Lesen Sie hier das Special von Claus Schridde aus dem

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Lesen Sie hier das Special von Claus Schridde aus dem
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Trakehner
Special
Ein wahres Familienunternehmen
Foto: Fellner
Die Familie Wahler und ihre Geschichte im Portrait
W
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Wenn Burkhard Wahler heute zurückblickt, dann sind es aus seiner
Sicht vor allem zwei wichtige
Schlüsselereignisse, die seinen Vater zu einem der bekanntesten
deutschen Pferdemänner aufsteigen ließen. „Mein Vater war mit
damals 19 Jahren Zuschauer bei
den Olympischen Reiterspielen
1936 in Berlin, das hat ihn unheimlich fasziniert. Ich weiß nicht
mehr, auf welche Art und Weise er
dort hingekommen ist, aber davon
hat er viel erzählt!“ Später war er
als Soldat bei der reitenden Artillerie in Insterburg stationiert.
Déjà-vu in Insterburg
Foto: Beelitz
enn man die Abstammungsnachweise
von
Trakehner Pferden der
Nachkriegszeit durchschaut, dann
ist die Trakehner Population ohne
das züchterische Wirken der Familie Wahler (Klosterhof Medingen
bei Bad Bevensen/Niedersachsen)
heute gar nicht vorstellbar.
Dabei gehören die Wahlers nicht
zu den ostpreußischen Familien,
die am Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Flucht vor der Roten
Armee mitsamt ihren Pferden ihre
Heimat Ostpreußen verließen,
gleichwohl hat Ostpreußen in seiner Blütezeit den Seniorchef Eugen Wahler in seinem Schaffensdrang stark inspiriert.
Der unvergessene Eugen Wahler
wurde 1917 geboren und stammte
aus einer Bierbrauerei-Familie in
Hannoversch Münden. Von Kindesbeinen an war er mit Pferden vertraut, die Gespannpferde der
Brauerei hatten es ihm angetan.
Ihm wurde auf dem Klosterhof eine Statue gewidmet: Caprimond
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Jahrzehnte später gab es ein innerfamiliäres Déjà-vu--: 1996 und
1997 war Burkhard Wahler mit einer deutschen Mannschaft Teilnehmer beim Turnier in Insterburg, das nach dem Krieg in
Tschernjachowsk
umbenannt
wurde. Er selbst ritt dabei den aus
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Bereits in den 50er-Jahren war Eugen Wahler eine Partnerschaft mit Curt KrebsSchimmelhof eingegangen. Krebs hatte zwar
viele Pferde, aber kein Domizil für dieselben.
Das gewährte ihm Eugen Wahler, und die
Fohlen wurden als Gegenleistung aufgeteilt.
Im Jahr 1958 wurde ein Schimmelhengstfohlen geboren, ein Ausnahmefohlen von
Geburt an, das eigentlich nach dem beidseits
gewählten Verteilerschlüssel Wahlers Fohlen
hätte sein müssen. Aber Curt Krebs kam und
sagte: „Wahler, Sie sind noch ein junger
Mann, lassen Sie mir dieses Fohlen. Vielleicht wird es mein letzter gekörter Hengst!“
Und Burkhard Wahler weiß, dass sein Vater
Curt Krebs gewähren ließ. Eugen Wahler
fügte sich dem Wunsch des Älteren, und
Foto: Fellner
Familienunternehmen: Mutter Wahler mit zwei ihrer Kinder
Die Sache mit Pregel
Fotos: Ernst
familieneigener Zucht stammenden Trakehner Hengst Donaumonarch (v. Sir Shostakovich xx), gewann u. a. ein S-Springen und
war mit der deutschen Mannschaft Zweiter
im Nationenpreis. Besondere Momente: Die
Pferde standen in derselben Kaserne, in der
Eugen Wahler seinerzeit vor dem Krieg seinen Militärdienst versah.
