„Basel III noch lange nicht abgehakt“

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FINANZEN & RECHT
SEITE 10 | JULI 2014
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WIRTSCHAFTSZEITUNG
„Basel III noch lange nicht abgehakt“
Die Wirtschaftskammern diskutierten mit den Banken die Auswirkung auf die Mittelstandsfinanzierung
präsentiert:
DOX – der Ostbayern-Index
Firma
aktueller VerändeKurswert rung zum
in € Vormonat
" BMW AG
91,99
" Siemens AG
98,12
" Krones AG
71,15
" Continental AG
173,6
" Mühlbauer AG
20
" Grammer AG
43,14
" Infineon Technologies AG 9,077
! Osram AG
36,89
" Nabaltec AG
11,83
" Schneider AG
69,32
! Andritz AG
43,3
" E.ON AG
14,18
" Gerresheimer AG
49,45
! Einhell Germany AG
30,5
! Deutsche Steinzeug Cremer
und Breuer AG
0,261
" Pilkington Deutschland AG 450
! BHS Tabletop AG
10,95
" HeidelbergCement AG
63,68
" Deutsche Telekom AG
12,86
" General Electric Co
19,6
" Amgen Inc.
85,22
" Daimler AG
69,74
" Textron Inc.
28,75
" Johnson Controls
35,4
" Lear Corporation
64,32
" Polytec Holding AG
0,104
" Kontron AG
5,08
" Toshiba Corp.
2,98
! Südzucker AG
15,24
" Bechtle AG
65,13
1,67%
4,71%
5,49%
3,24%
5,74%
9,23%
5,88%
-9,35%
7,55%
2,18%
-3,38%
2,68%
0,75%
-0,21%
-6,79%
0,45%
-3,86%
1,50%
10,01%
1,32%
5,09%
3,47%
1,53%
10,98%
9,74%
6,12%
2,63%
4,56%
-2,12%
2,57%
Stand: 30.5.2014
DAX
= 9939 (+4,31%)
DAX (normiert*) = 1595 (+4,31%)
DOX
= 1642 (+2,30%)
*Zur besseren Vergleichbarkeit wurde der DAX-Wert
am 1.10.2010 zum Start der DOX-Erhebung auf den
DOX-Startwert 1000 heruntergerechnet.
sen und Genossenschaftsbanken
durchaus Erfolge erzielt worden seien, so warnten der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Toni
Hinterdobler und sein Bereichsleiter
Andreas Keller sowie IHK-Geschäftsführer Dr. Reinhard Rieger vor der Illusion, Basel III könne für den Mittelstand als „abgehakt“ gelten.
VON GERD OTTO
Die Gefahr einer
Kreditklemme sehen die Sparkassen
und Genossenschaftsbanken derzeit
nicht. Jedenfalls gelte dies in Ostbayern und für die Mittelstandsfinanzierung. Wie im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz und
der Industrie- und Handelskammer
Oberpfalz/Kelheim zum Thema „Basel III“ betont wurde, sei man freilich
bei Großfinanzierungen, wenn man
also mehrere Partner aus dem Bankensektor ins Boot holen müsse,
durchaus besorgt. Hier setzen die Finanzinstitute auf die Zusammenarbeit mit Förderbanken wie LfA, KfW,
die Bürgschaftsbank Bayern oder die
Bayerische Beteiligungsgesellschaft
mbH. Die BayBG hatte nicht von ungefähr die Rodel-Legende Georg
„Schorsch“ Hackl in die Oberpfalz eingeladen. Schließlich steht der dreifache Olympiasieger und heutige Bundestrainer als Symbol für Glaubwürdigkeit, Konstanz und Beharrlichkeit.
CHARLOTTENHOF.
