köpfe - Tagesspiegel

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köpfe - Tagesspiegel
der tagesspiegel
KÖPFE
Mai 2014 | 6,50 EURO | NR. 77
koepfe.tagesspiegel.de
Gründungen
Nachhaltige Möbel, Bücher
aus der Kiste, Kaugummis
für den guten Zweck und
eine Vermittlungsplattform
für Jobtandems: Das sind die
neuen Start-ups Seite 6
200.000
Beschäftigte prägen
die Forschungslandschaft
der Stadt und setzen damit
die Tradition Berlins als
Wissenschaftsmetropole
fort. Alles auf einen Blick
Seite 18
Fiona Bennett schmückt
die Häupter der Berliner
16
Stefan H. E. Kaufmann ist einer
der Top-Forscher in Berlin
30
AKTUELL
Forschung
12Ausgezeichnet
Der Prothesenhersteller Otto
Bock ist die Fabrik des Jahres
18Auf einen Blick
Wo Wissenschaftler in Berlin
forschen
13 Geschrumpft
Zwei Designer bringen
große Literatur ganz
klein raus
20 Gutes Wachstum
Wie Berlins Universitäten
ihren Ausgründungen beim
Großwerden helfen
14 Erfolgreich
Das Gallery Weekend feiert
seinen zehnten Geburtstag
26 Sie sind spitze
Warum vier Top-Forscher
sich für Berlin entschieden
haben
16 Gestartet
Neue Bewerbungsrunde für
den Innovationspreis Berlin
Brandenburg eingeläutet
34Hilfen aus Brüssel
Ein neues EU-Programm
­begünstigt kleinere Firmen
36 Gut investiert
EUREF-Chef Reinhard
Müller spricht über
seinen Campus
38 Basis für die Besten
Rund um den Gasometer wird
an der Klimarettung gearbeitet
40 Netzwerk des wissens
Research-Gate will die
Wissenschaft revolutionieren
42 Meinung
Ralf Nestler über Wissen,
Forschen und die Politik
4 | Tagesspiegel Köpfe
FOTOS Aninka Bahr, Thilo Rückeis (2), Mike Wolff (2), Alice Epp, Franziska Krug/promo, Olympiastadion Berlin/promo, promo; GRAFIK Gitta Pieper-Meyer
10
Impressum
Tagesspiegel Köpfe
koepfe.tagesspiegel.de
Redaktion
Telefon 030 290 21 - 146 20
[email protected]
Chefredakteur
Gerd Appenzeller
Redaktion
Heike Gläser (Ltg.), Arne Bensiek, Sabine Hölper,
Inga Höltmann, Rita Nikolow, Alexander Riedel
Art direktion
Suse Grützmacher & Laura Holdack
[email protected]
Olaf Höhn, Inhaber von FloridaEis, produziert rund 70 Sorten 44
Chiara Ferragni gab sich
die Ehre im KaDeWe MAGAZIN
NETZWERK
44 Neue Eiszeit
Florida-Eis macht in Spandau
Eis von Hand
62Früher Anpfiff
Coca-Cola lud zur
­vorgezogenen WM-Gala
50schöner hören
Claus Zapletal baut
Hightech-Kopfhörer für
­anspruchsvolle Ohren
64 Berlin Maximal Club
Vorgestellt: Clubmitglied
Joachim E. Thomas;
Küchenparty im Mövenpick
Hotel; BR Volleys weihen
ein mobiles Spielfeld ein
52 Nachrufe
Margarete Brucklacher
Helga Müller-Klatte
54Die Durchblicker
JPK Instruments stellt
­Spezial-Mikroskope her
Sonderthema
56Digitale Wirtschaft
Wegweiser für die Web Week
60Klartext
Kolumne von Joachim Hunold
63
FotoRedaktion
Kai-Uwe Heinrich (Ltg.)
