Die verschiedenen Ebenen von Walt Disney und seinen Filmen

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Die verschiedenen Ebenen von Walt Disney und seinen Filmen
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Michael Car
Arbeit für Kunstgeschichte und Morphologie, 1. und 2. Semester, 31. Mai 2011
Die verschiedenen Ebenen von Walt Disney und seinen Filmen
Abstract
Wie funktionieren Disneyfilme? Wer war der Mann, dessen Namen die Filme ziert?
Von den Beweggründen des jungen Walt Disney Filme zu machen über seine Bedeutung
bei der Ausarbeitung, stellt sich ein ausgeprägter Idealismus heraus. Obwohl er selbst
schon früh das Zeichnen eingestellt hat, steht Walt Disneys Name im Vordergrund. Disney
ließ seine Mitarbeiter das Animationshandwerk perfektionieren und schaffte sich somit
einen renomierten Platz in der Unterhaltungsindustrie. Dass Disneys Charakter nicht dem
perfekten Bild seiner Filme entsprach, zeigen besonders die 1940er Jahre, als Walt
Disney kein Verständnis für einen gerechtfertigten Streik seiner Belegschaft aufbrachte
und seinem Land sowohl als Lieferant für Kriegspropaganda als auch als Informant von
angeblichen kommunistischen Aktivitäten diente.
Nach Disneys Tod, verloren die Animationsfilme an Qualität und gelangen erst in den
1990er Jahren wieder zu einem Höhepunkt.
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Michael Car
Forschungsexposé
Bereits seit frühester Kindheit war ich von den vielseitigen Spektakel der Disney
Animationsfilme fasziniert. Mit zehn Jahren schenkten mir meine Eltern die offizielle Walt
Disney Biographie von Bob Thomas, die ich sofort verschlang. Im Laufe der Jahre begann
ich Lehrbücher der Disneyanimatoren zu studieren und beschloss mein Leben teilweise
dieser Kunstrichtung zu widmen.
Als die Notwendigkeit zu einer wissenschaftlichen Arbeit im Kunstbereich bestand, gab es
kein anderes Thema, zu dem ich soviel Wissen gesammelt hatte, wie zu Disney.
Bei weiterer Forschung offenbarte sich mir, was ich zuvor nur spekulieren konnte. Über
Walt Disney wird meist sehr einseitig, romantisiert berichtet. Durch Zufall entdeckte ich die
britische Dokumentation „The Secret Lives: Walt Disney“, in der Zeitzeugen, oft enge
Mitarbeiter, das Bild Disneys als moralisches Idol destabilisieren. Ich verglich darauf die
neuen Erkenntnisse mit meinen beschönigenden Biographien und fand dort
erstaunlicherweise genug Hinweise, die die negativen Aussagen über Disney
untermauern. Leider fanden sich zusätzlich außer ein paar Internetquellen, die stets mit
größter Vorsicht zu betrachten sind, nicht mehr Dokumente, die neues Licht auf Disney
und seine Filme werfen. Deshalb folgere ich daraus, dass für alles im Bezug auf Disney
der Schein wichtiger als das Sein zu sein scheint, wie sooft im Showbusiness.
Anmerkung:
Namen und Filmtitel halten sich an das amerikanische Original.
Die „ebenda“ Anmerkungen in den Fußnoten folgen den zuvor gelisteten Quellenangaben.
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Michael Car
Essay
Was ist ein Disney Animated Classic?
Unter Disney Animated Classic versteht man prinzipiell das, was allgemein als Disneyfilm
verstanden wird. Die Bezeichnung Disneyfilm wäre aber irreführend, da die Walt Disney
Company im Grunde eine große Unterhaltungsindustrie wie viele andere in Los Angeles ist
und größtenteils Realfilme oder Filme anderer Animationsstudios produziert. Den
Grundstein legte aber der heute im Gegensatz zum Realfilm- und Fernsehzweig nur mehr
gering genutzte Animationszweig dieses Konzerns. Die Kriterien zur Aufnahme in den
Kanon der von den Disney Studios zu Werbezwecken selbst benannten Disney Animated
Classics (DAC), auch Disney Animated Features, lauten folgendermaßen. Die Filme
müssen komplett animiert (traditionell oder am Computer), im Kino aufgeführt und in den
Walt Disney Animation Studios konzipiert worden sein. Der erste DAC war Snow White
and the Seven Dwarfs von 1937, der derzeit aktuellste, Nummer 50 im Kanon, Tangled
von 2010 1. Standardisiert wurde dieser Kanon jedoch erst vor kurzem, sodass es auch zu
Unterschieden in der Aufreihung kam. Die europäische Sparte von Disney zählte etwa
Mischfilme, die Realsequenzen mit animierten vereinigen (z.B.: Mary Poppins) lange zu
den „Klassikern“.2
Wie kommt es zum ersten DAC? Was waren die Beweggründe?
