Rundschr. 45 - Gnomonica.at

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Rundschr. 45 - Gnomonica.at
 sonne
Rundschreiben der
Arbeitsgruppe Sonnenuhren
im Österreichischen
Astronomischen Verein
zeit
Sonnenuhr-Giganten:
Jantar Mantar in Jaipur,
Rajasthan
Nr. 45
GNOMONICAE
SOCIETAS
AUSTRIACA
Juni 2013
Anno MXM condita Seite 2
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Liebe Freunde,
liebe Interessierte,
in diesem Schreiben müssen wir
auf das Ableben von drei
Freunden und Sonnenuhrbegeisterten hinweisen, die oft
auf unseren Tagungen dabei
waren und uns im Austausch, im
Kontakt, mit ihrem Wissen und
Ihrer Erfahrung fehlen werden – ich darf diesen
Sonnenuhrspruch hinzufügen:
Wir trauern um folgende Freunde:
DI Ingrid Nebinger, Graz
(ϯ 10. 10. 2012)
Dr. ing. Dr. sc. techn. Dietmar Richter,
Radebeul
(ϯ 19.10.2012)
Arnold Zenkert, Potsdam
Pädagoge und Volksbildner
(ϯ 13. 4.2013)
Post tenebras spero lucem – nach der Finsternis
erhoffe ich Licht!
Sie werden uns auch auf der kommenden Tagung in
Triest fehlen, die ich mit Paolo Alberi vorbereite.
Barbara Walther, eine Freundin, die in Triest lebt,
unterstützt uns dabei, und ich hoffe, es wird wieder
eine gelungenes Treffen. Die Einladung dazu finden
Sie auf Seite 20.
An dieser Stelle darf ich auch noch einen Aufruf
starten: Ein großes österreichisches Magazin hat
mich kontaktiert und möchte einen Beitrag über
Sonnenuhren veröffentlichen – natürlich für uns eine
Möglichkeit, eine große Leserschicht zu erreichen.
Allerdings würde der Redakteur und Fotograf gerne
einem Sonnenuhrbauer über die Schulter schauen,
beim Entwurf, bei der Berechnung und vor allem bei
der Ausführung einer Wandsonnenuhr (natürlich am
besten klassisch in Freskotechnik). Wenn jemand
aus unserem Kreis eine solche Sonnenuhr plant oder
ein derartiges Projekt in nächster Zukunft realisiert,
würde ich mich über eine Rückmeldung freuen.
Ihr
Peter Husty
Impressum
Medieninhaber:
Österreichischer Astronomischer Verein,
Arbeitsgruppe Sonnenuhren
Leiter:
Peter Husty
Bayernstraße 8b, 5411 Oberalm
Tel. +43 (0) 6245 73304
email: [email protected]
Redaktionsteam:
Kurt Descovich, Klaus Göller, Walter Hofmann,
Erich Imrek, Karl Schwarzinger, Helmut Sonderegger
Redaktionsadresse:
Kurt Descovich
Hütteldorfer Straße 50/12, 1150 Wien
Tel. +43 (0) 664 853 8226
email: [email protected]
Als neue Mitglieder in unserer Runde dürfen wir
sehr herzlich begrüßen und willkommen heißen:
Dipl. oec. Günter Behnsch, 10319 Berlin
Siegfried Eichholzer, 9500 Villach
Dr. Erich Hofmann, 73430 Aalen
Susanna Maly, 1230 Wien
Karl Müller, 1140 Wien
Prof. (FH) DI Kurt Niel, 4710 Grieskirchen
Andrea Planötscher, 6323 Bad Häring
Titelbild: Die Äquatorialsonnenuhr Laghu Samrat
Yantra, einer der Sonnenuhr-Giganten des Jantar
Mantar in Jaipur, Rajasthan
Layout und Druck:
Kurt Descovich
Bankverbindung:
Sparkasse Feldkirch, BLZ 20604
Kontonummer 0300-002771
Für Überweisungen aus dem Ausland:
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Homepages:
Arbeitsgruppe:
http://www.gnomonica.at
Karl Schwarzinger:
http://www.regiomontanus.at
Helmut Sonderegger:
http://www.helson.at
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Seite 3
In diesem Heft
4
Die Sonnenuhren des Jantar Mantar
Der Universalgelehrte Maharadscha Sawai Jai Singh II, Gründer
der Stadt Jaipur, ließ im 18. Jahrhundert ein eindrucksvolles
astronomisches Observatorium errichten, in ihm eine mächtige
Äquatorialsonnenuhr, das Samrat Yantra. Wolfgang Frolik war dort.
5 Die Monduhr auf Muottas Muragl
Die im letzten Rundschreiben vorgestellte Präzisionssonnenuhr von Fred Bangerter auf Muottas
Muragl im Oberengadin erlaubt auch die Zeitablesung in der kalten Jahreszeit, wenn der Mond
hoch am Himmel steht.
7
Formeln für Höhe und Azimut
Sonnenuhrkonstrukteure verwenden Formeln für Sonnenhöhe
(Elevation) und -azimut, die oft unkritisch aus der Literatur übernommen werden. Herbert O. Ramp leitet die Formeln her und zeigt
mögliche Fehlerquellen bei ihrer Verwendung auf.
10
Die Anker-Sonnenuhr von Bützow
Arnold Zenkert half mit, die Sonnenuhrstadt Bützow mit einem weiteren Kleinod zu bereichern.
11
Wasseruhr und Klepsydra - Zeitmesser
der Antike
Der junge französische Archäologe Dr. Jérôme Bonnin zeigt an
Beispielen aus erhaltener Literatur, dass die beiden Begriffe keine
Synonyme waren.
14
Zum Nachdenken - mal 3
Nach Franz Vrabec' mathematischer Herausforderung im Rundschreiben Nr. 43 wird's diesmal
einfacher: eine Aufgabe für Gnomoniker und zwei andere, mehr zum Schmunzeln.
15
Trügerischer Halbschatten
Sonnenuhren mögen geometrisch präzise konstruiert sein; beim
Ablesen im Übergang vom Kernschatten zum voll beleuchteten
Bereich der Skalenfläche sind jedoch Fehler vorprogrammiert.
17
Eine Sonnenuhr in Kerbschnitt-Technik
Mit der in Schnitzkursen erlernten Technik verwirklichte Ernst Heissenberger aus Ternitz eine
interessante Sonnenuhr.
20
Jahrestagung der GSA in Triest
Für diesen Herbst hat sich unsere Arbeitgruppe wieder einmal für
einen Tagungsort im Ausland entschieden, und zwar für Triest.
Hier die ersten Informationen über Unterbringung und Ablauf.
Seite 4
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Das Astronomische Observatorium Jantar Mantar in Jaipur, Rajasthan, Indien
Wolfgang Frolik, Ottensheim
In Jaipur in Indien befindet sich eine Ansammlung von monumentalen Bauwerken, die Maharadscha Sawai Jai Singh II, der
Gründer der Stadt Jaipur, im frühen 18. Jahrhundert für astronomische Beobachtungen errichten ließ.
Anfang Februar 2012 besuchten meine Frau und ich
in der letzten Woche unserer Indienreise Jaipur, die
Hauptstadt von Rajasthan – genannt Pink City.
Ich war schon sehr gespannt auf das berühmte
Jantar Mantar, wir konnten am Vortag schon vom
„Palast der Winde“ aus einen Blick auf die gesamte
Anlage werfen. Beim Betreten des Observatoriums
Messung der Zeit, der Voraussage von Eklipsen, der
Beobachtung der Planetenbahnen, der Bestimmung
von astronomischer Höhe und Deklination und der
Erstellung von Ephemeriden.
Die Anlage wurde 1901 restauriert und 1948 zu
einem National Monument Indiens erklärt. 2010
wurde das Observatorium als UNESCO-Welterbe
anerkannt.
Ich beschränke mich hier auf die Beschreibung des
Samrat Yantra - ein Bauwerk, das schon allein
durch seine Größe sofort ins Auge sticht (Abb. 1).
