Schiedsklauseln im internationalen Sport – gewollt oder nicht?

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Schiedsklauseln im internationalen Sport – gewollt oder nicht?
User-ID: [email protected], 19.10.2015 11:10:34
Dokument
CaS 2015, 311
Autor
Dominik Kocholl
Titel
Schiedsklauseln im internationalen Sport – gewollt
oder nicht?
Urteilsbesprechung
3 Ob 157/14f
Publikation
Causa Sport
Herausgeber
Ulrich Haas, Peter W. Heermann, Ingeborg Mottl,
Remus Muresan, Urs Scherrer, Daniel Thaler, et. al.
Frühere Herausgeber
ISSN
1660-8399
Verlag
Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG
CaS 2015, 311
Schiedsklauseln im internationalen Sport – gewollt
oder nicht?
Anmerkungen zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
vom 18. Februar 2015; 3 Ob 157/14f
Dr. iur. Dominik Kocholl, Innsbruck*
Schiedsklauseln im Sport sollten nicht leichtfertig als unwirksam qualifiziert
werden, zumal sie einen Parteiwillen manifestieren.
Der Oberste Gerichtshof Österreichs (OGH) hat sich in seiner Entscheidung vom 18.
Februar 2015 zu wenig mit der relevanten Schiedsvereinbarung und deren
internationalem Kontext samt Kollisionsrecht auseinandergesetzt. Werden
internationale und sportrechtliche Fakten (über ADBG-Anerkennung und durch die
internationalen
Verbände
implementierter
WADC,
samt
enthaltenen
Streitbeilegungsverfahren) ausgeblendet und wird dahingehend tendiert, komplexe
Schiedsvereinbarungen im Sport wie jene betreffend nationale ad hocHandelsschiedsverfahren zu beurteilen, scheinen sachgerechte und international bzw.
im Lichte der einschlägigen völkerrechtlichen Grundlagen vertretbare Lösungen kaum
mehr möglich. Im konkreten Fall spricht einiges für die Wirksamkeit bzw. Gültigkeit
der Schiedsvereinbarung. Die Schiedsvereinbarung hätte nach schweizerischem Recht
statt nach österreichischer ZPO beurteilt werden müssen.
*
Der Autor ist international tätiger Rechtsanwalt, Schiedsrichter am Court of Arbitration for Sport
(CAS) und u. a. Mit-Herausgeber dieser Zeitschrift.
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1. Einleitung
Der vorstehend wiedergegebene Beschluss des Obersten Gerichtshofs (OGH)
Österreichs berührt mehrere – teilweise brisante – Fragenkomplexe. Nachfolgend soll
zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit demjenigen Teil des Beschlusses, der
sich mit der Schiedseinrede befasst1, erfolgen2. Die entsprechende Einrede war in
einem Rechtsstreit zwischen einem Radsportprofessional und der Nationalen
Antidoping-Agentur Österreichs (NADA Austria) sowie dem Österreichischen
Radsport-Verband (ÖRV) erhoben worden. Gegenstand des fraglichen Rechtsstreits
bildet eine Schadenersatzforderung des Sportlers gegen die genannten Körperschaften
wegen einer – behauptetermassen – rechtlich unhaltbaren3 Suspendierung des Athleten
und in der Folge entgangenen Sponsorengeldern. Bevor über die entsprechende
Forderung entschieden werden konnte, musste – in Anbetracht des Vorliegens von
Schiedsklauseln sowie von § 8 des Vereinsgesetzes (VerG) und des
Antidopingbundesgesetzes (ADBG) – zunächst geklärt werden, ob die ordentlichen
(Zivil )Gerichte in casu überhaupt (schon) zuständig waren bzw. sind. Der OGH hat
dies bejaht.
2. Wirkung von Schiedsvereinbarungen
Liegt eine Schiedsvereinbarung vor, kann einer bei einem Zivilgericht eingebrachten
Klage die Schiedseinrede, also die prorogable sachliche Unzuständigkeit des
ordentlichen Gerichtes4, entgegengehalten werden. Nach österreichischer Diktion wäre
die Klage bei erfolgreicher Schiedseinrede «vom staatlichen Gericht wegen
Unzuständigkeit aufgrund einer Schiedsvereinbarung zurückzuweisen»5. Laut § 584
Abs. 1 ZPO ist eine Schiedseinrede nur dann zurückzuweisen, wenn das Gericht
feststellt, dass die Schiedsvereinbarung nicht vorhanden oder das Verfahren
undurchführbar ist.
Dem vorliegenden Fall ist ein rügeloses Einlassen der Beklagten in den Rechtsstreit der
OGH-Entscheidung nicht zu entnehmen. Die Unzuständigkeitseinrede ist auch dann zu
beachten, wenn sie zugunsten eines Schiedsgerichts erhoben wird, das seinen Sitz nicht
in Österreich hat (§ 584 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 577 Abs. 2 ZPO) 6.
1
Vgl. Teil I. der Begründung des Beschlusses.
2
Eine umfassendere Auseinandersetzung mit den übrigen, im Beschluss des OGH behandelten
Themenkreisen folgt in einer der nächsten Ausgaben von «Causa Sport».
3
Zur Suspendierung durch die NADA-Rechtskommission, die von der unabhängigen
Schiedskommission «mangels Rechtsgrundlage ersatzlos» aufgehoben worden war und die vom
Kläger als «rechtlich unvertretbare Suspendierung» bezeichnet wird, war kein weiterer
Willensakt des ÖRV hinzugetreten. Eine vorläufige Suspendierung als Sicherungsmassnahme
hätte nach UCI-Umsetzung der Art. 7.5.1 und 7.5.2 WADC 2009 nur bei einem von der Norm
abweichenden Analyseergebnis ausgesprochen werden dürfen, oder wenn eine Dopingkontrolle
verweigert worden wäre.
4
Vgl. Christian Hausmaninger/Christopher Stippl, in: Hans W. Fasching/Andreas Konecny,
Zivilprozessgesetze II/1, 3. Aufl., Art. XII EGZPO, Rz. 19 (Stand: 1. September 2014, rdb.at);
Andreas Grundei/Marlies Schefer, Aussergerichtliche Streitbeilegung im Fussball, in: Bettina
Nunner-Krautgasser/Gert-Peter Reissner (Hrsg.), Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit im
Sport, 2011, 70.
5
Hubertus Schumacher, Lis Pendens und Schiedsverfahren, in: Alfons Grünwald/Gerhard
Schummer/Johannes Zollner, Unternehmensrecht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für
Waldemar Jud, Wien 2012, 653.
6
Ebenso Walter Rechberger, Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, in: Christoph Liebscher/Paul
Oberhammer/Walter H. Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I, Wien 2012, Rz. 6/22.
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3. Die Position des OGH
Die Schiedseinrede wurde in casu durch die NADA und den Bundessportfachverband
(ÖRV) erfolglos vorgebracht. Der OGH unterzog in seiner Entscheidung die
Schiedsvereinbarung des Radsportprofessionals lediglich einer Prüfung anhand der
Kriterien des § 581 Abs. 1 ZPO und
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beurteilte sie als unbestimmt i. S. v. § 869 ABGB: Da nicht in ausreichendem Masse
erkennbar sei, welche künftigen Rechtsstreitigkeiten vor welchen Spruchkörpern
ausgetragen werden sollten und es einen Widerspruch gäbe, liege keine gültige
Schiedsvereinbarung vor. Deshalb sei der ordentliche Zivilrechtsweg zulässig, und so
könne sich höchstens aus § 8 VerG eine (temporäre) Unzulässigkeit des Rechtswegs
ergeben.
Der OGH sieht im vorgebrachten Sachverhalt offensichtlich einen reinen Binnenfall,
völlig frei von internationalen Bezügen, so dass er es auch nicht unternimmt, sich mit
ihnen auseinanderzusetzen. Möglicherweise haben allerdings bereits die Vorinstanzen
und Parteienvertreter dieses grundlegende Thema nicht ausreichend berücksichtigt.
4. Kritische Würdigung
4.1 Vorbemerkungen
Vor der Analyse der konkreten Schiedsvereinbarung gilt es, den internationalen
Kontext abzustecken und hinsichtlich der vordergründig inexistenten und im Urteil
kaum auffallenden, jedoch vorhandenen, statutarischen7 Schiedsvereinbarungen – etwa
der UCI – zu sensibilisieren. Sportregelwerke von internationalen Verbänden werden
oft nur erneuert bzw. verlängert, so dass von einer branchentypischen Vorkenntnis des
Reglements samt mitenthaltener Schiedsklausel(n) auszugehen ist8.
