Stereoscopic Storytelling - Online-Archiv für Diplomarbeiten und

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Stereoscopic Storytelling - Online-Archiv für Diplomarbeiten und
Stereoscopic Storytelling – Eine Analyse
vorhandener Gestaltungstechniken und die
Suche nach kreativen Einsatzmöglichkeiten
im Animationsfilm
MICHAELA JINDRA
MASTERARBEIT
eingereicht am
Fachhochschul-Masterstudiengang
DIGITALE MEDIEN
in Hagenberg
im November 2009
© Copyright 2009 Michaela Jindra
Alle Rechte vorbehalten
ii
Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und
Hilfsmittel nicht benutzt und die aus anderen Quellen entnommenen Stellen
als solche gekennzeichnet habe.
Hagenberg, am 16. November 2009
Michaela Jindra
iii
Inhaltsverzeichnis
Erklärung
iii
Vorwort
vi
Kurzfassung
vii
Abstract
viii
1 Einleitung
1
2 Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung
3
3 Stereoskopie
7
1.1 Motivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Vorgehensweise und Struktur der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
2.1 Räumliche Tiefenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Okulomotorische Tiefenreize. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Monokulare Tiefenreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Binokulare Tiefenreize. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
4
5
6
3.1 Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
3.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
3.3 Verschiedene Wiedergabeverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3.3.1 Autostereoskopische Displays . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3.3.2 Brillengebundene Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
3.4 Voraussetzung für die Fusion der Halbbilder. . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3.5 Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.5.1 Die Ursprünge der Stereoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.5.2 Stereoskopie im Film – Ein historischer Rückblick. . . . . . 18
3.5.3 Stereoskopie im Animationsfilm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.5.4 Der 3D Film heute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
iv
4 Stereokopie im CG Film – from Technology to Creativity 34
4.1 Unterschiede im Workflow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
4.1.1 Pre-Production. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
4.1.2 Production . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.1.3 Post-Production. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
4.2 Gestaltungsmöglichkeiten und Regeln in der Cinematographie. 39
4.2.1 Grenzen des stereoskopischen Raums . . . . . . . . . . . . . . . . 39
4.2.2 Relevante Eingangsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
4.2.2.1 Der Screen-Size Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
4.2.2.2 Der Viewer-Distance Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.2.3 Hyper- und Hypostereoskopie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.2.4 Der Konvergenzwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
4.2.5 Das Scheinfenster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
4.2.6 Das schwebende Scheinfenster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
4.2.6.1 Positionieren des virtuellen Screens . . . . . . . . . . . 51
4.2.6.2 Statisches vs. dynamisches Scheinfenster. . . . . . . 51
4.2.7 Depth of Field. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.2.8 Das 3D Volumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.2.9 Multi-Rig Kamera-Setups. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.2.10 Kontinuität in der Tiefe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5 Stereoscopic Storytelling
62
6 Schlussbemerkungen
75
A Inhalt der DVD
78
Literaturverzeichnis
80
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
Stereoskopische Tiefe = Emotionale Tiefe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Positionierung im Raum = emotionale Distanz bzw. Nähe . . . . . 66
Kreativer Einsatz der Netzhautrivalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Kombination aus 2D und 3D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Sound im Stereofilm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
A.1 Masterarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
A.2 Diplomprojekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
A.3 Online-Literatur und Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
A.4 Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
A.5 Bilder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
A.6 stereoskopische Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
v
Vorwort
3D Filme haben mich schon seit meiner Kindheit fasziniert. Jede Gelegenheit einen solchen Film zu sehen, wurde sofort genutzt. Bei meinem letzten
IMAX Besuch wurde in der Vorschau der Film „Fly me to the Moon“ des
belgischen Produktionshauses nWave vorgestellt. Dabei handelt es sich um
den ersten CG Feature Film, der von der Planung bis zur Umsetzung für die
Vorführung in Stereo 3D realisiert wurde. Obwohl in dem Fall nur die Vorschau und nicht der komplette Film zu sehen war, so reichte es dennoch aus,
eine bedeutende Inspirationsquelle sowohl für mein Masterprojekt, als auch
die Masterarbeit zu werden. Auch wenn die Begeisterung und Faszination für
Stereofilme schon lange vorhanden war, so habe ich mir bis zu diesem besagten Kinobesuch nie richtig Gedanken über die Entstehung oder die Technik
hinter solchen Produktionen gemacht. Danach war meine Neugierde und das
Interesse, hinter die Kulissen des stereoskopischen Films zu blicken, jedoch
geweckt und der Anstoß zur intensiven Auseinandersetzung und Recherche
zu diesem Thema gegeben.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mir während der
gesamten Entstehungsphase dieser Arbeit zur Seite gestanden sind. Ohne sie
wäre diese diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ein ganz besonderes Dankeschön gilt Mag. Jürgen Hagler für seine geduldige Betreuung. Auch wenn es
mit mir bestimmt nicht immer einfach war, so ist er mir trotzdem jederzeit
mit wertvollen Tipps, Anregungen und Ideen zur Seite gestanden. Meiner
gesamten Familie und meinen engsten Freunden danke ich für die mentale
Unterstützung, die Motivation und die von Zeit zu Zeit notwendige Ablenkung. Zu guter Letzt bleibt mir nur noch, meine Eltern ganz speziell hervorzuheben. Denn sie haben mir dieses Studium erst ermöglicht und mich in all
meinen Entscheidungen immer unterstützt - Danke.
vi
Kurzfassung
Noch vor wenigen Jahren war Stereoskopie ein Thema, das in der Öffentlichkeit kaum bis gar nicht wahrgenommen wurde. Jemand, der nichts mit der
Film- oder Medienbranche zu tun hatte, konnte mit dem Begriff nur selten
etwas anfangen. Das Interesse der breiten Masse war praktisch nicht vorhanden. Die stetig fortschreitenden technischen Möglichkeiten und Innovationen
der letzten Jahre und womöglich auch die sinkenden Zahlen der Kinobesucher führten jedoch dazu, dass dem lange ignorierten 3D Stereofilm wieder
Beachtung geschenkt wurde und er heute ein großer Hoffnungsträger für die
gesamte Filmbranche ist.
Ob und in wie fern diese Hoffnungen berechtigt sind und wie die Zukunft
des Stereofilms aussehen könnte sind Fragen, denen in dieser Arbeit auf den
Grund gegangen wird. Der Fokus liegt dabei speziell auf dem stereoskopischen Animationsfilm. Viele Kapitel, vor allem die theoretischen Grundlagen,
haben aber natürlich allgemeine Gültigkeit und können in den verschiedensten Anwendungsgebieten der Stereoskopie zum Einsatz kommen.