Abb. 1: Der Autor am Samrat Yantra in Jaipur
ist vermutlich jeder erst einmal beeindruckt von der
Größe und Anzahl der unterschiedlichsten Instrumente!
Das Jantar Mantar in Jaipur (wörtlich: astronomisches Instrument) ist einer der vielen einzigartigen
und hervorragenden Beiträge des hochgelehrten
Maharadscha Sawai Jai Singh II, des Gründers der
Stadt Jaipur.
Sawai Singh war in seiner Jugend viel begabter und
geschickter als die meisten Gleichaltrigen seiner
Zeit. Er bekam die beste Erziehung, und ihm wurde
ein
umfangreiches Wissen in allen Bereichen
vermittelt.
Maharadscha Sawai Singh machte sich kundig in
Religion, Philosophie, Kunst, Baukunst, Astronomie
und Astrologie. Er ließ zwischen 1724 und 1734 fünf
astronomische Observatorien in Indien errichten, die
größte Anlage in Jaipur wurde nach dem Vorbild des
Observatoriums in Delhi errichtet. Es beherbergt 14
nach astronomischen Gesichtspunkten entworfene
Bauwerke. Diese dienen unter anderem der
Abb. 2: Die Beschreibungstafel des Samrat Yantra
Hauptbau ist ein Schattenwerfer in Form einer dreieckigen Rampe, 44m lang, 27m hoch, mit einer
Treppe auf der Rampe, oben bekrönt von einem
zierlichen pavillonartigen Aufsatz (Chatri). Das
Chatri ist ein typisches Element rajputischer Architektur, wie man es auch an Palästen finden kann. Es
wurde als Beobachtungspunkt benutzt, z.B. für die
Windrichtung, Himmelsereignisse oder den Beginn
des Monsuns etc.
Zu beiden Seiten des Schattenwerfers befinden sich
zwei Quadranten wie riesige marmorne Schwingen.
Ein mit gravierten Skalen versehenes Marmorband
schwingt sich auf den Unterbauten in eleganten
Bögen von ca. 15m Halbmesser in die Höhe.
Der Hauptzweck war die Bestimmung der Zeit nach
dem Sonnenstand, also die Messung der täglichen
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
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je 30 Abschnitte zu je einer Minute, dann weiter in je
10 Abschnitte zu je 6 Sekunden und zuletzt noch
einmal in je 3 Abschnitte zu je 2 Sekunden geteilt.
Auf Grund der enormen Größe sollte die Sonnenuhr
prinzipiell relativ genau sein - theoretisch, denn der
breite Halbschatten auf Grund der Größe der
Sonnenuhr macht der Ablesegenauigkeit einen
Strich durch die Rechnung*): 1 Stunde entspricht
ca. 4 m auf der Skala, 1 Minute ca. 6,7 cm, 2 Sekunden ca. 2 mm. Die Skalen sind jeweils am nördlichen und am südlichen Rand der Marmorflächen
aufgetragen.
Leider war es nicht möglich, Details genauer zu
betrachten, da die Absperrungen und die aufmerksamen Aufseher das verhindern!
Abb. 3: Der Schattenwurf auf Laghu Samrat Yantra
Sonnenbewegung (an den Quadrantenflügeln), und
die Messung der jährlichen Sonnenbewegung
(durch Aufsuchen des Punktes entlang der Rampe,
dessen Schatten auf den Skalenbogen fällt). Auf
Grund der Eigenbreite des Schattenwerfers ist am
Vormittag die westliche Außenkante des Gnomons
maßgeblich, nachmittags die östliche Außenkante.
Auf der Westskala laufen die Markierungen in
einstündigen Abständen von 6 bis 12, auf der Ostskala von 12 bis 6. Ein Abschnitt einer Stunde ist
erst in 2 Abschnitte zu je 30 Minuten, dann weiter in
Im Nachhinein habe ich auch kritische Berichte gelesen über Maharadscha Sawai Singh’s „Besessenheit“, gleich 5 Observatorien zu bauen, mit Instrumenten in diesen Dimensionen, trotz besserem
Wissen, dass es schon längst Fernrohre gab und
kleinere Instrumente aus Metall, die genauere
Ergebnisse lieferten!
Darauf möchte ich hier nicht näher eingehen; auch
wenn man den wissenschaftlichen Wert in Frage
stellen kann, ist das Jantar Mantar für mich ein
faszinierendes Bauwerk, das hinduistische und
islamische Traditionen in sich vereinigt!
Und für den einen oder anderen Besucher ist es ein
Anlass, sich auf die Beschäftigung mit Himmelsmechanik einzulassen!
*) Vgl. die Betrachtungen zum Ablesen im Halbschattenbereich auf Seite 15 in diesem Heft.
Die Monduhr auf Muottas Muragl
Fred Bangerter, Faulensee, Schweiz
Die im letzten Rundschreiben vorgestellte Präzisions-Sonnenuhr auf Muottas Muragl „funktioniert" mit der
Sonne nur von der Frühjahrs- bis zur Herbst-Tagundnachtgleiche. In der kalten Jahreszeit kann aber der
Mond, der dann mit großer Deklination hoch am Himmel steht, die Rolle der Sonne übernehmen. Aus der
Benützungsanleitung der Sonnenuhr sei hier nachgetragen, wie diese Funktion realisiert ist.
Wie funktioniert die Monduhr?
Via Mond scheint für uns die Sonne letztlich auch
nachts; der Mond reflektiert das Sonnenlicht. Ist die
jeweilige Position des Mondes im Vergleich zur
Sonne bekannt, kann von der Position des Mondes
auf jene der Sonne zurückgeschlossen werden. Auf
indirektem Weg zeigt die Uhr so auch nachts die
Sonnenzeit an.
Der Positionsdifferenz zwischen Mond und Sonne
kann an der Monduhr SINE SOLE SILEO über eine
entsprechende Zeitkorrektur Rechnung getragen
werden. Für eine sehr genaue Zeitablesung wird
noch ein zusätzlicher Aspekt berücksichtigt: Mond
und Sonne „wandern“ mit unterschiedlichen
Geschwindigkeiten. Deshalb verändert sich die Positionsdifferenz zwischen Mond und Sonne auch im
Lauf einer einzigen Nacht merklich. Mit einer entsprechenden Zusatzkorrektur kann an der Monduhr SINE
SOLE SILEO die aktuelle Uhrzeit nachts über den
Mondschatten mit einer Genauigkeit von ½ bis 1
Minute abgelesen werden.
Zum Einstellen der Zeitkorrektur und zum Ablesen
der Uhrzeit auf der Skala der Monduhr ist natürlich
eine Taschenlampe unerlässlich. Von der Stärke des
Schattens her sind im Winterhalbjahr zur Zeitablesung besonders geeignet die Vollmondnächte
sowie die vier Nächte zuvor und danach. Zudem
muss der Mond genügend hoch stehen (Neigung des
Zifferblatts 43,5°).
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Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
schätzen Sie ab). Wird die Zeit zwischen 18 und
24 Uhr abgelesen, stimmt die an der Monduhr
abgelesene Zeit bis jetzt auf mindestens 7 Minuten genau oder genauer (im Mittel aller zwischen
18 und 24 Uhr möglichen Ablesungen auf 2 ½ Minuten genau). Wollen Sie bei Ihrer Zeitablesung
eine Abweichung von der effektiven Uhrzeit von
weniger als 1 Minute erreichen, dann fahren Sie
mit den Schritten 4 und 5 fort.
Abb. 1: Beispiel: Die Zeitkorrekturtabelle für den Januar
2014
Im Folgenden wird die Bedienungsanleitung für die
Monduhr auf Muottas Muragl auszugsweise wiedergegeben.
1. Lesen Sie in der Zeitkorrekturtabelle für die
heutige Nacht die „tot. correct.“ ab (Spalte 2).
