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Customer Relationship Management: Der Weg zur profitablen
Kundenbeziehung
Volker Bach, Sandra Gronover, Roland E. Schmid
Im Umfeld steigender Kundenanforderungen und neuer technologischer Möglichkeiten verspricht Customer
Relationship Management Instrumente für profitables Kundenbeziehungsmanagement zu bieten. Notwendig ist
dazu das Zusammenspiel vieler Bausteine, vom Internet-Auftritt über Call Center und Data Warehouses bis zu
neuen Organisationsformen in kundennahen Bereichen. Der Beitrag stellt dazu ein grobes Vorgehen und die
wesentlichen Gestaltungsfelder vor: Kundenprozesse, Multi-Channel- & Customer-Management, Customer
Profiling & Kundenselektion sowie Prozessunterstützung für Marketing, Verkauf und Service1.
Die Herausforderung: Das kundenzentrierte Unternehmen ................................................................................ 1
Der Kunde im Zentrum ................................................................................................................................... 1
Der Kunde als Herausforderung...................................................................................................................... 2
Profitable Kunden gewinnen und binden ........................................................................................................ 2
Der Weg: Bausteine für kundenzentrierte Lösungen .......................................................................................... 3
Identifikation von Kundenprozessen............................................................................................................... 5
Customer Profiling und Kundenselektion ....................................................................................................... 7
Multi-Channel- & Customer-Management ..................................................................................................... 8
Prozessunterstützung und Wissensmanagement ............................................................................................. 9
Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................................................................... 10
Literatur ............................................................................................................................................................ 11
Die Herausforderung: Das kundenzentrierte Unternehmen
Der Kunde im Zentrum
Donnerstagabend in der Zürcher S-Bahn: In den Erste-Klasse-Sessel zurückgelehnt holt sich Herr Voigt via
Notebook und Handy einige Informationen von seiner Bank. Denn seine Tochter Lilian steht kurz vor dem
Abschluss ihres Ingenieur-Studiums, und zu diesem Anlass sucht er ein Geschenk für sie – vielleicht einen
Ersatz für ihr inzwischen reparaturanfälliges Auto? Er überlegt, seinen Investment-Sparplan bei der EUROBank
aufzulösen und als Anzahlung für einen Leasing-Vertrag zu verwenden. Erfreut stellt er fest, dass die
EUROBank ihm via Internet die konkreten Konditionen für sein Wunschmodell vorrechnen kann und auch
gleich eine passende Kasko-Versicherung anbietet. Nach einigen weiteren Klicks findet er den Career Corner für
1
Dieser Beitrag beruht u.a. auf Ergebnissen der Kompetenzzentren „Business Knowledge Management“ und „Customer
Relationship Management“ im Forschungsprogramm „Business Engineering HSG“ (s. auch www.iwi.unisg.ch/crmbanken). Wir danken unseren Partnerunternehmen ABB, AGI, Bank Austria, Credit Suisse, Deutsche Telekom,
Landesbank Baden-Württemberg und Union Investment für ihre engagierte Mitarbeit an diesen Kompetenzzentren.
1
junge Leute, mit Stellenangeboten, Bewerbungstipps, Auslands-Studienangeboten, Diskussionsforen usw. Ob
Lilian das schon kennt? Also sie in einer E-Mail noch rasch auf den Link aufmerksam machen.
Zurück zu den Geschenk-Plänen: Ob er dafür seine Investment-Fonds verkaufen soll, das möchte Herr Voigt
lieber in einem persönlichen Beratungsgespräch klären. Über den „Call back“-Button nimmt er Kontakt mit der
EUROBank auf. Herr Alder vom EUROBank-Call-Center hat bereits die Daten von Herrn Voigt vor sich, als er
sich bei ihm meldet. Herr Voigt hat in der Woche keine Zeit, in die Filiale zu kommen und so vereinbaren sie,
dass Frau Isler, Kundenberaterin der EUROBank, am Samstag-Nachmittag bei Herrn Voigt vorbeischaut. Nach
einem Blick in Frau Islers elektronischen Kalender und ihre Routenplanung bestätigt Herr Alder 16 Uhr als
Besuchstermin.