Hinsichtlich der Schiedseinrede werden neben dem – nicht vorschnell aufzugebenden –
Justizgewährungsanspruch, der international auch laut Völkerrecht einheitlich zu
regelnden Dopingbekämpfung und dem objektiv erkennbaren Parteiwillen die
Prinzipien der Privatautonomie und Verbandsautonomie, die – wo immer möglich zu
schützende – Autonomie des Sports, das Kollisionsrecht und nicht zuletzt die
Zweifelsregel der Auslegung in favorem validatis (als Interpretationsmaxime)
entscheidungsrelevant sein. Im Rahmen der vorliegenden Anmerkungen wird, soweit
möglich, jeweils auf die aktuell geltenden Rechtsnormen und Regelwerke Bezug
genommen. Ohne nähere Angaben ist stets die jeweils aktuelle Version gemeint und
nicht jene, die der OGH-Entscheidung zugrunde gelegt wurde.
4.2 Die internationalen Bezüge des Falles
In global ausgeübten, und besonders in olympischen Sportarten mit weltweitem
Wettbewerb findet der Anti-Doping-Kampf notwendigerweise auf internationaler
Ebene statt. Vorreiter ist die WADA mit ihrem das Harmonisierungsziel verfolgenden
World-Anti-Doping-Code (WADC). Überdies ist mit Blick auf den in casu relevanten
und durch die Unterinstanzen festgestellten Sachverhalt zu bemerken, dass dieser
angesichts von Verweisen auf das internationale Sportschiedsgericht CAS, die Statuten
und Reglemente der UCI und der UEC, den u. a. über das ADBG einfliessenden
WADC 2009, die international ausgeschriebene und besetzte Österreich-Radrundfahrt,
die in hoher Kategorie zur UCI Europe Tour 2010 zählte, es nicht zulässt,
7
Peter Mayr geht in einer Glosse von der Wirksamkeit statutarischer Schiedsvereinbarungen aus.
Eine einseitige schriftliche Erklärung reicht aus. Ein Verweis auf ein anderes Schriftstück ebenso
– vgl. SpuRt 2014, 108 f. (m. w. N.).
8
Zutreffend Jens Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Tübingen 2003, 550.
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verfahrensrechtlich von einem reinen Binnensachverhalt auszugehen. Vielmehr liegt –
jedenfalls
als
notwendige
Fallprüfungsannahme
–
eine
internationale
Schiedsvereinbarung vor9.
4.3 Relevante völkerrechtliche Grundlagen und
Verpflichtungen
Das 2006 umfassend novellierte österreichische Schiedsverfahrensrecht, das nicht
zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren differenziert, verfolgt nicht
nur das Ziel, das UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration
umzusetzen, sondern steht auch in enger Verbindung mit der völkerrechtlichen
Verpflichtung aus dem New Yorker Übereinkommen (NYÜ)10. Daneben sind das
Europäische Übereinkommen vom 21. April 1961, das Genfer Abkommen vom 26.
September 1927 über die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche und bilaterale
Abkommen zu nennen. Der OGH erwähnt in seiner Entscheidung indessen keinen
dieser Staatsverträge.
Die UNESCO hat am 18. Oktober 2005 ein «Internationales Übereinkommen gegen
Doping im Sport»11 verabschiedet, das nahezu weltweite völkerrechtliche
Verbindlichkeit gewährleisten soll. Das Übereinkommen ist
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mittlerweile von über 180 Staaten12 unterzeichnet worden, darunter Österreich13. Die
Vertragsstaaten verpflichteten sich in Art. 3 und 4, die Grundsätze des als Privatrecht14
einzustufenden WADC einzuhalten und ihm Geltung zu verschaffen; dem WADC wird
also als privatrechtliches Normenwerk im Rang von Völkerrecht annähernde
Rechtsqualität verliehen15.
Die Umsetzung erfolgt in Österreich seit 2007 durch das mehrfach novellierte ADBG16
und das BSFG17, deren Besonderheiten gesondert zu erörtern sein werden18. Diese
Bundesgesetze sind jene Instrumente, mit welchen den völkerrechtlich per AntiDoping-Konvention und UNESCO-Übereinkommen übernommenen Pflichten und
letztlich dem Welt-Anti-Doping-Code (World Anti-Doping Code 2015 – WADC 2015)
Rechnung getragen werden soll. Richtigerweise sollte jedoch im Konfliktfall das
9
Vgl. Dietmar Czernich, New Yorker Schiedsübereinkommen, Wien 2008, Art. II NYÜ, Rz. 6.
10
UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche
vom 10. Juni 1958 («New Yorker Übereinkommen», auch «New York Convention»). Es war per
2. September 2015 von 156 Staaten ratifiziert, darunter von Deutschland, Österreich und der
Schweiz
–
siehe
www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/NYConvention_status.html.
11
Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport (UNESCO-Übereinkommen) vom 18.
Oktober 2005. Das UNESCO-Übereinkommen wurde mit BGBl III 2007/108 in Österreich
ratifiziert.
12
www.unesco.org/eri/la/convention.asp?KO=31037&language=E (29. August 2015).
13
Vgl. BGBl III 108/2007. Vgl. Dominik Kocholl, Doping und Selbstmedikation – Lauteres und
Unlauteres im Bergsport, CaS 2011, 348 ff.
14
Jens Adolphsen, Umsetzung des Welt-Anti-Doping-Code in Deutschland, in: Jochen Vieweg
(Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, 2005, 83.
15
RV 44 BlgNR 23. GP zu BGBl III 108/2007; vgl. Judith Schmidt, Internationale
Dopingbekämpfung, 2009, 86 ff., die in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 3 leg. cit. auf S. 88
davon ausgeht, dass die Verbotsliste der WADA in die Konvention integriert worden ist und
direkte Bindungswirkung für die Vertragsparteien entfaltet (privatrechtlich gesetzte Normen
wurden zu Völkerrecht, das dazu dient, privaten Regeln internationale Geltung zu verschaffen);
Jens Adolphsen, in: Jens Adolphsen/Martin Nolte/Michael Lehner/Michael Gerlinger (Hrsg.),
Sportrecht in der Praxis, Stuttgart 2011, Rn. 1001 ff.
16
Anti Doping Bundesgesetz 2007.
17
Zu den Vorläufern des ADBG 2007 – etwa im Arzneimittelgesetz und BSFG – siehe Claudia
Zeinhofer, Rechtliche Grundlagen der Dopingbekämpfung in Österreich, CaS 2010, 326 ff.
18
Vgl. schon den Hinw. in Fn. 2.
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ADBG hinter die WADC-Rezeption durch den Internationalen Fachverband
zurücktreten19.
4.4 Der spezifisch sportrechtliche Kontext
4.4.1 Internationale Aspekte: WADC 2015
Weltweit einheitliche, weitgehend sportautonome Entscheidungen werden durch die
(globale) Sportschiedsgerichtsbarkeit besonders gut gewährleistet. Nicht zuletzt ist die
kollisionsrechtliche Wählbarkeit anationalen Rechts bzw. privat gesetzter Regelwerke
vor (echten) Schiedsgerichten weit eher möglich20.
Die WADA gibt regelmässig den non self executing21 -WADA-Code (zuletzt WADC
2015)22 heraus, der u. a. das für die Olympischen Spiele allein massgebliche
Dopingreglement darlegt23 und über den eine Harmonisierung der weltweiten und
fachverbandsübergreifenden Bekämpfung des Dopings erfolgt. Art. 22.4 WADC 2015
verlangt von den Unterzeichnerstaaten die Einsetzung von Schiedsgerichten24. Der
WADC hat jedoch keine25 unmittelbare normative Wirkung und wird per Statuten
(Satzungslösung) der Fachverbände oder per Regelanerkenntnisverträgen (Lizenz- oder
Nennungslösung) privatrechtlich in Geltung gesetzt.
Weil der WADC keine unmittelbare Wirkung (direct effect) entfalten kann, liegt es an
den Weltsportfachverbänden etc., die Inhalte des WADC in ihren Statuten und
Verbands-/Nebenordnungen abzubilden26. Aus diesem Grund kann der WADC per se
folglich auch keine Schiedsvereinbarung darstellen27. Da jedoch der WADC in aller
Regel durch die Sportverbände rezipiert wird, entstand nicht nur ein international
akzeptierter Standard in der Dopingbekämpfung, sondern «darüber hinaus eine nahezu
in sich ‚geschlossene Rechtsordnung‘»28.
Die WADA nützt – unterstützt durch völkerrechtliche Verträge – also privatrechtliche
Instrumente zur Umsetzung ihres Zwecks. Mit Hilfe des WADC 2015, der fünf sog.
