Das Naturschutzgebiet Flöthbach

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Das Naturschutzgebiet Flöthbach
Das Naturschutzgebiet Flöthbach
von Heino Thies
Einleitung
Das Naturschutzgebiet Flöthbach ist vergleichsweise klein mit einer Größe von
ca. 45 ha. Es liegt östlich von Inrath und südöstlich von Hüls am westlichen Rand des Hülser Bruchs. Das Gebiet erstreckt sich links
und rechts des Flöthbachs zwischen dem Kapuzinerberg am Flünnertzdyk und dem Steeger Dyk. Die rechtskräftige Ausweisung als
Naturschutzgebiet erfolgte im vergangenen
Jahr (2008), es ist daher das jüngste Naturschutzgebiet in Krefeld.
Sein Wert wird im Wesentlichen durch den
Flöthbach (Fließstrecke innerhalb des Naturschutzgebietes ca. 1,5 km) mit seiner
Aue bestimmt, so dass die naturräumliche
Einordnung, die die Lage des Gewässers
vorgibt und die Renaturierung des Flöthbaches im Vordergrund dieses Artikels stehen.
Außerdem werden die Lebensräume und die
Pflanzenwelt dieses Gebietes vorgestellt.
Aussagen zu den Tieren, zu den Erholungsmöglichkeiten und zur weiteren Entwicklung
schließen diesen Aufsatz ab.
Naturräumliche Einordnung
Durch Krefeld verläuft eine markante Geländestufe von Nordwesten (Hüls) in Richtung
Südosten (Fischeln), es ist die Grenze zwischen der Mittelterrasse, die mit Lößlehm
bedeckt ist, und der Niederterrasse, bei der
weitgehend Hochflutlehm über Kiesen und
Sanden ansteht. Der Höhenunterschied zwischen der Mittelterrasse und der Niederter-
rasse beträgt zwischen 4 und 5 m. Auf der
Niederterrasse treten einzelne Bäche aus, die
durch Grundwasser und Niederschlagswasser gespeist werden. Durch sie wurden auch
Rinnen ausgeräumt. In einer dieser Rinnen
verläuft der Flöthbach am westlichen Rand
der Niederterrasse; ein Bereich, der auf Grund
der geomorphologischen Situation einen vergleichsweise hohen Grundwasserstand hat.
Der schematische Schnitt durch Krefeld
zwischen Mittelterrasse und Rhein (Abb. 1,
entnommen aus O. Burghardt, 1998, S. 55)
macht dies deutlich. Anhand des Schnitts
kann auch die Auswirkung der Tiefenerosion
des Rheins um 2 m in den letzten 100 Jahren ermessen werden, die sich durch einen
tieferen Grundwasserspiegel in ganz Krefeld
auswirkt (und damit auch in der Niederung
am Flöthbach).
Abb. 1. Geologisches Profil
die Heimat 80/2009
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Abb. 2. Flöthbach am Johannsenweg
Die Rinne des Flöthbachs hat eine Breite zwischen 60 m und 250 m. An der Brücke des
Johannsenweges (der von Inrath ins Hülser
Bruch führt) über den Flöthbach ist die Ausformung der Rinne besonders schön zu sehen.
Von Inrath kommend führt der Wanderweg
ca. 190 m vor der Brücke über den Flöthbach
leicht „bergab“ in die Rinne (etwa mit Eintritt
in den Wald, vergl. Abb. 2). Ungefähr 60 m
hinter der Brücke steigt der Weg wieder leicht
an, so dass hier die Weite der Rinne gut zu
sehen ist. Dies ist eine der breitesten Stellen
der Rinne, weiter nördlich beträgt die Breite
der Rinne am Steeger Dyk ca. 60 m.
