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Mittwoch, 26. Juni 2013 · Nr. 49
8 Amgen meistert Patentklippe
Unternehmen
9 Novartis macht mit Biosimilars vorwärts
11 Wer im Steuerstreit in den Fokus rückt
14 Vodafone will mehr Festnetz
«Wir müssen um das Wachstum kämpfen»
KarL Gernandt Der Verwaltungsratspräsident und CEO von Kühne + Nagel will den Transportlogistiker agiler machen, doch von einer Grossübernahme Abstand nehmen
Herr Gernandt, Transportlogistik ist
am Puls der Weltwirtschaft. Wie rasch
schlägt er derzeit?
Der Puls schlägt nicht rascher oder langsamer als 2012 und 2011, aber an anderer Stelle und in seiner Dynamik weniger ­kalkulierbar als früher. Wir müssen
mehr kämpfen, um den Puls in derselben Geschwindigkeit zu halten. Ganze
Sektoren sind seit 2008 wegen Finanzierungsproblemen plötzlich weggefallen
oder haben ihr gesamtes Produktionsund Absatznetz anders ausrichten müssen. Unsere Aufgabe als Logistiker ist es,
solche Entwicklungen in den Branchen
und den ­Regionen frühzeitig zu erkennen und ­entsprechende Initiativen zu
­ergreifen. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass jeder Anbieter von einem
wachsenden Handel in jeder Weltregion
profitiert wie in den fünfzehn Jahren vor
der Finanzkrise.
Was zeigen die Warenströme derzeit an?
Überraschend erfreulich laufen die Transpazifik- und die Transatlantikrouten von
und in die USA. Gut entwickelt sich auch
Lateinamerika. Dort profitieren wir als
Unsere Strategie ist nur
dann erfolgreich, wenn
wir mit einem schlankeren
­Apparat wachsen.
­ ogistikunternehmen von einer wachsenL
den Mittelschicht in marktwirtschaftlich
ausgerichteten Ländern wie Brasilien und
Chile. Höchst problematisch sind hingegen die mediterranen Länder, inklusive
Frankreichs. Ausgerechnet in der besonders kauffreudigen Gruppe der bis zu
35-Jährigen ist die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch.
Und Asien?
Hat Licht und Schatten. Der Verkehr von
und nach Europa bewegt sich in Richtung Stagnation. Die neue Regierung in
China propagiert ganz klar das Wachstum von innen. Daher ist der Handel
von einer Region im Land zur anderen
viel bedeutender geworden. Der IntraAsien-Handel wird zu einer besonderen
Herausforderung für uns europäische
­Logistiker.
Ein Transportlogistiker muss also die
­Fähigkeit entwickeln, sich an diese
­veränderten Warenströme möglichst
rasch anzupassen?
Genau. Wir müssen Kühne + Nagel auch
in der Entscheidungs- und Kommuni­
kationsstruktur an diese Veränderungen
anpassen. Nicht mehr die Zentrale in
Schindellegi weiss am besten, wo es langgeht, sondern es sind besonders die Regional- und Länderverantwortlichen. Wir
stärken die Managementfähigkeiten in
unseren Regionen. Dieser Prozess ist unglaublich spannend, und ich hoffe, dass
wir flexibel und dynamisch genug sind, es
besser als andere zu tun.
als die Seefracht, aber für die Kunden­
bindung wichtig sind. Wenn es allein um
Return on Investment ginge, müssten
wir nur noch Seefracht betreiben, das ist
unser Königsprodukt. Doch dann wären
wir in einer ungesunden Weise abhängig
von einer Sparte.
Zur Person
Karl Gernandt ist seit zwei Jahren Präsident
des Verwaltungsrats von Kühne + Nagel.
