De-Industrialisierung und Strukturwandel -Ruhrgebiet-

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De-Industrialisierung und Strukturwandel -Ruhrgebiet-
Theorie und Geschichte der modernen Architektur
Entwurf WS 2007/2008
Prof. Kari Jormakka
Dipl.-Ing. M.A. Olaf Pfeifer
Katharina Druschke
Christian Liebe
Friederike Heinzig
De-Industrialisierung und Strukturwandel -Ruhrgebiet1. Ruhrgebiet – Gestern und Heute
Einordnung:
Ruhrgebiet ist die Bezeichnung für eine stark verdichtete Wirtschaftsregion im Westen Deutschlands.
Sie beinhaltet mehrere Großstädte und Verwaltungsbereiche, die sich polyzentral im Zeitalter der
Industrialisierung entwickelt haben. Die eindeutige geografische Abgrenzung ist schwierig und orientiert sich
entweder an den Standorten der ehemaligen Kohleförderung oder den heute eingeteilten Verwaltungsebenen.
14.Jh.:
Jahre 1800-1870
erste Kohlefunde, landwirtschaftliche geprägte Region
Einsatz der Dampfmaschine ermöglicht wirtschaftlich relevante Kohleförderung,
erste Ansiedlung von Montanindustrie
Jahre 1870-1914
Eisenerz aus besetztem Lothringen ermöglicht starkes Anwachsen der Stahlindustrie,
zunehmende Technisierung und infrastruktureller Ausbau der Region, bis 1870 führt
dies zu einer Verzehnfachung der Einwohnerzahl der Region
Zeit des 1. Weltkrieges durch Arbeitskräftemangel geht die Produktion mehr als die Hälfte zurück
Weimarer Republik
fehlendes Eisenerz aus Lothringen und Wegbruch der Rüstungsindustrie führt 1925
zu Stilllegung von 34 Zechen, durch Erzimporte erneuter Aufschwung der Industrie,
gefolgt von erneutem Zusammenbruch 1929 mit Weltwirtschaftskrise
Zeit des 2. Weltkrieges Aufschwung durch die Rüstungsindustrie der Nationalsozialisten,
einseitige Ausrichtung der Industrie auf Rüstung, dadurch Homogenisierung der
Region
Entwicklung nach 1945 zunächst komplette Stilllegung der Industrie,
Demontage von 1800 Werken der Montanindustrie
Modernisierung des Ruhrgebietes durch Alliierte, Wirtschaftswunder führt zu einer
raschen Regenerierung,
seit 1967 jedoch schrittweiser Rückbau des Bergbaus,
Entwicklung von Automobilindustrie als Alternative
1970er Jahre
Ölkrise,
seit 1950 steigt die Produktionsfähigkeit der Stahlindustrie in den Dritte Welt
Ländern, Enormer Rückgang der Stahlproduktion, anstieg der Arbeitslosigkeit der
Region
1980er und 90er Jahre Schließungen großer Hüttenwerke ,
Sonderkonjunktur durch Wiedervereinigung steigert noch einmal Stahlproduktion,
Reduktion der staatlichen Zuschüsse
Ausblick 21. Jh.
Heute sind noch etwa 9% in Kohle und Stahlbranche tätig,
Beseitigung der Umweltprobleme durch Industrie notwendig
Notwendigkeit eines tiefgreifenden Strukturwandels auf mehreren Ebenen
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2. Die Internationale Bauausstellung –EMSCHER PARK (IBA EMSCHER PARK)
Planungs- und Projektbereich
- Ist eine Initiative der Landesregierung von Nordrhein- Westfahlen
- Es handelt sich hierbei um ein staatliches Entwicklungs- und Strukturprogramm, mit politisch
definierten Raum und einer Laufzeit von 10 Jahren (1989-1999)
- Räumliche Ausdehnung einer zusammenhängenden Gesamtfläche von etwa 800 qkm mit 17
Kommunen und 2 Mio. Einwohner
- Grenzen sind Autobahnen und Kanäle
- Als Bauausstellung gedacht, jedoch waren diese bisher räumlich auf ein Gebiet einer Stadt und
sachlich auf Städte- und Wohnungsbau ausgerichtet
Erweiterung der Konzeption durch die IBA mit Stadtreparatur, neuen Formen von
Planungs- und Bauprozessen, öffentliche Räume Industriebau und ökologisch orientierte
Bautechnologien
Erweiterung der Bauausstellung in 3 Bereichen
1. Räumlich definiert sie eine Region als ihren Planungs- und Projektbereich
2. Sachlich erhebt sie den Anspruch nicht nur Städte- und Wohnungsbau, sondern auch
Umweltpolitik Wirtschaftsförderung, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Kulturpolitik mit zu integrieren
3. Durch die zehnjährige Laufzeit versteht sie sich als ein langfristiges Konzept und unterscheidet
sich damit von einmaligen Großveranstaltungen (Bsp.: Olympia)
Programmthese:
Künftig ist die Entwicklungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Regionen von deren ökologischen und
urbanen Qualitäten abhängig. Die Zielsetzung des IBA Memorandums (1988:12) ist, entlang der
Emscher zwischen Duisburg und Dortmund in mitten einer besonders dicht besiedelten und stark
belasteten Industrielandschaft Landschaft wieder aufzubauen und neue Städtequalitäten zu schaffen,
um auf dieser Grundlage neue Möglichkeiten für Arbeit, Kultur und Wohnen zu eröffnen.
