Wandgemälde und Rektorbüsten

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Wandgemälde und Rektorbüsten
Uni
s c i e n t i a h a l e n s i s
U N I V E R S I T Ä T S
ZEITUNG
Martin-Luther-Universität Halle–Wittenberg
Halle, Dezember 1998
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Kustodie am neuen alten Standort
Wandgemälde
und Rektorbüsten
Historischer Sessionssaal
Zum Universitätsmuseum gehören nun
der wieder entstehende historische
Sessionssaal, der sich bis 1945 im
Löwengebäude befand, eine ständige
Ausstellung zur Geschichte der Universität Halle-Wittenberg, die zur 500Jahr-Feier der Alma mater in Vorbereitung ist, und ein Saal für Sonderausstellungen. Hier werden – wie bisher –
jährlich etwa acht Wechselausstellungen zur Wissenschaftsgeschichte
und zur Kunst und Kultur der Universität angeboten. Am 16. Februar 1999
eröffnet die Kustodie die erste Exposition mit einem armenischen Künstler
aus Tbilissi, es folgt am 14. April zum
Goethe-Jahr eine Ausstellung über
Goethe und die Universität Halle und
der Luxemburger Künstler Roger
Bertemes beschließt mit seinen Werken
das Ausstellungsprogramm des Studienjahres 1998/99. Damit ist die Interimslösung im Halleschen Saal in der
Burse zur Tulpe beendet.
Der neuen Kustodie unterstehen weiterhin im Hauptgebäude neben dem
Museum universitatis das rückübertragene Universitätskupferstichkabinett,
der Sessionssaal und denkmalpflegerisch auch die bis 2002 restaurierte
Aula. Eine zeitweilige Präsenzbibliothek
für den Initiativkreis zur Vorbereitung
der Jubiläumsausstellung 2002 wird
noch im Dezember in der Kustodie eingerichtet. Für die Mitglieder des Initiativkreises wird es auch einen Kurierdienst vom Archiv zum Universitätsmuseum zur Einsicht seltener Archivalien
geben.
21 Rektorenbildnisse
Der Einrichtung des historischen Sessionssaals des Senats geht bereits voran. Dieser Raum beherbergt in Zukunft
einen großen Teil der alten Ausstattung.
Die Südwand zeigt in einer dreireihigen
barocken Hängung 21 Rektorenbildnisse aus der Zeit von 1694 bis 1798.
Die gegenüberliegende Wand schmückt
eine Auswahl von Gelehrtenporträts
des 19. Jahrhunderts. Zwischen den
Fensterpfeilern sind die beiden wichtigsten Vertreter der Wittenberger Universität Luther und Melanchthon zu sehen.
An der Innenseite hängen die großformatigen Gemälde der Gründer der
Wittenberger und halleschen Universität, die Kurfürsten Friedrich der Weise
von Sachsen und Friedrich III. von Brandenburg. Neben Emil August Prinz von
Schleswig-Holstein-Sonderburg in
Augustenburg, einem Geschenk
hallescher Studenten, ist der erste
Rector magnificentissimus Friedrich Wilhelm I. vertreten, der sogenannte
Soldatenkönig, der zur halleschen Universität eine enge Beziehung pflegte.
Marmorbüsten von Jerôme – der 1806
erstmalig die Universität als König von
Westfalen schließen ließ – und von dem
großen deutschen Mathematiker Georg
Cantor zieren ebenso den Saal wie
Jubiläumsvasen und Pokale, Schränke
aus dem 18. und 19. Jahrhundert und
ein großer runder Empiretisch mit zwölf
Stühlen.
Gedankt sei an dieser Stelle all den
Personen und Einrichtungen, die zur
Vervollständigung des Sessionssaales
beigetragen haben und die bis dahin
diese Kunstwerke aufbewahrten, wie
Rektor, Kanzler, Universitäts- und Landesbibliothek, Universitätsarchiv, Theologische Fakultät und Allgemeine Hausverwaltung.
Eine grundlegende bauliche Sanierung
und Rekonstruktion des Sessionssaales
und des Universitätsmuseums sind im
Zusammenhang mit der Aula-Restaurierung in den Jahren 2000/2001
vorgesehen. Es ist geplant, im historischen Hörsaal die Wandbemalung
wiederherzustellen und eine nachgestaltete Beleuchtung anzubringen. Der
Einbau eines Fahrstuhls 1999/2000
wird Behinderten einen guten Zugang
zu allen Etagen ermöglichen. Eine seit
jeher fehlende Garderobe soll dann
auch endlich ihren Platz finden. Mit
der Errichtung eines neuen Hörsaalgebäudes am Universitätsplatz wird
die Anzahl der Nutzer im Löwengebäude verringert.
Bald gibt es eine Hausordnung
Nach Abschluß der Restaurierung und
Modernisierung stellt das Löwengebäude künftig wieder eine Zierde der
Universität dar. Der zur Zeit noch
stark beanspruchte und durch unzählige unsachgemäße Benutzungsspuren
geplagte denkmalgeschützte Bau wurde stark in Mitleidenschaft gezogen.
Unschöne Spuren hinterließen zum
Beispiel das Anbringen von selbstklebenden Hinweisschildern für Kongresse und Tagungen und das Ankleben von Vorlesungsankündigungen an
den lackierten spätklassizistischen Türen mit Tesafilm. Auch Putz platzte
durch herangerückte Tische und Werbeträger im Rahmen verschiedenster
Veranstaltungen ab. Dieser Zernutzung des Hauptgebäudes muß Einhalt
geboten werden. Eine Hausordnung
und das Anfertigen von Aufstellern zur
Anbringung von Hinweisschildern
wird eine der ersten Aufgaben der
Kustodie in ihrem wiedergewonnenen
neuen alten Standort sein.
Bezugnehmend auf das bevorstehende Goethe-Jahr sei auf einen Ausspruch des großen deutschen Dichters
hingewiesen, der das Hauptanliegen
eines Kustos nicht besser ausdrücken
kann:
„Manches Herrliche der Welt
Ist in Krieg und Streit zerronnen,
Wer beschützet und erhält
Hat das schönste Los gewonnen.“
Ralf-Torsten Speler
Leiter der Kustodie und des
Universitätsarchivs
Blick in das Treppenhaus des denkmalgeschützten Hauptgebäudes („Löwengebäude“) der halleschen Universität.
Foto: Schütze/Rodemann
Aus dem Inhalt:
Ehrendoktor Hartwich
Seite 3
Aktuelle
Veranstaltungen...
Hilfe durch Tierorgane?
Seite 5
...finden Sie im Internet
unter: www.uni-halle.de
Informationen aus der
Pressestelle
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Zum 20jährigen Bestehen der Kustodie im Jahre 1999 wird das Universitätshauptgebäude neues Domizil dieser Zentralen Einrichtung. Das Löwengebäude mit seinem imposanten Treppenhaus und der Wandbemalung von
Gustav Adolph Spangenberg, die vier
klassischen Fakultäten darstellend,
dem akademischen Festsaal, der Aula
und dem historischen Hörsaal bilden
den traditionellen Mittelpunkt der Universität. Mit den geplanten weiteren
musealen Einrichtungen, die seit der
Eröffnung des Gebäudes am Reformationstag 1834 bis zu Beginn des
20. Jahrhunderts schon einmal vorhanden waren, wird wieder die ursprüngliche Nutzung als Traditionsgebäude entstehen. Im Jahre 1990 beauftragte der Leiter der Kustodie den
halleschen Graphiker und Maler Lothar Grünewald für die Zentrale Kustodie ein neues Logo mit dem Motiv der
Portallöwen zu gestalten, das nun seine volle Bedeutung erhält.
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Studentenwerk im Blick
Seiten 6/7
Hornhautbank in Halle
Seite 9
Der Rektor zum Haushalt
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Studenten-Theater
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Neuer Ansprechpartner
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Prof. Dr. Isenberg, geboren 1942 in Halberstadt,
studierte in Leipzig Medizin und Physik, wurde
dort zum Dr. med. promoviert, verließ 1972 die
DDR, lehrte und forschte in den folgenden Jahren
an der Universität des Saarlandes und in Köln, bis
er 1995 an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen wurde. Zwischen 1978 und 1983
war er Heisenberg-Stipendiat der DFG.
Für seine wissenschaftlichen Leistungen erhielt er
1986 den Arthur-Weber-Preis der Deutschen Gesellschaft für Herz- und Kreislaufforschung und
1995 den Max-Planck-Forschungspreis. Ebenfalls
1995 publizierte er (mit fünf anderen Autoren) in
SCIENCE 268 (5216): 1483-1487erste Ergebnisse
seiner methodischen Arbeit zur Weiterentwicklung
der Zellphysiologie.
Physiologie im allgemeinen ist die
Lehre von der Funktion lebender Systeme. Weil aber komplexe große Systeme (z. B. der „Mensch“) schwer zu
verstehen sind, werden sie auf kleinere (etwa eine Zelle) reduziert. So erzielt man durch Vereinfachung Übersicht und kann im kleinen System mittels moderner Methoden wichtige Fragen detailliert beantworten.
Hilfe gegen Bluthochdruck?
Viele Patienten leiden an Durchblutungsstörungen. Der Physiologe weiß:
Durchblutung braucht weite Gefäße.
Die Zellphysiologie untersucht die Ursachen, die die Gefäße verengen und
erweitern: Vornehmlich durch die Konzentration von Ca2+-Ionen in der Zelle
wird die Gefäßweite reguliert. Durch
Ca2+-Antagonisten kann Bluthochdruck gesenkt werden. Doch das Problem ist erst teilweise gelöst, denn die
Ca2+-Ionen haben in der Zelle noch
andere Funktionen (wie die Kontrolle
des Wachstums und des Zelltodes).
Bei der Analyse der zellulären Funktion der Ca2+-Ionen ist es wichtig, die
Zelle nicht zu beschädigen - nicht die
Folgen des Eingriffs auf die Zellfunktion, sondern die Funktion selbst soll
ungestört beobachtet werden.
Isenberg hat seit 1985 an Gefäßmuskelzellen elektrische Ableitungen zur
Ca2+-Bewegung durchgeführt und insbesondere quantifiziert, wie sich
Ca2+-Ionen von außen nach innen
durch die Zellmembran hindurch bewegen und dann in der Zelle verteilen.
Gelöst wurden so spezielle Fragen
wie: Was treibt die Ca2+-Bewegung
an: der Konzentrationsunterschied,
die elektrische Anziehung oder chemische Energie in Form von ATPasen?
Welche Rolle spielt die Ca2+-Bindung
an Proteine?
Auch in den USA hat eine Arbeitsgruppe unter Fred Fay (Worcester, MA) versucht, die Auswirkungen der Ca2+-Bewegungen lichtoptisch zu erfassen. Als
Handwerkszeug dienten FluoreszenzIndikatoren, d. h. Farbstoffe, die unter
Bestrahlung mit blauem Licht nur dann
grünes Licht abgeben, wenn sie Ca2+Ionen gebunden haben.
Seit ca. 10 Jahren werden die Fluoreszenz-Signale mit hochauflösenden digitalen Chip-Kameras erfaßt, um mit
bildgebenden Verfahren aus den Signalen vierdimensionale Informationen (=
Raum plus Zeit) zu errechnen. Per Lichtmikroskop wird die lebende Gefäßmuskelzelle elektrophysiologisch untersucht. Dabei wird Fluoreszenz-Farbstoff aus der Meßelektrode in die Zelle
geladen. Üblicherweise liefert die Kamera ein zweidimensionales Bild mit
einer auf ca. 1 µm limitierten räumlichen Auflösung. Zur Kompensierung
dieses Nachteils wurde die konfokale
Mikroskopie entwickelt: Nur der im
Focus liegende Punkt der Zelle wird
betrachtet, das ihn umgebende Streulicht durch eine kleine Blende abgetrennt. Um ein scharfes Bild zu erhalten, müssen etwa 99 % des von der
Zelle ausgesendeten Lichtes verworfen
werden. Die notwendige Intensität des
Anregungslichtes führt häufig zu Störungen der Zellfunktion, die geringe
Lichtausbeute zu langen Meßzeiten.
Informationen aus Streulicht
Neu aus der Zusammenarbeit von
Isenberg mit der Gruppe Fay: Das
Streulicht ist in der Zelle entstanden:
Es muß Informationen über die Zelle
enthalten! Diese zu verwerten, ist das
Ziel. Dazu wird die im Streulicht enthaltene Information auf ihren punktförmigen Entstehungsort zurückgerechnet.
So kann man die streulichtbedingte Unschärfe aus mikroskopischen Fluoreszenz-Bildern lebender Zellen entfernen. Man eicht die Entstehung des
Streulichts im System Zelle-Mikroskop,
indem man einen 0.1 µm kleinen fluoreszierenden Punkt (eine Latex-Perle) in
die Zelle bringt und die von ihm produzierten Streulicht-Ringe bei variabler
Fokussierung mit der Kamera registriert. Mittels dieser Information wird
das Streulicht der mit FluoreszenzFarbstoff beladenen Zelle mathematisch aus den Kamera-Bildern entfernt.
So wird in 40 ms eine dreidimensionale Aufnahme von der Zelle gewonnen,
oder (bei wiederholten Aufnahmen)
eine zeitlich-räumliche Information,
die das vierdimensionale Verhalten der
Ca2+-Ionen beschreibt. Auf diese Weise können Strukturen aufgelöst werden, die ,eigentlich’ gar nicht sichtbar
sein sollten. Denn ein gutes Mikroskop
kann im grünen Licht zwei Punkte als
getrennt darstellen, wenn sie ca. 0.2
µm weit auseinander liegen. Die mit
dem neuen Verfahren gewonnene
,Superresolution’ trennt noch Punkte
mit einem Abstand von 0.06 µm!
Analyse lebendiger Zellen
Die Abstände von Bauteilen der Zelle,
die die Ca2+-Verteilung beeinflussen,
sind oft 20 nm klein oder kleiner. Die
zellphysiologische Forschung bräuchte
also eigentlich die Auflösung des Elektronenmikroskops. Aber: zur Elektronenmikroskopie werden Zellen fixiert
(getötet) und in dünne Schnitte zerlegt,
Zeitverläufe können also nicht beobachtet werden. In der diskutierten Arbeit wird die Zelle ohne einen solchen
großen, die Zellfunktion störenden Eingriff beobachtet. Obwohl die Abstandsauflösung dieser verbesserten
optischen Methode noch immer kleiner
ist als die des Elektronenmikroskops,
hat sie sich doch 10fach verbessert
und wird sicher zu weiteren Erkenntnissen wesentlich beitragen.
Margarete Wein
Detlev Riede
Prof. Dr. Detlev Riede ist seit Oktober
1998 Behindertenbeauftragter der
Martin-Luther-Universität und wird damit künftig ein wichtiger Ansprechpartner für die Behinderten an der Hochschule sein. Vielschichtige Aufgaben
kommen auf den Beauftragten zu, unter
anderem ist die behindertengerechte
Ausstattung einiger Gebäude zu ver-
bessern. Derzeit gibt es rund 320 körperbehinderte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und etwa 30 behinderte
Studierende an der Universität, deren
Interessen Professor Riede vertreten
wird. Mit ihren Problemen und Sorgen
können sie sich an die Schwerbehindertenvertretung bzw. den Behindertenbeauftragten der Universität wenden.