Burkhard Wahler erinnert sich: „Wir sind
während dieser beiden Aufenthalte in Ostpreußen viel gereist, waren in Zwion, Kattenau, Trakehnen, Georgenhorst und weiteren
geschichtsträchtigen Orten der ostpreußischen Pferdezucht. Da habe ich gespürt,
welch große Inspiration meinen Vater seinerzeit überwältigt haben muss, denn er
hatte all diese Gebäude und Institutionen,
wie etwa die Hengstprüfungsanstalt in
Special
Foto: Fellner
Trakehner
Unvergessen: Eugen Wahler absolvierte ursprünglich eine Landwirtschaftslehre
Zwion, noch in voller Blüte gesehen. Das
muss ihn unheimlich fasziniert haben, und
richtig nachempfinden konnte ich diese Faszination, nachdem ich es mir alles selber
einmal angesehen hatte.“
Der junge Eugen Wahler war nach dem
Krieg mit dem Aufbau einer Existenz für die
Familie beschäftigt. In der Nähe von Bad Bevensen absolvierte er eine landwirtschaftliche Lehre. Ihren Lebensunterhalt verdiente
die Familie Wahler mit dem Betrieb der Strickerei in Bad Bevensen, nebenbei betrieb sie
eine kleine Landwirtschaft. 1960 übernahm
Eugen Wahler die Bewirtschaftung des Klosterhofs, dessen Geschichte bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.
Fünf Jahre später wurde die Strickerei verkauft, und die Familie zog ganz auf den
Klosterhof Medingen.
Erfolgreiches Team: Donaumonarch und Burkhard Wahler
Ein Mann der Taten: Chef Burkhard Wahler
diese „Scharte“ wurde auf andere Art und
Weise wieder ausgewetzt. Besagtes Hengstfohlen war übrigens der legendäre Trakehner Vererber Pregel, dessen Name noch
heute mit Hochachtung genannt wird, und
in dessen Papieren Krebs als Züchter und
Aufzüchter geführt wird, obwohl Wahler es
eigentlich hätte sein müssen.
So kamen drei bedeutende Trakehner Stutenfamilien zur Familie Wahler: Die der
Donna 831 (A3A3 HG Trakehnen), die der
Peraea 832 (T4C HG Trakehnen) und Sternblume 860 (O90A Krebs-Schimmelhof).
Die beiden ersten Familien gelangten auf
dem Klosterhof in den folgenden Generationen zu großer Blüte und wurden unter Einsatz eigener Hengste bedeutsam weiterentwickelt. Die Hengsthaltung begann schon in
den 50er-Jahren mit dem original Ostpreu-
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Special
ßen Ernest, dann folgten die Abglanz-Söhne Morgenglanz und Valentin, später dann haben Sokrates
und Caprimond züchterische Epochen des Klosterhofs geprägt.
Bundessieger in Warendorf
Zu den großen Erfolgen zählt etwa
der Familien-Sieg der Donauquelle
(v. Morgenglanz) mit ihren drei
Töchtern Donaumärchen I, Donaumärchen II (beide v. Caprimond) und Donaufürstin (v. Sokrates) anlässlich der Bundesstutenschau 1994 in Warendorf bzw.
der Trakehner Bundesschau 1997
in Neustadt/Dosse, dort in der Besetzung Donaumärchen I und II
mit Donaumonarch. Aus dem
Stamm der Peraea resultiert u.a.
der Halbblüter Praetorius (v.
Brandy xx-Morgenglanz), mit dem,
Burkhard Wahler 1986 Deutscher
Meister der Vielseitigkeitsreiter
Star des Klosterhofs Medingen: Elite-Hengst Caprimond
wurde. Heute ist der Donau-Stamm
die bedeutendste Stutenfamilie des Hofs.