Im Vergleich von historischen Karten lässt
sich der Verlauf des Flöthbachs gut nachvollziehen: Die Tranchotkarte (von 1804/1805)
zeigt den Flöthbach vom jetzt noch vorhandenen Tümpel am Hökendyk (Reitstall Kühnen) bis etwas nördlich vom Flünnertzdyk, wo
er in einer Schleife endet (etwa am heutigen
nördlichen Fuß des Kapuziner Berges), der
Verlauf ist nicht so geradlinig wie heute. In
geringem Abstand westlich davon beginnt
ein neuer Flöthbach, der etwa den gleichen
Verlauf nimmt wie der heutige Flöthbach
(O. Burghardt, 1998, S. 37). In späteren Kartenwerken ist der Flöthbach mal als Bach
dargestellt, als Trockengraben oder auch gar
nicht. Die unterschiedliche Darstellung mag
durch die Höhe des Grundwasserstandes
und den Verlauf des Wetters über mehrere
Jahre (hohe oder niedrige Jahresniederschläge) begründet sein. Es gab sicher sowohl
Jahre, in denen der Flöthbach eindeutig als
Fließgewässer zu erkennen war, wie auch
Jahre, in denen sich der Flöthbach kaum von
seiner Umgebung abzeichnete. Erst der grabenartige Ausbau als Vorfluter machte den
Flöthbach überall eindeutig bestimmbar, dieser Ausbau wurde in verschiedenen Etappen
vorgenommen. Dabei ist der natürliche Charakter des Flöthbaches weitgehend verloren
gegangen (eine Übersicht von 4 Karten dieses Bereichs aus unterschiedlichen Jahren
242
die Heimat 80/2009
Abb. 3. Flutmulde am Plankerdyk
von 1804 bis heute gibt es als Beilage 1 in
S. Kronsbein, 2005).
Renaturierung des Flöthbaches
Der Ausbau des Flöthbaches in der Vergangenheit, u. a. durch den Reichsarbeitsdienst
in den 1930er Jahren, erfolgte vor allem zur
verbesserten landwirtschaftlichen Nutzung.
An einzelnen Stellen konnte dadurch auch
die forstliche Produktivität verbessert werden, und das Bruch wurde in nassen Zeiten
besser passierbar. Der Flöthbach wurde begradigt und erhielt ein Trapezprofil, damit anfallendes Wasser möglichst rasch abgeführt
wird. Zur Unterstützung des Ausbaus werden
die Böschungen regelmäßig gemäht.
Den Vorteilen des Ausbaus als Vorfluter stehen auch einige größere Nachteile gegenüber.
Die Selbstreinigungskraft des Gewässers
ist stark verringert und durch den schnellen
Hochwasserabfluss wird die Hochwassergefahr im Unterlauf vergrößert. Außerdem wird
das biologische Potential des Bachs und
seiner Umgebung verringert, da statt einer
Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten eine vergleichsweise einförmige und artenarme Umwelt entstanden ist. Im Sommer trocknet der
Flöthbach meistens aus. Die Wasserqualität
des Flöthbachs schwankt sehr stark, sowohl
zeitlich als auch räumlich, d.h. sie ist an verschiedenen Abschnitten unterschiedlich. Vor
allem im späten Frühjahr oder im Sommer
kann sich bei sehr niedrigen Wasserständen
die Nährstofffracht stark erhöhen. Die Wasserqualität ist mäßig bis stark belastet (vergl.
R. Strotmann, L. Krob, 2003, S. 35f.).
Da entlang des Flöthbaches trotz des Ausbaus noch Reste der ursprünglichen Natur
verblieben waren, entstand der Plan, den
Flöthbach zwischen dem Kapuzinerberg und
der Stadtgrenze in Orbroich zu renaturieren.