Weil Reinhard Lange am 7. Mai als CEO des
Konzerns vorzeitig zurücktrat, übernahm
Gernandt bis auf weiteres auch die operative Führung des Transportlogistikkonzerns. Der Deutsche wurde im Herbst
2008 von Klaus-Michael Kühne zu seinem
Nachfolger in der privaten Kühne Holding bestellt. Gernandt ist seither auch Geschäftsleiter der Privatstiftung des Mehrheitsaktionärs. Seine Karriere begann er bei
der Deutschen Bank. Danach arbeitete er
für die Unternehmensberatung A.T. Kearney und Holcim. 2007 wurde er Chef der
Region Westeuropa des Zementherstellers.
Karl Gernandt (Jg. 1960) studierte an der
Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft. Zuvor war er Bankkaufmann. Er ist
verheiratet und Vater dreier Töchter.
As
Auch in der Kontraktlogistik glänzt
Kühne + Nagel nicht besonders.
Ganz so schlimm ist es aber auch nicht –
wir sind vielleicht zu rasch gewachsen.
Die Marge wurde immer geringer. Nun
Der grösste Wettbewerber
ist in der Tat nicht DHL,
sondern es sind die vielen
kleinen «Lokalhelden».
­ aben wir die Anzahl Länder, die wir beh
arbeiten, um 20% reduziert. Durch das
Vermeiden von unrentablem Geschäft
wird die Kontraktlogistik dieses Jahr deutlich mehr als 2012 zum Gesamtergebnis
beitragen. Die Massnahmen greifen, das
ist erfreulich.
Aber hat die Gründung neuer regionaler
Strukturen nicht höhere Kosten zur Folge?
Die hohen Strukturkosten sind eine Herausforderung für die gesamte Branche. Wir
haben uns entschlossen, an einigen Stellen des Globus in Marktnähe zu investieren und andernorts die Strukturen zu verschlanken. Unter dem Strich wird dadurch
eine geringere Kostenbelastung entstehen.
Sprechen Sie jetzt vom 2012 lancierten
­Effizienzprogramm Fit for Success?
Richtig. Wir haben uns gesagt, unsere
­Strategie ist nur dann wirklich erfolgreich, wenn wir mit einem schlankeren
und agileren Apparat wachsen. Ziel ist, 60
Mio. Fr. Ergebnisbeitrag pro Jahr herauszuholen. Das sind rund 10% unseres Gesamtgewinns. Gegebene Entwicklungen
wie allgemeine Lohnerhöhungen müssen
kompensiert werden.
Was bedeutet das für den Personalbestand
im Konzern?
Insgesamt werden wir am Ende nicht viel
weniger Personal beschäftigen. In der
Kontraktlogistik werden wir entsprechend
dem Geschäftsvolumen eher mehr Mitarbeiter haben, während wir generell in
Europa und teilweise im Verkauf Stellen
abbauen. Es klingt widersprüchlich, näher
an den Markt zu gehen und gleichzeitig
im Verkauf zu reduzieren. Doch wir bauen
auf Verkaufspersonal mit spezifischen
Branchen- und Produktkenntnissen.
Bleibt noch die Luftfracht. Hat
Kühne + Nagel dort ähnliche Probleme
wie Panalpina?
Im Gegenteil, die Luftfracht liegt über
unseren Erwartungen. Der Gesamtmarkt
schrumpft, wir aber wachsen sehr gut.
­Offensichtlich setzen wir auf die richtigen
Produkte, zum Beispiel den Bereich der
Frischwaren.
Bild: Yvon Baumann
V
iele Jahre lang glänzte Kühne + Nagel mit hohem Wachstum in Umsatz und Gewinn. Selbst nach der
Finanzkrise hielt der Translogistikkonzern
die Rendite auf dem eingesetzten Kapital
auf hohem Niveau. Dann kam das enttäuschende 2012: Der Gewinn ging fast ein
Fünftel zurück. Doch Karl Gernandt,
­Verwaltungsratspräsident und seit Mai
vorübergehend auch operativer Leiter des
Konzerns, ist zuversichtlich, dass Kühne +
Nagel «zur alten Stärke zurückfindet». Mit
einer Verschlankung der Strukturen will er
das Unternehmen agiler machen.