Am Freitag bereitet sich Frau Isler auf den Besuch vor. Herrn Voigts Kundenprofil entnimmt sie, dass er
gestern im Internet Leasing-Varianten durchgerechnet hat. Aus Herrn Alders Gesprächsnotizen erfährt sie von
der Idee, die Investment-Anteile zu verkaufen. Für ihr Gespräch stellt Frau Isler deshalb einige Grafiken
zusammen, um Herrn Voigt zu überzeugen, die Fonds-Anteile zu halten und lieber einige seiner Termingelder zu
kündigen. Das EUROBank-Kundenmanagementsystem macht Frau Isler darauf aufmerksam, dass Lilian Voigt
sich im Diskussionsforum nach MBA-Studiengängen in den USA und Zulassungsbedingungen erkundigt hat.
Sicherheitshalber nimmt Frau Isler noch eine Übersicht mit Studiengebühren und Stipendien der USUniversitäten zu Herrn Voigt mit...
Dieses Szenario verdeutlicht das Ziel des Customer Relationship Management, den Kunden, dessen Wünsche
und Probleme in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handeln zu rücken. Menschen, Prozesse und Technik
müssen zusammenspielen, um dies zu erreichen.
Der Kunde als Herausforderung
Das kleine Beispiel zeigt, dass mit dem Fortschreiten der technologischen Entwicklung die Komplexität im
Unternehmen stark zunimmt. Früher hatte der Kunde einen Ansprechpartner, heute gibt es unterschiedliche
Vertriebskanäle und der einzelne Kunde kann nur noch schwer einer Person zugeordnet werden.
Auch die Erwartungen der Kunden ändern sich. Sie erwarten mehr Verständnis für ihre individuelle Situation
mit massgeschneiderten Produkten und fachgerechter Beratung. In Zukunft wird der Gedanke des One-to-one
Marketing umgesetzt, jeden Kunden separat zu betreuen. Unternehmen, die diese Chance verpassen und
weiterhin auf bewährte Techniken des Massenmarketings setzen, werden das Vertrauen der Kunden verlieren.
Die Transparenz des Marktes erhöht sich durch die stetig wachsende Verbreitung des Internets. Der Druck auf
die Unternehmen nimmt zu, sich den Entwicklungen anzupassen.
Vor dem Hintergrund veränderter Kundenbeziehungen und mehrerer z.T. unpersönlicher Vertriebskanäle
bekommt Customer Relationship Management eine entscheidende Bedeutung. Kernelement ist ein Wandel in der
Strategie, den Prozessen, der Technologie und der Unternehmenskultur weg vom produktzentrierten Denken hin
zu einem aktiven Management von Kundenbeziehungen.
Profitable Kunden gewinnen und binden
In allen Branchen wird heute ein Grossteil der Marketinganstrengungen auf die Gewinnung von Neukunden
verwendet. Jedoch ist bekannt, dass die Akquisitionskosten für einen Neukunden den Gewinn aus dieser
Geschäftsbeziehung für eine längere Zeit konsumieren [Kunz 1996, S.17]. Erst mit zunehmender Dauer einer
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Kundenbeziehung wird diese profitabel (vgl. Abb. 1). Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kosten für das
Halten von bestehenden Kunden etwa fünf- bis siebenmal niedriger sind als der Aufwand für die Gewinnung
eines Neukunden [Kunz 1996, S.18].
Sinkende Preissensibilität
Jährlicher Gewinn pro Kunde
Weiterempfehlungen
Kosteneinsparung
Cross-Selling, Vermögenszuwachs
Akquisitionskosten
Jahre
0
1
2
3
4
5
Abb. 1. Nutzen langfristiger Kundenbeziehungen [Bernet/Held 1998, S.62]
Die blinde Bindung von möglichst vielen Kunden führt jedoch nicht zwangsläufig zum gewünschten
finanziellen Erfolg. Ziel muss es sein, alle Akquisitions- und Kundenbindungsaktivitäten auf solche Kunden
auszurichten, die zumindest mittel- bis langfristig profitabel sind. Dies kann nur verwirklicht werden, wenn
Unternehmen über ihre Kunden möglichst viele Informationen gewinnen, die Rückschlüsse auf die (zukünftige)
Profitabilität des Kunden oder zumindest bestimmter Kundensegmente zulassen. Für Banken sind beispielsweise
folgende Informationen wertvoll:
Welchen Anteil am Gesamtpotenzial des Kunden hält die Bank? Hat der Kunde weitere Bankbeziehungen?
Bei welcher Bank hat der Kunde seine Hauptbankverbindung? Solche Informationen erlauben es der Bank, dem
Kunden gezielt Dienstleistungen anzubieten, die er derzeit von einer anderen Bank bezieht.
