele Genießer geschmacklich nicht mündig sind. ■
WEINBEREITUNG
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
Geheimnisvolle Amphoren am
Wegesrand
seiTe 14
Von Heidi Diehl
„Weder Hefe noch Schwefel zugesetzt,
dauerte die Spontangärung mehr als ein
halbes Jahr. Danach wurde abgepresst und
der Wein je zu einem Drittel in Holzfässer à
600 Liter aus Kirsche, Palisander und Eiche
weitergelagert. Wieder war ein Jahr
gespanntes Warten angesagt. Zuletzt wurden Weiß und Rot separat vermischt und
erneut in Fässern gelagert“, so Peter
Mathier. Ende 2011 kam der große
Moment der ersten Verkostung. Die weiße
Cuvée überzeugte, der Rote nicht.
Amphoren, hergestellt in Georgien (© Heidi Diehl)
es ist an der zeit, sich dem
bernsteinfarbenen ur-Wein
zuzuwenden
A
n einem wunderschönen Sommertag
im Wallis wollte ich den rund sechs
Kilometer langen Rebweg von
Salgesch nach Sierre unter die Füße nehmen, hier und da ein Schlückchen probieren, und mich am Ende der Tour im
Chateau de Villa in Sierre in der Oenothek
etwas gründlicher umsehen. Denn dort
kann man mehr als 500 Weine aus dem
gesamten Walliser Anbaugebiet bekommen, ein Paradies für jeden Weinliebhaber.
Doch ich kam nicht weit, schon wenige
Schritte vom Salgescher Bahnhof entfernt
stand die Tür des Weingutes „ Albert
Mathier & Söhne“ weit offen. Bei einem
Gläschen „Aphrodine“, einem sehr aromatischen 2012er Petit Arvine sitzend, wan-
derte der Blick durch den Raum und blieb
schon bald an einem Flyer hängen:
„Amphore – Auf der Suche nach der Seele
des Weines“ las ich. Neugierig geworden
griff ich zu, wollte gerade darin blättern,
als ein Mann mich fragte, ob er mir helfen
könne. Er heiße Peter Mathier und sei der
Vertriebschef im Familienbetrieb, der von
seinem Bruder Amadee geleitet wird. Der
Flyer informiere über eine Besonderheit,
einen Wein, der in Amphoren entsteht –
eine Einmaligkeit in der Schweiz.
Bei einer Reise nach Georgien vor fünf
Jahren war Amadee diesen Weinen erstmals begegnet. Dort werden seit
Menschengedenken Trauben in Amphoren
vergoren. Amadee war begeistert und
beschloss, das in seinem Weingut auszuprobieren. Er importierte zwei Amphoren
aus Georgien, grub sie gleich hinterm Haus
am Rande eines Weinbergs ein, und füllte
sie 1999 erstmals: Eine mit den weißen
Rebsorten „Reze“ und „Ermitage“, eine mit
der Rotweinsorte „Cabernet franc“. „ Die
Trauben wurden abgebeert und angequetscht, Schalen und Kerne wanderten
mit in die Tongefäße“, erzählt Peter.
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„Wie schmeckte er?“, will ich wissen.
„Finden Sie nicht auch, dass Sie das lieber
selber herausfinden sollten?“, schlägt
Peter Mathier zu meiner großen Freude
vor. Er öffnet eine der rund 2000 Flaschen
des gerade abgefüllten Jahrgangs 2011. Da
der Wein vor dem Genuss mindestens eine
halbe Stunde atmen sollte, haben wir nun
Zeit für einen Spaziergang zu den im
Weinberg vergrabenen Amphoren. Dabei
erfahre ich so manches über die
Geschichte dieser uralten Methode des
Weinanbaus.
„Quevri“ heißen die Amphoren, die in
Georgien seit Tausenden von Jahren nach
der gleichen Methode gefertigt werden.
Dabei wird Tag für Tag ein Ring von 15
Zentimeter mit Silber versetztem Ton aufgetragen, muss trocknen, dann kommt die
nächste Schicht drauf. Das dauert, bis so
ein 1800 Liter fassendes Tongefäß fertig
ist. Dann wird es unter freiem Himmel in
einer Art riesigem Lagerfeuer gebrannt
und von innen mit Bienenwachs ausgestrichen.
Der erste westeuropäische Winzer, der
Wein in Amphoren ausbaute, war Josko
Gravner aus dem Friaul, der bereits zur
Jahrtausendwende damit begann. Auch in
Österreich reift inzwischen Ur-Wein heran.
Mathier hat inzwischen sechs Amphoren
vergraben, vier weitere warten darauf, in
die Erde zu kommen. Seine Versuche (und
Irrtum) wurden von Beginn an vom Institut
für Molekularbiologie des deutschen
Fraunhofer-Instituts in Schmallenberg wissenschaftlich begleitet. Dabei ging es
darum, herauszufinden, wo die Hefepilze
herkommen und was sich unter den
Bedingungen einer echten Spontangärung
mikrobiologisch abspielt. Denn, wenn man
WEINBEREITUNG
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
der Vergärung seinen ganz natürlichen
Gang lässt, erfolgt sie möglicherweise nicht
bis zum Ende, und der Wein bleibt süß.
Noch schlimmer kann es kommen, wenn
die sogenannten guten Hefen absterben,
und die schlechten überleben. Das
Ergebnis würde „mäuseln“ und nach
Ammoniak riechen. Da bleibt nur noch
wegschütten. In dieser Hinsicht hatte
Mathier bislang Glück, 17 verschiedene
Hefestämme wurden in seinem Most nachgewiesen, drei (gute) überlebten.
Bevor wir uns endlich dem Amphorenwein
im Glas zuwenden, führt mich Peter
Mathier aber noch in das „Ahnenzimmer“,
jenen kleinen privaten Verkostungsraum,
in dem man viel über die Geschichte des
Weingutes erfahren kann, deren Geschicke
Amadee und Peter nun in dritter
seiTe 15
autochthone Sorten, Familienangehörige
30 weitere Hektar. Zusätzlich kauft
Mathier Trauben von anderen Winzern.
Rund eine halbe Million Liter Wein entstehen in jedem Jahr daraus.
Jetzt aber wird es Zeit, sich dem Ur-Wein
zuzuwenden. Peter Mathier gießt ein, klar,
bernsteinfarben funkelt er im Glas, erinnert an einen Sherry. Und im Geschmack?
Etwas alkoholisch, kräftig, erdig, Aromen
von Trockenfrüchten, Rosinen, Aprikosen,
alten reifen Pflaumen, getrockneten
Kamillenblüten und sehr trocken. Nicht
unbedingt der Wein, den man an einem
lauen Sommerabend trinkt. Und garantiert
kein Wein für Jedermann. Aber sehr gut zu
altem scharfen Käse, Safran- und
Trüffelprodukten, Fleischgerichten und
kräftigem Roggenbrot.
Der “Amphore” hat 14,5 Vol %
(Foto: Heidi Diehl)
Der Most besteht aus den Rebsorten Reze und Ermitage (© Heidi Diehl)
Generation fortführen. 1928 wurde es vom
Großvater Albert Mathier gegründet. Die
Weltwirtschaft lag am Boden, er versuchte
der Rezession zu trotzen, indem er seine
Äcker umbrach, Reben pflanzte und eine
Weinhandlung gründete. 20.000 Liter
Wein stellte er anfangs her. Damit begann
nicht nur eine Familientradition, sondern
auch die Geschichte des Weindorfes
Salgesch.
Ausbau in Quevri (Foto: Heidi Diehl)
Seine beiden Söhne übernahmen 1965 das
väterliche Erbe und führten es erfolgreich
bis 1995 fort. Dann übergaben sie es an
ihre Söhne Alwin, Martin, Amadee und
Peter, seit 2011 ist Amadee Chef des
Familienunternehmens. Er selbst baut auf
fünf Hektar Reben an, davon zahlreiche
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Zwei Stunden ist es her, seit ich die
Probierstube des Weingutes betrat. Jetzt
wird es wirklich langsam Zeit, dass ich mich
auf den Weg mache. Wer weiß, was mir
unterwegs noch so begegnet. So ein
Rebweg steckt schließlich voller Überraschungen, wie ich schon erleben durfte. An
einer Stelle bin ich mir nicht mehr ganz
sicher, ob ich noch richtig laufe und frage
einen Mann, der in seinem Weinberg
arbeitet, ob ich noch auf dem richtigen
Weg sei. „Ja“, antwortet er freundlich, „wo
Wein wächst, sind Sie immer auf dem richtigen Weg.“ Wie Recht er doch hat! ■
WEINREISEN
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Wandgemälde im Keller der Winzergenossenschaft Balma Venitia (© Martin Sachse-Wienert)
Das süße Gold der Rhône:
70 Jahre AOC Muscat in
Beaumes-de-Venise
Von Martin Sachse-Wienert
süßer Wein:
Noch heute leiden
wunderbare Trauben wie
die scheurebe darunter,
dass ihnen bei aller Finesse
häufig der ruch des
unbotmäßig süßen
anhängt
N
och vor wenigen Jahren musste
man mit einem etwas despektierlichen Schulterzucken oder wenigstens einem erstaunten Augenaufschlag
rechnen, wenn man im Freundes- (oder
noch schlimmer: im Experten-)Kreis sein
Faible für süße Weine gestand. Wollte
man nicht als Laie des Weinkonsums gelten oder als unfähig, den ungeschriebenen Gesetzen der Rebsorten-Auswahl
und des -Ausbaus zu folgen, musste man
sich schon Besonderes einfallen lassen,
etwa den Verweis auf den „zugegebenermaßen etwas eigenwilligen“ Geschmack
der Gattin oder auf das Verlangen, auch
„ausgefallene Trends“ zumindest einmal
im Leben degustieren zu wollen. Noch
heute leiden wunderbare Trauben wie
die Scheurebe darunter, dass ihnen bei
aller Finesse häufig der Ruch des unbotmäßig Süßen anhängt.
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Ausgenommen von diesem Verdikt waren
allerdings Weine, die als Süß- oder
Dessertweine ausgebaut wurden und
allein vom Preisniveau her andeuteten,
dass ein Eiswein oder eine Beerenauslese
zum savoir-vivre des Connaisseurs zählt.
Hervorragende Produkte aus kleinen Orten
wie Rivesaltes, Saint-Jean-de-Minervois
oder Illmitz trugen dazu bei, die MuscatTraube und das Ergebnis ihrer Kelterung
hoffähig zu machen. Inzwischen sind die
zumeist in kleineren Flaschen (375 ml)
erhältlichen Weine so begehrt und teuer,
dass sogar vor Verbrechen nicht zurückgeschreckt wird, wie erst unlängst (Juni 3012)
das Château d’Yquem bei Bordeaux
schmerzhaft erfahren musste, als 380
Flaschen im Wert von über 100.000 Euro
gestohlen wurden. Kein Wunder also, dass
Süßweine mit zunehmender Reputation
auch auf einen immer größer werdenden
WEINREISEN
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Freundeskreis blicken können – der sich im
Jahr 2013 im Monat August im kleinen Ort
Beaumes-de-Venise zusammenfand, um
dort gemeinsam die Feierlichkeiten „70
Jahre AOC Muscat aus Beaumes-deVenise“ zu begehen.
süsses GolD AM Fuss Der
DeNTelles De MoNTMirAil
Das kleine Örtchen Beaumes-de-Venise liegt
idyllisch am Fuße des Felsmassivs der
Dentelles de Montmirail. Es zählt knapp über
2.300 Einwohner, die sich fast vollständig
dem Weinbau und den mit ihm zusammenhängenden Arbeiten verschrieben haben.
Zur Wirtschaftskraft tragen vor allem zehn
Weingüter bei, die sich auf Süßweine konzentriert haben und hier ausgezeichnete
Arbeit leisten. Dabei sind Namen wie die
Cave Balma Venitia oder die Domaine des
Bernardins in ganz Frankreich für ihren wunderbaren „Nektar“ bekannt, was gerade
auch in letzter Zeit leider zu einem gewissen
Anstieg der Preise geführt hat, die aber dennoch noch durchaus erschwinglich sind.