2. Stellen Sie diese Zeitkorrektur an der Uhr ein,
indem Sie den 12-Uhr-Strich der mittleren
Scheibe an der Skala der untersten Scheibe auf
den abgelesenen Wert einstellen (die Zehntelminuten zwischen zwei Minutenstrichen schätzen
Sie ab; beachten Sie, dass 0,1 Minuten 6 Sekunden entsprechen, 0,5 Minuten somit 30 Sekunden).
3. Drehen Sie die oberste Scheibe, bis die Justierlinie (Linie auf der obersten Scheibe) genau in der
Mitte des Lichteinfalls im Schattenbild erscheint.
Dann lesen Sie am Ende der Justierlinie an der
Skala der mittleren Scheibe die Uhrzeit ab (die
Zehntelsminuten zwischen zwei Minutenstrichen
Abb. 2: Auszug aus der Zusatzkorrekturtabelle
4. Lesen Sie in der Zeitkorrekturtabelle für die heutige Nacht die „correct. per 1 h“ ab (Spalte 3 oder
4): Liegt die zuvor an der Monduhr abgelesene
Uhrzeit vor 21 Uhr, merken Sie sich den Wert in
der Spalte „18-21h“ (Spalte 3). Liegt die an der
Monduhr zuvor abgelesene Uhrzeit zwischen 21
und 24 Uhr, merken Sie sich den Wert in der
Spalte „21-24h“ (Spalte 4).
5. Suchen Sie links außen in der Zusatzkorrekturtabelle (auszugsweise in Abb. 2 unten wiedergegeben; in der erwähnten Bedienungsanleitung
ist sie vollständig enthalten) jene Uhrzeit, die der
an der Monduhr abgelesenen am nächsten liegt.
Nehmen Sie den Wert im Kreuzpunkt zwischen
der entsprechenden Zeile und der Spalte mit dem
abgelesenen Wert der Zeitkorrektur pro 1 Stunde
und zählen Sie diesen Wert zu der an der
Monduhr abgelesenen, genauen Uhrzeit hinzu
oder von dieser ab. Das Ergebnis entspricht der
aktuellen Uhrzeit. Für die Nächte, in denen der
Mond erst relativ spät erscheint, sind unter „early
morning“ (Spalten 5 und 6) zusätzlich die am
Morgen früh (ungefähre Zeitspanne ca. 5:00 bis
ca. 7:00 Uhr) einzustellende Zeitkorrektur (Spalte
5) sowie – für die oben erläuterten Schritte 4 und
5 – auch die Zeitkorrektur pro 1 Stunde (Spalte 6)
vermerkt.
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
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Herleitung der Formeln für Sonnenhöhe und Sonnenazimut
Herbert O. Ramp,Wien
In der Literatur über Sonnenuhren1 werden oft die Formeln für Sonnenhöhe (Elevation2) und Sonnenazimut
angegeben, ohne dass erwähnt wird, wie man zu diesen Formeln kommt. Auch birgt die numerische Auswertung in Excel wegen der nicht eindeutigen Umkehrbarkeit der Winkelfunktionen Fehlerquellen, wenn man
sich über die exakte Bedeutung der Größen in den Formeln nicht im Klaren ist. Im Folgenden werden die Formeln hergeleitet. Insbesondere wird der Zusammenhang zwischen dem Horizont-System und dem „festen"
(mit dem Standort verbundenen) Äquator-System aufgezeigt.
Zur Vermeidung von Missverständnissen sei eingangs die in diesem Beitrag verwendete Nomenklatur festgehalten:
Horizont-System:
φ geographische Breite des Beobachterstandorts
x
weist nach Süden
y weist nach Westen, bildet mit x und z ein linkshändiges Koordinatensystem
z weist zum Zenit
x und y spannen die Ebene des Horizont-Großkreises auf; im Horizont-System sind die folgenden sphärischen
Koordinaten (Winkel) definiert:
a Azimut
a = 0°: Süden, a = +90°: Westen, a = -90°: Osten *)
h Höhe (Elevation2, der Winkel über der Horizontebene, unter dem ein Objekt erscheint)
h = 0°: örtlicher Horizont, h = +90°: Zenit, h = -90°: Nadir
*) Das Azimut wird hier, dem Lauf der Sonne folgend, im Uhrzeigersinn gezählt: Süden (a = 0°), Westen (a = 90°).
Äquator-System:
ξ
liegt in der Äquatorebene und in der Meridianebene des Beobachters
η weist nach Westen, bildet mit ξ und ζ ein linkshändiges Koordinatensystem
ζ
weist zum Himmelspol
ξ und η spannen die Ebene des Äquator-Großkreises auf; im Äquator-System sind die folgenden sphärischen
Koordinaten (Winkel) definiert:
τ
Stundenwinkel (der Sonne)
τ = 0°: örtlicher MIttag, τ = -90°: 6:00 Uhr, τ = +90°: 18:00 Uhr
δ Deklination (der Sonne)
δ = 0°: Äquator, δ = +23,44°: Sommersonnenwende, δ = -23,44°: Wintersonnenwende
Herleitung der Formeln
Es sei eine Kugel mit Radius = 1 und ein Punkt P0 auf ihrer Oberfläche gegeben.
Die Position des Punktes P0 ist im Horizont-System gegeben durch:
(1a,b,c)
wobei
der Radius des Horizontalkreises bei der Höhe h ist.
Die Position von P0 bei Verwendung des Äquator-Systems ist - ganz ähnlich:
(2a,b,c)
wobei
der Radius des „Breitenkreises" bei der Deklination δ ist.
Nun wird die Beziehung der beiden Systeme zueinander hergestellt, und zwar durch Drehung der Nord-SüdAchse des Äquator-Systems in die Zenit-Nadir-Achse des Horizont-Systems (geographische Breite φ) um den
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Winkel 90°-φ um die den beiden Systemen gemeine y- bzw. η-Achse; hier die Koordinatentransformation:
(3a,b,c)
das ergibt mit (1) und (2), ausmultipliziert und unter Verwendung von
usw.:
(4a,b,c)
(4b) folgt auch aus dem Sinussatz, (4c) ist der Seitenkosinussatz der sphärischen Trigonometrie.
MIt (4c) und (4a) kann man sofort hinschreiben:
*),
(5)
,
*) wegen
(6)
einzufügen.
ist in (5) die Signum-Funktion
Bem.: sign(τ) kann bei numerischen Auswertungen ein Problem bei τ = 0° ergeben, allerdings nicht hier in (5)
und (7). Der Trick τ = 10-6 (oder eine andere kleine Zahl) löst aber das Problem.
Mit
aus (4c) erhält man noch
(7)
Aus (4b) ergibt sich auch
(8)
.
Hier ist wegen
eine Mehrdeutigkeit zu beachten; dies entfällt bei der numerischen
Auswertung (10a), wenn man mit
aus (4b) und
aus (4a) in
(9)
einsetzt und nach Kürzen durch
die folgende Formel verwendet:
(10)
Bei Gleichungen mit trigonometrischen Funktionen muss man mit Mehrdeutigkeit rechnen. Bei (10) kann
durch Verwendung von arctan2 (das ist die Bezeichnung einer speziellen Form von arctan in Computersprachen) diese Mehrdeutigkeit behoben werden:
In FORTRAN 77–Syntax:
in BASIC II–Syntax:
in Excel 2007–Syntax:
ATAN2(Y,X);
ATN2(Y,X);
ATAN2(X;Y)
auf Computern mit US-Betriebssystem, bzw.
ARCTAN2(X;Y) auf Computern mit europäischem Betriebssystem
Wir schreiben (10) noch in der Excel-Syntax nieder:
a = ATAN2(COS(TAU)*SIN(PHI)-TAN(DELTA)*COS(PHI);SIN(TAU))
(10a)
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Die untenstehenden Diagramme sollen veranschaulichen, welche Fehler passieren können, wenn man sich
nicht der Tücken gewahr ist, die die Formeln wegen ihrer Mehrdeutigkeit bergen.