Die Kenntnis von Ereignissen und Zielen im privaten oder beruflichen Umfeld des Kunden (z.B. Kinder,
Arbeitslosigkeit, Hausbau etc.) sowie die Kenntnis von persönlichen Interessen (z.B. Urlaubsgewohnheiten,
Hobbys etc.) generieren ein grosses Cross-Selling-Potenzial und erlauben Rückschlüsse auf die Rentabilität.
Trotz aller Massnahmen in den Bereichen der Kundenbindung und der Kundenselektion kann nicht verhindert
werden, dass (potenziell) profitable Kunden abwandern. Eine laufende Akquisition von Neukunden ist
erforderlich, um diese Verluste auszugleichen. Neben der Kundenbindung und der Kundenselektion ist auch die
Kundengewinnung ein wichtiger Bestandteil des Customer Relationship Management.
Der Weg: Bausteine für kundenzentrierte Lösungen
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, den „richtigen“ Kunden die „richtigen“ Leistungen in allen
Phasen der Kundenbeziehung anzubieten. Bei der Umsetzung stellen sich Fragen wie: Über welche Kanäle
sollen welche Kundensegmente bedient werden? Was weiss der Filialmitarbeiter über den Kunden, was der CallCenter- Agent? Welche Tools ermöglichen personalisierte Angebote im Internet?
Die Vielzahl von Ansatzpunkten, die kaum isoliert voneinander gestaltet werden können, verunsichert
Unternehmen und verlangsamt Projekte unnötig. Eine systematische Vorgehensweise kann helfen.
3
Ausgangspunkt ist der Kundenprozess, der i.a. mehrere Kaufentscheidungen und damit mehrere Zyklen des
Customer Buying Cycles abdeckt. Ihm stehen auf Seite des Anbieters die kundenorientierten Prozesse
Marketing, Verkauf und Service gegenüber (vgl. Abb. 2).
ti n
ke
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g
Ser
vic
e
M
After-Sales
Anregung
Kauf
Evaluation
f
kau
r
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V
Abb. 2. Verknüpfung des Customer Buying Cycle mit den kundenorientierten Prozessen
Zur Gestaltung kundenorientierter Prozesse lassen sich vier wesentliche Handlungsfelder identifizieren (vgl.
Abb. 3):
•
Identifikation von Kundenprozessen
Unternehmen müssen ihre Positionierung im Geschäftsmodell des Informationszeitalters überprüfen und
weiterentwickeln (vgl. Kapitel 2 – Das Geschäftsmodell des Informationszeitalters). Wesentliches
Instrument hierfür ist die Identifikation der relevanten Kundenprozesse (Abschnitt 2.1).
•
Customer Profiling und Kundenselektion
Zur Identifikation der (potenziell) profitablen Kunden sind Instrumente zur Kundenbewertung notwendig.
Voraussetzung dafür ist der Aufbau einer weitgehend integrierten Informationsbasis über Kunden
(Abschnitt 2.2).
•
Multi-Channel- & Customer-Management
Die einzelnen Vertriebskanäle sind soweit zu integrieren, dass dem Kunden konsistente Leistungen über alle
Kanäle angeboten werden und die einzelnen Bedürfnisse des Kunden über die richtigen Kanäle bedient
werden. Der nächste Schritt ist die Personalisierung insbesondere von Internet-Angeboten auf Basis der
Customer Profiles (Abschnitt 2.3).
•
Prozessunterstützung und Wissensmanagement
Das Wissen über Bedürfnisse, Märkte, Produkte, Beschwerden, Problemlösungen etc. muss für interne
Mitarbeiter, aber z.T. auch direkt für Kunden und Geschäftspartner bedarfsgerecht zur Verfügung stehen.
Neben den technischen Voraussetzungen sind hier organisatorische Massnahmen zur Nutzung und
Bereitstellung dieses Wissens notwendig (Abschnitt 2.4).
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Kundenprozesse
Kundenprozesse
Anforderungen
Kanalmix
Anforderungen
Kundenprofil
Multi-Channel- &
Multi-Channel- &
Customer-Management
Customer-Management
Customer Profiling &
Customer Profiling &
Kundenselektion
Kundenselektion
Anforderungen
Multi-Kanal-Fähigkeit
Anforderungen
Beratungshäufigkeit etc.