International Standards29 (IST, ISL, ISTUE, ISPPPI, Prohibited List – jeweils
zwingendes Recht), des IOC, der Model Rules und Best-Practice-Modelle, dem CAS,
der
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Rechtswissenschaft und einer Compliance-Kontrolle soll das Anti-Doping-Recht in
Erfüllung des World-Anti-Doping-Programms weltweit als soft law und sowohl als
19
Vgl. für Deutschland Jens Adolphsen, zit. in Fn. 15, Rn. 1027.
20
Siehe auch Jens Adolphsen, zit. in Fn. 15, Rn. 1090 ff.
21
Jens Adolphsen, Anforderungen an die Rechtsprechung des CAS nach Erlass des neuen WADACodes, in: Michele Bernasconi/Antonio Rigozzi (Hrsg.), Sport Governance, Football Disputes,
Doping and CAS Arbitration, 2nd CAS & FSDA/SAV Conference, Berne 2009, 176.
22
Sämtliche Versionen sind unter www.wada-ama.org abrufbar. Die erste Version trat mit Datum
vom 1. Januar 2004 «in Kraft», wobei der WADC über kein eigentliches Inkrafttretensdatum
verfügt.
23
Art. 43 der Olympischen Charta; Michael Lehner, in: Jens Adolphsen/Martin Nolte/Michael
Lehner/Michael Gerlinger (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, Stuttgart 2011, Rz. 1355.
24
Vgl. Jens Adolphsen, zit. in Fn. 15, Rn. 1055.
25
Jens Adolphsen, zit. in Fn. 15, Rn. 988, 1004 ff.
26
Despina Mavromati/Matthieu Reeb, The Code of the Court of Arbitration for Sport, 2015, R27,
Rn. 71.
27
Vgl. CAS 2006/A/1190, WADA v. Pakistan Cricket Board & Akhtar & Asif,
Zuständigkeitsentscheidung vom 28. Juni 2006, wo das CAS eine Berufung der WADA
zurückgewiesen hat, weil der betroffene internationale Verband es versäumt hatte, eine Art.
13.2.3 WADC entsprechende Vorschrift in sein Regelwerk zu integrieren.
28
Ulrich Haas/Dirk-Reiner Martens, Sportrecht – Eine Einführung in die Praxis, Zürich 2011, 106.
29
Sie werden nach einem Konsultierungsverfahren durch das Exekutivkomitee der WADA
novelliert.
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Minimal- als auch als Maximalstandard30 harmonisiert werden. Nach Jens
Adolphsen31 ist bereits eine weitgehend geschlossene, materiell-rechtlich internationale
Ordnung errichtet worden, «die verfahrensrechtlich durch die Schiedsgerichtsbarkeit
abgesichert wird.»
Nicht nur das ADBG, sondern auch die Verfahrensordnungen der ÖADR (früher:
Rechtskommission) und der Unabhängigen Schiedskommission (USK) sehen den
WADC 2015 – ähnlich wie bei der EU-richtlinienkonformen Interpretation – als
auslegungsbestimmendes Normenwerk vor.
4.4.2 CAS-Zuständigkeit mehrfach festgeschrieben
Fest steht, dass Art. 13 WADC 2015 (und auch Art. 13.2.1 dNADC 2015 [«… können
Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen letztinstanzlich ausschliesslich vor dem CAS
eingelegt werden.»]) und die Olympische Charta stets den CAS als letzte
Rechtsbehelfsinstanz an das Ende gar aller Rechtszüge bzw. mehrstufigen
Schiedsgerichtswege zur Überprüfung von Sanktionen in Anti-Dopingverfahren
stellen.
Durch diese Zuständigkeitskonzentration32 auf ein institutionelles Schiedsgericht und
auch aufgrund der Rolle der WADA als «Weltanklagebehörde»33 mit
Rechtsmittelbefugnis wird die für die materiellrechtliche Harmonisierung und
Gleichbehandlung34 aller Athletinnen und Athleten eine zwingend notwendige, global
einheitliche Auslegung des Anti-Doping-Rechts gewährleistet und gegen nationale
«Sonderrechte» (das materielle Recht und das Verfahrensrecht betreffend) geschützt.
Notwendig ist ein global einheitlicher Spruchkörper35. Über die oftmals
veröffentlichten Entscheidungen des CAS bildet sich eine entsprechende
Rechtsprechungspraxis heraus, die mitunter als «lex sportiva» bezeichnet wird.
Ausserdem wird eine «Kontrolle» durch die Wissenschaft und eine Rezeption durch
staatliche Gerichte ermöglicht36.
Art. 13.2.1 WADC sieht vor, dass Fälle von International-Level-Athleten nur durch den
CAS als Revisionsinstanz de novo entschieden werden sollen. Da de novo37 (vgl. Art.
13.1.1 und 13.1.2 WADC) zu urteilen ist, wird nicht kassatorisch entschieden, und es
ist eine reformatio in peius möglich38.
Trotz der durch Claudia Pechstein in ihrem Schadenersatzprozess vor deutschen
Gerichten aufgeworfenen Fragen, die demnächst der Deutsche Bundesgerichtshof
(BGH) zu klären haben wird, sieht die herrschende Meinung (in der Schweiz, weltweit
30
Siehe eindrücklich: CAS 2011/A/2658, 30. April 2012 – BOA v. WADA. Vgl. auch CAS
2011/O/2422, 4. Oktober 2011; Dominik Kocholl, Doping: Lebenslange Olympiasperre ungültig
und nicht durchsetzbar – CAS-E USOC v. IOC, ecolex 2012, 294 ff.
31
Jens Adolphsen, zit. in Fn. 15, Rn. 964, 968.
32
Die Zuständigkeitskonzentration schliesst auch das «forum shopping» und damit verbundene
verschiedene Kollisionsrechte aus. Vgl. Ulrich Haas, Loslösung des organisierten Sports aus der
Umklammerung des nationalen Rechts, SJZ 2010, 589.
33
Jens Adolphsen, zit. in Fn. 15, Rn. 982.
34
Martin Kaiser, Sportrecht – Berücksichtigung der Interessen des Sports in der Rechtsordnung,
Bern 2011, 34 ff., spricht vom zu gewährleistenden Gleichheitsprinzip.
35
Lukas Handschin/Tony Schütz, Bemerkungen zum Fall «Pechstein», SpuRt 2014, 181.
36
Bernhard Pfister, in: Jochen Fritzweiler/Bernhard Pfister/Thomas Summerer, Praxishandbuch
Sportrecht, 3. Aufl., 2014, 6. Teil, Rn. 154 (674).
37
Frank Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Berlin 2005, 247, sieht in der Möglichkeit des CAS,
de novo zu entscheiden, einen grossen Vorteil für die Sportlerinnen und Sportler im Vergleich
etwa zum BGH.
38
Die Befugnis zur de novo-Entscheidung soll die einheitliche Anwendung des WADC
sicherstellen; vgl. zu diesem Problemfeld (auch im Verhältnis zu Art. 75 ZGB): CAS 2005/A/847
vom 20. Juli 2005, Hans Knauss v. FIS; Jens Adolphsen, zit. in Fn. 15, Rn. 990, 1099, 1107 –
Art. 75 ZGB sei für Schiedsgerichte kein zwingendes Recht, da der Normzweck
«Verbandsautonomie» hier infolge des privatautonomen Streitbeilegungsmechanismus nicht
schützenswert ist; a. A. Urs Scherrer, Vereinsrechtliche Anfechtungsklage und
Schiedsgerichtsbarkeit im Sport, CaS 2008, 58 ff.
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und wohl auch in Deutschland) den CAS als echtes Schiedsgericht an39. Der CAS ist
heute die erste Wahl, wenn es darum geht, eine «Denationalisierung internationalen
Sports»40 und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.
In der für das zu besprechende Verfahren vor dem OGH relevanten
Schiedsvereinbarung verweist der Ausdruck «Einsprüche in Dopingangelegenheiten
dem TAS (Tribunal Arbitral du Sport – Sportschiedsgericht)» vorzulegen, direkt zum
CAS. Weiter heisst es: «Ich akzeptiere, dass das TAS das Urteil in letzter Instanz
ausspricht». Der WADC und das Reglement der UCI (und damit alle
Untergliederungen der UCI – wie UEC und ÖRV) sehen in ihren
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statutarischen Schiedsvereinbarungen a. E. der Dopingverfahren den CAS vor. § 17
Abs. 4 ADBG sieht klarstellend ebenfalls ausdrücklich den Rechtszug zum CAS vor.
