Andreas Schlüter Tropische Regenwälder – Zentren der Artenvielfalt

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Andreas Schlüter Tropische Regenwälder – Zentren der Artenvielfalt
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Andreas Schlüter
Tropische Regenwälder – Zentren der Artenvielfalt
Biodiversität, seit etwa 20 Jahren zu einem Schlagwort geworden, umschreibt die biologische
Vielfalt der Erde. Häufig wird sie mit dem Begriff Artenzahl gleichgesetzt, doch sie umspannt
ein viel größeres Spektrum an Parametern als die bloße Aufzählung von Arten. Zur
Biodiversität gehören genetische Varianten ebenso wie Scharen von Arten, Scharen von
Gattungen, Familien, höhere Taxa, aber auch die Mannigfaltigkeit von Ökosystemen, die
sowohl die Organismengemeinschaften als auch die in ihren Lebensräumen herrschenden
physikalischen Bedingungen einschließt. WILSON (1997) beschreibt die Biodiversität als die
„über alle biologischen Organisationseinheiten hinweg anzutreffende Vielfalt der
Organismen“.
Die tropischen Regenwälder (Abb. 1) als komplexeste und reichhaltigste Land-Ökosysteme
der Erde beherbergen die größte Artendichte an Pflanzen, Pilzen und Tieren. Noch vor 1000
Jahren bedeckten sie etwa 13 Prozent der Landmassen der Erde. Durch Holzeinschlag und
Brandrodung, die mit jährlich 200.000 Quadratkilometern der gemeinsamen Fläche von
England, Wales und Schottland entsprechen, ist die von Regenwäldern bedeckte Landmasse
heute auf sechs Prozent geschrumpft.
Auf Satellitenfotos erkennt man beiderseits des Äquators einen dunkelgrünen Gürtel, der sich
großflächig unter den Wolken versteckt. Dieser scheinbar einheitliche Gürtel setzt sich aus
unterschiedlichen Waldformationen zusammen. Dennoch, ähnliche Umweltbedingungen
bewirken vergleichbare Anpassungen und so haben die in amerikanischen, im afrikanischen
und in indomalaiischen Regenwäldern lebenden Organismen ähnliche Anpassungen
entwickelt. Man spricht von einer konvergenten Evolution. So haben die amerikanischen
Kolibris in den Nektarvögeln Afrikas und Asiens ihr „Gegenstück“.
Temperaturen, die sich im Jahresmittel zwischen 24 und 28 Grad Celsius bewegen und eine
Luftfeuchtigkeit von etwa 70 - 80 Prozent begünstigen das üppige Pflanzenwachstum. Regen
fällt in der Mehrzahl der Regenwälder gleichmäßig das ganze Jahr über. Etwa 2000
Millimeter Niederschlag pro Jahr und Quadratmeter ist die Mindestmenge, die ein Regenwald
für seine Existenz benötigt (Abb. 2).
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Globaler Diversitätsgradient
Millionen Tier - und Pflanzenarten sind in den tropischen Regenwäldern in äußerst
komplexen Lebensgemeinschaften (Biozönosen) miteinander verwoben. Man schätzt, dass die
tropischen Regenwälder über die Hälfte aller auf der Erde lebenden Organismenarten
beherbergen. Wie sicher ist nun diese Kalkulation, die von den meisten Experten geteilt wird?
Das Stichwort lautet latitudinaler oder globaler Diversitätsgradient. Es ist ein allgemeines
biologisches Prinzip, dass in den Äquatorregionen der Erde die meisten Pflanzen- und
Tierarten vorkommen. Von den 250.000 weltweit bekannten Gefäßpflanzenarten wachsen
etwa 170.000 (fast 70 Prozent) in den Tropen und Subtropen, die meisten davon in den
tropischen Regenwäldern. Die höchste Pflanzenvielfalt, nämlich über 40.000 Arten,
konzentriert sich auf nur zwei Prozent der kontinentalen Erdoberfläche. Dieser „Hotspot“
umfasst die Länder Kolumbien, Ecuador und Peru. Besonders deutlich wird die auf die
äquatorialen Gebiete konzentrierte Artenvielfalt, wenn man sich die Untersuchungsergebnisse
aus fest abgesteckten Arealen vor Augen führt. Auf den artenreichsten Regenwaldflächen
gehört jeder zweite Baum einer anderen Art an. So konnte der Botaniker Alwyn Gentry auf
einem 300 Hektar großen Regenwaldstück nahe der peruanischen Stadt Iquitos 300
Baumarten nachweisen (in ganz Deutschland sind es gerade mal 30). Besonders augenfällig
ist die Artenvielfalt der Insekten. Bereits in einem Areal von der Größe eines Fußballfeldes
können über 40.000 Arten vorkommen. Der peruanische Zoologe Gerardo Lamas entdeckte in
dem 55 Quadratkilometer großen Tambopata-Reservat im Einzugsgebiet des Río Madre de
Dios über 1200 Schmetterlingsarten. Die Insektengruppe aber, deren Artenvielfalt die aller
anderen weit in den Schatten stellt, ist die der Käfer. Weltweit sind bisher etwa 300.000 Arten
beschrieben worden. Auch hier verdeutlicht ein Vergleich die Konzentration des
Artenreichtums in den Tropen. In den Vereinigten Staaten und Kanada kennt man bis heute
etwa 24.000 Käferarten. In Panama rechnen Wissenschaftler mit etwa 20.000 Arten auf einem
Hektar!
Beim Lesen dieser Zahlen ist nur schwer zu begreifen, wie es möglich ist, dass ausgerechnet
diese artenreichste und fruchtbarste Lebensgemeinschaft zumeist auf unfruchtbarem Sand
gedeiht. Der Motor des Wachstums ist die Sonne. Ihr Licht liefert dem Wald die Energie, die
es den Pflanzen ermöglicht über die Photosynthese große Mengen Kohlenhydrate aufzubauen.
