Galerie Verticale

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Galerie Verticale
Galerie Verticale
Kunst-Silo am Osthafen, Saarbrücken
Katalog der Ausstellung vom 30. April bis 4. Mai 2008
Impresseum:
Katalog zur Ausstellung 'Galerie Verticale' vom 30. April bis zum
4. Mai 2008 im Kunst-Silo am Osthafen, Saarbrücken.
1. Auflage 6/2008 herausgegeben von den Künstlern der Silogruppe.
Verantwortlich: Volker Schuetz.
Alle Rechte, insbesondere für die Abbildungen und Texte, liegen bei
den jeweiligen Künstlern und Autoren. Eine Nachdruckerlaubnis wird
in der Regel auf Anfrage gerne erteilt. Kontakt: Siehe Kunst-Silo.de
Umschlag: Anita Frings, Plakat (Detail)
Besucheradresse:
Kunst-Silo am Osthafen, An der Römerbrücke 3, 66121 Saarbrücken
Die Künstler dieser Ausstellung:
- Schaefer & Schaefer
[email protected]
- Sonja Koch
www.blickpunkt-lichtbild.de
- Gila Paris
www.xp-rience.net
- Volker Schuetz
www.volkerschuetz.de
- Isthar Smedderling
[email protected]
- Tikus O.
[email protected]
- Anita Frings
[email protected]
- Julia Hunsicker
[email protected]
- Hedda Acker
[email protected]
- Baer & Hjuler
www.asylum-lunaticum.de
Mit der 'Galerie Verticale' hat vom 30. April bis zum 4. Mai 2008 die
erste Ausstellung nach der Winterpause im Kunst-Silo stattgefunden.
Schaefer & Schaefer, Sonja Koch, Gila Paris, Volker Schuetz, Isthar
Smedderling, Tikus O., Anita Frings und Julia Hunsicker zeigten
aktuelle Arbeiten – die meisten davon sind im oder am Silo
entstanden oder ersonnen worden.
Dieses Arbeiten am Silo, mit dem Silo, mit den Künstlern der Silogruppe hat die Basis gelegt für weitere gemeinsame Taten.
Das verbindende, zusammenhaltende Element ist der bis zu 1,20
Meter dicke Rahmen der Betonwände unserer Unterkunft.
Die Siloräume dienen als Atelier mit besonderen Fähigkeiten, die
entdeckt werden wollen und stets neue Eigenarten offenbaren, die
darauf warten, künstlerisch erschlossen zu werden.
Insofern stehen wir mit dieser Ausstellung am Anfang einer
Forschungsreise, die uns vom Urlaubsstrand zur Industrieruine, von
der Romantik des Zerfalls zur Wiederbelebung der Lagerstatt bringt.
Es bleibt spannend.
Volker Schuetz,
für die Silogruppe.
Inhalt
EG:
Mama Baer &
Kommissar Hjuler
1. Etage:
Julia Hunsicker
2. Etage:
Tikus O.
Anita Frings
3. Etage:
Sonja Koch
Gila Paris
Volker Schuetz
Isthar Smedderling
4. Etage:
Schaefer & Schaefer
Mama Baer &
Kommissar Hjuler
Kommissar Hjuler und Mama Baer, arbeiten seit Mitte 2006 als freie Künstler mit
Ausstellungen und Aktionen in Europa und Afrika. Ihre Performances sind brutal
und abartig, ihre Musik ist fürchterlich, ihre Bilder und Objekte sind grässlich,
einfach schrecklich und stinken. Niemand hört sich das an oder stellt sich das hin.
Niemand!
Außer Heiko Hasenbein aus Bielefeld, der ist irre genug. Der große Hase!