Noch in der Pressemitteilung der USK vom 25. Juli 2011 ging diese von einer gültigen
Schiedsvereinbarung zum CAS aus, da sie im Zuge ihrer Entscheidungsbekanntgabe
nur den noch offenen Rechtszug zum CAS erwähnt – nicht hingegen den
Zivilrechtsweg gem. § 17 Abs. 6 ADBG a. F. Dies ist keineswegs ungewöhnlich,
verweist doch auch das ADBG mehrfach – dynamisch – auf die Regeln des
internationalen Fachverbandes und folglich auf die entsprechenden statutarischen
Schiedsvereinbarungen zum CAS.
4.4.3 Statutarische Schiedsvereinbarungen bewirken Gemengelage
Geradezu typisch für den Sport ist eine Gemengelage nicht nur von
«Vereinsschiedsgerichten» bzw. «Sportgerichten», sondern auch von in Frage
kommenden Schiedsvereinbarungen und damit echten Schiedsgerichten samt
Oberschiedsgerichten41. Dies ergibt sich bereits aus der Verbandsautonomie der
einzelnen (Weltsport-)Fachverbände mit ihren Spruchkörpern und der partiellen, aber
globalen Regelungshoheit des IOC (das bei Olympischen Spielen den Ad hoc-CAS als
echtes Schiedsgericht vorsieht) oder der WADA, die den WADC letztlich weltweit
einheitlich durch den CAS ausgelegt sehen will. Je nach Anwendungsfall, Zeitraum (z.
B. Ad hoc-CAS) und Themengebiet (Doping) kann ein anderes (echtes) Schiedsgericht
zuständig sein. Häufig sind (generelle) Verweisungen auf Statuten etwa des
Weltsportfachverbandes, die ihrerseits (echte statutarische)42 Schiedsvereinbarungen
enthalten43.
Neben einer Schiedsabrede existieren oft kumulativ mehrere – in der Textgestaltung
oftmals unterschiedliche und teilweise statutarische – Schiedsvereinbarungen für einen
gewissen Zeitraum bzw. die Wettkampfteilnahme einer Sportlerin oder eines Sportlers.
Ziel ist dabei, auch ausserhalb des Weges über eine unmittelbare oder mittelbare
Vereins- bzw. Verbandsmitgliedschaft eine umfassende vertragliche Bindung per
Regelanerkennungsvertrag
und
Schiedsklausel
herzustellen.
Ein
Regelanerkennungsvertrag, also die Unterwerfung unter die Sportregeln eines
Fachverbandes, ist streng vom Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit (per
39
Ständige Rspr. des Schweizerischen Bundesgerichts (bspw. BGE 129 III 445); Stephan Netzle,
Wer ist meine Gegenpartei? SchiedsVZ 2009, 93, 97; Michael Lehner, zit. in Fn. 23, Rn. 1606;
Bernhard Pfister, in: Jochen Fritzweiler/Bernhard Pfister/Thomas Summerer, Praxishandbuch
Sportrecht, 3. Aufl., 2014, 6. Teil, Rn. 172; Martin Kaiser, Sportrecht – Berücksichtigung der
Interessen des Sports in der Rechtsordnung, Bern 2011, 194 f. Kritisch: Bernhard König, Sind
Schiedsabreden auf den CAS/TAS wirksam? SpuRt 2004, 137 f.
40
Jens Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Tübingen 2003, 483.
41
Antonio Rigozzi/Erika Hasler in: Manuel Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland – The
Practitioners’s Guide, 2013, 989, erachten Schiedsvereinbarungen im Leistungssport geradezu als
«branchentypisch». Manche Schiedsvereinbarungen gelten nur für die etwas erweiterte
Wettkampfdauer eines konkreten Wettkampfes.
42
Lukas Handschin/Tony Schütz, Bemerkungen zum Fall «Pechstein», SpuRt 2014, 180, gehen
davon aus, dass echte statutarische Schiedsklauseln nur eines vereinsrechtlich regelkonformen
Beschlusses, jedoch keines Konsenses bedürfen.
43
Despina Mavromati/Matthieu Reeb, The Code of the Court of Arbitration for Sport, 2015, 36 f;
Bernhard Pfister, in: Jochen Fritzweiler/Bernhard Pfister/Thomas Summerer, Praxishandbuch
Sportrecht, 3. Aufl., 2014, 6. Teil, Rn. 157 ff.
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Schiedsvereinbarung) zu trennen. Angesichts statutarischer Schiedsvereinbarungen im
Reglement44 gehen beide – zusammenhängenden – Ziele oft Hand in Hand, so dass
man sich zumeist den Regelwerken, der Verbandsgerichtsbarkeit und den echten
Schiedsgerichten unterwirft45.
Es scheint, als hätte der OGH nicht alle vorhandenen Schiedsvereinbarungen geprüft,
was aber auch am Vorbringen oder den vorgelegten Beweismitteln der beklagten
Parteien gelegen haben könnte.
4.5 Zur Abgrenzung von Anti-Doping-Rechtssachen
Dopingrechtsstreitigkeiten sind als besondere Rechtsmaterie normiert. Das wirkt sich
auch auf die in der Abfolge jeweils zuständigen Spruchkörper und die Verfahrenstypen
aus. Das ADBG sieht etwa nur gewisse Rechtsfragen zur Behandlung durch die
Rechtskommission (nunmehr ÖADR) und die USK vor. Die anderen Sachmaterien
verbleiben gänzlich beim Bundessportfachverband, sofern nicht das Reglement des
betreffenden internationalen Verbandes andere Spruchkörper normiert.
Was ist in welchem Kontext unter einer Dopingangelegenheit bzw. Anti-DopingRechtssache zu verstehen? Der Kernbereich einer Anti-Doping-Streitigkeit ist klar.
Fällt aber auch der Schadenersatzanspruch für eine Fehlentscheidung der
Rechtskommission (nunmehr ÖADR) oder der USK darunter? Laut ADBG entscheiden
beide Einrichtungen funktionell für den Bundessportfachverband. Ist innerhalb der
denkbaren Fehlentscheidungen weiter zu differenzieren? Das könnte m. E. notwendig
werden.
Noch mehr gilt es allerdings zu differenzieren zwischen «Einsprüche in
Dopingangelegenheiten dem TAS (Tribunal Arbitral du Sport – Sportschiedsgericht)
vorzulegen» in der konkreten Schiedsklausel und dem Ausdruck in § 4 a Abs. 1 ADBG
n. F.46:
CaS 2015, 311, 316
«Sie hat Disziplinarverfahren für den jeweils zuständigen Bundes-Sportfachverband
gemäss den geltenden Anti-Doping-Regelungen des zuständigen internationalen
Sportfachverbandes durchzuführen (Anti-Doping-Verfahren).»
Die von der Schiedsklausel zugunsten des CAS umfassten Sachverhalte sind schon
vom Wortlaut deutlich weiter gefasst als diejenigen, die von der Kompetenz der
Rechtskommission/ÖADR und der USK erfasst sind, die ausdrücklich nur die
Durchführung von Disziplinarverfahren umfasst. Somit sind der CAS und allfällige
Vorinstanzen in der UCI-Fachverbandspyramide zu einer Entscheidung über die
Schadenersatzansprüche nach einer möglicherweise unvertretbar ausgesprochenen
Suspendierung befugt, die Schlichtungsstellen (ÖADR und USK) laut ADBG hingegen
nicht.
4.6 Exkurs: Neues UCI Anti-Doping-Tribunal
Die UCI hat per 1. Januar 2015 nicht nur die neuen UCI Anti-Doping Rules 2015 in
Kraft gesetzt und damit die Änderungen gemäss WADC 2015 – so ist jedenfalls zu
erwarten – umgesetzt, sondern auch in Art. 8 ein dem CAS vorgeschaltetes UCI AntiDoping-Tribunal geschaffen. Überwiegend soll sich das Tribunal47 mit Fahrern bzw.
Athleten auf internationalem Level beschäftigen. Es entscheidet ein Einzelrichter per
44
Siehe dazu: Jens Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Tübingen 2003, 541 ff.
45
Umfassend daher auch Margareta Baddeley, Unterwerfungserklärungen von Athleten – ein
Anwendungsfall allgemeiner Geschäftsbedingungen, ZBJV 2008, 357 ff.
46
Dies war zuvor inhaltsgleich in § 15 Abs. 1 ADBG geregelt: «…anzuwendenden Anti-DopingRegelungen unverzüglich gegen die Verdächtigen oder gegen die Mannschaft, der der betroffene
Sportler angehört, das Disziplinarverfahren einzuleiten und die nach den Regelungen des
zuständigen internationalen Sportverbandes vorgesehenen Sicherungsmassnahmen (z. B.
Suspendierung) und Disziplinarmassnahmen zu verhängen. …»
47
Das Tribunal umfasst derzeit vier Schiedsrichter als dessen Mitglieder.