Organische „Abfälle“ wie Blätter, Holz oder Tierkadaver werden umgehend von Pilzen,
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Ameisen, Termiten und anderen Organismen aufbereitet und somit auf schnellstmögliche
Weise in den Nährstoffkreislauf des Waldes zurückgeführt (Abb. 3 u. 4). Das gleichförmige
tropische Klima ermöglicht deren ganzjährige Aktivität und ununterbrochenes Wachstum.
Dieses direkte Recycling verhindert die Entstehung eines Humusspeichers.
Neben den Nährstoffen unterliegt auch das klimatische Geschehen einem annähernd
geschlossenen Kreislauf. Das in den Bäumen hochgepumpte Wasser verdunstet über die
Blattoberflächen und kondensiert über dem Wald zu Regenwolken. Die grüne Decke
Regenwald mindert die erodierende Gefahr tropischer Regenfälle und reguliert so den
Wasserkreislauf.
Üppige Vegetation auf kargem Grund
Die hohen Niederschläge haben während der Millionen Jahre dauernden Entwicklung der
Regenwälder deren Bodennährstoffe weitgehend ausgewaschen und über die großen FlussSysteme ins Meer abtransportiert. Heute sind ihre Böden zu nährstoffarmen Endzuständen
gealtert. Am weitesten fortgeschritten ist dieser Prozess im zentralen Amazonien, wo es große
Gebiete gibt, deren Böden fast völlig frei von Mineralien sind. Die Nährstoffarmut der Böden
zwingt die Pflanzen zum sparsamen Umgang mit den Mineralien. Was an organischem
Material frei wird, muss über Mikroorganismen auf dem schnellsten Wege der Vegetation zur
Verfügung gestellt werden.
Nicht in allen Regenwaldregionen der Erde sind die Bodenverhältnisse bzw. deren Gehalt an
Mineralstoffen gleich. Während in Mittelamerika und in Ostafrika vulkanische Aktivitäten für
Nachschub an Nährstoffen sorgen, erhält der Amazonas-Regenwald seinen Nachschub sogar
aus der fernen Sahara. Das Kongobecken ist über weite Gebiete extrem nährstoffarm,
während die Verhältnisse in Südost-Asien sehr unterschiedlich sind. Nährstoffarme und
nährstoffreiche Böden wechseln dort einander ab und grenzen oft sogar direkt aneinander.
Recycling - der Trick mit dem Nährstoffkreislauf
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Ganz anders als die Wälder in unseren Breiten, sind die meisten Regenwälder unabhängig von
Nährstoffen aus dem Boden. Die Verarmung der Böden durch Jahrmillionen der Erosion hat
die Organismen zu erheblichen Anpassungen gezwungen. Wie ist es möglich, dass gerade auf
den ausgelaugten Böden mächtige Urwaldriesen wurzeln und mit ihnen das artenreichste
Land-Ökosystem der Erde entstehen konnte. Die Antwort ist verblüffend einfach. Tropische
Regenwälder ernähren sich nicht aus dem Boden heraus – sie erhalten und erneuern sich
selbst. Die mineralischen Nährstoffe zirkulieren in einem Kreislauf, ohne je in den Boden zu
gelangen (Abb. 5). Nicht der Boden also, sondern die Pflanzen selbst, allen voran die Bäume,
haben sich zu Nährstoffspeichern entwickelt. Der größte Teil der Mineralien ist also in den
lebenden Organismen gespeichert. Ein herabfallendes Blatt, eine Frucht, ein Zweig oder ein
totes Tier; innerhalb weniger Tage wird abgestorbenes organisches Material umgesetzt und
wieder in den Kreislauf zurückgebracht. Der Bedrohung, durch das völlige Wegspülen seiner
Mineralien irgendwann zu verhungern entgeht der Regenwald, indem er seine Nährstoffe in
den lebenden Organismen zurückhält, statt sie einer leicht wegzuspülenden Humusschicht zu
überlassen.
Bakterien, Pilze, Termiten und Ameisen sind die Hauptakteure, die organisches Material
zersetzen und den Pflanzenwurzeln wieder zur Verfügung stellen. Die meisten
Regenwaldbäume wurzeln flach. Ihre Wurzeln dringen nicht tief in den unfruchtbaren Boden
vor, sondern suchen direkt unter der Bodenoberfläche nach Nahrung. Stelz- und gewaltige
Brettwurzeln vergrößern die Standflächen der Bäume. Der größte Teil des fein verzweigten
Wurzelnetzwerkes befindet sich in den oberen 30 Zentimetern des Bodens, wo es in jeden nur
erreichbaren Winkel vorstößt.
Eine ganz entscheidende Rolle bei der Aufnahme von Nährstoffen spielen die sogenannten
Mykorrhiza-Pilze, ohne deren Tätigkeit die meisten Regenwaldbäume nicht existieren
könnten. Ihre mikroskopisch kleinen Fäden durchdringen deren Wurzeln und gehen mit ihnen
eine Symbiose (Mykorrhiza) ein. Die Wirkung der Mykorrhiza-Pilze ist eine doppelte.