Titelfoto: Mike Wolff
Lektorat Meike Ferrari
Mitarbeit an dieser Ausgabe
Oliver Beier,
Juliane von Friesen,
Joachim Hunold, Ralf Nestler,
Ulrich Püschel, Anne Jelena Schulte,
Laura Stresing, Franca Wolf
Ombudsmann
Dr. Pierre Gerckens
Telefon 030 290 21 - 146 20
Telefax 030 290 21 - 99 91 46 91
[email protected]
Verlag
Verlag der Tagessiegel GmbH
Askanischer Platz 3, 10963 Berlin
[email protected]
Geschäftsleitung Florian Kranefuß
Projektleitung Thomas Wurster
Anzeigenleitung Philipp Nadler, Jens Robotta
RUBRIKEN
12 Kommentar
14 Eigener hände arbeit
16 Jahrhundertfirma
47 Auf ein Glas mit ...
51 Patent
55 Ombudsmann
56 Black Dog
66 Mein Arbeitsplatz
66 Index
Anzeigen-Verkaufsleiter
Thomas Stannebein
Telefon 030 290 21 - 155 02
[email protected]
Koordination und Vermarktung
Heike Harrand
Telefon 030 290 21 - 155 20
[email protected]
Vertriebsleitung Axel König
Abo- und Leserservice
Telefon 030 290 21 - 502
Telefax 030 290 21 - 599
[email protected]
Herstellung Marco Schiffner
Gestaltung und Produktion
Detlev Jackschenties (Ltg.),
Manja Hegewald, Sabrina Janke, Sascha Lobers
Druck Möller Druck und Verlag GmbH
Redaktionsschluss dieser
Ausgabe 17. April 2014
Copyright 2014 für alle Beiträge bei Verlag
Der Tagesspiegel GmbH. Nachdruck, Übernahme
in digitale Medien sowie Vervielfältigung auf
Datenträger CD-ROM, DVD-ROM, etc. nur nach
vorheriger Zustimmung durch den Verlag.
Tagesspiegel Köpfe | 5
AKTUELL
KOMMENTAR
DER IDEALE
ZEITPUNKT
B
Grüner Strom
Orco GSG, einer der führenden
Anbieter von Büro- und Gewerbeflächen in der Hauptstadt,
hat Berlins größte Solaranlage
installiert: 200 Solarmodule auf 140 Dächern von 32
Berliner Gewerbehöfen werden
im Jahr rund sechs Megawatt
Strom erzeugen.
12 | TAGESSPIEGEL KÖPFE
Fabrik des Jahres
AUSZEICHNUNG Das Medizintechnikunternehmen Otto Bock heimst
den Titel »Fabrik des Jahres« ein. Die
Traditionsfirma mit Hans Georg Näder
(Foto) an der Spitze hat im Science
Center Berlin ihre Hauptstadtrepräsentanz, Hauptsitz ist aber im thüringischen Duderstadt. Dort findet sich
auch das prämierte Werk.
Mehr als 50.000 Produkte stellt Otto
Bock in Duderstadt her. Gestützt auf
ein globales SAP-Betriebskonzept sei
man in dem Werk in der Lage, gezielt
auf spontane Anfragen zu reagieren,
448
TAUSEND BESUCHER zählte die
neue Concept Mall Bikini Berlin am
Zoo in den ersten zwölf Tagen seit
der Eröffnung am 3. April. Allein
am ersten Eröffnungswochenende,
das von Donnerstag bis einschließlich verkaufsoffenem Sonntag ging,
kamen fast 300.000 Besucher in
das neue Center.
heißt es. Dadurch sei es möglich, das
Logistikzentrum sowie die Lagerbestände automatisch zu steuern, um
Kunden aus ganz Europa direkt zu beliefern.
1992 haben die Wirtschaftszeitung
»Produktion« und die Unternehmensberatung A.T. Kearney den Wettbewerb
ins Leben gerufen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandortes Deutschland zu stärken. Heute
gilt der Preis als Qualitätssiegel, das
Spitzenleistungen in der produzierenHOEL
den Industrie hervorhebt.
Chefin mit 25
Neue Leiterin des Boutique
Hotels Arcotel Velvet in Mitte ist
die 25-jährige Jenny Krumme.