Riede ist Leiter der Sektion Physikalische und Rehabilitative Medizin. Er studierte in Halle Medizin und arbeitete
von 1963 bis 1988 an der Orthopädischen Universitätsklinik in der Saalestadt, anschließend leitete er die Abteilung Physiotherapie am Klinikum
Kröllwitz. 1986 erhielt er die Verdienstmedaille des Behindertensportverbandes der DDR. Im Jahr 1991 wurde der Wissenschaftler zum außerordentlichen Professor für das Fachgebiet Physiotherapie und 1994 zum ordentlichen Professor für Physikalische
und Rehabilitative Medizin berufen.
Seine Sprechzeit für Behinderte, die
Hilfe oder Informationen brauchen, ist
jeden Dienstag von 14 bis 16 Uhr in
der Schwerbehindertenvertretung, Universitätsring 4.
U. O.
Internationales Flair
Mehr Werbung für Halle im Ausland
Neuer Ausländerbeauftragter der Martin-Luther-Universität ist Prof. Dr. Jan
Louis, FG-Leiter Theoretische Physik.
Künftig steht er den rund 600 ausländischen Studierenden bei der Bewältigung von praktischen und studientechnischen Fragen in enger Zusammenarbeit mit dem Akademischen Auslandsamt der Universität zur Seite.
Louis kann selbst auf vielfältige Auslandserfahrungen verweisen. Er studierte Physik in Karlsruhe und London
und war von 1985 bis 1988 Doktorand an der University of Pennsylvania,
Philadelphia, USA. Längere Studienund Forschungsaufenthalte führten ihn
außerdem an die Stanford University,
USA und nach Genf in die Schweiz. In
den Jahren 1993 bis 1996 arbeitete
der Wissenschaftler schließlich an der
Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er sich auch habilitierte. Seit
Oktober 1996 hat Jan Louis eine Professur für Quantenfeldtheorie am
Fachbereich Physik in Halle inne.
Jan Louis sieht als Ausländerbeauftragter auch eine wichtige Aufgabe
darin, die Werbung im Ausland für ein
Studium an der Martin-Luther zu intensivieren und die Einrichtung neuer internationaler Studiengänge an der
Universität zu unterstützen. Damit
möchte er zugleich zu einer Erhöhung
der Attraktivität der halleschen Univer-
Foto: Klett
Gerrit Isenberg in „Science“:
Foto: Klett
Wissenschaftliche Zeitschriften und Journale gibt es in aller Welt, für sämtliche
Disziplinen und in vielen Sprachen. Wenn es aber um die Reputation der AutorInnen geht, fallen einige wenige ganz besonders ins Gewicht. Auch an der MartinLuther-Universität forschen und lehren Professoren, die sich durch Publikationen
in international renommierten Fachzeitschriften einen Namen gemacht haben.
Wir beginnen in dieser Ausgabe eine Serie, in der wir Ihnen hallesche Wissenschaftler mit ihren bereits in „Nature“ oder „Science“ veröffentlichten Forschungsergebnissen vorstellen wollen.
Foto: privat
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AKTUELLES
F
Hallesche Forscher in der
Wissenschaftspublizistik der Welt
Jan Louis
sität beitragen. „Ich möchte versuchen,
eine größere soziale und kulturelle Integration der ausländischen Studierenden und Gastwissenschaftler in das Leben der Universität und der Stadt Halle
zu erreichen“, erklärt Louis. „Dazu
sollten die existierenden Anstrengungen des Akademischen Auslandsamtes
(z. B. Tandem-Programm) unterstützt
und weiter ausgebaut werden.“
U. O.
Die Überreichung der Ehrenurkunde (v. l. n. r.: Prof. Dr. Richard Saage, Dekan des Fachbereichs Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften und Prof. Dr. Hans-Hermann Hartwich)
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Die Beschlußvorlage über Ehrenpromotionen für den Akademischen Senat
vom 15. 1. 1997 nennt als Grundlage,
daß hierfür „nur herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
in Frage kommen, die der Martin-Luther-Universität in besonderer Weise
verbunden sind.“ Für Professor Dr.
Hans-Hermann Hartwich, der im November mit der Verleihung des „doctor
honoris causa“ geehrt wurde, gilt dies
wie für kaum einen anderen.
Die politische Wende und damit die
Umgestaltung der ostdeutschen Hochschulen als Notwendigkeit begreifend,
kam er schon früh nach Halle: Anfang
1991 wurde er „Gründungsdekan“ des
neu aufzubauenden Fachbereichs Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften und engagierte sich als
Politikwissenschaftler mit langjähriger
Erfahrung in der Lehre und herausragenden Ergebnissen in der Forschung
auch mit ganzer Kraft für die Gründung
des Instituts für Politikwissenschaften.
Eine Aufgabe von besonderer Brisanz,
wenn man bedenkt, daß es dieses Fach
in der ehemaligen DDR nicht gab.
Da kam also jemand nach Halle, der zu
dieser Zeit schon ein weit über die
Grenzen seines Fachgebiets hinaus
bekannter Politologe war. Eine Professur für Innenpolitik an der Freien Universität Berlin, ein (abgelehnter) Ruf
nach Bremen und die langjährige Tätigkeit als Professor für Politikwissenschaft und Regierungslehre an der Universität Hamburg sowie viele mit Tatkraft ausgefüllte wissenschaftliche Ämter „lagen hinter ihm“. Und nun Halle!
Daß er bald in die Geschicke der gesamten Universität eingreifen würde,
war gewissermaßen „vorprogrammiert“. So wurde Hans-Hermann Hartwich – am 1. April 1992 als Professor
für Regierungslehre berufen – schon
am 12. November des gleichen Jahres
zum Prorektor für Strukturreform, Entwicklungsplanung und Studienreform
gewählt. Sein Wirken – sowohl in diesem Amt als auch im Fach – hinterließ
tiefe Spuren. Man begegnet ihnen im
Universitätsalltag auf Schritt und Tritt.
So u. a. im Zuschnitt neuer Fachberei-
che. „Musik-, Sport- und Sprechwissenschaft“ ist z. B. ein solcher. Oder in der
großen Akzeptanz des Studienfachs
Politikwissenschaft. Eine Steigerung
der Studierendenzahlen um mehr als
160 Prozent in den letzten fünf Jahren
legt davon beredtes Zeugnis ab. Die Interdisziplinären Zentren der Universität
– neun sind es inzwischen – gehen
ebenfalls auf seine Initiative zurück.
Die alljährlichen wissenschaftlichen
Disputationen zum Reformationstag in
Wittenberg sind ebenso Hartwichs
„Kinder“ wie die vielen Publikationen
– fünf Bücher allein über die Universität – die von ihm verfaßt oder herausgegeben wurden. Nicht zu vergessen
die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 300.
Geburtstag des halleschen Teils der
Universität im Jahre 1994. Das sind
nur einige Beispiele seines nachhaltigen Wirkens hier, das er immer als
Gestaltungsauftrag verstanden hat. Die
Universität sollte zukünftig wieder zu
den „erstklassigen“ gehören. Für dieses Ideal hat sich Hans-Hermann Hartwich eingesetzt, hat gekämpft, andere
mitgerissen.
Und natürlich hat er auch in der Lehre
Marksteine gesetzt. Von seiner fachlichen Kompetenz als Politologe konnten sich die zur Verleihung der Ehrendoktorwürde zahlreich erschienenen
Wissenschaftler, Kollegen, Freunde
und Weggefährten einmal mehr überzeugen. Sein Festvortrag – bezeichnenderweise mit einem großen Fragezeichen am Ende des Titels – „Haben die
klassischen Staatswissenschaften noch
Relevanz für die moderne Politikwissenschaft?“ – regte auch Nichtfachleute
zum Nachdenken über diese Thematik
an. Unter besonderer Berücksichtigung
der klassischen Staatswissenschaften in
Halle, schlug Hartwich einen Bogen
über mehr als 350 Jahre, bezog die
„Kameralistik“ (1827 wurde an der
halleschen Universität der erste Lehrstuhl hierfür eingerichtet) ebenso ein
wie die Frühaufklärung, den Pietismus
August Hermann Franckes oder die
„Staatsklugheitslehre“ eines Nikolaus
Hieronymus Grundling, um nur einige
Gedanken zu nennnen.
Die große Frage seines Vortragsthemas beantwortete er am Ende mit einem „Ja“, denn: Sowohl der interdisziplinäre Denkansatz der alten Staatswissenschaften und ihre Praxisrelevanz
als auch die „Lehre vom Regieren“
oder der Wille, an der Gestaltung der
öffentlichen Verhältnisse mitzuwirken,
die „Bildungsaufgabe als Teil jeder öffentlich orientierten Wissenschaft“ zu
verstehen, sind nach Hartwich noch
immer von zentraler Bedeutung.
Zwei weitere wissenschaftliche Höhepunkte brachte der Abend:
Seine neueste Publikation „Die Europäisierung des deutschen Wirtschaftssystems“, soeben im Verlag Leske +
Budrich erschienen, konnte von denen,
die zum festliche Empfang gekommenen waren, in Augenschein genommen
werden. Ein erstes Blättern vielleicht,
ein erstes Gespräch... Überraschend
war für den zweifachen Jubilar (er feierte in diesen Tagen auch seinen 70.
Geburtstag) sicherlich die Übergabe
der eigens hierfür von16 Wissenschaftlerkollegen verfaßten Festschrift
„Bilanz der Ära Kohl. Christlich-liberale Politik in Deutschland 1982 bis
1998“, die ihm vom Herausgeber
Göttrik Wewer überreicht wurde. Ein
würdiger Abschluß für einen besonderen Tag in der neuesten Geschichte
der Martin-Luther-Universität.
Monika Lindner
Als interkontinentaler Forschungsfreak in Halle
Prof. Dr. Ian Lerche und das 7. Jahr
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Halle und das Institut für Geologie an
der hiesigen Universität sind für Prof.
Dr. Ian Lerche eine eher zufällige, aber
nicht unwichtige Station in seinem bewegten Forscherleben. Im Mai 1998
kam er an und wird bis Sommer 1999
bleiben. Denn solange dauert das
„Sabbat-Jahr“ (eine ähnlich dem deutschen „Forschungs-Freisemester“ amerikanischen Professoren alle sieben
Jahre gewährte Forschungszeit).
In den frühen 60ern begann der gebürtige Brite eine Karriere als Astrophysiker in Manchester (1962 Bakkalaureat
in Physik, 1965 Promotion in Astronomie). Danach ging er in die USA, an
die University of Chicago.
In deren Auftrag suchte er 1977 bis
1979 von Australien aus mit Riesenteleskopen den irdischen Himmel nach
Novitäten ab. Wenig später nahm er –
wieder ein Zufall – einen ganz anderen
Auftrag an: für den Erdölkonzern Gulf
Oil in Pittsburgh und Houston mit
selbstentwickelten Computerprogrammen neue Erdölquellen zu entdecken.
Mit Erfolg: Im Golf von Mexiko, unter
3000 m Wasser und 100 m Salz fand
man die von ihm theoretisch errechneten Erdöllagerstätten tatsächlich vor –
und Ian Lerches künftiges Spezialgebiet
stand fest.
Die Prognose von Erdöl- und Erdgasgewinnung am Computer ist viel kostengünstiger als Probebohrungen, von
denen eine jede durchschnittlich 15
Millionen Dollar kostet (im Meer ca.
zehnmal soviel wie an Land). Überdies
stehen die Chancen, so Erdöl zu orten,
etwa 1:10; nimmt man nur jene, deren
Ausbeutung auch ökonomisch wäre,
sinkt das Verhältnis auf 1:20 bis 1:30.
Schließlich können Rechenmodelle, auf
seismische Querschnitte und eine Vielzahl von Daten gestützt, erdgeschichtliche Strukturen und mögliche Wege
des Öls in viel größeren Tiefen erfassen, als sie für Bohrungen je erreichbar sind.
gical Sciences der University of South
Carolina in Columbia ein. Seine Forschungen über die Ausbeutung von
Erdöllagerstätten einschließlich geologischer Risiken und über ökonomische
Gefahren der Kohlenwasserstoffgewinnung publizierte er u. a. im renommierten Verlag Academic press in
San Diego.
Ehrungen für Ian Lerche zwischen 1982 und 1997:
• Levorsen award of the american association petroleum geologists
• Medal of the ministry of petroleum, China
• Nordic council professor of petroleum geology
• US-Sonderpreisträger der Alexander-von-Humboldt-Stiftung
• French academy of sciences professor of geology
• USC-foundation award for research and engineering
• Dupont award for science
• Gulf oil company special intiative award
Allerdings spielen in der Computergeologie auch Unsicherheitsfaktoren
mit: Es kann passieren, daß die Berechnungen in soundsoviel Metern Tiefe eine reiche Lagerstätte vermuten lassen, doch eventuell ohne die (in geologischen Dimensionen gedacht) geringfügige Verschiebung des Zeithorizonts
in einer Größenordnung von 10 000
oder 1 Million Jahren zu berücksichtigen – mit anderen Worten: Wir sind zu
spät (oder zu früh) gekommen, um dieses Öl zu fördern!
Als 1984 Gulf Oil mit Chevron fusionierte und Lerches künftiger Arbeitsort
Los Angeles werden sollte, stieg er
dort aus und im Department of Geolo-
Nach Halle kam Prof. Dr. Ian Lerche
(fast zwei Jahre später als geplant, weil
es zuvor einen 1jährigen Forschungsaufenthalt in Frankreich, eine Auszeichnung der Französischen Akademie der
Wissenschaften, zu absolvieren galt)
durch Vermittlung des US-amerikanischen Physikers und Humboldt-Preisträgers Mike Schutte, der 1994 die
Verbindung zu Prof. Dr. Gerhard H.
Bachmann herstellte.
Mehreren Kurzbesuchen folgte nun die
Gastprofessur, in deren erstem Teil
Professor Lerche in Vorbereitung und
Realisierung der internationalen TRIASKonferenz im September 1998 eingebunden war, u. a. als Mitherausgeber
des Exkursionsbandes. Gegenwärtig
beschäftigt ihn die Vorbereitung des
Tagungsbandes für den Springer-Verlag. Darüber hinaus wirkt er bei der
computergeologischen Erkundung des
Norddeutschen Beckens mit: Von der
Analyse der abgelagerten Sedimente
erwarten die Geologen neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Erde im
allgemeinen und über die untersuchte
Region im besonderen.
In der Lehre sind im Februar 1999 ein
fakultatives Kompaktseminar für Hauptstudenten der Geologie und Paläontologie zum Thema „Beckenanalyse und
Beckenmodellierung“ sowie eine reguläre Vorlesung zu „Ökonomischen Fragen bei der Erdölgewinnung“ im Sommersemester 1999 geplant. Auch die
computergeologischen Arbeitsprogramme sind Studierenden zugänglich.
Für den zweiten Teil der halleschen
Zeit von Prof. Dr. Ian Lerche ist u. a.
eine Kooperation mit dem Universitätszentrum für Umweltforschung (Prof. Dr.