Einerseits vergrößert ihr die Wurzeln umschließendes Geflecht deren Oberfläche um ein
Vielfaches, andererseits führen sie die durch den Abbau organischer Substanzen entstehenden
Nährstoffe den Bäumen direkt zu. Dieser „kurzgeschlossene“ Nährstoffkreislauf funktioniert
sogar fast ohne Verlust. In den Böden tropischer Regenwälder herrscht vor allem ein
ständiger Mangel an Phosphaten. Mit Hilfe radioaktiv markierter Phospate konnten
nordamerikanische Wissenschaftler deren Weg durch die Mykorrhiza-Pilze in die
Baumwurzeln verfolgen. In weiteren Versuchen setzten sie dem Boden Phosphor und
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Kalzium zu. Über 99 Prozent der beiden dem Boden zugeführten Substanzen konnten sie
später in den Wurzeln und anderen Pflanzenteilen wiederfinden. Eine erstaunliche Effektivität
der Mykorrhiza-Symbiose. Die Mykorrhiza-Pilze stellen den Bäumen Nährstoffe schnell zur
Verfügung, bevor der nächste Tropenregen alles davon schwemmt. Als „Gegenleistung“
erhalten sie Kohlenhydrate für ihre eigene Ernährung. Doch auch bei der fast
hundertprozentigen Effektivität der Pilze ist ein winzigkleiner Schwund an Mineralien durch
Auswaschung unvermeidlich. Man weiß heute, dass Regenwälder diesen geringen Verlust
durch Mineralien ausgleichen, die im Regenwasser enthalten sind.
Über einen gewaltigen globalen Stofftransport wird der Regenwald kontinuierlich gedüngt.
Etwa 500 Millionen Tonnen Saharastaub trägt der Nordost-Passat jährlich in westlicher
Richtung über den Atlantik auf die amerikanischen Regenwälder zu. Pro Hektar Regenwald
schlagen sich aus den feinen Stäuben etwa 13 Kilogramm Kalium, 3 Kilogramm Phosphat
und bis zu 16 Kilogramm Calcium nieder. Das Magnesium, Grundbaustein des Chlorophylls
und damit Vorraussetzung für die Photosynthese, kommt ebenfalls aus der Sahara.
Von der Kronenregion bis hinunter zu den Wurzeln mit ihren Mykorrhiza-Pilzen arbeitet der
Regenwald als ein riesiger Nährstoff-Filter. Die im Saharastaub enthaltenen lebenswichtigen
Mangelstoffe (Mineralien) gelangen gar nicht erst in den Boden. Sie werden unterwegs bereits
von Epiphyten (Aufsitzerpflanzen wie Bromelien und Orchideen) und Epiphyllen (Flechten
und Moose, die auf Blättern wachsen) aufgefangen (Abb. 6 u. 7). Der „Filter Regenwald“ ist
so effektiv, dass die in den Bächen und Flüssen abfließenden Wassermassen fast frei von
gelösten Mineralien sind und beinahe die Werte von destilliertem Wasser erreichen.
Der Wald als "Regenmacher"
Die dichte Pflanzendecke tropischer Regenwälder (Abb. 1) ist von besonderer Bedeutung für
deren Niederschläge, die mindestens 2000 Millimeter pro Jahr und Quadratmeter betragen,
durchaus aber auch 10.000 Millimeter erreichen können. Sie selbst, aber auch der in seinen
oberen Schichten nie austrocknende Boden, Fall-Laub, Bäche, Flüsse und Tümpel, alles
zusammen bildet einen riesigen nassen Schwamm. Unter dem Einfluss der intensiven
Sonneneinstrahlung steigen die feuchten Luftmassen nach oben, wo sie, in kältere
Luftschichten angehoben, zu Regentropfen kondensieren und auf das Blätterdach prasseln. 50
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bis 75 Prozent der Niederschläge gelangen auf diesem Weg zurück an die Atmosphäre, wo sie
durch Abkühlung zu neuen Regenwolken kondensieren und ihre Wassermassen in
wolkenbruchartigen Regenfälle schnell wieder abgeben (Abb. 8).
In diesem "kleinen Kreislauf" zirkulieren im südamerikanischen Regenwald drei Viertel des
gesamten Wasserkreislaufs und somit mehr Wassermassen als im "große Kreislauf" mit
seinen Passat-Wolken. Diese bilden sich über dem Atlantik aus dem Meerwasser und regnen
über dem Land ab. Der "große Wasserkreislauf" ist von besonderer Bedeutung für die
Düngung des Waldes, weil er die nährstoffhaltigen Stäube aus der Sahara über dem
Regenwald niederschlagen lässt.
Gondwanaland – Wiege der Tropen
Bei der Suche nach den Ursachen der heutigen Verteilungsmuster von Regenwaldpflanzen
und –tieren kristallisieren sich zwei Hauptgründe heraus: die Kontinentalverschiebung und
Klimaänderungen.
Vor ungefähr 180 Millionen Jahren (im mittleren Jura) ließen plattentektonische Prozesse,
ausgelöst durch die Ausdehnung der Meeresböden, den Superkontinent Pangaea in eine
nördliche (Laurasia) und eine südliche (Gondwana) Hälfte zerbrechen (Abb. 9). Beide
drifteten voneinander fort und zerbrachen in weitere Stücke. Für die Entwicklung der Tropen
war das Auseinanderbrechen Gondwanas von entscheidender Bedeutung, weil alle drei
tropischen Regionen der Erde hier ihren Ursprung haben.
Trotz der enormen Artenvielfalt kann man zwischen den Organismen der tropischen
Regenwälder Ähnlichkeiten auf Familien- Gattungs- und sogar Artebene erkennen, die darauf
beruhen, dass die drei Großblöcke gemeinsam dem ehemaligen Gondwanaland entstammen.
Als Gondwana auseinander brach, waren die wesentlichen Schritte zur Entwicklung der
Blütenpflanzen bereits erfolgt. Auf den sich trennenden Einzelteilen setzte sich die Evolution
unabhängig fort. Heute gibt es unter den Blütenpflanzen 59 Familien mit 334 Gattungen
pantropischer Verbreitung.
