Erfahrungsbericht ERASMUS

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Erfahrungsbericht ERASMUS
Erfahrungsbericht ERASMUS-Semester
Universität: Institut d'Études Politiques Lyon
Zeitraum: SoSe 2011/2012.( Anfang September bis Ende Januar)
Studienfach: Kulturwissenschaften
1. Gesamteindruck
Mein Auslandssemester am Institut d'Études Politiques (IEP) in Lyon zu verbringen war einer
der interessantesten und lehrreichsten Erfahrungen, die ich bis jetzt im Studium der
Kulturwissenschaften sammeln konnte. In den 5 Monaten meines Aufenthaltes habe ich die
Stadt Lyon und ihre Bewohner lieben gelernt und meine sprachlichen Fähigkeiten
verbessert. Das Studium allerdings unterscheidet sich in seiner Form relativ stark vom
kulturwissenschaftlichen Studium an der Viadrina.
2. Entscheidungsprozess und Bewerbung
Etwa ein Jahr vor meinem geplanten Auslandsaufenthalt im 5. Semester fing ich langsam an
mich über das ERASMUS-Programm und die Partneruniversitäten der Viadrina zu
informieren. Abgesehen von den Informationsveranstaltungen der Universität und der
Kategorie Internationales auf der Homepage der Viadrina, empfand ich vor allem
Erfahrungsberichte von Studierenden, sowohl von der Viadrina als auch von anderen
Universitäten (fast alles Universitäten stellen Berichte online, einfach Googeln…), als
äußerst hilfreich. Frankreich war aus sprachlichen Gründen früh das Land meiner Wahl. Das
IEP Lyon wurde es schließlich, weil ich Sozial- bzw. Politikwissenschaften an einem in
Frankreich sehr anerkannten IEP studieren wollte und ich von französischen
Austauschstudierenden an der Viadrina Positives über Lyon gehört hatte. Paris schied aus
finanziellen Gründen früh aus (Mieten um die 500 Euro) und erschien mir außerdem für
einen ERASMUS-Aufenthalt schier als zu groß.
Nach der Entscheidung gestaltete sich das Bewerbungsverfahren für einen Platz am IEP als
relativ unbürokratisch und unkompliziert. Die einzelnen Etappen können sehr gut auf der
Homepage der EUV nachvollzogen werden. Im Gegensatz zum IEP Paris fordert das IEP
Lyon kein Motivationsschreiben auf Französisch und behält sich auch nicht vor, die
Studierenden vor Ort noch einmal auf ihr Sprachniveau zu testen und dann erst final
zuzulassen.
3. Vorbereitung
Eine rechtzeitige Vorbereitung kann einem vor Ort in den ersten Tagen viel Ärger, Rennerei
und auch Geld ersparen. Mit der Zusage der französischen Universität erhält man zunächst
ein Heft, dessen Informationsgehalt meiner Meinung nach jedoch ziemlich begrenzt ist.
Hilfreicher war die von der Universität Lyon 2, an die das IEP administrativ angegliedert ist,
empfohlene Online-Broschüre http://www.lyoncampus.info (Stand: 16.02.2012), in der man
sich zunächst einmal generell über das Leben in Lyon als Student informieren kann.
Ansonsten sollte man sich meiner Erfahrung nach im Vornherein um folgendes kümmern:
• Beantragung einer internationalen Geburtsurkunde beim Standesamt der
Geburtsstadt (Kosten ca. 10 Euro). Man benötigt sie z.B. für die Einschreibung.
• Eine in Frankreich gültige Haftpflichtversicherung: manche Versicherungen stellen
hierfür fremdsprachige Bestätigungen aus. Ist die Haftpflichtversicherung nicht im
Ausland gültig, bieten viele Banken bei Eröffnung eines Kontos (z.B. BNP Paribas zu
meiner Zeit) solch eine Versicherung als Bonus an. Das gleiche gilt übrigens auch für
die Assurance d’habitation, falls diese vom Vermieter gefordert wird!