Damit ist sie Berlins jüngste
Hoteldirektorin. Die gebürtige
Bonnerin kam erst vor knapp zwei Jahren
ins Unternehmen. Unterstützt wird Krumme von
Sebastian Ömer, dem neuen Geschäftsführer der
Hotel Velvet GmbH.
FOTOS Mike Wolff, ﬔilo Rückeis, promo (3)
ER, Folge 423: Bald spricht
keiner mehr mit keinem, der je
dort Verantwortung getragen
hat. Inzwischen rennt der Flughafenchef schon aus dem Saal, wenn einer,
der ihn kritisiert, da drin sitzt. So weit
ist es gekommen. Nur der Flughafen,
der kommt nicht recht weiter. Dafür
wird er eines: immer teurer. Wenn
dann noch die Baugenehmigung ausläuft . . . – dann wäre
das doch der ideale
Zeitpunkt für einen
Neustart, oder?
Auf der grünen
Wiese ganz woSTEPHANanders neu anfanANDREAS
gen, dort, wo der
CASDORFF,
Flughafen wachsen
Tagesspiegelund ein Hort der
Chefredakteur
Wirtschaftlichkeit
in jeder Hinsicht
sein kann. Wo geflogen wird, Tag und
Nacht. Aber wer will das schon? In
vielen Jahren wird sich deshalb ein
neuer Untersuchungsausschuss bilden und mit der Frage beschäftigen:
Warum hat da keiner Stopp gesagt?
Nur wird man dann mit keinem mehr
sprechen können, der da je Verantwortung getragen hat.
Industrie
zum Anfassen
OFFENE TORE Am 14. Mai 2014 ­findet
zum dritten Mal die Lange Nacht
der Industrie statt. 38 Unternehmen
– unter­ anderen Bombardier, Berlin
Chemie und MAN – präsentieren
ihre Technologien, Arbeitsprozesse
und Produkte.
Die Betriebe öffnen ihre Tore von
17.00 Uhr bis 22.30 Uhr. In dieser Zeit
haben Besucher die Möglichkeit,
­hinter die Kulissen bekannter Produktionsstätten zu sehen und die Arbeitsplätze in der Industrie näher kennen
zu lernen. Hoel
Kleine Weltliteratur
DESIGN Von Weitem betrachtet, erkennt man
nur eine homogene­graue Fläche. Doch bei
näherem Hinsehen offenbart sich einem­
die große Weltliteratur – nur eben ganz
klein, in einer 5,5-Punkt-Miniaturschrift.
So schaffen es Ian Warner und Florian
Bungart, den kompletten Text eines literarischen oder wissenschaftlichen Klassikers auf ein Plakatformat von 70 mal
100 Zentimeter zu bringen. Im Angebot von »All The World‘s A Page«
ist etwa der Ulysses von James Joyce
mit 272.000 Wörtern, Goethes Faust
oder Das Kapital von Karl Marx. HOEL
Hatte die Idee,
Wörter zu
schrumpfen:
Ian Warner
Traditionelle
Handwerkskunst
MÄRKTE Sechs Mal im Jahr finden
die von Kunsthand Berlin organisierten Kunsthandwerkermärkte statt. Nur
in diesem Monat gibt es gleich zwei
Termine: am 3. und 4. Mai in der
Gartenstadt Frohnau und ab 31. Mai
in der Schloßstraße in Charlottenburg. Natürlich kann man auf den
Märkten Kunsthandwerk und Design
erstehen. Aber nicht nur. Traditionelle
Handwerker führen ihre Kunst auch
auf Originalmaschinen vor. HOEL
Forschung
Peter Seeberger, Biochemiker
Seine Forschungsergebnisse sind Vielfältig, aus ihnen­
sind mehr als 250 Artikel, zwei Bücher, 20 Patente und 500
Vorträge­ hervorgegangen. Mehr als 25 Preise erhielt er, darunter
den renommierten Körber Preis der Europäischen Wissenschaften
(2007) und den Claude S. Hudson Award der American Chemical
26 | Tagesspiegel Köpfe
Society (2009). Seine Arbeit hat auch zu zwei Firmengründungen
geführt: Ancora Pharmaceuticals und i2chem. Vor zwei Jahren gelang ihm die Herstellung eines effektiven Wirkstoffs gegen MalariaInfektionen, der sich ­kostengünstig und in großen Mengen erzeugen
lässt. An einem Impfstoff forscht er noch.