Ein Musterbeispiel für eine Pflanze, die dem ehemaligen Gondwana entspringt, ist
Campnosperma, eine Gattung lichtliebender Regenwaldbäume des Tieflands. Sie existiert
heute in Mittelamerika (Panama), Südamerika (Kolumbien und Brasilien), Madagaskar und in
Asien (Seychellen von Indien bis Mikronesien). Die Ursache für ihr Fehlen auf dem
afrikanischen Kontinent könnte das Auftreten lang anhaltender Dürreperioden gewesen sein.
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Ein disjunktes (getrenntes) Verbreitungsmuster einer Pflanzengruppe im nördlichen
Südamerika und im Malaiischen Florengebiet deutet ebenfalls auf einen gemeinsamen
Vorfahren hin, der einst auf Gondwana verbreitet war und durch klimatische Einflüsse in
Afrika ausgestorben ist.
Pleistozäne Refugien – eiszeitliche Rückzugsgebiete
Unter Tropenökologen wird kaum eine Thema so heiß diskutiert, wie die möglichen Ursachen
der tropischen Artenvielfalt. Die tropischen Regenwälder blicken auf ein sehr hohes Alter
(mindestens 60 Millionen Jahre) zurück. Vieles spricht dafür, dass ihre Flächenausdehnung
abwechselnd wuchs und schrumpfte. Während der letzten großen Eiszeit vor 20.000 bis
15.000 Jahren und der ihr folgenden Zwischeneiszeit vor 13.000 bis 12.000 Jahren wurden sie
zurück gedrängt und zerstückelt. Anders als in den gemäßigten Breiten betrug damals die
Temperatursenkung aber nur ein bis zwei Grad Celsius und kann deshalb primär nicht die
Ursache für den Rückgang der Tropenwälder gewesen sein. Sie verminderte aber die globale
Wasserzirkulation und führte somit zur Austrocknung weiter Teile der tropischen
Regenwälder. Zurück blieben kleine, teilweise voneinander getrennte, ausreichend feuchte
Rückzugsgebiete, in denen zahlreiche Arten überdauern konnten. In diesen isolierten
pleistozänen Refugien entstanden neue Formen, die sich nach dem Rückzug der Eiszeiten
genetisch so stark voneinander unterschieden, dass ihre Vermischung nicht mehr möglich
war. Neue Arten waren entstanden.
Amazonien weist in bestimmten Regionen eine besonders reichhaltige Vogelwelt mit vielen
endemischen (nur dort vorkommenden) Arten auf. Vergleicht man diese Zentren mit den
inselartigen Verbreitungsmustern von Blütenpflanzen, Schmetterlingen und Vögeln, erkennt
man erstaunliche Übereinstimmungen (Abb. 10). Viele andere Organismengruppen weisen
ebenfalls, vor allem auf niedriger taxonomischer Ebene, ähnliche oder sogar identische
Verbreitungsmuster auf. Die Ergebnisse zahlreicher vegetationsrundlicher und
geowissenschaftlicher Untersuchungen lassen in der Tat den Schluss zu, dass die Zentren von
Artenreichtum und Endemismus den Stellen entsprechen, die dauernd mit Regenwald bedeckt
waren.
Der Grund für die hohe Artenvielfalt in den tropischen Regenwäldern ist also mit dem bloßen
Hinweis auf die heutigen klimatischen Verhältnisse nicht erschöpfend zu erklären. Flora und
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Fauna, so wie wir sie heute erleben, haben ihre wechselvolle Geschichte, die in alle
Überlegungen einbezogen werden muss.
Quellen und Senken
Wenn man durch den Regenwald geht und den Boden nach Arten einer bestimmten Gruppe
absucht, dann stellt man fest, dass sich deren Zusammensetzung alle hundert oder tausend
Meter verändert. Bei den Fröschen ist das ebenso deutlich wie bei den Schmetterlingen. Eine
Art, die an einer bestimmten Stelle häufig vorkommt, „verdünnt“ sich mit zunehmender
Entfernung von ihrem Populationszentrum, bis man schließlich überhaupt kein Exemplar
mehr findet. Geht man weiter, begibt man sich Schritt für Schritt in das Zentrum einer
anderen Art derselben Gruppe. Man bezeichnet solche Zentren, in denen Arten ihr Optimum
an Lebensbedingungen vorfinden, als Quellen (source areas). Sie wechseln sich ab mit den
Senken (sink areas), in denen die Lebensbedingungen nicht ausreichen, um von sich aus eine
Population aufrecht zu erhalten. Nach diesem Quellen-Senken-Modell stützen die
erfolgreichen die schwindenden Populationen durch ständigen Nachschub.
Hiermit haben wir einen weiteren möglichen Grund für die hohe Artenvielfalt der tropischen
Regenwälder angeführt, nämlich die Tatsache, dass die meisten Tier- und Pflanzenarten in
kleinen Gebieten, und hier oft sogar nur in einer bestimmten Etage, leben, die sie so gut wie
nie verlassen. Im Extremfall kann eine Art ein Gebiet von wenigen hundert Quadratmetern
bewohnen. Sie kommt nur hier und sonst nirgendwo sonst auf der Erde vor. An dieser Stelle
wird besonders deutlich, dass schon eine relativ kleine Zerstörung im Regenwald zum
Verschwinden einer Art führen kann.
Ein Leben in Stockwerken und Nischen
Die Lebewesen im Regenwald verteilen sich über die gut definierbaren vertikalen Zonen
Boden, Strauchschicht, Stammbereich und Baumkronen. Die meisten Arten leben im
lichtdurchfluteten Kronendach des Waldes. Hier, wo Bromelien, Orchideen, Farne, Moose
und Lianen gedeihen, können Biologen täglich neue Arten entdecken. In der bereits
erwähnten Tambopata-Region besprühte der Insektenforscher Terry Erwin einen
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Leguminosenbaum mit einem Insektizid, um anschließend die herabfallenden Insekten
einsammeln zu können. Er fand 43 Ameisenarten aus 26 Gattungen. Hier leben an einem
einzigen Baum halb so viele Ameisenarten wie in ganz Deutschland.