• Krankenversicherung: für die Einschreibung und die Beantragung des Wohngeldes
(APL) benötigt man eine Bestätigung der Krankenversicherung. Ist man gesetzlich
versichert, reicht eine Kopie der europäischen Krankenversicherungskarte aus. Ist
man privat versichert, muss man seine Versicherung um eine englische oder
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französische Bestätigung bitten. Hier gab es, wie ich gehört habe, oft Probleme.
Generell sollte man in Erwägung ziehen über den normalen Schutz der bisherigen
Krankrenkasse durch eine Auslandskrankenversicherung zu ergänzen, weil,
deutsche Krankenkassen offenbar nur 70% der in Frankreich anfallendes Kosten
übernehmen. Im Falle eines Unfalls oder Ähnlichem, kann das also sehr schnell sehr
viel werden. Ich habe letztendlich eine Auslandskrankenversicherung bei der DKV
abgeschlossen, sie aber nicht in Anspruch nehmen müssen.
Auslandsbafög beantragen, auch wenn man fürs Inland keinen Anspruch hat!
VISA oder MASTER Card: wenn man sie nicht schon hat, dann sollte man sich
spätestens jetzt eine solche zulegen. Man kann zwar in Frankreich weitestgehend
kostenlos mit deutschen EC Karten zahlen, Bargeld abheben kostet allerdings.
Wohnung: frühzeitig sollte man mit der Suche beginnen, siehe ausführlicher unter 4.
Eine Bürgschaft der Eltern auf Französisch: Sowohl das französische
Studentenwerk (CROUS) als auch die französischen Vermieter fordern oft einen
sogenannten Garant, oft sogar einen französischen. Auch wenn die meisten
internationalen Studenten mit einem französischen Bürgen kaum dienen können,
beruhigt manche Vermieter zumindest ein Bürge aus dem EU-Ausland.
Natürlich gilt es auch die Anfahrt zu organisieren, was nach Frankreich
zugegebermaßen nicht allzu schwierig ist. Easy-Jet fliegt von Berlin direkt nach Lyon,
mit der Bahn und dem Bus (Eurolines z.B.) lässt sich aber meist mehr Gepäck
günstiger transportieren. In Bezug auf die französische Bahn SNCF ist zu erwähnen,
dass man sich online bereits für die Anfahrt so etwas wie eine Bahncard für
Jugendliche (Carte 12-25, 50 Euro, 20-60% Ermäßigung) bestellen kann und so
zumindest die Kosten für die französische Teilstrecke verringern kann.
4. Unterkunft
Von allen Problemen, die mir in Frankreich in den ersten Wochen begegnet sind, war dies
mit Abstand das größte. Der Wohnungsmarkt in Lyon ist vor allem zu Semesterbeginn
hemmungslos überlaufen und zudem von Agenturen bestimmt, die teils hohe
Vermittlungsgebühren fordern. Aus diesem Grund kann ich nur empfehlen, sich frühzeitig auf
die Suche zu machen und sich bereits im Vorfeld eine Bleibe zu organisieren.
Wie in allen Städten gibt es in Lyon für Studenten generell die Möglichkeit in Wohnheim,
sowohl privat als auch staatlich, zu wohnen. Das IEP selbst stellt keine Wohnheime, man
kann sich aber für die staatlichen Wohnheime CROUS (http://www.crous-lyon.fr), dem
französischen Studentenwerk anmelden. Die Anmeldefristen hierfür liegen leider etwas
ungünstig, in meinem Fall hätte ich mich bereits vor der Nominierung der EUV anmelden
müssen. Darüber hinaus vergeben die Wohnheime zum Wintersemester erst einmal nur
Wohnungen an Studenten, die ein Jahr bleiben. Später im Semester hingegen, wenn die
ersten Studenten schon wieder geflüchtet sind, soll mal wohl durchaus wieder etwas finden
können. Die staatlichen Wohnheime sind meist dezentral und nicht sonderlich hübsch, dafür
aber unschlagbar günstig. Ein Studio, also ein Einzelappartement, in einem privaten
Wohnheim hingegen kostet oft an die 500 Euro plus Vermittlungsgebühren – dafür sind hier
auch Anfang des Semesters noch leicht freie Appartements zu finden.
