Rundschr. 45 - Gnomonica.at
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sonne Rundschreiben der Arbeitsgruppe Sonnenuhren im Österreichischen Astronomischen Verein zeit Sonnenuhr-Giganten: Jantar Mantar in Jaipur, Rajasthan Nr. 45 GNOMONICAE SOCIETAS AUSTRIACA Juni 2013 Anno MXM condita Seite 2 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Liebe Freunde, liebe Interessierte, in diesem Schreiben müssen wir auf das Ableben von drei Freunden und Sonnenuhrbegeisterten hinweisen, die oft auf unseren Tagungen dabei waren und uns im Austausch, im Kontakt, mit ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung fehlen werden – ich darf diesen Sonnenuhrspruch hinzufügen: Wir trauern um folgende Freunde: DI Ingrid Nebinger, Graz (ϯ 10. 10. 2012) Dr. ing. Dr. sc. techn. Dietmar Richter, Radebeul (ϯ 19.10.2012) Arnold Zenkert, Potsdam Pädagoge und Volksbildner (ϯ 13. 4.2013) Post tenebras spero lucem – nach der Finsternis erhoffe ich Licht! Sie werden uns auch auf der kommenden Tagung in Triest fehlen, die ich mit Paolo Alberi vorbereite. Barbara Walther, eine Freundin, die in Triest lebt, unterstützt uns dabei, und ich hoffe, es wird wieder eine gelungenes Treffen. Die Einladung dazu finden Sie auf Seite 20. An dieser Stelle darf ich auch noch einen Aufruf starten: Ein großes österreichisches Magazin hat mich kontaktiert und möchte einen Beitrag über Sonnenuhren veröffentlichen – natürlich für uns eine Möglichkeit, eine große Leserschicht zu erreichen. Allerdings würde der Redakteur und Fotograf gerne einem Sonnenuhrbauer über die Schulter schauen, beim Entwurf, bei der Berechnung und vor allem bei der Ausführung einer Wandsonnenuhr (natürlich am besten klassisch in Freskotechnik). Wenn jemand aus unserem Kreis eine solche Sonnenuhr plant oder ein derartiges Projekt in nächster Zukunft realisiert, würde ich mich über eine Rückmeldung freuen. Ihr Peter Husty Impressum Medieninhaber: Österreichischer Astronomischer Verein, Arbeitsgruppe Sonnenuhren Leiter: Peter Husty Bayernstraße 8b, 5411 Oberalm Tel. +43 (0) 6245 73304 email: [email protected] Redaktionsteam: Kurt Descovich, Klaus Göller, Walter Hofmann, Erich Imrek, Karl Schwarzinger, Helmut Sonderegger Redaktionsadresse: Kurt Descovich Hütteldorfer Straße 50/12, 1150 Wien Tel. +43 (0) 664 853 8226 email: [email protected] Als neue Mitglieder in unserer Runde dürfen wir sehr herzlich begrüßen und willkommen heißen: Dipl. oec. Günter Behnsch, 10319 Berlin Siegfried Eichholzer, 9500 Villach Dr. Erich Hofmann, 73430 Aalen Susanna Maly, 1230 Wien Karl Müller, 1140 Wien Prof. (FH) DI Kurt Niel, 4710 Grieskirchen Andrea Planötscher, 6323 Bad Häring Titelbild: Die Äquatorialsonnenuhr Laghu Samrat Yantra, einer der Sonnenuhr-Giganten des Jantar Mantar in Jaipur, Rajasthan Layout und Druck: Kurt Descovich Bankverbindung: Sparkasse Feldkirch, BLZ 20604 Kontonummer 0300-002771 Für Überweisungen aus dem Ausland: BIC: SPFKAT2B IBAN: AT552060400300002771 Homepages: Arbeitsgruppe: http://www.gnomonica.at Karl Schwarzinger: http://www.regiomontanus.at Helmut Sonderegger: http://www.helson.at Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Seite 3 In diesem Heft 4 Die Sonnenuhren des Jantar Mantar Der Universalgelehrte Maharadscha Sawai Jai Singh II, Gründer der Stadt Jaipur, ließ im 18. Jahrhundert ein eindrucksvolles astronomisches Observatorium errichten, in ihm eine mächtige Äquatorialsonnenuhr, das Samrat Yantra. Wolfgang Frolik war dort. 5 Die Monduhr auf Muottas Muragl Die im letzten Rundschreiben vorgestellte Präzisionssonnenuhr von Fred Bangerter auf Muottas Muragl im Oberengadin erlaubt auch die Zeitablesung in der kalten Jahreszeit, wenn der Mond hoch am Himmel steht. 7 Formeln für Höhe und Azimut Sonnenuhrkonstrukteure verwenden Formeln für Sonnenhöhe (Elevation) und -azimut, die oft unkritisch aus der Literatur übernommen werden. Herbert O. Ramp leitet die Formeln her und zeigt mögliche Fehlerquellen bei ihrer Verwendung auf. 10 Die Anker-Sonnenuhr von Bützow Arnold Zenkert half mit, die Sonnenuhrstadt Bützow mit einem weiteren Kleinod zu bereichern. 11 Wasseruhr und Klepsydra - Zeitmesser der Antike Der junge französische Archäologe Dr. Jérôme Bonnin zeigt an Beispielen aus erhaltener Literatur, dass die beiden Begriffe keine Synonyme waren. 14 Zum Nachdenken - mal 3 Nach Franz Vrabec' mathematischer Herausforderung im Rundschreiben Nr. 43 wird's diesmal einfacher: eine Aufgabe für Gnomoniker und zwei andere, mehr zum Schmunzeln. 15 Trügerischer Halbschatten Sonnenuhren mögen geometrisch präzise konstruiert sein; beim Ablesen im Übergang vom Kernschatten zum voll beleuchteten Bereich der Skalenfläche sind jedoch Fehler vorprogrammiert. 17 Eine Sonnenuhr in Kerbschnitt-Technik Mit der in Schnitzkursen erlernten Technik verwirklichte Ernst Heissenberger aus Ternitz eine interessante Sonnenuhr. 20 Jahrestagung der GSA in Triest Für diesen Herbst hat sich unsere Arbeitgruppe wieder einmal für einen Tagungsort im Ausland entschieden, und zwar für Triest. Hier die ersten Informationen über Unterbringung und Ablauf. Seite 4 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Das Astronomische Observatorium Jantar Mantar in Jaipur, Rajasthan, Indien Wolfgang Frolik, Ottensheim In Jaipur in Indien befindet sich eine Ansammlung von monumentalen Bauwerken, die Maharadscha Sawai Jai Singh II, der Gründer der Stadt Jaipur, im frühen 18. Jahrhundert für astronomische Beobachtungen errichten ließ. Anfang Februar 2012 besuchten meine Frau und ich in der letzten Woche unserer Indienreise Jaipur, die Hauptstadt von Rajasthan – genannt Pink City. Ich war schon sehr gespannt auf das berühmte Jantar Mantar, wir konnten am Vortag schon vom „Palast der Winde“ aus einen Blick auf die gesamte Anlage werfen. Beim Betreten des Observatoriums Messung der Zeit, der Voraussage von Eklipsen, der Beobachtung der Planetenbahnen, der Bestimmung von astronomischer Höhe und Deklination und der Erstellung von Ephemeriden. Die Anlage wurde 1901 restauriert und 1948 zu einem National Monument Indiens erklärt. 