Begonnen mit einfachen, nicht mehr als 8 Minuten überschreitenden Zeichentrickfilmen,
sammelte Walt und seine Bruder Roy Disney innerhalb kürzester Zeit die engagiertesten
künstlerischen Talente aus den USA und perfektionierte den sogenannten Disney Stil bis
1
(Internetquelle)
Wikipedia
http://en.wikipedia.org/wiki/Disney_animated_features_canon#Official_canon
(28. Jänner 2011)
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(Internetquelle)
Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Disney-Filme
(28. Jänner 2011)
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zu einer „Illusion des Lebens“.3 Nun lenkte Disney alle Energien auf einen abendfüllenden
Zeichentrickfilm, etwas, das es in der Form zuvor noch nicht gab.
Der russische Regisseur Sergej Eisenstein sagte 1937 über Disneys ersten animierten
Langfilm, es wäre der großartigste Film, der je gedreht wurde.4 Der Titel diese Films lautet
Snow White and the Seven Dwarfs.
Im Laufe der Wirtschaftskrise zeigte es sich zunehmend schwieriger die Leute zu
unterhalten. Plötzlich entschieden sich Kinobetreiber in den USA zunehmend Double
Features anzubieten, die jedoch den Kurzfilmen den Platz nahmen.5 So gesehen war es
eine ganz natürliche Folgerung, dass die Disney Brüder sich anpassten, um ihr Studio
weiterführen zu können. Walt Disneys persönliche Inspiration lag an einer
Kindheitserinnerung, bei der er einer Großvorführung des Stummfilms Snow White mit
Marguerite Clark in der Hauptrolle beiwohnte. Auf vier Leinwände wurde gleichzeitig
projiziert, für Disney das größte Kinoerlebnis seines Lebens.6 Damit ist Disneys Stoffwahl
nachvollziehbar, denn der Idealist Disney strebte für seinen eigenen Film auch das Größte
an.
Wer war eigentlich Walt Disney? Tragen die Filme zu Recht seinen Namen?
Als Walter Elias Disney 1901 in Chicago geboren, erlebte er seine prägendste Zeit 1906
bis 1910 in Marceline, Misssouri. Sein Vater Elias betrieb dort eine Farm, erkrankte aber
gegen Ende der Jahre an Typhus. Die Erinnerungen an dieses Landleben begleiten
Disney sein Leben lang und finden zahlreiche Verarbeitungen in seinen Filmen. Allein die
Abenteuer seiner frühen Figuren, wie Oswald the Lucky Rabbit und Mickey Mouse spielen
hauptsächlich in ländlicher Gegend. Die Disney Archivaren Dave Smith und Steven Clark
beschreiben diesen Einfluss folgendermaßen: „Der junge Walt war begeistert von all dem,
was er auf der Farm erlebte, (...). Bei seinen Ausflügen in die umliegenden Wälder traf er
3
(selbstständige Quelle)
Frank Thomas; Ollie Johnson, The Illusion of Life – Disney Animation, New York: Hyperion 1995
4
(Internetquelle)
Screen Savour: Snow White and the Seven Dwarfs (1937), in:
http://www.screensavour.net/2008/08/snow-white-and-seven-dwarfs-1937.html
(27. Jänner 2011)
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(selbstständige Quelle)
Bob Thomas; Peter Schad (Übers.), Walt Disney – Die Original-Biographie, München: Ehapa 1986
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auf Waschbären, Füchse und andere Tiere und entwickelte hier seine Liebe zur Natur, die
ihn sein ganzes Leben nicht mehr loslassen sollte.“7 Erste zeichnerische Versuche
endeten teils positiv, teils negativ. Einerseits konnte er erste Zeichnungen verkaufen – ein
Detail, das bereits auf den kapitalistischen Unternehmergeist des Erwachsenen Walt
Disney hinweist –, andererseits beschmierte er die eigene Hauswand mit Teer, ohne zu
wissen, dass sich dieser nicht mehr wegputzen ließe.8
Einzelne Erlebnisse, wie der Brand eines nachbarlichen Stalls, der einen gewaltigen
Eindruck bei Disney hinterließ, waren Vorbild zu Szenen seiner späteren Filme. Disneys
ließ seinen ersten Kontakt mit der Gewalt des Feuers wird in der dramatischen
Waldbrandszene in Bambi ausdrücken.9
Ein kultureller Schock für Disney war der Umzug in die Großstadt Kansas City, wobei sich
neue Faszinationen auftaten, wie die örtlichen Vergnügungsparks, die er aus Geldgründen
nur von außen betrachten konnte. Später erfüllte sich Disney diesen Kindheitstraum,
indem er seine eigenen, perfekten Vergnügungsparks eröffnete, nämlich Disneyland und
Disneyworld.