Nach einer Kartierung des staatlichen Um-
weltamtes Krefeld über die Gewässerstruktur
gibt es zwei Bereiche am Flöthbach, die noch
stärker naturraumtypisch sind: direkt an der
Stadtgrenze im Orbroicher Bruch und am Fuße des Inrather Berges (vergl. R. Strotmann,
L. Krob, 2003, Anlage 2 – Darstellung der Gewässerstruktur). Die Reste der Natur sollen
als Ausgangspunkte für die Wiederbesiedlung von Lebensräumen nach Abschluss der
Renaturierungsarbeiten dienen. Ein zweiter
wichtiger Grund zur Renaturierung besteht
im fehlenden Nachweis der schadlosen Abführung von Hochwasser, v.a. im Bereich der
Ortslage Hüls (vergl. R. Strotmann, L. Krob,
2003, S. 52f.). Außerdem wird nach der EG
– Wasserrahmenrichtlinie gefordert, die Gewässer innerhalb der Europäischen Union bis
2015 in einen guten Zustand zu überführen,
und zwar sowohl hinsichtlich der Wasserqualität als auch hinsichtlich der Struktur
der Gewässer; als Messlatte gilt der natürliche Zustand der Gewässer. Je früher mit
den Maßnahmen begonnen wird, desto entspannter können sie durchgeführt werden.
In den Jahren 2007 und 2008 wurden in dem
Naturschutzgebiet folgende Maßnahmen
durchgeführt: Die Ufer zwischen dem Kapuzinerberg und dem Plankerdyk wurden abgeflacht und Aufwallungen, die im Rahmen
der Gewässerunterhaltung entstanden waren, beseitigt. Seitliche Retentionsräume (zur
Wasserrückhaltung) wurden an den Flöthbach angeschlossen. Bei Hochwasser werden so größere Flächen überschwemmt und
das Wasser kann später langsam abfließen.
Da es sich hier um nicht bewirtschaftete Flächen handelt, nämlich um naturnahe Wälder,
Seggenrieder und Röhrichte, wird durch dieses Wasser kein Schaden angerichtet, sondern es werden diese Lebensräume in ihrer
Ausprägung gefördert.
Am Plankerdyk und südlich vom Plankerdyk
wurden vier Aufweitungen angelegt, zwei davon als Flutmulden (vergl. Abb. 3). In diesen
zusätzlichen Räumen kann das Wasser, vor
allem bei Hochwasser, sehr lange zurückgehalten werden. Dadurch wird der Flöthbach
länger Wasser führen, die Hochwassergefahr
für Hüls wird verringert, die direkte Umgebung wird etwas vernässt und es werden
wertvolle neue Lebensräume geschaffen. In
der Kombination dieser Maßnahmen war es
möglich, auf den Bau eines Regenrückhaltebeckens zu verzichten, das im Vergleich
ein Vielfaches der Ausgaben für diese Maßnahmen gekostet hätte. Im kommenden Jahr
sollen zwischen Plankerdyk und Steeger Dyk
weitere Ufer abgeflacht und Aufweitungen
angelegt werden.
Lebensräume im
Naturschutzgebiet
Das Naturschutzgebiet ist geprägt durch den
Wechsel von Grünland und Wald (vergl. Abb.
4); im Zentrum des Gebietes gibt es außerdem
einen bis maximal 100 m breiten Streifen links
und rechts des Flöthbachs mit Röhricht, Seggenriedern und Erlenbruchwald im Übergang
zu Seggenriedern. Am Fuß des Kapuzinerberges im Süden des Naturschutzgebietes
dominiert Wald, er liegt vor allem oberhalb
der Rinne des Flöthbach. Es handelt sich um
sehr schönen Buchenwald und Eichenwald
am Langen Dyk, der außerhalb des direkten
Grundwassereinflusses stockt. Außerdem
kommen oberhalb der Rinne des Flöthbachs
kleine Wäldchen mit Hybridpappeln und
Ahorn vor, wobei der Waldanteil im nördlichen
Teil des Naturschutzgebietes gegenüber dem
Grünland weit zurücktritt. Während der Buchenwald oder der Eichen-Hainbuchenwald
hier (oberhalb der Flöthbachrinne) von Natur
her vorkommen würden, vorausgesetzt die
Wasserverhältnisse unterscheiden sich nicht
wesentlich von den heutigen, sind die Wäldchen aus Ahorn und Pappeln naturferner.