Die vorliegende Arbeit untersucht sowohl die technischen, aber vor allen
die gestalterischen Unterschiede zwischen stereoskopischen und herkömmlichen 2D Produktionen. Anhand von ausgewählten Produktionen werden
die technischen Hintergründe näher erläutert und verschiedene Ansätze und
Herangehensweisen vorgestellt. Dabei werden die Potentiale und Grenzen
der Stereoskopie aufgezeigt, sowie der Frage nach aktuellen und zukünftigen technischen und vor allem kreativen Trends und Möglichkeiten auf den
Grund gegangen.
vii
Abstract
Just a few years ago stereoscopy was a topic that was hardly represented in the
media or noticed by the public. Most people did not really know what this
term meant and even the film and media industry had abandoned this kind of
movie making technique for many years.
Recently with the advent of digital cinema and the constantly progressing
technical possibilities and innovations this fact changed and stereoscopy
became an active topic again. It has never been easier to produce 3D contents
and the image quality has never been better. The dropping box-office results at
the cinemas driven by a number of alternate forms of entertainment technologies may have pushed its revival even more. Today, the entire movie industry
is aware of its strong potential to generate revenue; therefore, the industry
has very high hopes about its potential success. Studios like Disney, Pixar or
Dreamworks are showing a particularly strong interest in this format and are
convinced that it is here to stay.
This thesis tries to answer the questions if those hopes are justified or
not and how the future of stereoscopic movies, especially animation movies,
could look like. However, even if the emphasis lies on CG movies, most chapters, particularly the theoretical foundations, apply to any kind of stereoscopic
production.
Furthermore, the technical and artistic differences between conventional 2D
and modern 3D movies are presented. With the help of some examples (from
selected stereo productions) the technical backgrounds, creative considerations and different approaches on how a stereo movie is made are demonstrated. The potentials, limitations and necessary creative choices are analyzed.
Finally, possibilities on how Stereo 3D can enhance the movie-going experience and how it can be used as an immersive storytelling tool are presented.
viii
Kapitel 1
Kapitel 1
Einleitung
1.1 Motivation
Stereoskopie im Film gibt es seit über 100 Jahren. Doch so faszinierend diese
Art von Filmen für manche von uns auch ist, bis heute hat sie es nicht geschafft,
einen festen Platz in der Filmbranche einzunehmen und sich so unentbehrlich
wie der Ton- oder Farbfilm zu machen. Blickt man in der Geschichte zurück,
so lässt sich feststellen, dass es bereits zwei Mal einen regelrechten Hype um
dieses Thema gab. Damals wurden innerhalb kürzester Zeit etliche Stereofilme
veröffentlicht und es schien, als ob diese Art des Filmemachens und -sehens
den Durchbruch geschafft hätte. Doch so schnell das Interesse der Produzenten und Kinobesucher begonnen hatte, so schnell war es auch wieder vorbei.
Man könnte sagen, dass sich heute im Jahr 2009 gerade wieder ein solcher Hype anbahnt bzw. wir uns gerade mitten darin befinden. In den letzten
Jahren wurde das Interesse an diesem Thema wieder stärker. Hollywoods
Größen wie James Cameron, Steven Spielberg, Peter Jackson und viele mehr
entdeckten die Stereoskopie für sich. Einige sehen in ihr sogar die Zukunft des
Filmemachens und vor allem des Kinoerlebnisses. Darunter sind vor allem
Animationsstudios wie Dreamworks oder Disney/Pixar, die angekündigt
haben zukünftig alle ihre Produktionen im Stereoformat zu produzieren
In dieser Arbeit soll auf die zusätzlichen Möglichkeiten, aber auch auf die
Probleme eingegangen werden, die ein Film durch den Einsatz von Stereoskopie mit sich bringt. Einerseits lassen sich dadurch völlig neue Arten des
Storytellings und der Einbindung des Publikums in die Handlung erzielen,
andererseits ist der Aufwand einer solchen Produktion um einiges höher, als
der einer „normalen“. Es gibt viele Regeln, Parameter, Einschränkungen und
sonstige Kleinigkeiten, die dabei beachtet werden müssen. Allein mit der Tatsache, dass jede Szene von zwei leicht unterschiedlich positionierten Kameras
aufgenommen wurde, ist es noch nicht getan.
1
Einleitung
2
1.2 Vorgehensweise und Struktur der Arbeit
Diese Arbeit beschäftigt sich nur am Rande mit der geschichtlichen Entwicklung der Stereoskopie. Vielmehr geht es darum, die Vorteile und auch Nachteile von 3D Stereo-Produktionen zu untersuchen und darzustellen. Es werden
sowohl theoretisch, als auch praktisch Wege und Möglichkeiten entwickelt,
die es erlauben, Stereoskopie im Film außergewöhnlich, die Handlung unterstützend und neuartig einzusetzen. Durch einen experimentellen Zugang zu
dem Thema, wird der Versuch gestartet, eine neue Art des Storytellings im
Film zu entwickeln.
Die zentrale Frage lautet, ob und wie Stereoskopie im Film anders, als nur
als spektakuläres und meist übertriebenes Feature eingesetzt werden kann.
Der Einsatz des Stereo-Effekts soll weg von der technischen Perfektion und
dem möglichst extremen und übertriebenen Tiefeneffekt, hin zu einem, die
Handlung unterstützendem Feature gehen. Die große Herausforderung liegt
darin, herauszufinden, ob Stereoskopie mehr als nur ein Gimmick ist und das
Potenzial hat, sich zu einem unentbehrlichen Gestaltungsmittel oder sogar
einer eigenen Kunstform zu entwickeln.
Nach einer einleitenden Darstellung von Motivation und Struktur der
Arbeit, geht es im folgenden Kapitel um die Prinzipien der menschlichen Tiefenwahrnehmung. Darauf folgt im dritten Kapitel eine Auseinandersetzung
mit den Grundlagen der Stereoskopie und ein Überblick über die verschiedenen Aufnahme- und Betrachtungstechniken. Dies dient dazu, dem Leser einen
Einblick in die Thematik zu geben und ein Grundverständnis für die wichtigsten Faktoren der Stereoskopie zu schaffen, das für das bessere Verständnis
der restlichen Arbeit von Vorteil ist. Ein kurzer geschichtlicher Rückblick und
eine Analyse der momentanen Situation und Relevanz des Stereofilms schließen diesen Abschnitt ab. Im vierten Kapitel werden sowohl die technischen,
als auch die gestalterischen Unterschiede in den verschiedenen Produktionsstadien, im Vergleich zu einer 2D-Produktion, untersucht. Im letzten Kapitel
folgt eine Abhandlung von Gestaltungsmöglichkeiten und Regeln, die eine
solche Stereo-Produktion mit sich bringt. Genau darin liegt auch der inhaltliche Schwerpunkt dieser Arbeit. Es werden vorhandene Regeln erklärt, Wege
aufgezeigt, die Grenzen des stereoskopischen Raums bestmöglich auszuloten
und Möglichkeiten gesucht, den 3D Effekt möglichst innovativ einzusetzen.