Kreditverknappung möglich
Diese Eigenschaften sind es denn
auch, die angesichts des Regulierungswahnsinns rund um die neuen Eigenkapitalanforderungen gerade im Bereich der Mittelstandsfinanzierung
als dringend notwendig erachtet werden. Wie der Neumarkter Sparkassen-Vorstand Stefan Wittmann und
Maximilian Zepf, der Vorstand der
Gutes Rating immer wichtiger
Rodel-Legende Georg Hackl (2. v. li.) hatte viele Kniffe parat. Foto: HWK
Raiffeisenbank Schwandorf-Nittenau,
übereinstimmend feststellten, seien
die im Zusammenhang mit Basel III
notwendigen Aufwendungen alles
andere als produktiv, „sie kosten nur
Geld“. Die Regulierungsmaßnahmen
der Bankenunion machen inzwischen jährlich rund zehn Milliarden
Euro an Kosten aus. Dass sie (noch)
nicht an die Bankenkunden weitergegeben werden, sei lediglich dem harten Wettbewerb geschuldet, betonte
Maximilian Zepf. Und sein Sparkassen-Kollege Stefan Wittmann ergänzte: „Auch die anhaltende Niedrigzinsphase drückt auf unsere Margen.“ Die
seit Jahresbeginn geltenden Regeln
rund um die erhöhte Hinterlegung
des Eigenkapitals könnten dazu führen, dass zumindest 38 Prozent weniger Kredite vergeben werden. Ein ty-
pischer Mittelstandskredit wäre aufgrund dieser gestiegenen Eigenkapitalkosten der Banken eigentlich um
40 Basispunkte teurer. Da Staatsanleihen oder Bankschuldverschreibungen überhaupt nicht oder nur in geringem Maße mit Eigenkapital unterlegt sein müssen, könnte es auch dadurch zu einer Verknappung des Kreditangebots kommen, wäre es doch
immerhin denkbar, dass sich die Anreize für die Banken, ihr Kapital in
diese Finanzprodukte zu investieren,
spürbar erhöhen.
In diese Richtung könnten auch
die neuen Liquiditätsvorschriften
Wirkung zeigen. Auch wenn bei der
„mittelstandsgerechten“ Umsetzung
von Basel III in europäisches und
deutsches Recht dank gemeinsamer
Bemühungen der Kammern, Sparkas-
Generell verwies nicht nur Herbert
Antes von der LfA Förderbank Bayern
darauf, neben Eigenkapital und Liquidität vor allem ein gutes Rating nicht
zu unterschätzen und empfahl, Haftungsfreistellungen und Bürgschaften
stärker einzusetzen. Laut Sebastian
Wegner von der Bürgschaftsbank
Bayern, einer Selbsthilfeeinrichtung
der gewerblichen Wirtschaft, können
Bürgschaften dazu beitragen, die Eigenkapitalkosten der Hausbank zu
senken und damit zu einem höheren
Kreditangebot für den Mittelstand
führen.
Ehe Josef Krumbachner, der Pressesprecher der BayBG, von dem Olympioniken Georg Hackl die Geheimnisse
für „Ausdauer, Engagement und Zusammenarbeit“ erfragen konnte,
schilderte seine Kollegin Dr. Barbara
Karch die Win-win-Situation, die sich
durch den Einsatz von Beteiligungskapital für alle ergeben könne: ein
verbessertes Rating ohne dingliche Sicherheiten, keine Einflussnahme auf
das operative Geschäft und all dies bis
zu zehn Jahre tilgungsfrei.
Die fiesen Tricks der Datendiebe
Repertoire reicht von Hackerangriffen über Spammails bis zu verseuchten USB-Sticks
Mit Mario Draghi an der Spitze hat die EZB den Leitzins im Euroraum auf ein
Foto: Arne Dedert/dpa
neues Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt.
Enteignung der Sparer
Prof. Dr. Rösl kritisiert „manipulierte Zinssätze“
VON PROF. DR. GERHARD
RÖSL,
OTH REGENSBURG
Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank verschärft die ohnehin schon immensen Belastungen
für den deutschen Sparer weiter. Experten sprechen hier von „finanzieller Repression“, also einer kalten Enteignung des Geldvermögens durch
künstlich nach unten manipulierte
Zinssätze seitens der Zentralbanken.
