Freie Bildung und Erziehung

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Freie Bildung und Erziehung
Verband Deutscher
Privatschulverbände e.V.
bi ldungseinrichtungen in
freier trägerschaft
Seit 1901
Freie Bildung
und
Erziehung
VDP
Bundesgeschäftsstelle
Reinhardtstr. 
 Berlin
t:   /     - 
f:   /     - 
[email protected]
www.privatschulen.de
Ausgabe Sommer 2008
ISSN 0016-0741
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Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
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Inhalt 4
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Aktuelles
Michael Büchler:
Plädoyer für die allgemeine Zugänglichkeit von Bildung. . . . . . . . . 4
Nicht nur wissen, sondern können: Vermittlung berufspraktischer Qualifikationen in der schulischen Ausbildung . . . . . . . . . . . . 24
Bildungsgutscheine für Bürgerschulen – ein Erfolgsmodell? . . . . . 6
Chancen eröffnen – für einen Internatsbesuch gibt es viele
gute Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Joachim Böttcher:
Über 200 Teilnehmer beim VDP-Bundeskongress 2007
in Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Julia Schier:
Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung –
es geht los! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Christiane Witek:
„Bildung ist Zukunft“:
Deutscher Weiterbildungstag 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Roman Friemel:
Bildungschancen und -risiken im Globalisierungsprozess –
Konsequenzen für das freie Bildungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Gerhard Gleichmann:
Interdisziplinärer Workshop des VDP als Startschuss
der Förderung berufsbezogener Sprachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . 13
Christiane Witek:
Verband hat sich ein Leitbild gegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Gastkommentar
Dr. Thomas Langer, IfBB:
Bildung 2020: Anforderungen an ein erfolgreiches Bildungssytem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Aus den Ländern
Christian Steege:
Institut für freie Bildung in Niedersachsen gegründet. . . . . . . . . . . . . 16
Christian Schneider:
Licht und Schatten im Norden der Republik:
Ersatzschulförderung in Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern und Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Jürgen Banse:
Gründung von Grundschulen in freier Trägerschaft –
nicht Ursache mit Wirkung verwechseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Aus dem Verband
VDP mit neuem Namen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Gelungene Veranstaltung: Neujahrsempfang des VDP . . . . . . . . . . . . 21
„Türkische“ Schulen als Integrationsmodell?
Interview mit Seyitahmed Tokmak, Geschäftsführer des
Privatgymnasiums Dialog in Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
I m p re s s u m
Autoren dieser Ausgabe: Jürgen Banse, Madgeburg; Joachim
Böttcher, Braunschweig; Michael Büchler, Baden-Baden; Roman Friemel, Düsseldorf; Gerhard Gleichmann, Hamburg; Dr.
Thomas Langer, Köln; Julia Schier, Berlin; Christian Schneider,
Schwerin; Christian Steege, Hannover; Seyitahmed Tokmak,
Köln; Christiane Witek, Berlin; Iris Woltemate, Freiburg.
Ausgabe
Heft 1 · 84. Jahrgang · Sommer 2008
Herausgeber
Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.,
Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft, Berlin
Bundesgeschäftsstelle
Reinhardstr 18 · 10117 Berlin
Telefon 0 30 / 28 44 50 88 - 0 · Fax 0 30 / 28 44 50 88 - 9
Redaktion: Christiane Witek
Offizielle Äußerungen des Verbands werden als solche gekennzeichnet. Alle anderen Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Verfassers wieder. Beiträge und Besprechungen wie Besprechungsexemplare werden an die Geschäftsstelle erbeten. Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers.
Fotos:
Wenn nicht anders angeben – Pixelio.de
Druck
Pfeiffer – Druck & Verlag
Schwalbacher Straße 26 · 65843 Sulzbach (Taunus)
Telefon 0 61 96 / 75 88 66
Satz
Das Fotosatz-Lädchen · Jürgen Pfeiffer
Hauptstraße 36 · 65843 Sulzbach (Taunus)
Telefon 0 61 96 / 6 18 63
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Aktuelles $
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Plädoyer für die allgemeine Zugänglichkeit von Bildung
Von der politischen Forderung eines „Grundrechts auf
Bildung“ bis hin zur kürzlich von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgerufenen „Bildungsrepublik Deutschland“: Das Thema Bildung hat in der politischen, medialen und öffentlichen Debatte dieser Tage Hochkonjunktur. Damit einher geht auch die Diskussion um die
Positionierung von Privatschulen: Während die Befürworter von Schulen in freier Trägerschaft vor allem die
Bereicherung des gesamten Schulwesens durch freie
Schulen und ihre individuellen pädagogischen Ansätze
sehen, befürchten Kritiker die Entwicklung einer ZweiKlassen-Gesellschaft, in der sich gute Bildung nur leisten kann, wer über das nötige Kleingeld verfügt. Theoretisch besteht Einigkeit darüber, dass freie Bildung
auch gute Bildung ist. Dennoch tauchen in der Praxis
regelmäßig Vorschläge zur Kürzung von vermeintlichen
Privilegien freier Schulen auf, wie die jüngst geführte
Diskussion um die sukzessive Streichung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Schulgeld zeigt.
Angesichts dieser Debatte muss es eine Rückbesinnung geben auf den eigentlichen Grund der Existenz
freier Schulen: Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche
Zukunftsaufgabe, die alle Bildungseinrichtungen unabhängig von ihrer Trägerschaft zu lösen haben. Deshalb
gewährleistet das Grundgesetz im Rahmen der Schulvielfalt Schulen in freier Trägerschaft, die die öffentlichen Bildungsaufgaben gleichwertig neben staatlichen
Schulen wahrnehmen. Dies ist eine klare Absage an ein
staatliches Schulmonopol. Privatschulen sind integraler
Bestandteil des gesamten Bildungswesens und sorgen
gemeinsam mit den staatlichen Schulen für ein flächendeckendes Bildungsangebot in Deutschland. Darüber
hinaus sind freie Schulen oft wichtige Vorreiter bei innovativen pädagogischen Ideen und Konzepten. Sie verstehen sich insofern nicht nur als notwendige Ergänzung des staatlichen Schulwesens, sondern auch als dessen Bereicherung und Impulsgeber. So werden Konzepte, die freie Schulen entwickelt haben und erfolgreich
anwenden, immer öfter von staatlichen Schulen übernommen. Ein Beispiel dafür ist die Ganztagsschule: Ihr
Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass gemeinsames
Leben und Lernen eine sinnvolle Einheit bilden, und
baut darauf, den Schülern neben fachlichem Wissen
auch „weiche“ Kompetenzen wie Teamfähigkeit und soziales Engagement zu vermitteln, indem sie ihnen genügend Raum zur kreativen Freizeitgestaltung lässt. An
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Schulen in freier Trägerschaft gestartet, setzt sich dieses
pädagogische Konzept mittlerweile immer mehr auch
an staatlichen Schulen durch.
Gute Bildung für alle
Für den Bildungsstandort Deutschland ist es daher
umso wichtiger, dass möglichst viele Schülerinnen und
Schüler in den Genuss einer sinnvollen, innovativen
und individuellen Betreuung kommen. Freie Schulen
stehen ebenso wie die staatlichen in der Pflicht, gute
Bildung für alle anzubieten, das heißt, dass sie frei zugänglich sein und allen gesellschaftlichen Gruppierungen offenstehen müssen. Sie sehen die gesellschaftliche
Durchmischung der Schulklassen als eine grundlegende
Voraussetzung ihrer pädagogischen Arbeit. Gleichwohl
müssen Schulgeldbeiträge erhoben werden, denn die
attraktiven Bedingungen an Privatschulen wie zum Beispiel kleinere Klassen oder innovative Lehr- und Lernmethoden und eine damit zusammenhängende gute
Ausstattung gibt es nicht zum Nulltarif. Viele Einrichtungen befinden sich allerdings in einem Dilemma: Um
möglichst jedem Kind den Zugang zu ihrem Bildungsangebot zu ermöglichen, versuchen sie, die Schulgeldbeiträge möglichst gering zu halten, andererseits müssen jedoch häufig die durch zu geringe staatliche Zuschüsse entstehenden Lücken im Haushalt finanziell
überbrückt werden. Um zu verhindern, dass Bildung zu
einem „Gut für Besserverdiener“ wird, vergeben viele
freie Schulen daher Stipendien und ermöglichen so den
Schulbesuch unabhängig vom finanziellen Hintergrund
der Eltern. Die Schulgelder auf Dauer sozial verträglich
zu gestalten, wird jedoch nur dann gelingen, wenn die
Finanzierung der Schulen durch die Länder erheblich
verbessert wird. Bislang belaufen sich die staatlichen
Zuschüsse für Privatschulen im Schnitt auf zwei Drittel
der Kosten, die ein Schüler an einer vergleichbaren
staatlichen Schule kosten würde. Das ist deutlich zu wenig und führt in der Folge zu Finanzlücken im Privatschuletat, die die Schule dann durch Mehrarbeit und
freiwilliges zusätzliches Engagement der Mitarbeiter sowie mit teils höheren Schulgeldbeiträgen ausgleichen
muss. Trotz zu geringer Zuschüsse sind in vielen Bundesländern noch weitere Einsparungen zu Lasten der
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Aktuelles 4
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freien Bildungseinrichtungen zu befürchten. Hier muss
ein Paradigmenwechsel stattfinden: Die Ausgaben für
Bildung, auch für die freie Bildung, dürfen nicht als
Kosten gesehen werden. Vielmehr sind sie Investitionen in die Zukunft des Wissensstandort Deutschlands!
Anstatt die Privatschulfinanzierung in den einzelnen
Ländern noch weiter einzuschränken, brauchen wir also
die umgekehrte Entwicklung: mehr Mittel und eine verbesserte Finanzierung. Diese ist dringend notwendig:
nicht nur, um die bestehende Qualität der Ausbildung
an freien Schulen auf Dauer halten zu können, sondern
auch, um das grundgesetzlich vorgegebene Sonderungsverbot nach den Besitzverhältnissen der Eltern einhalten zu können.
Paradigmenwechsel nötig
Die Bereicherung des Bildungssystems durch Privatschulen steht außer Frage: Als Impulsgeber und
„Motor“ des Bildungswesens stoßen sie immer wieder
neue Entwicklungen an und fördern den pädagogischen
Wettbewerb zwischen den Einrichtungen, der dann
wiederum zu einer stärkeren Profilbildung der Schulen
und damit zu einer Verbesserung der Qualität unseres
gesamten Bildungssystems beiträgt. Darüber hinaus bereiten freie Schulen junge Menschen anhand differenzierter pädagogischer Profile auf die Herausforderungen
unserer immer komplexer werdenden Lebenswelt vor.
Das gilt für alle Schülerinnen und Schüler, auch und gerade für diejenigen mit einem besonderen Förderbedarf
– dies meint sowohl Hochbegabte als auch Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten: Die individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen, zu
der das Eingehen auf die persönlichen Schwächen ebenso gehört wie das gezielte Fördern und Weiterentwickeln der persönlichen Anlagen und Talente, ist
schon immer eines der wesentlichen Qualitätsmerkmale
von Privatschulen gewesen. Damit tragen sie einen
wichtigen Teil dazu bei, dass mehr Schülerinnen und
Schüler ihre Persönlichkeit entfalten können und die
Herausforderungen der gegenwärtigen und auch einer
zukünftigen Bildungsgesellschaft wie Individualisierung
des Lernprozesses und Differenzierung der Arbeitswelt
mit Erfolg zu meistern vermögen.
Um die erfolgreiche Arbeit von Schulen in freier Trägerschaft auch in Zukunft zu gewährleisten und darüber
hinaus die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Wissensstandort Deutschland zu sichern, braucht unser Bil-
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Freie Schulen setzen auf individuelle Förderung und bereichern die
Bildungslandschaft.
Quelle: VDP
dungssystem verbesserte Rahmenbedingungen: Dazu
gehört der Abbau von Hürden, um allen gesellschaftlichen Gruppen den gleichen Zugang zu den vorhandenen Bildungsangeboten zu gewährleisten – und zwar
unabhängig davon, in welcher Trägerschaft sich die anbietende Einrichtung befindet. Dazu müssen aber auch
Finanzierungsmodelle bereitgestellt werden, die es jedem ermöglichen, das optimale Lehr- und Lernangebot
zu wählen. Der Ausbau von bereits vorhandenen Angeboten wie Stipendien, Bildungskrediten oder Gutscheinmodellen ist dabei ebenso wichtig wie die notwendige Weiterentwicklung der staatlichen Finanzhilfe
für Privatschulen bis hin zu einer Vollfinanzierung, wie
sie in anderen Ländern wie beispielsweise den Niederlanden bereits Standard ist.