Leitprojekte:
Definieren folgende Themenfelder
1. Wiederaufbau von Landschaften- der Emscher Landschaftspark
Ziel:
schrittweise Schaffung eines zusammenhängenden Ost- West- Grünzuges und
Landschaftsraumes im nördlichen Ruhrgebiet
2. Ökologische Verbesserung des Emscher- Systems
Ziel:
die Sanierung der Emscher und ihrer Zuflüsse sowie die Dezentralisierung des
Klärsystems der Emscher
3. Erlebnis Rhein- Herme- Kanal
Ziel:
den Rhein Herme Kanal für die Bevölkerung als Erlebnis am Wasser zu gestalten und
dabei dessen technische und landschaftliche Qualitäten zu nutzen
4. Industriedenkmäler als Kulturgutträger
Ziel:
prägnante Industriedenkmäler in der Region vor Abriss zu bewahren, sie zu sanieren
und neuen Nutzungszwecken zuzuführen
5. Arbeiten im Park
Ziel:
die Sanierung von Industriebrachen sowie deren Wiedernutzung durch Gewerbe-,
Dienstleistungs- und Wohnungsbebauung
6. Neue Wohnformen und Wohnungen
Ziel:
die denkmalgerechte Sanierung ehemaliger Bergarbeitersiedlungen, wie auch der
Bau neuer Wohnungen, die architektonischen, ökologischen und sozialen
Qualitätskriterien entsprechen sollen, die Erprobung neuer Formen der
Nutzerbeteiligung und Experimente mit neuen Wohnformen
7. Neue Angebote für soziale, kulturelle und sportliche Tätigkeiten
Ziel:
die Entwicklung sozialer und kultureller Tätigkeiten, die die Zeit außerhalb der
Erwerbstätigkeit ausfüllen können
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3. IBA - Wohnungsbauprojekte
3.1 Küppersbusch-Gelände, Gelsenkirchen-Feldmark
Geschichte
- Areal war bis zur Betriebsverlegung 1984 Standort der Küppersbusch-Herdmöbelfabrik
- bis 1989 brachliegende Fläche
- ab 1990: Entstehung einer der größten geschlossenen Neubausiedlungen der 1980er und 1990er
Jahre im Ruhrgebiet
Konzept und Umsetzung
- Zurückeroberung des leergefallenen, historischen Industriereviers für das Alltagsleben
- räumliche Vernetzung des Neubaugebiets in den Stadtteil Feldmark
- Schaffung von differenzierten Wohnangeboten mit eigentumsähnlichen Wohnqualitäten im
Geschosswohnungsbau
- Beteiligung der Öffentlichkeit während der Umsetzungsphase
- Bau von 245 neuen Wohnungen, einer Kindertagesstätte, einer Seniorenwohnanlage und Gestaltung
eines Stadtteilparks
Projektdaten
Projektträger: Stadt Gelsenkirchen
Grundfläche: 7 ha
Wohneinheiten: 245
Architektur: Architekturbüro Szyszkowitz- Kowalski, Graz
Wettbewerb: 1. Preis Oktober 1990
Baubeginn: 1994 – 1997 (bauabschnittsbezogen)
Fertigstellung: 1995 – 1998 (bauabschnittsbezogen)
3.2 Schüngelbergsiedlung, Gelsenkirchen-Buer
Geschichte
- die Siedlung wurde ab 1897 in mehreren Phasen für die Bergarbeiter der Zeche Hugo und deren
Familien errichtet (in unmittelbarer Nähe zur Berghalde und Zeche)
- Wiederbelebung des Projektes durch die IBA Emscher Park
Konzept und Umsetzung
- denkmalgerechte Sanierung des Altbaubestandes: (308 Bergarbeiterwohnungen)
- Ergänzung der älteren Siedlungsteile durch Neubauten in Reihenbauweise
- 205 Bergarbeitermietwohnungen
- Bau einer neuen Siedlungsmitte mit einem Platz, Ladeneinheiten, KITA, Gemeinschaftsanlagen
- Künstlerische Gestaltung der Halde Rungenberg
- Erschließung von der Siedlung aus durch zentrale Achsen
- bietet Möglichkeiten für naturnahe Freizeitgestaltung
Projektdaten
Projektträger: Stadt Gelsenkirchen, Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten (THS), Ruhrkohle AG
Bestand: 300 Wohnungen (1897-1919)
Modernisierung: 1988-1998
Neubau: 200 Wohnungen
Siedlungsergänzung: 1993-1999
Architektur: Büro Rolf Keller, Zürich
‚Land for free – Die Stadt der Pioniere’
- Projekt der Kulturhauptstadt 2010
- das Projekt beschäftigt sich mit kreativen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen der
schrumpfenden Stadt Inszenierung einer Region als Ereignisraum
- ab 2008: Vergabe der Claims an europäische Siedlungspioniere im Rahmen eines europaweiten
Ideen-Aufrufs durch eine Wettbewerbsjury
- das Ruhrgebiet wird zu einer Pionier-Region und appelliert an Unternehmergeist und
Unternehmungslust
- ab 2010: Durchführung des Projekts (http://www.neueraeume.de/projekte.htm)
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4. Fazit
Das “IBA Emscher Park“ Projekt ist eine neue Form der Werbung und Neustrukturierung einer Region. Jedoch
birgt auch dieses Projekt gewisse Widersprüche und muss sich auf Grund verschiedener Randbedingungen
einschränken, welche jedoch schon in den frühen Phasen des Projekts deutlich wurden. Dies liegt einerseits an
den objektiven Rahmenbedingungen altindustrieller Regionen, andererseits auch an den verschiedenen
Leitprojekten.