Prozessunterstützung &
Prozessunterstützung &
Wissensmanagement
Wissensmanagement
Abb. 3. Vorgehen im Customer Relationship Management
Identifikation von Kundenprozessen
Kundenorientierung ist seit einigen Jahren ein Schlagwort in der Praxis, trotzdem erfolgt eine radikale
Hinwendung zum Prozess des Kunden erst heute. Kundenzentrierung bedeutet nicht, einzelne Teilaufgaben des
Kunden (mit Informationstechniken) zu unterstützen, sondern den gesamten Kundenprozess zu bearbeiten. Das
Marketing kennt die umfassende Kundenorientierung schon länger, neue IT-Lösungen haben jedoch das Potenzial, diese Konzepte jetzt wirkungsvoll umzusetzen [s. Österle/Muther 1999]. Radikale Kundenzentrierung
bedeutet (vgl. Abb. 4):
•
Die benötigten Services ergeben sich aus den Aufgaben des Prozesses, den der Kunde im Idealfall zu
durchlaufen hat.
•
Ein Leistungsintegrator unterstützt den Kunden im gesamten Prozess und setzt dazu moderne
Informationstechniken ein.
•
Leistungsanbieter
bringen
ihre
spezialisierte
Kernkompetenz
über
einen
oder
mehrere
Leistungsintegratoren in die Komplettlösung ein.
5
Anbieter
Leistungsintegrator
Kunde
Bau eines Hauses
Informationen
Kauf eines Autos
Services
Planung eines Umzugs
Geburt eines Kindes
Produkte
...
Zahlung
Bank
Abb. 4. Modell des Leistungsintegrators
Eine Möglichkeit, den Kundenprozess umfassend zu unterstützen sind Internetportale. Das Beispiel
www.Quicken.com verdeutlicht erste Schritte in diese Richtung (vgl. Abb. 5). Entlang von Life Events, wie
Ausbildung,
Heirat
oder
Kindererziehung
bietet
Quicken.com
Informationen,
Tools
und
Kommunikationsmöglichkeiten an, die den Prozess des Kunden unterstützen. Im Fokus steht der
Abwicklungsprozess des Kunden unabhängig von den Kompetenzen des Unternehmens. Auch Unternehmen aus
anderen Branchen, wie beispielsweise www.AutoBild.de, www.Backwelt.de oder www.financenter.com
verfolgen eine ähnliche Strategie, die auf eine vollständige Abdeckung der Kundenbedürfnisse abzielt.
Abb. 5. Life Events bei www.Quicken.com
In Zukunft werden derartige Plattformen komplette Prozesse wie das Management des privaten Haushalts
oder Planung und Durchführung von Business Meetings unterstützen. Die Realisierung dieser Portalstrategie
wird typischerweise nicht von klassischen Unternehmen alleine geleistet, sondern ein Netzwerk von
Partnerunternehmen ist dazu notwendig.
6
Die
Orientierung
am
Kundenprozess
ist
nicht
an
Web-Portale
gebunden.
Dem
Ansatz
des
Leistungsintegrators entsprechend ist beispielsweise auch die ganzheitliche Abdeckung des Schadensprozesses,
wie sie immer mehr Versicherungen mit Assistance-Dienstleistungen anbieten, als kundenzentrierte Strategie zu
bewerten.
Welche Kundenprozesse genau abgedeckt werden müssen, hängt von der jeweiligen Position des
Unternehmens im Geschäftsmodell ab. Nicht nur Endkunden haben einen Kundenprozess, sondern auch der
Prozess des Leistungsintegrators kann als Kundenprozess eines Leistungsanbieters betrachtet werden.
Customer Profiling und Kundenselektion
Unternehmen, die eine CRM-Strategie erfolgreich umsetzen wollen, müssen sich fragen, welche Kunden sie
wann mit welchem Vertriebskanal und welchem Produkt ansprechen. Massnahmen zur Kundenselektion
schaffen hierfür die Voraussetzung.
2
Die amerikanische Wachovia Bank war führend im Angebot von personalisierten Dienstleistungen und
hatte so einen überdurchschnittlichen Kundenstamm angezogen. Die profitabelsten Kunden wurden von Private
Bankern betreut, jedem Massenkunden war ein persönlicher Kundenberater zugeordnet. Dies führte jedoch dazu,
dass die gut ausgebildeten Kundenberater sich einen grossen Teil ihrer Zeit mit Routineaufgaben beschäftigen
mussten.