Ausdruckseite 9 von 15
«Judgment». Nur wenn alle Parteien zustimmen, kann dieser Verfahrensschritt
abgekürzt bzw. übersprungen und sogleich der CAS angerufen werden. Der WADA ist
es weiterhin möglich, sogleich direkt an den CAS zu gelangen. Dieses neue Tribunal
beim Weltsportfachverband ist auf globaler Ebene angesiedelt. Das Berufungsverfahren
vor dem CAS wird durch das Tribunal (als echtes Schiedsgericht) allerdings
keineswegs ausgeschaltet. Es sind primär die Athleten auf internationalem Level, für
die das UCI Anti-Doping-Tribunal in Frage kommt.
4.7 Einstufung des Athleten und der Veranstaltung
Handelt es sich beim Radsportprofessional um einen Athleten auf internationalem
Level im Sinne der einschlägigen UCI-Normen? Die UCI hat diesbezüglich klare
Kriterien festzulegen, die mit dem International Standard für Testing and Investigation
der WADA vereinbar sein müssen. Grundsätzlich sind das jene Sportler, die im UCI
RTP, also dem internationalen Testpool, gelistet sind. Auf diese Einordnung stellt der
die Grundlage bildende WADC 2015 ab – etwa wenn es laut Art. 13.2.1 oder 13.2.3
WADC um den zwingend vorgesehenen Rechtszug zum CAS geht. Ähnliches gilt für
internationale Wettkampfveranstaltungen («International Events»), zu welchen die
«Internationale Österreich-Rundfahrt – International Tour of Austria» gehörte48.
Völkerrechtlich und sportrechtlich wäre damit die ordentliche Gerichtsbarkeit – sofern
eine Schiedsvereinbarung auffindbar ist – für den Radsportprofessional ausgeschlossen.
Der OGH hat sich mit dieser spezifischen (Vor-)Frage nicht auseinandergesetzt, ging er
doch offensichtlich von einem Binnensachverhalt aus, ohne internationale Aspekte,
völkerrechtliche Verpflichtungen oder den WADC – etwa für die Auslegung einer der
(statutarischen) Schiedsvereinbarungen – in Erwägung zu ziehen. Ansonsten wäre –
eine Schiedsvereinbarung vorausgesetzt – ausschliesslich der CAS zuständig und ein
zivilgerichtlicher Verfahrensgang ausgeschlossen gewesen.
5. Österreichische ZPO oder schweizerisches IPRG als
anzuwendendes Recht?
Aus den vorstehend dargestellten internationalen und sportrechtlichen Aspekten, den
Reglementen, auf die Bezug genommen wird, und nicht zuletzt aus der
Schiedsvereinbarung selbst ergibt sich, dass die Frage des Vorliegens einer CASZuständigkeit – gerade «für Dopingangelegenheiten» – in casu vertiefter analysiert
werden sollte. Dabei ist das durch das Gericht auf die Schiedsvereinbarung
anzuwendende Recht zu berücksichtigen. Eine Schiedsvereinbarung ist grundsätzlich
autonom vom sonstigen Vertragstext und für sich zu beurteilen (SeparabilityDoktrin49). Dies bedeutet, dass auf sie auch ein anderes Recht anwendbar sein kann.
Bei umstrittener Gültigkeit von Schiedsvereinbarungen ist mangels eindeutigem Forum
auch zu prüfen, welches Kollisionsrecht diese Frage beantworten soll. Das
vereinheitlichte Kollisionsrecht der Rom I-VO kommt gem. Art. 1 Abs. 2 lit. e nicht
zur Anwendung.
CaS 2015, 311, 317
Sehr viele Passagen der Schiedsvereinbarung, aber auch des WADC als «Mutter aller
Anti-Doping-Vorschriften», deuten auf eine mögliche Zuständigkeit des CAS als
Berufungsinstanz hin. Dort soll nämlich die Letztentscheidungskompetenz in
Dopingrechtsstreitigkeiten konzentriert werden. Der CAS hat seinen Sitz in Lausanne
(Schweiz). Während der österreichische Gesetzgeber und die Fachverbände
Anstrengungen auf sich nehmen und versuchen, WADC-«compliant» zu sein, spricht
48
Aus der Nichtteilnahmemöglichkeit an diesem Wettkampf wird die Schadenersatzforderung für
entgangene Sponsorengelder abgeleitet.
49
Dazu differenzierend: Christian Koller, Die Schiedsvereinbarung, in: Christoph Liebscher/Paul
Oberhammer/Walter H. Rechberger (Hrsg.), Schiedsverfahrensrecht I, Wien 2012, Rz. 3/183
– 3/192.
Ausdruckseite 10 von 15
der OGH der zum CAS als letzte Instanz weisenden Schiedsvereinbarung die
Bestimmtheit und damit die Gültigkeit ab.
Dabei sollte, um die weltweit einheitliche Auslegung der Anti-Doping-Regeln und des
WADC zu gewährleisten, alleine der CAS die Kompetenz-Kompetenz50 haben, in
Anwendung von Art. 178 IPRG über die Bestimmtheit und Gültigkeit von auf ihn
verweisenden Schiedsvereinbarungen zu entscheiden (R55 CAS-Code; Art. 186 IPRG).
Ansonsten könnten nationale Sichtweisen – etwa zu Zuständigkeitsfragen – die globale
Harmonisierung des Anti-Doping-Kampfes torpedieren. Die Kompetenz-Kompetenz
des CAS gilt auch dann, wenn bereits ein Verfahren über denselben Streitgegenstand
vor einem staatlichen Gericht oder einem anderen Schiedsgericht hängig ist51.
Wenn der OGH die Schiedsvereinbarung sogleich unter Anwendung des § 581 ZPO
und der dazu ergangenen Rechtsprechung und Kommentarliteratur überprüft, dann
übersieht er, dass gem. § 577 Abs. 1 und 2 ZPO ein Sitz des Schiedsgerichts in
Österreich vorausgesetzt wird, um § 581 ZPO überhaupt anwenden zu dürfen. Als
Prüfprämisse (für Dopingangelegenheiten) relevant ist hier der CAS. Für die meisten
der §§ 577 ff. ZPO fehlt somit der territoriale Anwendungsbereich. Das österreichische
Schiedsrecht enthält keine allgemeine Regelung über die kollisionsrechtliche
Beurteilung von Schiedsvereinbarungen52.
Eine – in der Praxis höchst seltene – ausdrückliche Rechtswahl hinsichtlich der
Schiedsvereinbarung (zum CAS) wird in der klagegegenständlichen Schiedsklausel
nicht erwähnt; eine konkludente Rechtswahl (etwa in Anlehnung an den Hauptvertrag)
der vom Hauptvertrag strikt zu separierenden Schiedsvereinbarung ist höchst
umstritten. Im Zweifel ist mit Jens Adolphsen53 und Hubertus Schumacher54 objektiv
auf den Schiedsort abzustellen. Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung müsste
jedenfalls, statt auf die §§ 577 ff. ZPO abzustellen und übereinstimmend mit Art. V
Abs. 1 lit. a New Yorker Übereinkommen55 (NYÜ), nach schweizerischem Recht als
der lex causae geprüft werden.56 Dafür spricht – in Anwendung des Art. II Abs. 3
NYÜ57 –, dass der Sitz des CAS zwingend in der Schweiz liegt, der CASSchiedsspruch in der Schweiz gefällt werden sollte sowie der Grundsatz des favor
validatis58. Eine derartige «phasenverschobene Anwendung» und «Vorwirkung»59 des
50
Antonio Rigozzi/Erika Haselr, in: Manuel Arroyo (Hrsg.), Arbitration in Switzerland – The
Practitioners’s Guide, 2013, 992.
51
So wohl auch Hubertus Schumacher, Lis Pendens und Schiedsverfahren, in: Alfons
Grünwald/Gerhard Schummer/Johannes Zollner (Hrsg.), Unternehmensrecht in Wissenschaft und
Praxis, Festschrift für Waldemar Jud, Wien 2012, 654.
52
Gerold Zeiler, Schiedsverfahren, 2. Aufl., Wien 2014, § 581 ZPO, Rz. 124; Karl Wörle, Die
internationale Effektivität von Schiedsvereinbarungen, Wien 2014, 26 f.
53
Vgl. Jens Adolphsen, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., 2013, Art. II UNÜ, Rz. 29.
54
Hubertus Schumacher, Unbestimmte Schiedsvereinbarungen und Dissens: Anknüpfungsfragen
bei internationalen Sachverhalten in der Judikatur des OGH, SchiedsVZ 2005, 54 (m. w. N.). Er
stimmt der im Schrifttum vertretenen Auffassung zu, die eine Anknüpfung an das materielle
Recht des Hauptvertrages ablehnt.