Jeder Euro, der in unserer modernen Wissensgesellschaft in die Ressource Bildung investiert wird, ist eine
Zukunftsanlage und darf nicht als Kostenfaktor verbucht werden. Gelingt ein solcher Paradigmenwechsel,
ist das ein wichtiger Schritt hin zu einer wirksamen
Reform des gesamten Schulsystems, in der
Eigenverantwortung und pädagogische Freiräume – wie
sie bereits an freien Schulen betehen – eine wesentliche
Rolle spielen. Das wäre dann auch die beste Voraussetzung dafür, die „Bildungsrepublik Deutschland“
Realität werden zu lassen.
Michael Büchler
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Aktuelles $
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Bildungsgutscheine für Bürgerschulen – ein Erfolgsmodell?
Wie viel Staat braucht die Bildung? Mit dieser Frage
beschäftigen sich nicht nur bildungspolitische Akteure,
sondern seit Neuestem auch der Berliner Paritätische
Wohlfahrtsverband. Dieser hat ein interessantes Modell
vorgelegt, mit dem die Bildungsmisere durch die
Einführung von Bildungsgutscheinen und den Ausbau
eines Netzes von freien Schulträgern behoben werden
soll.
Das Modell der Parität fordert mehr Autonomie für
Schulen: Nur so seien sie in der Lage, den individuellen
Bedarfslagen der Schüler zu entsprechen und in eigener
Verantwortung wichtige Richtungsentscheidungen zu
treffen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die Schulträgerschaften aus den öffentlichen Organisationsstrukturen herausgelöst und in Stiftungen oder gemeinnützige Strukturen überführt werden. Finanziert wird das
Ganze über Platzgelder bzw. Bildungsgutscheine. Vorteile sieht die Parität vor allem in dem so geschaffenen
produktiven Wettbewerb, der die Entscheidungsmöglichkeiten der Eltern stärkt.
Das Ziel steht fest, der Weg dorthin ist frei
Die Parität betont gleichzeitig, dass Autonomie im
Schulwesen nicht gleichzusetzen sei mit einem Rückzug
des Staates aus dem Bildungssektor, sondern vielmehr
mit einer Neubestimmung seiner Aufgaben: Diese sollen nämlich zukünftig primär im Bereich der Festlegung
von Bildungsstandards und in der Evaluierung der Zielerreichung und der Qualitätskontrolle liegen; die operative Umsetzung hingegen obliege den jeweiligen Trägern: „Der Staat setzt Ziele, garantiert Standards – und
überlässt es den Schulen, welche Wege sie zum Ziel gehen wollen“, so der Verband. Eine Konkretisierung dieses „Rahmens“ erfolgt dann durch die jeweilige Bildungsverwaltung, indem sie mit den Schulträgern Zielvereinbarungen abschließt und verpflichtende Qualitätskontroll-Mechanismen festlegt. Die Schulträger dürfen dabei selber bestimmen, wie sie die definierten
Ziele erreichen und welche Wege sie dazu einschlagen.
Damit soll es ihnen ermöglicht werden, besser auf spezifische Besonderheiten vor Ort reagieren zu können.
Die Schulen, die in der Regel als gemeinnützige Einrichtung konzipiert sind und einer öffentlichen Anerkennung bedürfen, sind weitgehend autonom in den
Bereichen Sachmittelbewirtschaftung und Budgetpla-
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nung, Personalverantwortung, Unterrichtsgestaltung
und Bezahlung der Lehrkräfte. So können sie beispielsweise Lehrkräfte nach eigenen Kriterien auswählen
(z. B. Quereinsteiger aus Wirtschaft, Gesellschaft oder
Forschung).
Aufnahmegarantie für bestimmte Einzugsgebiete
Das Modell sieht vor, dass die Bürgerschule als Alternative zum staatlichen Schulsystem alle Pflichten übernimmt, die auch der Staat durch seine eigenen Schulen
wahrnimmt. Zur Gewährleistung dieser Verpflichtungen schließen die Länder mit den Schulen Leistungsvereinbarungen ab. Ferner gilt es, eine Aufnahmegarantie zu gewährleisten: Im Rahmen einer regionalen
Schulplanung werden allen staatlichen und privaten
Schulen bestimmte Einzugsgebiete zugeordnet und die
Schulen verpflichtet, für alle Kinder dieses Gebiets Plätze vorzuhalten. Die Eltern haben ein freies Wahlrecht,
wohin sie ihre Kinder schicken. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht: Eine besondere Auswahl der Kinder durch
die Schule ist nicht zulässig. Ferner müssen sich die
Schulen verpflichten, bestimmte Zielvereinbarungen
einzuhalten und sich einer regelmäßigen, externen Evaluation zu unterwerfen. Schließlich verpflichten sich die
Bürgerschulen, eine größtmögliche Transparenz über
ihr Angebot herzustellen. Eckpunkte des Schulkonzepts
sind ebenso zu kommunizieren wie bestimmte Kennzahlen.
Ein Schulgeld dürfen die Schulen nicht erheben. Die
Finanzierung der Bürgerschulen soll über einen einheitlichen Kostensatz für Personal- und Sachmittel erfolgen,
der die durchschnittlichen Vollkosten eines Schulplatzes
in dem betreffenden Bundesland abbildet und der sich
anhand der konkreten Schülerzahlen berechnet. Bei besonderen Konstellationen und speziellen Förderbedarfen (zum Beispiel bei hoher Migrantendichte oder behinderten Schülern) sind Zuschläge möglich. Für neu
gegründete Schulen setzt die Finanzierung schon am
ersten Tag des Betriebes ein, so dass es keine Wartefrist
mehr gibt. Die Finanzierungsregelungen sollen Eingang
in die jeweiligen Landeschulgesetze erhalten. Die Eltern erhalten für ihre Kinder einen Bildungsgutschein,
den sie an einer Schule ihrer Wahl (unabhängig von der
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Trägerschaft) einlösen können. Damit soll erreicht werden, dass jedes Kind diejenige Schule besuchen kann,
deren Konzept und Programm ihm am meisten zusagt.
Entscheidend ist die Information und Beratung – hier
sind alle Akteure gefragt. Damit die Eltern nämlich ihre
Wahlfreiheit ausüben können, so die Parität, bedarf es
objektiver und leicht zugänglicher Auswahlkriterien sowie allgemein zugänglicher Informationen über Schulkonzepte und Evaluationsergebnisse. Eine besondere
Rolle kommt den sogenannten „abgebenden Institutionen“ zu: Hier sollen die Kitas in der Pflicht stehen, eine
qualifizierte Schulberatung für die Eltern der zukünftigen ABC-Schützen anzubieten. Genauso soll es die
Aufgabe der Grundschule sein, mit Blick auf den später
anstehenden Schulwechsel die Eltern zu beraten. Denkbar sei eine Beratung auch für Träger von Familienbildungen, so die Parität. Für diese zusätzlichen Aufgaben
müssen den Trägern gegebenenfalls auch zusätzliche
Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Bildung ist keine Staatsveranstaltung
Es ist der besondere Verdienst des Berliner Wohlfahrtsverbands, unter großer öffentlicher Anteilnahme
auf die Vorzüge von selbstverantwortlichen, freien
Schulen hingewiesen und das bestehende staatliche
Schulsystem in Frage gestellt zu haben. „Bildung ist
keine Staatsveranstaltung“ – so könnte man das Konzept der Parität überschreiben. Und es muss jeden Politiker nachdenklich stimmen, wenn die Parität formuliert, was viele denken:
„Es sind die mentalen Strukturen, aus denen die organisatorischen Strukturen im Bildungs- und Schulwesen
gewachsen sind und von denen her sie sich legitimiert
haben. Bildung (und auch ‚das’ Soziale) werden als besondere und erhabene Güter gedacht, die nur beim
Staat gut aufgehoben sind und die jeden Gedanken an
Markt und Wettbewerb, Kosten- und Nutzen-Rechnungen oder gar an Leistungsvergleiche (zwischen Schulen
oder Schulsystemen) von vornherein verbietet. So ist es
gekommen, dass das Schul- und Bildungswesen alles in
allem eine staatliche Veranstaltung – und Schulen staatliche Anstalten geworden sind. Mag in einer anderen
historischen Phase die Verstaatlichung des Schulwesens
durchaus einen Fortschritt gebracht haben (mehr
Gleichheit und Freiheit vor dem Hintergrund einer feudalen Gesellschaft), so lassen sich heute die Probleme
und Defizite der Schulen gerade mit Blick auf die glei-
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Jedes Kind soll die Schule besuchen können, deren Konzept ihm
am meisten zusagt.
Quelle: VDP
che Freiheit aller auch als ‚Staatsversagen’ beschreiben.
Es ist deshalb [...] notwendig, den Begriff des Staates
und das Verständnis von öffentlicher Verantwortung
neu zu definieren.“
Gleichwohl bleiben einige Punkte offen, die aus Sicht
des freien Schulwesens hinterfragt werden müssen: So
zeigt sich trotz aller Bemühungen, eine umfassende
Bildungsberatung anzubieten, dass nicht alle Eltern in
der Lage sind, eine verantwortungsbewusste Schulwahlentscheidung für ihr Kind zu treffen. Werden diese
Schüler sich dann in „Restschulen“ sammeln, die heute
schon aus vielen Problemkiezen bekannt sind? Ab wann
entfaltet eine engmaschige, externe Evaluation, deren
Ergebnisse veröffentlicht werden, eine strangulierende
Wirkung für die spezifische Profilbildung einer Schule
und führt zum unerwünschten „teaching for the test“?
Was passiert mit Schulen, bei denen eine negative Abstimmung mit den Füßen einsetzt – werden sie bei zu
geringen Anmeldezahlen geschlossen? Und beschneidet
es nicht die Eigenverantwortung einer Schule, wenn sie
keinerlei Einfluss auf die Aufnahme der Schüler haben
soll?
Trotz aller offenen Fragen – eines ist schon jetzt klar:
Hier wurde eine spannende Diskussion angestoßen, deren Entwicklung wir mit Interesse verfolgen werden.
Julia Schier
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Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung – es geht los!
Am 18. Januar 2008 debattierte der Deutsche Bundestag über die Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung „Aufstieg durch Bildung“ und über vier Anträge
der Parlamentsfraktion: „Junge Menschen fördern –
Ausbildung schaffen und Qualifizierung sichern“ von
CDU/CSU und SPD sowie „Perspektiven schaffen –
Angebot und Struktur der beruflichen Bildung verbessern“ von Bündnis 90/Die Grünen, ferner „Mehr Chancen durch bessere Bildung und Qualifizierung“ der
FDP. Ein Antrag der Fraktion DIE LINKE „Der beruflichen Weiterbildung den notwendigen Stellenwert einräumen“ fokussiert seine Vorschläge auf die berufliche
Bildung und vor allem auf die Bildungsarbeit der Bundesagentur für Arbeit. Inzwischen folgte ein weiterer
Antrag von CDU/CSU und SPD „Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen verbessern – Weiterbildung
und Qualifizierung ausbauen und stärken“, der am 7.
März 2008 Gegenstand der parlamentarischen Debatte
war. Flankiert werden die parteilichen und parlamentarischen Aktivitäten von Empfehlungen des Innovationskreises beim BMBF.
Damit ist in Gang gekommen, was der VDP als Organisation von Schulen und Bildungseinrichtungen in
freier Trägerschaft seit Jahren anregt und fordert.
Das BMBF legt seiner Qualifizierungsoffensive fünf
Kernbereiche zugrunde:
ohne sie, die schon jetzt einen erheblichen Teil der
Plätze bereitstellen, die Nachfrage nicht befriedigt werden kann, aber auch, weil die Träger mit ihren pädagogischen Ansätzen als Impulsgeber für die frühkindliche
Bildungsarbeit fungieren.