Kapitel 2
Kapitel 2
Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung
Unter „Wahrnehmung“ versteht man den Vorgang der bewussten und unbewussten Informationsaufnahme durch die menschlichen Sinne1. Sie ist das
Ergebnis einer Vielzahl an komplexen Vorgängen, die für den Menschen meist
automatisch ablaufen. Die Sinneszellen nehmen die Reize aus der Umwelt auf,
wandeln diese in elektrische Energie um (Transduktion) und leiten sie durch
neuronale Bahnen an das Gehirn weiter, wo sie verarbeitet und interpretiert
werden [11, S. 3–8]. Der Mensch besitzt außerdem die Fähigkeit, aus der riesigen Flut an Reizen nur die für ihn relevanten Informationen herauszufiltern.
Der für diese Arbeit interessanteste der fünf Sinne, die beim Menschen unterschieden werden, ist der Sehsinn.
Bei der Geburt ist der menschliche Sehsinn noch nicht vollkommen entwickelt. Erst mit der Zeit lernt es das visuelle System2, Bilder scharf wahrzunehmen, räumlich zu sehen, bewegliche Objekte zu verfolgen, Entfernungen
abzuschätzen oder bekannte Dinge wiederzuerkennen. Die Sehorgane und
das Gehirn müssen lernen zusammenzuarbeiten. Diese Entwicklung vollzieht
sich in den ersten Lebensjahren. Im Zusammenhang mit stereoskopischem
Sehen spielt besonders die Tatsache, dass der Mensch zwei Augen besitzt und
deren horizontaler Abstand zueinander eine große Rolle.
2.1 Räumliche Tiefenwahrnehmung
Der Mensch nimmt seine Umwelt mit Hilfe seiner beiden Augen wahr. Durch
den durchschnittlichen Augenabstand von ca. 65 Millimeter, empfangen
das linke und das rechte Auge nie zu 100% identische Bilder. Der seitliche
Augenabstand hat zwei leicht unterschiedliche Blickwinkel und somit auch
1 Beim Menschen werden 5 Sinne unterschieden: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten
2 Zu dem visuellen System zählen das Auge, die Netzhaut, der Sehnerv, Teile des Thalamus und des
Hirnstamms und die Sehrinde.
3
Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung
4
voneinander abweichende Abbildungen auf den Netzhäuten zur Folge. Das
faszinierende an der menschlichen Wahrnehmung ist, dass das visuelle System fähig ist, die beiden Netzhautbilder, die zunächst rein in zweidimensionaler, flacher Form vorhanden sind, durch Fusion zu einer dreidimensionalen
plastischen Wahrnehmung weiterzuverarbeiten. Das visuelle System bedient
sich dabei unterschiedlichster Informationen und Faktoren. Diese reichen von
bestimmten physiologischen Fähigkeiten und Eigenschaften des menschlichen Auges, bis hin zu kognitiven Erfahrungswerten und speziellen Merkmalen des visuellen Reizes selbst. Die unterschiedlichen Informationsquellen für
räumliche Tiefenwahrnehmung lassen sich in folgende drei Gruppen einteilen
[11, S. 4]:
• Okulomotorische Tiefenreize
• Monokulare Tiefenreize
• Binokulare Tiefenreize
Im folgenden Abschnitt werden diese drei Arten von Tiefenreizen etwas näher
beschrieben.
2.1.1
Okulomotorische Tiefenreize
Diese Art von Informationen ergibt sich aus der Fähigkeit der Augen, durch
Veränderung der Augenstellung oder der Linsenform auf die Entfernung eines
beobachteten Objekts zu reagieren. Zu den Parametern, die zu okulomotorischen Tiefeninformationen führen, zählen die Konvergenz bzw. Divergenz und
die Akkomodation. Dabei handelt es sich um angeborene Reflexe, die nicht
unserem Willen unterliegen, sondern automatisch von statten gehen.
Bei der Betrachtung eines nahen Objektes werden die Augen so weit nach
innen gedreht (konvergiert), bis sich die beiden Blicklinien im anvisierten Objekt schneiden (siehe Abbildung 2.1). Die Blicklinien bilden den so
genannten Konvergenzwinkel. Dieser ist von der Entfernung des betrachteten Gegenstandes und dem Augenabstand anhängig [43, S. 257]. Um weiter
entfernte Dinge wahrzunehmen, müssen die Augen von der zuvor stattgefundenen Konvergenzbewegung wieder dementsprechend nach außen gedreht
werden. Ab einer gewissen Entfernung bis hin zum Blick in die unendliche
Ferne stehen die Augen parallel. In Extremfällen (z.B. bei fehlerhaften Stereoaufnahmen) kann es sein, dass sie versuchen, eine leicht nach außen gedrehte
Position einzunehmen. Diese unnatürliche Augenbewegung wird als Divergenz bezeichnet.
Doch alleine die Drehung der Augen lässt noch keine scharfe Betrachtung
der Umwelt zu. Hier kommt die Akkomodation ins Spiel. Darunter versteht
man die dynamische Anpassungsfähigkeit der Augenlinsen – vergleichbar
Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung
Abbildung 2.1: Je näher sich das zu
betrachtende Objekt befindet, umso
weiter nach innen müssen die Augen
konvergieren.
5
Abbildung 2.2: Akkomodation
auf einen entfernten und einen
nahen Gegenstand.
mit der Autofokus-Funktion eines Fotoapparates. Beim Scharfstellen auf
nahe Objekte werden sie dicker, bei weiter entfernten Objekten flacher (siehe
Abbildung 2.2). Konvergenz und Akkomodation sind miteinander gekoppelt
und werden durch die Augenmuskulatur gesteuert. Anhand der Anspannung
der Muskeln kann das menschliche Gehirn Informationen über die Entfernung von Objekten ableiten. Okulomotorische Tiefenreize sind vor allem bei
Objekten in geringer Entfernung von Nutzen, da die beschriebenen Parameter
besonders in diesen Bereichen stark variieren. Mit steigender Entfernung lässt
die Genauigkeit dieser Tiefenreize nach und es kommen andere Faktoren zu
tragen.