Foto: Mike Wolff
Der Pragmatiker
Der renommierte Biochemiker Peter Seeberger ist Direktor am
Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung.
Er bringt seine wissenschaftlichen Erkenntnisse auch zur Anwendung
S
ein Dialekt verrät seine Herkunft – unverkennbar. Peter Seeberger stammt aus Nürnberg. Sein Fränkisch ist durchsetzt von englischen Begriffen, was nicht nur damit zu tun hat,
dass er den Großteil seiner wissenschaftlichen
Karriere in den USA verbracht hat, sondern auch
damit, dass der renommierte Biochemiker als MaxPlanck-­Direktor in Dahlem ein 85-köpfiges Forscherteam aus 18 verschiedenen Nationen leitet.
Verkehrssprache ist üblicherweise Englisch.
Noch ist das Max-Planck-Institut für Kolloidund Grenzflächenforschung in einem etwas abgetakelten FU-Gebäude untergebracht, eine Interimslösung, die bereits seit fünf Jahren anhält. Der
Umzug in den geplanten Neubau des Instituts in
Potsdam-Golm soll 2015 stattfinden. Seine Abteilung Biomolekulare Systeme besteht aus mehreren
Laboren. In Seebergers Büro hängen eingerahmt
gut zwei Dutzend Urkunden wissenschaftlicher
Preise, die er für seine Forschungsarbeiten erhalten
hat. Der Zwei-Meter-Mann gibt sich bescheiden.
Er spricht lieber über seine Forschungsinhalte,
die sich im Grenzgebiet von Chemie und Biologie
­bewegen. Er hat eine Methode entwickelt, komplexe Zucker automatisch zu synthetisieren. Ein bahnbrechendes Verfahren, das bei der Herstellung von
Diagnostika­ und Impfstoffen eine wichtige Rolle
spielt. In ­seinem Labor entstehen Impfstoffe gegen
Malaria und Krankenhauskeime, die kurz vor der
klinischen Entwicklung stehen.
Dem 47-Jährigen geht es vor allem darum, »gute
Wissenschaft« zu machen. Und dazu braucht er
Experten, »junge schlaue Leute«, wie er sagt. In
seinem Team arbeiten nicht nur Biologen und Chemiker, sondern auch Maschinenbauer, Ingenieure,
Mediziner. »Dabei ist es mir egal, woher sie kommen, wie sie aussehen, was sie zu Hause machen
und mit wem«, sagt Seeberger. Entscheidend sind
die Expertisen, Hierarchien interessieren ihn wenig. Alle aus dem Forscherteam sollen ihre Ideen
einbringen. »Meine Aufgabe ist es«, sagt er, »Leute
einzustellen, die besser sind als ich, und dann zu
versuchen, das Beste aus ihnen herauszubringen.«
Er sieht sich in der Rolle eines Fußballtrainers, der
dafür sorgt, dass die beste Elf auf dem Platz steht.
Seeberger ging bereits nach sechs Semestern
Chemie an der Universität Erlangen für ein Jahr
an die University of Colorado, um Biochemie zu
studieren. Danach bekam er das Angebot zu bleiben und gleich zu promovieren, ohne Abschluss
in Deutschland. Mit 28 hatte er den Doktortitel in
der Tasche und wechselte an ein großes Krebsforschungsinstitut in New York. Eigentlich wollte
er wieder zurück nach Deutschland – doch dann
kam ein Angebot, das er nicht ausschlagen
wollte:­vom MIT in Cambridge. Dort ent» Wenn
wickelte er mit seiner Forschungsgruppe
die automatisierte Zuckersynthese. Das
wir tolle
erste Gerät für das Verfahren steht in seiForschung
nem Dahlemer Büro. »Es hat mir immer
machen,
Spaß gemacht, etwas Eigenes aufzubauen«,
sagt Seeberger. Eine Forschergruppe funkkönnen wir
tioniere wie ein eigenes Unternehmen.