Konnte oder wollte man auf diesem Weg nichts finden, kann man versuchen auf dem
privaten Wohnungsmarkt fündig zu werden, wie die meisten der Austauschstudenten. Zu
diesem Zweck muss man sich meistens vor Ort befinden, weil die meisten Vermieter und
WGs die potentiellen Mieter persönlich kennenlernen möchten. Einige wenige Studenten
haben deshalb Kosten und Zeit auf sich genommen und sind bereits einige Monate vor ihrem
Auslandsauenthalt nach Lyon geflogen und haben sich WGs angesehen. Der Großteil aber
hat seine Suche ernsthaft erst vor Ort begonnen. Ausgangspunkt war hierbei oft die
Auberge de Jeunesse Lyon nahe der Metro Station Vieux Lyon, in der man für 20 Euro pro
Nacht im Viermannzimmer wohnt, kostenloses WiFi nutzen kann und sich zusammen mit
hundert anderen Austauschstudenten täglich auf die neuen Wohnungsanzeigen stürzt. Hier
lernt man in jedem Fall viele Leute kennen, allerdings ist die Stimmung mitunter etwas
panisch. Erstaunlicherweise scheint dies die einzig große Jugendherberge in Lyon zu sein.
Ich habe mich im Vorfeld um eine Couchsurfing WG (http://www.couchsurfing.org/) in Lyon
gekümmert, bei der ich liebenswerter Weise die erste Woche wohnen durfte. In der Küche
dieser WG habe ich viele interessante und liebe Franzosen kennengelernt, mit denen ich bis
heute in Kontakt stehe und die mich sogar an einer weitere WG von Freunden verwiesen
haben, bei der ich dann noch einmal ein paar Tage wohnen durfte. Ich würde diesen Weg
jedem weiterempfehlen, weil man so schnell aufgeschlossene Franzosen kennenlernt, sich
nicht von der Stimmung in der Auberge de Jeunesse verrückt machen lässt und nicht zuletzt
auch Geld spart.
Hat man eine temporäre Bleibe gefunden, geht die Suche los. Online kann ich appartager.fr
und leboncoin.fr empfehlen. Während letztere Seite ist kostenfrei ist (vergleichbar mit einer
Kleinanzeigen-Seite) ist es Appartager.fr (etwas das Pendant zu WGgesucht.de) hingegen
nur bedingt. Letztendlich haben die meisten von uns in den sauren Apfel gebissen und die
Gebühren bezahlt.
Abgesehen von diesen Möglichkeiten kann man ganz klassisch an den schwarzen Brettern
an den staatlichen Universitäten in Lyon (Lyon 1,2 und 3) auf die Suche gehen, am IEP
direkt
habe
ich
leider
nichts
dergleichen
gesehen.
Auch
das
CRIJ
(http://www.crijrhonealpes.fr, 10 Quai Jean Moulin), ein Jugendinformationszentrum, ist sehr
zu empfehlen. Hier gibt es zu Beginn des universitären Jahres Informationsveranstaltungen,
kostenlose Stadtpläne sowie kostenlosen Internetzugang (WiFi, aber auch PCs) und vor
allem eine Wand voller Wohnungsannoncen, die täglich aktualisiert wird. Auch ich bin hier
fündig geworden und habe letztendlich für 300 Euro ein Zimmer in einer Wohnung einer
alten Dame gewohnt. Diese Lösung war letztendlich zwar relativ preisgünstig, allerdings
haben Studenten, die irgendwie Zimmer in französischen WGs gefunden haben, ihr
Französisch um einiges mehr verbessern können.