2.1.2
Monokulare Tiefenreize
Bei monokularen Tiefenreizen handelt es sich um Informationen, die auch
beim Sehen mit nur einem Auge eine räumliche Wahrnehmung zulassen.
Dazu gehören visuelle Hinweise wie die relative Größe, die relative Höhe, die
gegenseitige Verdeckung von Objekten, die vertraute Größe, die perspektivische Konvergenz, die atmosphärische Perspektive, Licht und Schatten, der
Texturgradient und die Bewegungsparallaxe. Mit Ausnahme der Bewegungsparallaxe lassen sich alle diese Faktoren auch aus statischen Szenen wie Fotos
oder Malereien herauslesen [11, S. 187–191].
Die Weiterverarbeitung von monokularen Tiefenreizen im Gehirn beruht
sehr stark auf Erfahrungen und erfolgt unbewusst. Das Gehirn greift dabei
auf empirische Informationen zurück, die sich der Mensch im Laufe seiner
Entwicklung angeeignet hat [43, S. 2]).
Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung
Le eye view
6
Right eye view
Abbildung 2.3: Die auf den Netzhäuten auftreffenden Bilder sind nicht identisch, sondern weisen leichte perspektivische Unterschiede auf. Aufgrund
dieser Unterschiede kann das Gehirn Tiefeninformationen ableiten.
2.1.3
Binokulare Tiefenreize
Wie der Begriff „binokular“ bereits sagt, handelt es sich dabei um Tiefeninformationen, die nur mit Hilfe von zwei gesunden Augen wahrnehmbar sind.
Der Mensch nimmt seine Umgebung aufgrund der Position seiner Augen
aus zwei leicht unterschiedlichen Blickwinkeln wahr. Das führt dazu, dass
sich die auf den Netzhäuten auftreffenden Bilder, ebenfalls leicht voneinander unterscheiden (siehe Abbildung 2.3). Diese perspektivische Abweichung
wird Querdisparität oder auch binokulare Disparität genannt [11, S. 192]. Das
Gehirn besitzt nicht nur die Fähigkeit, die beiden voneinander abweichenden
Wahrnehmungen zu einer verschmelzen zu lassen, es ist dem visuellen System
aufgrund eben dieser winzigen Unterschiede möglich, einen Tiefeneindruck
zu erzeugen und so die räumliche Lage von Objekten zu bestimmen. Die
dadurch gewonnenen Tiefeninformationen sind wesentlich stärker, als die
monokularen Tiefenreize [43, S. 23].
Binokulares Sehen und die Position der menschlichen Augen machen
räumliches Sehen und in Folge dessen auch Stereoskopie erst möglich. Sie
bilden die Grundlage der stereoskopischen Aufnahme- und Darstellungsverfahren. Es sind jedoch nicht alle Menschen gleichermaßen fähig, binokulare
Tiefenreize zu verarbeiten und 3D zu sehen. Etwa 3 bis 15 Prozent der Menschheit leiden an der so genannten Stereoblindheit [32, S. 24]. Diese Menschen
können Tiefeninformationen nur anhand von monokularen Reizen ableiten.
Kapitel 3
Kapitel 3
Stereoskopie
3.1 Definition
Das Wort Stereoskopie setzt sich aus den altgriechischen Worten “stereos”
(=körperlich, solide) und “skopos” (= das Sehen, der Sehvorgang) zusammen
[30, S. IX]. Es handelt sich dabei um eine Wissenschaft, deren Ziel es ist, die
Wahrnehmung des Menschen zu täuschen, in dem sie einen dreidimensionalen, plastischen Eindruck in flachen zweidimensionalen Bildern erzeugt. Dies
gelingt durch Imitation des menschlichen Sehvorgangs. Bei der Aufnahme
und Wiedergabe von stereoskopischen Bildern, wird für jedes Auge ein separates, perspektivisch leicht unterschiedliches Bild aufgezeichnet bzw. präsentiert. So wird die Querdisparität, die bei der menschlichen Wahrnehmung
aufgrund der Binokularität entsteht, nachgeahmt (vergleiche Abschnitt 2.1).
Die normalerweise bei der Betrachtung eines zweidimensionalen Bildes zum
Tragen kommenden monokularen Tiefeninformationen werden dadurch um
binokulare Tiefeninformationen erweitert. Für das menschliche Auge macht
es keinen Unterschied, ob die Disparität durch die Betrachtung eines realen
Objekts oder durch zwei Bilder künstlich hervorgerufen wird. Die beiden
Halbbilder dürfen sich jedoch nur im horizontalen Versatz unterscheiden.
Farbe, Helligkeit, Schärfe, Bildausschnitt, etc. dürfen nur minimale Unterschiede aufweisen, um eine problemlose Fusion gewährleisten zu können [43,
S.43].
3.2 Grundlagen
In diesem Abschnitt werden die notwendigen Grundlagen und Parameter
beschrieben, die im Zusammenhang mit der Stereoskopie bekannt sein sollten.
Ein wichtiger Begriff ist die Parallaxe. Darunter wird in der Stereoskopie
der Abstand zwischen zwei korrespondierenden Punkten im linken und
7
Stereoskopie
8
L
R
L+R
L
R
L+R
L
R
L+R
Abbildung 3.1: Parallaxe als Parameter für die Lage eines Objektes in Bezug
auf die Projektionsebene – Nullparallaxe, positive und negative Parallaxe.
rechten Halbbild bezeichnet [21, S. 24]. Unterschiedliche Parallaxen ahmen
die beim Betrachten einer realen Szene natürlich auftretende Disparität nach
und indizieren so unterschiedliche Entfernungen der Objekte vom Zuseher.
Disparität und Parallaxe beschreiben beide die perspektivischen Differenzen
der Halbbilder. Der Unterschied ist lediglich der, dass Disparität anhand der
Netzhautbilder und Parallaxe anhand der künstlich hergestellten stereoskopischen Halbbilder gemessen wird. Ein Objekt kann sich abhängig von der
Größe und Art der Parallaxe scheinbar vor, auf oder hinter der Projektionsebene befinden. Unter Projektionsebene versteht man das Medium, auf dem
das Stereobild präsentiert, projiziert oder gedruckt wurde (z.B. Monitor oder
Leinwand). Die Informationen, die aus den unterschiedlichen Parallaxen
gewonnen werden, führen dazu, dass in einem zweidimensionalen Bild räumliche Tiefe wahrgenommen werden kann. Größe und Art der Parallaxe können
leicht gemessen werden. Dazu legt man die beiden Halbbilder eines Stereobildes übereinander und markiert darin korrespondierende Punkte. Liegen diese
auf der gleichen Position, so weisen sie keine Parallaxe auf (Nullparallaxe).