2010 wurde das Observatorium als UNESCO-Welterbe anerkannt. Ich beschränke mich hier auf die Beschreibung des Samrat Yantra - ein Bauwerk, das schon allein durch seine Größe sofort ins Auge sticht (Abb. 1). Abb. 1: Der Autor am Samrat Yantra in Jaipur ist vermutlich jeder erst einmal beeindruckt von der Größe und Anzahl der unterschiedlichsten Instrumente! Das Jantar Mantar in Jaipur (wörtlich: astronomisches Instrument) ist einer der vielen einzigartigen und hervorragenden Beiträge des hochgelehrten Maharadscha Sawai Jai Singh II, des Gründers der Stadt Jaipur. Sawai Singh war in seiner Jugend viel begabter und geschickter als die meisten Gleichaltrigen seiner Zeit. Er bekam die beste Erziehung, und ihm wurde ein umfangreiches Wissen in allen Bereichen vermittelt. Maharadscha Sawai Singh machte sich kundig in Religion, Philosophie, Kunst, Baukunst, Astronomie und Astrologie. Er ließ zwischen 1724 und 1734 fünf astronomische Observatorien in Indien errichten, die größte Anlage in Jaipur wurde nach dem Vorbild des Observatoriums in Delhi errichtet. Es beherbergt 14 nach astronomischen Gesichtspunkten entworfene Bauwerke. Diese dienen unter anderem der Abb. 2: Die Beschreibungstafel des Samrat Yantra Hauptbau ist ein Schattenwerfer in Form einer dreieckigen Rampe, 44m lang, 27m hoch, mit einer Treppe auf der Rampe, oben bekrönt von einem zierlichen pavillonartigen Aufsatz (Chatri). Das Chatri ist ein typisches Element rajputischer Architektur, wie man es auch an Palästen finden kann. Es wurde als Beobachtungspunkt benutzt, z.B. für die Windrichtung, Himmelsereignisse oder den Beginn des Monsuns etc. Zu beiden Seiten des Schattenwerfers befinden sich zwei Quadranten wie riesige marmorne Schwingen. Ein mit gravierten Skalen versehenes Marmorband schwingt sich auf den Unterbauten in eleganten Bögen von ca. 15m Halbmesser in die Höhe. Der Hauptzweck war die Bestimmung der Zeit nach dem Sonnenstand, also die Messung der täglichen Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Seite 5 je 30 Abschnitte zu je einer Minute, dann weiter in je 10 Abschnitte zu je 6 Sekunden und zuletzt noch einmal in je 3 Abschnitte zu je 2 Sekunden geteilt. Auf Grund der enormen Größe sollte die Sonnenuhr prinzipiell relativ genau sein - theoretisch, denn der breite Halbschatten auf Grund der Größe der Sonnenuhr macht der Ablesegenauigkeit einen Strich durch die Rechnung*): 1 Stunde entspricht ca. 4 m auf der Skala, 1 Minute ca. 6,7 cm, 2 Sekunden ca. 2 mm. Die Skalen sind jeweils am nördlichen und am südlichen Rand der Marmorflächen aufgetragen. Leider war es nicht möglich, Details genauer zu betrachten, da die Absperrungen und die aufmerksamen Aufseher das verhindern! Abb. 3: Der Schattenwurf auf Laghu Samrat Yantra Sonnenbewegung (an den Quadrantenflügeln), und die Messung der jährlichen Sonnenbewegung (durch Aufsuchen des Punktes entlang der Rampe, dessen Schatten auf den Skalenbogen fällt). Auf Grund der Eigenbreite des Schattenwerfers ist am Vormittag die westliche Außenkante des Gnomons maßgeblich, nachmittags die östliche Außenkante. Auf der Westskala laufen die Markierungen in einstündigen Abständen von 6 bis 12, auf der Ostskala von 12 bis 6. Ein Abschnitt einer Stunde ist erst in 2 Abschnitte zu je 30 Minuten, dann weiter in Im Nachhinein habe ich auch kritische Berichte gelesen über Maharadscha Sawai Singh’s „Besessenheit“, gleich 5 Observatorien zu bauen, mit Instrumenten in diesen Dimensionen, trotz besserem Wissen, dass es schon längst Fernrohre gab und kleinere Instrumente aus Metall, die genauere Ergebnisse lieferten! Darauf möchte ich hier nicht näher eingehen; auch wenn man den wissenschaftlichen Wert in Frage stellen kann, ist das Jantar Mantar für mich ein faszinierendes Bauwerk, das hinduistische und islamische Traditionen in sich vereinigt! Und für den einen oder anderen Besucher ist es ein Anlass, sich auf die Beschäftigung mit Himmelsmechanik einzulassen! *) Vgl. die Betrachtungen zum Ablesen im Halbschattenbereich auf Seite 15 in diesem Heft. Die Monduhr auf Muottas Muragl Fred Bangerter, Faulensee, Schweiz Die im letzten Rundschreiben vorgestellte Präzisions-Sonnenuhr auf Muottas Muragl „funktioniert" mit der Sonne nur von der Frühjahrs- bis zur Herbst-Tagundnachtgleiche. In der kalten Jahreszeit kann aber der Mond, der dann mit großer Deklination hoch am Himmel steht, die Rolle der Sonne übernehmen. Aus der Benützungsanleitung der Sonnenuhr sei hier nachgetragen, wie diese Funktion realisiert ist. Wie funktioniert die Monduhr? Via Mond scheint für uns die Sonne letztlich auch nachts; der Mond reflektiert das Sonnenlicht. Ist die jeweilige Position des Mondes im Vergleich zur Sonne bekannt, kann von der Position des Mondes auf jene der Sonne zurückgeschlossen werden. Auf indirektem Weg zeigt die Uhr so auch nachts die Sonnenzeit an. Der Positionsdifferenz zwischen Mond und Sonne kann an der Monduhr SINE SOLE SILEO über eine entsprechende Zeitkorrektur Rechnung getragen werden. Für eine sehr genaue Zeitablesung wird noch ein zusätzlicher Aspekt berücksichtigt: Mond und Sonne „wandern“ mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Deshalb verändert sich die Positionsdifferenz zwischen Mond und Sonne auch im Lauf einer einzigen Nacht merklich. Mit einer entsprechenden Zusatzkorrektur kann an der Monduhr SINE SOLE SILEO die aktuelle Uhrzeit nachts über den Mondschatten mit einer Genauigkeit von ½ bis 1 Minute abgelesen werden. Zum Einstellen der Zeitkorrektur und zum Ablesen der Uhrzeit auf der Skala der Monduhr ist natürlich eine Taschenlampe unerlässlich. Von der Stärke des Schattens her sind im Winterhalbjahr zur Zeitablesung besonders geeignet die Vollmondnächte sowie die vier Nächte zuvor und danach. Zudem muss der Mond genügend hoch stehen (Neigung des Zifferblatts 43,5°). Seite 6 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 schätzen Sie ab). Wird die Zeit zwischen 18 und 24 Uhr abgelesen, stimmt die an der Monduhr abgelesene Zeit bis jetzt auf mindestens 7 Minuten genau oder genauer (im Mittel aller zwischen 18 und 24 Uhr möglichen Ablesungen auf 2 ½ Minuten genau). Wollen Sie bei Ihrer Zeitablesung eine Abweichung von der effektiven Uhrzeit von weniger als 1 Minute erreichen, dann fahren Sie mit den Schritten 4 und 5 fort. Abb. 1: Beispiel: Die Zeitkorrekturtabelle für den Januar 2014 Im Folgenden wird die Bedienungsanleitung für die Monduhr auf Muottas Muragl auszugsweise wiedergegeben. 1. Lesen Sie in der Zeitkorrekturtabelle für die heutige Nacht die „tot. correct.“ ab (Spalte 2). 