Disney fertigte als Schüler Karikaturen für die Schülerzeitung an, arbeitet sich langsam als
Karikaturist hoch, bis er schließlich bei einer Werbeagentur den Sohn niederländischer
Einwanderer Ubbe Iwwerks, später Ub Iwerks genannt, kennenlernte. Über die Werbung
lernten sie auch das Handwerk des Trickfilms und beschlossen bald ein eigenes
Filmunternehmen zu eröffnen. Mit der Zeit merkte Disney, dass ihm sein Kollege
zeichnerisch weit überlegen war, stellte aber trotzdem den eigenen Namen über Iwerksʻ.10
Dieses Prinzip führte Disney in weiterer Entwicklung seines Unternehmens fort und stellte
das Zeichnen schon bald komplett ein. Ein gutes Beispiel für dieses Prozess ist die
Erfindung von Mickey Mouse. Walt Disney steuerte die Idee zur Figur und den Namen bei,
Ub Iwerks entwickelt jedoch die gesamte Darstellung des Äußeren. Auch in Zukunft war es
Disney, der lediglich die Projekte überwachte, die künstlerischen Talente lenkte und seine
eigene, perfekte Welt von anderen aufbauen ließ. Diese idealistische Sehnsucht zeichnet
aber auch die künstlerische Energie aus, die sich durch die Werke zieht, die Disneys
7
(selbstständige Quelle)
Dave Smith; Steven Clark; Klaus Strzyz (Übers.), Disney – Die ersten 100 Jahre, Berlin: Egmont Ehapa
2001
8
ebenda
9
(unselbstständige Quelle)
o.A., Dalí & Disney: A Date with Destino, in: Fantasia 2000, Blu-ray, o.O.: Disney 2010
10
(selbstständige Quelle)
Anreas Platthaus, Von Mann & Maus – Die Welt des Walt Disney, Berlin: Henschel 2001
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Namen tragen. Seit Beginn der Walt Disney Studios ließen sich unzählige Künstler, von
dieser Faszination des Perfekten mitreißen.
Wie funktioniert ein DAC? Eine morphologische Betrachtung.
Doch woraus besteht dieses Perfekte? Ein Hauptziel Disneys war es in anspruchsvoller
Weise zu Unterhalten11 . Die Filme sind auf ein möglichst breites Publikum ausgerichtet,
sollen Kinder und das Kind im Erwachsenen ansprechen. Das war Disney besonders
wichtig. Wie oben beschrieben, wollte er seine Kindheit idealisiert wiederbeleben. Dieser
Standpunkt änderte sich nach Disneys Tod in manchen Produktionen, doch dazu später
mehr. Disney war sehr bedacht in der Stoffwahl. Nicht zufällig fanden Märchen
Verarbeitung in seinen Filmen. Märchen zählen, nach meiner persönlichen Hypothese, zu
den ursprünglichsten Geschichten der Menschheit. Sie beschreiben meist Entwicklungen,
wie das Erwachsenwerden, und tragen unter ihrer fantastischen Hülle oft eine universelle
Wahrheit.12 Kinder verstehen intuitiv diese Wahrheit, weshalb heute Märchen allgemein als
Kindergeschichten gelten. Doch die Geschichten, die Märchen erzählen, haben sich in uns
eingeprägt und treffen automatisch auf Wohlwollen, wenn wir Fiktion mit ähnlichem
Charakter konsumieren. Die Grundidee von Aschenputtel wird auch heute noch
regelmäßig in unzähligen Liebesromanen und Filmen verarbeitet, Versionen davon gab es
bereits im Ägypten des 1. Jahrhunderts v. u. Z. und um 860 in China.13
Walt Disney tat also nichts anderes als viele Geschichtenerzähler zuvor. Er nahm
bekannte Stoffe und passte sie seinen eigenen Vorstellungen an.
Ein markanter Punkt ist die Individualisierung der einzelnen Figuren. Snow White bietet
sich dabei als gutes Beispiel an. Im Märchen zeigen die sieben Zwerge keine
differenzierten Charaktereigenschaften. Um die humorvolle Wirkung seines Films zu
unterstützen, gaben Disneys Storyartists den Zwergen individuelle Namen, Gestalt und
Eigenschaften. In einer kurz davor erschienenen Snow White Filmversion des Fleischer11
(selbstständige Quelle)
Anreas Platthaus, Von Mann & Maus – Die Welt des Walt Disney, Berlin: Henschel 2001
12
(selbständige Quelle)
Eugen Drewermann, Lieb Schwesterlein, laß mich herein – Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet,
München: dtv 2002
13
(Internetquelle)
Wikipedia
http://en.wikipedia.org/wiki/Cinderella
(31. Mai 2011)
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Studios mit Betty Boop als Schneewittchen, agieren die Zwerge identisch und hinterlassen
daher beim Zuschauer keinen bleibenden Eindruck.14 Das könnte einer der Gründe sein,
weshalb sich heute der Fleischer Film nicht ins kulturelle Gedächtnis der westlichen Welt
geprägt hat, im Gegensatz zu Disneys Version.
Im Allgemeinen sind Nebenfiguren bei Disney für den humorvollen Anteil des Films
verantwortlich, während Pro- und Antagonisten einer starken idealisierten schwarz/weiß
Zeichnung unterliegen. Schneewittchen hat ein reines Herz und ist durch und durch gut.