Keine Parallaxe bedeutet, dass sich der wahrgenommene Punkt genau auf der
Projektionsebene befindet. Diese Situation ist in Abbildung 3.1 links dargestellt. Eine positive Parallaxe bedeutet, dass das Objekt den Anschein macht,
Stereoskopie
9
sich hinter dieser Ebene zu befinden. Sie tritt dann auf, wenn der Punkt im
Bild für das linke Auge gegenüber dem vom rechten Auge nach links versetzt
ist. Im umgekehrten Fall, d.h. der Punkt für das linke Auge befindet rechts
von dem für das rechte Auge, wird von negativer Parallaxe gesprochen [42, S.
8–10].
Die zuvor gegangene Beschreibung bezieht sich nur auf eine horizontale
Parallaxe. Eine vertikale Parallaxe kommt in der Natur nicht vor und sollte
deshalb in stereoskopischen Produktionen dringend vermieden werden. Die
Augen der meisten Lebewesen sind horizontal versetzt, befinden sich jedoch
auf gleicher Höhe. Aus diesem Grund kann eine vertikale Parallaxe beim alltäglichen Sehen eines gesunden Menschen niemals vorkommen. Das Gehirn
könnte solche Informationen nicht ordentlich verarbeiten und ein Verlust des
Tiefeneindrucks wäre die Folge.
Um stereoskopische Halbbilder erzeugen zu können, müssen die Linsen
der Stereokamera um eine bestimmte Distanz versetzt sein. Diese Distanz
wird interaxiale Separation, interokulare Distanz oder Stereobasis genannt.
Je weiter auseinander die Linsen positioniert sind, umso stärker werden die
Parallaxen und dadurch auch der Tiefeneindruck [42, S. 10]. Man sollte stets
bemüht sein, es nicht zu übertreiben. Es ist ratsam, die geringst mögliche Linsenentfernung zum Erreichen des gewünschten Tiefeneindrucks zu wählen.
Dadurch lassen sich Kopfschmerzen oder unnötige Augenanstrengungen bei
den Zusehern vermeiden und die Gefahr, dass das Gehirn die Halbbilder nicht
mehr richtig Fusionieren kann, sinkt. Denn ist der Linsenabstand zu groß
gewählt, so kommt es beim Betrachter zu irritierenden Doppelbildern. Ist er
zu klein, so kann der Tiefeneindruck ausbleiben. Auf die hier beschriebenen
Themen wird in Kapitel 4 noch einmal näher eingegangen, wenn es speziell
um den Workflow bei stereoskopischen 3D Produktionen geht.
Der gravierendste Unterschied zwischen natürlichem und stereoskopischem Sehen ist der, dass der Mensch bei Stereobildern nicht wie in der
realen Welt beliebig auf die verschiedenen Objekte in einer Szene fokussieren
kann. Beim Betrachten eines Stereobildes werden die Augen dazu gebracht
zu konvergieren, als ob sich die einzelnen Elemente tatsächlich in verschiedenen Distanzen befinden, der Fokus muss dabei jedoch jederzeit auf die
Bildebene gerichtet bleiben. Im Abschnitt 2.1.1 wurde darauf hingewiesen,
dass Konvergenz und Akkomodation miteinander gekoppelt sind und von der
Augenmuskulatur automatisch angepasst werden. Deshalb kann es passieren,
dass ungeübte Personen beim Betrachten von stereoskopischen Bildern den
Fokuspunkt auf das Objekt vor oder hinter der Bildebene verschieben. Dieses Verhalten führt jedoch dazu, dass das Bild unscharf wahrgenommen und
der Tiefeneindruck vermindert wird und sollte deshalb vermieden werden.
Mit ein wenig Übung kann dieser Vorgang jedoch erlernt und automatisiert
werden.
Stereoskopie
10
Abbildung 3.2: Die Räumlichkeit der stereoskopischen Halbbilder entsteht beim Kreuz- (links) oder Parallelblick (rechts) durch die besondere
Augenstellung.
3.3 Verschiedene Wiedergabeverfahren
Um den gewünschten Tiefeneffekt in Stereobildern sichtbar zu machen, gibt
es verschiedenste Wiedergabeverfahren. Das grundlegende Prinzip haben
jedoch alle gemeinsam. Es muss dafür gesorgt werden, dass die stereoskopischen Halbbilder den Augen der Betrachter getrennt voneinander zugeführt
werden. Dieses Problem wird bei den einzelnen Verfahren auf unterschiedliche Art und Weise gelöst. Im Allgemeinen unterscheidet man dabei zwischen
Darstellungen, die stereoskopisches Sehen entweder mit oder ohne weitere
Hilfsmittel für das Publikum ermöglichen.
3.3.1
Autostereoskopische Displays
Autostereoskopische Verfahren ermöglichen es dem Betrachter, den Tiefeneindruck von 3D Bildern oder Filmen auch ohne zur Hilfenahme einer speziellen Brille wahrzunehmen.
In diese Kategorie fallen zum Beispiel Bilder, die mit dem Kreuz- oder Parallelblick betrachtet werden können. Dabei müssen die einzelnen Halbbilder
nach der Aufnahme nicht weiter ver- oder bearbeitet, sondern einfach nebeneinander abgebildet werden – beim Parallelblick das linke neben dem rechten
und beim Kreuzblick das rechte neben dem linken Halbbild. Der Betrachter
kann den 3D Effekt mit einer bestimmten Blicktechnik wahrnehmen. Dabei
muss er durch die Stellung der Augen selbst dafür sorgen, dass jedes Auge sich
nur auf das dafür vorgesehene Bild konzentriert (siehe Abbildung 3.2). Das ist
oft nur schwierig zu erlernen und wird durch die unnatürliche Augenposition
auf Dauer sehr anstrengend und unangenehm. Aus diesem Grund werden auf
Stereoskopie
11
le & right images ver
cally interlaced
TFT panel
prism mask
1 pixel
Abbildung 3.3: Illustration der Funktionsweise eines autostereoskopischen
Displays mit einem Linsenraster. Quelle: www.seereal.com
diese Art meist nur einzelne Bilder und keine Filme betrachtet. Eine Anleitung und einige Tricks wie diese Blicktechniken erlernt werden können, ist
unter [6] zu finden.
Auch die Vielzahl an verschiedenen autostereoskopischen Displays, die
für den Menschen dreidimensional wirkende Bilder erzeugen können, fällt
unter diese Kategorie. Dabei übernimmt das Ausgabegerät die Aufgabe, dass
jedes Halbbild nur für das entsprechende Auge sichtbar ist. Das geschieht mit
Hilfe von so genannten Linsen- oder Streifenrastern, die für die Aufteilung
der simultan abgebildeten Halbbilder sorgen. Eine vereinfachte Darstellung
des Prinzips nach dem diese Displays arbeiten, ist in Abbildung 3.3 zu sehen.