Bei (5), (7) wird die Mehrdeutigkeit durch sign(τ) behoben, (10) und (10a) verwenden h nicht.
Diagramme
Die Diagramme zeigen das Verhalten von a entsprechend den verschiedenen Formeln.
In allen Fällen ist φ =48° und δ = 23.44°:
Literatur:
A. Zenkert, Faszination Sonnenuhr, S 67.
A.E. Waugh, Sundials, pg. 139.
R.R.J. Rohr, Sundials, pg. 35
Anm. d. Red.: Der Autor war lange Jahre beruflich in den USA im
Bereich Radartechnik tätig: Da unterscheidet man genau zwischen
dem Begriff „Höhe" (Altitude), der eine Höhe als Längenmaß,
nämlich als eine Erhebung (über Grund) bezeichnet, und dem
Begriff „Elevation", womit der Höhenwinkel zu einem Objekt über
der Horizontebene gemeint ist. In der Gnomonik ist man anderseits
damit vertraut, unter „Höhe" (z.B. der Sonne) den Winkel über der
Horizontebene zu verstehen. „Elevation" findet man jedoch neben
„Höhe" auch in der Astronomie als Bezeichnung des Winkels, unter
dem ein (Himmels-) Objekt über der Horizontebene gesehen wird.
2
Späte Berichtigung durch die Redaktion
Dank der Aufmerksamkeit unseres Mitglieds H. O. Ramp wurden wir auf Unstimmigkeiten im Rundschreiben
Nr. 6, in der Anfangszeit unserer Arbeitsgruppe, hingewiesen. Auf Seite 14 wird das Azimut positiv von
Süden über Westen nach Norden gezählt, negativ von Süden nach Osten. Dem wird in den Formeln auf
Seite 15 nur in (12) entsprochen. In den anderen Formeln von (7) bis (20) wird das Azimut im Uhrzeigersinn
von Norden weg gezählt. Das ergibt geänderte Vorzeichen für cos (a), denn cos (180°- a) = - cos (a).
Auf einem Irrtum beruht die Formel (10). Sie ist zu streichen.
Seite 10
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Die Anker-Sonnenuhr von Bützow
Arnold Zenkert, Potsdam
Diesmal komme ich mit einem Beitrag über eine etwas ausgefallene Sonnenuhr. Über die historische Sonnenuhr von 1765 in Bützow ist ein Beitrag von mir im Rundschreiben Nr. 39 erschienen. In Bützow ist die Begeisterung für Sonnenuhren groß, so dass es im Umkreis der Stadt bereits 12 Sonnenuhren gibt.
Abb. 3: Das Schild an der Ankersonnenuhr mit dem Motto
und mit näheren Angaben über ihre Herstellung.
Navigation ist es die Sonne. Diese gegenseitige
Beziehung bot sich an, auf dem Anker eine Sonnenuhr zu errichten.
Abb. 1: Das Modell der Ankersonnenuhr
In der kleinen Stadt Bützow am Warnowfluss,
Mecklenburg-Vorpommern, war einst ein Hafen, von
dem aus die Waren nach Rostock befördert wurden.
Aus längst vergangener Zeit stammt ein 2 m großer
Anker, der jahrzehntelang unbenutzt herumlag. Für
die Schifffahrt ist ein Anker unentbehrlich, für die
Am 8. November 2012 wurde in der neu errichteten
Anlage am alten Hafen die Anker-Sonnenuhr aufgestellt. Der um 10° nach Nord geneigte Anker wurde
mit einer inklinierenden vertikalen Süduhr versehen.
Die Berechnung der Stundenlinien (WOZ) erfolgt in
diesem Fall deshalb mit einer um 10° größeren
geografischen Breite. Die Koordinaten für Bützow:
53° 50' 45" Nord, 11° 57' 19" Ost. Die Ortszeitdifferenz in Bützow beträgt demnach -12 min.
Im Halbkreis befindet sich eine Weltmittaguhr mit
den Bezeichnungen von 11 bedeutenden Hafenstädten. Vielleicht sollte der Betrachter darüber nachdenken, ob alle Menschen in Calcutta oder Rio auch
Abb. 2: Die Ankersonnenuhr kurz vor ihrer Vollendung
Abb. 4: Der Autor bei der Einweihung (Lokalzeitung).
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Seite 11
ihr Mittagessen haben, und wie wir den dortigen
Menschen helfen können.
Wohl der Stadt, des Landes und der Menschheit
einzusetzen.
Der Anker ist unsere Hoffnung:
ANCORA SPES NOSTRA.
An der Ankerstange sieht man das schöne Stadtwappen mit Mitra und gekreuzten Bischofsstäben.
Bützow war vier Jahrhunderte hindurch bis zur Reformation Bischofssitz. Ob man unter dem Krummstab
gut leben konnte, mögen die Historiker entscheiden.
Arnold Zenkert ist nicht mehr unter uns.
Wir wollen sein Wirken im nächsten
Rundschreiben würdigen.
Der Anker als Symbol der Hoffnung soll uns mahnen,
uns für Gerechtigkeit und Menschenwürde, für das
Wasseruhr und Klepsydra
Jérôme Bonnin, Lille
In der griechisch-römischen Antike dienten Wasseruhren neben Sonnenuhren der Anzeige von Stunden der
Tage und Nächte. Zu einer möglichst genauen Bestimmung kürzerer Zeitabschnitte gab es die Klepsydren.
An literarischen Dokumenten wird gezeigt, dass Wasseruhr und Klepsydra verschiedene Begriffe waren.
Der Name „Klepsydra“ [κλεψύδρα] ist griechisch, der
Etymologie nach bedeutet er „Wasserdieb“. Das rührt
von einem alten Behelf zur Entnahme von Flüssigkeiten aus großen Behältern her (6. Jh. v. Chr.). Später
diente dieser Behelf zum Bestimmen gewisser Zeitspannen. Im 5. Jh. v. Chr. wurde die Klepsydra an
Gerichtshöfen benützt, um die Sprechzeit der Redner
zu begrenzen.1 Wir haben zahlreiche alte Texte darüber, hier zwei Beispiele aus Stücken von Aristophanes (5. Jh. v. Chr.):
allen Menschen ist er der mit der größten Begeisterung für das Gericht. Laienrichter zu sein ist seine
Leidenschaft, und er stöhnt, wenn er nicht auf dem
ersten Platz sitzt. Bei Nacht schließt er kein Auge,
und wenn er doch kurz einschläft, verfolgen ihn die
Gedanken an die Klepsydra.“3
„Ist das nicht ein Skandal? Was! Die Klepsydra soll
den weißhaarigen Veteranen besiegen, der sich in
grausamer Schlacht mit Ruhm bedeckt, dessen Mut
bei Marathon das Land gerettet hat?“2
Das Wort Klepsydra wurde bald gleichbedeutend mit
„Gerichtshof“ verwendet, ein Beweis für den alltäglichen Gebrauch des Instruments. Im zweiten Beispiel
geht es um einen Mann, dem an dem Entgelt für seine Tätigkeit als Schöffe gelegen ist:
„Ich will dir sagen, was unserem Herren fehlt: Von
Abb. 2:
Zeichnung der Klepsydra in Athen5
Am Beginn des 5. Jh. v. Chr. ist die Verwendung der
Klepsydra mit der Entwicklung der Demokratie verbunden. Das ist durch ein Fragment der athenischen
Verfassung belegt. Der genannte Text beschreibt kurz
die benützten Instrumente. Es waren Klepsydren mit
kleinen Rohren zum Ablassen des Wassers. Sie
wurden entsprechend der Länge einer Zeitdauer
gefüllt. Eine Person an der Klepsydra musste immer
dann, wenn um eine Pause gebeten wurde, das
kleine Rohr mit einem Finger verschließen.4
Abb. 1:
Rekonstruktion einer athenischen Klepsydra5
Der Glücksfall einer Entdeckung zu Beginn des 20.