Disney wollte seinen Prinz so perfekt darstellen, dass er furchtbare Angst vor einer
Verzerrung dieser ästhetischen Männlichkeit hatte. Die Animatoren mussten daher zu dem
verpönten Ausweg des Rotoskopieren greifen. Das heißt, Fotos bildeten die Vorlage der
einzelnen Animationszeichnungen15 . Die Figur als Animation verliert dadurch ihre
Stimmigkeit in ihrem frei animierten Umfeld, wirkt steif und statisch. Ein ironisches Detail,
denn strebte jeder Disneyzeichner die lebensechte Perfektion der Bewegung an, wirken
die dem Leben 1:1 nachempfunden Bewegungen jedoch unecht.
Ein weitere wichtiger Bestandteil eines DAC liegt in seinem Musicalcharakter. Musik als
universale Sprache kann zum Beispiel Kleinkinder Emotionen vermitteln, die sie allein aus
dem Dialog nicht verstanden hätten. Außerdem befand sich Disney mitten in der
Anfangszeit des Tonfilms, der damals seine Zuschauer mit berauschenden Tonerlebnissen
locken wollte. Im Gegensatz zu vielen seiner Realfilmkollegen vergaß Disney dabei nicht
auf Handlung und optischen Anspruch, der sogar noch Spuren des expressionistischen
Stummfilms zeigt, wie in der Szene, wo Schneewittchen durch den Wald flieht und in
Wahnvorstellungen die Bäume sich zu bedrohlichen Monstern wandeln.
Im Laufe der Arbeit an den Kurzfilmen, entwickelten Disneys Angestellte immer
ausgefeiltere Techniken zum Einfangen optischer Tiefenwirkung. Die sogenannte
Multiplankamera (Abb.1) entstand auf diese Weise und fand gleich in den ersten DACs
Verwendung. In ein zimmergroßes Metallgestell werden Zelluloidfolien mit genügend
Zwischenraum auf Rollen aufgespannt, was eine unglaubliche Dreidimensionalität
inklusive Unschärfen und im flächigem Rahmen perspektivische Veränderung bei
Kamerafahrten hervorrufen kann.16 Der Arbeitsaufwand und die damit verbundenen
Kosten stellten sich aber als sehr hoch heraus, weshalb dieses komplexe Kameramodell
14
(selbstständige Quelle)
Anreas Platthaus, Von Mann & Maus – Die Welt des Walt Disney, Berlin: Henschel 2001
15
ebenda
16
(selbstständige Quelle)
Bob Thomas; Peter Schad (Übers.), Walt Disney – Die Original-Biographie, München: Ehapa 1986
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nur sehr bedacht eingesetzt wurde. Das Ergebnis war jedoch ein dem Realfilm sich
annähernder Naturalismus, der so im Animationsfilm noch nie dagewesen war.
Ein besonderes Augenmerk verdient natürlich die eigentlich Animation der DACs. In den
frühen Kurzfilmen versuchten sich die Trickzeichner noch an möglichst unrealistischen
Bewegungen, um den humoristischen Effekt des Animationsfilms noch zu überspitzen.
Tiere hatten Gliedmaßen wie aus Gummi (Rubber Hose Animation) und folgten selten den
anatomischen Merkmalen echter Lebewesen. So wird in einem Cartoon Mickeys Kopf von
Minnie Mouse in seine dreifache Länge gezogen, was heute direkt unansehlich brutal
wirkt. Disney drängte seine Mitarbeiter nach und nach zu mehr in sich stimmigen,
physischen Naturalismus, der seine Figuren glaubwürdiger machen soll. Dabei half
besonders die „Squash and Stretch“ Technik. Jedes auf der Erde lebendes Wesen ist an
eine gemeinsame Kraft gebunden, die Schwerkraft. Schon leichte Andeutungen der
Masse reichen aus, eine Figur als lebend anzuerkennen. Ein Black Pete (Kater Karlo), der
seinen dicken Bauch hebt, um ihn wieder auf den Boden sacken zu lassen, hat einerseits
einen komischen Effekt, verleiht der Figur aber auch die Illusion von Masse. Eine
Gummiball, der beim Hüpfen nie die Form eines Kreises verlässt, wirkt unecht. Bekommt
er beim Aufprall und Hochschnellen elliptische Merkmale, kann der Zuschauer die
Dynamik des Aufpralles direkt spüren.17 (Abb. 2)
Zu guter Letzt enden alle DACs mit einem Happy End, wie man es von Hollywood kennt.
Der Prinz weckt die Schöne (Snow White, Sleeping Beauty), die Puppe wird ein echtes
Kind (Pinocchio), die Dämonen werden von Glaube und Hoffnung in Form der
Aufgehenden Sonne vertrieben (Fantasia). Ob diese Aussagen positive moralische
Einflüsse auf seine Zuseher ausüben, ist natürlich fraglich.
Warum war Disney ein Idealist?