Die Tiere der Regenwälder haben im permanenten Kampf ums Überleben eine
unüberschaubare Vielfalt von Tarn- und Warntrachten entwickelt, die ihre Entdeckung
schwierig machen (Abb. 11 u. 12). Insekten und deren Larven, Froschlurche und teilweise
sogar Vögel ahmen belebte und unbelebte Gegenstände nach, um sich zu verbergen oder um
Feinde abzuschrecken. Heuschrecken, Schmetterlinge und sogar Frösche ähneln Fall-Laub
oder lebenden Blättern, während manche Orchideen transparent sind. Raupen sehen aus wie
Vogelkot oder wie kleine Schlangen und zahlreiche Frösche warnen ihre Feinde mit
grellbunten Farben vor ihren giftigen Hautsekreten.
Jede Tier- und Pflanzenart existiert in einer „auf sie zugeschnittenen Planstelle“, einer
ökologischen Nische. Als Folge der enormen Artenfülle der tropischen Regenwälder sind die
meisten Arten nur mit wenigen Individuen vertreten.
In vegetationsreichen Regionen begünstigen die dreidimensionalen Wälder die Koexistenz
zahlreicher Arten, dass sie sehr verschiedene Nischen aufweisen (Abb. 13). Da der Wald
Bäume mit unterschiedlicher Schattentoleranz beherbergt, ist deren Artenfülle
unübersichtlich. Jeder Baum wiederum bildet die Lebensgrundlage zahlreicher
Aufsitzerpflanzen und Tierarten. Der gesamte Wald verfügt über eine große Spanne
vertikaler und horizontaler Abstufungen mikroklimatischer Bedingungen.
Koexistenz der Arten
Eine der wichtigsten Fragestellungen ist zweifellos die nach den Parametern, die es den vielen
Arten ermöglichen, nebeneinander zu existieren. Schließlich sind in jedem Ökosystem, auch
im tropischen Regenwald, alle Resourcen nur begrenzt vorhanden. Das Geheimnis liegt in der
ökologischen Einnischung der Arten, ihrer Spezialisierung in Raum, Zeit, Nahrung und
Fortpflanzung. Ähnlich den Korallenriffen der Meere bietet der tropische Regenwald mit
seinen Stockwerken seinen Bewohnern eine dritte Dimension mit einer Fülle von
Versteckmöglichkeiten, Nahrungsquellen und Brutplätzen.
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Erst seit wenigen Jahrzehnten beschäftigt sich die Wissenschaft nicht nur mit dem Aufzählen
der in den Regenwäldern lebenden Arten, sondern auch mit dem Versuch, deren äußerst
komplexes Beziehungsgefüge, den biozönotischen Konnex, zu entschlüsseln. Dabei wird
deutlich, dass tropische Regenwälder „mehr sind als nur Restaurant und Wohnung“
(WHITMORE, 1990).
Die Abhängigkeit der meisten Regenwaldpflanzen von tierischen Bestäubern ist ein
Musterbeispiel derartiger Verflechtungen. In allen tropischen Regenwäldern haben sich
ähnliche Methoden (Syndrome) der Anlockung ganz bestimmter Bestäuber entwickelt. Vögel,
Fledermäuse, Nachtfalter, Käfer, Bienen; jede dieser Tiergruppen benötigt eine eigene, ihren
Fähigkeiten angepasste Blütenkonstruktion. So sind Vogelblüten stabil gebaut und auffällig
gefärbt. Sie ragen aus dem allgemeinen Blättermeer heraus oder blühen erst dann, wenn ein
Baum seine Blätter abwirft.
Zumeist weißlich gefärbt und klebrig sind die Fledermausblüten. Sie öffnen sich erst nachts
und haben meist einen auffällig säuerlichen oder modrigen Geruch. Die Pollenübertragung
auf die Fledermaus geschieht durch zwei unterschiedliche Methoden. Entweder die Blüte ist
tief becherförmig, so dass der Pollen am Kopf der Fledermaus hängen bleibt, oder die Pflanze
bietet ihren Pollen auf rasierpinselartig angeordneten Staubblättern an. In diesem Fall bleibt
der Pollen an der Brust der Fledermaus hängen. Auch Fledermausblüten ragen aus der
allgemeinen Beblätterung hervor.
Eine erstaunliche Entdeckung machte das deutsche Forscherehepaar DAGMAR und OTTO VON
HELVERSEN bei Untersuchungen an der Liane Mucuna holtonii in Mittelamerika. Eines ihrer
fünf Blütenblätter, das als zwei Zentimeter lange „Fahne“ senkrecht nach oben steht, ist mit
einer kleinen, dreieckigen Vertiefung versehen, die den Fledermäusen als „akustisches
Katzenauge“ dient. In ihm wird der Schall des Fledermaussonars so gebündelt, dass er mit
hoher Intensität auf das Tier zurück gestrahlt wird.
Nachtfalterblüten, sie öffnen sich ebenfalls erst nachts, riechen meist süßlich, sind zart gebaut
und besitzen eine sehr lange Kronröhre, in die der lange Rüssel des Schmetterlings bis zur
Nektarquelle vorgestreckt wird. Käfer landen und kriechen vergleichsweise schwerfällig auf
ihren Blüten. Deshalb sind „ihre“ Blüten relativ robust und schalenförmig offen. Sie duften
häufig angenehm und sitzen meist mitten im Blätterwerk. Bienenblüten schließlich öffnen und
schließen sich der Tagesperiodik folgend und sind meist mit leuchtenden Farben versehen. Sei
besitzen oft Saftmale, die nur im für Bienen sichtbaren Ultraviolettlicht erkennbar sind.