Peter Wycisk) und dem Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (Prof. Dr.
Walter Gläser) vorgesehen. Finanziert
wird der Aufenthalt aus drei Quellen:
Seine Heimatuniversität zahlt ihm im
Forschungsfreijahr die Hälfte des üblichen Salärs; die Alexander-von-Humboldt-Stiftung hat ihm Mittel aus dem
„Wieder-Einladungsprogramm für frühere Sonderpreisträger“ zuerkannt; einen Beitrag zahlt auch die Martin-Luther-Universität, die ja am meisten von
seinem Hiersein profitiert.
Margarete Wein
Foto: privat
Foto:Bauer
Bauer//MZ
MZ
Foto:
Professor Hans-Hermann Hartwich wurde Ehrendoktor der Universität
AKTUELLES
Schrieb neueste Universitätsgeschichte
Der britisch-amerikanische Computergeologe
Prof. Dr. Ian Lerche – für ein Jahr an der
Martin-Luther-Universität zu Gast
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Dem Ultraschall auf der Spur
4
Als ausgewiesener Ultraschallfachmann
und anerkannter Medizinphysiker erfuhr
Millner nationale und internationale
Anerkennung. Wenn er sich in jüngster
Zeit insbesondere der Geschichte des
Ultraschalls und im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der
Medizin (DEGUM) dem Aufbau einer
Sammlung für das erste Ultraschall-Museum Europas am Hygienemuseum
Dresden gewidmet hat, so ist dies eine
besonders sinnvolle und für weitere
Forschungen spannende Arbeit, die
Ausland zu einem Spezialinstitut für
Ultraschallphysik und Ultraschalldiagnostik aus.
nicht zuletzt gewissermaßen auch seine eigenen wissenschaftlichen Ergebnisse zusammenfaßt und archiviert.
1928 in Gleiwitz geboren, mußte Rudolf Millner nach dem Krieg die Vertreibung aus seiner schlesischen Heimat erleben und kam 1945 nach Halle. In der Saalestadt legte er das Abitur
ab und nahm ein Physikstudium auf.
Bereits in der damals neu gegründeten
Abteilung für Ultraschall am Institut für
Experimentelle Physik erwachte seine
Begeisterung für die Ultraschallphysik.
So schloß sich dem Diplom eine
Assistententätigkeit an. Bei seinen Untersuchungen gelangen ihm der experimentelle Nachweis eines von Debye
theoretisch vorhergesagten Ultraschall-Effektes in elektrolytischen Lösungen sowie die Aufklärung der Mechanismen dieses Effektes.
1960 wurde Millner promoviert und
beschäftigte sich in der Folgezeit insbesondere mit Ultraschallwechselwirkungen in Flüssigkeiten, Festkörpern und biologischem Gewebe. Gemeinsam mit dem Institut von Ardenne
in Dresden war er maßgeblich an der
Entwicklung des „Focoscan“-Schnittbildverfahrens und von ersten
Funktionsmustern von B-Bildsystemen
für den klinischen Einsatz beteiligt.
Daneben galt sein Interesse auch anderen Anwendungen der Physik in der
Medizin, wie z.B. der Entwicklung von
Engagierter Hochschullehrer
Foto: Christ
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Medizinische Diagnostik oder zerstörungsfreie Werkstoffprüfung ohne Ultraschall kann sich heutzutage niemand
vorstellen. Von den vielfältigen Möglichkeiten dieser Technik schon früh fasziniert, widmete Prof. Dr. Rudolf Millner
sein Lebenswerk der Ultraschallforschung. Wenn nun der 70ste Geburtstag des emeritierten Professors der
halleschen Universität Anlaß gibt, Bilanz
zu ziehen, sind es nicht weniger als 20
Patente, auf die der Wissenschaftler und
Hochschullehrer verweisen kann. Doch
das ist nicht alles, seine wissenschaftlichen Aktivitäten schlugen sich auch in
elf Büchern bzw. Buchbeiträgen, 200
wissenschaftlichen Publikationen und
rund 450 Fachvorträgen nieder.
Mittler zwischen Medizin und
Physik
Rudolf Millner
Herzschrittmachern und der automatischen Isodosenregistrierung.
Nach der Habilitation 1966 folgte die
Berufung zum Dozenten für experimentelle Physik an das Institut für Angewandte Biophysik der Medizinischen
Fakultät. Im Jahre 1977 wurde er zum
ordentlichen Professor und gleichzeitig
zum Institutsdirektor berufen. Er baute
das Institut für Angewandte Biophysik
in enger Kooperation mit den Kliniken
der Medizinischen Fakultät in Halle
und vielen Kollegen aus dem In- und
(Rücken-)Schmerz, laß nach!
Forschungsverbund Rehabilitationswissenschaften
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An Krankheit und Schmerz möchte sich
niemand gewöhnen müssen. Ist man
krank gewesen, will man möglichst
schnell zurück in den Beruf und ins normale (schmerzfreie) tägliche Leben.
Wenn es anders nicht geht, müssen
Rehabilitationsmaßnahmen dabei helfen; und diese bedürfen optimaler Koordination.
Deshalb haben sich Wissenschaftler der
Universitäten Halle-Wittenberg, Magdeburg und Greifswald sowie regionale
Rehabilitationseinrichtungen und Landesversicherungsanstalten (LVA) im September 1998 zum „Forschungsverbund
Rehabilitationswissenschaften SachsenAnhalt / Mecklenburg-Vorpommern“
zusammengeschlossen, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Rentenversicherung gefördert wird. „Schnittstellenprobleme in der medizinischen Rehabilitation – Entwicklung und Erprobung praxisorientierter Lösungsansätze“ bilden für
drei Jahre das Leitthema der Arbeit in
sechs speziellen Forschungsprojekten
und in einem Querschnittprojekt.
Die Projekte sind in die Bereiche „Koordinierung und Weiterentwicklung des
gestuften Systems der Rehabilitation
und der beruflichen Wiedereingliederung“ und „Zugangswege und Zuweisungssteuerung zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung“ gegliedert.
Die Medizinische Fakultät der MartinLuther-Universität ist mit vier Projekten
beteiligt:
1. Die Klinik für Psychotherapie und
Psychosomatik untersucht in Zusammenarbeit mit der Sektion Physikalische
und Rehabilitative Medizin bei Patienten
mit chronischem Rückenschmerz Möglichkeiten einer verbesserten Zuweisung zu Reha-Einrichtungen.
2. Ein Projekt des Instituts für Medizinische Psychologie geht der Bedeutung
der Patientenmotivation für das Rehabilitationsergebnis nach.
3. Das Projekt der Sektion Medizinische
Soziologie erprobt neue Wege für eine
berufsnähere Ausrichtung der medizinischen Rehabilitation und für eine
stärkere berufliche Wiedereingliederung.
4. Das Methoden-Querschnittprojekt,
an dem u. a. das Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und
Medizinische Informatik mitwirkt, hat
die Aufgabe der Methodenberatung
und der methodischen Qualitätssicherung innerhalb des Forschungsverbunds.
Neben der wissenschaftlichen Qualität des Gesamtvorhabens sind in allen
Teilbereichen Antworten auf reha-ökonomische Probleme sowie praxisrelevante Analysen erhobener Daten hinsichtlich ihrer (möglichen) Auswirkungen auf alle Betroffenen, in erster Linie PatientInnen und RehabilitationsmedizinerInnen, gefragt. Öffentliche
und verbundinterne Veranstaltungen
und Maßnahmen werden zur Stärkung
und Weiterentwicklung reha-wissenschaftlicher Kompetenz und ihrer
Strukturen in den beiden Bundesländern beitragen.
So wurde auch eine Stiftungsprofessur
für Reha-Wissenschaften an der Medizinischen Fakultät der Universität Halle beantragt; und es ist – im Zusammenwirken mit den Ärztekammern –
vorgesehen, das Weiterbildungsangebot für „Sozialmedizin“ zu intensivieren und den Aufbau des Weiterbildungsangebotes „Rehabilitationswesen“ zu beschleunigen.
Praxispartner des Verbundes sind sieben Reha-Kliniken und vier Einrichtungen der ambulanten oder teilstationären Rehabilitation der beiden beteiligten Bundesländer.
Zur Unterstützung der Arbeit des Verbundes wurde der Verein „Regionale
Rehabilitationsforschung in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt
e. V.“ gegründet, dem u. a. die LVA der
Länder Sachsen-Anhalt, MecklenburgVorpommern und Hessen, ferner die
AOK Sachsen-Anhalt angehören.
Verbundsprecher ist Prof. Dr. Wolf-
gang Slesina von der Sektion Medizinische Soziologie der halleschen Universität, wo auch die Geschäftsstelle
des Verbundes eingerichtet wurde.
Margarete Wein
Hervorzuheben ist besonders Millners
Engagement als Hochschullehrer. Viele
Generationen hallescher Medizin- und
Zahnmedizinabsolventen werden sich
an seinen mitreißenden Vorlesungsstil
während ihrer Physikausbildung erinnern. Er übernahm auch Gastvorlesungen zu medizinischer Elektronik bzw.
Biomedizintechnik an anderen Einrichtungen wie der TU Dresden oder auch
noch nach seiner 1995 erfolgten Emeritierung an der Fachhochschule
Köthen. Es gelang ihm immer wieder,
nicht zuletzt auch durch seine über viele Jahre durchgeführten Doktorandenseminare, jüngere Menschen für medizinische Physik zu begeistern, so daß
er mehr als hundert Diplomanden und
Doktoranden betreuen konnte.
Millner war als Vorstandsmitglied sowie teilweise als Vorsitzender auch in
nationalen und internationalen Fachgesellschaften aktiv. An den Übergangsprozessen der Gesellschaft für
Ultraschall in der Medizin und der Gesellschaft für physikalische und mathematische Biologie der DDR in die jeweilige deutsche Gesellschaft nach der
Wende wirkte er engagiert mit.
Das Institut für Medizinische Physik
und Biophysik der Medizinischen Fakultät, dessen Leitung 1994 Prof. Dr.
Ulrich Cobet übernahm, ehrte seinen
ehemaligen Direktor, Prof. Dr. Rudolf
Millner, am 30. Oktober aus Anlaß
seines runden Geburtstages mit einem
Festkolloquium. Zugleich erfuhren damit seine Leistungen in Forschung Lehre eine Würdigung. Die Universitätszeitung schließt sich mit guten Wünschen für weitere schaffensreiche
Jahre an.
Andreas Christ
Ute Olbertz
Projekte, Patente,
Perspektiven...
4. Workshop „Neue Polymermaterialien“
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aus den fakultäten
und fachbereichen
Erstes Ultraschall-Museum Europas im Aufbau
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Bei blauem Himmel im Pulverschnee
die Piste runter wirbeln... eine Bodenwelle, der Sturz – das war’s. Die Jahreszeit der Knochenbrüche. Voraussetzung der Heilung (bis zur nächsten Saison) ist eine Fixierung des Bruches,
gegebenenfalls durch Drähte, Nägel,
Schrauben und Platten aus biokompatiblen Metallen und Legierungen. Dabei ist allerdings (bisher) eine zweite
Operation zur Entfernung des Implantats nach der Knochenheilung unerläßlich. Deshalb müssen die Anordnung
des Implantats und der Zeitpunkt der
Entfernung so gewählt werden, daß ein
Knochenabbau durch schlechte Kraftübertragung und Dauerentlastung des
Knochens vermieden wird.
Ist nicht für spezielle Einsatzgebiete ein
Material denkbar, das diese Zweitoperation überflüssig macht? Kann man
Implantate herstellen, die im Verlaufe
der Knochenheilung definiert an Festigkeit verlieren, indem sie synchron
zur Knochenneubildung abgebaut werden? Ist es möglich, solche Abbauprozesse zur gezielten Medikamentenfreisetzung zu nutzen? Gibt es bioaktive Werkstoffe, die eine Heilung unterstützen?
Diese Fragen wurden im Oktober drei
Tage lang von den Doktoranden und
Projektleitern des an der Martin-Lu-
ther-Universität angesiedelten Innovationskollegs „Neue Polymermaterialien“ während ihres vierten Workshops an der Leucorea zu Wittenberg
heftig diskutiert. Dabei wurden unter
anderem die in den vergangenen vier
Jahren erreichten Ergebnisse bei der
Entwicklung und Erprobung neuartiger
biokompatibler und partiell resorbierbarer Polymerwerkstoffe vorgestellt.
Angesichts der Bedeutung der Forschung auf dem Gebiet der Biomaterialien an unserer Universität und im
IWZ Materialwissenschaften wurde ein
intensiver Gedankenaustausch über
künftige Ziele und Aufgaben auf diesem weltweit einzigartig wachsenden
Zweig der Materialwissenschaft geführt. Daraus resultierte letztlich der
Wunsch, die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Chemikern, Physikern,
Ingenieuren, Pharmazeuten und Medizinern über den Abschluß des Innovationskollegs im September 1999
hinaus weiterzuführen. Das Kolleg
startete mit einer positiven Zwischenbilanz in das fünfte und letzte Jahr. Ziel
ist nun, die Projekte erfolgreich abzuschließen und Möglichkeiten der Überführung der Resultate in Patente und industrielle Anwendung auszuschöpfen.
Sven Henning
Tierorgane: Hoffnung für Todkranke
bei knappen Ressourcen?
Zum sechsten Male seit 1993 fand am
31. Oktober eine Festsitzung des Akademischen Senats der Martin-LutherUniversität in der Luther-Stadt Wittenberg statt. Die jahrhundertealte Tradition des öffentlichen Streitgesprächs
war im Vorfeld der 300-Jahr-Feier zum
Bestehen der halleschen Fridericiana
wiederbelebt worden (initiiert von Prof.
Dr. Hans-Hermann Hartwich, vgl. S. 3)
und wird seither alljährlich nicht nur
von kompetenten WissenschaftlerInnen,
sondern ebenso von der interessierten
Öffentlichkeit mit Spannung erwartet.
Diesmal stand die Xenotransplantation
im Mittelpunkt des Disputs. Sechs Wissenschaftler (drei Mediziner, ein Theologe und zwei Juristen) hatten am Podium Platz genommen, um dem zahlreich
erschienenen Auditorium in der imposanten Aula des Melanchthon-Gymnasiums ihre Pro- und Kontra-Argumente
zu präsentieren.
Menschen – die Gefahr von Virusinfektionen, die als unerwünschte Nebenwirkung der Xenotransplantation Tierkrankheiten auf den Menschen übertragen könnten, noch nicht genau untersucht oder gar gebannt.
Entgegnungen wurden aus der Sicht eines Mediziners, eines Theologen und
eines Juristen vorgetragen. Prof. Dr.
med. Rolf-Edgar Silber aus Würzburg
lenkte die Aurmerksamkeit u. a. auf die
geringe Lebensdauer im Tierversuch,
den sehr unterschiedlichen Alterungsprozeß und das Problem der ganz andersgearteten Belastung durch den aufrechten Gang.
Die Wittenberger Disputationen der Nach-Wendezeit:
1993
1994
1995
1996
1997
Bindungsverlust und Zukunftsangst – Leben in der Risikogesellschaft
Leben ohne Arbeit? Arbeit als Los?