Für alle Mietverhältnisse, die legal abgeschlossen werden (die sogenannte sous-location,
also Untermiete ohne Vertrag zählt nicht dazu!!!) besitzt man in Frankreich als Student, auch
als internationaler Student, das Recht auf eine Wohngeldförderung. Die sogenannte Aide
personnalisée au logement (APL) wird bei der Caisses d'Allocations Familiales (CAF)
beantragt und wird unabhängig vom Einkommen der Eltern ausgezahlt. Die Formulare und
beizufügende Nachweise hierzu findet man online (https://www.caf.fr/). Im Großen und
Ganzen ist dies leicht zu erledigen, zu beachten ist nur, dass man eine französische
Kontoverbindung benötigt und für den ersten Monat die CAF kein Wohngeld zahlt, auch nicht
rückwirkend.
5. Organisatorisches vor Ort
Zur Wohnungssuche und auch sonst ist ein Handy bzw. eine französische SIM-Karte
unabdingbar. Prepaid-Telefonieren ist in Frankreich generell ziemlich teuer und zudem ist die
Gültigkeit des aufgeladenen Guthabens zeitlich begrenzt. Die drei großen Anbieter SFR,
Orange und Bouygues unterscheiden sich preislich wenig voneinander. Sparen kann man
hingehen, wenn man sich z.B. eine SIM-Karte des Anbieters Lebara in einem der diversen
etwas zwielichtig aussehenden Telefon-Shops (z.B. Rue de Marseille, nahe der Universität)
kauft. Abgesehen von den Prepaid-Angeboten gibt es die Möglichkeit einen Handyvertrag
vor Ort abzuschließen und ihn nach Ende des Auslandsaufenthaltes durch Nachweis des
Umzugs (z.B. Immatrikulationsbestätigung oder Meldebestätigung) vorzeitig zu kündigen. Ich
war diesbezüglich skeptisch und bin keinen Vertrag eingegangen, habe aber von mehreren
Freunden gehört, dass die Kündigung akzeptiert wurde.
Wenn man sich in der Stadt fortbewegen will kommt man am Studenten-Abo der TCL für
ca. 26 Euro pro Monat kaum vorbei. Um dieses zu bekommen darf man sich mit der
vorläufigen Immatrikulationsbestätigung und einem Passbild in eine zu Beginn des
Semesters wahrscheinlich unglaublich lange Schlange vor einem der TCL Verkaufsschalter
(z.B. Bellecour oder Grange Blanche) einreihen und bekommt für eine einmalige
Bearbeitungsgebühr eine rote Chipkarte in die Hand gedrückt. Diese Karte ist zunächst nur
für zwei Monate freigeschaltet innerhalb derer man mit der wirklichen
Immatrikulationsbestätigung (Certificat de scolarisation) noch einmal zum Schalter gehen
muss. An sich ist das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel sehr gut ausgebaut, so verkehren
die Metros auf den vier Linien tagsüber alle zwei bis fünf Minuten. Leider jedoch wird er
Verkehr bis auf vereinzelte Nachtbusse kurz nach Mitternacht eingestellt. Kommt man nachts
also von einer Feier zurück, muss man sich entweder an Fußmärsche gewöhnen, berappt
das Geld für ein Taxi oder greift auf eines der Leihfähräder (Velov) zurück, die sich
dutzenden Stationen überall in der Stadt finden lassen. Für die Bearbeitungsgebühr von
einem Euro darf man sich einen Tag an jeder Velov-Station ein Fahrrad leihen, fährt die
erste halbe Stunde kostenlos und bezahlt dann einen Euro pro Stunde. Für 3 Euro
Bearbeitungsgebühr kann man diesen Service 7 Tage nutzen und für 15 Euro
Bearbeitungsgebühr ein ganzes Jahr. Immer allerdings werden auf der Kreditkarte mit der
man die jeweilige Bearbeitungsgebühr bezahlt 150 Euro für die Nutzungsdauer an Kaution
eingefroren, die man bei etwaigem Verlust oder Diebstahl des Fahrrads los ist. Das
einjährige Abo lässt sich zudem nicht direkt an den Stationen erwerben, sondern muss
beantragt werden und lässt sich nur mit Check bezahlen, einer generell immer noch sehr
verbreiteten Zahlungsmethode in Frankreich.