Aus dieser Situation heraus beschloss die Wachovia Bank, eine neue Kundensegmentstrategie zu entwickeln,
bei der die potenzielle Rentabilität die Basis für die Segmentierung bildet. Mit Hilfe leistungsfähiger Customer
Profiling-Lösungen entwickelte die Bank Modelle, um die zukünftige Rentabilität möglichst gut vorherzusagen.
Dies erfolgte basierend auf verhaltensorientierten Kriterien über den gesamten Kundenstamm. Es stellte sich
heraus, dass sich in den obersten und in den untersten Rentabilitätssegmenten sowohl Ärzte als auch
Fabrikarbeiter befanden.
Den entstandenen Kundensegmenten wurden verschiedene Vertriebskanäle zugeordnet (vgl. Abb. 6). Die
rentabelsten Kunden mit hohen Wachstumserwartungen werden weiterhin von Private Bankern oder von
persönlichen Kundenberatern betreut. Potenziell hoch profitablen Kunden wird ein persönlicher „Relationship
Banker“ zugeordnet. Kundensegmente mit niedrigen Wachstumserwartungen werden in der Regel von Call
Center Mitarbeitern bedient.
Hoch
Niedrig
Wachstumspotential
Aktuelle Rentabilität
Niedrig
Hoch
Relationship
Banker
Private Banking
oder
Relationship
Banker
Call Center
Persönlicher
Berater
oder
Call Center
Abb. 6. Kundensegmente nach Rentabilität und Potential [Wayland/Cole 1997]
2
Die Informationen über die Wachovia Bank sind [Wayland/Cole 1997, S.150ff] entnommen.
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Zum erfolgreichen Customer Profiling müssen zum einen geeignete Verfahren entwickelt und angewandt
werden, die den Wert einer Geschäftsbeziehung über deren Dauer hinweg ermitteln. Zum anderen müssen Wege
gefunden werden, den „attraktiven“ Kunden enger und langfristig an das Unternehmen zu binden.
Eine differenzierte Segmentierung soll detaillierte Kenntnisse über Kundenbedürfnisse liefern. Die Kenntnis
dieser Kundenbedürfnisse ist unbedingte Voraussetzung für die Entwicklung von kundenorientierten Produkten
und Dienstleistungen.
Zur Bildung von Kundensegmenten stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Klassischerweise
werden Kunden nach demographischen (Alter, Geschlecht etc.), geographischen (regionale Gebiete,
Ortsgrössenklassen etc.) oder sozio-ökonomischen (Einkommen, Schulbildung) Kriterien unterteilt [vgl. Gabler
1997]. Allerdings zeigen neuere Forschungsergebnisse, dass diese nur eine geringe Aussagekraft über das
Nachfrageverhalten aufweisen [Emödi 1999, S. 129]. Quantitative Ansätze versuchen die Kunden nach Loyalität
und Rentabilität zu segmentieren [Bernet 1998, S.26ff], wobei noch ein verifiziertes Modell fehlt, das Loyalität
und die Dauer einer Kundenbeziehung anhand geeigneter Indizien festlegt. Andere Ansätze beziehen zunehmend
psychographische Kriterien mit ein und versuchen auf Basis von Marktforschung Kundentypologien zu
entwickeln. Typische Kategorien sind beispielsweise der „konsumfreudige Berufsanfänger“ oder der
„spassorientierte Mengenkunde“ [vgl. Grebe/Kreuzer 1997]. Kritisiert werden derartige Modelle, da innerhalb
der einzelnen Segmente oft eine unzureichende Homogenität besteht [Droege & Comp. 1997, S.43].
Erfolgversprechender ist die Segmentierung auf der Basis verhaltenstypischer Merkmale. Datenmaterial über
das Kaufverhalten ihrer Kunden liegt den Banken in der Regel in grossem Umfang vor. Die Transaktionsdaten
eines Girokontos, einer Kreditkarte oder eines Wertpapierdepots beispielsweise lassen umfassende Rückschlüsse
auf das aktuelle Potenzial eines Kunden zu. Häufig werden diese Daten jedoch nicht genutzt [Droege & Comp.
1997, S.40]. Stützt sich aber die Kundensegmentierung ausschliesslich auf Verhaltensdaten, lassen sich daraus
kaum Rückschlüsse auf die zukünftige Profitabilität eines Kunden ziehen.
Derartige Schlüsse sind nur durch eine möglichst kundenindividuelle Kombination von Verhaltensdaten mit
demographischen und sozio-ökonomischen Kriterien möglich. Entsprechende Modelle müssen an den
Kundenkreis des Unternehmens angepasst werden, um möglichst genaue Prognosen durchführen zu können.