Näherte man sich in diesem Jahr dem Ort,
so wurde man nicht nur von den
Weinfeldern begrüßt, die sich an den zerklüfteten Bergrücken anlehnen, sondern
auch von vielen Fahnen, die von der
Besonderheit des Jahres 2013 kündeten.
Auch eine digitale Hinweistafel im Ortskern
blinkte immer wieder ihre Botschaft auf
die Hauptkreuzung: „70 Ans de l’AOC
Muscat de Beaumes de Venise. Grande
Fête les 10 et 11 août“. An diesem Wochenende nämlich fanden die Festivitäten
anlässlich des 70. Geburtstags der
Verleihung des AOC-Status an die MuscatWeine der Gegend statt. Dass dies bereits
in diesem Jahr und nicht erst 2015 war,
verdankte man einem besonderen
Umstand im Rahmen der Ernennung: Zwar
war das Verleihungsschreiben aus dem
Büro des „Ministre de l’epoque“ Tanguy
Prigent erst am 1. Juni 1945 in der Stadt
angekommen – allerdings enthielt es den
Hinweis, dass der Status um zwei Jahre
rückwirkend verliehen werde, man also
bereits beim 1943er-Jahrgang mit der
Deklarierung beginnen könne.
Louis Castaud war es gewesen, der sich von
der offiziellen „Weihe“ ein sicheres
Auskommen auch für die nachfolgenden
Generationen versprochen hatte und immer
wieder an geeigneter Stelle die Vorzüge dieses „vin doux naturel“ angepriesen hatte,
gepresst aus den „muscat à petits grains“.
Seine Witwe Renée führt ihr langes Leben –
und den Erhalt ihrer Arbeitskraft für die
Domaine des Bernardins – noch heute darauf zurück, dass sie täglich ein Glas Muscat
trinke – wir wollen es ihr gerne glauben!
Muscat a petits grains (© Martin Sachse-Wienert)
Werfen wir einen kurzen Blick auf das
reichhaltige Angebot der Süß weinProduzenten, so fällt als erstes der große
Komplex der Winzergenossenschaft
Balma Venitia ins Auge. 160 Winzer haben
sich in dieser Kooperative zusammengeschlossen und vermarkten gemeinsam
ihre Weine – Weine, die es erst unlängst
wieder auch in die Auswahl der renommierten „Revue du vin de France“
geschafft haben wie der Süß wein
„V.I.V.R.E 2010“, dem zugleich Finesse
wie Herzhaftigkeit attestiert werden, also
eben nicht die plumpe, reine Süße manch
anderer Dessertweine. Im Jahr 2013
wurde eine Flasche der Genossenschaft
gleich zwei herausragenden Ereignissen
gewidmet: zum einen – natürlich – dem
Jahrestag der AOC-Verleihung, zum anderen aber auch der Tatsache, dass die 15.
Etappe der diesjährigen Tour de France
auch den nahe gelegenen Mont Ventoux
als Zielpunkt auserkoren hatte. Hervorgehoben aus dem fast unüberschaubaren
Angebot sollen zudem der 2012erJahrgang der Domaine des Bernardins mit
seinem exquisiten Grapefruit-Aroma
sowie der 2010er-Jahrgang aus dem
Weingut Durban, der durch seine intensive Nase mit Pfirsich- und Litschi-Tönen
besticht.
Nun mag es ja vielleicht manchen geben,
dem das Angebot noch nicht genug ist.
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Oder vielleicht möchte man auch jemandem etwas Gutes tun, der eigentlich dem
Alkohol eher ablehnend gegenüber steht.
Nun, auch für diese Personen ist gesorgt:
Seit 2007 gibt es im Ort den kleinen
Seifenhersteller Savonnerie des Dentelles,
der unter anderem eine Seife sowie ein
Parfum „Gamme Muscat“ anbietet. Diese
sind authentisch den Duftnuancen des
lokalen Süßweins nachempfunden und
sorgen dafür, dass man auch im nichtalkoholischen Alltag auf die wunderbaren
Impressionen der Muskat-Traube nicht zu
verzichten braucht.
WeNN JeMAND eiNe reise TuT …
Wenn jemand eine Reise tut, so kann er
nicht nur etwas erzählen, sondern er tut
auch gut daran, sich bereits im Vorfeld
über Unterkünfte und Restaurants zu
informieren, zumal dann, wenn es sich
um solch einen kleinen Ort wie Beaumesde- Venise handelt. Nicht nur einmal
mussten wir feststellen, dass das angestrebte Restaurant sogar während der
Hauptreisezeit geschlossen hat oder die
Unterkunft bereits ausgebucht ist,
manchmal durch Saisonarbeiter zur
Weinlese. So sollen im Folgenden einige
Erfahrungsberichte die eigene Auswahl
erleichtern oder zumindest Hinweise auf
Alternativen geben; Adressinformationen
finden sich am Ende des Artikels.
WEINBEREITUNG
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esseN uND TriNKeN
Das Angebot ist allein durch die Größe
(oder besser: Kleinheit) des Ortes deutlich eingeschränkt.
Dennoch findet sich zumindest ein
Restaurant der gehobenen Gastronomie
in Beaumes-de-Venise, das mit edlem
und innovativem, fast futuristischem
Ambiente einen Glanzpunkt zu setzen
imstande ist. „Le Dolium“ befindet sich
auf dem Gelände der Winzergenossenschaft „Balma Venitia“ und bietet ein
ambitioniertes Angebot an heimischen
Gerichten, begleitet natür lich von
Weinen der Region. Der Service ist zuvorkommend und unaufdringlich, die Außenplätze sind (glücklicherweise) durch kleine Gewächse vom Parkplatz der
Winzergenossenschaft abgeschirmt.
Wer es dagegen etwas bodenständiger
will, der ist in der Ortsmitte an der „Table
des Balmes“ gut aufgehoben. Zwischen
Kirche und Brunnen auf einer kleinen
Empore gelegen, versteht es das Ehepaar
Berger, einfache Speisen für Ein heimische wie Touristen zu bereiten.
Experimente finden höchstens im Bereich
der Getränke statt, wenn anlässlich von
Feierlichkeiten der Muscat in dreierlei
verschiedenen Varianten angeboten wird
und durch Mixturen teilweise gewagte
Farbkombinationen erhält: So ist ein
roter „Anne Cherrie“ für den MuscatPuristen sicherlich ebenso eine Herausforderung wie ein „Triple M“, der unter
anderem Menthe ciselée als Ingredienz
beinhaltet.
Auch der Relais des Dentelles Amerigo
Vespucci liegt nicht fern von der
Ortsmitte, er vermag vor allem durch den
gemüt lichen Innenhof zu üb erzeugen.
Das Essen ist eher touristisch geprägt und
vereint provençalische mit mediterraner
Küche ohne ausgeprägte Höhepunkte.
Vor allem zu Stoßzeiten kann es vorkommen, dass sich die Wartezeit in die Länge
zieht; dies sollten vor allem Eltern mit
kleinen Kindern bei ihrer Wahl bedenken.
uNTerKuNFT
Das Angebot an Unterkünften ist deshalb
etwas breiter gestreut als die Anzahl der
Restaurants, weil diverse Privatpersonen
und Weingüter auch Zimmer anbieten,
die teilweise über viel Charme und individuelles Ambiente verfügen.
Die Auberge Saint-Roch macht bereits von
der Außenansicht her mit der kleinen
Restaurant-Terrasse einen einladenden
Eindruck, der sich im Inneren fortsetzt.
Restaurant Dolium (© Martin Sachse-Wienert)
Hier gelangt man zu den Zimmern durch
den behaglichen Frühstücksraum, die
Treppe führt dann nach oben zu einigen
wenigen Zimmern, die den geruhsamen,
anheimelnden Stil des Ortes anschaulich
widerspiegeln. Während der Sommermonate muss man allerdings gewahr sein,
dass die Räume nicht klimatisiert sind –
nächtliche Hitzeattacken sind möglich.
Ambiente mit modernem Komfort, die hier
augenscheinlich sehr gut gelungen ist. Kein
Wunder also, dass sich diese Unterkunft
immer wieder auch in Zeitschriften findet,
die sich Architektur und französischem
Landhausstil verschrieben haben. Ein Ort,
wo man sich nicht nur am Pool wohlfühlt,
sondern auch abendliche Grilladen zu
genießen weiß.
Ein wahres Kleinod und ein Geheimtipp
sind die Chambres d’Hôtes „Thym et
Romarin“ von Chantal und Georges
(Pechiodat). Die familiäre Gastfreundschaft empfängt jeden, der hierher
kommt und in den kleinen, wunderbar
individuell gestalteten Zimmern nach
Ruhe sucht. Im Garten befindet sich ein
kleiner Pool, die eine Seite wird begrenzt
durch eine mit Rosen bewachsene Laube,
die andere durch einen bunt bemalten
Bauwagen, der auch als Zimmer dient –
der „Nichtraucher“ aus dem „Fliegenden
Klassenzimmer“ lässt grüßen. Hervorzuheben ist vor allem auch das Frühstück,
das alle Gäste gemeinsam an einem großen Tisch im Freien einnehmen – neue
Bekanntschaften sind programmiert, der
Austausch über interessante touristische
Attraktionen ist gewährleistet.
esseN, TriNKeN uND sCHlAFeN
Etwas außerhalb des Ortes befinden sich
schließlich die Gebäude einer alten
Schäferei aus dem 18. Jahrhundert, die liebevoll hergerichtet wurden. Dabei besticht
vor allem die Kombination von altem
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LA TABLE DES BALMES, 31, place de l'église,
84190 Beaumes de Venise
LE DOLIUM, Cave Balma Venitia, Quartier
Ravel, 84190 Beaumes de Venise, www.dolium-restaurant.com
LE RELAIS DES DENTELLES AMERIGO
VESPUCCI, 210 Avenue Jules Ferry, 84190
Beaumes de Venise, www.lerelaisdesdentelles.fr
AUBERGE SAINT ROCH (auch Restaurant), 9,
route de Caromb, 84190 Beaumes de
Venise, www.auberge-st-roch.com
CHAMBRES D’HôTES THYM ET ROMARIN,
Allée Flandre Dunkerque Quartier des
Ferrailles, 84190 Beaumes-de-Venise,
www.thym-romarin.com
LE BERGERIE DE NANO, 157 chemin de la
Daumace, 84190 Beaumes-de-Venise,
www.labergeriedenano.f
REGISTER
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Helmut Solter:
Abschied von einem
großen Sektmacher
er war ein Wegbereiter
für den deutschen
Winzersekt
Fasskeller der Balma Venitia
(© Martin Sachse-Wienert)
Die WeiNGüTer
CAVE BALMA VENITIA, 228 Route de
Carpentras, 84190 Beaumes de Venise,
www.beaumes-de-venise.com
DOMAINE DES BERNARDINS, 886 Chemin
des Bernardins, 84190 Beaumes de Venise,
www.domaine-des-bernardins.com
DOMAINE DE COYEUX, 167 Chemin du
Rocher, 84190 Beaumes de Venise,
Informationen unter, www.beaumesdevenise-aoc.fr/domaine-decoyeux
DOMAINE DE FENOUILLET, 172 Allée St
Roch, 84190 Beaumes de Venise,
www.domaine-fenouillet.fr
DOMAINE DES RICHARD, 28 Avenue Raspail,
84190 Beaumes de Venise, www.domainerichard.com
DOMAINE DE BEAUMALRIC, 120 Chemin de
la Robine, 84190 Beaumes de Venise,
Informationen unter www.beaumesdevenise-aoc.fr/domaine-debeaumalric
DOMAINE BOULETIN, 961 Allée Flandre
Dunkerque, 84190 Beaumes de Venise,
www.domainebouletin.com
DOMAINE DE DURBAN, 2521 Chemin de
Durban, 84190 Beaumes de Venise,
www.domainedurban.com
DOMAINE DE LA PIGEADE, 2439 Route de
Caromb, 84190 Beaumes de Venise,
www.lapigeade.fr
DOMAINE DE VAUBELLE, 992 Route de
Montmirail, 84190 Beaumes de Venise,
Informationen unter, www.beaumesdevenise-aoc.fr/domaine-devaubelle ■
Von Rudolf Knoll via YOOPRESS
E
in Motto ist auf der Homepage
zu finden. „Anstatt trockener
Worte genießen wir lieber das
Leben – mit einem Glas Sekt in der
Hand.“ Aktuell wurde noch verkündet, dass der 17. Oktober der letzte
Lesetag des Jahrgangs 2013 war und
gesunde Trauben ideal für die
Gewinnung eines sehr guten
Sektgrundweines waren. Recht viel
mehr sollte Helmut Solter aus
Rüdesheim am Rhein nicht mehr
mitbekommen vom 2013er. Am 28.