Nachwachsende Rohstoffe
Bildung – in Verantwortung vor Gott und den Menschen
Wer hält die Universität auf Kurs?
Selbstbestimmung, Leitung und Kontrolle vor neuen Herausforderungen
Chancen, Risiken, Prognosen müssen
abgewogen werden, um zu entscheiden, ob transgene Tiere, vor allem
Schweine, in absehbarer Zeit als Organspender für den Menschen in Frage
kommen oder nicht. Doch selbst wenn
das, medizinisch betrachtet, jemals in
großem Maßstab möglich sein sollte,
bleibt die Frage, ob der Mensch das
Recht hat, dafür Tiere zu töten.
Prof. Dr. Hans Lilie als Moderator der
Disputation verwies auf die lange Geschichte des Problems (schon 1905
wurde erstmals – allerdings erfolglos –
versucht, Kaninchenorgane auf einen
Menschen zu übertragen) und auf die
Fragwürdigkeit der „Jagd nach der
Spenderquote“, die auch in der jüngsten Ausgabe des FOCUS kritisch untersucht worden sei. Ob sich daraus
aber ableiten lasse, daß der Xenotransplantation eine große Zukunft bevorstehe, sei vorerst ungewiß.
Denkbar für die Zuweisung eines Spenderorgans sind verschiedene Kriterien:
Dringlichkeit, Gleichheit, Zufall, Wartezeit, prognostische Erwägungen, familiärer und sozialer Status des Empfängers. Nach deutschem Recht gibt es
keine Einschränkungen für die Empfänger von Spenderorganen im Hinblick
auf ihr Alter oder gar ihr soziales Prestige. Folglich kann, so das Fazit von
Professor Fuchs, die Organknappheit
nur durch den Einsatz von Tierorganen
behoben werden.
Eine „Stellvertreterdiskussion“?
Prof. Dr. Bruno Reichart, Direktor der Herzchirurgischen Klinik, Klinikum Großhadern, München
Die Begrüßungen des Wittenberger
Oberbürgermeisters und des Prorektors für Forschung der Universität
ließen die Brisanz des Themas deutlich
werden. Der verständlichen Hoffnung
auf segensreiche Hilfe stehen moralische Bedenken entgegen, denn seit
Dolly sei klar, wohin die Reise gehen
kann, betonte Eckhard Naumann. Prof.
Dr. Frank Janowski sieht die Universität
in der Pflicht, „das intellektuelle Gewissen der Gesellschaft zu sein“.
Lange leben – aber wie?
Die medizinische Möglichkeit der
Xenotransplantation, also der Übertragung von Tierorganen auf den Menschen, wirft eine Vielfalt ethischer, juristischer und medizinischer Probleme
auf. Nach der Nahrung ist die Gesundheit das zweitwichtigste Grundbedürfnis menschlichen Daseins (es folgen
Kleidung, Wohnung und Kommunikation). Das klingt einfach und plausibel,
doch vor dem Hintergrund der Tatsache, daß es rund 30.000 verschiedene
Krankheiten gibt, von denen nur ein
Drittel mit Medikamenten geheilt werden kann, ist es nichts weniger als
selbstverständlich. Außerdem ziehen
Wunsch und Wirklichkeit der Lebensverlängerung ja zugleich die Forderung nach verbesserter Lebensqualität
und die Kostenfrage nach sich.
Das Thema „Tierorgane: Hoffnung für
Todkranke bei knappen Ressourcen?“
bezieht sich indessen nicht nur auf das
Fehlen menschlicher Spenderorgane in
genügender Zahl, sondern ebenso auf
eine Reihe ganz anderer Ressourcen:
Pflegekräfte, soziale Dienste in der
poststationären Betreuung, menschliche Zuwendung und Kompetenz.
Im Kontext der Wechselbeziehungen
zwischen medizinischem Fortschritt,
Lebenserwartung und Kosten (die nur
in Ausnahmefällen niedriger werden)
sprach der Hauptgeschäftsführer der
Bundesärztekammer in Köln, Prof. Dr.
med. Christoph Fuchs, von einer
„Fortschrittsfalle“ und stellte die These
auf, daß unser Gesundheitswesen (wie
jedes andere auch) „unersättlich“ sei.
Die steigenden Anforderungen, auch
im Bereich der notwendigen Anzahl
von Spenderorganen, führen dazu, daß
an die Stelle bedarfsgerechter Verteilung nunmehr eine Zuteilung tritt, für
die gerechte Kriterien nur schwer bestimmt werden können. Es ist also
nicht die Frage, ob es eine Rationierung geben müsse, sondern wie diese
erfolgen kann. Anders ausgedrückt:
„Allgemeine anerkannte Standards
können in Teilbereichen nicht mehr
ein- bzw. durchgehalten werden.“ Im
Spannungsfeld zwischen Sorgfaltsstandards und Budget muß festgelegt
werden, worauf sich das Hauptaugenmerk der Betrachtung richten soll: auf
individuelle oder statistische Daten,
auf Arzthaftung (ex post!) oder Sozialrecht (ex ante), auf Wirtschaftlichkeit
oder Menschlichkeit – wie immer sie
interpretiert werden mag.
Auf die Schere zwischen vorhandenen
und nötigen Spenderorganen bezogen,
sieht Professor Fuchs im Dilemma zwischen Zuteilung und Entzug sogar die
Einheit der Rechtsordnung in Gefahr.
Statistische Angaben zur Transplantation:
ca. 40.000 Transplantationen jährlich weltweit
1997: 3.839 Transplantationen in Deutschland
(davon 562 Herzen, 762 Lebern, 2.249 Nieren)
Allein in Deutschland ist die Warteliste dreimal so lang!
(12.000 Organe, darunter 10.000 Nieren, würden gebraucht)
2010: Pharmafirmen prognostizieren einen Umsatz von 6 Mrd. Dollar für die
Verpflanzung von Tierzellen, -geweben oder -organen auf Menschen.
Foto: privat
Nicht nur Organe fehlen!
Foto: privat
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Prof. Dr. Christoph Fuchs, Hauptgeschäftsführer
des Bundesärztekammer Köln
Professor Dr. Bruno Reichart, Direktor
der Herzchirurgischen Klinik und Poliklinik im Klinikum Großhadern in München, sieht die Xenotransplantation als
letzten Ausweg in einer Hierarchie von
Lösungsmöglichkeiten für das Grundproblem Organknappheit. An erster
Stelle steht für ihn die Notwendigkeit,
die Zahl der Organspender anzuheben. Zweitens plädiert er für eine bessere und längere Nutzung verpflanzter
Spenderorgane. Schließlich möchte er,
bevor die Frage der Übertragung von
Tierorganen zu entscheiden ist, die Alternative der Entwicklung und Verpflanzung künstlicher Organe prüfen.
Ein Mensch ist kein Schwein
Reicharts Bedenken wurzeln nicht zuletzt in der Unterscheidung zwischen
konkordanter und diskonkordanter
Xenotransplatation. Die konkordante
(und deshalb für den Menschen mit
vergleichsweise geringeren Risiken behaftete) Xenotransplantation wäre nur
mit Organen großer Affen, zum Beispiel Pavianen, zu realisieren. Daraus
würde jedoch ein gravierendes ethisches Problem erwachsen. Man könnte
dies zwar bei diskonkordanter Xenotransplantation (ganz überwiegend die
Transplantation von Organen des
Schweins) umgehen, würde aber damit
eine Reihe anderer Schwierigkeiten
provozieren: Dem oft genannten Vorteil der anatomischen Größe von
Schweineherzen steht vor allem die
stärkere, hyperakute Abstoßung entgegen. Ob dagegen Entwicklung und Einsatz von Anti- und Anti-Antikörpern
helfen können, wird noch erforscht.
Schließlich ist – und das gilt für alle
Formen der Verpflanzung tierischer
Organe, Gewebe oder Zellen auf den
Prof. Dr. theol. Klaus Tanner aus Halle
räumte ein, daß es zwar keine Verdammung der Xenotransplantation durch
die evangelische Kirche gebe, sieht
aber den wichtigsten Ansatz zur Lösung
des Problems ganz woanders, nämlich
bei der besseren Prävention im Alltag.
Eigentlich sei das ganze aber eine
„Stellvertreterdiskussion“, denn im
Grunde gehe es um die Frage „Was
macht die moderne Apparate-Medizin
mit dem Menschen?“ und in diesem
Kontext um die Entscheidung, ob das
Vertrauen in die Medizin gestärkt oder
untergraben wird. Mit seinen Reflexionen über die Definition eines „guten
Lebens“, die Utilitarismus als Argumentationsstrategie ausschließe, ging
er dann weit über den vorgegebenen
Themenrahmen hinaus.
Ass. Stefan Jungeblood aus Göttingen
analysierte das Problem aus juristischer Sicht. Mit Blick auf Artikel 1 des
Grundgesetzes – Die Würde des Menschen ist unantastbar – hält er diese
zumindest dann für verletzt, wenn der
Mensch zum bloßen Objekt degradiert
wird. Deshalb sind zurzeit Versuche am
Menschen nicht vertretbar; nur am Tiermodell dürfe weitergeforscht werden.
Schließlich wies er darauf hin, daß das
Ende 1997 in der Bundesrepublik
Deutschland verabschiedete Transplantationsgesetz auf die Xenotransplantation keinesfalls anwendbar sei.
Die Stirnwand des Festsaals ziert ein
Bildnis Martin Luthers vor dem Reichstag in Worms, wo er nach seinem Verhör gesagt haben soll: „Ich bin hindurch!“ – doch nach der diesjährigen
Disputation dürfte keiner der Anwesenden, weder im Podium noch im Publikum, dieser Meinung gewesen sein .
Das Thema wird Mediziner und Juristen, Philosophen und Theologen, Betroffene, ihre Angehörigen und viele
andere noch lange beschäftigen – ein
Ende der Diskussion ist nicht in Sicht.
Aspekte
Öffentliche Disputation zum Reformationstag 1998 in Wittenberg:
Margarete Wein
Impressum
Herausgeber:
Der Rektor
Prof. Dr. Reinhard Kreckel
Redaktion und Layout:
Jens Gerth, Dr. Monika Lindner, Ute Olbertz, Stefan Schwendtner
(Koordination), Dr. Margarete Wein
Anschrift:
Rektorat der Martin-Luther-Universität
06099 Halle/Saale
Ruf:
(0345) 5 52 14 20/22/24, 5 52 10 08
Telefax:
(0345) 5 52 70 82, 5 52 72 08
e-mail-Adressen:
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Internet-Adresse:
www.verwaltung.uni-halle.de/dezern1/presse/welcome.htm
Grafik-Design:
Barbara und Joachim Dimanski, Halle
Druckvorstufe:
Satz & Grafik Halle
Druck:
Union Druck Halle
5
Foto: Studentenwerk Halle
Die Studierenden von morgen – heute von ihren studentischen Eltern der Obhut der Kindereinrichtungen
des Studentenwerks anvertraut, machen sich rechtzeitig mit den einschlägigen Örtlichkeiten bekannt.
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Die Studentenwerke blicken auf eine
lange Geschichte zurück. Die Wurzeln
für ihr Entstehen sind in der allgemeinen Mangelsituation nach dem ersten
Weltkrieg zu suchen. Die Versorgungslage war schlecht, die Kosten für ein
Studium stiegen immer mehr an, die
beginnende Inflation tat ein übriges ...
So bildeten sich an verschiedenen Orten studentische Selbsthilfegruppen,
die ihrerseits die Basis für die Studentenwerke waren, die nach und nach in
vielen deutschen Universitätsstädten
ihre vielseitige Arbeit aufnahmen.
Nach dem zweiten Weltkrieg taten wiederum private Initiativen an den Hochschulen not, um auf dieser Grundlage
die Studentenwerksarbeit wiederzubeleben. Die wichtigsten Aufgaben: Verpflegung bereitstellen, Notunterkünfte
schaffen, Werksarbeit vermitteln.
In Halle schlossen sich am 6. Mai
1931 die Hilfsorganisationen „Akademische Speiseanstalt“ und „Hallesche
Studentenhilfe e. V.“ zum Studentenwerk Halle zusammen.
Während die Studentenwerke in den
alten Bundesländern in den 60er und
70er Jahren in Anstalten öffentlichen
Rechts umgewandelt wurden, da sie
Ausbildungsförderung als Verwaltungsaufgabe nur in dieser Rechtsform wahrnehmen konnten, mußten sie in der
DDR ihre Tätigkeit einstellen. Hier hatten die Hochschulen die sozialen Probleme der Studierenden in eigener Verantwortung bzw. analog zu den ansonsten üblichen staatlichen Vorgaben zu
regeln.
Die Vereinigung von 1990 – folgerichtiger Schritt nach der politischen Wende im Jahr 1989 – eröffnete auch im
östlichen Teil Deutschlands Möglichkeit und Notwendigkeit für das aus
dem universitären Leben (einschließlich
dem der Fachhochschulen) nicht wegzudenkenden Wirken der Studentenwerke.
Gegenwärtig sind es insgesamt 65
Studentenwerke in der Bundesrepublik
Deutschland (in den neuen Bundesländern zwölf), die nach den Grundsätzen
der Gemeinnützigkeit und der Selbstverwaltung arbeiten.
Die verschiedenen Leistungen des Studentenwerkes werden im wesentlichen
aus eigenen Erträgen, Landeszuschüssen und Semesterbeiträgen finanziert.
Die Semesterbeiträge der Studierenden
betrugen bisher 25,00 DM pro Student(-in). Per Studentenwerksgesetz
vom 30. September 1991 ermöglichten sie dem Studentenwerk, ein gleichbleibend gutes und kostenfreies Angebot an Serviceleistungen im sozialen
und kulturellen Bereich für Studierende
zu garantieren, denn sie müssen nicht
– wie in anderen Bundesländern üblich
– für den Ausgleich von Defiziten verwendet werden. Um diesen Vorteil zu
verstetigen, hat der Verwaltungsrat der
Erhöhung der Semesterbeiträge von
25,00 DM auf 35,00 DM ab Sommersemester 1999 zugestimmt und rechnet fest damit, daß auch seitens der
Studierenden das notwendige Verständnis für diese Maßnahme aufgebracht werden wird.
Verpflegungsbetriebe
In erster Linie für die Studierenden,
aber auch für die Beschäftigten der
Hochschulen ist eine ernährungsphysiologisch ausgewogene und preisgünstige Verpflegung an allen Werktagen eine wichtige Voraussetzung, um
ihre tägliche Pflichten und Aufgaben
optimal zu bewältigen. In Mensen und
Nebenmensen bekommt man deshalb
täglich vor allem abwechslungsreiche
Mittagsmahlzeiten.
Das Studentenwerk Halle
Dem Studentenwerk Halle obliegt –
festgeschrieben im Studentenwerksgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom
30. September 1991 – die soziale,
wirtschafliche, gesundheitliche und kulturelle Förderung von derzeit rund
20.000 Studierenden an vier Hochschulen in fünf Städten des Landes:
– Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
– Burg Giebichenstein Hochschule für
Kunst und Design,
– Fachhochschule Merseburg und
– Hochschule Anhalt in den Standorten
Köthen, Bernburg und Dessau.