Ursprünglich, d. h. bei Wasserverhältnissen,
wie sie vor ca. 180 Jahren herrschten, wäre
hier ein Eichen-Hainbuchenwald standortgerecht, der gut an Staunässe bzw. an wechselnden Wasserstand angepasst ist (hier wurden wegen der großen Nässe schmale Wälle
aufgeworfen, auf denen Buchen, Eichen und
Ahorne stocken). Die Buchen kommen mit
den heutigen Wasserverhältnissen sehr gut
zurecht, vor 180 Jahren wäre es für sie zu
nass gewesen.
In der Rinne des Flöthbaches gibt es Erlenbruchwälder in verschiedenen Ausprägungen:
gestörte, auf Entwässerung hinweisende, und
Erlenbruchwälder in typischer Ausprägung
(z. B. Schwertlilien-Erlenbruchwald), deren
Standorte durch Überstauung im Frühjahr
geprägt sind. Nach dem 2. Weltkrieg wurden
auf diesen Standorten oftmals Hybridpappeln
angepflanzt (wie auch auf den etwas weniger
nassen oberhalb der Rinne), die den Boden
durch ihre sehr hohe Verdunstungsleistung
entwässern, aber wegen des hoch anste-
henden Grundwassers im Alter oftmals nicht
mehr standsicher sind (diese Bäume haben
sehr flache Wurzelteller). Der heutige wirtschaftliche Wert der Bäume (d. h. ihres Holzes) entspricht den damaligen Erwartungen
überhaupt nicht, so dass diese Wälder auf
lange Sicht durch standortgerechtere ersetzt
werden, hier durch Eichen-Hainbuchenwälder (in den trockensten Bereichen evtl. auch
Buchenwälder) oder durch Erlenbruchwälder (letztere werden sich hier ohne Anpflanzung von Bäumen auf Grund der natürlichen
Sukzession nach Abtrieb der Pappeln entwickeln). Im südlichen Teil des Naturschutzgebietes sind die Pappeln an den nassesten
Stellen weitgehend gefällt, im nördlichen Teil
des Gebietes gibt es noch Pappelwäldchen
am westlichen Ufer des Flöthbachs in der
Niederung.
In der Rinne des Flöthbachs dominieren
Seggenrieder und Röhrichte, sie sind vielfach von Erlen durchsetzt, so dass ein fließender Übergang zu den Erlenbruchwäldern,
die in der Krautschicht vielfach Seggen und
Pflanzen des Röhrichts aufweisen, besteht
(vergl. Abb. 5). Der Naturschutzwert dieser
Lebensräume ist sicher zusammen mit den
typischen Erlenbruchwäldern und den Flutmulden der höchste in diesem Naturschutzgebiet. Da die an Feuchtigkeit bzw. Nässe
gebundenen Lebensräume deutschland- und
europaweit stark zurückgegangen sind (große und viele Feuchtgebiete wurden zur Ansiedelung und Ernährung der Bevölkerung
im 19. und 20. Jahrhundert entwässert), sind
die an diese Lebensräume angepassten Tierund Pflanzenarten in großem Maße vom Aussterben bedroht. Bei einer Pflanzenkartierung
2002 wurden im Naturschutzgebiet 12 Arten
der „Roten Liste“ festgestellt, davon 9 Arten in
Röhrrichten, Seggenriedern und Erlenbruchwald. Die Angaben zu den Pflanzenvorkommen entstammen einer Vegetationskartierung
aus 2002 (vergl. J. Schages, G. Heckmanns,
2003) und eigener Anschauung.