So sehen sich die Besitzer von Sparund Termineinlagen bei Banken,
Sparbriefen, Wertpapieren und Guthaben bei Versicherungen bei Fälligkeit ihrer Finanzanlagen gezwungen,
zum Teil erhebliche Abschläge bei
der Wiederanlage ihrer Ersparnisse
hinzunehmen, da die Finanzakteure
sowohl an den Geld- als auch an den
Kapitalmärkten bei überschaubaren
Risiken kaum mehr positive Renditen für ihre Kunden erwirtschaften
können.
Profiteure dieser Politik sind freilich vor allem die Regierungen in
Südeuropa, die sich nun günstiger
neu verschulden oder alte Kredite ablösen können. Aber auch die deutsche Bundesregierung freut sich über
einen gegenwärtig negativen Realzins, kann sie sich doch durch bloßes
Abwarten entschulden. Kein Wunder also, dass von weiten Teilen der
politischen Klasse in Deutschland
die Eurorettung als alternativlos bezeichnet wird. Um nun eine Größenordnung für die Entwertung der Ersparnisse der Deutschen durch die finanzielle Repression abzuleiten, können bei konservativer Rechnung
jährlich rund 100 Milliarden Euro angesetzt werden. Dieser Betrag ergibt
sich, wenn man neben der sogenannten Inflationssteuer, also dem Kaufkraftverlust des Geldes durch die Inflation (derzeit circa zehn Milliarden
Euro), auch noch die Zinsverluste der
Sparer in Höhe von 60 Milliarden Euro – bei einem unterstellten Zinssatzverlust von 1,5 Prozent auf das deutsche Geldvermögen in Höhe von
rund vier Billionen Euro – und die zu
zahlende Kapitalertragssteuer (rund
26 Milliarden Euro) aufsummiert.
Noch verheerender dürften die
langfristigen Kosten der Niedrigzinspolitik der EZB für die deutsche
Volkswirtschaft sein, werden die Ersparnisse doch über die EZB-Bilanz
künstlich in den Süden Europas gelenkt. Entsprechende Wachstums-,
Effizienz- und Wohlfahrtsverluste
sind dann die logische Folge im Norden. Die Kosten der von der EZB angeworfenen Umverteilungsmaschinerie sind enorm. Zudem fehlt hierzu
die demokratische Legitimation. Entscheidungen in Bezug auf Umverteilungen innerhalb Europas sind von
den zuständigen Parlamenten zu treffen und nicht intransparent und
über die Hintertür von der EZB.
NÜRNBERG. Einen ausgewiesenen Kenner haben sich die Veranstalter der
Bayerischen Mittelstandsgespräche,
die BayBG und die IHK Nürnberg, zum
Thema „Wie schützt sich der Mittelstand vor Datenklau?“ eingeladen: Daniel Domscheit-Berg, Gründer von
OpenLeaks, einst Sprecher von WikiLeaks und neben Julian Assange das
zweitbekannteste Gesicht der Enthüllungspioniere. Domscheit-Berg illustrierte das Problem an einem einfachen
Beispiel. Sein 13-jähriges Kind kam
lange in dem „internetaffinen Haushalt ohne Facebook, WhatsApp und
Co.“ zurecht. Aber irgendwann musste
es sich dem sozialen Druck in der
Schule beugen. Nun wachse es auf
„mit einem komplett archivierten Leben“ und vermutlich bis in alle Ewigkeit aufgezeichneten Daten.