auch mal
Man entwickelt ein Projekt, sucht sich geeine Firma
eignete Mitarbeiter, wirbt Drittmittel ein,
bringt neue Produkte heraus und vermarkausgründen «
tet sie. Und man wisse: »Wenn wir eine
tolle Forschung machen, dann könnte es
sein, dass wir auch mal eine Firma ausgründen.« In
den USA hat Seeberger zwei Firmen gegründet. Er
wolle zwar keine Auftragsforschung für die Industrie, aber er glaubt, »dass die Symbiose von Wissenschaft und Wirtschaft gut funktionieren kann«.
2003 kam er nach Europa zurück, ging an die
altehrwürdige ETH Zürich, bis er schließlich 2009
in Berlin am Max-Planck-Institut landete: »Wir machen Grundlagenforschung, weigern uns aber auch
nicht, weiterzudenken.« Er will die gewonnenen
Erkenntnisse auch wirtschaftlich umsetzen, ist als
Forscher dem Unternehmertum nicht abgeneigt.
»Es ist nichts Falsches am Geldverdienen«, sagt
Seeberger, dessen Kritiker ihn für zu kommerziell
ausgerichtet halten. Er wünscht sich mehr Ausgründungen. Für seinen Geschmack gebe es für Berlin
als Biotech-Standort noch Luft nach oben.
Sein Lebensmotto, ein Zitat des britischen Naturforschers Michael Faraday, hängt – ebenfalls
eingerahmt – an der Wand zwischen den vielen
Urkunden: »Work, finish, publish.« Genau so hat
Seeberger es bisher gehalten. Heike Gläser
Tagesspiegel Köpfe | 27
MagaZiN
NEUE EISZEIT
In der FLOrida-eis-manuFaKtur in Spandau entsteht hochwertiges und
sogar CO2 -neutrales eis. Inhaber Olaf Höhn will die produktion in diesem
Jahr verdoppeln und spürt, dass er den ganz Großen ein Dorn im Auge ist
TeXT Arne Bensiek | fOTOS Alice epp
D
er Weg des Florida-Eises beginnt in einer handelsüblichen Wäschewanne. An
der Abwiegestation hebt ein Mitarbeiter
Schaufel um Schaufel Milchpulver, Trockenei
und Zucker hinein. Jeder Handgriff geschieht
nach einem handgeschriebenen Rezept, das geschützt von einer blauen Mappe neben der Wage
liegt. Mit einem großen Schneebesen und kräftigen Armen vermischt der Mann die Pulver, zerdrückt letzte Klumpen. Dann gibt er die Zutaten
nach und nach in einen mit 200 Litern Wasser
gefüllten Stahlbottich. Die Mischung wird gut
verrührt und anschließend umgefüllt in einen
Pasteurisierer. »Während sie darin auf 80 Grad
erhitzt wird, um Keime und Bakterien abzutöten,
geben wir Butter zu«, erklärt Produktionsleiterin
Christine Büsselberg. Wahrscheinlich würde ein
44 | Tagesspiegel Köpfe
Made
BER
Mitarbeiter der Florida-Eis-Manufaktur
auch diesen Produktionsschritt übernehmen, wenn das Erhitzen denn von
menschlicher Hand möglich wäre.