1. Bildungschancen stärken
3. Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung
Wir begrüßen hier insbesondere die Pläne, die Bildung im frühkindlichen Alter zu fördern, weil in diesen
Lebensjahren richtungweisende Weichen für die künftige Bildung der Kinder und auch der späteren Erwachsenen gestellt werden. So halten wir die konkret benannten Schritte wie flächendeckende Weiterbildung
für Erzieherinnen und Erzieher, die bessere organisatorische und konzeptionelle Verbindung von Kitas und
Grundschulen, die Einrichtung und Förderung von
„Bildungshäusern“ und „Häusern der kleinen Forscher“
für richtig und wichtig. Ein flächendeckendes und jedem Kind zugängliches Angebot von Kita-Plätzen ist
dabei unumgänglich. Um so verständnisloser stehen wir
der gegenwärtigen Diskussion gegenüber, ob bei der
Entwicklung und Finanzierung dieses flächendeckenden Angebots die freien Träger einbezogen werden sollen oder nicht. Sie müssen einbezogen werden, weil
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2. Durchlässigkeit der Bildungsgänge und -systeme
sowie Aufstiegsförderung
Hier werden im Programm besonders genannt: die
Ausweitung der Studienberechtigungen für Absolventen der beruflichen Bildung, insbesondere der dualen
Ausbildung, die Schaffung von Aufstiegsstipendien
sowie die strukturelle Weiterentwicklung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes, auch bekannt als
„Meister-Bafög“. All das sind aus unserer Sicht erforderliche, teils überfällige Vorhaben. Bei der Weiterentwicklung des Meister-Bafögs wünschen wir uns vor allem die
Erfassung weiterer Personenkreise, zum Beispiel der
Sozial- und Pflegeberufe, die bislang von der Förderung
ausgeschlossen sind. Im Zusammenhang mit der Ausweitung der Studienberechtigungen für Absolventen
der beruflichen Bildung sollte über die Anrechnung von
in der Ausbildung erworbenen Qualifikationen im Rahmen von Bachelor- und Masterstudiengängen nachgedacht werden.
Zu diesem Thema bleiben Ausführungen und konkrete Vorschläge sehr zurückhaltend. Die erwähnte Stu-
Individuelle Bildungschancen müssen gestärkt werden. Quelle: VDP
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dienberechtigung gehört hierhin, auch die
Betonung,
dass
das
Interesse
an
Naturwissenschaften und Technik geweckt
und gestärkt werden müsse. Wir sehen eine
gewisse Chance in einer Aufwertung naturwissenschaftlicher schulischer Ausbildungsgänge (z. B. Assistentenausbildungen in den
Richtungen Pharmazie, Chemie, Biologie,
Physik, Mathematik). Auch das frühzeitige
Verankern naturwissenschaftlicher Inhalte in
der frühkindlichen Bildung mag Motivation
und dauerhafte Freude an den Naturwissenschaften wecken.
4. Verringerung der Abbrecherquoten in
Schule und Ausbildung
Beständige
wichtig.
Dieser Punkt hat wohl die stärkste sozialpolitische
Brisanz: Bei keinem anderen Personenkreis hat Bildung
eine so sozialintegrative Funktion wie bei den Abbrechern. Viele der Bildungseinrichtungen des VDP arbeiten intensiv in diesem Bildungssegment und verfügen über weitreichende Erfahrungen, die seit langem in
die pädagogische Diskussion eingehen: Das sind die
Konzeption und Durchführung außer- und überbetrieblicher Ausbildung ebenso wie die Begründung von Ausbildungsverbünden; die ausbildungsbegleitenden Hilfen genauso wie Modelle zur richtigen Berufswahl oder
die sozialpädagogischen Hilfen. Sie begrüßen daher alle
Maßnahmen, die im Programm der Qualifizierungsoffensive angekündigt werden, geben aber aus ihrer
praktischen Erfahrung noch einige detaillierte Anregungen:
So sollte vermieden werden, eine Förderung (zum
Beispiel den Ausbildungsbonus) von schlechten Beurteilungen und Negativnoten abhängig zu machen, da
ein solches Bewilligungskriterium dazu verleiten könnte, schlechte Beurteilungen und Noten aus Förderungsgründen zu erteilen.
Auch sollten die ausbildungsbegleitenden Hilfen eher
einsetzen, als dies bislang der Fall war.
5. Bildungsgipfel 2008
Für diesen Herbst ist ein Bildungsgipfel vorgesehen,
auf dem die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern Bildungsfragen, insbesondere die Weiterbildung
und das Lebenslange Lernen bzw. das Lernen im Le-
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benslauf, erörtern wird. Als Ziel ist die
Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung
von zurzeit 43 Prozent auf 50 Prozent im
Jahre 2012 definiert.
Analog zum Ausbildungspakt soll eine
Weiterbildungsallianz begründet werden.
Wir nehmen diese Pläne ein wenig verwundert zur Kenntnis, haben wir doch
den Rat der Weiterbildung – KAW, der
sich mit ebendieser Aufgabe befasst, und
haben wir doch den Innovationskreis
Weiterbildung beim BMBF. Wichtig erscheint uns als Aufgabe für eine solche
Weiterbildung ist
neu zu etablierende Allianz, das Lernen
im Lebenslauf auf eine tragfähige Finanzierungsbasis zu stellen. Eine solche Basis muss die
Zuschüsse, die steuerliche Berücksichtigung, die Mitverantwortung der Wirtschaft, die Selbstbeteiligung der
Teilnehmer und die Ansparmodelle umfassen.
Die Zeichen stehen auf Aufbruch. Packen wir es an,
ganz konkret, sehr schnell! Statten wir die entsprechenden Haushaltssätze in Bund und Ländern zweckdienlich
und hinreichend aus; schaffen und stärken wir die lokalen und regionalen Netzwerke, die Bildung (einschließlich der unerlässlichen Beratung) ermöglichen. Und vor
allem: Setzen wir das nach Auffassung der meisten
Fachleute wie zum Beispiel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg erfolgreichste arbeitsmarktpolitische Instrument – die berufliche Weiterbildung nach SGB II und SGB III – wenigstens annähernd wieder in den Stand, den wir vor seiner
Zerschlagung im Rahmen der Überwindung anderer
Missstände bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeit
hatten. Das heißt: Erhöhen wir den Umfang dieser Fortbildungsarbeit. Legen wir Wert auf Maßnahmen mit
höherer Qualität (nicht nur Training), zu angemessenen
Preisen (nicht zu Dumping- und Niedrigstpreisen, die in
der Regel nur mit Dumpinglöhnen erreicht werden können), mit längeren Laufzeiten, die wirkliche Bildungsarbeit ermöglichen (nicht Kurz- und Kürzestläufe ohne
Chance, Qualifizierung zu vermitteln), und mit längerfristiger Auftragsvergabe, die den Trägern die Planungsstabilität gewährleisten, die für qualitativ hochwertige
Bildungsarbeit unerlässlich ist. Wie eingangs gesagt: Es
geht los!
Joachim Böttcher
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Aktuelles $
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Bildung ist Zukunft: „Deutscher Weiterbildungstag 2008“
Die Themen Weiterbildung und Lebenslanges Lernen
bzw. das Lernen im Lebenslauf sind derzeit in aller
Munde, die politischen Debatten um die Wichtigkeit
eines umfassenden, nachhaltigen und durch Anreize
motivierenden Weiterbildungssystems nicht mehr zu
überhören. Impulse in den Diskussionen setzte der 1.
Deutsche Weiterbildungstag, der im Sommer 2007 vom
Frische Ideen und Aktionen beim Auftaktworkshop des DWT
2008.
Quelle: VDP
Bildungsverband (BBB) und den Volkshochschulen
(DVV) gemeinsam mit dem VDP als Kooperationspartner organisiert wurde und durch bundesweite Aktionen die mediale, politische und öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema (Weiter-)Bildung lenkte. Über
500 Weiterbildungsträger mit über 5.000 Akteuren
beteiligten sich am 1. Deutschen Weiterbildungstag und
verdeutlichten die Wichtigkeit eines funktionierenden,
für alle zugänglichen und motivierenden Weiterbildungssystems für den Standort Deutschland. Die beeindruckende Zahl der Akteure und Aktionen spiegelte
sich auch in den Medien wider: Über den 1. Deutschen
Weiterbildungstag berichteten bundesweit Zeitungen,
Zeitschriften, Radio- und Fernsehsender in über 850
Artikeln und Berichten. An den großen Erfolg des letzten Jahres möchten die Veranstalter BBB und DVV gemeinsam mit dem VDP und weiteren Verbänden als
Kooperationspartner wieder anknüpfen.
Mit Ideen und Aktionen zum Erfolg beitragen
Auch in diesem Jahr findet daher der „Deutsche Weiterbildungstag“ statt: Unter dem Motto „Bildung ist Zu-
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kunft“ haben am 26. September alle Bildungseinrichtungen die Chance, sich mit Ideen und Aktionen am
Weiterbildungstag zu beteiligen. Durch gemeinsame
Kampagnen, Tage der offenen Tür oder andere kreative
Ideen können die Weiterbildungsträger dazu beitragen,
dass im Jahr vor der Bundestagswahl Politik und Medien bundesweit auf die zentrale Bedeutung eines funktionierenden und dabei sinnvoll finanzierten Weiterbildungssystems aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig können sie eigene Akzente setzen und auf regionale
Besonderheiten öffentlichkeitswirksam hinweisen. Darüber hinaus bietet der Deutsche Weiterbildungstag
2008 den beteiligten Akteuren eine erweitere Plattform,
auf der sie sich selbst und ihre interessanten Angebote
einem großen Adressatenkreis präsentieren können.
Bei der Planung und Umsetzung der Ideen können
Interessierte zudem auf unterstützende Materialien zurückgreifen: So wurden bei einem Auftaktworkshop
Anfang April nicht nur die Best-Practice-Beispiele aus
dem vergangenen Jahr, sondern auch gute Ideen und
frische Einfälle für 2008 gesammelt. Eine Auflistung
dieser Aktionsideen und weitere Anregungen sind unter www.deutscher-weiterbildungstag.de abrufbar und
können darüber hinaus über die Bundesgeschäftsstelle
bezogen werden. Hier gibt es auch Hilfestellung bei der
konkreten Planung und Umsetzung der Ideen in Form
von „Checklisten“ für die Veranstaltungsplanung und
-finanzierung sowie für Presse- und Medienarbeit, in
die sich auch ein Blick nach dem 26. September lohnt.
Bundespräsident als Schirmherr
Und auch in diesem Jahr können Bildungseinrichtungen, die sich am Weiterbildungstag beteiligen, auf prominente Unterstützung zählen: So hat Bundespräsident
Horst Köhler erneut die Schirmherrschaft für den Deutschen Weiterbildungstag übernommen, zahlreiche Prominente wie Entertainer Jürgen von der Lippe, „Tagesthemen“-Moderator Tom Buhrow oder HSV-Torwart
Frank Rost unterstützen den Tag ebenfalls. Startschuss
der bundesweiten Aktionen ist eine Auftaktveranstaltung, die am 25. September in Berlin stattfinden wird.
Dabei wird der Schwerpunkt auf der Vorstellung und
Würdigung der Vorbilder der Weiterbildung liegen:
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Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
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Aktuelles 4
4 4 4
In Kategorien wie „Weiterbildung als zweite Chance“,
„Integration durch Weiterbildung“ oder „Vorbildlicher
Unternehmer für die Weiterbildung“ werden Menschen
und Einrichtungen geehrt, die sich in besonderem
Maße im Bildungsbereich engagiert haben und durch
ihren Einsatz entweder sich selbst oder einem anderen
Menschen einen Neuanfang durch (Weiter-) Bildung
ermöglichen konnten. Mehr Informationen unter
www.privatschulen.de.
Christiane Witek
8
Fort- und Weiterbildung – keine Frage des Alters.
Quelle: VDP
Bildungschancen und -risiken im Globalisierungsprozess –
Konsequenzen für das freien Bildungswesen
In früheren Zeiten galt das deutsche Bildungssystem
als internationales Erfolgsmodell. Bislang hat es adäquate institutionelle Voraussetzungen aufgewiesen, die
Bildung – ein globaler Markt.
zur Bewältigung der Herausforderungen des Globalisierungsprozesses nötig sind. Gegenwärtig lassen sich allerdings Krisentendenzen beobachten, die die unterschiedlichen Phasen des Bildungssystems von der schulischen Bildung bis hin zur Fort- und Weiterbildung
älterer Arbeitnehmer betreffen. Der Globalisierungsprozess hat damit das deutsche Bildungssystem als eine
Herausforderung erreicht, auf die bisher keine überzeugende Antwort gefunden wurde.
Daher widmet sich der Aktionsrat Bildung in seinem
zweiten Jahresgutachten 2008 dem Thema „Bildungs-
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
risiken und Bildungschancen im Globalisierungsprozess“ (Download unter www.aktionsrat-bildung.de).
Herausgeber des Gutachtens ist die vbw – Vereinigung
der Bayerischen Wirtschaft e.V.
Auswirkungen der Globalisierung sind laut Gutachten
die wachsende Geschwindigkeit von Innovationen und
ein durch die zunehmende Internationalisierung von
Märkten und die abnehmende Bedeutung von Ländergrenzen bedingter beschleunigter Wandel, der soziale
und wirtschaftliche ebenso wie berufliche Strukturen
betrifft. Gleichzeitig findet ein verstärkter Standortwettbewerb zwischen Ländern mit unterschiedlichen Lohnund Produktivitätsniveaus statt; und auch die Beschleunigung von Marktprozessen, die mit der zunehmenden
weltweiten Vernetzung durch neue Informations- und
Kommunikationstechnologien zusammenhängt, setzt
die Standorte unter Druck. Damit zusammen hängt die
zunehmende Verwundbarkeit von lokalen (Bildungs-)
Märkten, die eine große Herausforderung für die Träger
darstellen.