2. Stellen Sie diese Zeitkorrektur an der Uhr ein, indem Sie den 12-Uhr-Strich der mittleren Scheibe an der Skala der untersten Scheibe auf den abgelesenen Wert einstellen (die Zehntelminuten zwischen zwei Minutenstrichen schätzen Sie ab; beachten Sie, dass 0,1 Minuten 6 Sekunden entsprechen, 0,5 Minuten somit 30 Sekunden). 3. Drehen Sie die oberste Scheibe, bis die Justierlinie (Linie auf der obersten Scheibe) genau in der Mitte des Lichteinfalls im Schattenbild erscheint. Dann lesen Sie am Ende der Justierlinie an der Skala der mittleren Scheibe die Uhrzeit ab (die Zehntelsminuten zwischen zwei Minutenstrichen Abb. 2: Auszug aus der Zusatzkorrekturtabelle 4. Lesen Sie in der Zeitkorrekturtabelle für die heutige Nacht die „correct. per 1 h“ ab (Spalte 3 oder 4): Liegt die zuvor an der Monduhr abgelesene Uhrzeit vor 21 Uhr, merken Sie sich den Wert in der Spalte „18-21h“ (Spalte 3). Liegt die an der Monduhr zuvor abgelesene Uhrzeit zwischen 21 und 24 Uhr, merken Sie sich den Wert in der Spalte „21-24h“ (Spalte 4). 5. Suchen Sie links außen in der Zusatzkorrekturtabelle (auszugsweise in Abb. 2 unten wiedergegeben; in der erwähnten Bedienungsanleitung ist sie vollständig enthalten) jene Uhrzeit, die der an der Monduhr abgelesenen am nächsten liegt. Nehmen Sie den Wert im Kreuzpunkt zwischen der entsprechenden Zeile und der Spalte mit dem abgelesenen Wert der Zeitkorrektur pro 1 Stunde und zählen Sie diesen Wert zu der an der Monduhr abgelesenen, genauen Uhrzeit hinzu oder von dieser ab. Das Ergebnis entspricht der aktuellen Uhrzeit. Für die Nächte, in denen der Mond erst relativ spät erscheint, sind unter „early morning“ (Spalten 5 und 6) zusätzlich die am Morgen früh (ungefähre Zeitspanne ca. 5:00 bis ca. 7:00 Uhr) einzustellende Zeitkorrektur (Spalte 5) sowie – für die oben erläuterten Schritte 4 und 5 – auch die Zeitkorrektur pro 1 Stunde (Spalte 6) vermerkt. Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Seite 7 Herleitung der Formeln für Sonnenhöhe und Sonnenazimut Herbert O. Ramp,Wien In der Literatur über Sonnenuhren1 werden oft die Formeln für Sonnenhöhe (Elevation2) und Sonnenazimut angegeben, ohne dass erwähnt wird, wie man zu diesen Formeln kommt. Auch birgt die numerische Auswertung in Excel wegen der nicht eindeutigen Umkehrbarkeit der Winkelfunktionen Fehlerquellen, wenn man sich über die exakte Bedeutung der Größen in den Formeln nicht im Klaren ist. Im Folgenden werden die Formeln hergeleitet. Insbesondere wird der Zusammenhang zwischen dem Horizont-System und dem „festen" (mit dem Standort verbundenen) Äquator-System aufgezeigt. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei eingangs die in diesem Beitrag verwendete Nomenklatur festgehalten: Horizont-System: φ geographische Breite des Beobachterstandorts x weist nach Süden y weist nach Westen, bildet mit x und z ein linkshändiges Koordinatensystem z weist zum Zenit x und y spannen die Ebene des Horizont-Großkreises auf; im Horizont-System sind die folgenden sphärischen Koordinaten (Winkel) definiert: a Azimut a = 0°: Süden, a = +90°: Westen, a = -90°: Osten *) h Höhe (Elevation2, der Winkel über der Horizontebene, unter dem ein Objekt erscheint) h = 0°: örtlicher Horizont, h = +90°: Zenit, h = -90°: Nadir *) Das Azimut wird hier, dem Lauf der Sonne folgend, im Uhrzeigersinn gezählt: Süden (a = 0°), Westen (a = 90°). Äquator-System: ξ liegt in der Äquatorebene und in der Meridianebene des Beobachters η weist nach Westen, bildet mit ξ und ζ ein linkshändiges Koordinatensystem ζ weist zum Himmelspol ξ und η spannen die Ebene des Äquator-Großkreises auf; im Äquator-System sind die folgenden sphärischen Koordinaten (Winkel) definiert: τ Stundenwinkel (der Sonne) τ = 0°: örtlicher MIttag, τ = -90°: 6:00 Uhr, τ = +90°: 18:00 Uhr δ Deklination (der Sonne) δ = 0°: Äquator, δ = +23,44°: Sommersonnenwende, δ = -23,44°: Wintersonnenwende Herleitung der Formeln Es sei eine Kugel mit Radius = 1 und ein Punkt P0 auf ihrer Oberfläche gegeben. Die Position des Punktes P0 ist im Horizont-System gegeben durch: (1a,b,c) wobei der Radius des Horizontalkreises bei der Höhe h ist. Die Position von P0 bei Verwendung des Äquator-Systems ist - ganz ähnlich: (2a,b,c) wobei der Radius des „Breitenkreises" bei der Deklination δ ist. Nun wird die Beziehung der beiden Systeme zueinander hergestellt, und zwar durch Drehung der Nord-SüdAchse des Äquator-Systems in die Zenit-Nadir-Achse des Horizont-Systems (geographische Breite φ) um den Seite 8 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Winkel 90°-φ um die den beiden Systemen gemeine y- bzw. η-Achse; hier die Koordinatentransformation: (3a,b,c) das ergibt mit (1) und (2), ausmultipliziert und unter Verwendung von usw.: (4a,b,c) (4b) folgt auch aus dem Sinussatz, (4c) ist der Seitenkosinussatz der sphärischen Trigonometrie. MIt (4c) und (4a) kann man sofort hinschreiben: *), (5) , *) wegen (6) einzufügen. ist in (5) die Signum-Funktion Bem.: sign(τ) kann bei numerischen Auswertungen ein Problem bei τ = 0° ergeben, allerdings nicht hier in (5) und (7). Der Trick τ = 10-6 (oder eine andere kleine Zahl) löst aber das Problem. Mit aus (4c) erhält man noch (7) Aus (4b) ergibt sich auch (8) . Hier ist wegen eine Mehrdeutigkeit zu beachten; dies entfällt bei der numerischen Auswertung (10a), wenn man mit aus (4b) und aus (4a) in (9) einsetzt und nach Kürzen durch die folgende Formel verwendet: (10) Bei Gleichungen mit trigonometrischen Funktionen muss man mit Mehrdeutigkeit rechnen. Bei (10) kann durch Verwendung von arctan2 (das ist die Bezeichnung einer speziellen Form von arctan in Computersprachen) diese Mehrdeutigkeit behoben werden: In FORTRAN 77–Syntax: in BASIC II–Syntax: in Excel 2007–Syntax: ATAN2(Y,X); ATN2(Y,X); ATAN2(X;Y) auf Computern mit US-Betriebssystem, bzw. ARCTAN2(X;Y) auf Computern mit europäischem Betriebssystem Wir schreiben (10) noch in der Excel-Syntax nieder: a = ATAN2(COS(TAU)*SIN(PHI)-TAN(DELTA)*COS(PHI);SIN(TAU)) (10a) Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Seite 9 Die untenstehenden Diagramme sollen veranschaulichen, welche Fehler passieren können, wenn man sich nicht der Tücken gewahr ist, die die Formeln wegen ihrer Mehrdeutigkeit bergen. Bei (5), (7) wird die Mehrdeutigkeit durch sign(τ) behoben, (10) und (10a) verwenden h nicht. Diagramme Die Diagramme zeigen das Verhalten von a entsprechend den verschiedenen Formeln. In allen