Jh. hat es uns ermöglicht, Form und Eigenart eines
dieser Objekte kennen zu lernen.5 Das Instrument
Seite 12
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Der Text der athenischen Verfassung besagt, dass in
Privatprozessen zwei „Kannen“ für die zweite Rede
zugelassen waren, wenn es um Summen von bis zu
5000 Drachmen ging, sieben „Kannen“ für die erste
Rede. (Fünf „Kannen“ waren es für kleinere Beträge
bis zu 1000 Drachmen.)
Es gab verschiedene Klepsydren an den Gerichtshöfen, je nach der Wichtigkeit der Angelegenheiten:
die einen für die ersten Plädoyers, die anderen für die
zweiten, schließlich eine kleine für die Urteilsverkündung. Wie Gewichte und Maße wurden Modelle dieser Klepsydren in einem Tholos (einem Rundbau) aufbewahrt.
Das Instrument musste für alle sichtbar aufgestellt
werden. Versuche mit nachgebauten Klepsydren
zeigen, dass das Wasser während der ersten Minuten schnell ausfließt, bevor es wegen des abnehmenden Druckes ständig langsamer wird. Es war daher
für die Redner leicht, den Ablauf der Zeit zu verfolgen, ebenso aber auch für die Zuhörerschaft.
Abb. 3:
Reste der Wasseruhr auf der Agora in Athen
© J. Bonnin 2012
wurde unweit von Athen gefunden. Es ist ein Behälter
aus gebranntem Ton mit gewölbtem Rand und zwei
Henkeln. Eine höher gelegene Öffnung, unmittelbar
unter dem Rand, diente als Überlauf. Durch eine
Öffnung am Boden, in der ein kleines Rohr aus
Bronze eingebaut ist, konnte Wasser in einen zweiten
Behälter fließen (Abb.1 und 2).
Innen ist das Gefäß wasserdicht glasiert, außen
befindet sich die Inschrift „Antiochidos“, gefolgt von
„XX“. Antiochidos ist der Name einer (politischen)
Gruppierung in Athen, und XX steht für zwei
„Kannen“, das heißt für 6,4 Liter. Nach der Rechnung
von S. Young gestattete dieser Rauminhalt eine
ununterbrochene Rededauer von sechs Minuten.
Dann musste das Gefäß neu gefüllt werden.
Der archäologische Kontext (das Umfeld des Fundes)
gestattet, diese Klepsydra mit dem 4. Jh. v. Chr. zu
datieren. Frühere Klepsydren dürften vermutlich die
gleichen Eigenschaften gehabt haben.
An Wasseruhren wurde eine in Athen, eine zweite in
Oropos gefunden (Abb. 3, 4, 5). Diese ersten erhaltenen Wasseruhren maßen die Zeit so wie Klepsydren
durch das Ausfließen, vielleicht auch durch das Auffangen von Wasser. Aber die Verwendung war entschieden nicht dieselbe. Die Klepsydra maß kürzere
Zeitabschnitte für die Dauer von Reden, die Wasseruhren gaben eine Vorstellung vom Verlauf der Stunden.
Das übliche griechische Wort für Wasseruhr, horológion (Uhr, Stundenanzeiger), war das gleiche
Wort wie das für eine Sonnenuhr. Wir kennen aber
auch andere, genauere Bezeichnungen wie „hýdrion
horoskopeíon“ (Wasseruhr, „Stundenwächter")7; nur
bei Kleomedes8 und in einer Inschrift in Tyr ist „hydrológion“ belegt. In einigen Fällen, etwa wenn es in
einem Gymnasium entweder Sonnen- oder Wasseruhren geben konnte, ist die Bezeichnung „skioú horológion“ (Schattenuhr) zu finden.
Die meisten Texte unterscheiden klar zwischen einer
Klepsydra und einer Wasseruhr. Manchmal lässt sich
eine Vermengung der Begriffe auflösen, so bei Athenaeus Deipnosophistae (um 200 n. Chr.). Über die
Wasserorgel sagt Athenaeus:
Abb. 4:
Oropos. Reste der Wasseruhr im Tempel6
„Angeblich machte Plato eine Uhr für die Nacht in der
Art einer Wasserorgel, ziemlich ähnlich einer sehr
großen Klepsydra. Und wirklich, die Wasserorgel
scheint eine Art von Klepsydra zu sein.“9
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Seite 13
für Wasseruhr „aqua horologium“ anstelle von
„Klepsydra“ verwendet. Anders als Perraut war sich
Vitruv des Unterschiedes wohl bewusst!
Wir dürfen also Eintragungen über Wasseruhren und
Klepsydren in Wörterbüchern und Lexiken nicht
unbesehen hinnehmen. Eines der Ziele der Archäologie ist es, uns Einblicke in Leben und Denkweisen
vergangener Zeiten zu ermöglichen.
Literatur:
1
2
3
4
5
6
Abb. 5:
Plan der Wasseruhr in Oropos 6
7
8
Athenaeus kennt den Unterschied zwischen einer
Wasseruhr und einer Klepsydra sehr genau. Er ist
Grieche und mit den Gerichtsbräuchen vertraut. Es
gab zu seiner Zeit aber nur wenige große Wasseruhren, Prestigeobjekte, die nur in großen Städten zu
finden waren. Daher vergleicht er die Wasseruhr mit
einer „sehr großen“ Klepsydra.
9
10
J. Lipsius, M. Meier, G. Schönmann: Das Attische Recht
und Rechtsverfahren mit Benutzung
des Attischen Processes. Leipzig, 1905-1925, p. 910
Aristophanes: Die Acharner
Aristophanes: Die Wespen
Const. Ath., 67-2
S. Young: An Athenian Klepsydra. Hesperia 8, 1939, S.
274 ff.
J.-McK. Camp, J. E. Armstrong: Notes , Hesperia 46,
1977, S. 147 ff.
Heron von Alexandrien: Pneumatik und Hydraulik
Cleomedes: De motu
Athenaeus Deipnosophistae, IV, 174b
A. G. Drachmann: Ktesibios, Philon and Heron. Copenhagen 1948
In einem Text aus dem 5. Jh. n. Chr., er stammt von
Sidonius Appolinaris, werden die Begriffe Klepsydra
und Wasseruhr nicht voneinander unterschieden.
Dieser Autor ist kein Grieche. In allen anderen lateinischen Texten wird das Wort Klepsydra nur in Texten
über Gerichte verwendet. Für Wasseruhren gibt es
Ausdrücke wie „Aqua horologium“ etc. (Vitruv, Plinius). Cassiodoros, 6. Jh. n. Chr., unterschied die beiden Begriffe sehr wohl.
Der Aufsatz ist ein Auszug aus der Dissertation von Dr.
Jérôme Bonnin, ergänzt nach Mitteilungen des Autors. Der
Titel der Dissertation ist:
Diese Beispiele zeigen, dass in den antiken Texten
das Wort Klepsydra kein Synonym für das Wort Wasseruhr war. Die alten Autoren waren sich der verschiedenartigen Verwendung dieser Geräte bewusst.
Die Klepsydra misst wie eine Stoppuhr die Dauer von
Zeitspannen, die Wasseruhr folgt dem Verlauf der
Tage (und Nächte). Die ersten Wasseruhren wurden
im Lauf der Zeit zu ausgeklügelten Vorrichtungen
weiter entwickelt, von denen Beschreibungen, aber
kaum Funde erhalten sind.10
Doktorvater war Herr Prof. Javier Arce von der Universität 3
Lille. Jérôme Bonnin arbeitete vier Jahre lang an seiner
Dissertation, reiste und sammelte mit großer Sorgfalt
Daten, die er dann auf 510 Seiten zu einem Bild des
antiken Lebens zusammenfügte. Dem Text ist ein Katalogteil von 800 Seiten angeschlossen.
In der modernen Literatur wird der Unterschied der
Begriffe „Wasseruhr“ und „Klepsydra“ kaum beachtet.