»Man kann schmecken, dass unser Eis von
Hand gemacht wird«, ist Inhaber Olaf Höhn
überzeugt. Der 64-jährige Maschinenbauingenieur im weißen Kittel ist ein wahrer Eismissionar, der einem tausend Geschichten erzählen
kann. Seit fast 30 Jahren stellt Höhn Eis her,
anfangs in einem kleinen Eiscafé, heute in einer
stattlichen Fabrik. Seine Produkte hätten eine
besondere Konsistenz, einen außergewöhnlichen Geschmack und würden sich dadurch
unterscheiden von industriell hergestelltem Eis,
das Maschinen sekundenschnell und günstigstmöglich ausspucken. »Wenn Eis mit maschinel-
in
LIN
Olaf Höhn (links) setzt bei
seinem Florida-Eis auf
Handarbeit: vom Mischen
der Grundmasse bis
zum Häckseln der
Schokosplitter.
29
Jahre ist
es her, dass
Olaf Höhn
ein kleines Eiscafé in
Spandau gekauft hat.
Heute besitzt er vier Cafés und die Manufaktur.
Der Jahresumsatz
von Florida-Eis lag im
vergangenen Jahr bei
acht Millionen Euro. Im
Verhältnis zur Mitarbeiterzahl von 250 ist das
ungewöhnlich niedrig.
Eine Manufaktur eben.
lem Druck abgefüllt wird, zerstört das die feine
Struktur und produziert Eiswürfel«, sagt Höhn
und fügt einen Satz hinzu, den niemand von
­einem Eisfabrikanten erwarten würde: »Wenn
man ehrlich ist, braucht ja keiner Eis, außer
Kinder­ nach der Mandel-OP.« Wenn er schon
ein Produkt herstelle, das ein gewisser Luxus sei,
dann wolle er auch die maximale Qualität bieten.
Dafür könne er auch einen entsprechenden Preis
verlangen.
Höhn glaubt an den Geschäftserfolg von
handgemachtem und – mindestens genauso
wichtig – umweltfreundlichem Eis. Dafür hat
er im vergangenen Jahr für fünf Millionen Euro
eine neue Produktionsstätte in Spandau gebaut,
mit 4000 Quadratmetern statt der vorherigen
800 und mit Solarzellen und einem Windrad
auf dem Dach. Die Lampen und Maschinen der
Fabrik verbrauchen Ökostrom, weshalb Höhn
stolz mit der CO2-Neutralität seiner mehr als
60 Sorten wirbt. Offensichtlich mit Erfolg: »Die
Leute rennen uns mittlerweile die Bude ein«,
schwärmt Höhn.
Wenn der Pasteurisierer die flüssige
Grundmasse wieder auf vier Grad heruntergekühlt hat, wird das zukünftige Eis ein letztes Mal
umgepumpt in einen der fünf großen Tanks, die
jeweils zwei Eismaschinen versorgen. »Das sind
traditionelle Eismaschinen, die heute anderswo
nur noch selten zum Einsatz kommen«, betont
Produktionsleiterin Büsselberg. Anders als in
der Lebensmittelindustrie üblich, werde in das
Florida-Eis möglichst wenig Luft gepumpt. »Luft
schmeckt ja nicht, sondern das Eis«, sagt Büsselberg und bleibt vor einer der Eismaschinen stehen. Im Durchmesser eines Bierdeckels drängt
aus dem stählernen Kasten langsam aber beständig cremefarbenes Mandarineneis und fällt in
einen kleinen Metallbehälter. Ein Mitarbeiter
verteilt eingekochte Mandarinen über dem Eis
und vermengt beides behutsam mit einer Kelle.
Das Eis ist jetzt fertig. Mit einem etwas größeren
Kugel-Portionierer füllt der Mitarbeiter nun den
Halbliterbecher. Mit drei Kugeln ist die Füllmenge erreicht, der Mann legt den Portionierer aus
der Hand, drückt einen Deckel auf den randvollen Becher und stellt ihn auf ein schmales Fließband, das ihn Richtung Kühllager abtransportiert. Bis zu 200 Becher schafft er in der Stunde.
Zwei Maschinen weiter entsteht Latte-Macchiato-Eis, für das ebenfalls erst zuallerletzt von
Hand Schokosplitter untergemischt werden.
Mandarinen, geröstete Haselnüsse, Pistazien,
Schokosplitter und auch die Soßen und Pürees,
die dem Eis seinen jeweiligen Geschmack geben
– all diese Zugaben werden eigens von Hand in
der Soßenküche der Eismanufaktur zubereitet.