«Mit unseren Aktien hat der Investor ein globales Portfolio», sagt Karl Gernandt von K+N.
Wie gross ist die Gefahr, dass die 60 Mio.
Fr. Einsparungen vom Wettbewerb und
von niedrigeren Margen zunichtegemacht
werden?
Das wird zum Teil leider der Fall sein. Aber
warten wir die Entwicklung ab.
Wie sieht es denn in den einzelnen
­Sparten derzeit aus?
In der Seefracht erleben wir einen brachialen Preisdruck. Die Frachtraten der
Kaufen und liegen lassen
Kühne + Nagel ist
einer der weltweit
Kurs: 100.20 Fr.
SPI-Gesamtindex angegl. grössten Speditions- und Logistikkonzerne. Im Bereich
120
Seefracht ist das Un100
ternehmen vor DHL/
Deutsche Post füh80
rend. Über die Hälfte
10 11 12 13
des Betriebsgewinns
Quelle: Thomson Reuters / FuW
stammt aus diesem
Bereich. In der Luftfracht besetzt K+N den
zweiten Rang. Zudem ist sie in der Kontraktlogistik sowie im Landverkehr (Strasse/
Schiene) positioniert; diese Sparte schreibt
bislang operativ Verlust.
Die 1890 gegründete K+N strebt im
Fünfjahresplan bis 2014 einen Umsatz
von 30 bis 40 Mrd. Fr. (doppelt so viel wie
2010) und einen Gewinn von 1 Mrd. Fr. an.
Das Gewinnziel wird wegen der schleppenden Konjunktur in Europa ein oder zwei
Jahre später erreicht. 2013 hat sich K+N vorgenommen, doppelt so rasch wie der Markt
zu wachsen. Der Fokus soll aber verstärkt
Kühne + Nagel N
auf der Kostenkontrolle liegen. 2012 hatte
der Konzern zu optimistisch budgetiert und
operativ enttäuscht.
Seit der Publikumsöffnung 1994 hat
der Transportlogistiker stets Gewinn ausgewiesen und immer Dividende gezahlt,
mit steigender Tendenz. Die Gefahr, dass
die Dividende einmal ausfällt, ist mit Blick
auf die Marktposition, die Gewinnstabilität
und die sehr solide Bilanz (mit einem Nettogeldüberschuss von über 1 Mrd. Fr.) höchst
unwahrscheinlich.
Die Aktien über eine längere Frist zu
halten, lohnt sich. Mit Kühne + Nagel haben Investoren seit dem IPO oder über die
vergangenen zehn Jahre klar mehr verdient
als mit dem Gesamtindex. Die Bewertung
an der Börse ist mit einem Kurs-Gewinn-­
Verhältnis von 20 hoch. Sie spiegelt jedoch
ein günstiges Chancen-Risiko-Profil für
Anleger und ein Geschäftsmodell, das
mit wenig Kapital auskommt. Selbst seit
Ausbruch der Finanzkrise hat K+N laufend
eine Rendite von über 20% auf dem investierten Kapital erwirtschaftet. AS
Reedereien sind so niedrig wie noch nie. Je
kleiner die Rate, desto geringer die Chance
für uns, eine Marge zu verdienen. Von den
insgesamt 634 Mio. Fr. Betriebsergebnis
im vergangenen Jahr stammen zwei Drittel aus der Seefracht. Wenn diese Sparte
schwächeln würde, dann hätten wir wirklich ein Problem. Wir können als Logistiker jedoch nichts daran ändern, dass zu
viel Schiffskapazität auf dem Markt angeboten wird. Es herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb.
Ein veritables Sorgenkind ist der Bereich
Landverkehr. Ein Geschäft, das seit
fünf Jahren Verlust macht, passt nicht
zu Kühne + Nagel. Was tun Sie?