Wie auch in anderen Fällen bezieht sich ein Autor auf
den anderen, ohne auf die Ursprünge zurück zu
gehen. Im 17. Jh. wundert sich Perraut, dass Vitruv
Anmerkung des Übersetzers:
Horologia Romana. Recherches archéologiques sur les
instruments de mesure du temps à l’époque romaine.
Étude typologique, urbanistique et sociale (Römische Zeitmesser. Archäologische Untersuchungen über Zeitmessgeräte zur Zeit der Römer. Studie über Typen, Einsichten in
das städtische Leben und die sozialen Verhältnisse)
Im Jänner 2010 hatte Jérôme Bonnin auch in den Wiener
Museen und Bibliotheken geforscht. Am 5. April 2012
verteidigte er erfolgreich seine Dissertation vor fünf Universitätsprofessoren und Denis Savoie, dem Vorstand der Astronomisch-Astrophysikalischen Abteilung des „Palais de la
Découverte“ (Paris).
Walter Hofmann
Seite 14
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Zum Nachdenken - mal drei
Kurt Descovich und Walter Hofmann, Wien
Die erste Aufgabe sollte ein „g'standener" Gnomoniker leicht lösen können; eine kleine Falle ist eingebaut.
Die zweite und die dritte Aufgabe stammen aus einer kleinen Fragensammlung unseres Mitglieds Hans Kolar.
Aufgabe Nr. 1:
Er bricht am 21. April zu seiner Reise auf und bewegt
sich konstant mit 6 km/h.
Zum Nachdenken:
1.
2.
Kann er mit dieser Methode den Südpol
erreichen?
Wo befindet er sich nach dem ersten Tag?
Aufgabe Nr. 3:
Ist es möglich, eine Sonnenuhr aus Moskau (geogr.
Länge λ = -37,58°, Breite φ = 55,75°) mit einer Deklination des Zifferblattes von -20° und einer Inklination
von 75°, die die wahre Ortszeit des -45ten Längengrades (Bezugsmeridian GMT +3) anzeigt, in Wien
(geogr. Länge λ = -16,37°, Breite φ = 48,20°) so
aufzustellen, dass sie die wahre Ortszeit des -15ten
Längengrades (Bezugsmeridian GMT +1) anzeigt?
Zum Nachdenken:
Wenn ja, wie groß sind dann die neue Deklination und
Inklination des Zifferblattes der Sonnenuhr in Wien?
Erläuterung:
Sagt der eine Pinguin zum anderen: „Komm, es ist
bald 12 Uhr, gehen wir nach Hause zum Mittagessen!“ Üblicherweise wird die Lage eines ebenen Zifferblattes
durch Azimut und Höhe (Elevation) einer vom Zifferblatt weg
weisenden Richtung angegeben. Für dieses besondere
Azimut werden dann die Begriffe „Deklination“ oder „Deviation“ verwendet, wobei „Deklination“ von der gleichnamigen
Koordinate des Äquatorsystems zu unterscheiden ist. Auch
„Abweichung (von der Südrichtung)“ ist eine mögliche
Aufgabe Nr. 2:
Bezeichnung. Die „Inklination“, die Neigung der ZifferEin Eisbär (ein gewöhnlicher, nicht ein abgehärteter blattebene gegen die Waagrechte, ist der Ergänzungswinkel
aus dem Waldviertel) wohnt genau am Nordpol; er ist der oben genannten Höhe auf 90°.
Zum Nachdenken:
Was ist falsch?
des kalten Wetters überdrüssig und hat gehört, dass
Anschaulich wird die Inklination im Glossar der British
es im Süden wärmer sei. Am Südpol, so überlegt er, Sundial Society als Winkel zwischen der Rückseite einer
müsste es also besonders warm sein! Da er über Zifferblattebene und einer waagrechten Ebene erklärt.
keine technischen Navigationsgeräte verfügt, denkt er:
Auf Seite 13 von Rundschreiben Nr. 6 wurde der Winkel
„Da die Sonne von mir aus gesehen im Süden steht, zwischen der Zifferblattebene und der Richtung zum Zenit
gehe ich einfach immer in Richtung Sonne. Irgend- als Inklination bezeichnet. Wir schließen uns dieser Festsetzung nicht an.
wann werde ich dann schon am Südpol ankommen.“
An die Redaktion eingesandte Lösungen werden zum Herunterladen auf einem Server bereitgestellt. Besonders originelle
Lösungen werden wir im nächsten Rundschreiben zur Ergötzung der Leser bringen.
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Seite 15
Trügerischer Halbschatten
Kurt Descovich, Wien
Die Eigenart unseres Helligkeitsempfindens kann beim Betrachten des Übergangs vom Kernschatten zu
vollem Licht bei Sonnenuhren mit von größeren Flächen begrenzten Schattenwerfern zu Ablesefehlern
führen, deren sich der Konstrukteur bei der Herstellung der Skala bewusst sein sollte.
Wolfgang Frolik bemerkt in seinem Bericht über die
Äquatorialsonnenuhr Samrat Yantra in Jaipur (S. 5 in
diesem Heft) zu Recht, dass die veröffentlichten
Angaben über die theoretische Ablesepräzision von
etwa 2 Sekunden mit Vorsicht zu betrachten sind
(„... denn der breite Halbschatten auf Grund der
Größe der Sonnenuhr macht der Ablesegenauigkeit
einen Strich durch die Rechnung ...").
Zur Illustration sei hier das im kreisförmigen Ausschnitt kontrastbetonte Bild des Schattenübergangs
bei der Sonnenuhr Laghu Samrat Yantra gezeigt;
Schattenstäbe oder Lichtritzen werfen - vom Übergang des Kernschattens zu vollem Licht her betrachtet - weitgehend symmetrische Schatten- oder Lichtbilder auf die Skalenfläche von Sonnenuhren. Die
mittige Lage solcher Schatten- oder Lichtfiguren
relativ zu den Skalenlinien einer Sonnenuhr kann mit
unserem geometrischen Empfinden für die symmetrische Lage sehr präzise beurteilt werden. Dies macht
sich beispielsweise Fred Bangerter bei seiner Präzisionssonnenuhr auf Muottas Muragl (s. GSA-Rundschreiben Nr. 44, S. 6) zunutze, indem er die Übereinstimmung des schmalen, von seiner Lichtritze auf
die Skala geworfenen Lichtbandes mit dem gravierten Skalenstrich mit einer Genauigkeit von wenigen
Sekunden feststellen kann.
Anders verhält es sich, wenn die Schattengrenze
eines größeren Körpers auf der Skala der Sonnenuhr
mit dem Übergang vom beschatteten zum voll
beleuchteten Bereich die Stelle markiert, an der
abzulesen ist. Hier haben wir keine symmetrische
Form der Licht-Schattenfigur vorliegen, sondern den
einseitigen Übergang von einem großflächigen
Schattenbereich auf einen hell beleuchteten. Durch
die scheinbare Größe der Sonnenscheibe von etwa
0,5° und ihre Kreisform wird ein Verlauf dieses
Übergangs von „dunkel" zu „hell" erzeugt, bei dem
wir gefühlsäßig nicht die „durch die Geometrie vorgegebene Mitte", sondern eine näher beim dunklen
Ende des Halbschattens liegende Stelle als die „richtige" für die Ablesung empfinden. Die Abweichung
beträgt - ziemlich unabhängig von der Größe der
Sonnenuhr - etwa 0,17°, was einem Zeitfehler von
ungefähr 40 Sekunden entspricht. Hinzu kommt noch
noch, insbesondere bei großen Sonnenuhren und bei
nicht ganz gleichmäßiger Textur der Skalenfläche,
eine gewisse Unsicherheit, mit der wir die Lage des
für unser Empfinden „richtigen" Ortes der Halbschattenmitte einschätzen.
Abb. 1: Schattengrenze an der Skala der Äquatorialsonnenuhr Laghu Samrat Yantra
(leider nur als unscharfes Bild verfügbar)
auch diese Uhr befindet sich im Jantar Mantra.