Besonders spektakulär geschieht das im Fall der
Schokosplitter: Schokoladenpellets werden dafür geschmolzen, die Soße dünn auf Backpapier
ausgestrichen, gekühlt und letztlich mit einer Art
siebenfachem Pizzaschneider wieder in Splitter
zerhäckselt. Ein Prozedere, das vermutlich den
meisten industriegeprägten Lebensmitteltechnikern die Haare zu Berge stehen lassen würde.
Aber es ist Olaf Höhns ganze Leidenschaft: »Genauso werde ich mein Eis immer herstellen«,
verspricht er.
Acht Millionen Euro Umsatz hat Florida-Eis
im vergangenen Jahr gemacht. Im Verhältnis zur
Mitarbeiterzahl von 250 in der Fabrik und den
vier Florida-Eiscafés ist das ein überraschend
niedriger Wert. »Sie stehen hier vor einem Inhaber, einem Überzeugungstäter, nicht vor einem
Geschäftsführer«, antwortet Höhn auf diesen
Einwand. Er denke nicht daran, seine Eisproduktion zu rationalisieren. Vielmehr wolle er
am liebsten weitere 30 Mitarbeiter einstellen.
Schließlich werde Florida-Eis die Produktionsmenge in diesem Jahr in etwa verdoppeln: auf
mehr als 2000 Tonnen Eis.
Neben der Florida-Eis-Straße hat Olaf Höhn
gerade ein zweites Fließband errichten lassen.
»Die König-Ludwig-Straße«, stellt er das ruhenTagesspiegel Köpfe | 45
Netzwerk
Uniqlo
Sake und
Buletten
Wolfgang Büchel, Klaus Wowereit,
Reinhard Naumann, Roland Krüger
BMW
Leben in die Ödnis gebracht
Atmosphäre Anziehend für außerordentlich viele Berliner
Nach 45 Jahren in Moabit zog es BMW
an den Kaiserdamm: Hier errichtete­
der renommierte Architekt Peter Lanz
auf einer Fläche von 16.000 Quadratmetern Ödnis ein schickes, ökologisch vorbildliches Gebäude. Dass es
bei den geplanten 65 Millionen Euro
blieb, nötigte Klaus Wowereit Respekt
ab. »Geht doch!«, sagte der Regierende Bürgermeister in seinem Grußwort.
Buchpremiere
Coca-Cola
Netzwerken
mit Anleitung
WM-Vorfreude
•••••
Zur Premiere des Ratgebers »Crashkurs Networking« hatte die Sydbank
eingeladen, auf dem Podium unterhielt
sich die Buchautorin Martina Haas
mit Manfred Kurz, Repräsentant der
Würth-Gruppe in Berlin und Brüssel, und Corinna Salander, Leiterin
des Zulassungsmanagements
von Bombardier Transportation. Sie waren sich
einig: Ohne Vernetzung keine Geschäfte.
Anschließend ließ es sich
bei Wein gut netzwerken.
Netzwerkfaktor
Profinetzwerker unter
sich
•••••
Am Ball: Giovanni Zarrella
62 | Tagesspiegel Köpfe
Roland Krüger, Vertriebschef von BMW
Deutschland, dankte Hans-­Reiner
Schröder, dem langjährigen Niederlassungsleiter in Berlin, und gratulierte
gleichzeitig noch dessen Nachfolger
Wolfgang Büchel zum Geburtstag.
Atmosphäre Ein nüchternes Event mit
klarer Struktur, wie man es von diesem
Gastgeber erwartet
•••••
Der Fußball-WM-Pokal, der Star des
Abends, wurde nur einmal von den
ehemaligen Weltmeistern Horst Eckel
(1954), Bernd Hölzenbein (1974) und
Pierre Littbarski (1990) ein wenig gelupft, ansonsten musste er auf seinem
Sockel bleiben: Zu der
WM-Gala ins Axica
am Pariser Platz hatte­
Coca-Cola geladen,
unter den Gästen waren die
Moderatorin Monica
Lierhaus, der Schauspieler Peter Lohmeyer
und mit Neven Subotic von
Borussia Dortmund auch ein aktiver
Fußballer. Freudig begrüßt wurden sie
von Coca-Cola-Deutschlandchef Ulrik
Nehammer.