Angriffsziele gibt es viele
Was für sein Kind gelte, gelte auch für
jeden Firmenchef, Abteilungsleiter, jede private oder dienstliche digitale
Korrespondenz. Es werde „gesammelt
und ausgewertet“, legal und illegal. Es
gebe Fälle, in denen sich Firmen wegen heimlich belauschter Kommunikation unversehens auf der Anklagebank wiederfanden. Auch die Möglichkeiten für ein digitales Bewegungsprofil würden immer besser. Gerade haben auch deutsche Automobilhersteller den Antrag für autonome
Testfahrten auf europäischen Straßen
gestellt. Ohne lückenlose Internetanbindung und eine reibungslose
Kommunikation von Maschine
zu Maschine, also etwa Auto zu
Auto oder Auto zu Ampel, geht es
nicht – der Schutz vor Auswertung
oder vor Hackern, die per Laptop
Bremsen oder Benzinzufuhr manipulieren, steht noch in den Sternen. Vor einer explodierenden
Bedeutung des Internets für
Straftaten warnte auch Bayerns
oberster Cyber-Cop Günter Seibold
vom Landeskriminalamt (LKA). Egal,
ob es um einen Banküberfall, das Aushorchen von Wettbewerbern geht
oder ob man sich über einen kleinen
Zulieferer Zugang zu einem Branchenriesen verschaffen will – der Weg von
Datendieben und organisierten Kriminellen führt immer häufiger über das
digitale Netz.
30 Milliarden Spams würden täglich verschickt, so Seibold, jede 400.
Mail lande mit Virus im Postfach. Attackiert werde erst einmal wahllos jede
Firma, mit Vorliebe im attraktiven Industriestandort Bayern. Bislang wende
sich aber nur ein Viertel der angegriffenen Firmen an die Polizei. Dabei gebe es neuerdings in jeder Polizeidirektion auch einen Mitarbeiter, der qualifiziert Auskunft geben könnte. Auf der
Ebene darüber fänden sich bereits Experten und darüber die LKA-Abteilung
von Seibold mit Mathematikern und
Forensikern, die bis zum Jahresende
auf 50 Cyber-Cops aufgestockt wird.
Für Hacker sei nicht nur die Firewall
Angriffsziel. Sie würden zunehmend
auch in Social-Media-Netze ausweichen. Oder machten sich die menschliche Neugier zunutze und deponierten
auf dem Firmenparkplatz einen infizierten USB-Stick, berichtet der CyberCop. Die Aufschrift „Personalabteilung“, „wichtig“ oder „vertraulich“ verleite 80 Prozent der Finder dazu, am
Arbeitsrech-
ner mal einen Blick auf die Daten zu
werfen. „Alles von außen birgt Gefahren, das müssen Mitarbeiter verinnerlichen.“ „IT-Sicherheit ist teuer“, stellte
Martin Hager, Chef von Retarus, einem Anbieter professioneller Messaging-Lösungen, fest. „Aber teurer ist
die fehlende IT-Sicherheit.“ Das demonstrierte der gewerbliche Hacker
Sebastian Schreiber, der mit seiner Firma SySS im Auftrag von Unternehmen Sicherheitssysteme von außen
prüft. Er zeigte auf den Bayerischen
Mittelstandsgesprächen live, wie
leicht sich etwa ein Smartphone von
außen belauschen lässt, wie sich mit
ein paar Klicks der Preis in einem
Webshop, in diesem Fall einem Pizzalieferdienst, manipulieren lässt oder
wie schnell man ein gesichertes iPad
oder einen verschlüsselten USB-Stick
mit der geeigneten Software knacken
kann. Für die notwendigen Trojaner
und die Hackersoftware gebe es bereits
einen Markt für Spionagepakete – für
läppische 30 Euro.
Geklautes Passwort gegen Bares
Selbst Mittelständler, bei denen vermeintlich keine sensiblen Daten zu
holen sind, sollten sich laut Hager
nicht in Sicherheit wiegen. Aktuell
werde es bei Hackern immer beliebter,
einfach von außen den Rechner zu
verschlüsseln. Dann sei eine Firma lahmgelegt und könne nur
durch Entschlüsselung, also
„Passwort gegen Geld“,
weiterarbeiten. (ntt)
Foto: picsfiveistock-thinkstock