Fest steht: Der Wettbewerb im Dienstleistungssektor
Bildung nimmt derzeit rasant zu, ganz gleich, ob man
von frühkindlicher Bildung, Bildung im Primar- oder
Sekundarbereich, Berufsausbildung oder Hochschulbildung spricht. Nationale staatliche Institutionen konkurrieren mit freien Bildungsträgern, und diese stehen
nach der Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte
wiederum in zunehmender Konkurrenz mit internatio-
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4 4 4 4
Aktuelles $
$ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $
nalen Bildungsanbietern. Man spricht auch vermehrt
von der „Bildung“ als Gut und meint damit die potentielle Rentabilität dieser Dienstleistung. Freie Träger
mit einschlägiger kaufmännischer und insbesondere
marketingtechnischer Erfahrung – teilweise sogar aus
bildungsfernen Marktsegmenten – bearbeiten vermehrt
den zum Teil geschwächten Bildungsmarkt in Deutschland.
Um in dieser Situation nicht den Anschluss zu verlieren und in der Bildungslandschaft der Zukunft mit Erfolg bestehen zu können, müssen sich Bildungsträger
verstärkt positionieren. Dabei sollten vor allem die folgenden Aspekte eine Rolle spielen:
Klare Strategie und Erfolgsfaktoren: Der wachsende
Wettbewerb – auch im Bildungswesen – verlangt nach
einer zunehmenden Konzentration auf die eigenen
Kernkompetenzen. Alleinstellungsmerkmale, Erfolgsfaktoren und Unternehmenskultur sollten strategisch
eine zentrale Rolle spielen und in Verbindung mit einer
klaren Markenführung – intern wie extern – kommuniziert werden.
Kontinuierliche Innovation und Evaluation des
Bildungsangebotes: Ein qualitativ hochwertiges (schulisches) Bildungsangebot ist der Schlüssel für den Erfolg
der freien Bildungsanbieter. Bildung und Ausbildung
freier Träger müssen sich an den Entwicklungen in der
globalisierten Arbeits- und Berufswelt orientieren und
der Qualitätsanalyse sowie der kontinuierlichen Evaluation zugänglich sein. Innovationen müssen dabei auch
Tradition und (kulturelle) Werte einbeziehen.
„Globalization is a term that provokes controversy and protest on one side, and praise and
hope on the other. “
„World Diversity Leadership Summit“
04. bis 06. Juni 2007
Vereinte Nationen, New York
Neue Formen des (schulischen) Lernens: Im Mittelpunkt schulischer Ausbildung sollte die Vermittlung von
für den Arbeitsmarkt relevantem Fachwissen und
sprachlichen Fähigkeiten stehen. Zeitgemäße pädagogische und didaktische Konzepte und das Schaffen eines
lernfördernden Klimas in der freien Bildungseinrichtung, vor allem durch geeignete und gut ausgebildete
Lehrkräfte bzw. freie Dozenten, sind dabei ein Erfolgsfaktor. Zudem hilft die freie Schüler- und Lehrerwahl an
12
Privatschulen.
Softskills und Kulturkompetenz: Die Vermittlung der
sogenannten Softskills wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und emotionale Intelligenz und der interkulturellen Kompetenzen (Mehrsprachigkeit, interkulturelle Toleranz, „Weltwissen“) muss zunehmend zum
Gegenstand schulischer und beruflicher Ausbildung
werden. Auch die Medienkompetenz sollte verstärkt in
das Blickfeld geraten.
Kontinuierlicher Ausbau des Bildungsangebots ist der erste Schritt
in die Zukunft.
Lebenslanges Lernen: Die bislang in Deutschland dominierende Idee, die Vermittlung von Qualifikationen
und Kenntnissen auf eine kurze Phase zu Beginn des
Lebenslaufs (nämlich die Jugendphase) zu beschränken, scheint in Zeiten der Globalisierung überholt.
Vielmehr bedarf es heute und in Zukunft einer regelmäßigen und lebenslangen Anpassung individueller Qualifikationen und Kenntnisse an die Erfordernisse des
Arbeitsmarkts.
Höhere Qualifikationen: Die Nachfrage der Wirtschaft
nach neuen und höheren Qualifikationen wird kontinuierlich ansteigen. Traditionelle berufliche Fähig- und
Fertigkeiten verlieren zunehmend an Bedeutung und
werden durch neue Qualifikationen oder reale Arbeit
(Maschinen, Medien) ersetzt. Hierauf müssen sich die
Bildungseinrichtungen im Zuge der flächendeckenden
Einführung von stärker berufsorientierten Bachelorund Masterstudiengängen an deutschen Hochschulen
einstellen.
Verhinderung frühzeitiger Selektion: Der Zugang zu
adäquaten Kompetenzen und Kenntnissen sowie die
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Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
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Verhinderung der frühzeitigen Selektion im Schulbereich sollten, soweit rechtlich möglich, stets mittels der
Privatschulfreiheit gefordert und realisiert werden, um
eine Durchlässigkeit des Bildungssystems sicherzustellen.
Förderung und Nutzung der Potenziale älterer Arbeitnehmer: Die effektive und effiziente Nutzung des Arbeitskraftpotenzials älterer Arbeitnehmer ist angesichts
der demographischen Entwicklung in Deutschland unverzichtbar. Speziell in der Fort- und Weiterbildung sind
deshalb gezielte Angebote zur Erhöhung ihrer Beschäftigungsfähigkeit zu unternehmen. Der Erwachsenenpädagogik und -didaktik kommt dabei eine zentrale
Aktuelles 4
4 4 4
Rolle zu.
Grenzüberschreitende Bildungsdienstleistungen: Freie
Bildungsträger sollten zunehmend neue Bildungsmärkte in den Blick nehmen und auch bearbeiten, um damit
ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Zumindest sollten sie bezüglich der Internationalisierung rechtzeitig
eine klare strategische Entscheidung treffen und bei der
grenzüberschreitenden Bildungsmarktbearbeitung dann
die kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen
der Zielländer kennen.
Roman Friemel
8
Interdisziplinärer Workshop des VDP als Startschuss der Förderung berufsbezogener Sprachkenntnisse
Es tut sich was in der berufsbezogenen sprachlichen
Weiterbildung: Initiiert vom Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. (VDP), fand am 26. Februar 2008 in
den Räumen der Bundesgeschäftsstelle in Berlin ein
Treffen von Vertretern des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), verschiedener Jobcenter
und der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit (BA)
mit Vertretern des VDP statt. Hintergrund des Treffens
mit dem Workshoptitel „Übergänge und Kombinationen von Sprachförderung und beruflicher Qualifizierung“ war die Überzeugung der Workshopteilnehmer,
dass die sprachliche Weiterbildung von Zuwanderern
berufsbezogen stattfinden muss, um ihre Integration in
den Arbeitsmarkt maßgeblich verbessern zu können.
Darüber hinaus sei ein allgemeiner und bundesweit gültiger Referenzrahmen zur Messung ebendieser berufsbezogenen Sprachkenntnisse notwendig.
Nach der Vorstellung sogenannter Best-PracticeBeispiele entspann sich unter den Workshopteilnehmern eine lebhafte Diskussion darüber, wie ein optimales Sprachförderungssystem aussehen könnte: Dieses
sollte die berufliche Qualifizierung berücksichtigen und
bundesweit nach einheitlichen Standards messbar sein.
Um Barrieren wie unterschiedliche Rechtskreise, verschiedene „Fördertöpfe“ oder das Fehlen von anerkannten Abschlüssen, die den Qualifikationsstand der
Teilnehmer einer Maßnahme unterhalb eines Berufsabschlusses abbilden, zu überwinden, diskutierten die
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
Workshopteilnehmer mögliche Lösungen und zukünftige Konzepte: So könnten Prozesse wie das Beauftragen
eines Fallmanagers mit der Verantwortung für den gesamten Prozess oder „persönliche Budgets“, die die verschiedenen Stellen für einen Maßnahmenteilnehmer
zur Verfügung haben, die ganzheitliche Integration in
den Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der persönlichen Vorkenntnisse und Fähigkeiten gewährleisten.
Zu einer besseren Orientierung und – dadurch bedingt
– einem verbesserten Selbstbewusstsein von Migranten
könnten vor allem individuell abgestimmte und passgenaue Selbstvermarktungsstrategien beitragen. Eine
grundsätzlich optimierte Öffentlichkeitsarbeit würde
zudem die verbesserte Information der Menschen mit
Migrationshintergrund gewährleisten. Insgesamt spiele
die individuelle Förderung mit der dazugehörigen Maßnahmentransparenz und Beratung eine Schlüsselrolle.
Die Vertreter der verschiedenen Institutionen und
Einrichtungen einigten sich darauf, die Ergebnisse dieses in seiner Art ersten und bislang einzigartigen Workshoptreffens in die jeweiligen Geschäftsprozesse zu integrieren und bei entsprechenden Gesetzesinitiativen
als Impulse mit aufzunehmen. Der VDP hat zudem die
feste Einrichtung eines „runden Tischs“ mit ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmern empfohlen, um
das Thema weiter voranzutreiben. Außerdem soll der
„Referenzprozess Sprachförderung“ zu einem „Referenzmodell“ ausgeweitet werden.
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Aktuelles $
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Mittlerweile zeigen sich die ersten Ergebnisse: So haben Anfang Juli 2008 Dr. Michael Griesbeck, Vizepräsident des BAMF, und Heinrich Alt, Vorstand Grundsicherung der BA, eine Verwaltungsvereinbarung zur
Förderung berufsbezogener Sprachkenntnisse unterschrieben. Ersten Veröffentlichungen zufolge wird das
BAMF die berufsbezogene Sprachförderung durchführen, die Auswahl potentieller Teilnehmer soll durch die
BA und die Grundsicherungsstellen erfolgen. Was das
konkret für die Träger heißt, ist noch nicht bekannt: Die
inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung regelt
die Verwaltungsvereinbarung, zu der bis zum Redaktionsschluss noch keine genaueren Informationen vorlagen. Wie auf dem Fachgruppentreffen der Sprachschulen am 18. Juni 2008 in Fulda vereinbart wurde, wird der
VDP für interessierte Mitglieder hierzu einen Workshop in Berlin anbieten.
Gerhard Gleichmann
8
Verband hat sich ein Leitbild gegeben
„Im Mittelpunkt unseres Handelns steht der Mensch mit
seinem individuellen Recht auf Lebenslanges Lernen“:
Dies ist die zentrale Aussage des VDP-Leitbilds, dass sich
der Verband im Frühjahr 2008 gegeben hat. Hintergrund
war ein Beschluss der VDP-Mitgliederversammlung, nach
dem die bisher bestehenden Grundsätze und Leitlinien des
VDP zusammengefasst und mitsamt einer übergeordneten
Vision als Leitbild veröffentlicht werden sollten. Zu diesem
Zweck hat sich im Dezember 2007 eine Arbeitsgruppe gebildet: In mehreren Treffen haben VDP-Bundevorstandsmitglieder Joachim Böttcher, Michael Büchler und Dr. Dr.
Barb Neumann, die Landesvorsitzende von MecklenburgVorpommern und Landesvorsitzende des VDP Nord, Dr.
Barbara Diekmann, sowie VDP-Bundesgeschäfts- und
Pressestelle einen Entwurf erarbeitet, der dann im April
2008 dem Präsidium zur Abstimmung vorgelegt wurde.
Verabschiedet wurde das Leitbild in der hier abgedruckten
Version. Als Grundsatzpapier ist das VDP-Leitbild auch
unter www.privatschulen.de und in der Bundesgeschäftsstelle erhältlich.
Christiane Witek
Leitbild des Verbands Deutscher Privatschulverbände e.V. (VDP)
Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft
Im Mittelpunkt unseres Handelns steht der Mensch
mit seinem individuellen Recht auf Lebenslanges Lernen. Wir setzen uns für die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein, die es ermöglichen, die Begabung jedes einzelnen Menschen zu erkennen und zu fördern.
Bildung ist die zentrale Schlüsselressource einer modernen Gesellschaft.
Nur durch sie können die gesellschaftlichen Heraus-
14
forderungen der Zukunft gemeistert werden.
Freiheit und Wettbewerb sind in unserer pluralen Gesellschaft die Grundpfeiler einer nachhaltigen Qualitätssicherung von Bildung. Als Qualitätsgemeinschaft bereichern wir die Bildungslandschaft durch innovative
und nachhaltige Bildungsangebote.
Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft sind unverzichtbarer Bestandteil des gesamten Bildungswesens. Die vielfältigen Bildungsangebote unserer Mitglieder mit ihren differenzierten, an den Bedürfnissen
orientierten pädagogischen und weltanschaulichen Profilen sind geeignete Antworten auf die Bildungsherausforderungen unserer Zukunft.
Die zentrale Aufgabe unseres Verbands ist die Sicherung und Stärkung der gesellschaftspolitischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für
das freie Bildungswesen.
Wir sind politischer Akteur und nehmen Stellung zu
bildungspolitischen und gesellschaftlichen Themen.
Wir pflegen einen offenen und konstruktiven Dialog,
insbesondere mit Vertretern von Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung, privaten, staatlichen und kommunalen Einrichtungen sowie der Medien auf nationaler und internationaler Ebene.
Fairness und Kollegialität prägen den Umgang und
die Zusammenarbeit unserer Mitglieder untereinander.
8
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
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Gastkommentar 4 4 4 4
Bildung 2020:
Anforderungen an ein erfolgreiches Bildungssystem
Mit der Globalisierung wächst für die internationale
Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen aufgrund des Fehlens natürlicher Ressourcen die Abhängigkeit von der Ausbildungsqualität der Mitarbeiter.
„Human Ressources“ werden zum Schlüsselfaktor des
wirtschaftlichen Verwertungsprozesses in der „Wissensgesellschaft“. Daher entscheidet mehr denn je die erfolgreiche Integration in das Schulsystem über individuelle Lebenschancen und den Wohlstand der Gesellschaft. Dies ist umso gravierender, da Globalisierung
auch bedeutet, dass sich durch die grenzüberschreitende Mobilität von Individuen die Pluralität der Bevölkerung innerhalb eines Staates erhöht. Die daraus gewachsenen sprachlichen, ethnischen, religiösen, sozialen und kulturellen Unterschiede stellen das deutsche
Bildungssystem vor erhebliche Integrationsprobleme.
Die bestehenden Bildungsstrukturen in Deutschland
scheinen darüber hinaus besonders im Schulbereich
nicht hinreichend geeignet zu sein, die Integrationsprobleme zu lösen: So verließ 2007 rund zehn Prozent
der Schulabgänger in Deutschland die Schule ohne
einen Abschluss. Die Tendenz zur Desintegration im
Schulsystem wird auch durch das schlechte Abschneiden von Schülern aus bildungsferneren Bevölkerungsgruppen bei den internationalen Leistungstests der
OECD bestätigt. Außerdem deutet die starke Abhängigkeit zwischen sozialer Herkunft und Schulabschlussniveau auf die Schwierigkeiten des deutschen Schulsystems hin, auf die Integrationsprobleme angemessen reagieren zu können.
Unter welchen Voraussetzungen könnte sich die
Integrationsleistung des Schulsystems verbessern?
Ausbau des vorschulischen Bereichs als wichtige Herausforderung
der Zukunft.
Quelle: VDP
die Eltern nicht in der Lage sind, ihren Kindern die
erforderlichen Deutschkenntnisse zu vermitteln. Zur
Sicherstellung der Deutschkenntnisse sollte darüber
hinaus eine Kindergartenbesuchspflicht eingeführt werden. Untersuchungen verdeutlichen, dass durch mehr
Wettbewerb im Schulsystem die Schulqualität verbessert werden kann. Davon könnten auch die Kinder mit
Migrationshintergrund und anderer benachteiligter
Gruppen profitieren. Mit der Gewährleistung des schulischen Wettbewerbs ist die Hoffnung verknüpft, dass
sich Schulprogramme durchsetzen, die eine erfolgreiche
Integration sicherstellen. Voraussetzung für diesen qualitätsfördernden Wettbewerb im Schulsystem ist die
finanzielle Gleichstellung von freien und staatlichen
Trägern, die es den Eltern überlässt, eine Schule auszuwählen, die den individuellen Bildungsbedürfnissen
ihrer Kinder entspricht.
Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis
Die Schulpraxis zeigt, dass fehlende Basiskompetenzen bei Schuleintritt im weiteren schulischen Werdegang häufig nicht nachgeholt werden können. Insbesondere die Beherrschung der deutschen Sprache ist indessen für die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht von
Schulbeginn an nicht wegzudenken. Daher sollten
Kinder mit Migrationshintergrund und aus anderen benachteiligten Bevölkerungsgruppen schon im vorschulischen Bereich eine professionelle Unterstützung erhalten, um Sprachdefizite ausgleichen zu können, wenn
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
Jedoch versperrt die derzeitige Rechts- und Gesetzeslage den Strukturwandel im Schulsystem, der für eine
erfolgreiche Integration notwendig ist. Insbesondere die
finanzielle Gleichstellung von staatlichen und freien
Schulen ist bislang nicht rechtlich anerkannt. Schulen in
freier Trägerschaft erhalten keine kostendeckende finanzielle Förderung. Der Staat übernimmt im Durchschnitt
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Gastkommentar $
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nur 60 bis 65 Prozent der realen Kosten, die er für den
einzelnen Schüler einer vergleichbaren staatlichen
Schule ausgibt. Die Finanzierungslücke müssen die
freien Schulen durch – häufig verfassungswidrige, weil
zu hohe – Schulgelder und weitere Eigenleistungen der
Eltern schließen, um ihre Existenz sichern zu können.
Bereits ein Schulgeld in Höhe von 60 Euro bedeutet für
die Mehrzahl der Alleinerziehenden allerdings faktisch
den Ausschluss von dem Besuch einer freien Schule.
Ein fairer Wettbewerb um die besten pädagogischen Lösungen zur Integration von Kindern aus bildungsfernen
Bevölkerungsgruppen findet unter diesen finanziellen
Rahmenbedingungen nicht statt.
Wie müsste ein erfolgreiches Bildungssystem im
Jahr 2020 also aussehen?
1. Bildung im Jahr 2020 stellt bereits vor der Einschulung sicher, dass möglichst alle Schüler schulfähig
sind. Zur Schulfähigkeit gehört der Erwerb grundlegender und allgemeiner Kompetenzen, um am Unterricht erfolgreich teilnehmen zu können. Darunter
Aus den Ländern
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fallen insbesondere Deutschkenntnisse. Der tatsächliche Erwerb der Sprachkompetenzen ist durch die
Verpflichtung zum Besuch einer Kindestagesstätte
rechtlich abgesichert.
2. Bildung im Jahr 2020 stellt die finanzielle Gleichbehandlung von staatlichen und freien Schulen in
der Verfassung sicher, um einen fairen Wettbewerb
um die besten pädagogischen Programme sicherzustellen und um das elterliche Wahlrecht zu gewährleisten.
Dr. Thomas Langer
8
Der Autor ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für
Bildungsforschung und Bildungsrecht (IfBB). Bei dem Text
handelt es sich um eine überarbeitete Fassung des Impulsreferates beim von VDP und dem Katholisch-Sozialen
Institut (KSI) veranstalteten Auftaktworkshop „Bildung
2020 – Humboldts Erben unter dem Druck globaler Effizienz“, der am 21. April 2008 im Veranstaltungszentrum
des KSI in Bad Honnef stattgefunden hat.
Institut für freie Bildung in Niedersachsen gegründet
Auf der Suche nach interessanten Seminaren, qualifiziertem Lehrpersonal oder spannenden pädagogischen
Konzepten in Niedersachsen und Bremen hilft das Institut für freie Bildung (ib) weiter: In dem
neu gegründeten Institut mit Sitz in
Hannover finden Interessierte Wissenswertes und Service rund um das
Themengebiet „Schulen in freier Trägerschaft“: So gibt es neben einer Stelenbörse für Lehrer diverse Beratungsdienstleistungen sowie ein breites
Spektrum an Seminaren und Fortbildungen. Die Gründer haben sich die Förderung der Privatschullandschaft
in Niedersachsen und Bremen auf die Fahnen geschrieben: „Unser Ziel ist die Weiterentwicklung und Förderung der niedersächsischen und bremischen Schulen
und Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft durch
ein qualitativ hochwertiges Fortbildungs- und Beratungsangebot“, erklärt ib-Geschäftsführer Christian
Steege. „Unser Leistungsspektrum ist auf die Belange
aller privaten Schulen, Institutionen und Bildungsträger
abgestimmt sowie auf die Interessen derjenigen Personen, die sich im Bereich des freien Bildungswesens
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engagieren.“
„Wir bieten im Rahmen unserer Seminarwelt für Lehrer und Führungskräfte sowie für Eltern und Schüler
vielfältige Fortbildungen und
Seminare an, in denen Experten
gezielte fachkundige Informationen vermitteln, Unternehmensberater gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern neue
Handlungsfelder erschließen, Referenten zur Erweiterung der pädagogischen, methodischen und persönlichen Kompetenzen beitragen und schließlich zum nachhaltigen
Handeln anregen“, verdeutlicht Heike Thies, die als Geschäftsführerin gemeinsam mit Christian Steege das
Institut leitet. „Ergänzend führen wir Beratungen im
Bereich Schule und Schulgründungen durch und moderieren Veranstaltungen.“
Unter www.institut-freie-bildung.de können Schulen
und Bildungsträger darüber hinaus gezielt Personal akquirieren und erfolgreich Internetwerbung betreiben.
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Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
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Der Pressedienst komplettiert das Angebot des Instituts
für freie Bildung, das in den kommenden Monaten
Stück für Stück aktiviert und weiter ausgebaut werden
wird.
Das Institut für freie Bildung mit Sitz in Hannover ist
eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts des Verbandes
Deutscher Privatschulen Niedersachsen-Bremen e. V.
und der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Nieder-
Aus den Ländern
4444
sachsen e. V. Beide Privatschulverbände engagieren sich
seit Jahrzehnten für die Schulen und Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft und setzen sich für die
qualitative Verbesserung der Lerninhalte und -bedingungen insgesamt ein.
Christian Steege
8
Licht und Schatten im Norden der Republik:
Ersatzschulförderung in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg
Schleswig-Holstein:
„Guter Tag für die Schulen in freier Trägerschaft“
Noch in der Novemberausgabe der FBuE konnte man
von einer nordisch-trüben politischen Wetterlage in
Schleswig-Holstein sprechen: Da Lehrer an den staatlichen Schulen wegen der Kürzung von Einmalzahlungen für Landesbeamte im Jahr 2007 Gehaltskürzungen
hinnehmen mussten, wären die Zuschüsse an die freien
Schulen in diesem Jahr um rund 3,5 Prozent gesunken.
Möglich machte dies eine Änderung des Schulgesetzes
vor gut einem Jahr. Vor diesem Hintergrund hatten die
freien Schulen auf existentielle Finanzprobleme hingewiesen. Noch im Januar sah es so aus, als würde der
FDP-Antrag zur Rücknahme der Finanzkürzungen den
bei großen Koalitionen für Oppositionsanträge typischen Weg gehen. Unerwartet tauchte am Vorabend der
Bildungsausschusssitzung ein finanzieller Mehrbedarf
der dänischen Schulen in den Haushaltsbüchern auf.
Am 27. Februar vermeldete der Kieler Landtag dann,
die Landeszuschüsse seien gesichert. Rund 2,3
Millionen Euro werden hierfür durch Auflösung von
Rückstellungen des Bildungsministeriums zur
Verfügung gestellt, von denen allein 1,7 Millionen an
die dänischen Schulen fließen.
Politiker aller Fraktionen feierten den Beschluss als
„guten Tag für die deutschen Schulen in freier Trägerschaft“ und unterstützen die Forderung der Verbände
nach einer auf lange Sicht tragfähigen Neuregelung, die
im Rahmen der anstehenden Debatte um den
Doppelhaushalt 2009/2010 gefunden werden soll. Nur
Koalitionspartner SPD relativiert: Zwar bezeichnet Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave die Gesetzesände-
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
rung als „deutliches Signal an die freien Schulen“.
Zugleich aber schlägt der bildungspolitische Sprecher
der SPD vor, Eltern, die sich für eine Privatschule mit
einer besonderen pädagogischen Ausrichtung interessieren, könnten ihr Kind auch an eine öffentliche
Schule schicken. Und eine Pressemeldung der SPDFraktion vermeldet: „Die Zuschüsse an die freien Schulen werden gegenfinanziert durch die Absenkung der
Bezüge der verbeamteten Lehrer.“ Fortsetzung folgt.