Meine Bezeichnung Disneys als Idealisten kann natürlich zu Verwirrung führen. Ich
verwende den Begriff hier im ethischen Sinne. Zitat wikipedia:
17
(selbstständige Quelle)
Frank Thomas; Ollie Johnson, The Illusion of Life – Disney Animation, New York: Hyperion 1995
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„Der ethische Idealismus, der auch im alltäglichen Sprachgebrauch übliche Begriff,
bezeichnet eine Lebenseinstellung, bei der ein Mensch altruistischen Ideen bzw. Idealen
folgt und nicht egoistisch nach materiellen Gütern strebt.“18
Natürlich war Disney in diesem Sinn kein reiner Idealist. Auch wenn er sicherlich den
materiellen Gütern, die seine Filme einspielten, nicht abgeneigt war, stellte er aber stets
seine Ideale in den Vordergrund und überließ Geldangelegenheiten seinem Bruder Roy.19
Diese Ideale waren jedoch teilweise fragwürdiger Natur, worüber der weitere Verlauf
dieser Arbeit aufklärt.
Wie waren Disneys Ideale begründet? In welchem Bezug stand er zu seiner Zeit?
Anhand des Ausdrucks der Filme selbst lässt sich zusammenfassen, dass Disney stets
nach dem Perfekten (ideale Darstellung der Charakterklischees) gesucht hat und ein
Streben nach Harmonie zeigt (Happy Ends). Dabei lässt sich Disneys Vorstellung von
allgemeingültigen Werten erkennen, die einer konservativen Grundhaltung folgen, wie in
der repetierten Idee der überstilisierten, wahren Liebe zu erkennen ist. Mit Disneys
infantilen Blick auf die Welt, lässt sich vielleicht auch die Mentalität der McCarthy Ära
erklären. Ein starke schwarz/weiß Zeichnung in „gut“ und „böse“ lässt den Menschen
vergessen nach dem Grund oder Motiv dieses Bösen zu fragen. Kaum ein
Kommunistenjäger hat wohl den Inhalt des Kommunismus verstanden, wie eine Rede J.
Edgar Hoovers, damaliger Chef des FBIs, zeigt: „Communism, in reality, is not a political
party. Itʻs a way of live – an evil and malignant way of life. It reveals a condition akin to
disease that spreads like an epidemic and like an epidemic a quaratine is beeing
necessary to keep it from infecting the Nation.“20
18
(Internetquelle)
Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Idealismus
(29. Mai 2011)
19
(selbstständige Quelle)
Bob Thomas; Peter Schad (Übers.), Walt Disney – Die Original-Biographie, München: Ehapa 1986
20
(unselbständige Quelle)
J. Edgar Hoover, Testimony before HUAC March 26, 1947, in: Ellen Schrecker, The age of McCarthyism,
New York: Pelgrave 2002
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Disney stand immer für das vermeintliche Gute und dieses Gute folgte den Richtlinien der
amerikanischen Regierung. Bevor die USA Deutschland den Krieg erklärte, sympathisierte
Disney mit den Nazis, besuchte sogar die berüchtigten US-Meetings.21
Diese Faszination Disneys mit der Teilen der Nazi-Ideologie ist leicht nachvollziehen,
bewunderte er wohl den mystischen Blick der Nationalsozialisten auf die Welt und fand
vermutlich Parallelen in seiner Suche nach dem Perfekten und dem Streben der Nazis
nach dem perfekten Menschen.
Kaum stand Nazideutschland den USA als Feindbild gegenüber, überzeichnete Disney die
Nazis als die Überbösen. Disney war immer eifrig dabei seinem Land zu dienen. Bereits
im 1. Weltkrieg fälschte er seinen Ausweis, um das Mindestalter der Rekrutierung zu
erreichen.22 Im 2. Weltkrieg stellte er sich bereit Propagandafilme für die amerikanische
Regierung herzustellen. Plötzlich war die Naziideologie verachtenswert und zerstörerisch,
wie Disney im Kurzfilm Education for Death zeigt.23
Einerseits produzierte das Studio in dieser Zeit Lehrfilme, wie den abendfüllenden Victory
Through Airpower, in dem Disney zeigt, wie Deutschland zu stoppen ist, nämlich durch
totales Bombardement.24 Andererseits blieb Disney seinen Figuren treu und brachte
propagandistische Inhalte in die üblichen Unterhaltungskurzfilme. Als bestes Beispiel dient
hier Der Fuehrerʻs Face. Donald Duck erwacht im „Nutzi Land“, wo alle Objekte, von der
Windmühle bis zu den Wolken, die Form einer Swastika haben (Abb. 3). 48 Stunden am
Tag muss er arbeiten und bei jeder Gelegenheit „Heil Hitler“ rufen. Schließlich wacht
Donald in seinem eigenen Bett auf, sieht den Schatten einer Statue, die den rechten Arm
hebt, will schon „Heil Hitler“ rufen, merkt aber gerade noch, dass es sich um den Schatten
einer kleinen Freiheitsstatue handelt, die auf seinem Fensterbrett steht. Donald, in Stars
21
(selbstständige Quelle)
Joseph Bullman, The Secret Lives – Walt Disney, TV, London: Chanel 4 1995
22
(selbstständige Quelle)
Bob Thomas; Peter Schad (Übers.), Walt Disney – Die Original-Biographie, München: Ehapa 1986
23
(unselbständige Quelle)
Clyde Geronim, Education for Death (1943), in: Leonard Maltin, Walt Disney – On the Front Lines, DVD,
Burbank: Disney 2004
24
(unselbständige Quelle)
James Algar; Clyde Geronimi; Jack Kinney; H. C. Potter, Victory Through Airpower (1943), in: Leonard
Maltin, Walt Disney – On the Front Lines, DVD, Burbank: Disney 2004
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and Stripes Pyjama, küsst die Statue und quakt: „Am I glad to be a citizen of the United
States of America!“25
Abseits Disneys fraglicher politischen Einstellung offenbarte der Studioboss spätestens
zwei Jahre zuvor die negativen Seiten seines Charakters.