Drei Organe, in denen sowohl Hochschulangehörige als auch Studierende
vertreten sind, tragen die Verantwortung für die Wirtschaftsführung: der
Verwaltungsrat, der Vorstand und der
Geschäftsführer.
Klein, aber fein: das Wohnheim 1 in Merseburg
Aus eigenen Erträgen und Landeszuschüssen werden die Bereiche studentisches Wohnen und Verpflegungsbetriebe finanziert. Förderprogramme
(Kredite) stehen für Investitionen baulicher Art zur Verfügung, die bestimmte
Bedingungen erfüllen und vom Studentenwerk zurückgezahlt werden müssen.
Das Aufgabenprofil des Studentenwerkes umfaßt die Betreuung der Studierenden in der gesamten Breite sozialer
Belange; gleichzeitig ist das Studentenwerk Partner der Hochschulen. Für
sein allseitiges Funktionieren als Unternehmen sorgen die Bereiche Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen, Investitions-/Bau- und Bertriebsverwaltung, Innenrevision, Justitiariat
und der eigene EDV-Bereich.
BAföG
Foto: Studentenwerk Halle
Mannigfache Ursachen bedingen jedoch eine Rückläufigkeit der Ausbildungsförderung und lassen eine grundlegende Reform als unumgänglich erscheinen. Bisher haben die verschiedenen Modelle noch nicht zu einem positiven Ergebnis geführt, so daß viele
Studierende im verstärktem Maße auch
in der Vorlesungszeit eine Erwerbstätigkeit suchen und annehmen müssen.
Foto: Klett
Aspekte
Das Studentenwerk Halle –
Es ist empfehlenswert, daß jeder Studierende einer Hochschule einen Antrag auf Förderung stellt. Die Entscheidung darüber erfolgt auf der Grundlage des 18. BAföG-Änderungsgesetzes:
Jeder Einzelfall wird im BAföG-Amt
von kompetenten Fachleuten gewissenhaft geprüft und geklärt.
Für den kleinen Hunger zwischendurch
gibt es in Mensen und Cafeterien vormittags und nachmittags ein ergänzendes Angebot.
Studierende bezahlen durchschnittlich
2,00 bis 5,00 DM für das Mensaessen. Durch den Landeszuschuß ist es
möglich, das Sortiment zu akzeptablen
und stabilen Preisen bereitzuhalten.
Eine Umfrage ergab, daß die MensaBesucher bewußt auf Produkte aus
ökologischem Anbau oder Lebensmittel regionaler Herkunft achten. Wird
dies auch im Speiseplan ausgewiesen,
darf die Portion Salzkartoffeln auch
gern 10 Pfennige mehr kosten.
Im Jahr 1997 wurden vom Studentenwerk Halle 1.200.000 Portionen ausgegeben. Dabei sind Küchenleiter und
Mitarbeiter unserer 15 Einrichtungen
(Mensen, Nebenmensen, Cafeterien)
an allen Standorten stets bemüht, ihre
Gäste nicht nur satt zu machen, sondern auch alles geschmackvoll und appetitlich anzurichten. Schrittweise werden die einzelnen Einrichtungen saniert und es wird moderne Küchentechnik installiert, so daß auch für die
nächsten Jahre beste Voraussetzungen
bestehen.
6
Foto: Klett
Hoffentlich wird später mal mein Studium nicht
genau so anstrengend!
Schwerstarbeit bei der Sanierung des Küchentrakts in der Mensa am Weinbergweg
Das Studentenwerk selbst organisiert
in jedem Semester eine Veranstaltung,
die einfach ein Gaudi ist und/oder
sportliche Fitneß verlangt – etwa beim
Sommerspektakel mit Trabi-Wettschieben – oder, am Studentenwerkstag im
Wintersemester, die Küchen-Künste
der Verpflegungsbetriebe präsentiert.
Natürlich ist immer Musik dabei.
Bestimmte Trends – leichte Kost, vegetarische oder saisonbedingte Gerichte
– werden zunehmend in die Speisepläne aufgenommen, um den Studierenden auf der Basis verbesserter Ernährungskonzepte eine möglichst große
Auswahl an Komponentenessen zu
bieten.
Durch die Möglichkeit der Zahlung mit
der Giro-Vend-Karte, die überall erhältlich ist, werden überdies die Wartezeiten an den Kassen minimiert.
Foto: Klett
Internationales
Der Andrang in den Mensen beweist alle Tage wieder: Freundlich angeboten, schmeckt’s besonders gut!
Beratungsdienste
Studentisches Wohnen
Wie die Mehrzahl der BürgerInnen
wollen auch Studierende attraktiver
wohnen als das bisher, zum Beispiel in
den DDR-uniformen Einheits-Internaten
möglich war. Unter Berücksichtigung
neuer Raumkonzepte und vielfach geäußerter Wohnwünsche wurden dafür
1997 ca. 3,7 Mio. DM ausgegeben.
Da aber die Miete sozial vertretbar
bleiben soll und muß, waren der Kühnheit baulicher Veränderungen „natürliche“ Grenzen gesetzt. Studierende zahlen – je nach Sanierungsgrad, Ausstattung und Wohnform – jetzt zwischen
108,00 und 401,00 DM Bruttowarmmiete pro Person und Monat; in derzeit
34 Wohnheimen können sie von 3.600
Wohnplätzen individuell Passendes
aussuchen.
Außerdem übernimmt das Studentenwerk in zunehmendem Maße die Vermittlung von Privatzimmern an allen
Standorten.
im Studienumfeld; dort berät man sie
auch bei finanziellen, sozialrechtlichen
und im Bedarfsfall bei persönlichen
Problemen.
Es stehen materielle Mittel für Darlehen, Beihilfen und Freitische zur Verfügung, die aus den Semesterbeiträgen
der Studierenden vergeben werden
können. Behinderte Studierende, solche mit Kindern, aber auch ausländische Studentinnen und Studenten finden hier kompetente Ansprechpartner.
Einen besonderen Service bietet das
Studentenwerk mit seinen Beratungsstellen, die im Harz 41 ihren Sitz haben. Die psychologische Beratungsstelle (Dr. Reinhard Palussek) bietet den
Studierenden die Möglichkeit, sich psychologisch beraten zu lassen und erfüllt damit eine wichtige präventive
Funktion. Sie gibt hilfreiche Unterstützung zur Bewältigung von Lern- und
Arbeitsstörungen, Prüfungsangst und
Selbstwertproblemen. Mit Selbstsicherheitstraining oder Streßbewältigungstraining kann man in Gruppenkursen oder Einzelsitzungen das mangelnde Selbstvertrauen oder soziale
Gehemmtheit und Ängstlichkeit abbauen lernen. Methoden der Selbstentspannung (z. B. Autogenes Training
oder Progressive Muskelrelaxation)
tragen dazu bei, die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen und gelassener in
die Phasen der Prüfungsvorbereitung
zu gehen.
An die Sozialberatungsstelle (Verena
Buchholtz und Helmut Lenz) wenden
sich die Studierenden bei Unklarheiten
Ansprechpartner Studentenwerk
Besucheranschrift
Studentenwerk Halle
Selkestraße 9, 06122 Halle (Saale)
Tel.: 0345 / 218 09 102
Fax
0345 / 218 09 148
e- mail SW Halle @ T-online.de
Postanschrift
Studentenwerk Halle
PF 1105 41, 06019 Halle (Saale)
Kindereinrichtungen
Zur Betreuung der Kinder studentischer
Eltern gibt es an allen fünf Standorten
Kindereinrichtungen des Studentenwerks, die speziell auf die Bedürfnisse
der Eltern eingestellt sind. Beispielsweise werden die Öffnungszeiten an
Vorlesungszeiten und Praktika orientiert und Kinder von Studierenden bevorzugt aufgenommen.
Aspekte
Anstalt Öffentlichen Rechts
Im Rahmen des Deutsch-Französischen
Jugendwerkes baut das Studentenwerk
Halle eine Partnerschaft zum C.L.U.O.S.
Chambery auf. Die Studierenden können Sprache, Land und Leute kennenlernen: Fachlicher Wissensdurst und
Freizeitinteressen werden – zu moderaten Preisen – optimal kombiniert.
Seit vier Jahren betreut das Studentenwerk Tutoren der Robert-Bosch-Stiftung, die aus Amerika, Frankreich und
Polen kommen, zwei Semester bleiben,
um Sprache und Landeskultur zu vermitteln. Sie sind einerseits in die Fachbereiche der Universität integriert, organisieren aber auch (je nach Wunsch
der Studierenden) in eigener Regie
Gesprächsrunden, Stammtische und
Kino-Abende.
Pavillon am Uniplatz
Am 6. Mai 1997 wurde aus Anlaß der
Feier zum 66. Geburtstag der Gründung des Studentenwerkes in Halle der
PAVILLION STUDENTENWERK am
Universitätsplatz eröffnet. In diesem
gläsernen Rundbau kann man sich über
alle Leistungen des Studentenwerkes
informieren und direkten Kontakt aufnehmen. Nicht zuletzt die Registrierung
für die studentische Job-Vermittlung
und die unentgeltliche Hilfe bei der
Job-Suche sind hier sehr gefragt.
Jutta Uebeler
Margarete Wein
Sommerspektakel vor der Weinberg-Mensa: Trabi-Wettschieben am 14. Juli 1998
Für kulturelle Projekte oder Initiativen
stellt das Studentenwerk ebenfalls
Fördermittel zur Verfügung, die aus
den Semesterbeiträgen der Studierenden stammen. So sehen sich die Hochschulen in der Lage, studentischen Bedürfnissen im Bezug auf Kleinkunst und
Kultur mit einem vielfältigen Angebot,
das sich als gleichwertige Ergänzung
mit den Angeboten der Städte durchaus
messen kann, entgegenzukommen.
Foto: Studentenwerk Halle
Foto: Studentenwerk Halle
Kultur
Der „gläserne“ Pavillon am Uni-Platz: Hier gibt es Infos über das Studentenwerk aus erster Hand.
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Auf der 5. Sitzung des Akademischen
Senats der Martin-Luther-Universität
am 11. November 1998 standen folgende Themen, Beschlüsse und Informationen im Mittelpunkt:
Haushaltssituation
Viel Raum nahm in der Senatssitzung
die Diskussion um die sich zuspitzende
Haushaltssituation ein. Prorektor Gerhard von Lengerken erläuterte zunächst Aspekte des Mittelabflusses,
ehe die vom Land angekündigten
Haushaltskürzungen für 1999 aufgegriffen wurden. Für Sachkosten der
Fachbereiche und Fakultäten werde
zwar voraussichtlich die gleiche Summe wie 1998 zur Verfügung stehen, im
Gerätebereich jedoch, bei Bibliotheksund Berufungsmitteln sei mit drastischen Kürzungen zu rechnen. Der Prorektor gab desweiteren bekannt, daß
die Struktur- und Finanzkommission im
Interesse einer größeren Transparenz
über die Änderung der Kriterien für die
Mittelaufteilung nachdenkt.
Vor allem jedoch im Hinblick auf die
Personalsituation bereiten dem Senat
der Haushaltsplanentwurf der Landesregierung für 1999 und die möglichen
Konsequenzen für die Universität große Sorgen. Rektor Reinhard Kreckel erklärte: „Wenn die Haushaltszahlen
nicht noch deutlich korrigiert werden,
sind wir in unserer Substanz bedroht.“
Im Personalbereich sieht der Haushalt
Kürzungen in Höhe von 16 Mio DM
vor. Wenn es bei diesem schmerzhaften Einschnitt bleibe, könne im kommenden Jahr keine einzige der auslaufenden Stellen wissenschaftlicher Mitarbeiter nachbesetzt werden. Die Folge
wäre, daß bis Ende des nächsten Jahres von den 650 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter und Assistenten
etwa 280 unbesetzt bleiben müßten.
Gerade jedoch der wissenschaftliche
Nachwuchs sei „der Nerv der Universität“, so Kreckel. Im Internet können die
Zahlenangaben zur Personalsituation
unter „Stabsabteilung Öffentlichkeitsarbeit, Aktuelle Meldungen/Pressemitteilungen“ nachgelesen werden.
Angesichts der vorläufigen Haushaltszahlen kündigte der Senat öffentlichen
Protest an und regte die Einberufung
einer öffentlichen Hochschulversammlung an, um den Mitgliedern der Universität die Finanzlage zu erläutern.
Diese berief das Rektorat für den 30.
November ein. In der Einladung wies
Kreckel darauf hin, daß die schlimmsten Folgen der geplanten Haushaltskürzungen noch verhindert werden
könnten, wenn in das neue Haushaltsgesetz zumindest eine Klausel aufgenommen würde, die die Wiederbesetzung von freiwerdenden Qualifikationsstellen für den wissenschaftlichen
Nachwuchs und die Nachbesetzung
von Professuren garantiere. Entsprechenden Forderungen könne größerer
Nachdruck verliehen werden, wenn sie
von einem breiten Kreis der Universität
mitgetragen würden.
Die gegenwärtige Haushaltssperre, die
durch das Finanzministerium per Runderlaß vom 12. Oktober 1998 angeordnet wurde, hat eine Wiederbesetzungssperre nicht nur bei Ausscheiden
aus Altersgründen, sondern auch für
Vertretungen bei Erziehungsurlaub und
Mutterschutz verhängt. Der Senat verabschiedete dazu eine Stellungnahme,
die den Finanzminister auffordert, diese Maßnahme umgehend wieder aufzuheben. Das Land Sachsen-Anhalt habe sich im Frauenfördergesetz verpflichtet, die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf besonders zu fördern. Die
Wiederbesetzungssperre laufe diesem
Ziel direkt entgegen, denn bei den unbefristeten Mitarbeiterstellen an der
Hochschule vermittle sie den Instituten
das falsche Signal, daß es „sicherer“
wäre, doch eher Männer einzustellen.
Zusätzlich informierte der Kanzler die
Senatsmitglieder, daß aufgrund der
Haushaltssituation keine Lehrlinge an
der Hochschule mehr aufgenommen
werden könnten. Aber auch auf Dienstleistungen wie Heizung, Telefon und
Reinigung der Gebäude (z.B. des Biozentrums oder des Juridicums) wirke
sich die Kürzung der Mittel drastisch
aus.
Ausschreibung
Ein Ausschreibungstext zur Besetzung
der C4-Professur „Theoretische Physik
(Quantenphysik)“ lag dem Akademischen Senat zur Beschlußfassung vor
und wurde einschließlich der Zusammensetzung der Berufungskommission
zur Weiterleitung an das Kultusministerium befürwortet.
Studien- und
Promotionsordnungen
Der Senat verabschiedete einige Änderungen in der Studienordnung für das
Fach „Evangelische Theologie“ mit
dem Studienabschluß „Erstes theologisches Examen“ (Diplomprüfung).
Die Studiendauer wurde an das Bundesgesetzblatt 1997/70 angepaßt, d.
h. die Regelstudienzeit wird für jede zu
erlernende Altsprache um ein Semester
erhöht. Um die Bereiche Pflicht-, Wahlpflicht- und Wahlfach genauer zu definieren, wurde der Paragraph 5 „Lehrveranstaltungen“ neu aufgenommen.
enthielt die neue Ordnung aufgrund
der Anpassung an das Hochschulgesetz LSA als Neuregelung die Möglichkeit der Promotion für Fachhochschulabsolventen sowie die Publikation der
Dissertation in elektronischen Medien.