Mecklenburg-Vorpommern:
Höhere Akzeptanz, aber gesetzlicher Nachholbedarf
Im Widerspruch zum Bismarck-Zitat „Wenn die Welt
untergeht, so ziehe ich nach Mecklenburg, denn dort
geschieht alles 50 Jahre später“ hat sich die Akzeptanz
der freien Schulen „als zweite, gleichberechtigte Säule
des öffentlichen Bildungswesens“ (Bildungsminister
Henry Tesch, CDU, am 30. Januar 2008 im Schweriner
Landtag) seit der Landtagswahl im Oktober 2006 deutlich erhöht. Gemessen werden solche Worte an den gesetzlichen Rahmenbedingungen – und hier zeigt sich
noch immer Nachholbedarf. Schon der Anlass der oben
zitierten Rede irritiert: ein Antrag der Regierungsfraktionen von CDU und SPD, die Einbindung von Ersatzschulen in die Schulentwicklungsplanung sowie die
externe Evaluation der Schulen zu prüfen. Hinter dem
Antrag steckt ein vermeintlicher „Gründungsboom“
durch Elterninitiativen, verursacht durch Schulschließungen und mangelnde Kommunikation zwischen
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Aus den Ländern
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Landkreisen, Kommunen und Bürgern. So betont auch
Bildungsminister Tesch, man müsse zwischen etablierten Bildungsträgern, die „staatlichen Schulen oft einen
Schritt voraus sind“, und solchen unterscheiden, deren
Zweck die Vermeidung langer Schulwege sei. Dahinter
verbirgt sich ein schwerwiegendes Problem des Bildungsministeriums, das zugleich Aufsichtsbehörde für
freie Schulen und Hüter des (faktischen) staatlichen
Schulmonopols ist: Die Behörde hat Privatschulen zu
genehmigen, auch wenn diese die Schulentwicklungsplanungen der Landkreise unterlaufen. Diese üben öffentlichen und politischen Druck aus. Denn es lässt sich
schwer argumentieren, dass staatliche Schulen aufgrund
schwindender Schülerzahlen geschlossen werden, wenn
am gleichen Standort ein freier Träger beweist, dass
eine Schule auch mit weniger Schülern und weniger
Geld erfolgreich betrieben werden kann. Auch haben
viele Kommunen die standortpolitische Bedeutung
einer Schule erkannt. Wehren sie sich zunächst gegen
die Schließung der staatlichen Schule, so unterstützen
sie nach deren Schließung zu Recht die Ansiedlung
eines freien Trägers. Als Antwort darauf hat sich das
Genehmigungsverfahren inzwischen spürbar verschärft.
Auf diesem Wege soll eine Auslese der Antragssteller
stattfinden: Elterninitiative oder bildungserfahrener
Träger? Vermeidung von Schulwegzeiten oder nachhaltiges pädagogisches Interesse?
Mit dem Konzept der „selbstständigen Schule in
Mecklenburg-Vorpommern“ sollen auch die Innovationspotenziale staatlicher Schulen besser nutzbar werden. Ein genauer Blick offenbart die oben skizzierte
standortpolitische Komponente. So führt die Reform
der Stundenzuweisung zwar zu „gerechteren“ Ergebnissen im Hinblick auf die Zahl der Schüler pro Klassen- bzw. Jahrgangstufe, da mit Einführung der schülerbezogenen Stundenzuweisung die Bildung von Klassen
flexibilisiert und Mindestklassengrößen abgeschafft
werden. Gleichzeitig plant das Bildungsministerium jedoch einen auf Jahrgangs- und Schulmindestschülerzahlen basierenden Berechnungssockel. Dieser wirkt
sich bei kleineren Standorten nachteilig auf die Ersatzschulförderung aus. VDP und AGFS lehnen diese
Ungleichbehandlung als rein fiskalische und strukturpolitische Maßnahme ab. Denn eine Umsetzung des Vorhabens bedeutet, dass Neugründungen, die aufgrund
der Wartefristregelung gezwungen werden, den Schulbetrieb mit wenigen Klassenstufen und Schülern aufzunehmen, über Jahre hinaus finanziell benachteiligt oder
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ganz verhindert werden.
Beunruhigend sind die jüngsten Pläne der Landesregierung zur Neuregelung der Ersatzschulförderung.
Nach Plänen des Bildungsministeriums sollen die Mittel für die gemeinnützigen Ersatzschulträger ab 2010 um
2,5 Millionen Euro, ab 2011 dann um sechs Millionen
Euro jährlich gekürzt werden. Würden diese Pläne umgesetzt, hätte das nicht nur erhebliche Auswirkungen
auf Neugründungen, die verhindert werden würden.
Auch bereits bestehenden kleinen Schulstandorten, vor
allem im ländlichen Bereich, könnte die Schließung
drohen. Wenn aber selbst private und kirchliche Schulträger unter diesen Bedingungen eine wohnortnahe
Schule nicht mehr wirtschaftlich betreiben können, wird
das das Problem der Abwanderung gerade junger Familien weiter verstärken. Würde die Landesregierung den
Elternwillen ernst nehmen und demografischen Entwicklungen entgegentreten, müsste sie Kommunen und
gemeinnützige Träger stärken und Schülerkosten als Investitionen begreifen.
Hamburg:
Grundsätzliche Bewährung des Privatschulgesetzes
Das von der Hamburger Bürgerschaft im Jahr 2003
beschlossene Privatschulgesetz hat sich im Grundsatz
bewährt. Dennoch gibt es auch hier Probleme bei der
Umsetzung, die die Arbeitsgemeinschaft freier Schulen
zum Anlass nimmt, Nachbesserungen zu fordern. Hierbei geht es zum einen um die ständige Verteidigung der
freiheitlichen Komponente der Privatschulgarantie,
nämlich die mit Blick auf die konzeptionellen und weltanschaulichen Besonderheiten schwierige Einbeziehung
der Ersatzschulen in Vergleichsarbeiten, Evaluationen
und Zentralprüfungen. Auch die konkrete Berechnung
der Ersatzschulförderung birgt im Detail Anlass zur
Kritik. Entsprechend der Kompensationspflicht (BVerfG
75, 40, 66) müsste die Finanzhilfe an die laufende Kostenentwicklung des staatlichen Schulwesens angepasst
werden. Durch das Heranziehen von Haushaltsplanzahlen aus dem Vorjahr des Bewilligungsjahres und Personalkosten aus dem Vor-Vorjahr erreichen Anhebungen
der Bildungsstandards und Investitionen in das staatliche Schulwesen die freien Schulen allerdings nur zeitverzögert, obwohl aktuelle Zahlen zur Verfügung stehen. Bestimmte Kosten des staatlichen Schulwesens
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Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
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werden gar nicht abgebildet. Die Behörde rechnet ja
schließlich für die eigenen Schulen und nicht für die förderfähigen Ersatzschulen als Adressaten des Finanzhilfeanspruchs. Dennoch hat das Hamburger Modell in
vielen Punkten Vorbildcharakter, sowohl im Hinblick
Aus den Ländern
4444
auf die Gesetzeslage als auch mit Blick auf die privatschulpolitische Stimmung.
Christian Schneider
8
Gründung von Grundschulen in freier Trägerschaft –
nicht Ursache mit Wirkung verwechseln
Kürzlich wurde unter der
Drucksachen-Nr. 16/7659 die
Antwort der Bundesregierung
auf eine Kleine Anfrage der
FDP veröffentlicht, Thema war
die Zulassung von Schulen in
freier Trägerschaft in Deutschland. Die FDP wollte in ihrer
Anfrage unter anderem wissen,
inwiefern die Regelung des
Artikel 7 Absatz 5 GG, wonach
die Unterrichtsverwaltung ein
besonderes pädagogisches Interesse als Voraussetzung für die
Genehmigung von Grundschulen in freier Trägerschaft anerkennen muss, noch gerechtfertigt ist. In ihrer Antwort verweist die Bundesregierung auf
den Sinn des Artikels, der daFrühe Förderung ist bei der Vermittelung erster Bildungsinhalte wichtig.
Quelle: VDP
rin bestehe, „die gesellschaftliche Integration von Kindern in den ersten Lebensjahren
Besonderes pädagogisches Interesse
in der Schule besonders zu sichern und eine Sonderung
zum „Spartarif“?
der Schüler nach dem Sozialstatus zu vermeiden“.
Leider wird bei dieser Argumentation folgendes verDas Gründen einer Schule in freier Trägerschaft in
kannt: Häufig sehen sich Schulen in freier Trägerschaft
Deutschland ist nicht einfach: Die staatliche Finanzhilfe
mit dem Vorwurf konfrontiert, eine gesellschaftliche Inbeträgt pro Schüler meist nur 50 bis 70 Prozent des Betegration der Kinder durch das Erheben von Schulgeltrages, der von den Ländern für einen vergleichbaren
dern zu verhindern und mit ihrem Bildungsangebot nur
Schüler einer staatlichen Schule aufgebracht wird. Und
eine bestimmte, besonders zahlungskräftige Klientel
das nicht einmal von Anfang an: Es kommt nämlich
ansprechen zu wollen. Übersehen werden dabei jedoch
erschwerend hinzu, dass die freien Grundschulen – häuoftmals die gravierenden Finanzierungsmängel, die sich
fig in Trägerschaft privater Elterninitiativen – mehrjähriaus der Differenz nicht ausreichender staatlicher Zuge Wartefristen ohne Landeszuschüsse überstehen müsschüsse einerseits und den Kosten eines innovativen
sen, bevor sie überhaupt in den Genuss der staatlichen
pädagogischen Angebots andererseits ergeben und die
Förderung gelangen. Zudem sind die Grundschulen
das Erheben von – teilweise nicht unerheblichen –
Schulgeldern unabdingbar machen.
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Aus den Ländern
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aufgrund der oben genannten Sonderregelung dazu verpflichtet, ein „besonderes pädagogisches Interesse“ als
Gründungsvoraussetzung nachzuweisen. Um diesen
Nachweis zu erbringen, müssen sie deutlich andere – oft
auch kostspieligere – pädagogische Wege gehen als ihre
staatlichen Pendants. Konkret heißt dies beispielsweise,
dass die Lehrer an freien Grundschulen je nach fachlichem Profil pädagogische Zusatzqualifikationen erwerben müssen, deren Kosten gleichfalls nicht durch die
öffentliche Hand gedeckt werden. Das Erheben von
Schulgeldern in nicht wünschenswerter Höhe ist daher
die logische Konsequenz und insofern nicht Ursache,
sondern Folge einer landespolitischen Regelung, die
doch eigentlich die soziale Selektion durch das zwangsläufige Erheben von Schulgeldern verhindern soll.
Sie stellt so ein selten eindringliches Beispiel dafür
dar, wie Anspruch und Wirklichkeit in manchen Fällen
auseinander driften können.
Ein gutes Beispiel für Bildungsgerechtigkeit:
Förderung von Kindertageseinrichtungen
Das es auch anders und vor allem besser gehen kann,
zeigt ein Blick in den vorschulischen Bildungsbereich
des Landes Sachsen-Anhalt: Über 95 Prozent aller Kinder besuchen in Sachsen-Anhalt spätestens im letzten
Jahr vor dem Eintritt in die Grundschule Kindertagesstätten, in denen in zunehmendem Maße erste Bildungsinhalte und -kompetenzen vermittelt werden. Bemerkenswert dabei: Das Land finanziert diese Kindertageseinrichtungen durch eine direkte kinderbezogene
Unterstützung, und zwar unabhängig von ihrer Trägerschaft. Mittlerweile befinden sich mehr als die Hälfte
aller Einrichtungen in freier Trägerschaft. Das Angebot
für die Eltern, die so ein tatsächliches Wahlrecht haben,
ist auf diese Weise deutlich vielfältiger geworden – auch
die Qualität der kommunalen Einrichtungen ist nach
Einschätzung von Experten aufgrund des eingetretenen
Wettbewerbs weiter gestiegen. Ebenfalls unabhängig
davon, ob es sich bei der Kindertageseinrichtung um
eine staatliche oder eine private handelt, ist die zusätzliche Förderung von einkommensschwächeren Familien
durch die öffentliche Hand.
Vom Erfolg dieses Modells überzeugt, wird derzeit in
Sachsen-Anhalt darüber diskutiert, ob es nicht zur besseren Schulvorbereitung sinnvoll wäre, eine verpflichtende Nutzung dieser Einrichtungen für alle Kinder im
letzten Jahr vor dem Schuleintritt gesetzlich vorzu-
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schreiben und deshalb diesen Zeitraum für die
Kindeseltern beitragsfrei zu stellen. Würde dieses
System auch auf freie Grundschulen angewendet werden, wäre der verfassungsrechtliche Anspruch der gesellschaftlichen Integration gewährleistet. Warum dennoch ab Beginn der Grundschule mit unterschiedlichem
Maß gewogen wird, ist gerade vor dem Hintergrund des
erfolgreichen Modells der Kindertageseinrichtungen in
Sachsen-Anhalt nur schwer nachzuvollziehen. Es stellt
sich die Frage, ob dies unter anderem mit der Lehrkräftesituation in Sachsen-Anhalt zusammenhängt: So
kommt derzeit ein gleichbleibender Anteil an Lehrkräften auf eine im Verhältnis geringere Anzahl vorhandener Stellen an staatlichen Schulen. Jede neue Privatschule, die gegründet werden würde, so die Sorge der
Privatschulkritiker, verschärfe dieses Problem noch. Vor
dem Hintergrund, dass sich die Lehrkräfte staatlicher
Schulen in der Regel in einem Beschäftigungsverhältnis
mit den Bundesländern befinden, die gleichzeitig für die
Genehmigung und Aufsicht der Schulen in freier Trägerschaft zuständig sind, neigt man dazu, sich die Gründe für die Ungleichbehandlung analog zu der beschriebenen Situation zu erklären.