Fällen ist φ =48° und δ = 23.44°: Literatur: A. Zenkert, Faszination Sonnenuhr, S 67. A.E. Waugh, Sundials, pg. 139. R.R.J. Rohr, Sundials, pg. 35 Anm. d. Red.: Der Autor war lange Jahre beruflich in den USA im Bereich Radartechnik tätig: Da unterscheidet man genau zwischen dem Begriff „Höhe" (Altitude), der eine Höhe als Längenmaß, nämlich als eine Erhebung (über Grund) bezeichnet, und dem Begriff „Elevation", womit der Höhenwinkel zu einem Objekt über der Horizontebene gemeint ist. In der Gnomonik ist man anderseits damit vertraut, unter „Höhe" (z.B. der Sonne) den Winkel über der Horizontebene zu verstehen. „Elevation" findet man jedoch neben „Höhe" auch in der Astronomie als Bezeichnung des Winkels, unter dem ein (Himmels-) Objekt über der Horizontebene gesehen wird. 2 Späte Berichtigung durch die Redaktion Dank der Aufmerksamkeit unseres Mitglieds H. O. Ramp wurden wir auf Unstimmigkeiten im Rundschreiben Nr. 6, in der Anfangszeit unserer Arbeitsgruppe, hingewiesen. Auf Seite 14 wird das Azimut positiv von Süden über Westen nach Norden gezählt, negativ von Süden nach Osten. Dem wird in den Formeln auf Seite 15 nur in (12) entsprochen. In den anderen Formeln von (7) bis (20) wird das Azimut im Uhrzeigersinn von Norden weg gezählt. Das ergibt geänderte Vorzeichen für cos (a), denn cos (180°- a) = - cos (a). Auf einem Irrtum beruht die Formel (10). Sie ist zu streichen. Seite 10 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Die Anker-Sonnenuhr von Bützow Arnold Zenkert, Potsdam Diesmal komme ich mit einem Beitrag über eine etwas ausgefallene Sonnenuhr. Über die historische Sonnenuhr von 1765 in Bützow ist ein Beitrag von mir im Rundschreiben Nr. 39 erschienen. In Bützow ist die Begeisterung für Sonnenuhren groß, so dass es im Umkreis der Stadt bereits 12 Sonnenuhren gibt. Abb. 3: Das Schild an der Ankersonnenuhr mit dem Motto und mit näheren Angaben über ihre Herstellung. Navigation ist es die Sonne. Diese gegenseitige Beziehung bot sich an, auf dem Anker eine Sonnenuhr zu errichten. Abb. 1: Das Modell der Ankersonnenuhr In der kleinen Stadt Bützow am Warnowfluss, Mecklenburg-Vorpommern, war einst ein Hafen, von dem aus die Waren nach Rostock befördert wurden. Aus längst vergangener Zeit stammt ein 2 m großer Anker, der jahrzehntelang unbenutzt herumlag. Für die Schifffahrt ist ein Anker unentbehrlich, für die Am 8. November 2012 wurde in der neu errichteten Anlage am alten Hafen die Anker-Sonnenuhr aufgestellt. Der um 10° nach Nord geneigte Anker wurde mit einer inklinierenden vertikalen Süduhr versehen. Die Berechnung der Stundenlinien (WOZ) erfolgt in diesem Fall deshalb mit einer um 10° größeren geografischen Breite. Die Koordinaten für Bützow: 53° 50' 45" Nord, 11° 57' 19" Ost. Die Ortszeitdifferenz in Bützow beträgt demnach -12 min. Im Halbkreis befindet sich eine Weltmittaguhr mit den Bezeichnungen von 11 bedeutenden Hafenstädten. Vielleicht sollte der Betrachter darüber nachdenken, ob alle Menschen in Calcutta oder Rio auch Abb. 2: Die Ankersonnenuhr kurz vor ihrer Vollendung Abb. 4: Der Autor bei der Einweihung (Lokalzeitung). Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Seite 11 ihr Mittagessen haben, und wie wir den dortigen Menschen helfen können. Wohl der Stadt, des Landes und der Menschheit einzusetzen. Der Anker ist unsere Hoffnung: ANCORA SPES NOSTRA. An der Ankerstange sieht man das schöne Stadtwappen mit Mitra und gekreuzten Bischofsstäben. Bützow war vier Jahrhunderte hindurch bis zur Reformation Bischofssitz. Ob man unter dem Krummstab gut leben konnte, mögen die Historiker entscheiden. Arnold Zenkert ist nicht mehr unter uns. Wir wollen sein Wirken im nächsten Rundschreiben würdigen. Der Anker als Symbol der Hoffnung soll uns mahnen, uns für Gerechtigkeit und Menschenwürde, für das Wasseruhr und Klepsydra Jérôme Bonnin, Lille In der griechisch-römischen Antike dienten Wasseruhren neben Sonnenuhren der Anzeige von Stunden der Tage und Nächte. Zu einer möglichst genauen Bestimmung kürzerer Zeitabschnitte gab es die Klepsydren. An literarischen Dokumenten wird gezeigt, dass Wasseruhr und Klepsydra verschiedene Begriffe waren. Der Name „Klepsydra“ [κλεψύδρα] ist griechisch, der Etymologie nach bedeutet er „Wasserdieb“. Das rührt von einem alten Behelf zur Entnahme von Flüssigkeiten aus großen Behältern her (6. Jh. v. Chr.). Später diente dieser Behelf zum Bestimmen gewisser Zeitspannen. Im 5. Jh. v. Chr. wurde die Klepsydra an Gerichtshöfen benützt, um die Sprechzeit der Redner zu begrenzen.1 Wir haben zahlreiche alte Texte darüber, hier zwei Beispiele aus Stücken von Aristophanes (5. Jh. v. Chr.): allen Menschen ist er der mit der größten Begeisterung für das Gericht. Laienrichter zu sein ist seine Leidenschaft, und er stöhnt, wenn er nicht auf dem ersten Platz sitzt. Bei Nacht schließt er kein Auge, und wenn er doch kurz einschläft, verfolgen ihn die Gedanken an die Klepsydra.“3 „Ist das nicht ein Skandal? Was! Die Klepsydra soll den weißhaarigen Veteranen besiegen, der sich in grausamer Schlacht mit Ruhm bedeckt, dessen Mut bei Marathon das Land gerettet hat?“2 Das Wort Klepsydra wurde bald gleichbedeutend mit „Gerichtshof“ verwendet, ein Beweis für den alltäglichen Gebrauch des Instruments. Im zweiten Beispiel geht es um einen Mann, dem an dem Entgelt für seine Tätigkeit als Schöffe gelegen ist: „Ich will dir sagen, was unserem Herren fehlt: Von Abb. 2: Zeichnung der Klepsydra in Athen5 Am Beginn des 5. Jh. v. Chr. ist die Verwendung der Klepsydra mit der Entwicklung der Demokratie verbunden. Das ist durch ein Fragment der athenischen Verfassung belegt. Der genannte Text beschreibt kurz die benützten Instrumente. Es waren Klepsydren mit kleinen Rohren zum Ablassen des Wassers. Sie wurden entsprechend der Länge einer Zeitdauer gefüllt. Eine Person an der Klepsydra musste immer dann, wenn um eine Pause gebeten wurde, das kleine Rohr mit einem Finger verschließen.4 Abb. 1: Rekonstruktion einer athenischen Klepsydra5 Der Glücksfall einer Entdeckung zu Beginn des 20. Jh. hat es uns ermöglicht, Form und Eigenart eines dieser Objekte kennen zu lernen.5 Das Instrument Seite 12 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Der Text der athenischen Verfassung besagt, dass in Privatprozessen zwei „Kannen“ für die zweite Rede zugelassen waren, wenn es um Summen von bis zu 