Caritasverband für die Diözese Münster e. V.

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Caritasverband für die Diözese Münster e. V.
Caritasverband
für die Diözese
Münster e. V.
Caritasverband für die Diözese Münster e. V., Postfach 21 20, 48008 Münster
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Datum: 23.09.2010
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Gemeinsame Position der Diözesan-Caritasverbände in NRW zum Freizeitausgleich für
nächtlichen Bereitschaftsdienst – BAG, Urt. vom 15.07.2009 – 5 AZR 867/08 –
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.07.2009 entschieden, dass ein Anspruch auf Ausgleich der geleisteten nächtlichen Bereitschaftsstunden durch bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht besteht. Anspruchsgrundlage ist § 6 Abs. 5 ArbZG.
Es stellte sich nunmehr die Frage, inwieweit diese Entscheidung aus dem Bereich der Diakonie auf
Einrichtungen im Geltungsbereich der AVR übertragbar ist. Die fünf Diözesan-Caritasverbände in
NRW haben hierzu folgende gemeinsame Stellungnahme erarbeitet:
1.
Rechtliche Ausgangslage und Entscheidungsgründe des BAG
Zum näheren Verständnis der vorgenannten Entscheidung sind folgende Aspekte noch einmal
klarzustellen:
Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne. Nach der grundlegenden
EuGH-Entscheidung vom 09.09.2003 darf arbeitsschutzrechtlich bei Anwesenheit am Arbeitsplatz
nicht zwischen Vollarbeit und Bereitschaftsdienst differenziert werden.
§ 6 Abs. 5 ArbZG sieht vor, dass, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen,
der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden
eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm
hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren hat.
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-2Das BAG hatte in seiner Entscheidung die Regelungen des BAT-KF zu würdigen. Dabei kam das
BAG zu dem Ergebnis, dass eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung in Abweichung zu § 6 Abs. 5
ArbZG nicht besteht, da der BAT-KF keine tarifvertragliche Regelung ist. Demnach sind die arbeitsvertraglich einbezogenen Regelungen des BAT-KF als einzelvertragliche Regelungen zu verstehen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB der Inhaltskontrolle unterliegen. Bei der inhaltlichen Prüfung des BAT-KF gelangte das BAG zu dem Ergebnis, dass er weder einen Ausgleich durch höhere Vergütung oder Nachtarbeitszuschläge vorsieht noch einen
Ausgleich durch Zusatzurlaub. Das Gericht sieht darin nicht automatisch einen Verstoß gegen § 6
Abs. 5 ArbZG, sondern erklärt die im BAT-KF bestehende Regelung in § 48a BAT-KF zum Zusatzurlaub für Nachtarbeit auch auf die Bereitschaftsdienstzeiten für anwendbar. Diese "Lückenschließung" war aus Sicht des BAG möglich, da die Regelung des § 48a BAT-KF einen Ausschlusstatbestand für Bereitschaftsdienstzeiten enthielt, der schlicht gestrichen werden konnte unter Beibehaltung einer wirksamen Regelung zur Nachtarbeit. Die im BAT-KF eigentlich ausdrücklich enthaltene Ausschlussregelung für den nächtlichen Bereitschaftsdienst erklärt das Gericht für unangemessen i.S.v. §307 Abs. 1 BGB. Das BAG hat somit mangels einer anderslautenden Individualvereinbarung zwischen den Parteien zum Zusatzurlaub den Weg der geltungserhaltenden Reduktion
gewählt und die bestehenden Regelungen im BAT-KF zur Nachtarbeit auf den Bereitschaftsdienst
übertragen.
Im Ergebnis folgerte das BAG, dass das in § 6 Abs. 5 ArbZG enthaltene Wahlrecht vertraglich zugunsten des Freizeitausgleichs abbedungen wurde. Die von der Klägerin geleistete Nachtarbeit
war somit in Freizeit auszugleichen. Der Klägerin wurde ein Anspruch auf Gewährung von bezahlten freien Tagen eingeräumt. Der Ausgleichsanspruch der Klägerin entstand grundsätzlich mit Beginn des auf die Nachtarbeit folgenden Urlaubsjahres (so der ausdrückliche Wortlaut in § 48a Abs.
9 BAT-KF) und musste innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten (§ 70 BAT-KF) geltend
gemacht werden. Insoweit hat das BAG keine Parallele zum Verfall des Erholungsurlaubs gezogen.