Oktober ereilte ihn ein Herzinfarkt,
nur einige Wochen vor seinem
anstehenden 62. Geburtstag, der am
18. Dezember fällig gewesen wäre.
Um ihn trauern Gattin Verena
(Kellermeisterin und Dipl. Oenologin), die Kinder Henry und Lilly,
das Team und jede Menge Kollegen
aus der Weinszene sowie die
Kundschaft.
Der gebürtige Bischoffinger, der seine Liebe
zum prickelnden Getränk bei einem
Aufenthalt in der Champagne im Jahr 1980
entdeckte, folgte zwar selbst gern seinem
Motto. Aber er leistete auch einen wesentlichen Beitrag zum Genuss für viele. 1988
gründete er im Rheingau sein Sekthaus
Solter. Er hatte damit das Gespür für einen
Trend. „Winzersekt“ war in Mode gekommen, gewissermaßen das Kontra zu den
industriell hergestellten Schaumweinen, die
den Markt beherrschten und noch heute
dominieren.
Allerdings war es für die meisten Winzer zu
aufwändig, selbst Sekt zu erzeugen. Also vertrauten sie ihre Grundweine jemand an, der
das in größerem Stil für eine Reihe ambitionierter Erzeuger machen konnte. Helmut
Solter war einer der Ersten, der auf diesem
Feld mit der Lohnversektung (ein schnödes
Wort für seine Veredelungsmaßnahmen)
Furore machte.
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Helmut Solter (© Sekthaus Solter)
Im Rheingau gehörten einige der besten
Produzenten, von Breuer über Künstler bis
Weil, zu seinen Kunden. Außerdem stellte er
eigenen Sekt her. Mit der Zeit kamen zehn
Hektar in Rheingauer Toplagen wie
Rüdesheimer Berg Schlossberg und
Assmannshäuser Höllenberg zusammen,
etwa die Hälfte davon Riesling und immerhin
30 Prozent Spätburgunder. Diese prickelnden, betont herben Pretiosen ließ er oft
extrem lang auf der Hefe. Letztes Jahr entzückte er die Verkoster des „Gault Millau“
mit den Jahrgängen 2002 (Riesling brut
Reserve) und 1996 (Pinot Cuvée).
Diese Produkte entstanden in einem stattlichen Anwesen, in dem Johannes Brahms
(1833-1896), einer der bedeutendsten
Komponisten, Pianisten und Dirigenten des
19. Jahrhunderts, seine Sommerferien verbrachte. Vielleicht erinnerten deshalb dessen „Ungarische Tänze“ irgendwie an die
Sekt-Varianten von Helmut Solter. ■
PORTRAIT
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
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Der Champion setzt auf wilde Hefen
Von Norbert Krupp
Charaktervolle rieslinge
von schäfer-Fröhlich sind
inzwischen weltweit
geschätzt
D
as Weingut Schäfer-Fröhlich ist ein
Familienbetrieb – seit etwa 1800.
Darauf legt der 39-jährige Tim
Fröhlich großen Wert, der stets betont,
dass alle Erfolge und Auszeichnungen, die
er bislang eingeheimst hat, auf der
Gemeinschaftsleistung eines gut eingespielten Teams beruhen: „Jeder weiß bei
uns, was er zu tun hat.“ Dennoch – ohne
den qualitätsbesessenen Perfektionisten,
der Anfang September vom Weinmagazin
„Vinum“ als „Riesling-Champion 2013“
ausgezeichnet wurde, wäre die Bockenauer Winzerfamilie nicht weltbekannt
geworden.
Die Arbeitsteilung hat sich bewährt: Vater
Hans bringt sich tatkräftig bei der
Bewirtschaftung von inzwischen 18,5
Hektar Weinbergsfläche ein. Mutter Karin
und Schwester Meike kümmern sich um
den „Papierkram“, den Verkauf sowie die
Betreuung der Kunden. Nur so lässt sich
eine Selbstvermarktungsquote von 50
Prozent bewältigen. Und Tim, der schon
seit 1995 für den optimalen Ausbau der
Weine verantwortlich zeichnet, pendelt
zwischen Rebzeilen und Keller, um stets
die Entwicklung seiner Weine und der
Trauben im Blick zu haben – je nach
Jahreszeit und Wetter: „Unsere Werkstatt
liegt im Freien“, gibt er zu bedenken.
Der Zustand der Reben und Trauben dient
als Entscheidungsgrundlage, um bei Bedarf
kurzfristig geeignete Korrekturen vornehmen zu können, damit im Herbst gesundes,
vollreifes Lesegut so spät wie möglich
geerntet werden kann. Denn nur der Most
aus absolut gesunden Trauben mit möglichst langer Vegetationszeit bietet das
Den Bockenauer Ausnahmewinzer Tim Fröhlich (39) kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Ein Genussmensch, der gerne alle Facetten seiner Weine in aller Ruhe erforscht, aber auch
auf Produkte von Kollegen neugierig ist. (© Norbert Krupp)
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PORTRAIT
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
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Potenzial, daraus einen reintönigen, facettenreichen Wein zu erzeugen, was gerade
bei einer filigranen, eleganten Rebsorte
wie Riesling im Mittelpunkt steht. Auch
eine zügige, aber behutsame Verarbeitung
des Lesegutes fördert die Qualität des
Mostes, der später in penibel gereinigten
Stahltanks reifen darf.
Tim Fröhlich ist ein leidenschaftlicher
Verfechter der „Spontanvergärung“, bei
der wilde, im Weinberg und im Weingut
natürlich vorkommende Hefen die Aufgabe
übernehmen, den im Most enthaltenen
Zucker in Alkohol und Kohlensäure umzusetzen. Mitunter kann es Tage oder gar
Wochen dauern, bis die Gärung der
Rieslingmoste auf natürlichem Wege in
Gang kommt. So mancher Lehrling oder
auch Praktikant von der WeinbauFachhochschule in Geisenheim, an der
auch Tim Fröhlich studiert hat, wird dann
nervös. Aber der Bockenauer Winzer bleibt
ganz ruhig und verlässt sich auf seine
Erfahrung: „Bei mir ist bis jetzt noch jeder
Most vergoren.“ Falls die Hefen zu fleißig
werden und die Gärung zu rasant ablaufen
sollte, kann der Stahltank gekühlt werden,
damit alle wertvollen Aromen erhalten
bleiben, anstatt sich mit der entweichenden Kohlensäure zu verflüchtigen.
Weil bei der Spontanvergärung stets viele
verschiedene Hefen im Spiel sind, entstehen durch deren Arbeit nicht nur Alkohole,
sondern viele andere Inhaltsstoffe, die später dem Wein einen vielschichtigen, facettenreichen Charakter verleihen. Junge
Rieslinge von Schäfer-Fröhlich riechen
intensiv nach Pfirsich und leicht rauchig
nach Feuerstein, nach dem in den
Weinbergen der nasse Schiefer duftet und
der auch im Porphyr enthalten ist. Mit
zunehmendem Alter verändert sich der
Duft, und andere mineralische Nuancen
treten in den auf Haltbarkeit ausgelegten
Weinen in den Vordergrund. Eine wichtige
Rolle spielen bei der Aromatik auch das
Alter der tiefwurzelnden, jahrzehntealten
Reben und deren Standorte auf steinigen,
mitunter fast kargen Böden. Ein großer Teil
der von Familie Fröhlich vorbildlich
gepflegten Weinberge liegt in Steillagen,
was die Sonneneinstrahlung optimiert.
Das Portfolio enthält inzwischen fast ausschließlich qualifizierte Spitzenlagen:
Schlossböckelheimer Felsenberg und
Kupfergrube, Bockenauer Felseneck und
neuerdings Stromberg sowie Monzinger
Frühlingsplätzchen und Halenberg. 80
Prozent sind mit Riesling bestockt, der Rest
mit Burgundersorten (Weiß-, Grau- und
Spätburgunder). Der Durchschnittsertrag
liegt unter 50 Hektolitern pro Hektar, die
Jahresproduktion bei 100.000 Flaschen.
Die Lagen des Weingutes Schäfer-Fröhlich mit ihren unterschiedlichen Gesteinsböden bilden
das Fundament für unverwechselbare, authentische Rieslinge. (© Schäfer-Fröhlich)
Tim Fröhlich musste sich jüngst sogar einen
Raupenschlepper mit Seilwinde zulegen,
um die besonders dramatischen Steillagen
mit Maschinen rationell bewirtschaften zu
können. Besondere Freude bereitet es
ihm, wenn er seinen „jüngsten Lehrling“ an
der Seite hat: Der zweijährige Filius Thilo
ist ganz versessen darauf, dem Papa zu helfen, wenn dieser in die Weinberge fährt
oder auch Arbeiten im Keller erledigt. „Die
Zeit, die ich dadurch verliere, hänge ich liebend gerne abends dran“, gesteht der
begeisterte Vater. Vor drei Monaten durften er und seine charmanten Frau Nicole
sich über die Geburt von Tochter Nelly
freuen.
Viel Freude bereitet Tim Fröhlich auch die
Anerkennung seiner Arbeit, nicht nur
durch Kunden, sondern ebenso durch
Experten und Weinjournalisten. Die
bemerkenswerten Erfolge und Auszeichnungen, die der Bockenauer in den vergangenen Jahren einheimsen konnte (siehe
Infokasten), lassen fast keine Wünsche
mehr offen. „Mit unseren charakterstarken
Weinen ist die Teilnahme an großen
Wettbewerben gar nicht so einfach.
Dagegen haben es Mainstream-Weine oft
leichter“, sagt er aus Erfahrung. Spontanvergorene Weine und deren spezielle
Stilistik sind für Weinfreunde mit wenig
Erfahrung mitunter schwer zu verstehen,
sie vermuten oft einen Fehlton.
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Tim Fröhlich ist bei der kontinuierlichen
Qualitätssteigerung seiner Weine noch nicht
am Ende angelangt. Er bewegt in seinem
Kopf eine Liste kleinerer Wünsche, die in den
nächsten Jahren nach und nach umgesetzt
werden sollen. Na denn, viel Erfolg! ■
Weitere Meilensteine auf Tim Fröhlichs
Weg als Spitzenwinzer:
● 2001 – das Weingut Schäfer-Fröhlich
wird in den VDP nahe aufgenommen
und rangiert im „Stern“ unter den 100
besten Erzeugern Deutschlands
● 2004 – der Gault Millau Weinguide
erhebt Tim Fröhlich zum „Aufsteiger
des Jahres“ mit nunmehr vier (von
fünf) Trauben
● 2009 – Deutscher Riesling-ErzeugerPreis des Weinmagazins „Vinum“
● 2010 – „Winzer des Jahres“ im Gault
Millau Weinguide Deutschland
● 2010 – „Weingut des Jahres“ und fünfte Traube im Weinführer „Eichelmann
2010“, dort auch „beste edelsüße
Kollektion des Jahrgangs 2007“
● 2012 – „Beste Kollektion“ bei einem
Vergleich von Großen Gewächsen der
VDP-Betriebe durch die Fachzeitschrift
„Weinwirtschaft“ (Ausg. 19/2012)
PORTRAIT
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
Neues Kelterhaus als
Geburtstagsgeschenk
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Von Norbert Krupp
seinen 60. Geburtstag
beging Weinfeder-Mitglied
Armin Diel mit Familie,
Freunden, Kollegen und
beruflichen Weggefährten
in seinem schlossgut
in burg layen
D
ass er nach Familiengründung, JuraStudium und journalistischer Arbeit
doch noch zum Weingutsbesitzer
wurde, war so eigentlich nicht geplant, verrät Diel im Gespräch mit dem WeinfederJournal.