Der Streik von 1941. Wie kam es dazu?
Disney schwebte stets eine harmonisch, künstlerische Atmosphäre in seinem Studio vor.
Er wollte ein kollegiales Zusammenarbeiten, sah sein Studio wie eine große Familie.
Begrüßte ein Neuangestellter Walt Disney mit Mr. Disney, winkte dieser schnell ab und
sagte: „Call me Walt!“ Dies machte natürlich enorm positiven Eindruck auf die Belegschaft.
Disney regte an, ihn einfach Uncle Walt zu nennen, wenn man über ihn sprach.26 Disney
sah sich anscheinend als Übervater seiner großen Familie, den Disney Studios. Ganz
patriachalisch führte er auch seinen Betrieb. Nur Männer wurde in die kleine Gruppe der
Hauptanimatoren aufgenommen. Frauen hatten eine spezielle Aufgaben. In einem
separaten Gebäude saßen sie fließbandarbeitendend. Sie tuschten und kolorierten die
Bleistiftzeichnungen der Animatoren des Nachbargebäudes. Dies war die sogenannte Ink
and Paint Abteilung. Walt Disney zahlte den Frauen Mindestlöhne und zeigte offen seine
Misogynie. Er meinte, die Frauen lenken die Hauptzeichner von der Arbeit ab. Frauen ab
30 entließ er, weil seiner Ansicht nach jüngere weibliche Arbeitskräfte effizienter arbeiten.
Disney stellte außerdem prinzipiell keine afro-amerikanischen Mitarbeiter ein. Über
jüdische Vorfahren einzelner MitarbeiterInnen wollte er nichts wissen.27 Diese rassistische
Haltung Disneys spiegelt sich jedoch nicht offensichtlich in den Filmen wider, weil Disney
aus kommerzieller Hinsicht ein größtmögliches, weltweites Publikum erreichen wollte.
Besonders die schlechtbezahlte Belegschaft der Studios verlangte nun nach einer
Gewerkschaft, die ihre Interessen vertritt und ein Veto gegen Disneys autokrater
Studioleitung einlegen konnte. Disney sah sich durch diese Forderungen persönlich
25
(unselbständige Quelle)
o.A., Der Fuehrerʻs Face (1942), in: Leonard Maltin, Walt Disney – On the Front Lines, DVD, Burbank:
Disney 2004
26
(selbständige Quelle)
Joseph Bullman, The Secret Lives – Walt Disney, TV, London: Chanel 4 1995
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angegriffen.28 Als dann schließlich The Reluctant Dragon in die Kinos kam, ein Film der die
Disney Studios als lustige Traumfabrik zeigt, war das Fass zum Überlaufen gebracht.
Angeregt durch den linken Gewerkschaftsführer Herbert Sorrell sammelten sich etwa ein
Drittel der Studiobelegschaft vor den Toren.29 Mit Schildern verkündeten sie ihren Unmut
über die Arbeitszustände und versuchten Disney-loyale Angestellte am Betreten des
Studiogeländes zu hindern. Nur zwei der Hauptanimatoren fanden sich unter den
Streikenden, der Goofy Zeichner Art Babbitt und sein Freund Bill Tytla. Tytla war
hochgeschätzt von Disney wegen seiner ausdrucksstarken Animationen, wie den
teuflischen Chernabog in Fantasia, die Zwerge in Snow White und die überemotionale
Szene in Dumbo, als der kleine Elefant, seine eingesperrte Mutter besucht.