5000 Drachmen ging, sieben „Kannen“ für die erste Rede. (Fünf „Kannen“ waren es für kleinere Beträge bis zu 1000 Drachmen.) Es gab verschiedene Klepsydren an den Gerichtshöfen, je nach der Wichtigkeit der Angelegenheiten: die einen für die ersten Plädoyers, die anderen für die zweiten, schließlich eine kleine für die Urteilsverkündung. Wie Gewichte und Maße wurden Modelle dieser Klepsydren in einem Tholos (einem Rundbau) aufbewahrt. Das Instrument musste für alle sichtbar aufgestellt werden. Versuche mit nachgebauten Klepsydren zeigen, dass das Wasser während der ersten Minuten schnell ausfließt, bevor es wegen des abnehmenden Druckes ständig langsamer wird. Es war daher für die Redner leicht, den Ablauf der Zeit zu verfolgen, ebenso aber auch für die Zuhörerschaft. Abb. 3: Reste der Wasseruhr auf der Agora in Athen © J. Bonnin 2012 wurde unweit von Athen gefunden. Es ist ein Behälter aus gebranntem Ton mit gewölbtem Rand und zwei Henkeln. Eine höher gelegene Öffnung, unmittelbar unter dem Rand, diente als Überlauf. Durch eine Öffnung am Boden, in der ein kleines Rohr aus Bronze eingebaut ist, konnte Wasser in einen zweiten Behälter fließen (Abb.1 und 2). Innen ist das Gefäß wasserdicht glasiert, außen befindet sich die Inschrift „Antiochidos“, gefolgt von „XX“. Antiochidos ist der Name einer (politischen) Gruppierung in Athen, und XX steht für zwei „Kannen“, das heißt für 6,4 Liter. Nach der Rechnung von S. Young gestattete dieser Rauminhalt eine ununterbrochene Rededauer von sechs Minuten. Dann musste das Gefäß neu gefüllt werden. Der archäologische Kontext (das Umfeld des Fundes) gestattet, diese Klepsydra mit dem 4. Jh. v. Chr. zu datieren. Frühere Klepsydren dürften vermutlich die gleichen Eigenschaften gehabt haben. An Wasseruhren wurde eine in Athen, eine zweite in Oropos gefunden (Abb. 3, 4, 5). Diese ersten erhaltenen Wasseruhren maßen die Zeit so wie Klepsydren durch das Ausfließen, vielleicht auch durch das Auffangen von Wasser. Aber die Verwendung war entschieden nicht dieselbe. Die Klepsydra maß kürzere Zeitabschnitte für die Dauer von Reden, die Wasseruhren gaben eine Vorstellung vom Verlauf der Stunden. Das übliche griechische Wort für Wasseruhr, horológion (Uhr, Stundenanzeiger), war das gleiche Wort wie das für eine Sonnenuhr. Wir kennen aber auch andere, genauere Bezeichnungen wie „hýdrion horoskopeíon“ (Wasseruhr, „Stundenwächter")7; nur bei Kleomedes8 und in einer Inschrift in Tyr ist „hydrológion“ belegt. In einigen Fällen, etwa wenn es in einem Gymnasium entweder Sonnen- oder Wasseruhren geben konnte, ist die Bezeichnung „skioú horológion“ (Schattenuhr) zu finden. Die meisten Texte unterscheiden klar zwischen einer Klepsydra und einer Wasseruhr. Manchmal lässt sich eine Vermengung der Begriffe auflösen, so bei Athenaeus Deipnosophistae (um 200 n. Chr.). Über die Wasserorgel sagt Athenaeus: Abb. 4: Oropos. Reste der Wasseruhr im Tempel6 „Angeblich machte Plato eine Uhr für die Nacht in der Art einer Wasserorgel, ziemlich ähnlich einer sehr großen Klepsydra. Und wirklich, die Wasserorgel scheint eine Art von Klepsydra zu sein.“9 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Seite 13 für Wasseruhr „aqua horologium“ anstelle von „Klepsydra“ verwendet. Anders als Perraut war sich Vitruv des Unterschiedes wohl bewusst! Wir dürfen also Eintragungen über Wasseruhren und Klepsydren in Wörterbüchern und Lexiken nicht unbesehen hinnehmen. Eines der Ziele der Archäologie ist es, uns Einblicke in Leben und Denkweisen vergangener Zeiten zu ermöglichen. Literatur: 1 2 3 4 5 6 Abb. 5: Plan der Wasseruhr in Oropos 6 7 8 Athenaeus kennt den Unterschied zwischen einer Wasseruhr und einer Klepsydra sehr genau. Er ist Grieche und mit den Gerichtsbräuchen vertraut. Es gab zu seiner Zeit aber nur wenige große Wasseruhren, Prestigeobjekte, die nur in großen Städten zu finden waren. Daher vergleicht er die Wasseruhr mit einer „sehr großen“ Klepsydra. 9 10 J. Lipsius, M. Meier, G. Schönmann: Das Attische Recht und Rechtsverfahren mit Benutzung des Attischen Processes. Leipzig, 1905-1925, p. 910 Aristophanes: Die Acharner Aristophanes: Die Wespen Const. Ath., 67-2 S. Young: An Athenian Klepsydra. Hesperia 8, 1939, S. 274 ff. J.-McK. Camp, J. E. Armstrong: Notes , Hesperia 46, 1977, S. 147 ff. Heron von Alexandrien: Pneumatik und Hydraulik Cleomedes: De motu Athenaeus Deipnosophistae, IV, 174b A. G. Drachmann: Ktesibios, Philon and Heron. Copenhagen 1948 In einem Text aus dem 5. Jh. n. Chr., er stammt von Sidonius Appolinaris, werden die Begriffe Klepsydra und Wasseruhr nicht voneinander unterschieden. Dieser Autor ist kein Grieche. In allen anderen lateinischen Texten wird das Wort Klepsydra nur in Texten über Gerichte verwendet. Für Wasseruhren gibt es Ausdrücke wie „Aqua horologium“ etc. (Vitruv, Plinius). Cassiodoros, 6. Jh. n. Chr., unterschied die beiden Begriffe sehr wohl. Der Aufsatz ist ein Auszug aus der Dissertation von Dr. Jérôme Bonnin, ergänzt nach Mitteilungen des Autors. Der Titel der Dissertation ist: Diese Beispiele zeigen, dass in den antiken Texten das Wort Klepsydra kein Synonym für das Wort Wasseruhr war. Die alten Autoren waren sich der verschiedenartigen Verwendung dieser Geräte bewusst. Die Klepsydra misst wie eine Stoppuhr die Dauer von Zeitspannen, die Wasseruhr folgt dem Verlauf der Tage (und Nächte). Die ersten Wasseruhren wurden im Lauf der Zeit zu ausgeklügelten Vorrichtungen weiter entwickelt, von denen Beschreibungen, aber kaum Funde erhalten sind.10 Doktorvater war Herr Prof. Javier Arce von der Universität 3 Lille. Jérôme Bonnin arbeitete vier Jahre lang an seiner Dissertation, reiste und sammelte mit großer Sorgfalt Daten, die er dann auf 510 Seiten zu einem Bild des antiken Lebens zusammenfügte. Dem Text ist ein Katalogteil von 800 Seiten angeschlossen. In der modernen Literatur wird der Unterschied der Begriffe „Wasseruhr“ und „Klepsydra“ kaum beachtet. Wie auch in anderen Fällen bezieht sich ein Autor auf den anderen, ohne auf die Ursprünge zurück zu gehen. Im 17. Jh. wundert sich Perraut, dass Vitruv Anmerkung des Übersetzers: Horologia Romana. Recherches archéologiques sur les instruments de mesure du temps à l’époque romaine. Étude typologique, urbanistique et sociale (Römische Zeitmesser. Archäologische Untersuchungen über Zeitmessgeräte zur Zeit der Römer. Studie über Typen, Einsichten in das städtische Leben und die sozialen Verhältnisse) Im Jänner 2010 hatte Jérôme Bonnin auch in den Wiener Museen und Bibliotheken geforscht. Am 5. April 2012 verteidigte er erfolgreich seine Dissertation vor fünf Universitätsprofessoren und Denis Savoie, dem Vorstand der Astronomisch-Astrophysikalischen Abteilung des „Palais de la Découverte“ (Paris). Walter Hofmann Seite 14 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Zum Nachdenken - mal drei Kurt Descovich und Walter Hofmann, Wien Die erste Aufgabe sollte ein „g'standener" Gnomoniker leicht lösen können; eine kleine Falle ist eingebaut. Die zweite und die dritte Aufgabe stammen aus einer kleinen Fragensammlung unseres Mitglieds Hans Kolar. Aufgabe Nr. 1: Er bricht am 21. April zu seiner Reise auf und bewegt sich konstant mit 6 km/h. Zum Nachdenken: 1. 