Lösung des Dilemmas
Die Länder haben es selbst in der Hand, mithilfe
einer Finanzierung nach gleichen Prinzipien dafür zu
sorgen, dass jedem Schüler jede Schule offensteht, und
zwar unabhängig vom finanziellen Hintergrund der
Eltern. Würde zusätzlich der inzwischen antiquiert erscheinende Absatz 5 des Artikels 7 aus dem Grundgesetz gestrichen werden, ließe sich das Erfolgsmodell
„Kindertagesstätten“ problemlos auch auf die Grundschulen übertragen, zumal engagierte freie Schulträger
auch ohne gesetzliche Regelungen stets darum bemüht
sein werden, nach neuesten innovativen pädagogischen
Konzepten zu suchen und diese zum Wohle ihrer Schüler auch in die Praxis umzusetzen.
Jürgen Banse
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VDP mit neuem Namen
Der VDP-Bundesverband trägt
jetzt auch in seinem Logo den neuen Namen „Verband Deutscher Privatschulverbände e.V.“ Die Namensänderung, die auf einen Beschluss der VDP-Mitgliederversammlung zurückgeht, findet so ih-
Aus dem Verband 4 4 4 4
re konsequente Umsetzung auch im
Corporate Design des Verbands,
der seit dem 1. Februar offiziell in
Berlin arbeitet. Mit Sitz im Regierungsviertel und damit in unmittelbarer Nähe zu Ministerien und Abgeordnetenbüros ist die Bundesgeschäftsstelle seither in der Hauptstadt präsent und hat die politi-
schen und wirtschaftlichen Kontakte des VDP weiter ausbauen können. Unter [email protected]
oder 0 30 - 28 44 50 88 - 0 stehen die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Geschäftsstelle den VDP-Mitgliedern und der Öffentlichkeit für
Fragen und Auskünfte zur Verfügung.
(cw)
Gelungene Veranstaltung: Neujahrsempfang des VDP
Prominente Gastredner, die Bekanntgabe und Veröffentlichung
der „Berliner Erklärung“ und ein talentierter Kinderchor machten den
ersten Neujahrsempfang des Verbands Deutscher Privatschulverbände e.V. (VDP) zu einer gelungenen
Veranstaltung. Am 13. Februar hatte der Verband Vertreter aller Fraktionen im Bundestag und verschiedener Verbände, Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie die
Geschäftsführer und Vorsitzenden
der VDP-Landesverbände in die
Bundesgeschäftsstelle nach Berlin
eingeladen, um unter dem Motto
„Forum Freie Bildung“ zu Gesprächen und Diskussionen rund um
das Thema Bildung anzuregen. Mit
einer kurzen Ansprache eröffnete
VDP-Präsident Michael Büchler
den Abend und begrüßte die beiden
Ehrengäste, den Botschafter von
Finnland in Deutschland, René Nyberg, und den Präsidenten der
Freien Universität Berlin, Prof. Dr.
Dieter Lenzen. Außerdem stellte
Büchler den Anwesenden die „Fünf
Thesen zur Zukunft der Bildung in
Deutschland“ vor: Diese fassen in
Form der Berliner Erklärung die
Forderungen des VDP nach verstärkten Investitionen in Bildung
und Maßnahmen des Lebenslangen
Lernens sowie nach einer allgemeinen Zugänglichkeit von Bildungs-
Botschafter R. Nyberg erläutert das finnische Schulsystem.
Quelle: VDP
angeboten und größeren Freiräumen für Bildungseinrichtungen bei
gleichzeitiger Festlegung von Abschlussstandards zusammen.
Interessante Informationen rund
um die Themen Lernen und Bildung gaben die beiden Ehrengäste
mit ihren Grußworten und lieferten
den über 80 Gästen so wertvolle
Gesprächsimpulse. Mit seinem Beitrag zum Bildungskonzept des PISA-Siegerlandes Finnland gewährte
Nyberg einen spannenden Einblick
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
in das Erfolgsrezept des finnischen
Schulsystems und sorgte mit aktuellen Ausführungen zu Lehrerausbildung und -situation in Finnland
für eine anregende Diskussionsgrundlage. Auch FU-Präsident Lenzen, der mit seinem Beitrag „Exzellente Bildung im Zeitalter der Globalisierung“ aktuelle Trends und
Entwicklungen, insbesondere in der
Hochschullandschaft, sowie die
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Bei Büfett und Getränken klang der Abend aus.
Quelle: VDP
Wichtigkeit des Lebenslangen Lernens in den Vordergrund stellte,
trug mit wichtigen Anstößen zum
intensiven Austausch der Teilneh-
Die Redner lieferten wertvolle Gesprächsimpulse und sorgten für
anregende Diskussionen.
Quelle: VDP
mer bei. Moderiert wurde der
Abend von Tagesspiegel-Redakteurin Susanne Vieth-Entus, eine musikalische Darbietung des Klax-
Grundschulchors rundete das Programm ab.
(cw)
„Türkische“ Schulen als Integrationmodell? Interview mit Seyitahmed Tokmak,
Geschäftsführer des Privatgymnasiums Dialog in Köln
FBuE: Herr Tokmak, die Debatte
um Einbürgerungstests, Integrationsbemühungen und das Bestehen von
Parallelgesellschaften taucht so kontinuierlich wie kaum ein anderes Thema
in den Medien auf. Um Integration
gelingen zu lassen, ist gute Bildung
wesentlich, darin sind sich alle einig.
Vor diesem Hintergrund ist Ihr „türkisches“ Gymnasium ein äußerst innovatives und erfolgversprechendes Modell: Vom Türkisch-Deutschen Akademischen Bund (TDAB e.V.) getragen,
dessen Mitglieder mehrheitlich Akademiker mit Migrationshintergrund waren, hat Ihre Schule ihr „erstes Schuljahr“ erfolgreich gemeistert. Mittlerweile entstehen in anderen Städten
ebenfalls Schulen, die Ihrem Konzept
ähneln. Sind Sie ein Trendsetter, oder
gab es einen konkreten Bedarf, der Sie
und Ihre Mitstreiter zur Schulgründung bewogen hat?
22
Das Kölner Privatgymnasium Dialog.
Tokmak: Die jahrelange Arbeit im
Bereich der Bildung und Erziehung
hat viele Mitglieder des Vereins
TDAB – mehrheitlich bildungsnahe, junge und weltoffenen Familien
Quelle: Privatgymnasium Dialog, Köln
– dazu bewogen, sich konkret über
eine Schulgründung Gedanken zu
machen: Bereits seit 1998 betreibt
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der TDAB in eigenen Bildungszentren Nachhilfekurse und Hausaufgabenbetreuung mit dem Ziel, die
integrative Erziehung und Bildung
der Jugendlichen und ihre Vorbereitung auf die Herausforderungen
der Zukunft zu gewährleisten.
Denn Bildung ist für uns ein
wesentlicher Bestandteil der Integrationsarbeit. So wurde also im
Jahre 2005 der Antrag zur Betriebsgenehmigung einer staatlich anerkannten Ersatzschule in Form eines
Gymnasiums an die Bezirksregierung Köln gestellt und am 16. Mai
2007 genehmigt.
FBuE: Medien berichten gern über
Sie als „Schule für das türkische Bildungsbürgertum“ (Die Zeit, 9. August
2007), in der Türkisch als Pflichtfach
ab der 5. Klasse angeboten wird. Was
meint es eigentlich, eine „türkische
Schule“ zu sein? Wie sieht Ihr Lehrplan aus?
Tokmak: Das Privatgymnasium
Dialog (PGD) ist nicht als eine
„türkische Schule“ konzipiert. Da
der Schwerpunkt des PGD auf den
Sprachen liegt, versteht sich unsere
Schule eher als international ausgerichtet. Das Lehrpersonal ist mehrheitlich deutscher Herkunft, die
Umgangs- und Unterrichtssprache
ist ebenfalls Deutsch. Am PGD gelten darüber hinaus uneingeschränkt
die Richtlinien, Lehrpläne und sonstige Unterrichtsvorgaben für Gymnasien in Nordrhein-Westfalen, die
vom Ministerium für Schule und
Weiterbildung NRW erlassen werden.
FBuE: Wie sieht der Unterrichtsalltag aus, und welche Kosten fallen dafür an?
Tokmak: Der sogenannte Regelunterrichtsumfang von 32 Stunden
am Vormittag gemäß Lehrplan von
NRW ist entgeltlos, da er bereits
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Kleine Klassen und gute Förderung am Privatgymnasium Dialog.
Quelle: Privatgymnasium Dialog, Köln
durch die Refinanzierung des Landes berücksichtigt ist. Daneben bieten wir allerdings sowohl Mittagsverpflegung als auch Nachmittagsbetreuung inklusive Hausaufgabenförderung an: Hierfür fallen pro
Kind monatlich 180,- Euro an. Konzeptionell verpflichten sich die Kinder zum Besuch der Ganztagsbetreuung bis 18.00 Uhr. Darin sind
viersprachige Theater-AG’s, ein
Schulchor oder Förderunterricht in
Deutsch und Englisch genauso enthalten wie Zeitungs-, Computerund Naturwissenschafts-AG´s in
moderner Schuleinrichtung. Die
Klassenstärke ist bewusst auf maximal 26 Schüler pro Klasse beschränkt, und die Kinder können
ihre Schulranzen in Schließfächern
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
in der Schule lassen.
FBuE: Wie kommt Ihr Engagement
in der Umgebung an? Werden Sie positiv wahrgenommen?
Tokmak: Die Wahrnehmung der
Schule ist positiv. Wir wirken in vielen Gremien und Vereinen in unserem Stadtteil und in der Umgebung
mit. Wir versuchen gemeinsam, an
Lösungen raumplanerischer, sozialer, wirtschaftlicher und bildungspolitischer Probleme mitzuarbeiten.
FBuE: Wie setzt sich Ihre Schülerschaft zusammen, oder, provokativ
gefragt, ist Ihr Gymnasium auch für
Menschen ohne Migrationshintergrund attraktiv?
Tokmak: Unsere Schülerschaft
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setzt sich derzeit vermehrt aus Kindern türkischer Herkunft zusammen, die Lehrerschaft besteht momentan aus sechs deutschen Lehrern und einer Lehrerin mit türkischem Hintergrund und deutschem
Bildungsweg. Interessierte Eltern
müssen dem Gymnasium also
einen Vertrauensvorschuss geben.
Das fällt der Bevölkerung mit türkischen Bezügen leichter, da diese die
gute Arbeit des TDAB schon kennt.
Bei anderen Bevölkerungsgruppen
müssen wir uns dieses Vertrauen
erst noch erarbeiten, auch wenn unsere Konzeption schon jetzt auf viel
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Interesse stößt. Wir bieten den
Schülerinnen und Schülern echten
Ganztagsunterricht, und durch unser ganzheitliches Konzept erlangen
sie zudem eine umfassende soziale
Kompetenz: Ihre sprachlichen Fähigkeiten werden in vielfältiger
Weise gefördert, sie erarbeiten sich
in der Gruppe verschiedene Lerntechniken, sie erfahren sportliche
und künstlerische Förderung. Im
Ergebnis führt das zu aufgeschlossenen, interessierten und gebildeten Schülerinnen und Schülern.
Wir sind fest davon überzeugt, dass
diese Konzeption vermehrt auch
bei deutschstämmigen Familien Interesse finden wird.
FBuE: Herr Tokmak, wenn Sie drei
Wünsche frei hätten: Was würden Sie
sich für die deutsche Bildungslandschaft der Zukunft wünschen?
Tokmak: Attraktive Angebote,
Schüler- statt Systemorientierung
und mehr Flexibilität.
FBuE: Herr Tokmak, wir danken
Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Christiane
Witek, VDP-Pressesprecherin.