Das wird passend gemacht. Mit aller
­Bescheidenheit eines Spätankömmlings
glaube ich, dass wir uns früher zu sehr
auf das nationale Stückgutgeschäft konzentriert haben. Damit lässt sich nur
schwer Geld verdienen. Wir werden dieses
defizitäre Geschäft runterfahren. Im Ge­
genzug werden wir den Anteil des inter­
nationalen Verkehrs ausbauen und uns
auf Komplettladungen konzentrieren. So
können wir unsere Grösse und unser
internationales Netzwerk ausspielen. Im
laufenden Jahr wird es im Landverkehrsbereich Verbesserungen, aber noch keine
schwarzen Zahlen geben.
Warum den Bereich nicht aufgeben?
Wir stehen zu diesem Geschäftsbereich,
weil wir auf diese Weise noch näher am
Kunden sind und ihn besser verstehen lernen. Wenn wir uns als ein global integrierter Logistikanbieter positionieren wollen,
müssen wir auch Produkte haben, die
zwar unternehmerisch weniger attraktiv
An einem Vortrag vor der Schweizerischamerikanischen Handelskammer haben
Sie etwas Erstaunliches gesagt. Kundenorientierung und Profitabilität seien
­bislang keine Stärke der Branche gewesen.
Wie das?
Ich hatte dies vor allem im Vergleich zu
anderen Dienstleistungsbranchen formuliert. Wir sind durch die Globalisierung der
Märkte ohne Zweifel begünstigt worden.
Das Geschäft wuchs mit dem Wachstum
der Kunden. Was die Profitabilität betrifft:
Gemessen am Umsatz gehören wir nicht
zu den hochmargigen Branchen. Das wollen wir verbessern und setzen auf integrierte Logistiklösungen, mit denen wir uns
differenzieren können.
Die Branche wird traditionell für
­Volumen und Gewicht bezahlt. Beides
schrumpft, etwa im Technologiebereich.
Wie gehen Sie dieses Problem an?
Heute finden in einem Frachtcontainer
vielleicht fünfmal so viele Fernseher Platz
wie früher, und statt Laptops transportie-
Der neue CEO muss unsere
Kultur kennen, aber auch
genügend frische Ideen für
einen Aufbruch einbringen.
ren wir kleinere und leichtere Tablets. Profitabilität rückt also in den Vordergrund,
und da gehört auch ein «unternehmerisches Nein» bei renditeschwachen Ausschreibungen dazu. In der Automobilindustrie haben einzelne Kunden angefangen, mit elektronischen Auktionen Logistik einzukaufen. Bei solchen Bietergefechten machen wir nicht mit, selbst wenn
es ein sehr attraktiver Kunde ist. Unsere
Branche hat jahrelang vieles leicht richtig
machen können. Heute kann man vieles
sehr leicht falsch machen.
Fortsetzung auf Seite 6
Industrie
6 Mittwoch, 26. Juni 2013 · Nr. 49
Fortsetzung von Seite 5
«Wir müssen um das . . .»
Kühne + Nagel sucht derzeit einen CEO.
Sollte er mit Blick auf die vielen
Ver­änderungen in der Branche nicht eher
von aussen kommen?
Dass eine so grosse und
­traditionelle Firma so
­erfolgshungrig ist, habe ich
anderswo nicht gespürt.
In einem Traditionsunternehmen wie
Kühne + Nagel muss man ausbalancieren
zwischen der Akzeptanz eines langjähri­
gen internen Managers, der die Kultur
kennt und verinnerlicht hat, und befruch­
tenden Ideen, die ein Externer in das
­Unternehmen einbringen könnte. Wenn
eines von beiden fehlt, ist es suboptimal.
Kühne + Nagel wurde während rund 120
Jahren von drei Generationen der Familie
Kühne geführt. Die zentrale Frage lautet:
Wie gelingt es uns, das stabilisierende
­Familiengepräge zu erhalten, aber gleich­
zeitig den Hunger nach neuen Trends
und vifen Entwicklungen ins Unter­
nehmen zu bringen? In den vergange­
nen fünf Jahren haben wir einige Kolle­
gen von aussen in die Konzernleitung
­geholt und gleichzeitig darauf geachtet,
die Kernkompetenz der Firma in den
Hauptsparten Seefracht und Luftfracht
von innen zu erhalten.