Voraussetzung für die Promotion der
Fachhochschulabsolventen ist nach der
Ordnung jedoch ein positives Gutachten der Fachhochschule. Der Einwand
einiger Senatoren bezog sich hier auf
eine gewisse Abhängigkeit der Universität vom Urteil der Fachhochschule.
Mit knapper Mehrheit wurde die Ordnung schließlich verabschiedet, jedoch
mit der Auflage, daß in einem Jahr
über den Verlauf ihrer Anwendung berichtet werden soll.
Berufsbegleitende Studiengänge
Der Senat entschied, eine Reihe (insgesamt dreizehn) berufsbegleitende Studiengänge und einen Weiterbildungskurs für Lehrerinnen und Lehrer jeweils
unter bestimmten Bedingungen an der
Universität einzurichten. Eine Übersicht
dazu ist im Internet nachzulesen.
Ordnungen
Die vorgelegte Ordnung der Philosophischen Fakultät passierte ohne Probleme den Akademischen Senat. Auch
den geänderten Verwaltungs- und
Benutzungsordnungen der Institute des
Fachbereichs Biologie (Genetik, Pflanzen- und Zellphysiologie, Geobotanik
und Botanischer Garten, Mikrobiologie, Zoologie sowie der Abteilung
Biologiedidaktik) stimmte der Senat zu.
Kuratorium des Allgemeinen
Stiftungsfonds
Das Kuratorium des Allgemeinen
Stiftungsfonds gehört zu den Gremien,
die nach den Uni-Wahlen neu zu besetzen waren. Folgende Zusammensetzung fand Zustimmung im Senat: Kraft
Amtes gehören der Rektor Reinhard
Kreckel, der Prorektor für Forschung,
Frank Janowski sowie Kanzler Wolfgang Matschke zu dem insgesamt fünfköpfigen Kuratorium. Dr. Petra Kaltwaßer wird aus der Gruppe der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen in
dem Gremium mitwirken. Ein Mitglied
aus der Gruppe der Studierenden soll
noch vorgeschlagen werden.
Zusammenkunft mit den Dekanen
Der Rektor teilte unter „Verschiedenes“
mit, daß er künftig die Dekane der Fakultäten und Fachbereiche in halbjährlichen Abständen zu einem Treffen einladen werde, um anstehende Probleme
gemeinsam zu erörtern.
Ute Olbertz
Foto: Klett
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Aus dem Senat
8
Haushalt bereitet Sorgen
Der Akademische Senat in historischen Talaren am Reformationstag 1998 in Wittenberg mit dem Oberbürgermeister der Lutherstadt, Eckhard Naumann.
Sowohl im Grund- als auch im Hauptstudium wurde der Pflichtbereich zugunsten des Wahlpflichtbereichs eingeschränkt, um den Studierenden einen
größeren Spielraum bei der Auswahl
der Lehrveranstaltungen zu gewährleisten.
Auch eine Satzungsänderung der
Promotionsordnung der Theologischen Fakultät fand Zustimmung im Senat. Die Änderung bezieht sich auf die
Erweiterung des Paragraphen 14 „Veröffentlichung“ der Ordnung, in dem
die Möglichkeit einer elektronischen
Publikation der Dissertation aufgenommen wird.
Um die ebenfalls vorgelegte geänderte
Promotionsordnung der Juristischen
Fakultät entfachte sich im Senat eine
Diskussion darüber, ob bei einer Promotion grundsätzlich ein Außengutachter herangezogen werden sollte
oder nicht. Die Ordnung sieht entgegen der Praxis an anderen Fakultäten
keine Außengutachter vor. Außerdem
Professor Dr. Gernot Duncker richtete in Halle eine Hornhautbank ein
Um kein anderes Sinnesorgan rankt
sich ein so geheimnisvolles Flair wie
um das Auge, den „Spiegel der Seele“.
Ob es Tränen sind oder strahlender
Glanz – über die Gemütsverfassung
eines Menschen geben die Augen in
jedem Fall Auskunft. Auch wer Kontakt
mit einem anderen Lebewesen aufnimmt, schaut ihm zunächst tief in die
Augen... und oft verrät uns dieses kompliziert gebaute Sinnesorgan, ob das
Gegenüber Gutes oder Böses im
Schilde führt. Überaus differenziert und
nahezu unbegrenzt sind die Ausdrucksmöglichkeiten der Augen. Wenn jedoch
Krankheit die Sehkraft beeinträchtigt
oder gar das Augenlicht in Gefahr gerät, treten rationale Aspekte in den
Vordergrund. Um die Heilung erkrankter Augen kümmert sich Prof. Dr. Gernot Duncker, Direktor der UniversitätsAugenklinik in Halle. Die Universitätszeitung sprach mit dem Arzt, Wissenschaftler und Hochschullehrer über seine Arbeit.
Foto: Olbertz
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Gernot Duncker
Noch nicht lange – seit August
1997 – sind Sie Universitätsprofessor für Augenheilkunde an der
Medizinischen Fakultät in Halle.
Wo haben Sie vorher geforscht
und gelehrt?
An der Universität Kiel absolvierte ich
von 1972 bis 1979 ein Medizinstudium und nahm dort eine wissenschaftliche Assistenz auf. Seit 1984 bin ich
Facharzt für Augenheilkunde. Studienaufenthalte führten mich nach Pakistan,
an die Mayo Clinic, Rochester, Minnesota, USA und an die Lions Eye Bank,
Minneapolis, Minnesota. 1994 wurde
ich leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor der Klinik für Ophthalmologie der Universität Kiel, 1995
apl. Professor sowie 2. Vorsitzender
der Arbeitsgemeinschaft deutscher
Hornhautbanken. 1997 folgte ich dem
Ruf auf eine Professur für Augenheilkunde nach Halle.
Fiel Ihnen der Schritt von Kiel
nach Halle an die Saale schwer?
Nein, Halle hat mir von Anfang an gefallen. Besonders das reiche Kulturangebot, das Musikleben und die alten
Bauwerke begeistern mich. Sicher wird
die Stadt im Laufe der nächsten Jahre
noch schöner werden, denn es herrscht
ja überall Aufbruchstimmung. Der Neuaufbau geht sichtbar voran. Im Juli
1997 bin ich mit meiner Frau und drei
Kindern nach Halle gezogen. Ein ansprechendes Wohnhaus fanden wir im
Paulusviertel. Auch meine Familie fühlt
sich hier wohl. Vorurteile gegen die
Saalestadt sind in den alten Bundesländern leider noch weit verbreitet. So
haben mich viele meiner Kollegen bedauert, als sie hörten, daß ich den Ruf
nach Halle angenommen habe. Sie
stellten sich vor, ich würde auf eine
Braunkohlenhalde ziehen... Der Entschluß, in den neuen Bundesländern zu
arbeiten, begann bei mir eigentlich
schon mit der Wiedervereinigung
Deutschlands zu reifen. Ich bin froh,
daß daraus Wirklichkeit geworden ist,
die ich als Herausforderung empfinde.
Inwiefern eine Herausforderung?
Da wären gleich mehrere Aspekte zu
nennen. Kurz: Es gab und gibt einfach
viel zu tun. Zum Beispiel war und ist
das reizvolle alte Gebäude der Augenklinik in der Magdeburger Straße nicht
nur sanierungsbedürftig, es mußte
auch auf den neuesten Stand augenärztlicher Technik gebracht werden.
Gegenwärtig ist noch eine Reihe von
Umbauarbeiten im Gange, unter anderem wird der gesamte OperationsTrakt neu gestaltet und modernisiert.
Die Augenklinik verfügt über 60 Betten. Bevor ich nach Halle kam, gab es
hier auch noch keine Hornhautbank
(Corneabank). Es lag mir besonders
am Herzen, in dieser großen Stadt eine
solche Corneabank einzurichten, mit
deren Aufbau ich sofort begann. Im
April 1998 wurde sie eröffnet. Die Mitteldeutsche Corneabank (MCH) hat
sich zum Ziel gesetzt, Patienten mit
Schäden an der Augenhornhaut ein
passendes Hornhaut-Transplantat zu
verschaffen.
Oft ist in den Medien die Rede
von Transplantation innerer Organen wie Herz, Niere oder Leber.
Aber von einer Übertragung der
Hornhaut des Auges ist seltener
zu hören. Bei welchen Augenkrankheiten empfiehlt es sich,
Hornhaut zu verpflanzen?
Es gibt bereits bei jungen Menschen
vererbte, also angeborene Hornhauttrübungen oder -verkrümmungen, die
sich erheblich auf die Sehkraft auswirken und bis zur Erblindung führen können. Bei Trübung der Hornhaut gelangt
nicht genügend Licht in das Auge.
Doch eine normale Sehschärfe kann
sich nur entwickeln, wenn das Licht ungehinderten „Zugang“ erhält.
Darüber hinaus sind erworbene Entzündungen und Infektionen zu nennen,
zum Beispiel mit dem Herpesvirus.
Aber auch Verletzungen und extreme
Verdünnungen der Hornhaut können
eine Transplantation notwendig machen. Die getrübte bzw. geschädigte
Cornea wird bei den Patienten entfernt
und durch die gesunde, klare Hornhaut
eines Spenders ersetzt.
Bedeutet eine Hornhautspende
also neues Augenlicht für einen
Patienten?
Ja, das kann man so sagen. Viele Patienten können nach der Transplantation
überhaupt zum ersten Mal sehen. Andere sind nach der Operation endlich
schmerzfrei, erlangen erstmals volle
Sehschärfe bzw. sind möglicherweise
auch vor einer endgültigen Erblindung
bewahrt.
Kann jeder nach seinem Tode
Hornhaut spenden? Spielen dabei
Gewebeverträglichkeit und Alter
eine gewisse Rolle?
Im allgemeinen gilt: Jeder Verstorbene, der zu Lebzeiten einer Organentnahme zugestimmt hat und einen
Organspendeausweis besitzt, kann für
jeden anderen spenden. Selbst eine
Hundertjährige kann einem Kind ihre
gesunde Hornhaut zur Verfügung stellen. Bei etwa 80 Prozent der Transplantate kommt es auch nicht auf die
Blutgruppe an, weil die Cornea normalerweise keine Blutgefäße hat. Nur
bei komplizierteren Fällen, zum Beispiel wenn die Hornhaut nach Verletzungen mit Gewebe durchzogen ist,
sind annähernd identische Merkmale
erforderlich. Die gespendete Hornhaut
wird vor einer Transplantation unter
dem Mikroskop geprüft. Infektionen
des Spenders können jedoch zum Ausschluß einer Verpflanzung führen, das
betrifft Krankheiten wie Hepatitis B
oder C, Syphilis oder Aids. Solche „ungeeigneten“ Hornhäute können aber
dann noch wertvolle Dienste für die
wissenschaftliche Arbeit leisten.
Wieviele Hornhäute haben Sie
schon verpflanzt, seit Sie in Halle
sind?
Vor dem Aufbau der Cornea-Bank
habe ich 20 Hornhaut-Transplantate
von „Bio Implant Services/Eurotransplant“ aus dem niederländischen Leiden verpflanzt. Über 60 Transplantationen folgten schließlich mit sachsenanhaltischen Hornhäuten. Dennoch
gibt es eine Warteliste, weil nicht genügend Hornhäute da sind. Die Bereitschaft zur Organspende steigt zwar an,
ist aber leider immer noch zu gering.
Es gilt viel Überzeugungsarbeit zu leisten. In Deutschland warten derzeit
rund 5 000 Patienten auf eine Hornhaut-Spende.
Bei Herz- und Nieren-Transplantationen ist größte Eile angesagt.
Wie lange sind Hornhäute „haltbar“?
Nach dem eingetretenen Tod durch
Herz-Kreislauf-Versagen haben die Augenärzte drei Tage Zeit, die Cornea
bzw. die Augäpfel zu entnehmen. Entnommene Hornhäute können anschließend in der Cornea-Bank noch bis zu
vier Wochen im Brutschrank bei 37°
Celsius aufbewahrt werden, bevor eine
Transplantation erfolgt.
Wie groß ist die Erfolgsrate nach
einer Hornhautverpflanzung?
Sie ist enorm hoch, die Cornea-Transplantation ist die erfolgreichste Verpflanzung eines Gewebes überhaupt.
Der menschliche Organismus toleriert
die fremde Hornhaut meist Jahrzehnte
lang. Medikamente als Augentropfen
gegen eine Abstoßungsreaktion müssen nur vorübergehend genommen
werden.
Nun gibt es ja noch eine ganze
Reihe weiterer Augenkrankheiten... welche Erkrankung tritt am
häufigsten auf?
Die häufigste Augenkrankheit, zugleich
meist unkompliziert zu behandeln, ist
die Bindehautentzündung. Fast jeder
hat sie schon einmal gehabt, nicht zuletzt weil auch die Zahl der Allergien
zunimmt, vielleicht eine Folge der Umweltverschmutzung. Aber auch eine
Reihe anderer Ursachen spielt dabei
eine Rolle. Zu den schweren Augenkrankheiten dagegen gehören Netzhautablösungen. In Halle haben wir
bereits über 400 komplizierte Netzhautablösungen operiert. Zur Netzhaut-Chirurgie veranstaltet die Uni-Augenklinik in Halle übrigens am 15. und
16. Januar 1999 ein Symposium mit
direkter Videoübertragung von Operationen in den Hörsaal der Augenklinik.
Untersuchung nach einer Augenoperation.
Dazu haben Ärzte und Wissenschaftler,
niedergelassene Kollegen, Kliniker
und Assistenten aus ganz Deutschland
ihre Teilnahme angemeldet.
Als häufig auftretende Augenkrankheit
vor allem bei älteren Menschen ist
noch der graue Star zu nennen, der
schon ein bißchen von seinem Schrekken verloren hat, gibt es doch gute Erfolge mit der künstlichen Linse. 800
bis 1 000 entsprechende Operationen
werden im Jahr an der Uni-Augenklinik
durchgeführt. Die Einpflanzung einer
künstlichen Linse ist, auch bei verschiedenen Augenverletzungen, schon fast
eine Routineoperation.
Auf welchen Gebieten forschen
Sie?
Da müssen wir wieder auf die Hornhäute zurückkommen, auf die ich mich
spezialisiert habe. So interessiert mich
unter anderem die Frage, wie Hornhautkonservierungen noch verbessert
werden können. Ebenso beschäftigen
mich die Immunologie der Transplantatabstoßung und die refraktive Hornhautchirurgie. Zum Beispiel gehören
Hornhautoperationen, die Brillenkorrekturen überflüssig machen, zu meinem Forschungsfeld. Ein weiteres Untersuchungsprojekt widmet sich der
Problematik, wie man Kurzsichtigkeit
mit Eximer-Lasersystemen behandeln
kann.
Wollen viele der Studierenden Augenarzt oder -ärztin werden?
Nachfrage und Interesse sind so groß,
daß leider viele diesem Wunsch nicht
nachgehen können. Die Bewerberzahl
für Assistenzarztstellen übersteigt derzeit bei weitem unsere Möglichkeiten.