Um in Frankreich mit Checks, z.B. seine Miete oder den Kulturpass der Uni, bezahlen zu
können und vor allem um das Wohngeld der CAF zu erhalten zu können (obwohl ich hier von
Ausnahmen gehört habe), bietet es sich an, vor Ort ein Konto bei einer französischen
Bank zu eröffnen. Am Tag der Einführungsveranstaltungen saßen im Foyer der Uni
passenderweise einige Angestellte der BNP Paribas und haben zusammen mit den
internationalen Studenten die notwendigen Eröffnungsformulare ausgefüllt. Empfehlen kann
ich die BNP Paribas trotzdem nur bedingt, weil die Eröffnung aus irgendwelchen Gründen
sechs Wochen in Anspruch nahm, ich mehrmals persönlich in der Filiale nachhaken musste
und immer wieder widersprüchliche Begründungen zu hören bekam. Leider habe ich von
anderen Banken wie der LCL ähnliches gehört, es handelt sich offenbar um ein generelles
Problem. Achten sollte man in jedem Fall auf Sonderkonditionen für Studenten. Die meisten
Banken bieten bei Eröffnung ein Begrüßungsgeld oder kostenlose Versicherungen an, die
man sich sonst vielleicht extra anschaffen müsste.
6. Die Uni
Das IEP, das als eine der Grande Écoles in Frankreich einen hohen Status genießt und
dessen Studenten alle ein hochselektives Auswahlverfahren durchstanden haben, liegt
zentral im 7. Arrondissement Lyons nahe der Tramstation Centre Berthelot. Mit den lediglich
1300 Studenten hat das IEP eher das Flair einer großen Oberschule als den einer deutschen
staatlichen Universität und dementsprechend ist auch der Campus sehr überschaubar.
Neben einem administrativen Gebäude gibt es nur ein großes Vorlesungsgebäude in dem
sich auch der PC Pool befindet. Des Weiteren gibt es eine winzige Bibliothek und ein kleines
Bistro. Sowohl eine wirkliche Mensa als auch eine richtige Bibliothek (BU Chevreul) gibt es
erst etwas weiter entfernt auf dem Campus der Universität Lyon 2. Die Öffnungszeiten aller
universitären Bibliotheken in Lyon sind recht begrenzt: in der Woche schließen sie meist um
7, am Wochenende um 5 und Sonntag ist keine einzige geöffnet.
7. Die ersten Tage und Wochen
Empfangen wurden die internationalen Studenten Anfang September im Rahmen einer
Einführungswoche, die eher nicht verpassen sollte. Die meisten Veranstaltungen lagen
gebündelt an einem Tag, an dem sich die Ansprechpartner des internationalen Büros
vorstellten, die Einschreibungsprozedur und Kurswahl erklärt wurde und die internationalen
Studenten mit einem kleinen Buffet und einer Bootstour auf der Rhone begrüßt wurden.
Innerhalb der nächsten Tage fanden des Weiteren ein Sprachtest und eine Einweisung in die
Bibliotheksnutzung statt. Gemeinsame Freizeitaktivitäten wurden darüber hinaus in der
ersten Woche nicht organisiert, was ich etwas enttäuschend fand.