Die Anzahl der möglichen Zuschauer und deren Position sind bei autostereoskopischen Displays momentan noch sehr eingeschränkt. Es gibt jedoch viele
Firmen, die auf diesem Gebiet forschen und die Entwicklung dadurch stets
vorantreiben. Vor allem aufgrund des teuren Anschaffungspreises und der
noch geringen Menge an 3D Content außerhalb des Kinos, hat es diese Technologie noch nicht bis in die heimischen Wohnzimmer geschafft. Aus diesem
Grund muss zum Betrachten von stereoskopischen Filmen heute meist noch
auf gewisse Hilfsmittel zurückgegriffen werden.
Allein das Thema autostereoskopische Displays würde schon genug Stoff für
eine Masterarbeit bieten. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle nicht näher
auf die einzelne Modelle oder die verschiedenen Ansätze eingegangen. Wer
Stereoskopie
12
sich intensiver damit auseinandersetzen möchte, der findet in [15], [35] und
[36] mehr darüber.
3.3.2
Brillengebundene Verfahren
Da der Wunsch nach stereoskopischen Bewegtbildern schon aufkam lange
bevor es den Gedanken an autostereoskopische Monitore überhaupt gab,
mussten in der Vergangenheit andere Möglichkeiten gefunden werden, um
nicht nur stereoskopische Bilder, sondern auch Filme, für den Zuseher so
angenehm wie möglich präsentieren zu können. Es wurden mehrere Techniken mit verschiedenen zugehörigen Apparaturen entwickelt, bei denen die
Bilder nicht nebeneinander, sondern übereinander abgebildet werden konnten. Die, für die menschlichen Augen notwendige Trennung der Halbbilder,
wurde und wird auch heute noch meistens durch 3D Brillen erreicht. Je nach
Präsentationstechnik handelt es sich dabei um aktive oder passive Brillen. Die
genaue Beschreibung der vielen einzelnen Darstellungsmethoden würde den
Rahmen dieser Arbeit sprengen., deshalb wird an dieser Stelle nur je ein Verfahren näher beschrieben Es sei jedoch erwähnt, dass all die verschiedenen
Betrachtungstechniken den Regeln und Grundlagen der Stereoskopie unterliegen und in der Produktion die spätere Präsentationsmethode kaum eine
Rolle spielt. Der Unterschied liegt allein in der Präsentation des Materials und
der dazugehörigen Sehhilfe.
Eine Präsentationstechnik bei der passive Brillen zum Einsatz kommen ist
das Anaglyphenverfahren. Dabei werden die beiden Teilbilder vor der Projektion mit Hilfe von Farbfiltern in Komplementärfarben gefärbt und danach
überlagert (siehe Abbildung 3.4). Die gängigste Farbkombination ist Rot/
Cyan. Dem Bild für das rechte Auge werden die grünen und blauen Farbanteile und dem Bild für das linke Auge die roten Farbanteile entfernt. Das
führt dazu, dass bei Betrachtung der überlagerten Halbbilder mit einer Rot/
Cyan Brille, diese wieder getrennt werden und somit das rechte Auge nur das
rote und das linke Auge nur das cyan Bild zu sehen bekommt. Abbildung 3.5
veranschaulicht das Prinzip des Anaglyphenverfahrens.
Ein großer Vorteil der Anaglyphendarstellung ist die kostengünstige und
einfache Präsentation der Bilder oder Videos. Sie können mit nur einem einzigen Projektor oder auf handelsüblichen Monitoren und TV Geräten dargestellt
Abbildung 3.4: Beim Anaglyphenverfahren werden die beiden Halbbilder
in jeweils einer von zwei Komplementärfarben dargestellt und überlagert.
Stereoskopie
13
Abbildung 3.5: Prinzip der Trennung der beiden überlagerten Teilbilder, bei
Betrachtung mit einer Rot/Cyan Brille.
werden. Sogar Ausdrucke auf Papier sind mit dieser Technik möglich. Außer
den besonders leichtgewichtigen und billig zu produzierenden Farbbrillen,
sind keine weiteren Utensilien notwendig. Was man bei der Entscheidung
für das Anaglyphenverfahren jedoch immer bedenken muss ist, dass der
natürliche Farbeindruck der Aufnahmen bei der Wiedergabe verloren geht.
Weiters kann es dabei auch bei noch so exakter Arbeit immer zu gewissen
Fehlern kommen, die eine problemlose Fusion der beiden Halbbilder im
Gehirn verhindern oder erschweren und so die Qualität des Tiefeneindrucks
beeinträchtigen.
Ein Vertreter für aktive Bildtrennung ist das Shutterverfahren. Die dafür
verwendeten Brillen haben die Aufgabe die stereoskopischen Halbbilder gezielt
nur dem jeweiligen Auge zuzuführen. Sie sind meist batteriebetrieben und mit
zwei LCD-Gläsern, die einzeln abgedunkelt werden können, ausgestattet.
Bei dieser Technik werden die Halbbilder für das linke und rechte Auge
in einer hohen Frequenz abwechselnd von einem Projektor auf die Leinwand
projiziert. Die einzelnen Shutter-Brillen sind mit diesem Projektor über eine
Schnittstelle (meist durch Infrarotsignale) synchron geschalten. So wird
erreicht, dass ein LCD-Glas der Brille genau dann abgedunkelt wird, wenn
auf der Leinwand das Bild für das andere Auge zu sehen ist (siehe Abbildung
3.6). Dies geschieht durch Flüssigkeitskristalle in den Brillengläsern, die
durch elektronische Signale im Takt des Projektorbildes entweder transparent
Stereoskopie
14
le eye
im
age
right ey
e im
age
Abbildung 3.6: Prinzip der Trennung der beiden stereoskopischen Halbbilder Teilbilder, bei Betrachtung mit einer Shutter-Brille.
oder lichtundurchlässig gemacht werden. Dieses Hin- und Herschalten muss
so schnell passieren, dass das Gehirn des Betrachters die beiden Ansichten
nicht mehr getrennt wahrnimmt. Nur so entsteht durch die perspektivischen
Unterschiede in den einzelnen Halbbildern der gewünschte dreidimensionale Eindruck. Die empfohlene Bildwiederholungsrate des Projektors oder
Monitors beträgt mindestens 100Hz [4, S. 22]. 100Hz bedeuten, dass das Bild
100 Mal in der Sekunde neu aufgebaut wird. Da beim Shutterverfahren ein
Bild jedoch aus zwei nacheinander abgespielten Halbbildern besteht, halbiert
sich diese Wiederholfrequenz für jedes Auge auf 50 Hz. Je höher die Bildwiederholungsrate ist, umso weniger Anstrengung bedeutet das für die Augen
des Betrachters. Eine Frequenz von 120 bis 160Hz wäre für die Wiedergabe
eines Stereofilms und die Sicherstellung einer flackerfreien Wiedergabe somit
besser.