Julia Hunsicker
Galerie Verticale
Die Photographien zeigen drei gefilterte Aufnahmen der Silofenster aus Etage IV: Zerkratzte Scheiben und das durchfließende Licht, das
Bilder auf die Wände zaubert. Die Bilder
stammen aus einer 'Fensterserie', die 2007 mit
Bildern in grob gerahmtem, zerbrochenem
Glas begonnen hat. (in 'Standpunkte', ebenfalls hier im Silo)
Die restlichen Aufnahmen sind vor und während der 'Standpunkte' entstanden.
Meine Absicht war es, bestimmte Details rund
um das Silo festzuhalten. Ich wollte die unscheinbaren Dinge des Silos dokumentieren,
die vergänglich sind und nach und nach verschwinden...
Die Aufnahme 'Marshmallow mit Karamell' entstand während der Renovierungsarbeiten für die Ausstellung 'Galerie Verticale'. Es zeigt eine herabgefallene Rohreinfassung mit weichen und harten Bestandteilen. Und es zeigt die Schönheit des
Zufälligen.
Tikus O.
Silberspinnen
3D-Collagen und Ölgemälde.
Anita Frings
Glanzzeiten
Sternstunden in Gold und Silber
Sonja Koch
Shut down – Bergwerke und der Zahn der Zeit.
Meine Aufnahmen entstanden im Februar 2008 bei mehreren Besuchen im
Bergwerk Carreau Wendel in Petite Rosselle. Zunächst waren diese Besuche
ausschließlich dazu gedacht, Material für die 'Galerie Verticale' zu
sammeln. Entstanden ist schließlich eine große Serie zum Bergbau in
Lothringen und im Saarland. Die ausgestellten Aufnahmen sind nur ein
kleiner Teil dieser Serie.
Bei der Umsetzung war mir wichtig, Farben, Detailreichtum und Klarheit zu
erhalten. Die brillanten Farben sind mein roter Faden – der sich durch alle
Bilder zieht.
'Galerie Verticale' war für mich die Feuertaufe, was das Ausstellen meiner
Arbeiten betrifft und es war für mich in zweierlei Hinsicht ein Gewinn:
Zum einen wegen dem positiven Feedback der Besucher (sowohl vor Ort als
auch im Internet) und zum anderen war für mich das Arbeiten in der Gruppe
sehr interessant und aufschlussreich.
Die Aktivitäten am und im Silo verfolge ich seit Beginn im September 2006
und meine, dass dort sehr großes Potential ist, unsere Gruppe, unseren Stil
(Kunst in Verbindung mit dem Café-Silo und einem entsprechenden
Rahmenprogramm) und damit das Kunst-Silo zu prägen und zu etablieren.
Gila Paris
Stretching the idea of faces.
Portraits.
Mixed Media.
Depersonalisierung und Derealisierung.
Integrierung von Gesichtern in Materie und Umfeld.
Portraitarbeiten der Serie 1001 Gesichter, in denen Raum und Landschaft
mit Betrachtern verschmelzen und der Betrachter Teil des Raums und der
Umgebung wird.
Volker Schuetz
Das Silo. Eine verlassene Lagerstadt. Wird wiederbelebt. Mit Bildern. Die
ziehen ein. Werden eingelagert. Wie früher die Waren. Röhre an Röhre. In
der Reihenfolge ihres Eintreffens.
Eine Ausschreibung. Internationaler Handel. Waren und Kunst aus aller
Welt. Von Deutschland nach Australien, von der Ukraine nach Amerika.
19 Künstler waren dabei. Haben Bilder geschickt. Im Format S.
Silo-Format: 40x10. Die Bilder wurden hier im Silo paarweise
zusammenmontiert. Und an die Betonwand plakatiert. Grau in grau.
Am letzten Tag der Ausstellung standen Farbkästen bereit. Die Besucher
durften malen. Bild für Bild. Wurde das Silo. Wieder lebendig.
Mit Bildern von Andrea Primm, Carsten Dinnesen, Christoph Bartlakowski,
Gila Paris, Ingeborg Jaiser, Jackson Ellis, Joachim Trapp, Kostya
Netrebenko, Markus Trapp, Melanie Tönnies, Nina Ebersohl, Peter
Ciccariello, Sitha Sophie Schuetz, Sonja Koch, Stephan Kaps, Volker Mai,
Volker Müller, Volker Schuetz und Wolfgang Rohnert.