Der CEO nur noch als letztes Puzzleteil?
Ja, er muss die Kultur von Kühne + Nagel
kennen, aber gleichzeitig genügend fri­
sche Ideen für einen Aufbruch einbrin­
gen. Es ist eine ganz spannende Aufgabe
für einen Verwaltungsrat, einen solchen
entscheidenden Schritt mitzubegleiten.
Es stört mich, dass eine solche Phase im
Finanzmarkt eher als Schwäche oder Un­
sicherheit gewertet wird. Wir empfinden
sie als Chance für die Zukunft.
Wie weit ist die Suche nach dem CEO
fortgeschritten?
Ich bin zufrieden. Wenn die Ankündigung
des neuen Konzernleiters später als Okto­
ber kommt, könnten Sie schreiben, wir
haben lange benötigt.
Spasseshalber liesse sich sagen,
Kühne + Nagel habe eine neue Filiale
in Basel. Haben die relativ vielen
Abgänge von Spitzenkräften zum Konkurrenten Panalpina Sie geärgert?
Durchaus, aber auf der anderen Seite
muss man auch sportlich sein. Ich habe
lieber starke Gegner im Wettbewerb als
solche, die mit purem Aktionismus die
Kunden verunsichern. In den vergange­
nen zwei Jahren haben uns lediglich rund
30 von 1000 Spitzenkräften aus unter­
schiedlichen Gründen verlassen. Da muss
sich Kühne + Nagel gewiss keine Gedan­
ken machen, kein attraktiver Arbeitgeber
mehr zu sein.
Sie selbst arbeiteten früher für die
Deutsche Bank und waren Europa-Chef
des Zementherstellers Holcim. Was
ist im ­Vergleich speziell an der Unternehmenskultur von Kühne + Nagel?
Die unglaubliche Erfolgsorientierung.
Dass eine so grosse und traditionelle
Firma so erfolgshungrig ist, das habe ich
anderswo nicht gespürt. Das liegt auch
daran, dass Logistik ein Niedrigmargen­
geschäft ist. Holcim verbucht 30 bis 35%
Ebitda-Marge, wir freuen uns, wenn wir
einen kleineren Teil dessen erreichen.
Das ändert die Mentalität. Wir laufen
hochtouriger.
Zu den Aussichten der Branche. 2000
bis 2007 waren die goldenen Jahre. Ist
dieser Wachstumstrend auf längere Zeit
­gebrochen?
Ja, dieser Trend ist Vergangenheit. Wir
werden nicht mehr so schnell ein zwei­
stelliges Wachstum haben, und es wird
nicht mehr eine derart lang anhaltende
Aufschwungphase geben. Gleichwohl
gibt es Chancen, und wir werden sie zu
nutzen wissen.
Gemäss Aussagen eines Finanzanalysten
einer Grossbank werden 2013 und
2014 «dürre» Jahre. Stimmen Sie diesem
­Befund zu?
Für Kühne + Nagel würde ich das nicht
unterschreiben. Im Bereich Seefracht
werden 95% des gesamten Welthandels
abgewickelt. Dort haben wir einen Markt­
anteil unter 5%. In der Luftfracht sind es
gemessen am Umsatz 7%. Wachstums­
potenzial ist also da, auch wenn der Markt
kaum noch wachsen würde.
Wächst Kühne + Nagel rein organisch,
oder gibt es jetzt mehr Möglichkeiten als
früher, andere Transportlogistiker zu
übernehmen?
Auf das Risiko einer Grossübernahme
verzichten wir. Die anschliessende Integ­
ration hat im Dienstleistungsbereich in
den meisten Fällen nicht funktioniert.
Wir ziehen es vor, gezielt kleinere Unter­
nehmen mit besonderem Know-how zu
kaufen.