Die moderne Informationstechnologie erlaubt es, die verfügbaren Daten in grossen Mengen zu analysieren
und für die Kundensegmentierung nutzbar zu machen. Damit ist es möglich, jeden Kunden individuell zu
behandeln und ihm auf Basis seines Profils passende Produkt- und Dienstleistungspakete anzubieten (One-to-one
Marketing).
Dieser
Entwicklung
stehen
jedoch
z.T.
Anforderungen
des
Datenschutzes
oder
Aufwandsüberlegungen entgegen, die gegenüber dem Nutzen abgewogen werden müssen.
Multi-Channel- & Customer-Management
Die Vielfalt der Vertriebskanäle hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Unternehmen stehen vor
dem Problem, diese unterschiedlichen Kanäle zu integrieren und abzustimmen. Heutige elektronische
Vertriebskanäle beschränken sich meist darauf, die produktorientierten Angebote und die klassischen
Abwicklungsverfahren direkt abzubilden. Das Internet, Call-Center und andere neue Vertriebskanäle
ermöglichen jedoch völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten.
Die verfügbaren Kanäle müssen so kombiniert und eingesetzt sein, dass sie im Sinne der Kundenbindung und
Kundengewinnung höchstmöglichen Nutzen bringen. Im Rahmen des Multi-Channel-Management stellt sich die
Frage, über welchen Kanal welcher Kunde in welchem Prozessschritt mit dem Unternehmen in Kontakt tritt?
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Unter Berücksichtigung der Kundenprozesszentrierung sollten die Vertriebskanäle so ausgewählt und gestaltet
werden, dass sie sich möglichst gut in die Kundenprozesse eingliedern, diese optimal unterstützen und
vereinfachen. Dabei gibt es zwei grundsätzliche Strategien:
Neue Vertriebskanäle werden unabhängig vom bestehenden Geschäft aufgebaut. Dazu werden eigene
Tochtergesellschaften gegründet (für Finanzdienstleistungen z.B. Advance Bank) oder zumindest ein eigener
Markenname eingeführt (z.B. youtrade der Credit Suisse für Internet-Brokerage). Für die neuen Vertriebskanäle
wird ein eigener Kundenstamm aufgebaut und eine eigenes Produktangebot konzipiert.
Die bestehenden Vertriebskanäle eines Unternehmens werden durch neue Vertriebskanäle ergänzt, wobei über
alle Vertriebskanäle ein einheitliches Dienstleistungsangebot zur Verfügung steht. Ein einheitlicher
Kundenstamm wird über alle Kanäle bedient.
Das folgende Beispiel beschreibt den Weg der Deutschen Bank von einer separierten Multikanalstrategie zur
voll integrierten Multikanalstrategie der Deutschen Bank 243: Im September 1995 nahm die Bank 24 als
Direktbank-Tochter der Deutschen Bank AG den Betrieb auf. Die Bank 24 positionierte sich als Vollbank im
Bereich der elektronischen Vertriebskanäle Telefon und Internet. Die damalige Strategie der Deutschen Bank
liess das etablierte Filialgeschäft unangetastet.
Anfangs 1999 beschloss die Deutsche Bank, ihren – inzwischen auch im Telefon- und Online-Kanal aktiven –
Privat- und Geschäftskundenbereich auszugliedern und mit den Kunden der Bank 24 zusammenzuführen. Die
neue Deutsche Bank 24 nahm ihren Betrieb am 1. September 1999 auf und soll u.a. dem Kunden die
Wahlfreiheit zwischen einer möglichst umfassenden Palette an Produktbündeln und Zugangswegen zu seiner
Bank ermöglichen: 1450 Filialen, 250 Finance Center für Geschäftskunden und besonders beratungsintensive
Dienstleistungen wie z.B. komplexe Baufinanzierungen, 400 Finanzberater im mobilen Vertrieb, 1800
Kundenterminals und 6000 Geldautomaten, Telefon-Banking mit „7x24“-Erreichbarkeit sowie Internet/OnlineBanking.