2.
Konsequenzen des Urteils für die Einrichtungen im Anwendungsbereich der AVR
Zunächst ist klarzustellen, dass die AVR in den entscheidungsrelevanten Bestimmungen nahezu
inhaltsgleiche Regelungen enthalten. Insoweit ist die Entscheidung auf den Geltungsbereich der
AVR übertragbar. Zudem gelten die AVR ebenso wie der BAT-KF nicht als Tarifvertrag, so dass
auch hier nicht von einer abweichenden tarifvertraglichen Ausgleichsregelung gegenüber § 6 Abs.
5 ArbZG gesprochen werden kann.
Im Ergebnis enthält somit § 4 Abs. 4 der Anlage 14 der AVR eine unzulässige Beschränkung auf
die „regelmäßige Arbeitszeit“. Die bestehende Vorschrift ist, soweit der Bereitschaftsdienst ausgeschlossen wird, rechtswidrig und hält der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht stand. Zudem
enthält § 7 Abs. 4 der Anlage 5 zu den AVR einen unzulässigen Ausschluss der Anrechnung von
Bereitschaftsdienstzeiten. Da § 6 Abs. 5 ArbZG zwingend einen Ausgleich vorsieht, bleibt außerhalb etwaiger individualvertraglicher Regelungen nur die Möglichkeit der Anwendung der Anlage 14
im Wege der geltungserhaltenden Reduktion.
Positiv formuliert bedeutet dies, dass künftig bei der Anwendung des § 4 Abs. 2 der Anlage 14 der
AVR alle in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleisteten Arbeitsstunden sowie Bereitschaftsdienststunden berücksichtigt werden müssen.
-3Zu beachten ist dabei, dass der gesamte Bereitschaftsdienst, welcher in die Zeit zwischen 20.00
Uhr und 6.00 Uhr fällt, angerechnet werden muss, unabhängig davon, in welchen Stunden tatsächlich Arbeitsleistung erbracht wurde. Zwar deutet die Entscheidung in Rn. 21 darauf hin, dass ggfs.
eine Differenzierung möglich wäre. Doch sieht die derzeitige Regelung in Anlage 14 der AVR dies
nicht vor. Es bleibt in diesen Punkten abzuwarten, inwieweit die Arbeitsrechtliche Kommission hier
einen weitergehenden Vorschlag unterbreitet.
Ferner kann aus der Entscheidung gefolgert werden, dass für den Zusatzurlaub die Quotelungsregelung in § 1 Abs. 6 der Anlage 14 der AVR für Mitarbeiter, die im darauf folgenden Jahr ausscheiden, nicht gilt. Denn der Freizeitausgleich wird für bereits im Vorjahr geleistete Dienste erworben.
Sinn und Zweck des § 6 Abs. 5 ArbZG lassen keinen Raum für eine etwaige Kappung des erworbenen Anspruchs auf Freizeitausgleich.
Das BAG knüpft in seiner Entscheidung bei der Frage des Verfalls der Ansprüche auf Freizeitausgleich nicht an die bestehenden Urlaubregelungen an, sondern verweist auf die sechsmonatige
Ausschlussfrist (so Rn. 26, 27 der BAG-Entscheidung). Aufgrund dieser klaren Haltung empfehlen wir, zunächst ebenfalls die Ausschlussfrist von sechs Monaten anzuwenden. Dies bedeutet mit
Blick auf Ansprüche die für 2009 am 01.01.2010 entstanden sind, dass diese zum 01.07.2010 verfallen, soweit sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht bzw. vom Arbeitgeber keine weitergehenden Zusagen gemacht wurden. Wir weisen dennoch abschließend darauf hin, dass derzeit weitere
Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig sind und offen ist, ob diese Auffassung nicht
zugunsten einer Anwendung der Regelungen zum Urlaub verworfen wird. In diesem Fall könnte der
Zusatzurlaub im kompletten Urlaubsjahr inkl. des Übertragungszeitraumes noch in Anspruch genommen werden.
Insgesamt bleibt abzuwarten, inwieweit die Arbeitsrechtliche Kommission unter Berücksichtigung
der BAG-Rechtsprechung weitere Regelungen schafft.
Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
i. A.
i. A.
Manfred Kestermann
Referent
Ursula Meer
Rechtsanwältin