Kühne + Nagel verfügt über mehr als
1 Mrd. Fr. Nettoliquidität. Was gedenken
Sie damit zu tun?
Die naheliegende und ehrliche Antwort
lautet, wir halten so viel, damit wir an die
Aktionäre etwas ausschütten können und
weil wir einen Sicherheitspuffer haben
wollen. Aber wenn Sie weiter nachfragen,
reicht diese Antwort wahrscheinlich
nicht, zumal wir einen so hohen freien
Cashflow haben, dass sich die Nettoliqui­
dität jedes Jahr erhöht.
Warum nicht mehr an die Aktionäre
­ausschütten?
Unsere Ausschüttungsquote ist in den
vergangenen fünf Jahren in der Tendenz
gestiegen und ist bereits sehr hoch, im
vergangenen Jahr über 80%.
Wie präsentieren Sie Kühne + Nagel
als Unternehmen und als Aktie vor
­Investoren?
Das Unternehmen steht für eine grosse
Innovationskraft. Die IT zählt zu den bes­
ten der Branche. Dazu kommt unser we­
Dank unserem Geschäftsmodell sind wir nie
­Gefangener, sondern
­können uns selbst befreien.
nig kapitalintensives Geschäftsmodell,
das im Vergleich etwa zur Schwerindust­
rie rasches Reagieren in der Krise ermög­
licht. Wir sind somit nie Gefangener, son­
dern können uns selbst befreien. Das
­Unternehmen hat sich verpflichtet, ein
ordentliches organisches Wachstum un­
abhängig von der Marktentwicklung hin­
zulegen. Mit unseren Aktien hat der In­
vestor ein globales Portfolio, das alle Teile
der Welt abdeckt und die verschiedensten
Währungen ausbalanciert. Sie sind ein
stabiles Investment mit einer guten Divi­
dendenrendite.
In den zurückliegenden zwölf Monaten
sind die Aktien aber hinter dem Gesamtmarkt zurückgeblieben.
Ja, und das ärgert mich. Wir haben lange
gebraucht, um zwei Dinge zu korrigieren:
unsere zu optimistische Markteinschät­
zung von 2012, da haben wir zu lange
­gewartet, um zu korrigieren. Und eine
­gewisse Lähmung nach dem ausserge­
wöhnlichen Schock der Kartellbussen
2011 und 2012. Doch die ersten fünf
­Monate im laufenden Jahr stimmen mich
zuversichtlich, dass wir zur alten Stärke
zurückfinden.
Interview: Arno Schmocker
Alle Finanzdaten zu Kühne +
Nagel im Online-Aktienführer:
fuw.ch/KNIN
Bilder: Iris C. Rit ter
Kühne + Nagel muss flexibler werden.
­Gereicht dem Konzern da nicht die Grösse
zum Nachteil?
Der grösste Wettbewerber ist in der Tat
nicht DHL, sondern die vielen kleinen
«Lokalhelden». Wenn wir uns mit den
­anderen Grossen vergleichen, sind wir
stolz darauf, dass wir in vielen Bereichen
effizienter sind. Unsere bestehenden Pro­
zesse beherrschen wir. Doch mit 60 000
bis 70 000 Mitarbeitern gibt es immer
Doubletten und Routine, unter denen die
Agilität leidet. Mit Fit for Success möch­
ten wir wieder agiler werden.
Mit mehr Effizienz und dem Verkauf von Teilen der Distribution will das Management die Mittelbindung verringern.
S+B-Verwässerung für
Altaktionäre eingrenzen
Schweiz Kapitalerhöhung um 330 Mio. Fr. sollte reichen – Aktionär Büttiker setzt Vetorecht durch
Adrian Blum
Wie viel Kapital benö­
tigt Schmolz+Bicken­
Kurs: 2.87 Fr.