55
Vgl. Hubertus Schumacher, Unbestimmte Schiedsvereinbarungen und Dissens:
Anknüpfungsfragen bei internationalen Sachverhalten in der Judikatur des OGH, SchiedsVZ
2005, 54, der auf die Bedeutung der OGH-E 6 Ob 151/03d auch für einen Zuständigkeitsstreit
hinweist.
56
Walter Rechberger, Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, in: Christoph Liebscher/Paul
Oberhammer/Walter H. Rechberger (Hrsg.), Schiedsverfahrensrecht I, Wien 2012, Rz. 6/29;
Walter Rechberger/Werner Melis, § 581 ZPO, Rz. 6; RIS-Justiz RS0045375.
57
Vgl. Jens Adolphsen, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., 2013, Art. II UNÜ, Rz.7 ff.,
25 ff.
58
Despina Mavromati/Matthieu Reeb, The Code of the Court of Arbitration for Sport, 2015, 30;
Dietmar Czernich, New Yorker Schiedsübereinkommen, Wien 2008, Art II NYÜ, Rz. 46 – er
spricht von einer objektiven Anknüpfung an den festgelegten Schiedsort im Status des
Einredeverfahrens; Gerold Zeiler, Schiedsverfahren, 2. Aufl., Wien 2014, § 581 ZPO, Rz. 126.
59
Hubertus Schumacher, Unbestimmte Schiedsvereinbarungen und Dissens: Anknüpfungsfragen
bei internationalen Sachverhalten in der Judikatur des OGH, SchiedsVZ 2005, 55.
Ausdruckseite 11 von 15
Art. V Abs. 1 lit. a NYÜ entspricht der Lehre60 und Rechtsprechung61 und verhindert,
dass das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht in verschiedenen
Verfahrensstadien (z. B. vor und nach dem Schiedsspruch) unterschiedlich angeknüpft
wird. Vieles spricht dafür, Art. V Abs. 1 lit. a NYÜ als vereinheitlichtes, auch in der
Einredesituation anzuwenCaS 2015, 311, 318
dendes, Kollisionsrecht zu sehen und damit das Schiedsvereinbarungsstatut zu
bestimmen. Art. II Abs. 3 NYÜ (i. V. m. Art. V Abs. 1 lit. a NYÜ) hat nach Jens
Adolphsen62 schon dann beachtet zu werden, «wenn die Schiedsvereinbarung der
Parteien aus Sicht des angerufenen Gerichts zu einem ausländischen Schiedsspruch i.
S. d. Art. I führen könnte, wobei, wenn der Schiedsort noch nicht feststeht, allein die
Möglichkeit ausreicht». Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII NYÜ
gehen schiedsfreundlichere bzw. liberalere internationale63 oder nationale Regelungen
vor.
Statt § 581 ZPO hätte folglich schweizerisches Recht – und zwar gemäss der
jeweiligen Auslegung in seinem ursprünglichen Geltungsbereich (§ 3 österrIPRG) –
auf die Frage der materiell-rechtlichen Gültigkeit der Schiedsvereinbarung angewendet
werden müssen, bevor die Gültigkeit bzw. Bestimmtheit einer Schiedsvereinbarung, bei
der viel auf den CAS als «Letztinstanz» hindeutet, verneint wird. Schweizerisches
Recht hat ebenso für die Beurteilung teilweiser Unbestimmtheit oder teilweiser
Ungültigkeit zu gelten64. Die österreichischen Mindestanforderungen laut § 581 Abs. 1
ZPO, auf die der OGH in seiner Entscheidung abstellt, sind folglich auf die vorliegend
relevante Schiedsvereinbarung gar nicht anzuwenden.
Die österreichische Sicht der Schiedsvereinbarung als «reinem Prozessvertrag»,
welcher höchstens analog nach den §§ 6, 7, 914, 915 ABGB ausgelegt werden sollte,
ist somit ebenfalls – nicht zuletzt was ihre Relevanz betrifft – in Frage zu stellen65.
Rein nationale, österreichische Massstäbe sind also fehl am Platz. Begründungslos
österreichisches Recht auf die materiell-rechtliche Gültigkeit der Schiedsvereinbarung
anzuwenden, war nicht richtig, zumal eine richtige Anwendung schweizerischen
Rechts keine Unbestimmtheit der Schiedsvereinbarung ergeben und die
österreichischen Gerichte an den CAS zu «verweisen»66 gehabt hätten. Nach Hubertus
Schumacher67 fehlt es der Entscheidung österreichischer Gerichte folglich an der
internationalen Zuständigkeit und bewirkt Art. II Abs. 3 NYÜ einen favor arbitri im
Streit zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht.
Die Formgültigkeit stellt
Schiedsvereinbarung dar.
hingegen
kein
potentielles
Problem
für
die
60
Gerold Zeiler, Schiedsverfahren, 2. Aufl., Wien 2014, § 581 ZPO, Rz. 125; Christian Koller, Die
Schiedsvereinbarung, in: Christoph Liebscher/Paul Oberhammer/Walter H. Rechberger (Hrsg.),
Schiedsverfahrensrecht I, Wien 2012, Rz. 3/60 (m. w. N.).
61
RIS-Justiz RS0045375 «Von der persönlichen Fähigkeit der Parteien abgesehen bestimmt sich
mangels abweichender Vereinbarung die Wirksamkeit eines Schiedsvertrages nach dem Recht
des Landes, in dem der Schiedsspruch zu fällen ist. …»; RS0045112; OGH 17. November 1971,
8 Ob 233/71; OGH 22. September 1994, 2 Ob 566/94; OGH 19. Februar 2004, 6 Ob 151/03d =
SchiedsVZ 2005, 52 (Hubertus Schumacher).
62
Jens Adolphsen, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., 2013, Art. II UNÜ, Rz. 6.
63
Z. B. Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom
21. April 1961.
64
Hubertus Schumacher, Unbestimmte Schiedsvereinbarungen und Dissens: Anknüpfungsfragen
bei internationalen Sachverhalten in der Judikatur des OGH, SchiedsVZ 2005, 56.
65
Walter Rechberger/Werner Melis, in: Walter Rechberger (Hrsg.), ZPO, 4. Aufl., Wien 2014, §
581 ZPO, Rz. 5.
66
Wortwahl nach Hubertus Schumacher, Lis Pendens und Schiedsverfahren, in: Alfons
Grünwald/Gerhard Schummer/Johannes Zollner (Hrsg.), Unternehmensrecht in Wissenschaft und
Praxis, Festschrift für Waldemar Jud, Wien 2012, 653; ebenso: Jens Adolphsen, in: Münchener
Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., 2013, Art. II UNÜ, Rz. 2.
67
Hubertus Schumacher, Lis Pendens und Schiedsverfahren, in: Alfons Grünwald/Gerhard
Schummer/Johannes Zollner (Hrsg.), Unternehmensrecht in Wissenschaft und Praxis, Festschrift
für Waldemar Jud, Wien 2012, 653 (m. w. N.).
Ausdruckseite 12 von 15
6. Objektiv erkennbarer Parteiwille und
Bestimmbarkeit
Es mag durchaus sein, dass die umfassende Schiedsvereinbarung unter einer nicht
idealen Textierung leidet (vgl. «trage Einsprüche und Streitfälle … vor»; «Mit dieser
Einschränkung … die Gerichte»68). Brauchbare Schiedsvereinbarungen, wo auch
immer sie enthalten sind, bringen Rechtssicherheit in einer sehr grundlegenden Frage
mit sich. Pathologische Schiedsvereinbarungen sind allerdings keineswegs selten69.
Kaum einmal kommt es jedoch vor, dass sie wegen mangelnder Bestimmtheit schlicht
für nichtig erklärt werden. Eine gewisse Unbestimmtheit, Inkonsistenz etc. schadet
nämlich nicht70, Zweifel gehen jedoch zu Lasten des die Klausel verwendenden
Sportverbandes71. Es kommt allerdings nicht auf die Bestimmtheit an, sondern es
reicht die Bestimmbarkeit des Parteiwillens.
Das der Schiedsklausel unterstellte Rechtsverhältnis wird durch die
Geschäftsverbindung – den Lizenzvertrag und die Leistungssportausübung laut den
Sportregeln der UCI etc. – definiert und ist damit ausreichend bestimmt.