Im Jahr 2008 wurde die Vegetation der durch
die Renaturierung betroffenen Bereiche erneut kartiert (vergl. J. Schages/G. Heckmanns,
Abb. 4. Naturschutzgebiet Flötbach
die Heimat 80/2009
243
den Armleuchter- und Glanzleuchteralgen
sind einige seltene Arten (vier Arten der Roten
Liste), u.a. die Haarfeine Glanzleuchteralge,
die in Nordrhein-Westfalen vom Aussterben
bedroht ist (Rote Liste Stufe 1). Mit im Laufe
des Jahres schlechter werdender Wasserqualität verschwand diese Art 2008, trat in
2009 erneut auf und ist wieder verschwunden
(mündliche Mitteilung von G. Heckmanns und
Abts, in 2008 auch eigene Anschauung).
Abb. 5. Rohrglanzgrasröhricht mit Erlenbruchwald
2009). Dabei wurde festgestellt, dass sich
die Seggenrieder wegen der Renaturierungsmaßnahmen gegenüber 2002 leicht ausgedehnt hatten und etwas nasser geworden
waren. Feuchte zeigende Arten hatten zugenommen, da durch die Beseitigung der
Aufwallungen größere Bereiche vom Hochwasser des Flöthbaches erreicht werden. Der
Charakter der Seggenrieder hatte sich etwas
stärker zu denen von Erlenbruchwäldern entwickelt, da sich das Kronendach der Erlen
stärker geschlossen hatte. Bis 1990 standen
hier Hybridpappeln mit Erlen im Unterbau.
Nach Fällung der Pappeln war der Bereich
vergleichsweise licht und ist jetzt dabei, sich
Abb. 6. Waldrand mit Wiese
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die Heimat 80/2009
durch das ungestörtere Wachstum der Erlen
zu schließen.
Bei drei der insgesamt vier Aufweitungen im
Naturschutzgebiet (zwei haben den Charakter von Flutmulden) zeigten sich kurz nach
deren Anlage verschiedene Arten der Armleuchteralgen und der Glanzleuchteralgen,
einige Monate später auch Fadenalgen. Während das Auftreten der Armleuchteralgen und
der Glanzleuchteralgen sehr zu begrüßen ist,
da es sich um Arten handelt, die eher nährstoffärmere Gewässer besiedeln, lässt das
Auftreten der Fadenalgen auf eine stärkere
Verunreinigung des Wassers schließen. Unter
Die Ursache für die zeitweilig starke Verschmutzung bzw. die große Nährstofffracht
ist nicht bekannt. Sie könnte in Abschlägen
aus dem Kanalnetz liegen, die bei Starkregen zur Entlastung des Kanalnetzes in den
Flöthbach geleitet werden. Der zeitweilig geringe Wasserstand des Flöthbachs im späten
Frühjahr und im Sommer wird eine wichtige Rolle spielen, da bei der dann geringen
Wassermenge eine vergleichsweise kleine
zusätzliche Nährstofffracht stark wirksam ist.
Da die Makrophyten (Gefäßpflanzen) in den
Aufweitungen noch nicht voll entwickelt sind,
können sie die zusätzlichen Nährstofffrachten
nicht abpuffern. Es bleibt zu beobachten, wie
die Entwicklung der Wasserqualität in den
nächsten Jahren verläuft.
Die Vegetationsentwicklung an den Aufweitungen ist noch nicht abgeschlossen. Es haben sich an vielen Ufern Flatterbinsen angesiedelt, die auf längere Sicht durch Röhrichte
und Seggen abgelöst werden. Außerdem
kommt an den Ufern Erlenjungwuchs auf,
Seggen, Röhricht und viele „Zufallspflanzen“,
die, da sie zuerst da sind, zunächst keimen,
aber später durch angepasstere bzw. konkurrenzkräftigere Pflanzen abgelöst werden.
Etwa die Hälfte des Naturschutzgebietes
ist Grünland. Es besteht in der Hauptsache
aus Weidelgras – Weißklee – Weiden und zu
einem etwas geringeren Teil aus Glatthaferwiesen. Das Grünland ist fast durchweg sehr
nährstoffreich, in vielen Teilen feucht und artenarm. Zwar kommt keine einzige Pflanzenart der Roten Liste vor, aber es besteht ein
sehr hohes Entwicklungspotential: Auf vielen Flächen gibt es Ausprägungen mit Rohrglanzgras, die einen Übergang zum Röhricht
andeuten.