SPI-Gesamtindex angegl. bach? Das ist ausser
der Zusammenset­
15
zung des Verwal­
10
tungsrats (vgl. FuW
5
vom Samstag) der
zweite Streitpunkt
2
zwischen
Verwal­
10 11 12 13
tungsrat
und
Gross­
Quelle: Thomson Reuters / FuW
aktionär im Hause
Schmolz+Bickenbach. Die zu hohen Schul­
den machen eine Kapitalherabsetzung
mit anschliessender Kapitalerhöhung un­
ausweichlich, verbunden mit einer massi­
ven Verwässerung der Altaktionäre und
Verschiebungen im Aktionariat.
An der Generalversammlung des Spe­
zialstahlherstellers am Freitag sind zwei
unterschiedliche Kapitalmassnahmen
traktandiert.
Schmolz+Bickenb. N
194 Mio. Fr. Schuldentilgung
Der Verwaltungsrat von S+B schlägt eine
Kapitalherabsetzung von 413,4 Mio. auf 82,7
Mio. Fr. (Nennwertreduktion von 3.50 auf
0.70 Fr.) vor, mit anschliessender Wieder­
aufstockung durch Ausgabe von 472,5 Mio.
neuen Aktien, mit einem Bezugsverhältnis
von 1 zu 4. Die Banken (CS, Commerzbank,
BNP) werden neue Aktien nicht ausgeübter
Bezugsrechte übernehmen. Der Mittel­
zufluss beträgt brutto 330 Mio. Fr. Gemäss
Informationen der FuW fallen Emissions­
kosten von 26 Mio. Fr an. Für die Rückzah­
lung von Krediten sollen rund 194 Mio. Fr.
verwendet werden, was die Zinslast verrin­
gert. Als Cash-Erlös bleiben 110 Mio. Fr.
Hauptaktionärin S+B KG zusammen
mit Victor Vekselbergs Renova traktandiert
eine Kapitalherabsetzung auf 118,3 Mio.
Fr. (Nennwertreduktion von 3.50 auf 1 Fr.)
mit anschliessender Aufstockung um ma­
ximal 434 Mio. neue Papiere (Nennwert
1 Fr., Bezugsverhältnis 1 zu 3,67). Der Mit­
Umsatz nach Divisionen
telzufluss soll brutto rund 435 Mio. Fr.
­betragen. Die KG ist finanziell nicht in der
Lage, alle Bezugsrechte auszuüben, wes­
halb sie Renova ins Boot geholt hat.
Renova soll bisher keine bindenden Ga­
rantien abgegeben haben, der RenovaTochter Venetos sollen aber alle vom KGUmfeld nicht ausgeübten Bezugsrechte
zur Zeichnung angeboten werden.
Die Zusammensetzung des Aktionariats
ändert sich massiv. Kommt an der GV der
Vorschlag der KG durch, würde die Düs­
seldorfer Grossaktionärin (bisher 40,46%)
voraussichtlich 15 bis 20% halten und
Renova 20 bis 25%, abhängig davon, wie
viele Bezugsrechte den Besitzer wechseln.
Wird an der GV jedoch der Vorschlag des
Verwaltungsrats gutgeheissen, würde die
KG ohne Verbündeten dastehen und mög­
licherweise weniger als 15% halten. Der
VR hat mit der Artemis von Michael Pieper
auch einen Investor (angeblich noch einen
weiteren) hinter sich, der ein substanziel­
les Minderheitspaket übernehmen will.
Für die Publikumsaktionäre interes­
sant ist nicht nur die Stimmverteilung,
sondern die finanziellen Folgen der Kapi­
talerhöhung. Um eine Verwässerung zu
vermeiden, muss gemäss Unternehmens­
angaben ein Altaktionär beim Vorschlag
des VR wertmässig 93% seines aktuellen
Engagements aufbringen, beim Gegen­
vorschlag wären es 122%.