Herr Diel, wie kam es dazu, dass sie das
Weingut ihres Vaters übernahmen?
Über fünf Generationen hinweg gab es in
der Familie Diel stets einen Sohn, in der
Regel war es der Erstgeborene, der den
Betrieb fortgeführt hat. Als 1987 die Frage
anstand, wer denn die Nachfolge meines
Vaters antreten soll, war mein ursprünglich
auserkorener älterer Bruder schon lange an
die Medizin verloren. Er arbeitet heute als
Gynäkologe in Mannheim. Bereits in den
1970er-Jahren versuchte mein Vater, mich
von der Aufnahme eines Weinbaustudiums
zu überzeugen. Am Ende entschied ich mich
aber für ein Jurastudium im westfälischen
Münster. Meine Frau hatte dort ein
Reformhaus, und ich trug meinen Teil zum
Familieneinkommen durch Weinverkäufe
für das väterliche Weingut bei. Damals
begann ich Restaurantkritiken zu schreiben,
etwa eine 20-teilige Serie für die
Münstersche Zeitung. Ein zehnjähriger
Rechtsstreit mit dem Wirt einer Touristenfalle namens „Westfälischer Frieden“, bei
dem am Ende die Pressefreiheit obsiegte,
verschaffte mir unverhoffte Publizität.
Armin Diel, Weingutsbesitzer in Burg Layen und einer der bekanntesten deutschen Weinpublizisten,
feierte am 2. Oktober seinen 60. Geburtstag. Nordic Walking, Skat sowie Chorgesang zählen zu seinen Hobbys - vor allem Fußball, das Golfspiel hat er aufgegeben. (© Norbert Krupp)
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PORTRAIT
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ihre restaurantkritiken wurden von
betroffenen mitunter als zu ironisch und
arrogant empfunden. Wie definieren sie
ihren stil?
Der Stil war feuilletonistisch und im Sinne
des Konsumenten gewiss unterhaltsam.
Es ging mir auch stets darum, die wirklich
guten Köche vor den brutzelnden Scharlatanen zu schützen. Vor gut zehn Jahren
habe ich mich dann von der Restaurantkritik verabschiedet, weil ich keinen
Gefallen mehr daran fand. Die Honorare
reichten ohnehin kaum aus, die teuren
Essen zu bezahlen, und von Geld verdienen konnte schon gar keine Rede sein.
ihre Arbeit als Weinpublizist bereitet
ihnen aber nach wie vor Freude?
Als ich mit dem Münchner Verleger
Johannes Heyne im Jahr 1992 den deutschen Gault Millau WeinGuide gründete,
lag das Ansehen des deutschen Weines
am Boden. Gemeinsam mit dem in
Deutschland lebenden Amerikaner Joel
Payne, einem früheren Weinkellner,
machte ich mich damals auf den mühsamen Weg, das Image des Rieslings aufzupolieren. Seit meinem Rückzug vom Gault
Millau WeinGuide im Jahr 2009 publiziere
ich regelmäßig Portraits berühmter französischer Weingüter im exklusiven WeinMagazin „Fine“.
sie treten auch als organisator von
Weinreisen in erscheinung. Was hat es
damit auf sich?
Damit öffne ich Weinfreaks aus dem Inund Ausland die Tore zu berühmten
Gütern, die man nicht so ohne Weiteres
besuchen kann. Ich empfinde es als
besonderes Kompliment, dass immer
häufiger auch deutsche Winzerkollegen
mit auf Reisen gehen. Dies ist eine angenehme Beschäftigung, die ich auch dann
noch fortsetzen kann, wenn ich hier im
Weingut nicht mehr so dringend benötigt
werde.
Der einstieg ihrer Tochter Caroline im
schlossgut Diel dürfte sich schon auswirken. spüren sie eine entlastung?
Aber ja! Caroline absolvierte ihr
Weinbaustudium in Geisenheim und war
durch umfassende Praktika im In- und
Ausland bestens auf diese Aufgabe vorbereitet. Als sie im Jahr 2006 nach Burg
Layen zurückkehrte, war gleich der erste
Jahrgang aufgrund starker Niederschläge
kurz vor der Lese eine echte Herausforderung. Sie bestand diese Bewährungsprobe mit Bravour und hat sich innerhalb
weniger Jahre ihre heutige Position erar-
beitet, worüber ich sehr glücklich bin.
Gemeinsam mit Christoph Friedrich, der
seit 1998 unser Kellermeister und technischer Betriebsleiter ist, trug sie maßgeblich zum Erfolg der letzten Jahre bei.
Wie wichtig ist ihnen ihre Familie? und
wie kommen sie mit ihrer rolle als
Großvater zurecht?
Die Familie hat natürlich einen hohen
Stellenwert! Unsere Tochter hat uns mit
ihrem Mann Sylvain innerhalb von drei
Jahren drei Enkelkinder beschert. Wenn
man heute die Glücksgefühle eines
Großvaters erleben darf, weiß man, dass
es sich gelohnt hat, die Ungewissheit der
Vaterjahre zu überstehen. Meine Frau ist
eine absolut begeisterte Oma, die von
jeder Reise eine große Tasche voller
Kinderkleidung mitbringt. Unser in
Hamburg lebender Sohn Victor hat im
vergangenen Mai geheiratet. Er ist maßgeblich im Vertrieb und im Export für
unser Weingut tätig.
Wie sehen sie die zukunft ihres Weingutes?
Die Dinge sind in stetig positiver
Entwicklung: Unsere Weine findet man
nach wie vor auf den Weinkarten der
besten Restaurants des Landes, in vielen
guten Weinläden, an Bord der MS Europa
oder an einem kultigen Platz wie der
Sansibar. Der steigende Exportanteil liegt
inzwischen bei 35 Prozent. Der amerikanische Weinguru Robert Parker zählt
unser Gut ebenso zu den besten
Betrieben in Deutschland wie der
Internet weinführer „WeinPlus“. Im
„Feinschmecker“ haben wir viereinhalb F,
bei Carolines Eintritt waren es gerade mal
drei. Und im Gault Millau, in dem unser
Gut während meiner Tätigkeit als
Chefredakteur natürlich nicht bewertet
war, freuen wir uns inzwischen über vier
Trauben. Da gibt es noch Luft nach oben!
Im Übrigen bin ich sehr froh, dass wir in
den nächsten Wochen ein neues
Kelterhaus mit einem Fassungsvermögen
von 150.000 Litern in Betrieb nehmen
können. Dieses lange ersehnte Projekt ist
für mich das schönste Geburtstagsgeschenk.
Wie kam es dazu, dass sie Vorsitzender
des VDP Nahe-Ahr wurden?
Eine in der Tat spannende Frage, denn
zwei Aufnahmeanträge meines Vaters
wurden in den 1980er-Jahren lapidar
abgeschmettert: Erst gab es gar keine
Antwort, dann einen Dreizeiler. Nachdem
ich das Weingut 1987 übernommen
hatte, war unser dritter Anlauf zwei Jahre
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seiTe 23
später endlich erfolgreich. Die Wahl zum
Regionalvorsitzenden im Jahr 1993 musste man vor diesem Hintergrund als Überraschung werten. Wenig später kamen
die Betriebe von der Ahr hinzu, wo es bis
heute nicht die vom deutschen Vereinsrecht geforderten sieben Mitglieder für
die Gründung einer eigenen Regionalgruppe gibt. Daraus entstand eine überaus fruchtbare Koexistenz von NaheRiesling und Ahr-Spätburgunder. Die beiden Sektionen sind aber weitgehend autark in ihrer Geschäftsführung, führen
eigene Kassen und entscheiden selbst
über etwaige Neuaufnahmen.
Wie sah denn 1993 die VDP-regionalgruppe aus?
Das war eine interessante Mischung aus
alteingesessenen Betrieben wie Reichsgraf Plettenberg, August Anheuser, Paul
Anheuser und der Staatsdomäne, zu
denen in den 1980er-Jahren die Weingüter Crusius, Prinz Salm und Schlossgut
Diel gestoßen waren, gefolgt von
Dönnhoff und Tesch zu Anfang der
1990er-Jahre. Von den Altmitgliedern ist
heute leider niemand mehr dabei. Gut
Hermannsberg ist schon der zweite
Rechtsnachfolger der früheren Domäne,
deren Mitgliedschaft durch den Besitzerwechsel erlosch und neu beantragt werden musste.
Was hat die objektiv feststellbaren
Qualitätssteigerungen in den vergangenen 20 Jahren beflügelt?
Der VDP Nahe hatte 1995 mit tatkräftiger
Unterstützung durch die Sparkasse
Rhein-Nahe eine aus dem Jahr 1901
stammende preußische Grundsteuer karte neu aufgelegt. Dies war eine willkommene Gelegenheit, die Güte der
Spitzenlagen der Nahe auch historisch zu
belegen. Die Karte enthielt eine Ein teilung in drei Kategorien, die in verschiedenen Rottönen dargestellt sind. Wenn
wir in Burgund wären, würden wir von
Grand Cru, Premier Cru und Village sprechen.
Die rückbesinnung auf die klassifizierten
lagen war sicher ein wichtiger schritt.
Wie wird der VDP Nahe inzwischen gesehen?
In der Tat hat die Nahe längst das
Stadium des Geheimtipps verlassen und
steht heute so gut da, wie wir das selbst
kaum zu hoffen gewagt haben. Unsere
Weinversteigerung in Bad Kreuznach, an
der neben den Ahr-Kollegen inzwischen
auch Betriebe aus Rheinhessen und der
Pfalz mitwirken, hat den Rheingauer
PORTRAIT
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
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Hat auch die Klimaveränderung zum
Höhenflug der Nahe beigetragen?
Zweifellos, denn in den 1960er- und 1970erJahren gab es in einem Jahrzehnt gleich
mehrere unreife Jahrgänge. Heute werden
die Trauben meist früher reif, wodurch sich
die Säure auf natürliche Weise abbaut. Das
trägt zu einem komplexeren Geschmacksbild bei. Im Übrigen vereinigen sich in den
besten Nahe-Rieslingen die positiven
Talente der Nachbarregionen zu einer einzigartigen Symbiose: Die Eleganz des
Rheingaus, die Wucht Rheinhessens und die
Mineralität der Mosel. Das klingt, zugegeben, ein wenig nach einem ebenso abgegriffenen Werbeslogan wie das seinerzeitige
„Probierstübchen der deutschen Weinlande“. Aber man sollte diese Botschaft in
Ruhe auf sich wirken lassen. Daneben sind
die Weißen und Grauen Burgunder heute
wichtige Ergänzungssorten, die oft als erste
ausverkauft sind. Und wenn man sich alle
erdenkliche Mühe gibt, kann man an der
Nahe durchaus auch mit Spätburgunder
glänzen.
Aber die Klimaveränderung ist bestimmt
nicht alleine für die gestiegene Weinqualität verantwortlich – oder?
Armin Diel, hier mit der Deutschen Weinkönigin Nadine Poss bei der jüngsten Weinversteigerung,
engagiert sich seit 20 Jahren als Regionalvorsitzender des VDP Nahe-Ahr. (© Norbert Krupp)
Versteigerungen im Kloster Eberbach
längst den Rang abgelaufen. Auf diesen
Lorbeeren dürfen wir uns in den nächsten
Jahren aber nicht ausruhen, was auch für
die Aufgabe gilt, demnächst einen jüngeren Nachfolger im Vorsitz zu finden, der die
Nahe auch in der Zukunft weiter voranbringen wird.
Wie bewerten sie die entwicklung des seit
1971 eigenständigen Weinbaugebietes
Nahe insgesamt?