Durch eine Bewirtschaftung der Flächen im
Rahmen des Vertragsnaturschutzes kann
eine Aushagerung eingeleitet werden, durch
die auf längere Sicht, wenn sie nicht mit einem
starken Absenken des pH-Wertes (der pHWert gibt den Versauerungsgrad an) einhergeht, die Artenzahl erhöht wird. Dabei werden
Verträge mit Landwirten zur Bewirtschaftung
von Grünland abgeschlossen, bei denen die
Landwirte für die Einhaltung von Einschränkungen bei der Bewirtschaftung bezahlt werden (in der Regel orientiert an historischen
Formen, meistens mit einem späten Grünlandschnitt und einer reduzierten oder für die
ersten Jahren völlig ausbleibenden Düngung).
Dies gilt insbesondere für die Glatthaferwie-
sen, die im Rahmen der Europäischen Union
einen besonderen Schutz nach der Fauna,
Flora, Habitatrichtlinie besitzen (die Mitgliedsländer der Europäischen Union haben die Verpflichtung, große Schutzgebiete zum Schutz
von Glatthaferwiesen auszuweisen), da sie im
Rahmen einer immer stärkeren Intensivierung
der Landbewirtschaftung stark zurückgehen.
Daher wird hier die naturschutzkonforme Bewirtschaftung des Grünlandes von der Europäischen Union, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Krefeld gefördert.
Der Anteil an Ackerland im Naturschutzgebiet
ist sehr klein. Da der Ackerbau hier sehr intensiv betrieben wird (in 2009 Mais und Hackfrüchte), hat er für den Naturschutz keinen
hohen Wert. Langfristig sollen die Ackerflächen in Grünland umgewandelt werden, was
die angepasstere Nutzung in einer Niederung
mit der hohen Luft- und Bodenfeuchtigkeit
darstellt.
Tiere
Untersuchungen aus den letzten Jahren sind
mir nicht bekannt. Das Gebiet hat eine höhere Bedeutung für die Tierwelt wegen seiner Vielgestaltigkeit (vor allem den Wechsel
von Grünland und Wald, vergl. Abb. 6), wegen der sehr hohen Randlinieneffekte (die
Übergangsräume zwischen 2 verschiedenen
Lebensräumen sind besonders artenreich)
und wegen der wertvollen Lebensräume,
vor allem der an Feuchtigkeit bzw. Nässe
gebundenen Lebensräume. So werden hier
verschiedene Amphibienarten vorkommen,
Libellen, viele andere Insektenarten und wegen der Kleinteiligkeit auch viele Vogelarten.
Hier wird oftmals der Eisvogel (Vogel des Jahres 2009) beobachtet, der durch die Anlage
der Flutmulden gefördert worden ist, da sie
ihm Raum für den Fischfang bieten. Daher
gibt es Überlegungen, eine Brutwand für den
Eisvogel anzulegen. Im nächsten oder übernächsten Jahr wird eine Bestandsaufnahme
der Amphibien durchgeführt werden. Weitere
Untersuchungen werden wegen der vermutlich hohen Bedeutung des Gebietes für den
Tierartenschutz folgen (interessant wären
verschiedene Untersuchungen zur Insektenwelt).