Zahlreiche Bienenblüten, wie die der Orchideen, sind mit einer Landeplattform ausgerüstet.
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Ein weiteres Kapitel, das die Abhängigkeit zwischen Pflanzen und Tieren verdeutlicht, ist die
Samenverbreitung. Typische Früchtefresser unter den Vögeln bevorzugen große,
nährstoffreiche Früchte mit großen Samen. Vögel, bei denen Früchte nur Bestandteil einer
abwechslungsreichen Nahrung sind, verzehren vor allem kleine, wasserreiche Früchte mit
sehr kleinen Samen.
Erst seit wenigen Jahren rücken auch Fische als Verbreiter von Pflanzensamen ins Interesse
der Ökologen. Bei Hochwasser nehmen sie in den Überschwemmungsgebieten Früchte und
Samen auf. Bei Niedrigwasser ziehen sich die Fische in die verbliebenen Lagunen zurück und
ernähren sich hauptsächlich von ihren Fettreserven.
Natürliche Katastrophen - Garanten der Vielfalt
Ein sterbender Baum kündigt seinen bevorstehenden Zusammenbruch schon tagelang vorher
lautstark an. Ein kurzer schussähnlicher Knall verkündet seinen verlorenen Widerstand gegen
die Schwerkraft. Danach folgen in immer kürzer werdenden Abständen Salven von zwei, drei
oder mehr „Schüssen“. Nach jedem Knall verstummt der Wald für ein paar Sekunden.
Schließlich hört man die letzte Salve von vielleicht 20, 30 oder mehr „Schüssen“. Der Baum
bricht in sich zusammen, reiß einige Nachbarbäume mit um und fällt mit einem dumpfen
Knall auf den Boden. Einen Augenblick lang ist der Wald absolut still, dann protestieren die
Aras. Das Bild, das sich bietet: ein Schneise mit mehreren umgefallenen oder zerbrochenen
Bäumen und jede Menge am Boden liegende Aufsitzerpflanzen, sicherlich die Ursache für
diese Katastrophe.
Ein Jahr später hat man schon Schwierigkeiten, die Absturzstelle auf Anhieb wieder zu
finden. Das Holz ist am Vermodern. Pilze verrichten ihre Arbeit und Sekundärvegetation
verdeckt viele Spuren (Abb. 14). Die Rinde löst sich bei der leichtesten Berührung und gibt
eine Unmenge von Tieren frei. Insektenlarven, Käfer, Springschwänze, Tausendfüßer und
Spinnen eilen aufgeschreckt umher. Termiten haben stellenweise schon ganze Arbeit geleistet
und in ihrem „Sägemehl“ verstecken sich Skorpione."
Unter "normalen Umständen" ist es kaum möglich, mitten im dunklen Primärwald eine derart
hohe Konzentration verschiedenster Organismen auf engem Raum anzutreffen. Sollte man
nicht vermuten, dass der Einschlag einer maroden Baumkrone in den Wald eine Katastrophe
für den Lebensraum bedeutet? Katastrophe gleich Artenschwund, diese Formel scheint hier,
an dieser Stelle, irgendwie nicht zu stimmen. Ganz im Gegenteil scheint dieser Ort der
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Zerstörung ein Magnet für Pflanzen und Tiere zu sein, die im schattigen intakten Primärwald
nicht oder nur in geringer Dichte vorkommen.
Auch ohne das Übergewicht der Epiphyten, ohne Blitzeinschlag oder Windbruch, erreicht ein
Baum nur ein bestimmtes Alter. Er stirbt, bricht zusammen und reißt ein Loch in den Wald.
Es entsteht eine Lichtung, in der das Sonnenlicht den Boden erreicht. Die sonst nur
dahinkümmernden Sprösslinge wachsen zu Jungbäumen heran, bis aus ihnen stattlichen
Riesen geworden sind.
Der Waldbestand ist nicht statisch; er befindet sich in einem ständigen Fließgleichgewicht:
Zusammenbruch eines alten Baumes, Keimung von Sämlingen, Heranwachsen und Sterben
der Bäume. Als Resultat dieser Dynamik ist der Wald ein Mosaik vieler Flecken, die sich in
unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden.
Für den Charakter eines dieser Bausteine ist die Größe einer Bestandslücke von
entscheidender Bedeutung. Ist die von einem Baum in den Wald geschlagene Lichtung klein,
dann schießen die Keimlinge der sogenannten Klimaxarten in die Höhe. Sie stammen von den
Bäumen der unmittelbaren Umgebung und sitzen oft schon seit Jahren in ihren dunklen
Startlöchern. Wachsen sie heran, verändert sich die Artzusammensetzung an dieser Stelle
nicht.
Hat allerdings eine Lichtung große Ausmaße, wird sie von schnellwüchsigen, lichtliebenden
Pionierarten besiedelt. Der Ameisenbaum (Cecropia) ist in den Neotropen einer der ersten
Bäume, die sich ansiedeln, wenn der Wald irgendwo beschädigt wird. Unter seinen großen
Schatten spendenden Blättern gedeihen Pilze, die, wenn sie vermodern, eine Unmenge
kleinster Fliegen anlocken. Pfeiffrösche (Adenomera), die keine direkte Sonnenseinstrahlung
vertragen, können hier im Schatten auf Fliegenfang gehen. Kammspinnen machen Jagd auf
die kleinen Frösche, während andere Spinnen ihre Netze zwischen den Pilzen spannen. Im
Schatten der Pionierarten ist jetzt eine kleine, besonders artenreiche Lebensgemeinschaft
entstanden. Allerdings, der Bestand der Pionierarten an diesen Standorten ist nicht von Dauer.