Es sind bereits fünfzehn Assistenzärzte/
innen an der Augenklinik tätig.
Was halten Sie von farbigen Kontaktlinsen, zum Beispiel Katzenoder Schlangenaugen, die zur Zeit
„in“ sind und gern auf Partys getragen werden?
Sie sollten auf jeden Fall nicht ohne
augenärztliche Betreuung benutzt werden, weil sie bei unkontrollierter Anwendung Infektionen der Hornhaut
auslösen können.
Wie oft sollte man zum Augenarzt
gehen?
Häufig suchen Patienten erst dann den
Augenarzt auf, wenn sie Beschwerden
haben. Das ist oft schon zu spät. Viele
Krankheiten sind heilbar, wenn man sie
frühzeitig erkennt. Zu einer augenärztlichen Kontrolle pro Jahr würde ich jedem raten.
Die Universitätszeitung bedankt
sich für das Interview.
interview
Ein tiefer Blick in die Augen
„Menschenaugen! In deren Licht
wie unter dem Spiegel des unergründlichen Meeres all das Geheimnisvolle des Wissens und
Nichtwissens verborgen lag, alle
Fehler und Irrungen des Herzens,
alles Verstehen und Begreifen,
und alle Liebe.“
Bruno Apitz
Das Gespräch führte Ute Olbertz.
Foto: Olbertz
9
Kultur in unserer Nachbarschaft – das Puppentheater der Stadt Halle
das Ensemble an die 350 Vorstellungen im Jahr – vor immerhin mehr als
25 000 Zuschauern. Das Repertoire
umfaßt Märchen, Kinderbuchbearbeitungen, klassische Stoffe und viele eigene Stücke. Das Märchen war schon
immer eng mit dem Puppenspiel verbunden. Vor allem Kinder fesselt diese
„Beziehung“. Nicht zuletzt deshalb gehören „Der gestiefelte Kater“ oder
der „Kleine Muck“ immer wieder zu
den Publikumsmagneten. Pünktlich
zum ersten Advent hatte denn auch ein
neues altes Märchen Premiere: „Der
standhafte Zinnsoldat“, Hans Christian Andersens zauberhafte Geschichte
von jener einbeinigen Zinnfigur und
ihrer großen Liebe zur wunderschönen Tänzerin.
Und die Erwachsenen? Für sie hebt
sich an vielen Abenden um 20.30 Uhr
der Vorhang. Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“, „Romeo und Julia“,
„Münchhausen“ oder „Der Untergang
des Hauses Usher“ von Edgar Allan
Poe, „Faust. Eine Höllenfahrt in 13
Bildern“ oder das „Roadmovie“, ein
eigenes Stück, bestehend aus drei szenischen Miniaturen, stehen beispielsweise auf dem Abendspielplan.
Kooperation, die bereichert
Foto: Schlüter
Szene aus „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare
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Eigentlich ist das „Puppentheater der
Stadt Halle“ einer von zwei Teilen des
„Theaters für Satire und Figuren“. Über
dessen andere Hälfte – das Kabarett
„Die Kiebitzensteiner“ – wollen wir
demnächst auf dieser Seite berichten.
„Regiert“ werden beide Theater von
dem gemeinsamen Intendanten Rolf
Voigt. Dem Puppentheater selbst steht
der künstlerische Leiter Christoph Werner vor. Doch damit genug des „Organisatorischen“. Lassen wir uns vielmehr
in die eigentümliche Welt der Puppen,
der „Figuren“ entführen, mit denen die
Menschen spielen... Oder die vielleicht
sogar selbst mit den Menschen spielen?
Wundersame Welt der Puppen
Seit 44 Jahren gibt es dieses Theater
schon. 1954 gegründet, hat es seither
in unzähligen Vostellungen kleine –
und mehr und mehr auch große Leute –
durch tausende von Puppenspielen erfreut. „Die Puppe ist immer der Mensch
an sich.“ Diese Worte eines berühmten russischen Puppenspielers sind für
Christoph Werner von besonderer Bedeutung. Erst der Puppenspieler erweckt die auf der Bühne agierenden Figuren zum Leben – vor allem aber unsere Fantasie. Vielleicht erkennen wir
uns deshalb in den Puppen wieder, und
vielleicht auch ist deshalb die Puppenspielkunst so unvergänglich.
Umgestaltung des Ensembles
10
Diese ständige „Kommunikation“ zwischen Mensch und Puppe, die Verknüpfung zwischen Puppenspiel und Schauspiel, ist seit der konsequenten Umgestaltung des Theaters vor ca. drei Jahren zu seinem Markenzeichen geworden. Die sechs PuppenspielerInnen
(alle sind AbsolventInnen der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst
Busch“ Berlin) agieren auf der Bühne
ganz offen mit den Figuren. Man sieht,
was beide – der Mensch und die Puppe
Überhaupt „Faust“: Er war schon seit
jeher ein lohnendes Thema für Puppenbühnen. Aber ob er jemals so
frech, so komisch und so aktionsreich
dargeboten wurde? Der eigentliche
Teufel, der den Doktor Faustus durch
die Welt treibt – das begreift man bei
diesem Spiel – ist seine eigene Unzufriedenheit, seine Lebensgier und
nicht zuletzt auch sein Wissensdurst.
Überdies steht der Faust noch für eine
weitere Neuerung am Puppentheater:
Drei Fragen an den künstlerischen Leiter
Was ist der Grund für die neuen Co-Produktionen, ich denke
da z. B. an Münchhausen oder Faust?
Je kleiner das Ensemble, um so größer die Gefahr der Erstarrung, des
Stillstands. Interessante Konstellationen sind nur möglich, wenn man
sich neue Partner sucht. Deshalb pflegen wir die Kontakte zu anderen
Theatern und zur Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin. Die genannten Inszenierungen sind aus diesen Kontakten entstanden.
Sie haben eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen,
die „Loge“. Was ist deren Anliegen?
Die Loge ist eine Veranstaltungsreihe, in der monatlich ein Mal interessante Gastspiele anderer Theater gezeigt werden. Experimente sind
gefragt. „Grenzgänger“, internationale Stars, aber auch vielversprechende „Neulinge“ finden hier ihr Podium. Das Theater also als Labor
künstlerischen Gestaltungswillens.
Wie steht es um das Publikum aus der Universität? Sind Sie
mit ihm zufrieden? Gibt es vielleicht sogar richtige Fans?
Wir haben von Gästen, die in unserem Hause spielen oder sich Vorstellungen bei uns anschauen, oft gehört, daß Halle ein wunderbares
– vor allem ein junges – Publikum habe.
Tatsächlich setzen sich die Besucher unseres Abenspielplans zu etwa
75 Prozent aus StudentInnen und Studenten zusammen. Ich glaube
schon, daß darunter echte Fans sind, Leute, die sich eine Vorstellung
mehrmals anschauen, Gesichter, die uns bekannt vorkommen... Man
kann ohne Übertreibung sagen, daß die Studierenden der Universität
den Abendspielplan erst möglich machen. Das freut uns natürlich!
– miteinander tun. Die Puppenspieler
„führen“ die Puppen nicht nur. Nein,
sie sind gleichberechtigte Partner im
Spiel. Das hat einen ganz besonderen
Reiz. Die Puppen sind keine „Dinge“ –
sie „leben“ vielmehr. Gefragt nach den
Gründen für diese offene Spielweise,
nennt der künstlerische Leiter „Lust an
der Verwandlung, Spielfreude, Verführung, Überraschung, Demaskierung,
Verfremdung, Zuspitzung“ als Mittel
dieser Art des Theaterspielens.
die Co-Produktionen. Diese Inszenierung wurde gemeinsam mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst
Busch“ Berlin erarbeitet.
Auch „Münchhausen“ entstand in Kooperation – hier mit dem „neuen theater“. Faszinierend vor allem die
schon erwähnte Begegnung von Menschen und Puppen, von Realität und
Fiktion. „Ein Stück für Kinder, die verstehen wollen und für Erwachsene, die
ihre Kindheit noch im Herzen haben“ –
so steht es im Programmheft, und so
empfinden es die Zuschauer.
Theater auch anderswo
Natürlich ist das Puppentheater vor allem ein Stadttheater. Gespielt wird zuallererst für das hallesche Publikum.
Trotzdem: Unwichtig ist die Gastspieltätigkeit im Theateralltag keineswegs.
Mit vielen Inszenierungen gastiert das
Ensemble bei nationalen und internationalen Theaterfestivals, so beim Kinder- und Jugentheaterfestival in Frankfurt/Main, zum „Winterthurer Theaterfrühling“ in der Schweiz oder bei
„szene bunte wähne“ in Österreich,
um nur einige Gastspielreisen zu nennen. Und mit „Kannst Du pfeifen, Johanna?“ geht es im Mai 1999 in die
USA – zum „Seattle International Children‘s Festival“ und nach Kanada zum
„Calgary International Children‘s Festival“.
Theaterpädagogik – ein Angebot
Noch einmal zurück zu den Kindern in
Halle und zu allen, die mit ihnen arbeiten. Für sie hält das Theater einen umfangreichen Service bereit. Die MitarbeiterInnen des Theaters gehen nach
Vereinbarung z. B. in die Schulen, stellen dort den Spielplan vor, geben Anregungen für die Einbeziehung der Stücke
in den Deutschunterricht, führen in die
Thematik ein, machen mit den Autoren
bekannt und vieles mehr. LehrerInnen
und ErzieherInnen haben die Möglichkeit, sich bereits vor der Premiere die
entsprechende Probe anzusehen. Außerdem werden vom Theater die „Projekttage“ an den Schulen unterstützt,
so u. a. durch Hilfen bei der Regie
oder der Anfertigung von Figuren.
Sind Sie neugierig geworden auf die
Puppen und ihre Menschen? Dann entscheiden Sie sich schnell, denn viele
Stücke sind bereits lange im voraus
ausverkauft.
Monika Lindner
Bild unten: Szene aus „Faust. Eine Höllenfahrt in
13 Bildern“; in der Mitte Tilla Kratochwil als Margarete
Vom Märchen bis zur Klassik
Etwa sechs neue Produktionen werden
in jeder Spielzeit neu erarbeitet. Vier
davon sind für Kinder und zwei für Erwachsenen gedacht. Insgesamt spielt
Foto: Schlüter
K KUULL TT U
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Lust an der Verwandlung
Hiobsbotschaften im Herbst
Der Hochschulhaushalt 1999 soll um 7% gekürzt werden
Der Haushalt der Martin-Luther-Universität soll nach den Vorstellungen der
Landesregierung im Jahr 1999 von
260 Mio* auf 242 Mio DM, das heißt
um 7% gekürzt werden. Eine derartig
dramatische Reduzierung der Mittel
können wir nicht ruhig hinnehmen.
Angesichts der schwierigen Haushaltslage in Sachsen-Anhalt habe ich als
Bürger und als Rektor für einen seriösen und maßvollen Sparkurs durchaus
Verständnis. Das erfordert allerdings
langfristige Vorgaben und verläßliche
Rahmenbedingungen. Beides ist im Augenblick nicht gegeben. Die momentane Haushaltspolitik führt schon kurzfristig zu untragbaren Verhältnissen in der
Lehre und zur Reduzierung der Forschungsleistung.
Ungünstigster Zeitpunkt
Die Kürzungen treffen die Universität
zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.
Wir befinden uns noch immer in einer
Phase des Aufbaus und der Neustrukturierung. Von den 333 Professuren sind
im Augenblick lediglich 261, das heißt
78 % besetzt. In vielen Instituten fehlen
wichtige Eckprofessuren. Selbstverständlich können für einen begrenzten
und absehbaren Zeitraum Vertretungen
organisiert werden. Auch mit vorübergehenden Engpässen können wir leben.
Aber wenn der Aufbau der Universität
durch das schleppende Berufungsgeschehen insgesamt in Frage steht, wird
die Lage ernst. Das wissenschaftliche
Profil eines Fachbereichs wird sehr
sorgfältig erwogen und mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrats abgestimmt. Die einzelnen Professuren ergänzen sich in Forschung und Lehre.
Sie sind nicht einfach gegeneinander
austauschbar oder nach Belieben wegzustreichen.
Eines der gravierendsten Probleme unserer Universität ist der große Altbaubestand, der viele Jahrzehnte lang ungenügend gepflegt worden ist. Wichtige Bau- und Sanierungsmaßnahmen,
die dazu dienen, unseren 13.300 Studierenden geeignete Lernbedingungen
und den Wissenschaftlern wettbewerbsfähige Forschungsmöglichkeiten
zu schaffen, müßten jetzt gestoppt werden, wenn die erforderlichen Mittel
verweigert werden. Darüber hinaus
verfügt die Universität Halle über zahlreich architektonisch wertvolle Gebäude. Dieses städtebaulich bedeutsame
kulturelle Erbe muß, in Verantwortung
für künftige Generationen, sorgsam
gepflegt werden. Die fehlenden Baumittel stellen auch dies in Frage.
Der Buchbestand unserer Universitätsund Landesbibliothek ist gerade in den
sozial- und geisteswissenschaftlichen
Bereichen zum Teil immer noch äußerst lückenhaft. Die Ergänzung des
Büchergrundbestandes ist keineswegs
schon abgeschlossen, und die fortlaufende Anschaffung der aktuellen Fachliteratur ist unerläßlich. Dennoch sollen 1999 die Mittel stark heruntergefahren werden. Aufgrund dieser Kürzungen müßte jede dritte Zeitschrift abbestellt und der Kauf von Fachliteratur
stark reduziert werden. Bibliotheken
sind aber in ganz besonderem Maße
auf Kontinuität angewiesen.
Zeitschriftensammlungen, bei denen
einzelne Jahrgänge fehlen, verlieren
ihre wissenschaftliche Bedeutung.
Bei unserer Universität verhält es sich
zur Zeit, so könnte man sagen, wie bei
einem Flugzeug im Steigflug: Es
braucht beim Aufstieg mehr Treibstoff,
um dann, in größerer Höhe, sehr viel
gelassener und sparsamer dahingleiten
zu können. Wenn jetzt die Zufuhr gedrosselt wird, dann ist alles gefährdet.
Wer denkt an den Nachwuchs?
Wir sollen 1999 mit 16 Mio DM weniger Personalmittel auskommen, als wir
für die Finanzierung unseres von der
Landesregierung beschlossenen Stellenplanes eigentlich bräuchten (Bedarf:
212,7 Mio - Entwurf: 196,5 Mio).
Selbst wenn wir nur das zur Zeit vorhandene Personal halten wollen, wären schon etwa 201,5 Mio DM erforderlich - also rund 5 Mio DM mehr, als
uns zur Verfügung gestellt werden sollen.
Diese 5 Mio DM könnten wir nur erwirtschaften, indem alle freiwerdenden
oder jetzt schon vakanten Stellen für
die Nachwuchswissenschaftler nicht
wiederbesetzt würden. Von den 650 im
Haushaltsplan vorgesehenen Stellen
für den wissenschaftlichen Nachwuchs
wären auf diese Weise Ende 1999 nur
noch rund 170 (oder 26,5%) plangemäß besetzt. Weitere 200 Nachwuchsstellen sind zur Zeit dauerhaft blokkiert; etwa 280 Stellen, über 40%,
müßten aus Geldmangel unbesetzt
bleiben. Auch für unsere jüngsten Mitarbeiter, die studentischen Hilfskräfte
und die Azubis, wäre nicht mehr genug
Geld da.