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Nicht nur wissen, sondern können:
Vermittlung berufspraktischer Qualifikationen in der schulischen Ausbildung
In Zeiten von Fachkräftemangel
und einer Vernetzung der Märkte
ist die Verbindung theoretischer
burg, die Studiengänge im Bereich
Tourismus- und Veranstaltungsmanagement anbietet, haben das früh
Motto der Schülerinnen und Schüler der Angell Akademie in Freiburg: Think globally.
Quelle: Angell Akademie, Freiburg
Kenntnisse und fachspezifischer
Kompetenz in der Ausbildung
gefragt. Freie Bildungseinrichtungen wie die Angell Akademie Frei-
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erkannt und setzen daher seit jeher
auf die Vermittlung berufsspezifischer Kompetenzen, die sich an den
aktuellen Erfordernissen orientie-
ren. „Unsere Absolventen sollen
nicht nur theoretisch wissen, sondern auch können, was sie später im
Berufsleben brauchen“, lautet das
Credo von Akademieleiterin Antoinette Klute-Wetterauer. Sie hat die
Angell Akademie Freiburg für Tourismus und Event in den letzten 20
Jahren aufgebaut und von Anfang
an dafür gesorgt, dass die Absolventen aktuell gefragte berufspraktische Kompetenzen und Qualifikationen mit auf den Weg bekommen.
„Wir müssen uns und unsere Ausbildungen daran messen lassen, ob
unsere Absolventen später im Beruf
erfolgreich sind“, so Klute-Wetterauer. Dass die Akademie mit diesem Konzept auf dem richtigen
Weg ist, zeigt ein Blick in ihr Alumni-Register: Mehr als 1.200 Absolventen sind auf allen fünf Kontinenten tätig. Und auch die große
Nachfrage nach Ausbildungs- und
Studienplätzen spricht für das Erfolgsrezept in Freiburg.
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Aus dem Verband 4
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Das 3-2-1-Modell:
Weiterstudieren oder Berufseinstieg?
Bei der permanenten Weiterentwicklung des Studienangebots gehen die Freiburger innovative Wege: So hat die Akademie in den
letzten Jahren im Verbund mit der
Angell Business School Freiburg
ein Stufensystem entwickelt, das
unter dem Motto „Drei Jahre, drei
Berufsabschlüsse“ laufen könnte.
Nach jedem Jahr wird ein staatlich
anerkannter Abschluss gemacht, so
dass die Studierenden jeweils neu
entscheiden können: Weiterstudium oder Berufseinstieg? Neu ist ab
September der zweijährige Ausbildungsgang zum Assistenten im Hotelmanagement, der mit einem sogenannten Top-Up-Jahr zum ebenfalls neuen Bachelor in Tourism/
Hospitality Management führt.
Flexibel reagieren auf die Anforderungen der Gesellschaft
Markus Herzberg und Christian Kopp bei der Planung einer Hotel-Lounge.
Quelle: Angell Akademie, Freiburg
Wissen im Praxistest:
Zum Beispiel die Erarbeitung einer Hotel-Lounge
Markus Herzberg (20) und Christian Kopp (21), Studierende der
Gerade Bildungseinrichtungen in
freier Trägerschaft gelingt es zudem
immer wieder, mit ihrem Ausbildungsangebot flexibel und schnell
auf Anforderungen aus Wirtschaft
und Gesellschaft reagieren zu können: Mit Berufen wie dem des Assistenten im Hotelmanagement antworten Einrichtungen wie die Angell Akademie Freiburg auf die
aktuelle Nachfrage von Unternehmen. Kurze Ausbildungszeiten sind
dabei das A und O: So befähigt die
zweijährige Ausbildung die Absolventen unter anderem, bei unternehmerischen Entscheidungen, im
Marketing und Verkauf und bei der
Kostenkalkulation und der inhaltlichen Weiterentwicklung des Unternehmens mitzuwirken – die Per-
Angell Akademie Freiburg, haben in einem Praxisprojekt für das Hotel Victoria in Freiburg ein neues Lounge-Konzept erarbeitet und umgesetzt. In nur vier Wochen haben sie dem alten Gewölbekeller ein
modernes Image als „Smoker Lounge“ verliehen. Herzberg und Kopp
entwarfen Flyer, Plakate und die Website, kümmerten sich um die
Kalkulation, sorgten für die Bestellungen und programmierten die
Musik- und Lichtanlage. „Wir hatten total viele Ideen. Das war natürlich eine tolle Möglichkeit zu zeigen, was wir können, und uns eine
Referenz für später zu erarbeiten“, berichten die beiden jungen
Tourismusfachleute.
spektive, später einmal selbst als
Manager eines Hotels oder eines
anderen touristischen Unternehmens zu arbeiten, haben die Absolventen dabei fest vor Augen.
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
Weitere Informationen:
www.angell.de
(iw)
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Chancen eröffnen – für einen Internatsbesuch gibt es viele gute Gründe
Nach einer Befragung des Instituts
für
Schulentwicklungsforschung
(IFS) mit dem Titel „Die Schule im
Spiegel der öffentlichen Meinung“
aus dem Jahre 2004 streben 45 Pro-
Aktuelle Wahrnehmung der
Internate in der Öffentlichkeit
In Deutschland gibt es über 250
qualitativ sehr unterschiedliche Ein-
Fachkundige Beratung sorgt für einen ersten Überblick.
.
zent der Eltern das Abitur für ihr
Kind an. In Westdeutschland wünschen sich 35 Prozent und in Ostdeutschland 20 Prozent der Eltern
einen Universitätsabschluss für ihr
Kind – Tendenz steigend. Dieser
Trend ist sicherlich auch auf die derzeitig geführte mediale Debatte um
die Themen Schulqualität und Zukunftschancen zurückzuführen. 70
Prozent der befragten Eltern schätzen nach der vorgenannten Studie
die Reaktionen der Bildungspolitik
auf die PISA-Studien mit schlecht
bis sehr schlecht ein. Nur 10 Prozent der Eltern sind mit den Leistungen der staatlichen Schulen zufrieden.
26
Quelle: VDP Internatsberatung
richtungen, welche unter dem Begriff „Internat“ geführt werden.
In der Vergangenheit verklärten
einige Vorurteile in Bezug auf das
Internat den Blick auf die Realitäten. Dies führt auch heute noch
teilweise zu Vorbehalten bei Eltern
und Kindern und der politischen
Öffentlichkeit gegenüber dem Internatsbesuch.
Aktuell gibt es eine Tendenz hin
zu staatlichen und privaten Ganztagsschulen – teilweise auch mit Internat. Der Besuch gerade von angelsächsischen Internaten steht bei
Eltern und Kindern aufgrund der
Möglichkeit des Erwerbs von notwendiger Sprachen- und Kultur-
kompetenz immer höher im Kurs.
Dabei gibt es gerade in Deutschland
eine lange und erfolgreiche Internatstradition mit einer zunehmend
internationalen Klientel.
Im direkten Vergleich zu staatlichen Schulen werden Internate regelmäßig hinsichtlich der gezielten
schulischen Begleitung aufgrund
geringerer Klassengröße sowie der
individuelleren und spezielleren
Förderung besser von Eltern und
Kindern wahrgenommen. Hier
spielt die große Vielzahl der pädagogischen Ansätze in den Internatsschulen eine zentrale Rolle.
Auch hinsichtlich der Ganztagsbetreuung werden Internatsschulen
positiver als ihr staatliches Pendant
gesehen. Letzteres liegt auch daran,
dass zumeist echter und verbindlicher Ganztagsunterricht und nicht
lediglich eine Betreuung der Kinder
und Jugendlichen am Nachmittag
angeboten wird, wie zum Beispiel
bei offenen Ganztagsschulprogrammen in einigen Bundesländern.
Die Lehrkräfte werden an Internaten besser beurteilt, da sie an der
jeweiligen Schülervita wirklich interessiert sind, sich hiermit identifizieren und in der Regel in der Lage
sind, ein lernförderndes Schulklima
zu schaffen. Internaten wird daneben ein deutlich größeres Angebot
an Exklusivsportarten zugesprochen. Auch die zeitgemäße Ausstattung, die Berufsorientierung und
das immer wichtigere „Networking“
werden von den „Kunden“ als positiver Faktor benannt.
Letztlich ist auch die positive Dynamik der Gemeinschaft im Internat als ein zentraler Vorteil zu nen-
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nen. Hier werden die aus Sicht der
Wirtschaft immer wichtigeren
menhang zunehmend der Leitsatz
„hard is soft“. Die Lernfähigkeit
wurde daher zuletzt auch von den
weichen Faktoren und der sogenannten emotionalen Intelligenz in
Umfragen von ihrem Spitzenplatz
abgelöst. Und nicht zuletzt stehen
Internate häufig auch für eine ganzheitliche Bildung und Erziehung.
Internatsberatung der Qualitätsgemeinschaft im Verband Deutscher Privatschulen (VDP)
Individuelle Förderung wird an Internaten
großgeschrieben.
Quelle: VDP Internatsberatung
„Softskills“ (Team- und Kommunikationsfähigkeit) geschult und gelebt. Für (international tätige) Unternehmen gilt in diesem Zusam-
Interessierten Eltern und Schülern bietet die VDP Internatsberatung als Qualitätsgemeinschaft mit
internatserfahrenen Beratern deshalb die Möglichkeit, sich aus erster
Hand über das vielfältige Angebot
und die besonderen Möglichkeiten
der VDP-Internate zu informieren.
Bundesweit angebotene Internatsberatungstage komplettieren das
spezielle und zudem stets provi-
Aus dem Verband 4
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sionsfreie Beratungsangebot. Natürlich ist jedes unserer Internate
auch gerne bereit, Interessierte auf
Anfrage unmittelbar und persönlich
zu beraten sowie unverbindlich
einen Besuchstermin mit den Eltern und Kindern zu vereinbaren.
(fri)
VDP
INTERNATSBERATUNG
Internate der Qualitätsgemeinschaft im Verband Deutscher
Privatschulverbände e.V. (VDP)
Beratungszentrale Düsseldorf
Kronprinzenstraße 82 - 84
40217 Düsseldorf
Tel: 0211-544 234 0
E-Mail: [email protected]
Internet: www.internatswelten.de
Internatsberater und Sprecher:
RA Roman Friemel
Über 200 Teilnehmer beim VDP-Bundeskongress 2007 in Hannover
Über 200 Teilnehmer machten
den VDP-Bundeskongress 2007 in
der niedersächsischen Landeshauptstadt zu einem vollen Erfolg.
Neben Privatschulvertretern aus der
gesamten Bundesrepublik sorgten
renommierte Wissenschaftler und
Politiker aller im niedersächsischen
Landtag vertretenen Parteien für
anregende Diskussionen und einen
gelungenen fachlichen Austausch.
Im Mittelpunkt des Kongresses
stand die Debatte um die Benachteiligung des Privatschulwesens von
Seiten des Staates. Angesichts finanzieller und bürokratischer Hürden, die die Gründungen freier Bildungseinrichtungen oftmals erschwerten, forderte der Verband
bessere Startbedingungen und
mehr finanzielle Hilfe vom Staat für
freie Schulen. Das sei nötig, um auf
die hohe Nachfrage nach Privatschulen reagieren und ein größeres
Angebot zur Verfügung stellen zu
können.
Als eines der größten Privatschultreffen Deutschlands fand der Bundeskongress 2007 ein breites Echo
in regionalen wie überregionalen
Medien. Neben Berichterstattungen
in Printmedien und Hörfunk war
auch das Fernsehen vertreten: So
berichteten ARD-Tagesschau und
Tagesthemen ausführlich aus Hannover.
Der VDP-Bundeskongress 2008
findet vom 20. bis 22. November in
Erfurt statt. Neben fachlichen Highlights wie einem Vortrag von Nor-
Freie Bildung und Erziehung Sommer 2008
bert Köngeter (Bundesagentur für
Arbeit) zu den Konsequenzen neuer arbeitsmarktrechtlicher Instrumente auf die Arbeit von Bildungsträgern oder einem Beitrag von
Prof. Dr. Christian Pfeiffer (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen) zum Thema „Zusammenhang zwischen Medienkonsum
und Schülerleistung“ stehen Diskussionsforen zur Zukunft der freien Bildung auf dem Programm. Außerdem wird es eine Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl geben; der derzeit amtierende VDPVorstand stellt sich erneut zur
Wahl.
Weitere Informationen im Internet unter www.privatschulen.de.
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(cw)
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Verband Deutscher
Privatschulverbände e.V.
bi ldungseinrichtungen in
freier trägerschaft
Seit 1901
Freie Bildung
und
Erziehung
VDP
Bundesgeschäftsstelle
Reinhardtstr. 
 Berlin
t:   /     - 
f:   /     - 
[email protected]
www.privatschulen.de
Ausgabe Sommer 2008
ISSN 0016-0741