Die Vorteile dieser Technik sind, dass dabei keine spezielle Leinwand benötigt wird und die Betrachter in ihren Kopfbewegungen nicht eingeschränkt
sind. Denn auch das Drehen des Kopfes in verschiedene Richtungen beeinflusst den 3D Effekt nicht und führt zu keinen störenden Ghosting-Effekten.
Ein großer Nachteil ist jedoch, dass nicht nur die Projektoren mit einer solch
hohen Bildwiederholfrequenz, sondern auch die dazugehörigen Brillen relativ
kostenintensiv sind. Anders als bei anderen Wiedergabeverfahren, müssen die
Shutter-Brillen aufgrund des hohen Anschaffungspreises wiederverwendet
und nach jedem Einsatz gewartet und gereinigt werden. Diese Zusatzkosten
sind nicht zu verachten und sollten bei der Überlegung, ein Kino mit einem
solchen System auszustatten, auf jeden Fall berücksichtigt werden.
3.4 Voraussetzung für die Fusion der Halbbilder
Damit die Fusionierung zweier Halbbilder funktioniert, dürfen sie keine merkbaren Unterschiede in den Horizontallagen und vor allem keine gegenseitigen
Stereoskopie
15
Abbildung 3.7: Fehlersuchbild – mit Hilfe des Kreuz- oder Stereoblicks lassen sich die 6 Fehler besonders schnell entdecken.
Rotationen aufweisen. Ist das doch der Fall, so kann es zur Entstehung von
Doppelbildern kommen. Doppelbilder können auch entstehen, wenn einzelne
Bildelemente außerhalb der maximal wahrnehmbaren Tiefe liegen. Weiters
muss der Bildinhalt der beiden Halbbilder weitgehend identisch sein, sonst
kann es zu einem Wettstreit der Sehfelder kommen. Diesen beschreibt Otto
Vierling wie folgt [43, S. 44]:
„Sind einzelne Bildelemente der beiden Halbbilder, die fusioniert
werden sollen, oder die Halbbilder in ihrer Gesamtheit hinsichtlich
Form, Farbe oder Flächenstruktur wesentlich verschieden, dann
tritt anstelle der Fusionierung oft eine Überlagerung der beiden
Bildeindrücke, aber sehr häufig auch ein hin und her wechselnder
Wettstreit der Eindrücke in den beiden Augen auf, der so genannte
Wettstreit der Sehfelder, wobei abwechselnd der eine und dann wieder der andere Bildeindruck vorherrscht.“
Dieses Phänomen verdeutlicht Vierling anhand eines besonders eindrucksvollen und gleichzeitig einfachen Beispiels. Jeder kennt die beliebten Fehlersuchbilder aus diversen Zeitungen und Magazinen (siehe Abbildung 3.7).
Oft ist es dabei ganz schön knifflig alle Fehler zu entdecken. Hier kann man
sich jedoch eines einfachen Tricks bedienen. Versucht man die beiden Bilder
mittels Kreuz- oder Parallelblick zu betrachten, so fusioniert das Gehirn sie
zu einem einzelnen Bild. Die jeweiligen Unterschiede lösen beim Betrachter
den so genannten Wettstreit der Sehfelder aus. Die Bildinhalte, die sich nicht
in beiden, sondern nur in einem der beiden Bilder befinden machen den
Anschein, als würden sie flackern und lassen sich dadurch leicht erkennen.
Stereoskopie
16
Ein weiteres Problem, das beim Betrachten von Stereobildpaaren auftreten
und das Seherlebnis mindern kann, ist der pseudoskopische Eindruck [26, S.
257]. Dieser tritt auf, wenn die beiden Halbbilder vertauscht wurden, sodass
das linke Auge, das Bild des rechten Auges sieht und umgekehrt. Bei der
Betrachtung entsteht zwar ein Tiefeneindruck, dieser weist jedoch eine umgekehrte Tiefenfolge auf. Dieser Fehler ist für den Betrachter sehr irritierend.
Deshalb sollte immer doppelt kontrolliert werden, ob die Positionierung der
Halbbilder auch korrekt ist.
Die bisher beschriebenen Probleme und Fehlerquellen können bei allen
stereoskopischen Wiedergabeverfahren auftreten. Es gibt jedoch auch Probleme, die speziell das Anaglyphenverfahren betreffen. Dazu gehört der
Farbwettstreit oder die Farbenmischung [43, S. 45]. Dieses Problem tritt beim
Betrachten von Anaglyphenbildern auf – jedoch nur bei einigen Personen
und dabei in jeweils unterschiedlicher Intensität. Darunter versteht man die
Tatsache, dass das Gehirn das Anaglyphenbild nicht richtig fusionieren kann,
sondern abwechselnd entweder mehr zu Rot oder mehr zu Cyan tendiert. Ein
weiteres Manko der Anaglyphendarstellung sind die so genannten Geisterbilder. Diese entstehen, weil die Rotfilter der Rot-Cyan Brillen den Rotanteil
im Bild manchmal nicht vollständig filtern können und es so dazu kommt,
dass Teile des einen Halbbildes auch für das andere Auge sichtbar sind. Das
liegt auch daran, dass die Farbabstimmung von Brille und Wiedergabegerät
nicht immer 100%ig übereinstimmen können. Dieser Effekt wird auch Crosstalking genannt. Ein weiteres Problem stellen die beiden Filterfarben selbst
dar. Entsprechen ihnen Teile im Bild, so kann es an diesen Stellen zu ungewollten Fehlern und Störeffekten kommen. Auch wenn Anaglyphenbilder
einige Schwierigkeiten und Nachteile mit sich bringen, so darf man deren
Vorteile keineswegs aus den Augen verlieren. Mit keiner anderen Methode ist
es so einfach möglich, eigene stereoskopische Bilder oder Filme zu realisieren
und die Ergebnisse ohne große Zusatzkosten einer möglichst breiten Masse
zugänglich zu machen. Große Kinoproduktionen werden der Anaglyphentechnik mit Sicherheit keine großen Vorteile mehr abgewinnen können und
diese Technik heute auch hoffentlich nicht mehr für die Präsentation ihrer
teuren Produktionen auswählen. Dennoch ist die Anaglyphentechnik nicht
tot und vor allem für kleinere Projekte mit Sicherheit eine gute Wahl. Aus
diesem Grund fiel die Wahl bei dem dazugehörigen Projekt zu dieser Arbeit
auch auf das Anaglyphenverfahren.