Vermarktungsveranstaltungen zu suchen. Er fand
sie in Darmstadt-Kranichstein, und fortan verDer ostpreußische Traum
brachte er einen guten Teil des Jahres mit der VorEnde der 60er-Jahre hatte Eugen Wahler dann seibereitung und Durchführung der Auktionen in
nen „ostpreußischen Traum“ umgesetzt, und der
Südhessen. Immer mit von der Partie waren die
Klosterhof Medingen wurde Prüfungsanstalt, zubeiden Söhne Eugen-Andreas und Burkhard, ernächst nur für Trakehner Hengste, 20 Jahre späfolgreiche Reiter in Springen und Military bis zur
ter mit der höchsten Beschickung aller PrüfungsKlasse S.
anstalten bundesweit.
Eugen-Andreas verdiente sich parallel zum JuraAuch die vor dem Kriege berühmten Trakehner
studium Sporen als Jockey. Er war zweimal
Auktionen feierten unter der Ägide von Eugen
Champion der Amateurrennreiter und hat sich
Wahler eine glanzvolle Wiederauferstehung. Bis
als Jurist im nahe gelegenen Uelzen niedergelasAnfang der 70er-Jahre als Wanderveranstaltung
sen. 1989 verkaufte er seine Springpferde und
ausgetragen, wurde alsdann Wahler beauftragt,
hängte den Springsport ganz an den Nagel. Er
eine geeignete Anlage zur Durchführung dieser
entdeckte seine alte Leidenschaft und wandte sich
den Rennpferden zu: Er hat eine
Trainerlizenz und ist nun schon
viele Jahre Präsident des Hamburger Rennclubs. Auch seine Töchter
Anna und Maria hatten Erfolge im
Sattel. Maria ist heute Partnerin
des Vaters in der Uelzener Anwaltskanzlei.
Burkhard Wahler hat 1982 den
Klosterhof Medingen übernommen. Seine Frau Ingrid lernte er als
Studentenreiter kennen, richtig
„gefunkt“ hat es jedoch 1979 während der Auktion in DarmstadtKranichstein, wo die Architektin
seinerzeit zum Auktionsteam gehörte. „Schon nach zwei Tagen war
das eigentlich klar mit uns“,
schmunzeln die Wahlers heute
rückblickend. Schon Anfang der
80er-Jahre siedelte die aus BadenWürttemberg (Aulendorf) stammende Ingrid (geb. Meyer) nach
Medingen über. 1984 wurde Hochzeit gefeiert. Die vier Kinder Caspar
(26), Theresa (25), Isabell (20) und Christoph
(18) sind heute schon in die Abläufe des Hofs integriert. Lediglich Caspar hat keine Karriere im
Reitsport angestrebt, die drei jüngeren Geschwister waren jeweils bis zu Europameisterschaften
erfolgreich: Theresa in der Dressur, Isabell und
Christoph in der Vielseitigkeit.
Foto: Beelitz
Trakehner
Abwechslungsreiche Auktionen
Foto: W. Ernst
Die Geschichte der Auktionen war abwechslungsreich: Nach den ersten Erfolgen der Trakehner
Auktionen in Kranichstein gab es Strömungen im
Trakehner Verband, die kolportierten, die Familie
Wahler bereichere sich daran übermäßig. So fanden Trakehner Auktionen ohne Wahler’sche Ägide
künftig zwar weiterhin in Kranichstein statt, gleichzeitig aber
inszenierte das Familienunternehmen Wahler von 1974 bis
1980 auch auf eigene Faust Trakehner Auktionen im heimischen Medingen. Zwei Auktionen
bundesweit jedoch sinnbringend
mit je 50 qualitätsvollen Pferden
zu füllen, gab die Population jedoch auf Dauer nicht her. Und so
trat der Trakehner Verband Anfang der 80er-Jahre wieder an
die Familie Wahler heran, mit
Waren sehr erfolgreich: Trakehner Auktionen in Kranichstein, später inszenierten Wahlers Auktionen im heimischen Medingen
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Special
Foto: Beelitz
Trakehner
Zwar kein Trakehner, jedoch das Aushängeschild des Klosterhofs: De Niro
„Geist des Klosterhofs“ hervorgegangen. Und noch
etwas hat sich geändert: Seit 1995
stehen
nicht
mehr nur ausschließlich Trakehner Hengste im Stall.