In ihrem Schatten gedeihen nämlich nicht nur die gerade genannten Arten, sondern auch
schon die Keimlinge der Klimaxarten. Diese setzen sich durch, wenn die Pionierarten
absterben und setzen den nächsten Wachstumszyklus des Bestandes fort. Man bezeichnet
solche Verschiebungen der Artzusammensetzung als Sukzession.
Zwar führt der ständige Wechsel zwischen Klimax- und Pionierarten an der betreffenden
Lokalität zu einem Hin und Her an Bedingungen, den Wald als Ganzes verändert er aber
nicht. Man spricht von einem Mosaikzyklus-Gleichgewicht.
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Solche Zentren, die praktisch Nachschub liefern, findet man überall im tropischen
Regenwald. Sie verdeutlichen, dass natürliche „Katastrophen“, auf lange Sicht betrachtet, ein
wichtiger Garant der Artenvielfalt sind.
Genetische Erosion
Die biologische Vielfalt der tropischen Regenwälder ist hier mehrfach angesprochen worden.
Es galt auch zu veranschaulichen, dass „die oft bewunderte hohe Produktivität der tropischen
Regenwälder ein Ausdruck der ständigen Erneuerung ist, die mit Hilfe der Sonnenenergie, des
Regenwassers und der ununterbrochenen Rezyklisierung von Nährstoffen möglich ist“
(RÉGÖS 1987). Wird nur eine dieser drei Komponenten unterbrochen oder dem Regenwald
entzogen, bricht das gesamte Ökosystem zusammen.
Der ausgeprägte Endemismus, also das Vorkommen zahlreicher Tier- und Pflanzenarten in
eng begrenzten Gebieten, ist eine wichtige Komponente des Artenreichtums tropischer
Regenwälder. Fallen gerade deren Standorte menschlichen Eingriffen wie der Brandrodung
zum Opfer, dann kann es vorkommen, dass die nur hier vorkommenden Arten für immer von
der Erde verschwinden. Man bezeichnet diesen Verlust als „genetische Erosion“, da nach und
nach genetische Variationsformen verloren gehen.
Die große Zahl menschlicher Gesellschaften („Naturvölker“), die seit Jahrhunderten in den
Regenwäldern leben, ohne sie zu vernichten, beweist, dass die Gegenwart des Menschen nicht
gleichbedeutend sein muss mit Zerstörung und Artenschwund. Auch heute noch kann man die
Ressourcen des Regenwaldes nutzen, ohne seine Artenvielfalt zu verringern. Der wohl beste
Beweis dafür ist die Fischerei in den Varzea-Überschwemmungswäldern, die immer wieder
durch Schwemm-Material aus den Anden nachgedüngt und auf einem hohen
Produktionsniveau gehalten werden. Das fischereiliche Potential der
Überschwemmungswälder wird heute auf etwa eine Million Tonnen pro Jahr geschätzt, von
denen zur Zeit nur etwa 200.000 Tonnen genutzt werden. Ganz anders sieht es mit der Terra
firme aus, dem Teil des Waldes, der nie überflutet wird und deshalb auch keinen
Mineralnachschub durch Überschwemmungen bekommt. Dieser Teil des Waldes ist es, der
sich in dem weiter oben beschriebenen fast geschlossenen Kreislauf aus sich selbst ernährt
und dessen riesige Artenvielfalt auf einem hauchdünnen, von Kleinorganismen gebildeten
Fundament steht. Wie wir gesehen haben, befinden sich hier die lebenswichtigen Mineralien
in den lebenden Organismen. Entfernt man aus diesem System die Bäume, dann entfernt man
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automatisch auch die in ihnen gespeicherten Mineralien. Die Rezyklisierung von Nährstoffen
ist unterbrochen. Humus, wie in unseren Wäldern, gibt es nicht und die starken Regengüsse
legen innerhalb kürzester Zeit unfruchtbaren Sand frei. Worauf sollte ein neuer entstehen?
Anmerkung: Ein Teil der o. g. Ausführungen findet sich wieder in dem Heft SCHLÜTER, A.
(2001): Regenwald. Tropische Vielfalt in Südamerika, erschienen in den Stuttgarter Beiträge
zur Naturkunde. Serie C, Heft 48.
Literatur
RÉGÖS, J. (1987): Die grüne Hölle – Ein bedrohtes Paradies – Bericht aus dem Regenwald.
Hamburg, Berlin (Parey).
REICHHOLF, J. H. (1990): Der unersetzbare Dschungel. Leben, Gefährdung und Rettung des
tropischen Regenwaldes. München (BLV).
SCHLÜTER, A. (2001): Regenwald. Tropische Vielfalt in Südamerika. Stuttgarter Beiträge zur
Naturkunde. Serie C, Heft 48.
SMITH, A. G. & J. C. BRIDEN (1977): Mesozoic and Cenozoic Palaeocontinental Maps.
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WALTER, H. & H. LIETH (1967): Klimadiagramm Weltatlas. Jena (G. Fischer).
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Regenwälder. 275 S.; Heidelberg, Berlin, New York
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WILSON, E. O. (1997): Der Wert der Vielfalt. 512 S.; München, Zürich (Piper).
Bildlegenden
Abb. 1. In den tropischen Regenwäldern stehen Millionen von Pflanzen- Pilz- und Tierarten
im „biozönotischen Konnex“. Die grüne Decke mindert die erodierende Kraft tropischer
Regenfälle und reguliert den Wasserkreislauf (Foto: A. Schlüter).
Abb. 2. Verbreitung und Klima der heutigen Regenwälder. In den Klimadiagrammen sind die
Trockenperioden punktiert und die Regenzeiten schraffiert (bei mehr als 100 Millimetern pro
Monat als schwarze Flächen) dargestellt. Langfristige mittlere Niederschlagsmengen in
Zahlen angegeben. Trockenperioden, die unregelmäßig über das Jahr verteilt vorkommen,
sind diesen auf langfristige Mittelwerte beruhenden Diagrammen nicht zu entnehmen (nach
WHITE 1983, WHITMORE 1984, 1990, WALTER & LIETH, 1967).