Die Nahe litt lange unter dem Mangel einer
eigenständigen Stilistik. Vordergründig
hatte das damit zu tun, dass hier mehr als
30 Rebsorten angepflanzt wurden. Bei
näherer Betrachtung lag es natürlich auch
daran, dass es in wohl in keiner Anbauregion Deutschlands eine größere Vielfalt
an Böden gibt. Insofern ist die Nahe in der
Tat etwas Besonderes. Vor 100 Jahren
wurde das Gros der Naheweine als
Rheinwein verkauft, oder sie flossen als
willkommene Verschnittpartner in die
Pfalz und an die Mosel. Kein Wunder also,
dass die Orientierung schwerfiel, wofür der
Begriff Nahe damals stand. Durch den
Reichsnährstand wurde 1934 der Nahegau
gekoren, und mit den Regelungen des
Weingesetzes von 1971 kamen Teile
Rheinhessens und der Nordpfalz hinzu.
Heute zählt die Nahe zu den interessantesten Weinbauregionen Deutschlands, insbesondere unsere Rieslinge brauchen keinen Vergleich zu scheuen.
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Natürlich spielt auch die bessere Ausbildung unserer jungen Winzer eine wichtige Rolle und der Erfahrungsaustausch
untereinander. Ein Beispiel aus dem VDPNahe: Zusätzlich zur amtlichen Qualitätsweinprüfung müssen die Mitglieder
alle Lagenweine bei einer internen Blindverkostung vorstellen, erst nach einem
positiven Votum dürfen diese vermarktet
werden. Diese Verkostungen haben zu
einer ungeheuren Dynamik geführt, was
eine Erklärung dafür sein könnte, dass in
den letzten fünf Jahren jedes Mal ein VDPWein von der Nahe den Sieg beim
Feinschmecker-Cup um den besten trockenen Riesling des Landes davontrug.
strahlt das Vorbild der Flaggschiffe im VDP
denn auch auf die anderen Winzer aus?
Lassen Sie es mich so beschreiben: Der VDP
verursacht eine Bugwelle, in der weitere
Nahewinzer bestens existieren können. Wie
die jüngste Aufnahme des Weingutes Joh.
Bapt. Schäfer in Burg Layen beweist, ist der
VDP stets offen für ehrgeizige Winzertalente, die unserer Philosophie folgen.
Herr Diel, ich danke ihnen für dieses ausführliche Gespräch. ■
REZENSION
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
seiTe 25
objektiv. Ich mache diese Einschränkung
deshalb, weil die eingestreuten und farblich
abgesetzten Weinempfehlungen und beschreibungen von jeweils einem Wein der
betreffenden Betriebe natürlich immer dem
subjektiven Geschmacksempfinden des
Probierenden unterliegen.
Bevor es jedoch zu diesen Porträts kommt,
versuchen Wagner und Steger dem Leser die
Philosophie von Slow Food und Slow Wine
näherzubringen. Dabei machen sie deutlich,
dass es hierbei nicht nur um den Wein selbst
geht, sondern darum, unter welchen
Bedingungen er erzeugt wird. Sie beleuchten
das Umfeld, angefangen von der Umweltverträglichkeit bis hin zur Nachhaltigkeit und
beziehen soziokulturelle und regionale Identität genauso mit ein wie die Verantwortung
der Produzenten, die weit über das fachlich
Bezogene hinausreicht. So entsteht letztlich
ein Gesamtbild, das nicht geprägt ist von der
Vergabe von diversen Sternen oder Punkten
für bestimmte Weine, sondern davon, dass
es möglich ist, Top-Weine gemäß dem
Grundsatz „gut, sauber, fair“ zu erzeugen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob dies alteingesessene Weinbaubetriebe oder Quer- oder
Neueinsteiger sind.
Buchtitel (© Oekom Verlag)
Die Avantgarde
der deutschen Winzer
G
Von Horst Kröber
eht man von der Definition des
Begriffes Avantgarde (Vorkämpfer
für eine Idee) aus, war sicherlich
Slow Food ausschlaggebend dafür, dass
man die Idee und die Philosophie „gut, sauber, fair“ auf die Weinbranche ausgedehnt
hat. Somit wäre der Begriff Mitstreiter
eher geeignet gewesen. Dies soll das 250
Seiten umfassende Buch jedoch nicht im
Geringsten abwerten. Ulrich Steger,
Buchautor und Ökonom, und Kai Wagner,
Gründer und Leiter des Slow Food
Conviviums Mittelhessen und Fachbeirat
für Wein bei Slow Food, haben 46 Winzern
und Winzerinnen über die Schulter geschaut und sie bei ihrer Arbeit in Weinberg
und Keller begleitet.
Es entstanden informative und aufschlussreiche Porträts, die dem Leser einfühlsam
die Philosophie der betreffenden Weingüter
näherbringen. Dies geschieht nicht oberlehrerhaft mit erhobenem Zeigefinger oder gar
unter der Prämisse: dies hier sind die Guten
und die anderen sind die Schlechten, sondern sachlich und so weit es möglich ist
COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Da die in diesem Buch porträtierten Betriebe
nicht alle rein biologisch arbeiten, stellen
sich die Autoren die Frage, was ist für Slow
Wine noch tragbar. Vollernter, ja oder nein,
konventioneller Pflanzenschutz, ja oder
nein, welcher maschinelle Einsatz und, und,
und. Um eine Bewertung vorzunehmen,
werden alle Betriebe hinsichtlich der von
Slow Wine festgesetzten sieben Verantwortungsbereiche beleuchtet, wovon, „Der
Weinberg als Ökosystem“, „Transparenz bei
der Weinbereitung“, „Tradition“ und „soziale Komponenten“ nur einige zu nennen sind.
Während von den Grundprinzipien „gut,
sauber, fair“ die ersten beiden deutlicher
beleuchtet werden können, da sie oft an
bestimmte Parameter gebunden sind, wird
es beim dritten schwierig. Gut, im Sinne von
Geschmack, ist nur schwer definierbar.
Deshalb widmet sich Wagner auf zwölf
Seiten ausgiebig diesem oft kontrovers diskutierten Thema. Anhand verschiedener
Fragestellungen versucht er herauszufinden,
ob Geschmack reine Geschmackssache ist,
oder ein gut zu manipulierendes Produkt der
Nahrungsmittelindustrie, oder ob Geschmack vielleicht sogar schon in den Genen
angelegt ist. Er tut dies in gut zu verstehender und auch für Laien nachvollziehbarer Art
und Weise.
Erst nach der Definition: Was macht Slow
Wine aus, kommt man zu den Porträts der
einzelnen Betriebe. Aber auch hier wird
unterteilt.
WEINTRAUBEN
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
Hochzeitskapelle im
Weinberg
Den Anfang machen die sogenannten
Bio-Pioniere, die sich schon früh (Anfang
der 70er Jahre) dem ökologischen Weinbau verschrieben haben. Unter der
Rubrik „Mentoren der Bewegung“ finden
sich Betriebe, die seit Beginn der 90er
Jahre eine Gegenbewegung zu dem vorherrschenden Verständnis von Weinproduktion ins Leben gerufen haben. Unter
dem Begriff mehr Slow als Öko werden
dann nachfolgend Betriebe vorgestellt,
die sich um die Wiederbelebung historischer Rebsorten an ihren alten Standorten verdient gemacht haben.
Der vierte Bereich widmet sich den
Aufsteigern, die mit Ehrgeiz und Durchsetzungsvermögen den Weg nach oben
geschafft und dabei die Slow-WineDimension nicht aus den Augen verloren
haben. Mit „Die Unorthodoxen“ gibt es
eine weitere Abteilung von Betrieben.
Ohne sie meinen die Autoren gäbe es
keine wirklichen Innovationen, da ihr
Werdegang oft von ungewöhnlichen
Ideen bestimmt und geprägt wird.
Natürlich dürfen „Die Quereinsteiger“
nicht fehlen. Durch sie, so Steger und
Wagner, hat die Slow-Wine-Bewegung an
Dynamik gewonnen.
Den Abschluss macht die Rubrik „Über wen
spricht man in fünf Jahren?“. Dort versucht
man sich in Prognosen, welche Betriebe in
den Folgejahren zu den Aufsteigern zählen
könnten. Im letzten Kapitel des Buches
wird auch die Zukunft von Slow Wine unter
die Lupe genommen und Resümee gezogen. Das in diesem Buchgenre übliche
Glossar mit Fachausdrücken darf natürlich
nicht fehlen. Die am Anfang eines jeden
Porträts eingefügten farbigen Bilder sind
unspektakulär und lockern die Textpassagen etwas auf.
Für alle Weinfreunde und die, die es werden wollen, ist dieses Buch ein interessantes Nachschlagewerk. Die Porträts
machen neugierig und regen an, die
Weine der Betriebe einmal zu verkosten.
Daneben zeigt es auf, dass es neben diesen auf Markt getrimmten Weinen eine
anderer Weinwelt gibt, die es wert ist,
entdeckt und unterstützt zu werden.
Mögen sich viele Leser auf diese Entdeckungsreise begeben. ■
„Die Avantgarde der deutschen Winzer“,
Ulrich Steger, Kai Wagner, Oekom
Verlag, Gesellschaft für ökologische
Kommunikation mbH, ISBN 978-3-86581427-2
seiTe 26
Von Gisela Pieterek
Am ortseingang, in der
Nähe zum Wahrzeichen
Weinbergsturm und
der Villa Heiligenblut,
stehen seit 2008 an der
neugotischen Kapelle
175 rebstöcke der
Johanniter-esstraube
I
n der vom Eigentümer Gerhard
Hannemann liebevoll restaurierten Kapelle von 1890 haben seit
nunmehr fünf Jahren schon über 100
Paare geheiratet. Viele von ihnen
haben zur Erinnerung daran jeweils
einen Rebstock im kleinen Weinberg
patenschaftlich übernommen.
Anfang Oktober waren alle standesamtlich hier Getrauten eingeladen,
sich an der Kapelle zu treffen und
ihre Trauben am Rebstock, der eine
kleine Messingtafel mit Namen und
Datum trägt, zu ernten.
Ein schöner Anlass zum Brauch geworden, betreut von der Familie Hannemann,
den die Gäste quer durch Deutschland,
von Bochum bis Freiburg, aus Frankfurt,
Kaiserslautern, aus der Schweiz gemeinsam mit ihren Kindern und Familien angenommen haben. Die romantische Kapelle
und ihre reizvolle, gepflegte Umgebung
mit Blick in die Weinberge und über den
grünen Alzeyer Ortsteil haben sie alle ins
Herz geschlossen.
Die Johanniter-Trauben, mittelgroß,
dichtbeerig, grün-gelb, Reife zwischen
Silvaner und Riesling, eine interspezifische Weinsorte, rieslingähnliche Neu züchtung von 1968, sind pilzwiderstandsfähig. Sie sind zum Essen bestimmt, und
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Die Kapelle steht für Bindungen zum
Wein und zu Menschen (© G. Pieterek)
sie sind immer wieder neu eine willkommene Erinnerung an den schönsten Tag
im Leben, und sie wecken darüber hinaus
das Interesse am Wein, an den
Weinbergen und auch an hier geschlossenen Freundschaften. ■
REZENSION
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
seiTe 27
Württemberg noch zwei junge Damen gibt,
die zwar nicht den Beruf eines Kochs ergriffen haben, aber doch viel Talent in die Küche
einbringen können, komplettieren die
Zwillingsschwestern Julia und Nina Hirsch
das so ungewöhnliche Kochquartett."
Auf der Suche nach einem Verlag rannte der
Autor bei Petra-Marion Niethammer, Chefin
vom kleinen aber feinen Nikros Verlag, quasi
„offene Türen“ ein. Der Nikros Verlag, der
bereits des Öfteren pfiffige Kochbücher aufgelegt hat, war für das Projekt prädestiniert.
Sämtliche Rezepte hat die engagierte
Verlegerin, selbst begeisterte Hobbyköchin,
vorgetestet. Zubereitet wurden die Gerichte
im „Lamm Hebsack“ von Matthias und
Markus Nägele.