Schon immer wurden die
hannoverschen Züchter
quasi „mitbedient“, da
die Trakehner Hengste
Morgenglanz (in den
70er-Jahren Deckerlaubnis B für eigene Hannoveraner Stuten), Sokrates
und Caprimond auch jeweils die hannoversche
Anerkennung genossen.
Ab Mitte der 90er-Jahre
wurde die Hengsthaltung
jedoch ausgeweitet und
vergrößert. Jährlich mehrere Fohlenschauen finden statt, seitdem Hengste
wie De Niro und andere
das Hengstensemble des
Klosterhofs bereichern.
Der hannoversche Rappe
ist heute der bedeutendste lebende Dressur-
vererber Deutschlands, mit Ausstrahlung auf alle
Zuchtgebiete, und stellte allein 2012 zwei Kandidaten im deutschen Olympia-Aufgebot für London.
Dennoch orientiert Burkhard Wahler sich unverändert stark in der Trakehner Zucht. Den „roten
Faden“ bilden und bildeten Hengste wie der
27-jährige Grandseigneur Caprimond, dessen bedeutender Sohn Hohenstein I, Donaumonarch,
Herzzauber, ferner die Körsieger Kennedy und Le
Rouge, der einstige Bundeschampion Latimer, der
doppelte Trakehner Champion Herbstkönig und
in jüngster Zeit auch die außergewöhnlich guten
Springhengste Abendtanz und der selbst gezogene
Come Close. Caprimond wurde schon früh ein lebensgroßes Bronzedenkmal auf dem Klosterhof
gesetzt. Er ist ein prägender Vererber weit über die
Trakehner Population hinaus, ist Elite-Hengst
und Trakehner Hengst des Jahres gewesen, wie
übrigens auch Hohenstein. Beide sind oft in mitreißenden Schaubildern gemeinsam aufgetreten.
Der Klosterhof verkörpert ein familiäres, dabei
schlüssiges und in sich stimmiges Konzept:
Hengststation, Zucht, Ausbildung und Vermarktung. Die Auktionskollektionen setzen sich zum
Großteil aus Nachkommen der hofeigenen
Hengste zusammen, wobei drei Generationen
Klosterhof-Hengste heute durchaus regelmäßig
in den Pedigrees der Auktioniken anzutreffen
sind, und haben inzwischen weltweite Akzeptanz.
Hier sieht man deutlich: Fleiß wird belohnt.
Claus Schridde
der Bitte, die Trakehner Auktionen in Kranichstein wieder zu übernehmen. Bis 1989 blieben die
vom Hause Wahler geführten Trakehner Auktionen in Südhessen, dann entstand die von Ingrid
Wahler entworfene Veranstaltungs- und Auktionshalle in Medingen, womit eine neue Zeitrechnung in der Geschichte des Klosterhofs begann.
Heute gibt es seit 14 Jahren keine Hengstleistungsprüfungen mehr auf dem Klosterhof. Mit
Ausweitung von Hengsthaltung und damit einhergehend der Vermarktungsinitiativen auf dem
Hof wurde es immer schwieriger, diese Aufgaben
zu bewältigen. Die seinerzeit einzige private HLPAnstalt Deutschlands schloss jedoch nur kurzfristig ihre Pforten. Nur kurz darauf eröffnete Helmar Bescht, der auf dem Klosterhof gelernt und
lange gearbeitet hatte, im unweit gelegenen
Schlieckau die HLP-Anstalt. Deren Leiter und die
Idee an sich sind somit gewissermaßen aus dem
Foto: W. Ernst
Der Geist des Klosterhofs
Trat in den Fußstapfen seines Vaters Caprimond: Hohenstein ist ebenfalls zum Elite-Hengst gekürt worden
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