Um den Kunden über alle Vertriebskanäle einheitlich bedienen zu können und um einen transparenten
Marktauftritt zu gewährleisten, ist es erforderlich, die verarbeitenden Informationssysteme vollständig zu
vernetzen und zu integrieren. Neben einer technischen Integration steht in diesem Zusammenhang die
organisatorische Ausrichtung im Vordergrund. Es sind Fragen zu beantworten wie: Wer hat die Verantwortung
für einen Kunden oder wo ist die zentrale Steuerung der Vertriebskanäle angesiedelt. Des weiteren bestehen
hohe Anforderungen an die Koordination der einzelnen Vertriebskanäle, z.B. muss der Beitrag der einzelnen
Kanäle zum Gesamterfolg messbar sein.
Prozessunterstützung und Wissensmanagement
Standardsoftware wie die Siebel-Produktfamilie oder Vantive Enterprise befinden sich zur Zeit stark im
Aufwind. Derartige Produkte erlauben die integrierte Abwicklung der Prozesse Marketing, Verkauf und Service
basierend auf einer einheitlichen Datenbasis mit Produkt- und Kundeninformationen. Durch die Integration der
CRM-Prozesse wird der Informationsfluss zwischen den Prozessen gefördert. Beschwert sich zum Beispiel ein
Kunde beim Customer Service, so stehen die entsprechenden Informationen dem Kundenberater auch im
nächsten Verkaufsgespräch zur Verfügung.
3
Die Informationen über die Deutsche Bank 24 sind [von Heydebreck 1999] entnommen.
9
Derartige Lösungen sind nicht nur innerhalb eines Unternehmens sinnvoll, sondern haben zunehmende
Bedeutung in der Unterstützung von Intermediären oder sogar des Endkunden.
Beispiel: Die Union-Investment-Gruppe gehört zu den führenden Kapitalanlagegesellschaften Deutschlands
(März 1999: 151 Fonds, Fondvermögen 35 Mrd. €, knapp 2 Mio. Investmentdepots). Der Vertrieb erfolgt
ausschliesslich über Vertriebspartner, hauptsächlich sind dies die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland.
Das Projekt „Computer Aided Selling“ (CAS) realisierte neben einem verbesserten Informationsservice für
Endkunden ein Beratungssystem für die Kundenberater bei den Vertriebspartnern. Es integriert unter einer
Browser-Oberfläche umfassendes Wissen über:
•
Fonds: Produktinformationen, Fondpreise, Performance, Charts, …
•
Märkte: Hintergrundinformationen zu Kapitalmärkten, Branchen, Ländern und Fundamentaldaten
•
Depot-Abwicklung: Abwicklungsanweisungen, Formulare, Abrechnungen, …
•
Basiswissen: Grundlagen über Fonds, Märkte und Investment
•
Kontakte: Ansprechpartner, Feedback- und Diskussionsmöglichkeiten
•
Beratung: Beratungswerkzeuge, Modellrechner, Präsentationshilfen, …
•
Anlagekonzepte: Informationen zur Strategie der Union Investment
•
Verkauf und PR: Marketingmaterial und Pressemitteilungen
•
Downloads: Dokumente und Formulare zum Ausdrucken, Offline-Beratungstools
•
UnionDepotOnline: Depoteinsicht und Analyse für Berater
Der Kundenberater kann also über das Extranet jederzeit auf sämtliche Informationen zugreifen, die er für
seine Beratungstätigkeit benötigt. Durch den Einsatz der Internet-Technologie benötigt er dazu lediglich einen
PC mit Web-Browser sowie einen Internet-Zugang bei einem lokalen Provider. Es fallen also weder Kosten für
die Verteilung von Spezialsoftware an, noch sind teure Datenleitungen von den Vertriebspartnern zur Union
erforderlich.
In der nächsten Ausbaustufe wird die Funktionalität zur Depoteinsicht durch die Möglichkeit ergänzt, Kaufund Verkaufstransaktionen online durchzuführen: Dem Berater stehen unter einer einheitlichen Oberfläche
Hintergrundinformationen, aktuelle Marktdaten, Zugriff auf die Kundendepots und die Auslösung von
Transaktionen zur Verfügung.
Das Beispiel zeigt die Unterstützung des Verkaufsprozesses durch elektronische Dokumente. Entscheidend
für den Erfolg sind neben der am Prozess orientierten technischen Lösung die Weiterentwicklung von
Organisation und Führungsinstrumenten, um die Bereitstellung, Verteilung und Nutzung des notwendigen
Wissens sicherzustellen [Bach et al. 1999]. Dies reicht von der Definition von Verantwortlichkeiten für
bestimmte Inhalte bis zu neuen Karrieremodellen für Kundenberater.