Das kochende Zwillingsquartett: Julia und Nina Hirsch,
Markus und Matthias Nägele. (© NiKROS Verlag)
Das erste Kochbuch von
Zwillingen (nicht nur) für
Zwillinge!
Von Arthur Wirtzfeld via YOOPRESS
"Wenn zwillinge kochen ...
schmeckt es doppelt so gut"
M
arkus und Matthias Nägele, beide
Profiköche von großem Talent und
glänzendem Ruf, sowie Julia und
Nina Hirsch – letztere war Württembergische Weinkönigin 2013 – präsentierten
jüngst ihre Lieblingsrezepte in einem Kochbuch, dessen Titel Programm ist: „Wenn
Zwillinge kochen ... schmeckt es doppelt so
gut“. Als vierblättriges Kleeblatt stehen die
beiden Zwillingspaare gemeinsam am Herd
und zeigen auf, mit wie viel Spaß das
gemeinsame Kochen verbunden ist.
Herausgekommen ist ein Kochbuch der
guten Laune und des Genusses, dessen Gerichte sich auch von Hobbyköchen gut
nachkochen lassen. Der Sterne- und Fernsehkoch Johann Lafer schrieb das Vorwort
zu dieser nicht alltäglichen Buchpremiere.
Das Werk enthält 36 von den Zwillingspaaren kreierte Rezepte mit Vor-, Hauptund Nachspeisen, begeistert mit tollen
Bildern und Porträts, u. a. auch zum Sternbild Zwilling. Abgerundet wird das Ganze mit
den Weinempfehlungen von Daniel Hasert,
dem besten Junior-Sommelier 2003, von
Rudolf Knoll, dem bekannten Weinjournalisten, und dem preisgekrönten
Winzer Christian Hirsch von der Privatkellerei Hirsch in Leingarten.
Schon seit ein paar Jahren werden im Restaurant „Lamm Hebsack“ in RemshaldenRebsack Rezepte für das Magazin
„Württemberger“ gekocht und fotografiert.
„Die Zwillings-Köche Nägele I und Nägele II,
beide Küchechefs auf hohem Niveau, führten fast zwangsläufig zu der Überlegung, mit
den ,doppelten Nägeles‘ ein Kochbuch zu
machen, in dem sie mit eigenen Rezepten
aufzeigen können, wie kreativ sie am Herd
sind“, sagt Rudolf Knoll, der auch die Idee zu
diesem Projekt hatte. „Und weil es in
COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Und so ist es zustande gekommen, das (vermutlich) weltweit erste und einzige Buch
über kochende Zwillinge. Prägnant erläutere
Gerichte, begleitet mit schönem Bildmaterial, vervollständigt mit Weintipps und
Wissenswertem zu den Akteuren. Unsere
Empfehlung: Ein ideales Geschenk (nicht nur)
für Zwillinge und alle, die gern kochen. ■
Räucherlachsröllchen in Flädleteig garniert
mit fruchtigem Salat-Pottpuri – Christians
Weinempfehlung: Samtrot Blanc de Noir von
der Privatkellerei Hirsch (© NiKROS Verlag)
Steinbutt in Safranbutter gebraten auf Fenchelgemüse und Bärlauchgnocchi – Daniels Weinempfehlung: Chardonnay & Weißburgunder
vom Weingut Karl Haidle (© NiKROS Verlag)
PORTRAIT
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
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Markus Hees vor perfekt gepflegten Riesling-Zeilen am Auener Römerberg. Der spezielle Boden mit hellen Sandstein- und Schieferanteilen und die topografisch bedingt lange Vegetationsperiode lassen hier Trauben reifen, aus denen facettenreiche Weine erzeugt werden können. (© Norbert Krupp)
Winzer war schon immer sein
Traumberuf
Von Norbert Krupp
Markus Hees erzeugt an
Auener römerstich rieslinge
und Weißburgunder von
verblüffender Qualität
M
arkus Hees ist der letzte Winzer
der rund 180 Einwohner kleinen
Gemeinde Auen im Anbaugebiet
Nahe. Er bewirtschaftet inzwischen rund
5,5 Hektar Fläche in den Steillagen
Römerstich und Kaulenberg. Die Hälfte
davon ist mit jahrzehntealten Reben
bestockt, die andere Hälfte mit Neuanlagen.
Der Wunsch, später einmal Winzer zu werden, setzte sich bei ihm schon als Kind fest.
Auch sein Großvater und Vater stellten
eigene Weine her, aber sahen dies nur als
ein zusätzliches Standbein in Verbindung
mit dem Landgasthof „Zum Jäger aus
Kurpfalz“, der von Familie Hees seit
Generationen betrieben wird. Vater Guido
unterstützt seinen Filius erfahren und
zuverlässig bei der Bewirtschaftung der
Weinberge. Die anderen Winzer, die es
einst im Dorf gab, haben die Produktion
und den Verkauf von Trauben schon vor
Jahren aufgegeben.
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Einen ganz kleinen Weinberg konnte
Markus Hees talabwärts am Monzinger
Halenberg ergattern, in Nachbarschaft der
Rebzeilen, die von den Riesling-Spitzenwinzern Werner und Frank Schönleber
(Monzingen)
sowie
Tim
Fröhlich
(Bockenau) gepflegt werden. Der 2012er
Riesling, dessen Trauben Hees am Halenberg erzeugt, gelesen und mithilfe wilder
Hefen spontanvergoren hat, gleicht denen
der berühmten Nachbarn. Denn auch
Markus Hees tut sehr viel dafür, spät im
Herbst gesundes, vollreifes Lesegut ernten
zu können, das er dann behutsam verarbeitet und im heimischen Keller zu Wein
heranreifen lässt.
Vom Typ her ganz anders präsentieren sich
dagegen seine Weine vom bis zu 310
Meter hinaufreichenden Römerstich, dessen Boden Anteile von hellem Sandstein
und Schiefer aufweist. Im Hochsommer
wird es hier zwar nicht ganz so warm wie
an den Hängen des Nahetales, aber dafür
WEINLAGEN
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
scheint ganz oben im Spätsommer und
Herbst mitunter schon die Sonne, während
weiter unter noch der Nebel wabert.
Die in dieser Steillage arbeitsreich erzeugten
Rieslinge beeindrucken durch ihre kraftvolle,
dynamische Säure, denen eine breite
Facette feiner Fruchtaromen und steinige
Noten gegenüberstehen. Ein reizvolles Spiel,
das bei den ganz oder teilweise spontanvergorenen Weinen besonders reizvoll wirkt.
Aber auch die ebenfalls in verschiedenen
Qualitätsstufen angebotenen Weißburgunder können mit ihren zarten Zitrus- und
Pfirsichnoten und ihrem nachhaltigem
Schmelz so manchen Weinfreund verblüffen, der damit in Auen nun wirklich nicht
gerechnet hätte. Abgerundet wird das
Angebot durch Dornfelder, Spätburgunder,
Bacchus und Rivaner.
Der 28-jährige Markus Hees ist ausgebildeter Weinbautechniker. Er absolvierte die
Weinbauschule in Bad Kreuznach und sammelte Erfahrungen in der ehemaligen
Staatsdomäne
Niederhausen-Schlossböckelheim sowie bei Kollege Harald
Hexamer in Meddersheim. Er engagiert
sich in der 2006 gegründeten Gruppe
„Nahe Sieben“, deren Mitglieder sich
regelmäßig austauschen und gemeinsame
Veranstaltungen organisieren.
Nach Abschluss der Gärung lässt Hees
seine Weine gerne auf der Hefe liegen,
solange er glaubt, dass dies deren
Qualität und Haltbarkeit fördert. Denn er
will seinen Kunden Weine verkaufen, die
auch nach vielen Jahren noch viel
Trinkspaß bereiten. Deshalb füllt er seine
Weine erst möglichst spät ab, frühestens
im April und lieber noch später. Der voller
Tatendrang sprühende Winzer freut sich
schon darauf, demnächst unterhalb des
Dorfes eine Kellerei mit Wohnhaus zu
bauen, um bald über mehr Platz und optimale technische Voraussetzungen für
den Weinbau zu verfügen.
Hees kann damit leben, dass Weine aus
Auen noch unbekannt sind oder unterschätzt werden. Auf vielen Weinbaukarten
ist Auen nur ein weißer Fleck. Doch seit
Hees vor fünf Jahren begonnen hat, den
Betrieb auszubauen, hat er schon viel
Anerkennung bekommen, zuletzt durch
den Weinautor Pit Falkenstein im
Verbrauchermagazin „Guter Rat“. Danach
meldeten sich Kunden aus allen Ecken
Deutschlands, um den durch Falkenstein
empfohlenen Wein zu ordern.
Der renommierte „Gault Millau Weinguide
Deutschland“ hat in seiner aktuellen
Ausgabe dem Weingut Hees die erste
Traube zuerkannt. Die Experten bestätigen: „Marcus Hees verkörpert exempla-
seiTe 29
risch den neuen, sehr aktiven Winzertyp an
der Nahe. (…) Der hohe Qualitätsstandard
und die stilistische Entwicklung zeigen die
hier angelegten hohen Ansprüche.“ Dem
ersten Hees-Riesling vom Halenberg bestätigt der Autor: „Klasse, Dichte, Würze und
exemplarischer Lagenausdruck mit tiefgründigem Spiel zeigen die Kompetenz des
Aufsteigers.“ Ein schönes Lob, das
bestimmt nicht das letzte bleiben wird.
Weitere Infos im Internet unter der URL:
www.heeswein.de ■
Der Weinjournalist Pit Falkenstein in der
Verbraucherzeitschrift „Guter Rat“
(August 2013) über den von Markus Hees
erzeugten 2012er Riesling vom
Sandstein:
„Sein neuer Riesling vom Sandstein ist
leicht und füllt doch den Mund reichlich
aus. Allein der Duft von Heckenrosen und
Pfirsich bezaubert. Der spritzige Tropfen
hat eine kecke Fruchtsäure, die von feinen steinigen Aromen begleitet wird.“
Doosberg – eine besondere Lage im
Rheingau
Von Herbert Heil
D
ie klassifizierte Lage Doosberg –
gut 100 Hektar groß – umfasst eine
nach Süden und Westen geneigte
Kuppe, die den östlichen Rand der
Gemarkung des Weinortes Oestrich bildet. Über diese exponierte Lage weht ein
ständiger Wind, der besonders im Herbst
von Vorteil ist: Er trocknet die von Nebel
oder Regen verursachte Feuchtigkeit auf
der Beerenhaut. Die Trauben bleiben
dadurch länger gesund – geradezu ideale
Bedingungen für die Erzeugung gut ausgereifter trockener Rieslinge.
Der lehmige Boden ist geprägt von Kieseln
und großen Bruchstücken aus grauem
Quarzit, dadurch ist die Bodenbelüftung
und Wasserführung im Doosberg optimal.
In früheren Zeiten wurde das Wasser sogar
in Brunnen gefasst. Einen Hinweis darauf
Die Lage Doosberg (© O. Bildesheim)
findet man heute noch in alten
Katasternamen wie dem „Landflechter
Brunnen“ oder dem „Moosbrunn“. Die
Wurzeln der Reben erhalten genügend
Feuchtigkeit und können die Trauben auch
in heißen Sommermonaten noch ausreichend versorgen.
Der Name kommt von „Dachsberg“, da die
vorherrschenden Böden, tiefgründige
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Lösse und Lösslehme, besonders für
Dachsbauten geeignet sind.
Der Doosberg – übrigens ganz früher im
Besitz des Mainzer Domkapitels – bringt im
Vergleich zu den anderen Oestricher Lagen
in der Regel die höchsten Mostgewichte.
Die Weine sind relativ schwer und körperreich und zeigen oft erst nach zwei bis drei
Jahren ihr ganzes Potential. ■
WEINGÜTER
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
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Wenn Weingüter „stiften“ gehen –
die europäischen Stiftungsweingüter
Von Harry George
D
ie Idee hatte Rudolf Friess, Weingutsleiter des Würzburger Bürgerspitals, schon lange im Kopf: ein
Treffen der europäischen Stiftungsweingüter. Nach einiger Zeit der Vorbereitungen
war es dann soweit: im Jahre 1994, zum 675.