Für den wichtigsten Termin der nächsten Tage, die administrative Einschreibung, benötigte
man einen Nachweis der Krankenversicherung und Haftpflichtversicherung, eine
internationale Geburtsurkunde, 2 Passbilder, seinen Personalausweis oder Pass in Kopie
und die Immatrikulationsbestätigung der Heimatuniversität. Diese Dokumente wurden vom
internationalen Büro am IEP gesammelt und dann an die Lyon 2, an die das IEP
administrativ angegliedert ist, weitergeleitet. Offiziell eingeschrieben wird man also als
Student an der Universität Lyon 2. Wie man sich wahrscheinlich vorstellen kann nimmt die
Übermittlung und Verarbeitung der Daten ein wenig Zeit in Anspruch. Vor drei Wochen sollte
man nicht mit einem Studentenausweis und Login-Daten für das Internet rechnen. Hat man
den Studentenausweis einmal, kann man ihn als Mensa- und Kopierkarte verwenden.
Hat die Vorlesungszeit, zumindest im Wintersemester, Mitte September angefangen ist man
mit dem zweiten Teil der Einschreibung, der pädagogischen Einschreibung bzw.
Kurswahl beschäftigt. Das IEP bietet den internationalen Studenten an, ihren Aufenthalt mit
zwei Arten von Zertifikaten (AEP angelegt auf ein Semester, CEP angelegt auf zwei
Semester) abzuschließen. Die Anzahl der Kurse sind meiner Erfahrung nach durchaus
machbar, harmonieren aber nicht zwangsläufig mit den Kursen, die man für die Universität
zuhause benötigt. Generell stehen den internationalen Studenten alle Kurse des IEPs aus
allen Jahren (1.-3. = Bachelor und 4.-5. = Master) offen. Das Spektrum des IEP umfasst
Kurse von Politik, Jura und Soziologie bis zu Kurse über Wirtschaft,
Kommunikationswissenschaften und Geografie. Alle internationalen Studenten erhalten für
jeden Kurs 5 ECTS. Es gibt 3 Arten von Kursen:
1. CF (cours fondamentaux): Vorlesungen im Rahmen von 2 bis 3 Zeitstunden, sehr
frontal, die Studierenden schreiben auf ihren PC die Sätze der Professoren komplett
mit und lernen sie zum Examen ein 40- Seiten-Skript auswendig
2. CDM (cours de méthodologie): ähneln deutschen Seminaren, als
Leistungsnachweis müssen Referate gehalten werden und kleine Essays
geschrieben werden
3. CO (cours d‘ouverture): Kurse zu speziellen Themen, die der Vertiefung einzelner
Schwerpunkte dienen sollte, können sowohl wie eine Vorlesung als auch wie ein
Seminar von den Dozenten gestaltet werden, unterschiedlich können auch die Art der
Prüfungen sein
Alles in allem macht es rückblickend wenig Sinn sich großartig mit dem Thema der Kurswahl
vor dem eigentlichen Beginn der Vorlesungen in Frankreich zu beschäftigen. Die Kurse aus
dem Vorjahr, die in Deutschland im Learning Agreement verewigt wurden, werden
größtenteils nicht mehr angeboten oder gefallen vor Ort nicht mehr. Im Prozess der
Kurswahl, für den man zwei Wochen Zeit hat, sollte man per E-Mail oder Telefon mit Frau
Klück Kontakt aufnehmen und die mögliche Anerkennung an der Viadrina erneut
absprechen, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Wenn Leistungen oder Examen
an irgendeiner Stelle nicht ausreichen sollten, um z.B. einen Kurs zuhause als Vertiefung
anerkannt zu bekommen, kann man einfach auf Dozenten zugehen und fragen, ob man
zusätzlich zu einem Examen noch eine Hausarbeit einreichen kann. Meistens wird dies
gewährt. Generell zeigen sich viele Dozenten kulant und lassen spezielle Prüfungen für die
internationalen Studenten zu wie mündliche Prüfungen oder Essays. Auch die französischen
Studierenden habe ich als sehr hilfsbereit erlebt. Alle, die ich gefragt habe, haben mir
bereitwillig ihre Aufzeichnungen ausgeliehen oder auf einen USB Stick kopiert.