Sollte § 869 ABGB aus kollisionsrechtlicher Sicht (und der Sicht als Prozessvertrag)
auf die Schiedsvereinbarung überhaupt anwendbar sein, so ist auch nach dieser Norm
von Bestimmtheit, wenigstens aber Bestimmbarkeit, auszugehen. Unter
Berücksichtigung des Sonderwissens eines redlichen Empfängers und des sportlichkontextuellen ZuCaS 2015, 311, 319
sammenhangs lässt sich ein sinnvoller und klarer Rechtsfolgewillen erkennen. Etwaige
Mehrdeutigkeiten können durch Auslegung behoben werden.
Aus den (den OGH bindenden) Feststellungen der Unterinstanzen ergibt sich der
objektiv erklärte Parteiwille, ordentliche Gerichte nicht zu befassen und das System der
Sportschiedsgerichte (an Hand detaillierterer Regelungen in den Sportregelwerken der
Fachverbandspyramide) zu bevorzugen. Nur für Fälle, in denen Schiedsgerichte qua
gesetzlicher Anordnung72 nicht zuständig sein können, wurde eine
Gerichtsstandsklausel vorgesehen. Sobald ein echtes Schiedsgericht entscheidet, kann
der Sportler einen Exekutionstitel erhalten, was gerade in der hier zu besprechenden
Sachverhaltskonstellation für den Radsportprofessional interessant gewesen wäre, um
möglicherweise zugesprochenes Geld auch eintreiben zu können. Gerade pathologische
Schiedsklauseln73, bei denen eine einfache Interpretation der Worte versagen muss,
sind
auf
ihren
Erklärungsinhalt
hin
auszulegen.
Selbst
fakultative
Schiedsvereinbarungen74, Bedingungen und Befristungen sind regelmässig
68
Darin kann durchaus eine Auffangfunktion gesehen werden, sollte kein zunächst anzurufendes
Vereinsschiedsgericht in der Qualität eines (in letzter Instanz dann) echten Schiedsgerichts
zuständig gemacht werden können.
69
Vgl. Steffen Bressler/Mike Korte/Nicoletta Kröger/Felix Rollin/Eckard v. Bodenhausen,
Pathologische Schiedsklauseln, IHR 2008, 89 ff.
70
Despina Mavromati/Matthieu Reeb, The Code of the Court of Arbitration for Sport, 2015, R27,
Rn. 39.
71
Vgl Peter W. Heermann, Typische Fallstricke bei Verhängung von Sanktionen durch
Sportverbände, FS Spellenberg, 2010, 15, 22 ff.; CAS 2008/A/1557, 27. Juli 2009 – WADA v.
CONI, FIGG, Daniele Mannini & Davide Posanzini (den Verschuldensvorwurf der Athleten
betreffend, wobei Peter W. Heermann, a. a. O., 24, von einer Kenntnisverschaffungsobliegenheit
ausgeht).
72
Man denke an allenfalls anzuwendende, zwingende Regelungen des Verbraucher- und
Arbeitnehmerschutzes.
73
Christian Koller, Die Schiedsvereinbarung, in: Christoph Liebscher/Paul Oberhammer/Walter H.
Rechberger (Hrsg.), Schiedsverfahrensrecht I, Wien 2012, Rz. 3/245 – 3/257.
74
Vgl. Paul Oberhammer, Fakultative Schiedsklauseln, RdW 2000, 134 ff. Im Zusammenhang mit
dem WADC ist jedoch m. E. nicht von einem Wahlrecht auszugehen.
Ausdruckseite 13 von 15
ausreichend bestimmt oder bestimmbar und somit zulässig, auch wenn sie die
Schiedsvereinbarung komplizierter machen.
Kein Wort verliert der OGH zur Systematik des Lizenzantrags. Das ist verwunderlich,
deutet doch vieles darauf hin, dass die zwei erkennbar unterschiedlichen und per «…»
getrennten Passagen der Schiedsvereinbarung nicht unmittelbar beieinanderstehen. So
kann nicht beurteilt werden, ob daraus etwas interpretativ hätte abgeleitet werden
müssen. Der erste Teil hat das internationalere Umfeld im Auge, der zweite
beabsichtigt, sich – sofern anhand der UCI und UEC-Vorgaben möglich – in nationalen
Angelegenheiten der echten Schiedsgerichtsbarkeit gem. §§ 577 ZPO zu unterwerfen.
Neben der laut OGH zweifellos formgültigen, individuell abgeschlossenen
Schiedsvereinbarung, die allerdings unbestimmt sei, wären auch die (selbst gem. § 581
Abs. 2 ZPO) erlaubten, gesonderten, anderswo abgedruckten, statutarischen
Schiedsanordnungen in den Sportregeln der Radsportfachverbände (insbesondere der
UCI) zu analysieren gewesen. Der OGH geht in seinem Punkt 2.7 richtigerweise von
einer ausdrücklichen Regelanerkennung im Lizenzantrag des Radsportprofessionals
aus. Sie umfasst selbstverständlich schon laut ADBG viel mehr als nur das ADBG per
se und klarerweise auch die Regeln der UCI. In Punkt 2.7 erwägt der OGH gar nicht,
dass die Anti-Doping-Regelungen des ADBG 2007 anzuerkennen, zu unbestimmt sein
könnten. Es stellt sich die Frage, ob hier mit zweierlei Mass gemessen wird. Nochmals
festzuhalten gilt es, dass insbesondere im Sport auch mehrere Schiedsinstanzen und
damit «Oberschiedsgerichte» wie der CAS möglich sind.75 Genauso sind mehrere
gleichzeitig gültige Schiedsvereinbarungen gebräuchlich, seien diese statutarischen
oder einzelvertraglichen Ursprungs.
Ein allenfalls zu schützender Verbraucher oder Arbeitnehmer ist in casu nicht
erkennbar. Ebenfalls in der Schiedsvereinbarung vorgesehen ist die ersatzweise im
konkret strittigen Anlassfall (ad hoc) durchzuführende vertragliche Unterwerfung des
Radsportprofessionals per formgültiger, einfacher abzufassender und damit klarer
Schiedsvereinbarung vorzusehen. Unbeantwortet lässt der OGH auch die Frage,
weshalb er in seiner Lösung die gesamte Schiedsvereinbarung wegfallen lässt.
Für Dopingangelegenheiten wurde eindeutig die Zuständigkeit des CAS vereinbart, so
dass restliche Teile der Schiedsvereinbarung dann ausgeblendet werden können, wenn
entsprechend klar ist, dass es sich bei der zu beurteilenden Rechtssache um eine
Dopingangelegenheit handelt.
Dass die konkrete Fallgestaltung – Schadenersatzanspruch infolge (angeblich)
unvertretbarer Suspendierung durch die NADA-Rechtskommission – nicht in der
Schiedsvereinbarung vorhergesehen und detailliert geregelt wurde, ist weder den
Schiedsklauselverfassern vorzuwerfen, noch darf dieser Umstand zur Unwirksamkeit
der gesamten Schiedsvereinbarung führen76. Es ist nach aller Möglichkeit von einer
Restgültigkeit der Schiedsklausel im Sinn des Prinzips favor negotii auszugehen.
Es ist nämlich keineswegs leicht, alle Eventualitäten – einschliesslich der
notwendigerweise zu vereinheitlichenden Dopingverfahren – vorherzusehen und
entsprechend kautelarjuristisch in den Griff zu bekommen.
CaS 2015, 311, 320
75
Vgl. OGH 16. April 2013, 3 Ob 39/13a; Christian Koller, Die Schiedsvereinbarung, in: Christoph
Liebscher/Paul Oberhammer/Walter H. Rechberger (Hrsg.), Schiedsverfahrensrecht I, Wien
2012, Rz. 3/149; Walter Rechberger/Werner Melis, in: Walter Rechberger (Hrsg.), ZPO, 4. Aufl.,
Wien 2014 § 581 ZPO, Rz. 8, sprechen von einer Anfechtungsmöglichkeit des Schiedsspruchs
bei einer zweiten Schiedsinstanz.
76
Vgl. Hubertus Schumacher, Unbestimmte Schiedsvereinbarungen und Dissens:
Anknüpfungsfragen bei internationalen Sachverhalten in der Judikatur des OGH, SchiedsVZ
2005, 55. Das NYÜ stellt nur «minimale Anforderungen an den Inhalt einer
Schiedsvereinbarung». Vgl. Jens Adolphsen, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., 2013,
Art. II UNÜ, Rz. 7.