2. Kann er mit dieser Methode den Südpol erreichen? Wo befindet er sich nach dem ersten Tag? Aufgabe Nr. 3: Ist es möglich, eine Sonnenuhr aus Moskau (geogr. Länge λ = -37,58°, Breite φ = 55,75°) mit einer Deklination des Zifferblattes von -20° und einer Inklination von 75°, die die wahre Ortszeit des -45ten Längengrades (Bezugsmeridian GMT +3) anzeigt, in Wien (geogr. Länge λ = -16,37°, Breite φ = 48,20°) so aufzustellen, dass sie die wahre Ortszeit des -15ten Längengrades (Bezugsmeridian GMT +1) anzeigt? Zum Nachdenken: Wenn ja, wie groß sind dann die neue Deklination und Inklination des Zifferblattes der Sonnenuhr in Wien? Erläuterung: Sagt der eine Pinguin zum anderen: „Komm, es ist bald 12 Uhr, gehen wir nach Hause zum Mittagessen!“ Üblicherweise wird die Lage eines ebenen Zifferblattes durch Azimut und Höhe (Elevation) einer vom Zifferblatt weg weisenden Richtung angegeben. Für dieses besondere Azimut werden dann die Begriffe „Deklination“ oder „Deviation“ verwendet, wobei „Deklination“ von der gleichnamigen Koordinate des Äquatorsystems zu unterscheiden ist. Auch „Abweichung (von der Südrichtung)“ ist eine mögliche Aufgabe Nr. 2: Bezeichnung. Die „Inklination“, die Neigung der ZifferEin Eisbär (ein gewöhnlicher, nicht ein abgehärteter blattebene gegen die Waagrechte, ist der Ergänzungswinkel aus dem Waldviertel) wohnt genau am Nordpol; er ist der oben genannten Höhe auf 90°. Zum Nachdenken: Was ist falsch? des kalten Wetters überdrüssig und hat gehört, dass Anschaulich wird die Inklination im Glossar der British es im Süden wärmer sei. Am Südpol, so überlegt er, Sundial Society als Winkel zwischen der Rückseite einer müsste es also besonders warm sein! Da er über Zifferblattebene und einer waagrechten Ebene erklärt. keine technischen Navigationsgeräte verfügt, denkt er: Auf Seite 13 von Rundschreiben Nr. 6 wurde der Winkel „Da die Sonne von mir aus gesehen im Süden steht, zwischen der Zifferblattebene und der Richtung zum Zenit gehe ich einfach immer in Richtung Sonne. Irgend- als Inklination bezeichnet. Wir schließen uns dieser Festsetzung nicht an. wann werde ich dann schon am Südpol ankommen.“ An die Redaktion eingesandte Lösungen werden zum Herunterladen auf einem Server bereitgestellt. Besonders originelle Lösungen werden wir im nächsten Rundschreiben zur Ergötzung der Leser bringen. Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Seite 15 Trügerischer Halbschatten Kurt Descovich, Wien Die Eigenart unseres Helligkeitsempfindens kann beim Betrachten des Übergangs vom Kernschatten zu vollem Licht bei Sonnenuhren mit von größeren Flächen begrenzten Schattenwerfern zu Ablesefehlern führen, deren sich der Konstrukteur bei der Herstellung der Skala bewusst sein sollte. Wolfgang Frolik bemerkt in seinem Bericht über die Äquatorialsonnenuhr Samrat Yantra in Jaipur (S. 5 in diesem Heft) zu Recht, dass die veröffentlichten Angaben über die theoretische Ablesepräzision von etwa 2 Sekunden mit Vorsicht zu betrachten sind („... denn der breite Halbschatten auf Grund der Größe der Sonnenuhr macht der Ablesegenauigkeit einen Strich durch die Rechnung ..."). Zur Illustration sei hier das im kreisförmigen Ausschnitt kontrastbetonte Bild des Schattenübergangs bei der Sonnenuhr Laghu Samrat Yantra gezeigt; Schattenstäbe oder Lichtritzen werfen - vom Übergang des Kernschattens zu vollem Licht her betrachtet - weitgehend symmetrische Schatten- oder Lichtbilder auf die Skalenfläche von Sonnenuhren. Die mittige Lage solcher Schatten- oder Lichtfiguren relativ zu den Skalenlinien einer Sonnenuhr kann mit unserem geometrischen Empfinden für die symmetrische Lage sehr präzise beurteilt werden. Dies macht sich beispielsweise Fred Bangerter bei seiner Präzisionssonnenuhr auf Muottas Muragl (s. GSA-Rundschreiben Nr. 44, S. 6) zunutze, indem er die Übereinstimmung des schmalen, von seiner Lichtritze auf die Skala geworfenen Lichtbandes mit dem gravierten Skalenstrich mit einer Genauigkeit von wenigen Sekunden feststellen kann. Anders verhält es sich, wenn die Schattengrenze eines größeren Körpers auf der Skala der Sonnenuhr mit dem Übergang vom beschatteten zum voll beleuchteten Bereich die Stelle markiert, an der abzulesen ist. Hier haben wir keine symmetrische Form der Licht-Schattenfigur vorliegen, sondern den einseitigen Übergang von einem großflächigen Schattenbereich auf einen hell beleuchteten. Durch die scheinbare Größe der Sonnenscheibe von etwa 0,5° und ihre Kreisform wird ein Verlauf dieses Übergangs von „dunkel" zu „hell" erzeugt, bei dem wir gefühlsäßig nicht die „durch die Geometrie vorgegebene Mitte", sondern eine näher beim dunklen Ende des Halbschattens liegende Stelle als die „richtige" für die Ablesung empfinden. Die Abweichung beträgt - ziemlich unabhängig von der Größe der Sonnenuhr - etwa 0,17°, was einem Zeitfehler von ungefähr 40 Sekunden entspricht. Hinzu kommt noch noch, insbesondere bei großen Sonnenuhren und bei nicht ganz gleichmäßiger Textur der Skalenfläche, eine gewisse Unsicherheit, mit der wir die Lage des für unser Empfinden „richtigen" Ortes der Halbschattenmitte einschätzen. Abb. 1: Schattengrenze an der Skala der Äquatorialsonnenuhr Laghu Samrat Yantra (leider nur als unscharfes Bild verfügbar) auch diese Uhr befindet sich im Jantar Mantra. Die durch die Pfeile markierten Skalenstriche liegen 5 Minuten auseinander, und es ist unschwer zu erkennen, dass die Ableseunsicherheit bei einem solchen Schattenbild mindestens in der Größenordnung von 20 