Jubiläum der Gründung des Bürgerspitals,
kamen 17 Betriebe nach Würzburg. Das Gros
aus Deutschland, Österreich und der
Schweiz, aber auch aus Südtirol und sogar
Frankreich reisten die Gäste an.
Man hatte den Gedanken, sich jeweils zu
einem Jubiläum bei dem entsprechenden
Betrieb zu treffen. So geschah es zum 700jährigen Bestehen der Stiftungskellerei in
Freiburg, zwischendurch war man in
Neuchâtel und der Kartause Ittingen in der
Schweiz zusammengekommen. Freiburg
war 1998, zwei Jahre später war das St.
Andreas-Hospital in Offenburg an der Reihe,
ebenfalls 700 Jahren alt geworden. In 2001
ging es an die Mosel zum Stiftsweingut des
Nikolaus von Kues und zurück nach
Würzburg, zum Juliusspital, dieses feierte
425 Jahre. Die Vereinigten Hospitien in Trier
waren der Gastgeber in 2006, und der erste
Ausflug ins Elsass nach Ribeauvillé ging zu
den Schwestern der Divine Providence.
Ein Jahr später erfolgte ein Arbeitstreffen zur
Vorbereitung eines Vereins, es wurde eine
Satzung ausgearbeitet, und im Jahre 2010
kam es zu einem Vorstandstreffen in
Ortenberg, wo das St. Andreas-Hospital ein
Weingut hatte. Der Verein war gegründet
und umfasste zehn Mitglieder, weit weniger,
als beim ersten Treffen in Würzburg. Man
wolle langsam wachsen, meinte der
Vorsitzende der Vereinigung, Lothar Böhler
aus Freiburg, und so nahm man 2012 in
Konstanz die Stiftungskellerei Muri aus
Bozen in Südtirol auf, und in 2013 das
Augustinerstift in Klosterneuburg bei Wien.
Es gibt aber nicht nur Weinbautreibende
Mitglieder, der Verein hat auch persönliche
Mitglieder, die dem Stiftungsgedanken
nahestehen und ihn unterstützen. Auch
wenn das Weingut verpachtet ist, wie in
Konstanz, so bleibt der Gedanke erhalten,
was die Weingüter ursprünglich einmal
waren. Die Kirche, der Adel und die Klöster
hatten im Mittelalter vornehmlich Güter
gestiftet, wohlhabende Bürger private
Stiftungen, wie etwa die beiden Würzburger
Alter Fasskaller im Bürgerspital (© Weingut Bürgerspital)
Güter, deren Ertrag den Bedürftigen zugutekommen sollten, nämlich Kranken und alten
Menschen. Es wurden Krankenhäuser sowie
gastronomische Einrichtungen geschaffen,
wo man den Wein des Stiftes genießen
konnte. Die Gaststätten von Bürger- und
Juliusspital sind weit über Würzburg hinaus
bekannt.
Inzwischen gibt es jährliche Treffen, bei
denen eine Präsentation der Weine stattfindet, eine Vorstands- und Mitgliederversammlung sowie ein kulinarischer Abschluss,
der jeweils zwei Tage dauert. Es gibt auch
einen deutschen Stiftungstag, bei dem man
die Weine ausschenkt. Diese Termine und
Portraits sowie Adressen der Mitgliederbetriebe kann man der Websiete entnehmen:
www.europäische-stiftungsweingüter.eu.
Die nächste Zusammenkunft ist im Frühjahr
2014 in Freiburg, wo man ein gemeinsames
Treffen mit der Gesellschaft für Geschichte
des Weines abhält. Deren Präsident,
Professor Hans Reinhard Seeliger, war an
der Gründung der Stiftungsweingüter beteiligt und hatte einen Text für das 1994er
Treffen erstellt, aus dem in diesem Beitrag
zitiert wird. Im Mittelalter waren Adel,
Kirche und Klöster und private Stiftungen
praktisch die einzigen, die nennenswerten
Weinbau betrieben, und viele, sehr viele
sind noch erhalten, wenn auch die SäkulaCOPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
risation zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine
Zäsur bedeutete, und vor allem kirchliche
Güter weltliche Besitzer bekamen wie etwa
das Kloster Eberbach, das seit 1998 eine
Stiftung ist, wogegen das gleichnamige
Weingut abgespaltet und als GmbH fungiert
kein Kandidat für eine Mitgliedschaft wäre.
Die Vereinigung ist eine der jüngsten
Weinverbände – mit den wohl ältesten
Mitgliedern. Stift Melk, in 1994 dabei, derzeit nicht, kann seine Wurzeln auf das Jahr
985 zurückdatieren, und in 1994 kamen um
die 700 Hektar Rebfläche zusammen, man
war größer als jeweils fünf deutsche
Anbaugebiete. (Quelle: Prof. Dr. Seeliger).
Das Juliusspital allein hat fast 170 ha. Es ist
ein großes Erbe, das da gepflegt und erhalten wird. „Geschichte zum Verkosten“ hatte
Professor Seeliger seinen Beitrag damals
genannt, und das kann man heute, fast 20
Jahre nach dem ersten Treffen, uneingeschränkt unterstreichen. Der Autor dieser
Zeilen hat den Beginn miterlebt und kann
das Engagement der Betriebe und
Mitglieder, die ein bedeutendes Stück
Weinbaugeschichte darstellen, bestätigen,
zum Wohle derer, für die es bestimmt war
und ist, den Alten, Kranken und Bedürftigen
der Gesellschaft, damals und heute. Ein
Besuch der beiden Würzburger Güter gibt
einen guten Einblick. ■
WEINFÜHRER
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
Deutschland, deine Weine!
Gault&Millau Weinführer
seiTe 31
Von Herbert Heil
D
er November ist traditionell der
Monat, in dem die Weinführer erscheinen. Von vielen Weinfreunden
und Winzern werden sie sehnlichst erwartet, die neuen Ausgaben des “Gault Millau
WeinGuide Deutschland” und „Eichelmann
Deutschland“ im traditionell gelben
Einband. Beide Standardwerke sind wieder
randvoll mit Tipps über deutsche Weingüter, Aufsteiger, Newcomer, etablierte
Winzerstars und vielen nützlichen Informationen für alle Weinfreaks. Besonders
gespannt ist die Weinwelt naturgemäß auf
die „ausgezeichneten“ Betriebe.
Im Mittelpunkt der Verkostungen stand das
Jahr 2012. Nach dem fast zu warmen Jahr
2011 brachte 2012 eine gewisse Erholung.
Vor allem die Rieslinge hatten ein bisschen
weniger Alkohol, dafür mehr Frische – eine
erfreuliche Entwicklung. Aber die Klimaverschiebung bringt nicht nur eine kontinuierliche Erwärmung mit sich. „Auch die
Schwankungsbreite zwischen den einzelnen
Jahren nimmt zu und somit die Herausforderungen, vor denen die Winzer stehen“,
stellt Joel B. Payne, Chefredakteur des Gault
Millau WeinGuide Deutschland, fest.
Unter seiner Leitung hat ein Team von mehr
als 20 Verkostern nahezu 13.000 Weine
degustiert. Erstmals in diesem Jahr werden –
einem Leserwunsch entsprechend – auch
Betriebe, die bisher nur als „empfehlenswert“ geführt wurden, detaillierter vorgestellt, ausführliche Weinbewertungen inklusive. Damit steigt mit der Ausgabe 2014 wieder einmal der Gesamtumfang des Buches:
Auf 1008 Seiten werden in der 21. Ausgabe
des Gault Millau inklusive der 328 empfehlenswerten Betrieben 1093 Weingüter
bewertet, besprochen und mit ihrem
Sortiment vorgestellt.
Zum „Winzer des Jahres“ kürt die GaultMillau-Redaktion Philipp Wittmann vom
Weingut Wittmann im rheinhessischen
Westhofen. „Wittmann ist einer der
Vorreiter des ökologischen Weinbaus und
Motor der qualitativen Entwicklung im
Wonnegau. Seit Jahren produziert er große
trockene Rieslinge, die betörend heranreifen. Fast eigenhändig hat er den Morstein
zur legendären Lage hervorgehoben“,
heißt es in der Begründung der Jury.
Der Ehrentitel „Kollektion des Jahres“
geht erneut in die Pfalz, an Bernhard
Koch vom Weingut Bernhard Koch in
Hain feld. Das Lob der Redaktion:
„Geradezu unglaublich ist die Quali tätsexplosion dieses Hainfelder Wein guts. Innerhalb kürzester Zeit hat man
sich bei Sauvignon Blanc, Chardonnay
und Pinot Noir an die absolute deutsche
Spitze katapultiert. Die Südpfalz ist hierdurch um einen Stern reicher geworden“.
Der „Aufsteiger des Jahres“ ist Chat
Sauvage aus Johannisberg/Rheingau. Das
auf rote Burgunder spezialisierte Weingut
im Besitz des Hamburger Unternehmers
Günter Schulz mit Kellermeister Michel
Städter an der Spitze habe innerhalb weniger Jahre dieses burgundische Kleinod
praktisch aus dem Nichts zu einem der führenden Spätburgundererzeuger im Rheingau gemacht, so die Begründung der Jury.
Der Titel „entdeckung des Jahres“ geht an
das Weingut Alte Grafschaft in Franken:
„Mit Gebäuden von Fürst Löwenstein in
Tauberfranken und Weinbergen vom
Staatlichen Hofkeller haben Christoph
Dinkel und Norbert Spielmann ihren eigenen Traum verwirklicht und auf Anhieb mit
Bravour gezeigt, dass sie ihr Handwerk verstehen“, begründen die Tester ihre
Entscheidung.
„sommelier des Jahres“ darf sich Markus
Berlinghof vom „Jacobs“ in Hamburg nennen. Er empfiehlt mit weltweitem Weinwissen und subtilem Charme gerne nicht
Alltägliches aus einem der besten deutschen Keller, lautet das Urteil.
Die „Weinkarte des Jahres“ liegt im
Berliner „Rutz“ auf dem Tisch. Begründung: „Kaum eine Weinkarte ist von
ihrem Sommelier so geprägt wie die von
Billy Wagner: Das Enfant terrible der
Berliner Weinszene biete seit Jahren seiner
Kundschaft spannende Entdeckungen“.
Die Siegerweine des Jahres 2014 beim
Gault&Millau:
besTer WiNzerseKT bruT
2004 MonRose Sekthaus
(Rheinhessen)
Raumland
COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Buchtitel (© Gault&Millau 2014)
besTer sPäTburGuNDer
2011 Lange Goldkapsel Jean Stodden (Ahr)
besTer Weißer burGuNDer
2012 Birkweiler Mandelberg „Großes
Gewächs“ Dr. Wehrheim (Pfalz)
besTer TroCKeNer riesliNG
2012 G-Max Keller (Rheinhessen)
besTer FeiNHerber riesliNG
2012 Scharzhofberger Pergentsknopp Van
Volxem (Saar)
besTer riesliNG KAbiNeTT
2012 Scharzhofberger Egon Müller (Saar)
besTe riesliNG sPäTlese
2012 Scharzhofberger – 6 – Egon Müller
(Saar)
besTe riesliNG Auslese
Ürziger Würzgarten Goldkapsel *** Jos.
Christoffel Jun. (Mosel)
besTer riesliNG eDelsüss
Oestricher Lenchen Trockenbeerenauslese
„E“ Peter Jakob Kühn (Rheingau) ■
Gault&Millau WeinGuide Deutschland
2014, 21. Jahrgang, 1008 Seiten, 29,99
Euro, Christian Verlag, München
WEINFÜHRER
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
Deutschland, deine Weine!