Isthar Smedderling
„Danas Armband“
Poetische Installation
Danas Armband* erzählt eine Geschichte**. Eine Geschichte von einer
Freundschaft, die vor 10 Jahren begann, als die junge Smedderling in der
Internatsschule Schloss Salem die Bekanntschaft mit Dana Galant machte.
Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft – Dana wurde von ihrem Vater, einem
amerikanischen Industriellen, nach Europa geschickt um ein anständiges
Benehmen zu lernen (ohne Erfolg) während für Isthar das Internat am Bodensee
eher eine Erholung war, die sie sich nach einer aufreibenden Zeit am Ende der
Welt lange herbeigesehnt hatte – entwickelte sich eine tiefe Verbundenheit der
beiden jungen Frauen, der selbst der Fortgang von Dana aus dem Internat – sie
hatte dieses ganze Internatsgehabe einfach nicht mehr ausgehalten – keinen
Abbruch tat.
Im Gegenteil. Dana hatte sich ohne Wissen und ganz bestimmt gegen den Willen
ihrer Eltern nach Monte Carlo durchgeschlagen und es schien, als hätte die Stadt
nur auf sie gewartet. Jedenfalls eroberte sie mit ihrem kosmopolitischen Charme
die Herzen im Jet Set wie im Fluge, während Isthar am Bodensee blieb, die Natur
genoss, auf ihre 'Entlassung' wartete und ansonsten in regem Briefkontakt mit
ihrer Freundin stand.
Es folgte eine Einladung nach Monaco, es war wundervoll zu sehen, wie gut es
Dana ging, es folgt noch eine Einladung und noch eine Einladung und bald wurde der jährliche Besuch der Rallye Monte Carlo zum feinen, geheimen Höhepunkt
im Leben der beiden Damen.
Dann lernte Dana den Rennfahrer Bruno Brondello kennen und Isthar wurde in
die Welt der heißen Reifen eingeführt. Kurz darauf heiraten Dana und Bruno
versteckt vor ihren Eltern und versteckt vor der Presse und Isthar ist Trauzeugin.
Und fährt auf dem Weg vom Standesamt zum Hotel Brunos Zweitrennwagen in
einen Melonenacker. Die Straße war feucht.
Die Jahre gingen ins Land, Dana und Bruno blieben in Monaco, während
Diplomatentochter Isthar mal hier, mal da lebte, wohltätige Veranstaltungen
organisierte, und so oft es ihr möglich war, die beiden besuchen kam.
Dann kam der Unfall. Bei einem Übungsrennen brach Brunos Radaufhängung,
bohrte sich in den Boden und schleuderte den Wagen von der Straße. Bruno hat
mit viel Glück überlebt, aber die Presse hatte nun bei ihren Nachforschungen von
der Heirat mit Dana Wind bekommmen und es gab keine ruhige Minute mehr, in
der die beiden einfach normal leben konnten.
Jetzt war die Jugend vorbei. Dana und Bruno haben das Land verlassen und
begannen ein neues Leben alleine - weit weg von allen Menschen.
Zum Abschied schenkt Dana Isthar das Armband, das sie in all der Zeit immer
getragen hat: Eine Kette mit kleinen, eingefassten Fotos. Fotos von Dana, Isthar,
dem Internat, Bruno und dem Autorennen. Bilder einer Liebe. Bilder von einem
ganzen, halben Leben. Bilder einer Freundschaft.
* Das echte Armband von Dana ist natürlich unverkäuflich und befindet sich in
der persönliche Schatztruhe von Isthar Smedderling. Aufgrund der zahlreichen
Anfragen bietet Frau Smedderling aber eine Replik des Armbandes, die sie für
eine Ausstellung hat anfertigen lassen, zum Verkauf an. Ernst gemeinte Angebote
bitte an [email protected]. Der Erlös geht an die Smedderling
Silo Art Foundation.