Ausdruckseite 14 von 15
7. Weitere Aspekte
7.1 Zum «Schiedszwang» im Sport
Der mittlerweile vor dem BGH und dem EGMR77 angelangte Kampf von Claudia
Pechstein um Rehabilitierung bzw. mehrere Millionen EUR Schadenersatz wird immer
wieder von Angriffen auf den (sanften) Zwang zur Sportschiedsgerichtsbarkeit als
«grundrechtswidrigen Schiedszwang»78 begleitet, die auch vom Radsportprofessional
vor dem OGH argumentativ genutzt wurden: Der Schiedszwang führe zur
Sittenwidrigkeit der Schiedsvereinbarung. Dieser Frage ist das österreichische
Höchstgericht mit seiner Falllösung freilich ausgewichen.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der hoch aktuelle Entwurf der
Bundesregierung für ein AntiDopG (18/4898), dessen § 11 mit
«Schiedsgerichtsbarkeit» überschrieben ist. Er enthält eine Klarstellung der
Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen zwischen den Verbänden und den
Sportlerinnen und Sportlern. Speziell erwähnt wird dabei das Ziel, die Umsetzung des
WADC zu gewährleisten.
Die Schiedsgerichtsbarkeit ist ein Streitbeilegungsmechanismus, der für den globalen
Sport fruchtbar gemacht werden muss. Darüber herrscht weitestgehend Einigkeit79.
Schiedsgerichte können am ehesten die Chancengleichheit der Sportlerinnen und
Sportler bei der Teilnahme am organisierten Sport auf nationaler und internationaler
Ebene durchsetzen. Sie verhindern v. a. durch einheitliche Zuständigkeiten,
Verfahrensgestaltung, Auslegung und veröffentlichter Rechtsprechungspraxis (des
CAS)80, dass in gleich gelagerten Fällen divergierende Entscheidungen getroffen
werden.
Eine
einheitliche
globale
Letztinstanz
benötigt
zwingend
Schiedsvereinbarungen und einen einheitlichen Sitz des Schiedsgerichts. Nur so ist ein
weltweiter Entscheidungsgleichklang erreichbar.
7.2 Konsequenzen der «Wiederaufnahme» beendeter
Dopingverfahren via Schadenersatzklagen
Auch im klagegegenständlichen Verfahren wird es nach rechtskräftiger Entscheidung
über die Zuständigkeit bzw. Zulässigkeit des Rechtswegs um Schadenersatzansprüche
wegen Anti-Doping-Massnahmen gehen. Während hier die Unabhängige
Schiedskommission die Entscheidung der Rechtskommission zugunsten des
Radsportprofessionals «mangels Rechtsgrundlage ersatzlos» aufgehoben hat und
lediglich Schlichtungsstellen i. S. d. § 8 VerG entschieden haben, ist die Situation im
«Fall Pechstein» eine andere: Bis zu den Höchstgerichten und dem CAS, dessen
Schiedsspruch rechtskräftig geworden ist, ausgereizte Anti-Doping-Verfahren, auf die
man sich anfänglich hoffnungsfroh eingelassen hat, sollten schon aus Gründen der
Rechtssicherheit
grundsätzlich
nicht
per
Schadenersatzklage
indirekt
wiederaufgenommen werden können. Wird in Sonderfällen verständlicherweise
Einzelfallgerechtigkeit angestrebt, sollte ein Sportschiedsgericht wie der CAS nicht im
Zuge von rechtlichen Verfahren begleitenden Medienkampagnen undifferenziert für
eine Schiedsordnung kritisiert werden, die 2009 bestand und aus der allenfalls eine
77
Siehe zu Hinweisen auf das EGMR-Verfahren im Fall «Pechstein» Remus Muresan/Niklas Korff,
Sportschiedsgerichtsbarkeit: Wie weiter nach dem «Pechstein-Urteil» des Landgerichts
München? CaS 2014, 211 (Fn. 121).
78
Siehe aber zur Zulässigkeit des Schiedszwangs (insb. in Bezug auf Art. 6 EMRK) Urs
Scherrer/Remus
Muresan/Kai
Ludwig,
«Pechstein»
ist
kein
«Bosman
der
Sportschiedsgerichtsbarkeit», SchiedsVZ 2015, 163 f.; Remus Muresan/Niklas Korff,
Sportschiedsgerichtsbarkeit: Wie weiter nach dem «Pechstein-Urteil» des Landgerichts
München? CaS 2014, 208 ff.
79
Vgl. Urs Scherrer/Remus Muresan/Kai Ludwig, «Pechstein» ist kein «Bosman der
Sportschiedsgerichtsbarkeit», SchiedsVZ 2015, 162.
80
Die Praxis des CAS wurde bereits 2004 von Frank Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Berlin
2005, 421, als «echte Rechtsprechung» in Dopingangelegenheiten bezeichnet.
Ausdruckseite 15 von 15
abstrakte, jedoch keine konkrete Gefährdung hervorging. Die Schiedsordnung ist
seither reformiert und der – als besonders problematisch qualifizierte – Verteilschlüssel
bei der Zusammensetzung der Schiedsrichterliste eliminiert worden. Materiellrechtliche Besonderheiten des von den internationalen Verbänden oder Nationalen
Antidopingorganisationen implementierten WADC, wie etwa die «strict liability», hat
der CAS als Fremdregelwerk anzuwenden, und so sollte er dafür ebensowenig getadelt
werden wie die (ordentlichen) Gerichte für Unterlassungen des Gesetzgebers.
8. Zusammenfassung und Ausblick
Wenn die Schiedsvereinbarung auch dahingehend auslegungsbedürftig sein mag,
welche Rechtsstreitigkeiten von welchem Schiedsgericht erfasst sind, so geht aus ihr
doch klar der Wille hervor, in «Dopingangelegenheiten» die ordentliche
Gerichtsbarkeit auszuschliessen. Deshalb wäre es in der «präarbitralen Phase»81
durchaus systemkonform zu begründen gewesen, dass eine gültige
Schiedsvereinbarung zugunsten von ÖRV, UCI oder CAS
CaS 2015, 311, 321
besteht und infolge der Schiedseinrede gem. § 584 ZPO auf Unzulässigkeit des
ordentlichen Rechtswegs zu entscheiden und die Klage zurückzuweisen gewesen wäre.
Vorgängig wurde aufgezeigt, dass sich der OGH zu wenig mit der Schiedsvereinbarung
und deren internationalem Kontext samt Kollisionsrecht auseinandergesetzt hat82.
Werden internationale und sportrechtliche Fakten (über ADBG-Anerkennung und
durch die internationalen Verbände implementierter WADC, samt enthaltenen
Streitbeilegungsverfahren) ausgeblendet und komplexe Schiedsvereinbarungen im
Sport wie jene betreffend nationale ad hoc-Handelsschiedsverfahren beurteilt, wird es
kaum möglich sein, zu einer sachgerechten und international bzw. im Lichte der
einschlägigen völkerrechtlichen Grundlagen vertretbaren Lösung zu gelangen.
Dabei spricht einiges für die Wirksamkeit bzw. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung. Da
der CAS – in Zusammenschau mit der statutarischen Schiedsvereinbarung der UCI –
ganz offensichtlich mehrfach erwähnt wird, und es konkret um eine
«Dopingangelegenheit» geht, hätte die Schiedsvereinbarung nach schweizerischem
Recht statt nach österreichischer ZPO beurteilt werden müssen.
Neben diesem grundlegend problematischen, ersten Teil des vorliegend relevanten
OGH-Beschlusses ist auch dessen zweiter Teil kritisch zu hinterfragen83. Die
Argumentation des OGH, weshalb trotz § 8 VerG keine (temporäre) Unzulässigkeit des
Rechtswegs vorliegen soll, ist nämlich ebenso wenig haltbar wie die Anwendung des
ADBG gleich einem Bundesgesetz, dessen Wirkung auf die Rechtssache ein
privatautonom in Geltung gesetztes, privates Normenwerk angeblich übersteigen
würde. Das ADBG hat gerade nicht «Gesetzeskraft», sondern wirkt nur qua
Anerkennung durch die Bundessportfachverbände und die Sportlerinnen und Sportler.
Das geeignete Forum für den Rechtstreit des Radsportprofessionals wäre m. E. ein
echtes Schiedsgericht mit sportrechtlich erfahrenen Schiedsrichtern.
81
Ulrich Haas, Die gerichtliche Kontrolle der schiedsgerichtlichen Entscheidungszuständigkeit, in:
Ludwig Bittner/Thomas Klicka/Georg E. Kodek/Paul Oberhammer (Hrsg.), Festschrift für Walter
H. Rechberger zum 60. Geburtstag, Wien 2005, 187.
82
Dies ist weder ein neues Problem noch ein spezifisches Problem österreichischer Gerichte. Vgl.
die Hinweise auf die Fälle von Katrin Krabbe, Harry «Butch Reynolds» sowie die Ausführungen
bei Jens Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, Tübingen 2003, 6 f., der von «erheblichen
Unsicherheiten der Gerichte» spricht.
83
Vgl. diesbezüglich den Hinweis in Fn. 2.