Analog zum Verkaufsprozess entwickelt sich eine intensivere Unterstützung der Marketing- und
Serviceprozesse. Auch hier existiert inzwischen eine Vielzahl von Standardsoftware-Paketen.
Zusammenfassung und Ausblick
Zur Umsetzung eines Customer Relationship Managements im Unternehmen genügt es nicht, einzelne
Softwarelösungen einzuführen. Das primäre Ziel muss sein, die Kundenprozesse so genau wie möglich zu
kennen und darauf aufbauend eine Positionierung der Dienstleistungen vorzunehmen. Zur Erreichung dieses
Zieles können IT-Lösungen an verschiedenen Punkten die Gewinnung von Informationen über die Kunden und
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deren Prozesse sowie den Kontakt zum Kunden unterstützen. Wichtig ist, dass nicht eine Vielzahl isolierter
Insellösungen entsteht, sondern eine möglichst gut integrierte Gesamtlösung.
Bei den vier vorgeschlagenen Schritten zum CRM zeichnen sich einige Trends ab, die innovative
Unternehmen schon heute berücksichtigen sollten:
Zentrierung auf den Kundenprozess
Erste Entwicklungen zeigen, dass Internetportale vor allem dann erfolgreich sind, wenn nicht nur eigene
Produkte darüber vermarktet werden. Die Neutralität gegenüber dem Kunden ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor
und schafft eine gewisse Marktmacht. Kunden werden sich nur an einen oder zwei Leistungsintegratoren binden.
Customer Profiling und Kundenselektion
Im Rahmen der Kundensegmentierung ist ein immer höherer Detaillierungsgrad wünschenswert, um so
möglichst exakte Kundenprofile zu erstellen. Viele Kunden sind bereit, bei kleinen Incentives, wie KlubMitgliedschaften oder verbilligten Konzertkarten, persönliche Daten bekannt zu geben. Gleichzeitig werden
Kunden eine selektive und kontrollierte Weitergabe ihrer Daten fordern, d.h. ihre Kundenprofile zunehmend
selbst verwalten und pflegen.
Multi-Channel- & Customer-Management
Handy-Banking u. ä. ist erst der Anfang: Die Durchdringung des mobilen und privaten Sektors durch das
Internet wird zusammen mit einer weiter steigenden Personalisierung von Services die nächste Herausforderung
für das Multi-Channel-Management sein.
Prozessunterstützung und Wissensmanagement
IT-Lösungen, welche die kundenorientierten Prozesse und den Prozess der Wissensgenerierung im Unternehmen
unterstützen, werden zunehmend auf Standardsoftware basieren, die sowohl konventionelle als auch webbasierte Kanäle unterstützt.
Literatur
[Bach/Vogler/Österle 1999]
Bach, V., Vogler, P., Österle, H. (Hrsg.), Business Knowledge Management –
Praxiserfahrungen mit Intranet-basierten Lösungen, Springer, Berlin, Heidelberg u.a.,
1999
[Bernet/Held 1998]
Bernet, B., Held, P.P. (Hrsg.), Relationship Banking, Gabler, Wiesbaden, 1998
[Droege & Comp. 1997]
Droege & Comp., Customer Banking, Gabler, Wiesbaden, 1997
[Emödi 1999]
Emödi, A., Dynamisches Segmentenmanagement und Leistungssystem am Beispiel des Privat
Banking, Dissertation an der Universität St. Gallen, 1999
[Gabler 1997]
Gabler, Gabler-Wirtschaftslexikon, 14. Aufl., Gabler, Wiesbaden, 1997
[Grebe/Kreuzer 1997]
11
Grebe, M., Kreuzer, M., Über eine differenzierte Kundenansprache zum Erfolg, in:
Geldinstitute, Nr. 10/97, S. 6-11
[Heydebreck v. 1999]
Heydebreck, T. v., Deutsche Bank 24: Aufbruch in einen neue Bankenwelt, in: Die Bank, Nr.
7/99, S. 444-448
[Kunz 1996]
Kunz, H., Beziehungsmanagement: Kunden binden, nicht nur finden, Orell Füssli, Zürich,
1996
[Österle/Muther 1999]
Österle, H., Muther, A., Radikale Kundenzentrierung im Informationszeitalter I, in:
ioManagement, Nr. 9/99, S. 36-41
[Wayland/Cole 1997]
Wayland, R.E., Cole, P.M., Customer connections: new strategies for growth, Harvard
Business School Press, Boston, 1997
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