Die durch die Pfeile markierten Skalenstriche liegen 5
Minuten auseinander, und es ist unschwer zu erkennen, dass die Ableseunsicherheit bei einem solchen
Schattenbild mindestens in der Größenordnung von
20 Sekunden liegen muß.
Seite 16
Nun zur (einfach gehaltenen) physikalischen Betrachtung: Wir betrachten Punkte auf der Skalenfläche,
von denen aus gesehen die Sonnenscheibe verschieden weit vom Schattenwerfer abgedeckt ist:
Abb. 2: Zur Berechnung der Beleuchtungsintensität im
Halbschatten
Eine geometrische Betrachtung liefert für den Intensitätsverlauf im Halbschattenbereich die Beziehung
In einem auf 1 normierten Diagramm stellt sich dies
so dar:
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Schritten" (nämlich logarithmisch 2-1-0) genau widerspiegelt. Unser Gehörsinn und unser Tastsinn sind in
bezug auf den Schalldruckpegel und auf mechanischen Druck ganz ähnlich organisiert.
Was fangen wir nun mit dieser Erkenntnis an? Wir
versuchen zu berechnen, wo wir bei einem Übergang
von Dunkel zu Hell die „Mitte" empfinden. Dazu müssen wir wissen, in welchem Helligkeitsverhältnis auf
einer Fläche der im Kernschatten eines Schattenwerfers liegende Bereich zu dem voll von der Sonne
beleuchteten steht. Dieser Wert liegt in der Größenordnung von 1% (diese Zahl hängt, genau besehen,
von einigen Faktoren ab, unter anderem von der
Opazität der Luft, also von ihrem Staub- und Dampfgehalt, weiters von der Geometrie der Sonnenuhranordnung - nämlich davon, wieviel „Himmel" eine
beschattete Stelle der Skalenwand „sieht"; es ist
müßig, sich hier um präzise Angaben zu bemühen,
die von der Wirklichkeit schnell ad absurdum geführt
würden. Wir wollen daher den geschätzten Wert von
1% als für unsere Betrachtung maßgeblich akzeptieren).
Wenn wir nun unser Diagramm (Abb. 3) logarithmisch
auswerten, das Dunkel-Hell-Verhältnis mit 1% annehmen und den voll beschatteten und den voll beleuchteten Bereich links und rechts noch etwas ausdehen,
bekommen wir die folgende Darstellung (Abb. 4; der
Halbschattenübergang liegt hier zwischen den Werten -1,00 und +1,00 auf der horizontalen Skala, die
Grauwerte sind einem Foto einer Sonnenuhr bei
Schönwetter entnommen):
Abb. 3: Das ausgewertete Integral (1)
Bisher haben wir die Sache geometrisch betrachtet.
Nun berücksichtigen wir aber in dieser Betrachtung
unser „logarithmisch" arbeitendes Sinnesempfinden;
damit ist gemeint, dass wir beim Tasten, Sehen und
Hören Signalstärken, die im gleichen Verhältnis zueinander liegen, als gleich weit auseinanderliegend
abgestuft empfinden. Wenn wir beispielsweise drei
Sterne A, B und C betrachten, deren physikalisch
gemessene Helligkeiten die Werte 100, 10 und 1
haben (A leuchtet also 10 mal so hell wie B, und B
seinerseits 10 mal so hell wie C), dann scheinen
nach unserem Empfinden die Sterne A und B gleich
weit in der Helligkeit auseinanderzuliegen wie die
Sterne B und C. Wenn wir die Zahlen 100, 10 und 1
logarithmieren, erhalten wir die Werte 2, 1 und 0, was
die gefühlsmäßig empfundene Abstufung „in gleichen
Abb. 4: Empfundene (links) und geometrische Halbschattenmitte
Beim Ort der „logarithmischen Mitte" (in diesem Diagramm beim Wert 0,5 auf der senkrechten Skala)
liegt die „empfindungsmäßige Mitte" des Halbschattens (durchgezogener Pfeil), während die „geometrische Mitte" (hier in der Mitte der horizontalen
Skala bei Null, strichlierter Pfeil), auf die der Sonnenuhrkonstrukteur meist seinen Skalenstrich setzt, doch
deutlich davon abweicht - nämlich, wie bereits weiter
oben erwähnt, um etwa 0,17° oder 40 Sekunden.
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Seite 17
Was folgt daraus für den Konstrukteur? Eine ganz
einfache Regel: Ausgehend von der Lage des
Sonnenmittelpunkts sind die ermittelten Positionen
der Skalenstriche für Zeitpunkte zu berechnen, die
nicht genau mit z.B. der vollen Stunde übereinstimmen, sondern um 0,17° oder 40 Sekunden
näher bei der Mittagsmarke liegen.
Hier eine mögliche Konstruktionsanweisung:
- Berechne die Position der Skalenlinien für die vorgesehenen Zeitmarken durch geometrische
Projektion der Schattenkante vom Sonnenmittelpunkt auf die Skalenfläche.
- Verschiebe die so berechneten Skalenlinien durch
Verdrehung der Projektionsebene um die
Schattenkante um den Winkel von 0,17° in Richtung Mittagslinie.
Oder - nach Maßgabe der verfügbaren Tabellen oder
Berechnungsprogramme vielleicht einfacher:
- Berechne die Projektionen für Zeitpunkte, die am
Vormittag um 40 Sekunden später, am Nachmittag
um 40 Sekunden früher liegen als die Zeitmarken,
die zu den Skalenstrichen geschrieben werden.
Eine so konstruierte Sonnenuhr wird um 40 Sekunden genauer gehen als eine, bei der man die hier
vorgestellten Überlegungen nicht beherzigt.
Bei der Riesensonnenuhr Samrat Yantra mit 15 m
Skalenradius macht diese Korrektur immerhin eine
Verschiebung der Skalenlinien um ca. 44 mm aus,
womit die von der lokalen Werbung kolportierte
Ablesegenauigkeit von 2 Sekunden wohl widerlegt
sein dürfte.
Eine Sonnenuhr aus Lindenholz in Kerbschnitt-Technik
Ernst Heissenberger, Ternitz - St. Johann, NÖ; Walter Hofmann, Wien
Künstlerische Gestaltung
Ausführung
Ernst Heissenberger
und
handwerkliche
In der Pension habe ich mit dem Schnitzen begonnen. Die Technik erlernte ich in Schnitzkursen des
WIFI St. Pölten und beim Holzbildhauer Felix Gravogel im Kreativdorf Hohenberg (Bezirk Lilienfeld). In
Elbigenalp, Tirol, besuchte ich einen Kurs über das
Beizen und Kolorieren in der Schnitzschule GeislerMoroder.
Immer schon hatte ich den Sternenhimmel betrachtet, aber erst vor wenigen Jahren
wurde ich Mitglied des Österreichischen Astronomischen Vereins. Ich
begann, mich mit Sonnenuhren zu
beschäftigen, und dachte, ich
könnte doch eine Sonnenuhr
schnitzen. Ich trat der Arbeitsgruppe Sonnenuhren bei. Herr Prof.
Hermann Mucke stellte mir die
Unterlagen des Sternfreundeseminars 1991 über Sonnenuhren zur
Verfügung und riet mir, mich an
Herrn Mag. Walter Hofmann zu
wenden.
Für das Anbringen der Sonnenuhr
bot sich der Wandstreifen oberhalb
des Garagentors in meinem Garten Abb. 1:
an. Die Wand ist lotrecht und unge-
fähr nach Süden gerichtet. Bei zwei Besuchen ermittelte Herr Hofmann mit verschiedenen Schattenbeobachtungen die genaue Wandrichtung. Die geographischen Koordinaten las ich von einem GPS-Gerät
ab.
Ich hatte mir das Buch „Sonnenuhren. Eine Anleitung
für Handwerker und Liebhaber“ von Heinz Schumacher besorgt und konstruierte das Zifferblatt
zunächst mit den Methoden der Darstellenden
Geometrie. Später berechnete Herr Hofmann die
Stundenlinien des Zifferblattes und verbesserte die
Genauigkeit der Konstruktion.