Sekunden liegen muß. Seite 16 Nun zur (einfach gehaltenen) physikalischen Betrachtung: Wir betrachten Punkte auf der Skalenfläche, von denen aus gesehen die Sonnenscheibe verschieden weit vom Schattenwerfer abgedeckt ist: Abb. 2: Zur Berechnung der Beleuchtungsintensität im Halbschatten Eine geometrische Betrachtung liefert für den Intensitätsverlauf im Halbschattenbereich die Beziehung In einem auf 1 normierten Diagramm stellt sich dies so dar: Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Schritten" (nämlich logarithmisch 2-1-0) genau widerspiegelt. Unser Gehörsinn und unser Tastsinn sind in bezug auf den Schalldruckpegel und auf mechanischen Druck ganz ähnlich organisiert. Was fangen wir nun mit dieser Erkenntnis an? Wir versuchen zu berechnen, wo wir bei einem Übergang von Dunkel zu Hell die „Mitte" empfinden. Dazu müssen wir wissen, in welchem Helligkeitsverhältnis auf einer Fläche der im Kernschatten eines Schattenwerfers liegende Bereich zu dem voll von der Sonne beleuchteten steht. Dieser Wert liegt in der Größenordnung von 1% (diese Zahl hängt, genau besehen, von einigen Faktoren ab, unter anderem von der Opazität der Luft, also von ihrem Staub- und Dampfgehalt, weiters von der Geometrie der Sonnenuhranordnung - nämlich davon, wieviel „Himmel" eine beschattete Stelle der Skalenwand „sieht"; es ist müßig, sich hier um präzise Angaben zu bemühen, die von der Wirklichkeit schnell ad absurdum geführt würden. Wir wollen daher den geschätzten Wert von 1% als für unsere Betrachtung maßgeblich akzeptieren). Wenn wir nun unser Diagramm (Abb. 3) logarithmisch auswerten, das Dunkel-Hell-Verhältnis mit 1% annehmen und den voll beschatteten und den voll beleuchteten Bereich links und rechts noch etwas ausdehen, bekommen wir die folgende Darstellung (Abb. 4; der Halbschattenübergang liegt hier zwischen den Werten -1,00 und +1,00 auf der horizontalen Skala, die Grauwerte sind einem Foto einer Sonnenuhr bei Schönwetter entnommen): Abb. 3: Das ausgewertete Integral (1) Bisher haben wir die Sache geometrisch betrachtet. Nun berücksichtigen wir aber in dieser Betrachtung unser „logarithmisch" arbeitendes Sinnesempfinden; damit ist gemeint, dass wir beim Tasten, Sehen und Hören Signalstärken, die im gleichen Verhältnis zueinander liegen, als gleich weit auseinanderliegend abgestuft empfinden. Wenn wir beispielsweise drei Sterne A, B und C betrachten, deren physikalisch gemessene Helligkeiten die Werte 100, 10 und 1 haben (A leuchtet also 10 mal so hell wie B, und B seinerseits 10 mal so hell wie C), dann scheinen nach unserem Empfinden die Sterne A und B gleich weit in der Helligkeit auseinanderzuliegen wie die Sterne B und C. Wenn wir die Zahlen 100, 10 und 1 logarithmieren, erhalten wir die Werte 2, 1 und 0, was die gefühlsmäßig empfundene Abstufung „in gleichen Abb. 4: Empfundene (links) und geometrische Halbschattenmitte Beim Ort der „logarithmischen Mitte" (in diesem Diagramm beim Wert 0,5 auf der senkrechten Skala) liegt die „empfindungsmäßige Mitte" des Halbschattens (durchgezogener Pfeil), während die „geometrische Mitte" (hier in der Mitte der horizontalen Skala bei Null, strichlierter Pfeil), auf die der Sonnenuhrkonstrukteur meist seinen Skalenstrich setzt, doch deutlich davon abweicht - nämlich, wie bereits weiter oben erwähnt, um etwa 0,17° oder 40 Sekunden. Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Seite 17 Was folgt daraus für den Konstrukteur? Eine ganz einfache Regel: Ausgehend von der Lage des Sonnenmittelpunkts sind die ermittelten Positionen der Skalenstriche für Zeitpunkte zu berechnen, die nicht genau mit z.B. der vollen Stunde übereinstimmen, sondern um 0,17° oder 40 Sekunden näher bei der Mittagsmarke liegen. Hier eine mögliche Konstruktionsanweisung: - Berechne die Position der Skalenlinien für die vorgesehenen Zeitmarken durch geometrische Projektion der Schattenkante vom Sonnenmittelpunkt auf die Skalenfläche. - Verschiebe die so berechneten Skalenlinien durch Verdrehung der Projektionsebene um die Schattenkante um den Winkel von 0,17° in Richtung Mittagslinie. Oder - nach Maßgabe der verfügbaren Tabellen oder Berechnungsprogramme vielleicht einfacher: - Berechne die Projektionen für Zeitpunkte, die am Vormittag um 40 Sekunden später, am Nachmittag um 40 Sekunden früher liegen als die Zeitmarken, die zu den Skalenstrichen geschrieben werden. Eine so konstruierte Sonnenuhr wird um 40 Sekunden genauer gehen als eine, bei der man die hier vorgestellten Überlegungen nicht beherzigt. Bei der Riesensonnenuhr Samrat Yantra mit 15 m Skalenradius macht diese Korrektur immerhin eine Verschiebung der Skalenlinien um ca. 44 mm aus, womit die von der lokalen Werbung kolportierte Ablesegenauigkeit von 2 Sekunden wohl widerlegt sein dürfte. Eine Sonnenuhr aus Lindenholz in Kerbschnitt-Technik Ernst Heissenberger, Ternitz - St. Johann, NÖ; Walter Hofmann, Wien Künstlerische Gestaltung Ausführung Ernst Heissenberger und handwerkliche In der Pension habe ich mit dem Schnitzen begonnen. Die Technik erlernte ich in Schnitzkursen des WIFI St. Pölten und beim Holzbildhauer Felix Gravogel im Kreativdorf Hohenberg (Bezirk Lilienfeld). In Elbigenalp, Tirol, besuchte ich einen Kurs über das Beizen und Kolorieren in der Schnitzschule GeislerMoroder. Immer schon hatte ich den Sternenhimmel betrachtet, aber erst vor wenigen Jahren wurde ich Mitglied des Österreichischen Astronomischen Vereins. Ich begann, mich mit Sonnenuhren zu beschäftigen, und dachte, ich könnte doch eine Sonnenuhr schnitzen. Ich trat der Arbeitsgruppe Sonnenuhren bei. Herr Prof. Hermann Mucke stellte mir die Unterlagen des Sternfreundeseminars 1991 über Sonnenuhren zur Verfügung und riet mir, mich an Herrn Mag. Walter Hofmann zu wenden. Für das Anbringen der Sonnenuhr bot sich der Wandstreifen oberhalb des Garagentors in meinem Garten Abb. 1: an. Die Wand ist lotrecht und unge- fähr nach Süden gerichtet. Bei zwei Besuchen ermittelte Herr Hofmann mit verschiedenen Schattenbeobachtungen die genaue Wandrichtung. Die geographischen Koordinaten las ich von einem GPS-Gerät ab. Ich hatte mir das Buch „Sonnenuhren. Eine Anleitung für Handwerker und Liebhaber“ von Heinz Schumacher besorgt und konstruierte das Zifferblatt zunächst mit den Methoden der Darstellenden Geometrie. Später berechnete Herr Hofmann die Stundenlinien des Zifferblattes