Als Beispiel könnte man hier das Prinzip der Dezentralität und das der Planung und Entwicklung durch Projekte
erwähnen. Die Vorteile liegen darin, dass sich durch die Verteilung des Projekts auf eine Vielzahl kleiner
Vorhaben, die Komplexität der Aufgaben auf ein beherrschbares Maß reduzieren lässt, sowie das die Akteure
mit einem räumlich, thematisch und zeitlich begrenzten Projekt, schneller innovative Ideen und Verfahren
liefern, als bei Großprojekten mit langwierigen Programmdiskussionen. Desweiteren erhofft man sich durch
deren Divergenz eine vielseitige Propaganda. Dem gegenüber steht die Gefahr der Fragmentierung. So können
im Einzelnen die Projekte die Innovationschancen erhöhen, jedoch sind strukturelle Innovationen nur schwer
vorstellbar. Man fürchtet das die IBA- Projekte „Inseln bleiben in einem grauen Meer, dass sie PR- wirksame
Vorzeige- Projekte statt Vorbilder“ werden. (Siebel, 1992: 227)
Desweiteren verfügt eine alte Industrieregion über wenig innovatives Potential, dagegen aber über eine Fülle
an Einschränkungen. Jedoch muss ein Erneuerungsprozess genau an diesen vorhandenen Potential ansetzen
und von den dortigen Akteuren selbst entwickelt und auch getragen werden. Dem versucht die IBA auf
politischer und fachlicher Ebene, mittels Experten von außerhalb, entgegenzuwirken. Jedoch hat sich auch
hier gezeigt, dass eine Dominanz der vorhanden Akteure, nicht zum direkten Aufbruch der vorhandenen
Strukturen geführt hat.
Widersprüche im politischen Charakter der IBA. Aufgrund dessen, das sie eine Initiative der Landesregierung
NRW ist, ist sie durch ihren zeitlichen Rahmen auch mit deren Wahlergebnisse verbunden, was dazu führte das
Ergebnisse vorgezeigt werden mussten und dadurch eine schnelle Realisierung der Projekte erwünscht wurde.
Dadurch erhielten kurze politische Erfolge oftmals mehr Beachtung, als langfristige Strukturreformen.
Quellenverzeichnis
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Ganser, Karl; Liebe auf den zweiten Blick; Internationale Bauausstellung Emscher Park; Dortmund;
1999
Haus der Architektur Graz (Hrsg.); Räume und Freiräume, IBA Emscher Park, Wohnsiedlung
Küppersbuschgelände Gelsenkirchen; Graz; 1999
Höbler, Andrea (Hrsg.); Industriekultur; Mythos und Moderne im Ruhrgebiet; Essen; 1999
IBA Emscher Park GmbH (HRSG.); Katalog zum Stand der Projekte, Frühjahr 1993; Gelsenkirchen; 1993
Institut für Raumplanung, Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung (Hrsg., Bearb.:Christian
Brand); Räumliche Szenarien für die Ruhrstadt 2030; Dortmund; 2003
Kilper, Heiderose; Wegweiser in die Zukunft, Perspektiven und Konzepte für den Strukturwandel im
Ruhrgebiet; Essen; 1996
Kilper, Heiderose;
Die Internationale Bauausstellung Emscher Park : eine Studie zur
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Rohler, Hans-Peter; Regionalparks – Strategien zur Entwicklung der Landschaft in Ballungsräumen,
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http://www.route-industriekultur.de/menue/menue.html (Stand: 17.10.2007)
http://www.rvr-online.de/ (Stand: 17.10.2007)
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