** Nacherzählt von Volker Schuetz. Trotz sorgfältiger Recherche kann es bei
einzelnen Details zu Abweichungen von der verschollenen Originalgeschichte
von Smedderling kommen. Ich bitte dies zu entschuldigen.
Schaefer & Schaefer
Café Coexistence
Rauminstallation / Environment
Diese Arbeit ist die vierte in einer Reihe von Installationen, von Ulrike und Thomas Schäfer
für diesen Raum im Maschinenturm.
Einzelheiten der Installation sind angeregt auch durch die frühere Funktion des Ausstellungsortes als Getreidesilo, sowie durch die Tätigkeit der Künstler in der Landwirtschaft: Im Becken
der ehemaligen Getreideförderanlage wächst ein lebendes Haferfeld, die am Becken angebrachten Warnschilder weisen auf die Gefahren hin, die der wissenschaftlich-ökonomische
Getreideanbau neben einer möglichen Ertragssteigerung für Umwelt und Menschen mitbringt
'Flugblätter' bedecken den Boden vor dem 'Getreideacker'.
Im hinteren Bereich der Installation liegen auf einer Fläche aus künstlichem Gras einige an
menschliche Körper erinnernde Figuren unter einer dünnen Kunststofffolie, die mit roten und
gelben getrockneten Rosenblüten bestreut ist. Von der Decke hängen schwere Eisenketten.
In der dunkelsten Ecke rechts lehnen Gitter an der Wand und ein zerknitterter „Erdball“ liegt
auf dem Boden.
Dahinter, am weitesten von dem begehbaren Bereich entfernt, liegen in einem flachen, morastigen, dunklen Wasserbecken Gummihandschuhe, Scherben, Splitter von Granaten und
Scherben aus einem Haus, das im letzten Krieg zerstört wurde. Aus einem verbeulten Kochtopf strömt der Geruch von Erdöl und die amerikanischen Freiheitsstatue und eine Rose von
Jericho treiben im Wasser. Im hintersten Bereich dieses Beckens wächst auch etwas Getreide,
das durch das Wasser im Becken am Leben gehalten wird.
Im eigentlichen Café-Bereich ist der Boden von großen Öffnungen (Aussparungen der ehemaligen Förderanlage) unterbrochen, die den Blick nach unten in den im 3.Stock liegenden
Ausstellungsraum freigeben. Die Öffnungen sind mit Acrylglas bedeckt und mit schwarz-gelbem Band eingefasst.
Gartenstühle und -tische mit gebrauchtem Kaffeegeschirr, Zuckerglas, Servietten und
Croissants könnten zum Niedersetzen und Verweilen einladen, wären da nicht der unsichere
Boden und die Absperrkette. Sonnenhut und Halstuch, Sonnenbrille und Zeitung liegen achtlos herum, als wäre ihre Besitzerin eben aufgestanden. Auch hier hängen schwere Ketten von
der Decke herab.
Die Installation ist von Tageslicht abhängig. Wenn es dunkel wird, erscheint im Licht der
Schwarzlichtbirne, die über dem Getreidefeld hängt, an der Wand des Café-Bereichs ein
Graffito (Tetragrammaton) und verweist zusammen mit dem kleinen Kreuz, das an einem
Lederbändchen dort hängt, auf die jüdisch-christlichen Kultur.
Während der Öffnungszeiten sind aus einem unsichtbaren Lautsprecher fortwährend Aufzeichnungen der Sendung „Eine Welt“ des Deutschlandfunks zu hören.
Die Arbeit thematisiert die Problematik der gegenwärtig fortschreitenden Globalisierung, die
dazu führt, dass mehr den je Armut, Unterdrückung und Hunger eines Teils der Menschheit
vernetzt ist mit Leichtigkeit und Luxus im Leben eines anderen Teils.