und verbesserte die Genauigkeit der Konstruktion. Stillleben mit Entwürfen, Schnitzwerkzeug, Holzteilen und dem SonnenKaffeehäferl! Seite 18 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Dem zur Verfügung stehenden Platz entsprechend misst die Sonnenuhr 600 mm im Quadrat. Sie ist aus Einzelteilen zusammengesetzt. Diese können, wenn erforderlich, nachgefertigt werden. Zum Bild der lachenden Sonne wurde ich durch ein Kaffeehäferl angeregt (Abb. 1). Abb. 2: Die fertige Vertikaluhr; λ = - 16°01’, φ = 47°43’, Südabweichung 4° Ost Die Wahre Ortszeit während der Dauer der Sommerzeit ist mit arabischen, während der Dauer der Normalzeit mit römischen Ziffern angegeben. Die Streifen mit den Zeitskalen werden von Sternzeichen, Jahreszeitsymbolen, den geographischen Daten und Abb. 4: Messung mit einem Lot; unten der Schnitzer, oben der Mathematiker einem selbst (Abb. 2). erdachten Sinnspruch umrahmt Ich strich die Sonnenuhr mit einer UV-beständigen Naturharzöl-Holzlasur. Die gewölbte Sonnenscheibe wurde ebenso wie der Zeiger gedrechselt, letzterer als verlängerte Nase der Sonne (Abb. 3). Das Sonnengesicht malte ein befreundeter Hobbykünstler, der Wimpassinger Manfred Schwegelhofer. Von Walter Hofmann kollegial beraten, hatte ich große Freude mit der Arbeit an meiner Sonnenuhr. Messen und Rechnen Walter Hofmann Auch ich beschäftigte mich einige Zeit mit dem Schnitzen und lernte die Begeisterung von Menschen für dieses Steckenpferd in einer Reihe von Kursen kennen. So war es für mich eine besondere Freude, dass mich Herr Heissenberger zur Mitarbeit an seinem Vorhaben einlud. Abb. 3: Werkzeichnung Zeiger mit stützendem Pyramidenstumpf Die Wandrichtung stelle ich mit Hilfe von Schattenbeobachtungen fest. Durch die Verschiedenheit der Stellen, an denen Sonnenuhren angebracht sind, ist für jede Sonnenuhr die beste Vorgangsweise geson- Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Abb. 5: Seite 19 Messen mit Lochscheibe, Wasserwaage und Funkuhr dert zu überlegen. Nach einigen Versuchen an der Garage von Herrn Heissenberger nutzten wir den Umstand, dass die Wand über und neben dem Garagentor in einer Ebene verläuft (Abb. 4). Wir hatten das Glück eines sonnigen und windstillen Tages, als ich eine Buchbinderlade auf einem Tisch an die Wand rückte. Die Lade besteht aus einem Reißbrett und einem Rahmen, der rechtwinklig zum Reißbrett fixiert wird. Sie dient zum Aneinanderheften der Lagen von Büchern. Wir haben sie zweckentfremdet. Schließlich berechnete ich für das Einstellen des Zeigers das Netz eines dreiseitigen Pyramidenstumpfes, der dann aus Karton angefertigt wurde (Abb. 6). Soviel ich weiß, hat auch Karl Schwarzinger mit Vorrichtungen aus Karton gearbeitet. Das Reißbrett wurde waagrecht gelegt und vom Rahmen eine Lochscheibe herab gehängt, von dieser ein Lot bis zu einem Blatt Papier auf dem Reißbrett. Damit gelang es sehr genau, den Winkel des Lotschattens mit einer zur Wand rechtwinkligen Linie festzustellen. An einer Funkuhr lasen wir die Zeit der Schattenmessungen ab (Abb. 5). Die Zeitangabe auf der Funkuhr ist in die Wahre Ortszeit umzurechnen. Aus dieser, der Deklination des Tages und der geographischen Breite des Standortes ergibt sich das Azimut der Sonne (s. Beitrag von H. O. Ramp auf Seite 7 in diesem Heft). Die Wandabweichung von der Südrichtung ist die Differenz zwischen dem Azimut und dem Winkel zwischen dem Lotschatten und der zur Wand rechtwinkligen Geraden. Abb. 6: Justieren des Zeigers entlang einer Kante des Pyramidenstumpfes. Der schief abgeschnittene Zeiger sitzt auf der Sonnenscheibe auf und wird mit einer Schraube fixiert. Herr Heissenberger, Diplomingenieur der Montanuniversität Leoben, war in der Ternitzer Firma Schoeller-Bleckmann in leitender Stellung tätig. Ich bin froh über die angenehme Zusammenarbeit und dankbar für die Gastfreundschaft im Haus des Ehepaares. Seite 20 Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013 Einladung zur Jahrestagung 2013 der GSA in Triest Peter Husty, Salzburg Für den Herbst 2013 ist wieder einmal eine „grenzüberschreitende" Jahrestagung geplant, und zwar in der Provinz Triest/Italien: „Sehnsucht Süden". Schon mehrfach fanden die Tagungen unserer Arbeitsgruppe jenseits der Grenzen statt, ich erinnere an die Treffen in Ungarn in Szombathely 1993 sowie in Kőszeg 2002, oder in St. Ulrich im Grödnertal 1995 und 2007 oder in Zernez in der Schweiz im Jahr 2010. Schon seit längerem plane ich mit Paolo AlberiAuber ein Treffen in oder in der Nähe von Triest, aber bisher kollidierten die Termine immer mit denen der italienischen Vereinigung, in der Paolo Alberi auch sehr aktiv tätig ist. Nun konnte ich ihn letztes Jahr doch dazu überreden, und unser Weg führt nun Richtung Süden. Reminiszenzen an die Vergangenheit könnten wach werden. Vielmehr sind es aber die Landschaft des Friaul und das Meer, die gleichermaßen nahe sind und besonders anziehend wirken, sowie die Sehenswürdigkeiten – Triest mit seiner historischen Altstadt und dem Hafen, das nahe gelegene Schloss Miramar oder der Rilke-Weg in Duino –, die faszinieren. Die Region des Karst und die Meeresküste, der Kontrast zwischen dem alpinen und dem mediterranen Klima, die so eng benachbart sind, das alles ist Grund genug, der „Sehnsucht Süden“ Genüge zu tun. „Sonnenuhrdorf“ besuchen – viele werden beides aus Besuchen oder aus der Literatur schon kennen, aber unser Ziel ist das gemeinsame Bestaunen der Vielfalt, der Meinungsaustausch vor den Originalen und das gemeinsame Erleben der Kultur, und dazu sind Sie herzlich eingeladen. Die Exkursion am Samstag wird die Kontraste verbinden, wenn wir in Aquileja die römischen Wurzeln finden, im Museum zahlreiche antike Sonnenuhren besichtigen können und in Aiello ein lebendiges Organisation und Information: Mag. Peter Husty, A-5411 Oberalm, Bayernstr. 8b, Tel +43 6245 73304, mobil +43 664 5069060, [email protected] Schloss Duino Datum: Freitag, 20., bis Samstag, 21. September 2013 Ort: Sistiana/Duino-Aurisina (Provinz Triest) (45.7710758, 13.6382775) http://www.comune.duino-aurisina.ts.it http:// www.triestetour.altervista.org/duino.htm Hotels: Tagungshotel: Hotel Eden, Sistiana 42 A, I-34011 Duino-Aurisina, Tel +39 040 290 7042, www.edensistiana.it 2. Hotel: Hotel Posta, Sistiana 51, I-34011 Duino-Aurisina, Tel +39 040 299103, www.hotelposta.ts.it Schloss Miramar