Abb. 3 u. 4. Pilze haben wegen ihrer Abbautätigkeit eine Schlüsselstellung im tropischen
Regenwald. 3. Ein herabgefallener Ast wird umgehend von Pilzen besiedelt. Seine
Inhaltsstoffe werden dem Wald in einem kurzgeschlossenen Kreislauf wieder zugeführt. Das
geschieht so schnell, dass kein Humus entstehen kann. 4. Fruchtkörper der Schleierdame
(Dictyophora), die mit ihrem Kadavergeruch Fliegen für den Transport ihrer Sporen anlockt.
(Fotos: A. Schlüter).
Abb. 5. Die Nährstoffarmut der Böden zwingt die Pflanzen zum sparsamen Umgang mit den
Mineralien. Sie halten ihre Nährstoffe in gut geschlossenen Kreisläufen zurück. Eine
Humusschicht kann sich nicht entwickeln (aus REICHHOLF 1990).
Abb. 6 u. 7. Der Amazonas-Regenwald ist von der Kronenregion bis hinunter zu den Wurzeln
ein riesiger Nährstoff-Filter. Die im Saharastaub enthaltenen Mineralien werden von
Epiphyten wie Bromelien und Epiphyllen wie Flechten und Moosen aufgefangen und
gelangen somit gar nicht erst in den Boden. Die in den Bächen abfließenden Wassermassen
erreichen beinahe die Werte von destilliertem Wasser. 6. Filternde Organismen auf einer
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Baumrinde. 7. Keine Filtermöglichkeit darf ausgelassen werden. So werden selbst die
skurrilsten Unterlagen von Flechten besiedelt. (Foto: A. SCHLÜTER).
Abb. 8. Der Wald selbst ist der größte „Regenmacher“. Messungen in Amazonien haben
ergeben, dass 74,1 Prozent des Niederschlags der Wald selbst durch Verdunstung liefert. Der
Passat liefert vom Atlantik her nur 25,9 Prozent. Es ist die gleiche Menge, die über den
Amazonas wieder ins Meer zurück fließt. (Aus REICHHOLF 1990)
Abb. 9. Kontinentalverschiebung. Im mittleren Jura (a) stehen das nördliche Laurasia und das
südliche Gondwana als Pangaea in Verbindung. In der Unterkreide (b) bricht Gondwanaland
auseinander, später auch Laurasia. Im späten Eozän ist die Bildung des atlantischen Ozeans
fast abgeschlossen. (Nach SMITH & BRIDEN 1977; übernommen aus WHITMORE 1990).
Abb. 10. Pleistozäne Rückzugsgebiete in den Regenwäldern Süd- und Mittelamerikas.
Gebiete mit hohem Anteil endemischer Pflanzen, Schmetterlinge und Vögel (a) und deren
Überlappungen mit pleistozänen Waldrückzugsgebieten (b). (Nach WHITMORE & PRANCE
1987; entnommen WHITMORE 1990).
Abb. 11 u. 12. Zahlreiche Arten haben Tarntrachten entwickelt. 11. Scinac funerea, ein
Laubfrosch, an der Rinde eines jungen Baumes. 12. Die kleine Spinne ist auf grünen Blättern
kaum auzumachen. (Fotos: A. SCHLÜTER)
Abb. 13. Die strukturreichen Regenwälder begünstigen mit ihrer Vielfalt an Versteck- und
Aufenthaltsplätzen die Koexistenz zahlreicher Arten. In sogenannten Ameisengärten leben
baumbewohnende Ameisen. Sie tragen die Samen verschiedener Epiphyten in ihr Nest und
transportieren Exkremente zu deren Düngung herbei. Das Wachstum des Wurzelgeflechts
verstärkt die Außenwand zu einer schützenden „Betonhülle“. (Foto: A. SCHLÜTER).
Abb. 14. Ein Baum stirbt, fällt um und reißt ein Loch in den Wald. Es entsteht eine Lichtung,
in der das Sonnenlicht den Boden erreicht. Sprösslinge, die sonst dahin kümmern, wachsen zu
Jungbäumen heran. Je nach Größe der Lichtung ist die Artzusammensetzung unterschiedlich.
Der Waldbestand ist nicht statisch; er befindet sich in einem ständigen Fließgleichgewicht.
Das Resultat seiner Dynamik ist ein Mosaik vieler Flecken, die sich in unterschiedlichen
Entwicklungsphasen befinden (Foto: A. SCHLÜTER).
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Autor
Dr. Andreas Schlüter
Jahrgang 1949. Studium der Biologie in Hamburg. 1977 bis 1979 Aufenthalt in der
peruanischen Forschungsstation Panguana. 1984 Promotion bei Prof. Dr. HANS-WILHELM
KOEPCKE (+) über die Ökologie der Amphibien eines Stillgewässers im tropischen Regenwald
Perus. Danach weitere Aufenthalte in Peru, Ecuador und Brasilien. Seit 1984 als Herpetologe
am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart (Schloss Rosenstein), seit 2001 Leiter der
dortigen Abteilung Zoologie. Fortsetzung der Forschungstätigkeit zur Ökologie der
Amphibien und Reptilien an Still- und Fließgewässern im peruanischen Regenwald.
Gemeinsames Projekt mit dem Museo de Historia Natural der Universität San Marcos in Lima
ist eine Langzeitstudie über die Auswirkungen anthropogener Einflüsse auf die
Artzusammensetzung einer peruanischen Herpetofauna (Amphibien und Reptilien).
Anschrift: Staatliches Museum für Naturkunde, Rosenstein 1, D-70191 Stuttgart.