Als einmal Art Babbitt den vorfahrenden Disney verbal attackierte, sprang dieser aus
seinem Auto und konnte gerade noch vor Handgreiflichkeiten zurückgehalten werden. 30
Disney engagierte nun den kriminellen William Bioff, der einzelne Streikende terrorisierte
und mit vorgehaltener Waffe die Niederlegung des Streikes verlangte. Bioff war kein
Unbekannter in Hollywood. Auf diese Weise gelang es ihm schon bei anderen Studios
Streiks aufzulösen.31
Zur gleichen Zeit startete die amerikanische Regierung eine wirtschaftliche Expansion
nach Südamerika, aus Furcht, die Nazis könnten dort Einfluss gewinnen.32 Roy Disney,
der die geschäftliche Leitung des Studios innehatte, nahm dies als Gelegenheit seinen
Bruder vor weiteren Fauxpas zu bewahren. Während Walt nun in Südamerika seine Filme
anpries und nach neuer Inspiration suchte, die in den Filmen Saludos Amigos und The
Three Caballeros Früchte trug, löste Roy den Streik auf, indem er Gewerkschaften den
Einfluss auf das Studio erlaubte. Walt Disney regierte furios auf diese Nachricht,33 ließ die
Freizeiteinrichtungen im Studio abbauen und führte Steckuhren ein. Art Babbitt kündigte er
entgegen seines Vertrags. Dieser klagte seine Anstellung wieder ein, aber Disney
28
(selbstständige Quelle)
Bob Thomas; Peter Schad (Übers.), Walt Disney – Die Original-Biographie, München: Ehapa 1986
29
ebenda
30
(selbstständige Quelle)
Anreas Platthaus, Von Mann & Maus – Die Welt des Walt Disney, Berlin: Henschel 2001
31
(selbständige Quelle)
Joseph Bullman, The Secret Lives – Walt Disney, TV, London: Chanel 4 1995
32
(selbstständige Quelle)
Bob Thomas; Peter Schad (Übers.), Walt Disney – Die Original-Biographie, München: Ehapa 1986
33
(selbständige Quelle)
Joseph Bullman, The Secret Lives – Walt Disney, TV, London: Chanel 4 1995
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sonderte ihn von den anderen Animatoren ab. Babbitt musste schließlich zur Marine
gehen, um in der Zeit der Propagandafilme weiterarbeiten zu können.34
Emotional angegriffen sah Walt Disney die Kommunisten als Ursache des Streiks, obwohl
keiner seiner Angestellte je Mitglied einer kommunistischen Partei war.35 Disney gab 1947
vor dem House of Un-American Activities die Namen einzelnen Streikenden als
Kommunisten bekannt,36 ein besonders asoziales Verhalten, da den Beschuldigten ein
Arbeitsverbot drohen konnte. J. Edgar Hoover gab Disney anschließend den Posten eines
Special Agent in Charge. Disney sollte dem FBI über mögliche kommunistische Aktivitäten
in Hollywood berichten und tat dies auch ausgiebig, was eine Reihe an Akten bezeugt, die
jedoch komplett geschwärzt wurden.37
Disney nach seinem Tod. Wie kommt es zur Disney Renaissance?
Enttäuscht von seinen streikenden Zeichnern wandte sich Disney nach dem Streik immer
mehr von den Animationsfilmen ab, da andere Projekte, wie Disneyland, ein stärkeres
Interesse bei ihm hervorriefen. Das erste Goldene Zeitalter der DACs war schon nach dem
Film Bambi, 1942, vorbei.38 Eine neue Glanzzeit gab es erst 1950 mit Cinderella und
schließlich wohl den stilistischen Höhepunkt aller DACs 1959 mit Sleeping Beauty.
Bemerkenswerterweise zeigt sich bei letzterem die geringere Bedeutung Disneys
künstlerischen Kontrolle, da er das stilisierte Konzept von Eyvind Earle,39 das an
34
(selbstständige Quelle)
Anreas Platthaus, Von Mann & Maus – Die Welt des Walt Disney, Berlin: Henschel 2001
35
(selbständige Quelle)
Joseph Bullman, The Secret Lives – Walt Disney, TV, London: Chanel 4 1995
36
(Internetquelle)
The Testimony of Walter E. Disney Before the House Committee on Un-American Activities
http://filmtv.eserver.org/disney-huac-testimony.txt
(31. Mai 2011)
37
(selbständige Quelle)
Joseph Bullman, The Secret Lives – Walt Disney, TV, London: Chanel 4 1995
38
(sebstständige Quelle)
Jeff Kurtti, The Art of The Princess and the Frog, San Francisco: Chronicle Books 2009
39
(Internetquelle)
The Art of Disney Animation – Les coulisses des productions Disney-Pixar
http://artofdisney.canalblog.com/archives/la_belle_au_bois_dormant/index.html
(30. Jänner 2011)
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mittelalterliche Wandteppiche angelehnt ist, im Nachhinein zu eckig für seinen Geschmack
fand und eine menschliche Tiefe vermisste.40 (Abb. 4)
The Jungle Book war der letzte Zeichentrickfilm, bei dem Walt Disney aktiv beteiligt war.
1966 starb er an Lungenkrebs. In der Zeit danach verloren die Filme immer mehr an
Qualität und versanken teilweise in oberflächlicher Unterhaltung. In den 1980er Jahren
startete die neue Generation an Disney Animatoren einen Versuch der Revitalisierung von
DACs. Typische Disney Elemente und Tabus sollten gesprengt werden. Black Cauldron,
der Film der dabei herauskam, lässt jegliche Gesangsnummern aus, zeigte ursprünglich
eine angedeutete Nacktszene und beinhaltet erschreckende Zombie Skelette mit
herunterhängenden Hautfetzen. Jeffrey Katzenberg, der gerade ohne Erfahrung die
Leitung der Animationsabteilung übernommen hatte, ließ erstmals in der Geschichte der
DACs fertig animiertes Material schneiden. Dieser Vorgang gilt deshalb als Tabu, weil oft
Monate Arbeit in einer solchen Sequenz stecken. So wurden die für ungeeignet
empfundenen Elemente entfernt.41
Mit dem Engagement des Komponisten und Texter Duos Alan Menken und Howard
Ashman begann 1989 die sogenannte Disney Renaissance mit dem Film The Little
Mermaid. Besonders Broadway Schreiber Ashman war es ein Anliegen, die runde Qualität
der ersten DACs wiederzubeleben.