Dies liefe auf einen völlig planlosen,
zufälligen und unstrukturierten Personalabbau hinaus, gegen den wir uns
energisch zur Wehr setzen müssen.
(Weitere und detailliertere Informationen zum Personalhaushalt ’99 finden
Sie im Internet: http://www.verwaltung.
uni-halle.de/dezern1/presse/aktuell/
haushalt.htm.)
Investitionen für die Zukunft
Bildungsinvestitionen sind Investitionen für die Zukunft. Ein Land wie Sachsen-Anhalt, in dem die traditionellen
industriellen Strukturen weggebrochen
sind, muß sich als Wissenschafts- und
Dienstleistungsstandort einen Namen
machen. In Anbetracht des momentanen Haushaltsentwurfes sehe ich nicht,
wie dies geschehen soll. Wer an den
Hochschulen spart und sie schon wieder zwingt, von der Substanz zu leben,
der gefährdet die Zukunft des ganzen
Landes. Es wäre kurzsichtig, hier nur
akademische Eigeninteressen bedroht
zu sehen. Die Universität Halle–Wittenberg ist mit über 6 000 Mitarbeitern ein entscheidender Wirtschaftsfaktor im Süden Sachsen-Anhalts. Sie
ist die wichtigste Stätte der Forschung
im Land, und sie ist die einzige Volluniversität in Sachsen-Anhalt, die über
13 000 Studierenden - überwiegend
Landeskindern - ein breites Lehrangebot liefert. Mit ihrer fast 500jährigen Tradition hat sie wichtige Teile der
Geschichte des Landes mitgeschrieben. Von den Hochschulen werden
auch in Zukunft wertvolle Impulse ausgehen - wenn man ihnen Luft zum Atmen läßt.
Weiter verhandeln
Weit über 1000 Studierende, Mitarbeiter und Professoren haben am
30. November die Hochschulversammlung besucht und diese Hiobsbotschaften mit großem Ernst aufgenommen. Sie haben keinen Zweifel
daran gelassen, daß sie der Universitätsleitung bei ihren weiteren Verhandlungen mit der Landesregierung und
dem Parlament nachhaltig den Rücken
stärken werden.
Reinhard Kreckel
* ohne Medizinische Fakultät und
Klinikumshaushalt
Vierundzwanzig Fragezeichen
Miniaturporträt Klaus Friedrich
Niemand weiß, wieviele Varianten jenes Fragebogens, der durch die Antworten von Marcel Proust so berühmt
geworden ist, inzwischen existieren.
Der ganz eigene Reiz dieses Spiels wird
in den Medien immer wieder neu entdeckt, denken wir nur an das FAZ-Magazin, an „Forschung & Lehre“ oder
auch ans UNICUM.
„scientia halensis“ spielt ebenfalls mit.
Diesmal heißt unser Match-Partner
Klaus Friedrich.
1. Warum sind Sie in Halle und
nicht anderswo?
Berufungsorte haben immer etwas mit
Zufall zu tun. In meinem Fall führte er
mich in die Region meiner Kindheit zurück.
2. Wenn nicht Professor für Sozialgeographie, was wären Sie dann
geworden?
Lehrer.
3. Was war an Ihrer Studienzeit
am besten?
Die Leichtigkeit des Seins.
4. Wer war für Sie der/die wichtigste Lehrer/in?
Professor Eugen Kogon.
5. Welchen Rat fürs Leben geben
Sie Ihren KollegInnen?
Da Wissenschaftler durch ihr Handeln
nicht Wahrheit, sondern bestenfalls Erkenntnisfortschritt erreichen, sollten sie
unbefangener mit Kritik umgehen und
anderen ein Recht auf Irrtum zugestehen.
6. Welchen Rat fürs Überleben geben Sie Ihren StudentInnen?
Neben den notwendigen Mühen des
„studere“ darf die Freude an der Sache
nicht zu kurz kommen.
7. Wenn Sie Rektor dieser Alma
Mater wären – was würden Sie als
erstes tun?
Den wahrscheinlich erfolglosen Versuch unternehmen, die Bürokratie abzubauen.
8. Wenn Sie Bundesminister für
Forschung wären – was würden
Sie niemals tun?
Das bißchen Hochschulautonomie
noch mehr beschneiden.
9. Was ist Ihrer Meinung nach die
erste Aufgabe der Wissenschaft?
Einen sinnvollen Beitrag zur Daseinsbewältigung zu leisten.
10. Was haben Intelligenz und
Menschlichkeit miteinander zu tun?
Häufig scheinen sie Gegensätze zu
sein. Glücklich kann sich jedoch derjenige nennen, der beides in sich vereint.
11. Welchen bedeutenden Menschen unserer Zeit hätten Sie gern
als Gesprächspartner(-in)?
Astrid Lindgren, um mit ihr über das Altern nachzudenken.
12. Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Mensch und Technik
ein?
Technik ist Menschenwerk und deshalb
mit Stärken und Schwächen behaftet.
13. Was halten Sie von Werbung?
Es gibt Verführungen, gegen die nichts
einzuwenden ist.
14. Wie reagieren Sie, wenn Sie
sich schrecklich ärgern?
Nicht immer mit der richtigen Strategie.
15. Worüber haben Sie sich in Ihrem Leben am meisten geärgert?
Über Menschen, die meinen, sich aufgrund ihrer Position über andere erheben zu können.
Foto: Meise
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16. Wenn Sie sich sehr freuen,
was tun Sie dann?
Dann drücke ich jemanden ganz fest
oder „werfe meine Mütze in die Luft“.
17. Was hat Sie bisher am meisten erfreut?
Viele Mützen in der Luft.
18. Wo sehen Sie Ihre Schwächen?
Ich schaffe es einfach nicht, meinen
Schreibtisch aufzuräumen und nehme
mir meist zuviel vor.
19. Wo sehen andere Ihre Stärken?
Das können andere besser beurteilen.
20. Was erwarten Sie von der
Jahrtausendwende?
Um ehrlich zu sein: keine grundlegenden Veränderungen.
21. Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt noch kennenlernen?
Die Quellen des Amazonas.
22. Womit verbringen Sie Ihre
Freizeit am liebsten?
Gemeinsam mit meinen beiden Töchtern und meiner Frau.
23. Wie lautet Ihre Lebensmaxime?
Bleib Dir treu.
24. Was halten Sie von Interviews?
Sie geben einem manchmal außerplanmäßig Gelegenheit zum Nachdenken
über sich selbst und sein Tun.
Aus der Vita:
1945 geboren in Ermsleben am Harz,
1966–1971 Studium der Geographie
und Wissenschaftlichen Politik von an
der TH Darmstadt,
1971–1995 dort als wiss. Mitarbeiter
und nach der Habilitation als Privatdozent in Forschung und Lehre tätig,
längere Forschungsaufenthalte in Kalifornien und Hong Kong,
1995 Vertretungsprofessur in Halle,
1996 Ruf auf die Professur für Sozialgeographie am FB Geowissenschaften
der Martin-Luther-Universität,
seit 1981 verheiratet mit Mary-Louise
Friedrich,
zwei Töchter (Insa und Anne).
MUROF FORUM
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Das Studententheater der Martin-Luther-Universität
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„Brecht Himmel, Sterne kracht, spritzt
schwefelblaue Flammen...“! Am 14.
November präsentierte das Studententheater der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg seine neue Inszenierung „Doktor Faustus“. Nach zwei ausverkauften Vorstellungen im Tintenfaß
des „neuen theaters“, einer Menge
Aufregung und Spaß, Lampenfieber,
vielen Proben und harter Arbeit stellt
sich nun bei uns langsam doch das befriedigende Gefühl ein, etwas geleistet
und es nicht umsonst geleistet zu haben.
Drei gelungene Produktionen
Foto: Scholz
Wir sind Studierende verschiedenster
Fachbereiche der Martin-Luther-Universität, die auf unterschiedlichen Wegen, aber sicher alle geleitet von der
Lust am Theater, am Neuen, am Ausprobieren, den Weg zu diesem ständig
wechselnden Ensemble fanden. 1994
als Eigeninitiative einiger StudentInnen
gegründet, blickt das Studententheater
mittlerweile auf bereits drei gelungene
Produktionen zurück: 1995 „KleinbürSzene aus „Dr. Faustus“. Mitte: Sven Fritsch als Faust; links u. rechts: Anke Schäfer und Julia Kiesler als (männl.!) Studenten
Ansprechpartnerin für alle
Fragen rund ums
Studententheater der Martin-Luther-Universität:
Anna Siegmund-Schultze,
Regisseurin,
Tel.: 0345/550 7300
gerhochzeit“ (Bertolt Brecht), 1996
„Cosi fan tutte“ (Lorenzo da Ponte) und
1997 „König Hirsch“ (Carlo Gozzi).
Für die künstlerisch-organisatorische
Leitung konnte von Anfang an die Regisseurin Anna Siegmund-Schultze gewonnen werden.
Und so saßen auch wir vor etwa einem
Jahr mit ihr zusammen, um den Stoff
des neuen Stückes auszuwählen. Die
Wahl fiel auf das Faustthema, doch wir
wollten keine auf ein Studententheater
zugeschnittene Goetheadaption spielen, sondern die Chance nutzen, mit
unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten
etwas Eigenständiges zu schaffen. Das
Ergebnis war ein komplett neues Textbuch, überwiegend basierend auf Christopher Marlowe – er schrieb die früheste Theaterfassung nach dem Volksbuch des Doktor Fausten – und diversen Puppenspielen. Keine einfache
Aufgabe, daraus ein dramaturgisches
Ganzes zu schmieden. Doch das blieb
natürlich nicht die einzige Schwierigkeit, denn nun begann ja erst die eigentliche Arbeit: das Probieren. Die
Lokalfrage ließ sich glücklicherweise
relativ leicht klären. Das Studentenwerk stellte uns eine Mensa für die
Probenarbeit zur Verfügung und auch
die Katholische Studentengemeinde im
Mühlweg half freundlicherweise mit
Probenräumen aus. An dieser Stelle
muß an das „nt“ ein herzlicher Dank
gehen, welches uns auch dieses Mal
das „Tintenfaߓ für die Endproben und
mehrere Vorstellungen zur Verfügung
stellte.
Harte Arbeit bis zur Premiere
Studententheater – klingt das nicht wie
eine Mischung aus Wissenschaft und
Kunst?
Texte zu lernen und zu sprechen, so
sollte man meinen, ist keine Kunst. Es
ist wohl eher eine Wissenschaft. Einen
Text mehr oder weniger gut vorsprechen kann jeder. Aber ihn auch dem
Zuschauer des Stückes so nahe zu
bringen – und wohlgemerkt: man
Ebenfalls „Dr. Faustus“; links: Sven Fritsch ( Faust), rechts: Heinz Barth (Mephosto)
spricht nicht nur auf der Bühne, sondern bewegt sich auch – daß er über
den tieferen Sinn nicht erst lange nachdenken muß, beziehungsweise mit seinen Gedanken beim Stück bleibt, das
ist dann wirklich eine Wissenschaft für
sich. Die Kunst daran wiederum ist es,
nicht zu verzweifeln, wenn man ständig
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tung widmet, so entschädigt dann eine
gelungene Vorstellung auf jeden Fall
und für alles.
gesagt bekommt, man müsse das aber
so und so betonen, obwohl man das
manchmal etwas anders sieht.
Nicht zuletzt hat ja fast jeder auch eine
gewisse Scheu, sich vor zunächst Unbekannten sprachlich und körperlich
viel übertriebener zu äußern, als man
das sonst gewohnt ist. Um solche
Hemmungen abzubauen und zu lernen,
sich auch in „öffentlichen“ Situationen
frei und sicher zu bewegen, war das
Kooperation ist wichtig
Foto: Scholz
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studentisches
Spaß, Lampenfieber und harte Arbeit
wöchentliche Bewegungstraining mit
dem Choreographen für dieses Stück,
,Matthias Möller, sehr wichtig. Und so
kämpft man sich, behindert durch Studienbetrieb wie Semesterferien (alles
wieder vergessen?) mit immer stärkerer Nervosität, aber auch immer größerem Enthusiasmus und Freude am
Zusammenspiel, denn Fortschritte sind
erkennbar und die Mitspieler auch
nicht mehr fremd, der Premiere entgegen. Die letzte Probenphase hält stets
noch Überraschungen bereit. Jetzt gibt
es plötzlich mehr Requisiten, Kostüme,
ein Bühnenbild und „technische“ Proben. Erstaunt stellt man fest, daß Umbauten, Standorte der Spieler hinter
der Bühne und das Bereitlegen der jeweiligen Requisiten, genauso geprobt
werden müssen wie das Stück „an
sich“. Aber wenn bereits die Proben
eine durchaus kreative, fordernde,
lehrreiche und amüsante Nutzung der
Zeit darstellen, die man nicht seiner
Bildung an der universitären Einrich-
Das Studententheater bietet ein großes
Potential für die Zusammenarbeit von
Studierenden aus vielen Fachbereichen
der Martin-Luther-Universität. Für die
historische, kunstgeschichtliche und
gesellschaftswissenschaftliche Erschließung von Werken könnten StudentInnen einen Beitrag leisten, auch
wenn sie nicht unbedingt auf der Bühne
stehen wollen. Eigene Übersetzungen
von Stücken, die Mitarbeit von Musikstudenten, Kommunikations- und Medienwissenschaftlern, Sprechwissenschaftlern und der Hochschule für
Kunst und Design Burg Giebichenstein
könnten dazu dienen, den eigenen Stil
des Studententheaters weiterzuentwikkeln und zu manifestieren. Die Liste
der Möglichkeiten ließe sich noch lang
fortsetzen.
Doch wie wird das finanziert? Auch so
eine Wissenschaft! Eine Angliederung
an die Universität war bisher leider
nicht möglich. Doch die Universitätsleitung ist bemüht, Mittel und Wege zu
finden, dieses Studentenprojekt zu unterstützen. So konnten auch diesmal
Gelder bereitgestellt werden, die dringend benötigt wurden, um Material,
Maske, Kostüme, Bühnenbild, Choreographie und Regie zu bezahlen.
Denn eine professionelle Anleitung
und ein stimmiger Rahmen sind absolut
notwendig für das Gelingen einer Produktion.
Noch ein Wort zum Abschluß:
Studententheater ist nicht nur Ereignis
mit Menschen, was ja an sich schon
eine hinlänglich lobenswerte Sache
wäre, denkt man nur an all die positiven Einflüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung, Sozialisation usw., die
solch ein gruppendynamischer Prozeß
auslösen kann. Nein, es ist auch ein
Ereignis für Menschen. Kommen Sie
doch einfach mal vorbei, und schauen
Sie sich eine Vorstellung an.
Christian Schulz
Die nächsten Vorstellungen des
„Faust“:
am 18. und 19. Januar 1999,
jeweils 20.00 Uhr im „Tintenfaߓ des neuen theaters