Das Niveau der Kurse habe ich als hoch, aber durchaus machbar empfunden. Der
Unterschied ist eher im Unterrichtsstil zu finden: ein Großteil der Kurse wird äußerst frontal
gestaltet, Begleitlektüre gibt es oft nicht bzw. wird von keinem französischen Studenten
angerührt. Geglaubt oder zumindest gelernt wird das, was der Professor im wahrsten Sinne
des Wortes „vorliest“. Diskussionen finden in eingeschränktem Maß nur in den CDM statt. Im
Gegenzug für die mangelnde Interaktivität decken die Kurse, auch die Seminare, ein sehr
breites Spektrum ab und behandeln schlichtweg wirklich viel: die Skripte, die ich von
französischen Studenten am Ende des Semester für einen Kurs bekam betrugen teilweise
60 Seiten Fließtext. Viele Austauschstudenten konnten mit diesem Unterrichtsstil bis zum
Schluss wenig anfangen und haben Austausch und Diskussion vermisst.
8. Betreuung und Integration in das universitäre Leben
Die Betreuung für die Erasmusstudenten im internationalen Büro hat zur Zeit meines
Aufenthalts Mme Maria CHENE übernommen. Ich fühlte mich meistens gut betreut, auch
wenn man Anfang des Semester wirklich lange Wartezeiten in Kauf nehmen musste und
generell die Technisierung an manchen Stellen noch nicht so weit fortgeschritten ist: die
Einschreibung und Kurswahl erfolgt noch auf dem Blatt Papier und auch Dinge wie die
Öffnungszeiten des internationalen Büros sucht man vergeblich auf der Homepage.
Die französischen Studierenden des IEP habe ich als freundlich und höflich gegenüber
Gaststudenten kennengelernt, näher in Kontakt zu kommen oder gar Freunde zu finden,
erwies sich als schwieriger. Hilfreich war es, Referate zusammen mit Franzosen zu halten,
am Sportangebot der Uni teilzunehmen oder auch die Angebote der Association Melting
Science Po wahrzunehmen, die regelmäßig Abendveranstaltungen und Wochenendausflüge
anbieten. Wirklich empfehlenswert ist, sich auf einer solchen Veranstaltung am Anfang des
Semesters einen französischen Studenten als Tutor zuteilen zu lassen.
9. Alltag und Freizeit
Seine Freizeit auf interessante Art und Weise in einer vielfältigen und wunderhübschen
Großstadt wie Lyon zu verbringen ist keine sonderlich große Herausforderung, deshalb wird
an dieser Stelle dieser Aspekt begrenzt abgehandelt. Es lohnt sich in jedem Fall der
Facebook Gruppe Erasmus Lyon beizutreten, um täglich Veranstaltungsinformationen und
sonstige Hinweise zu erhalten. Das Nachtleben spielt sich vor allem nahe Place de
Terreaux, in Vieux Lyon, auf dem Crois Rousse und auf den Partybooten auf der Rhone
ab. Ist man im Wintersemester in Lyon, kommt man an der Fete de Lumiere Anfang
Dezember nicht vorbei, anlässlich der die ganze Stadt in ein Lichtspektakel verwandelt
wird. Ansonsten lässt sich mit der bereits angesprochenen Carte 12-25 der SNCF das
Umland Lyon günstig erkunden, Städte wie Montpellier, Avignon oder Dijon sind nicht
allzu weit entfernt. Empfehlenswert ist es in jedem Fall sich frühzeitig einen Pass
Culturel zuzulegen mit dem man für unschlagbare 16 Euro 4 Veranstaltungen in den
größten kulturellen Institutionen Lyons (Oper, Balett, Orchester, Theater…) besuchen
kann.