Mit Menken und Ashman rückte erneut die Musik in den Mittelpunkt. Die Leiter der
Animationsabteilung erkannten Ashmans Talent und ließen ihn zuerst mit seinen Liedern
die Handlung aufbauen, die Figuren charakterisieren, bevor sie diese Elemente selbst
weiter ausfeilten. Der Broadwaycharakter, der aus diesem Vorgang entstand, sprach auch
wieder mehr Erwachsene an. Beauty and the Beast von 1992 wurde beispielsweise in
einer Kritik als das beste Broadwaymusical des Jahres gekürt, mit dem Zusatz, obwohl es
nicht am Broadway gespielt wird.42
The Little Mermaid und Beauty and the Beast leiteten eine Reihe an stilistisch ähnlichen
Filmproduktionen ein, die inhaltlich sogar die besten Werke aus Disneys Golden Age
übertrafen. The Hunchback of Notre Dame von 1996 spricht beispielsweise heikle und
komplexe Themen an, wie Toleranz von Minderheiten (Roma und Sinti Thematik),
40
(selbstständige Quelle)
Bob Thomas; Peter Schad (Übers.), Walt Disney – Die Original-Biographie, München: Ehapa 1986
41
(selbständige Quelle)
Don Hahn, Waking Sleeping Beauty, Film, Los Angeles: Disney 2009
42
(unselbständige Quelle)
Don Hahn, Beyond Beauty – The Untold Story, in: Beauty and the Beast, Blu-ray, Burbank: Disney 2010
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Michael Car
körperliche Behinderungen (Quasimodo), und neurotische, sexuelle Begierde (Frollo).
Besonders die Figur des Frollo zeigt sich als vielschichtigster Bösewicht im ganzen Disney
Universum. Als einer der wenigen ist Frollo nicht prinzipiell böse. Seine Boshaftigkeit lässt
sich nachvollziehen in seiner fanatischen, falsch ausgelegten Religiosität. Seine Begierde
zu Esmeralda kompensiert er durch ein Klagelied an Maria („Hellfire“), eine Szene die
unglaublich expressiv ausgearbeitet wurde.
Als Kompromiss erscheint in Hunchback auch eine versöhnliche Religiosität in Form des
gutmütigen Erzdiakon. In Victor Hugos Buchvorlage belegt Frollo den Posten des
Erzdiakons, während er in der Disney Version lediglich weltlicher Richter ist.43
The Hunchback of Notre Dame stellt für Disney einen bis heute nicht mehr erreichten
künstlerischen Höhepunkt in seiner Gesamtheit als Film dar. Allein die Musik, wofür Alan
Menken mit einem zweiten, erfahrenen Broadwaykomponisten, Stephen Schwartz,
zusammenarbeitete, zeugt von einer komplexen Sensibilität die Dramatik der Handlung zu
unterstreichen. Von den Chornummern, die den mittelalterlichen Choral des Dies Irae
verarbeiten, über die anspruchsvolle Instrumentalisierung, könnte man meinen, das die
Musik allein reiche, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Als einzigen Schwachpunkt
lässt sich die Computeranimationen nennen, die zwar teils gekonnt eingesetzt wurden
(Glocken, bewegte Gegenstände), jedoch in Form der Massenszenen noch vollkommen
unausgereift waren. Glücklicherweise fallen diese steifen, puppenhaften
Menschenmengen erst auf, wenn man dezidiert darauf hingewiesen wird.
Anfang des neuen Jahrtausends verdrängte schließlich die zuerst nur als Hilfsmittel
konzipierte Computeranimation (CGI) den handgezeichneten Disneyanimationsfilm.
Inhaltlich wechselten diese CGI-Filme zu oberflächlichen Komödien mit durchsichtigen
kommerziellen Strategien. So wurde der Titel des neuesten Films von Rapunzel zu
Tangled geändert, aus Angst ein männliches Publikum könne den Kinosälen fernbleiben.44
43
(selbständige Quelle)
Stephen Rebello, The Art of The Hunchback of Notre Dame, New York: Hyperion 1996
44
(Internetquelle)
Los Angeles Times | Disney wrings the pink out of ʻRapunzelʻ
http://herocomplex.latimes.com/2010/03/10/disneys-rapunzel-gets-a-makeover/
(30. Jänner 2011)
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Michael Car
Bildanhang
Abb. 1: Die Multiplankamera
Abb. 2: Die Squash and Stretch Technik"
Abb. 3: Das Nutzi Land in Der Fuehrerʻs Face
Abb. 4: Eyvind Earle, Konzeptmalereien für Sleeping Beauty
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