Abb. 7. Kopfweidenreihe mit Grünland
An mehreren Stellen entspricht das Naturschutzgebiet dem Bild von Natur, das Erholungssuchende erwarten: Am Flöthbach gibt
es fast das Bild einer „Urlandschaft“, die nur
wenige sichtbare Spuren von menschlichem
Zutun verrät. Bei einer Wanderung über den
Johannsenweg, der den Flöthbach kreuzt,
lässt sich dies gut erleben. Am Langen Dyk
nördlich des Plankerdyk gibt es durch Pappelreihen, kleine Waldparzellen und Kopfweiden
gekammertes Grünland, das einem typischen
Bild der niederrheinischen Kulturlandschaft
entspricht (vergl. Abb. 7). Im Westen des Gebietes erstrecken sich weite Wiesen und Weiden, gegliedert durch einzelne Baumreihen
mit Wald im Hintergrund. Ein Bild fast wie in
einem historischen Landschaftspark aus dem
19. oder frühen 20. Jahrhundert. Damit wird
deutlich, dass dieses Gebiet eine wichtige
Funktion im Rahmen der Freiraumversorgung
in Krefeld übernimmt, wegen der Siedlungsnähe, dem besonders schönen Landschaftsbild und der guten Erschließung.
eine Reduzierung der Unterhaltung der Ufer
des Flöthbaches (die Ufer werden regelmäßig
einmal im Jahr gemäht) könnte die Wirkung
der Renaturierung auf den Naturhaushalt erhöht werden. Die bachbegleitenden Seggenrieder, Röhrichte und Erlenbruchwälder würden dadurch gefördert werden. Außerdem ist
die Verbesserung der Wasserqualität für die
Entwicklung von einzelnen seltenen Wasserpflanzen und für die Entwicklung in den Flutmulden von außerordentlicher Wichtigkeit.
Insgesamt könnte das Gebiet so einen kleinen
Beitrag zu Klimaschutz (die Entwicklung von
Niederungslandschaften stellt eine Kohlendioxidsenke dar) und zum Hochwasserschutz
leisten. Auf längere Sicht wäre das Naturschutzgebiet um das Grünland zwischen den
Straßen Vobis und Langen Dyk 2 a erweitern.
Damit wäre eine Verbindung zwischen den
beiden Naturschutzgebieten Hülser Bruch
und Flöthbach geschaffen.
Literatur:
Erholung
Das Naturschutzgebiet liegt am Rand der
Stadtteile Inrath und Hüls im westlichen Teil
des Hülser Bruchs. Es ist durch den Langen
Dyk, der an seiner östlichen Seite entlang
führt und für den Durchgangsautoverkehr
weitgehend gesperrt ist, den Plankerdyk, der
das Gebiet etwa mittig in Ost- Westrichtung
kreuzt und den Johannsenweg, der von Inrath
zum Hülser Berg führt, gut für den Erholungssuchenden erschlossen. Am Flünnertzdyk/
Ecke Langen Dyk und am Plankerdyk/Ecke
Langen Dyk gibt es je einen Parkplatz.
Weitere Entwicklung des
Naturschutzgebietes
Für die weitere Entwicklung des Naturschutzgebietes ist der Wasserhaushalt der entscheidende Faktor. Voraussichtlich im kommenden
Jahr wird der nördliche Abschnitt des Flöthbaches renaturiert, d.h. es werden die Ufer
abgeflacht und einzelne Aufweitungen geschaffen. Damit wird die Ableitung des Wassers aus dem Gebiet weiter gebremst (was
eine geringere Hochwassergefahr im Unterlauf als Nebeneffekt zur Folge hat). Durch
O. Burghardt: Geologie und Landschaft; in: Krefeld – Die
Geschichte der Stadt, Band 1, Krefeld 1998
S. Kronsbein: Inrath – Werden und Leben eines alten
Krefelder Stadtteils, Krefeld 2005
R. Strotmann, L. Krob: Hydrologisch-wasserwirtschaftliche Untersuchungen zum Flöthbach – Gutachten, überarbeitete Fassung 2003, unveröffentlicht
J. Schages / G. Heckmanns: Krefelder Umweltzentrum
Hülser Bruch e.V., Orbroicher Bruch / Flöthbachaue 2002;
2003, unveröffentlicht
J. Schages / G. Heckmanns: Naturschutzbund Krefeld
Viersen e.V.: Jahresbericht 2008, Flöthbach, Vegetationskartierung / Monitoring, 2009, unveröffentlicht
die Heimat 80/2009
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