Stillleben mit Entwürfen, Schnitzwerkzeug, Holzteilen und dem SonnenKaffeehäferl!
Seite 18
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Dem zur Verfügung stehenden Platz entsprechend
misst die Sonnenuhr 600 mm im Quadrat. Sie ist aus
Einzelteilen zusammengesetzt. Diese können, wenn
erforderlich, nachgefertigt werden. Zum Bild der
lachenden Sonne wurde ich durch ein Kaffeehäferl
angeregt (Abb. 1).
Abb. 2:
Die fertige Vertikaluhr; λ = - 16°01’, φ = 47°43’,
Südabweichung 4° Ost
Die Wahre Ortszeit während der Dauer der Sommerzeit ist mit arabischen, während der Dauer der
Normalzeit mit römischen Ziffern angegeben. Die
Streifen mit den Zeitskalen werden von Sternzeichen,
Jahreszeitsymbolen, den geographischen Daten und
Abb. 4:
Messung mit einem Lot; unten der Schnitzer, oben
der Mathematiker
einem selbst
(Abb. 2).
erdachten
Sinnspruch
umrahmt
Ich strich die Sonnenuhr mit einer UV-beständigen
Naturharzöl-Holzlasur. Die gewölbte Sonnenscheibe
wurde ebenso wie der Zeiger gedrechselt, letzterer als
verlängerte Nase der Sonne (Abb. 3). Das Sonnengesicht malte ein befreundeter Hobbykünstler, der Wimpassinger Manfred Schwegelhofer. Von Walter Hofmann kollegial beraten, hatte ich große Freude mit der
Arbeit an meiner Sonnenuhr.
Messen und Rechnen
Walter Hofmann
Auch ich beschäftigte mich einige Zeit mit dem Schnitzen und lernte die Begeisterung von Menschen für
dieses Steckenpferd in einer Reihe von Kursen
kennen. So war es für mich eine besondere Freude,
dass mich Herr Heissenberger zur Mitarbeit an
seinem Vorhaben einlud.
Abb. 3:
Werkzeichnung Zeiger mit stützendem Pyramidenstumpf
Die Wandrichtung stelle ich mit Hilfe von Schattenbeobachtungen fest. Durch die Verschiedenheit der
Stellen, an denen Sonnenuhren angebracht sind, ist
für jede Sonnenuhr die beste Vorgangsweise geson-
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Abb. 5:
Seite 19
Messen mit Lochscheibe, Wasserwaage und Funkuhr
dert zu überlegen. Nach einigen Versuchen an der
Garage von Herrn Heissenberger nutzten wir den
Umstand, dass die Wand über und neben dem
Garagentor in einer Ebene verläuft (Abb. 4).
Wir hatten das Glück eines sonnigen und windstillen
Tages, als ich eine Buchbinderlade auf einem Tisch
an die Wand rückte. Die Lade besteht aus einem
Reißbrett und einem Rahmen, der rechtwinklig zum
Reißbrett fixiert wird. Sie dient zum Aneinanderheften
der Lagen von Büchern. Wir haben sie zweckentfremdet.
Schließlich berechnete ich für das Einstellen des
Zeigers das Netz eines dreiseitigen Pyramidenstumpfes, der dann aus Karton angefertigt wurde
(Abb. 6). Soviel ich weiß, hat auch Karl Schwarzinger
mit Vorrichtungen aus Karton gearbeitet.
Das Reißbrett wurde waagrecht gelegt und vom
Rahmen eine Lochscheibe herab gehängt, von dieser
ein Lot bis zu einem Blatt Papier auf dem Reißbrett.
Damit gelang es sehr genau, den Winkel des Lotschattens mit einer zur Wand rechtwinkligen Linie
festzustellen. An einer Funkuhr lasen wir die Zeit der
Schattenmessungen ab (Abb. 5).
Die Zeitangabe auf der Funkuhr ist in die Wahre Ortszeit umzurechnen. Aus dieser, der Deklination des
Tages und der geographischen Breite des Standortes
ergibt sich das Azimut der Sonne (s. Beitrag von H.
O. Ramp auf Seite 7 in diesem Heft). Die Wandabweichung von der Südrichtung ist die Differenz
zwischen dem Azimut und dem Winkel zwischen dem
Lotschatten und der zur Wand rechtwinkligen
Geraden.
Abb. 6:
Justieren des Zeigers entlang einer Kante des
Pyramidenstumpfes. Der schief abgeschnittene
Zeiger sitzt auf der Sonnenscheibe auf und wird
mit einer Schraube fixiert.
Herr Heissenberger, Diplomingenieur der Montanuniversität Leoben, war in der Ternitzer Firma Schoeller-Bleckmann in leitender Stellung tätig. Ich bin froh
über die angenehme Zusammenarbeit und dankbar
für die Gastfreundschaft im Haus des Ehepaares.
Seite 20
Rundschreiben Nr. 45 Juni 2013
Einladung zur Jahrestagung 2013 der GSA in Triest
Peter Husty, Salzburg
Für den Herbst 2013 ist wieder einmal eine „grenzüberschreitende" Jahrestagung geplant, und zwar in der
Provinz Triest/Italien: „Sehnsucht Süden".
Schon mehrfach fanden die Tagungen unserer
Arbeitsgruppe jenseits der Grenzen statt, ich erinnere
an die Treffen in Ungarn in Szombathely 1993 sowie
in Kőszeg 2002, oder in St. Ulrich im Grödnertal 1995
und 2007 oder in Zernez in der Schweiz im Jahr
2010. Schon seit längerem plane ich mit Paolo AlberiAuber ein Treffen in oder in der Nähe von Triest,
aber bisher kollidierten die Termine immer mit denen
der italienischen Vereinigung, in der Paolo Alberi
auch sehr aktiv tätig ist. Nun konnte ich ihn letztes
Jahr doch dazu überreden, und unser Weg führt nun
Richtung Süden. Reminiszenzen an die Vergangenheit könnten wach werden. Vielmehr sind es aber die
Landschaft des Friaul und das Meer, die gleichermaßen nahe sind und besonders anziehend wirken,
sowie die Sehenswürdigkeiten – Triest mit seiner
historischen Altstadt und dem Hafen, das nahe
gelegene Schloss Miramar oder der Rilke-Weg in
Duino –, die faszinieren. Die Region des Karst und
die Meeresküste, der Kontrast zwischen dem alpinen
und dem mediterranen Klima, die so eng benachbart
sind, das alles ist Grund genug, der „Sehnsucht
Süden“ Genüge zu tun.
„Sonnenuhrdorf“ besuchen – viele werden beides aus
Besuchen oder aus der Literatur schon kennen, aber
unser Ziel ist das gemeinsame Bestaunen der
Vielfalt, der Meinungsaustausch vor den Originalen
und das gemeinsame Erleben der Kultur, und dazu
sind Sie herzlich eingeladen.
Die Exkursion am Samstag wird die Kontraste verbinden, wenn wir in Aquileja die römischen Wurzeln
finden, im Museum zahlreiche antike Sonnenuhren
besichtigen können und in Aiello ein lebendiges
Organisation und Information:
Mag. Peter Husty, A-5411 Oberalm, Bayernstr. 8b,
Tel +43 6245 73304, mobil +43 664 5069060,
[email protected]
Schloss Duino
Datum:
Freitag, 20., bis Samstag, 21. September 2013
Ort:
Sistiana/Duino-Aurisina (Provinz Triest)
(45.7710758, 13.6382775)
http://www.comune.duino-aurisina.ts.it http://
www.triestetour.altervista.org/duino.htm
Hotels:
Tagungshotel:
Hotel Eden, Sistiana 42 A, I-34011 Duino-Aurisina,
Tel +39 040 290 7042, www.edensistiana.it
2. Hotel:
Hotel Posta, Sistiana 51, I-34011 Duino-Aurisina,
Tel +39 040 299103, www.hotelposta.ts.it
Schloss Miramar