Schmolz+Bickenbach hat von einer
Gruppe von siebzehn Banken Kreditlinien
von 930 Mio. € erhalten. Zu dieser Gruppe
gehören gemäss Informationen der FuW
Commerzbank, Credit Suisse, BNP Pari­
bas, UniCredit und weitere deutsche Insti­
tute und schweizerische (Kantonal-)Ban­
ken. Die Kreditvereinbarungen lassen laut
S+B-Management Luft nach oben. Die
vom VR anvisierte Kapitalerhöhung von
330 Mio. Fr. sollte ausreichen unter der
Bedingung, dass angekündigte Deves­
titionen und Restrukturierungsmassnah­
men mit Erfolg umgesetzt werden. Ge­
plant ist, bis 2016 den Ebitda auf über 300
Ebitda-Marge
Produktion
Verarbeitung
Produktion
Distribution + Services
steht zum Verkauf
Verarbeitung
Distribution + Services
in %
8
in Mrd. €
6
4
4
2
3
0
–2
2
–4
1
–6
0
–10
–8
2008
2009
Quelle: Unternehmen / Grafik: FuW, phg
2010
2011
2012
2008
2009
2011
Quelle: Unternehmen / Grafik: FuW, phg
2010
2012
Mio. € zu verbessern und im Verhältnis zu
Nettoschulden auf unter 2,5 zu drücken.
Ausserdem hat sich CEO Johannes Nonn
zu Devestitionen entschlossen. Zum Ver­
kauf steht in der Division Distribution &
Services der Teilbereich Distribution
Deutschland (Umsatz: 700 Mio. €). Die Di­
vision erzielt minimale Margen (vgl. Gra­
fik) und bindet viel Mittel, und die Dis­
tribution Deutschland erzielt 85% ihres
Umsatzes mit Fremdprodukten.
Gehörige Bringschuld
Fest steht aber auch, dass nach den Vor­
schlägen der Seite KG/Renova im Ver­
gleich zu denen des VR die finanzielle
­Basis des Unternehmens gesünder wäre
und Kennzahlen wie Eigenmittel- und
Verschuldungsquote näher an Werten lie­
gen würden, wie sie Branchennachbarn
wie Salzgitter oder Voestalpine aufweisen,
wie KK Research aufzeigt. Die Eigenkapi­
talquote würde von derzeit 25% auf 32 bis
35% (Vorschlag VR) respektive 34 bis 39%
(Vorschlag KG) steigen. KK Research warnt
ausserdem, eine Erhöhung des Stahlprei­
ses und ein steigendes Absatzvolumen
würden Mittelbindung und Nettoumlauf­
vermögen steigen lassen und zu negativen
freien Cashflows führen.
FuW rät den Aktionären, dem Modell
des VR zuzustimmen und ihre Bezugs­
rechte auszuüben. Die ohnehin massive
Gewinnverwässerung für Altaktionäre
wäre im Vorschlag des VR zumindest
­etwas geringer als in dem der KG. Dem
neuen Management (CEO Nonn und CFO
Wiecha) ist es zuzutrauen, die geplanten
Restrukturierungen umzusetzen und auch
von dieser Seite her die finanzielle Situa­
tion zu verbessern. Sollte sich der Verwal­
tungsrat an der GV durchsetzen, besteht
eine gehörige Portion Bringschuld.
Alle Finanzdaten zu S+B
im Online-Aktienführer:
fuw.ch/STLN
Etappensieg des VR
Das Handelsgericht des Kantons Zürich
hat mit einer vorsorglichen Massnahme
verfügt, dass die Hauptaktionärin der
Schmolz+Bickenbach – die S+B KG – an der
GV am Freitag mit 20,46% stimmen darf.
Die KG hält 40,46%, doch 20% sind über
einen Aktionärsbindungsvertrag mit Gero
Büttikers Gebuka (6%) eingebunden. Die
Chancen der KG, sich an der GV durchzusetzen, sind nun gesunken. Gleichwohl
wird es sehr knapp werden, die Präsenz
spielt eine Rolle (vgl. FuW vom Samstag
und www.fuw.ch/260613-1).
BA