Stil Farbenfroh und voll guter Laune: Eine
Gala mit Kultcharakter
•••••
Pierre Littbarski, Monica
Lierhaus, Neven Subotic
Fotos MARKO GREITSCHUS, Gero Breloer (2), Promo (3)
Das Netzwerk beobachtet unsere Gesellschaftsreporterin Juliane von Friesen.
Zur Eröffnung des Flagshipstores der
japanischen Marke Uniqlo zog es die
Hauptstädter in Massen an den Tauentzien. Auch der japanische Botschafter Takeshi Nakane hatte es sich nicht
nehmen lassen, zur Eröffnung zu kommen, genauso wenig wie Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer. Und Topmodel Eva Padberg war gleich in einer
mintgrünen Uniqlo-Daunenjacke erschienen.
Verwöhnt wurden diese VIP-Gäste
mit einem Flying Buffet. Bei »From
Tokyo to Berlin« gab es Sake, Sushi,
Algensalat und – Buletten. Eine verwegene Mischung, aber den Gästen
gefiel es.
KALENDER
teRMINe
IM MAI
06.–09.05. | 10 Uhr
fIRMeNKoNtAKtMesse CoNNeCtICUM
Eine der weltweit größten Karrieremessen für Studenten und
Absolventen, die alljährlich in
Berlin stattfindet. Veranstaltungsort ist der Flughafen Tempelhof.
connecticum.de
07.05. | 19 Uhr
BUCHVoRsteLLUNG
»sMALLtALK 1X1«
Die Kunst des »kleinen
Gesprächs« als Karriereförderer:
Die Ex-Spitzenpolitikerin Magda
Bleckmann stellt ihr Buch vor
und gibt Tipps, worauf es beim
Plaudern ankommt.
berlincapitalclub.de
petra fladenhofer,
André Maeder und Iris Berben
kaDewe
Bella figura am tauentzien
Italiens Botschafter in Berlin, Elio Menzione, fühlte sich sichtlich wohl bei der Eröffnung des »Studio Italia – La Perfezione del
Gusto« im Atrium des KaDeWe, und das
lag ohne Frage an den wunderbaren Gästen, darunter die Schauspielerinnen Marie
Bäumer, Iris Berben und Natalia Wörner.
Noch mehr Dolce Vita verkörperte an diesem Abend zweifelsohne Chiara Ferragni,
italienische Mode–Bloggerin von Weltruf. Angesprochen auf die Berliner Mode
meinte die Mode-Ikone charmant, sie liebe
den ungekünstelten Stil der Hauptstädter.
Netter kann man es eigentlich nicht sagen,
oder? Das fand auch der Gastgeber, der
neue KaDeWe-Chef André Maeder.
promiDichte Vornehmlich weibliche
promis waren der einladung in scharen
gefolgt
•••••
15.05. | 9 Uhr
UMGANG MIt
eXIsteNZÄNGsteN
Das Seminar richtet sich an
Unternehmerinnen, die mit
Existenzängsten konfrontiert
sind. Die Ängste sollen zuerst
thematisiert werden, um dann
gemeinsam Bewältigungsstrategien zu erarbeiten, damit die
Frauen weiterhin erfolgreich sind.
akelei-online.de
19.–21.05. | 9 Uhr
BeRLINeR
eNeRGIetAGe
Mode-Ikone und starbloggerin: Auch Chiara
ferragni gab sich die ehre.
Die Energietage gelten als Leitveranstaltung für Energieeffizienz
und bieten einen Überblick über
die politischen, wirtschaftlichen
und technischen Entwicklungen.
berliner-energietage.de
Tagesspiegel Köpfe | 63