Der Eichelmann-Weinführer
seiTe 32
Von Herbert Heil
Die beiden standardwerke
„Gault Millau Weinguide“
und der „eichelmann“
liefern viel stoff für den
Weinfreund
D
er neue „Eichelmann“ 2014
Deutschlands – ebenfalls ein
Standardwerk für deutsche Weine –
setzt zwar andere Akzente bei seiner
Auswahl, aber auch er kommt bei der
Bewertung der Weingüter an zwei
Betrieben nicht vorbei. Wie der Gault
Millau zeichnet auch er die beiden
Spitzenwinzer Keller aus Rheinhessen und
Kühn aus dem Rheingau aus. 940 Winzer
und 8.850 Weine stehen zu Buche und
zwar auf 992 Seiten. Bei der Präsentation
des Buches im Hofgut Laubenheimer Höhe
in Mainz wurden die nachfolgenden Betriebe mit Auszeichnungen bedacht, wobei
der Autor und sein Verkostungsteam stets
das Augenmerk auf die gesamte Kollektion
des Weinguts legen und nicht auf die einzelnen Spitzenweinen.
Die beste Weißweinkollektion hat das
Weingut Keller aus Flörsheim-Dalsheim in
Rheinhessen. Als Begründung fügt Eichelmann an: „Großer Riesling muss anspruchsvoll sein, darf anstrengend sein, Gutsweine
dürfen Spaß machen. Klaus- Peter Keller hat
verinnerlicht, worauf es ankommt“, erklärt
der Autor in seiner Laudatio.
Die Auszeichnung für die beste rotweinkollektion geht an das Pfälzer Weingut
Friedrich Becker. Die Verkoster hat die
Spätburgunder-Riege einmal mehr beeindruckt, vom „B“ bis zum „Heydenreich“. Alle
Weine zeigten eine reintönige Frucht,
Struktur und Kräuterwürze. „Großes Kino“
lautet Eichelmanns Resümee.
Oliver Haag und sein Weingut Fritz Haag in
Brauneberg an der Mosel werden für die
beste edelsüße Kollektion mit einem Preis
bedacht. Eichelmann ist von der
„Faszination Mosel-Riesling“ begeistert.
Buchtitel (© Eichelmann 2014)
Aufsteiger des Jahres ist das Weingut
Klumpp aus Bruchsal im Kraichgau (Baden).
Alles stimmt und es geht stetig voran, charakterisiert der Weinexperte den 25-HektarBetrieb, der biologisch arbeitet.
Neben den vier Weingütern des Jahres präsentiert Gerhard Eichelmann einen Weinklassiker, der damit in die „Mondo-KlassikerBibliothek“ aufgenommen wird, in der die
großen Weine Deutschlands versammelt
sind. Jedes Jahr kommt ein Wein aus einer
großen Weinlage hinzu.
Dieses Jahr wurden erstmals zwei Weine aus
einer Lage ausgewählt. Die Wahl fiel auf die
Lage Doosberg in Oestrich mit dem Riesling
Doosberg von Peter Jakob Kühn und den
COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Riesling „Milestone“ Doosberg von Peter
Querbach, beide aus Oestrich-Winkel. Dazu
Originalton Eichelmann: „Kühn bearbeitet
heute alle Weinberge nach der biodynamischen Methode, sein Doosberg ist Jahr für
Jahr faszinierend, komplex, lang und nachhaltig.“ Deutlich anders zeigt sich der
„Milestone“ von Peter Querbach, ein druckvoller, herrlich komplexer und nachhaltiger
Riesling. „Zwei faszinierende Interpretationen einer Lage“, erklärte Eichelmann
während der Preisverleihung. ■
Gerhard Eichelmann: Eichelmann 2014,
Deutschlands Weine, 992 Seiten, 29,95
Euro, Verlag Mondo Heidelberg
EVENTS
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
seiTe 33
Amerikanische Whiskey Hersteller
in Deutschland
Von Christian Schiller
Morris in Frankfurt und Düsseldorf vorausgegangen. In Düsseldorf hatte der Falstaff
im Restaurant „Im Schiffchen“ eine
Whiskey-Probe mit Abendessen organisiert. Chris Morris führte durch eine unterhaltsame und lehrreiche Probe mit vier völlig unterschiedlichen amerikanischen
Whiskeys. Ziel der Probe war es, einen
breiten Überblick über die Welt der amerikanischen Whiskeys zu geben, und das ist
Chris Morris gut gelungen:
Organisator war der Verband „Distilled Spirits Council of the United States“ (© C. Schiller)
Achtzehn amerikanische
Hersteller von spirituosen –
die meisten davon
Mikro-Distillerien und
Whiskey-Produzenten –
besuchten Deutschland im
Herbst dieses Jahres, um
ihre Produkte hier
bekannt(er) zu machen
stationen waren Frankfurt,
Düsseldorf und berlin
A
ngeführt wurde die Gruppe von Frank
Coleman, dem Chef des Unternehmerverbandes „Distilled Spirits Council of
the United States“. Der unbestrittene Star
der Gruppe war Chris Morris, der Master
Distiller von Brown-Forman und Woodford
Reserve aus Kentucky. Er ist der siebte seiner
Zunft seit der Gründung von Brown-Forman
in 1870. Die anderen Produzenten waren
kleinere und mittelgroße Hersteller wie etwa
der sympathische Don Garrison, Garrison
Brothers Distillery, Texas, der auf dem deutschen Markt Fuß fassen möchte. „In den
letzten zehn Jahren ist auf dem deutschen
Markt für amerikanische Spirituosen, insbesondere Whiskey, eine Umsatzsteigerung
von 84 Prozent zu verzeichnen“, sagte Frank
Coleman.
In Berlin musste der Empfang und das
Pressebriefing in der amerikanischen Botschaft mit dem Botschafter leider kurzfristig
umorganisiert und in ein Berliner Hotel verlegt werden – wegen der amerikanischen
Budgetkrise. Das tat jedoch dem Erfolg der
Veranstaltung keinen Abbruch. Der Schwerpunkt in Berlin war der Bar Convent Berlin
(BCB) am 7. und 8. Oktober. Hier war der
„Distilled Spirits Council of the United
States“ mit einem eigenen Stand vertreten,
der den amerikanischen Spirituosen Produzenten hervorragende Möglichkeiten bot,
ihre Produkte dem Fachpublikum vorzustellen. Alle amerikanischen Produzenten waren
sehr zufrieden, und viele wollen nächstes
Jahr wiederkommen. Der Bar Convent Berlin
hat sich seit seiner Gründung vor sieben
Jahren zu einer der wichtigsten Plattformen
für die Bar- und Spirituosen-Branche in
Deutschland entwickelt.
Den vier Tagen in Berlin waren Veranstaltungen mit Frank Coleman und Chris
COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Knob Creek Rye Whiskey – Der Rye
Whiskey (auf Roggen basierend) ist die
ursprüngliche Variante des amerikanischen
Whiskeys, der zuerst vor allem in Maryland
und Pennsylvania an der Ostküste produziert wurde. Rye Whiskey erlebt gerade
wieder einen Aufschwung in den USA,
nachdem er zwischenzeitlich an Bedeutung
verloren hatte. Ein Rye Whiskey muss zu
mehr als die Hälfte auf Roggen basieren.
Rye Whiskeys sind prinzipiell würziger als
Bourbon Whiskeys.
Woodford Reserve, Bourbon Whiskey –
Dieser Whiskey wird in Kentucky produziert, wo die meisten amerikanischen
Whiskey-Destillerien angesiedelt sind. Ein
Bourbon Whiskey muss zu mehr als die
Hälfte auf Mais basieren. „Bourbon ist die
amerikanische Interpretation des Whiskeys
unserer Vorväter aus Schottland, Irland
und Deutschland“ sagte Chris Morris.
Bourbon kann überall in Amerika hergestellt werden. Die besten kommen allerdings aus Kentucky. Woodford Reserve ist
der Premium Bourbon Whiskey von Brown
Foreman.
Jack Daniel’s Single Barrel, Tennessy
Whiskey – Wie der Name verrät, wird dieser Whiskey in Tennessy hergestellt. Ein
Tennessy Whiskey unterscheidet sich von
einem Bourbon Whiskey nur darin, dass er
zusätzlich über Holzkohle gefiltert wird,
was ihn weicher macht als den Bourbon.
Ein „Single Barrel“ stammt aus einem individuellen Fass (und ist kein Verschnitt aus
vielen Fässern).
Wild Turkey American Honey – dies ist ein
Likör, der aus Bourbon Whiskey und Honig
hergestellt wird – ein Beispiel für die
Experimentierfreudigkeit der amerikanischen Whiskey Produzenten.
WEINLOKALITÄTEN
WeiNFeDer JourNAl - eDiTioN #41 - Dez. 2013
seiTe 34
Im Anschluss an die Whiskey Probe wurden wir mit einem exzellenten Vier-Gänge
Menu verwöhnt. Um beim Thema
„Amerika“ zu bleiben, wurden Weine von
Walter Schug aus Carneros in Kalifornien
gereicht. Walter Schug, in Assmannshausen im Rheingau geboren, gilt für viele
als der Vater des amerikanischen Pinot
Noirs. Den Wild Turkey American Honey
Whiskey probierten wir zum Schluss mit
dem Kaffee und Petit Fours.
Es war ein grandioser Abend und wird allen,
die dabei waren, als eine äußerst gelungene
Symbiose von deutschen und amerikanischen Leckerbissen in Erinnerung bleiben. ■
Stand der „Distilled Spirits Council of the United States“ (© Christian Schiller)
sich Eigentümer und Pächter auf die von
Ersterem geforderten weiteren finanziellen
Leistungen hätten einigen können. Das wollten die Eigentümer aber nicht, und so kam
es zu der überraschenden Trennung, vor
besagtem Jubiläum.
Wer also vor dem Schild „Bis auf Weiteres
geschlossen“ steht, der wende sich einige
hundert Meter weiter und betrete die
Residenzgaststätten, die lange Jahre ein
unauffälliges Dasein gefristet hatten und
nun von zwei Investoren zu einem
anspruchsvollen Lokal umgebaut wurden.
Der Stachel
lockt nicht mehr
Einst Würzburgs ältestes Weinlokal (© Julia Breunig)
Von Harry George
es ist, was muss man jetzt
sagen, das bekannteste
Weinlokal in Würzburg,
ja von ganz Franken
I
m März 2013 hätte es seinen 600.
„Geburtstag“ feiern sollen. Es kam nicht
mehr dazu, der Pächter, Richard Huth,
nahm die gleichlautende Kopfbedeckung
und sperrte den Stachel zu.
Huth hatte das Lokal zu einem Höhenflug
und unter die besten Häuser der fränkischen
Weinmetropole geführt. Man konnte die
heimische Küche verfeinert probieren,
Produkte und Service waren vom Besten,
und es hätte weitergehen können, wenn
COPYRIGHT © WEINFEDER E.V. - EDITION #41 DEZEMBER 2013
Außer der Terrasse gibt es ein attraktives
Innenleben, in dessen Küche Richard Huth
nun das Zepter schwingt. Mitgenommen
hat er seine Lieferanten, aber auch seine
Gäste sind ihm gefolgt, und wir können
feststellen, Würzburg hat einen Verlust
erlitten, aber auch einen Gewinn gemacht.
Der Hofkeller hat den (Wein)-Abstand zu
den beiden anderen Würzburger Großweingütern aufgeholt und kann nun auch
bei der Gastronomie mitreden. Wer das
nach wie vor besuchenswerte „schönste
Pfarrhaus der Welt“ gesehen, eventuell ein
paar Weine in der schicken neuen
Vinothek erworben hat, überquert den
Parkplatz und lasse sich kulinarisch verwöhnen. An Nachmittag kann man auf der
Terrasse Kaffee und Kuchen genießen, und
für eine fränkische Vesper am frühen
Abend kann man sich kaum einen schöneren Platz denken.
Übrigens: Der „Stachel“ ist ein populäres
Wort für den Morgenstern, eine rabiate
Kampfwaffe der mittelalterlichen Ritter.
Man kann gespannt sein, wie sich das weitere Schicksal des „alten Stachels“ zukünftig entwickelt. Wäre schade um das schöne Haus, aber bei Kampfhandlungen bleibt
halt immer einer auf der Strecke. ■