Doch bevor nun näher auf die genauen Arbeitsschritte und Möglichkeiten
einer Stereoproduktion eingegangen wird, soll im folgenden Kapitel kurz die
Geschichte und Entwicklung der Stereoskopie im Film erläutert werden.
Stereoskopie
17
3.5 Geschichte
3.5.1
Die Ursprünge der Stereoskopie
Schon seit jeher war es den Menschen ein Anliegen, ihre Umwelt mit Hilfe
von Bildern und Malereien abzubilden und dauerhaft festzuhalten. Die ältesten bekannten Beispiele reichen bis in die Steinzeit zurück. Mit den Jahren
wurden die Techniken immer weiter verfeinert und perfektioniert. Von den
ersten Höhlenmalereien, über die Bildhauerei, das Malen auf Leinwand, die
Fotografie bis hin zum Film verstrichen Jahrtausende. Auch wenn sich Informationen über die räumliche Lage von Objekten auch aus zweidimensionalen,
flachen Darstellungen herauslesen lassen (vgl. Kapitel 2), der Mensch war stets
bestrebt die Illusion der Realität noch glaubhafter wiedergeben zu können. So
ist überliefert, dass bereits in der Antike ein Wettstreit unter verschiedenen
Malern stattfand, in dem es darum ging, wer von ihnen mit ihren Malereien
die Sinne der Kollegen besser täuschen könne [3, S. 1].
Dass die Tatsache, dass der Mensch die Welt mit seinen zwei Augen betrachtet, für die Wahrnehmung eine besondere Bedeutung hat, war unter anderen
schon Euklid (ca. 300 v.Chr.) und Leonardo da Vinci (um 1500) bekannt. Beide
wunderten sich, warum wir aufgrund der leicht unterschiedlichen Blickwinkel
keine verschwommenen Doppelbilder, sondern ein einzelnes, scharfes Abbild
unserer Umgebung wahrnehmen können [42, S. 7]. Es dauerte jedoch bis zum
Jahr 1838, bis auf diese Fragestellung eine Antwort gegeben werden konnte.
Sir Charles Wheatstone war der erste, der den Zusammenhang zwischen
binokularer Disparität, Parallaxe und der menschlichen Tiefenwahrnehmung
erkannte und anhand einfacher Beispiele auch beweisen konnte. Durch sein
1838 veröffentlichtes Werk Contributions to the Physiology of Vision. Part I. On
some remarkable, and hitherto unobserved, Phenomena of Binocular Vision, gilt
er heute als Begründer der Stereoskopie. Darin schreibt er [46, S. 373]:
„ It being thus established that the mind perceives an object of three
dimensions by means of the two dissimilar pictures projected by it
on the two retinæ, the following question occurs: What would be
the visual effect of simultaneously presenting to each eye, instead
of the object itself, its projection on a plane surface as it appears to
that eye? To pursue this inquiry it is necessary that means should be
contrived to make the two pictures, which must necessarily occupy
different places, fall on similar parts of both retinæ.”
Es war auch Wheatstone, der die erste Apparatur zur Betrachtung von stereoskopischen Zeichnungen und Malereien entwickelte – das Wheatston’sche
Spiegel-Stereosksop. Dessen prinzipielle Funktionsweise ist in Abbildung 3.8
Stereoskopie
18
mirrors
picture 1
picture 2
le eye
right eye
Abbildung 3.8: Illustration und Funktionsweise des von Charles Wheatstone
entwickelten Stereoskops [46].
zu sehen. Mit der Erfindung der Fotografie und vor allem durch Entwicklung
des Negativ-Positivverfahrens durch William Henry Fox Talbot um 1840
wurden die handgemalten Zeichnungen durch Fotografien ersetzt. Dank der
zunehmenden Verbreitung der Fotografie, waren Stereoskope bald in den
meisten Wohnzimmern zu finden. Als Begründer der Stereofotografie gilt
Sir David Brewster. Er entwickelte 1849 eine zweiäugige Kamera und das
so genannte Linsenstereoskop – eine Apparatur, die weitaus handlicher und
kompakter als Wheatstones Stereoskop war [26, S. 26].
Mit der Zeit wurden viele weitere Apparaturen zur Herstellung und Betrachtung von stereoskopischen Bildern entwickelt. Da dieses Themengebiet jedoch
keinen essentiellen Teil dieser Arbeit ausmacht und schon in einigen anderen
Werken sehr detailliert und gelungen beschrieben wurde, wird an dieser Stelle
nicht genauer darauf eingegangen. Wer sich genauer über die Geschichte und
Theorie der Stereoskopie in der Fotografie informieren möchte, wird in [21,
[26] oder [30] fündig.
3.5.2
Stereoskopie im Film – Ein historischer Rückblick
Die Informationen zu diesem Kapitel stammen, so fern nicht anders angegeben
zum größten Teil aus den beiden Werken 3-D Movies: A History and Filmo-
Stereoskopie
19
graphy of Stereoscopic Cinema von Robert Michael Hayes [9] und Stereoscopic
Cinema and the Origins of 3-D Film, 1838–1952 von Ray Zone [12].
Die Geschichte des stereoskopischen Films weist viele Höhen und Tiefen auf und reicht bis in das Jahr 1903 zurück. Die Auseinandersetzung mit
dem Thema Stereoskopie an sich hat natürlich schon viel früher begonnen.
Doch L‘arrivée d’un train von den Brüdern Auguste und Louis Lumière gilt
offiziell als der erste stereoskopische Kurzfilm. Dieser wurde im Jahr 1903 bei
der Weltausstellung in Paris in einer 2D und einer 3D Version erstmals der
Öffentlichkeit präsentiert. Er bestand aus genau einer Szene, die einen Zug
zeigte, der auf die Kamera bzw. auf das Publikum zufährt. Zur Präsentation
der Stereo-Version wurde damals ein umgebautes Stereoskop3 verwendet, das
eigentlich zum Betrachten von Stereobildern gebaut wurde. Deshalb konnte
der Film jeweils nur von einem einzigen Zuschauer betrachtet werden [10].
Aus den darauf folgenden zwölf Jahren sind heute keine weiteren stereoskopischen Filme mehr erhalten. Die nächste bekannte Veröffentlichung fand
im Juni 1915 statt. Die New Yorker Famous Players Film Company, die später
als Paramount Pictures Company bekannt wurde, veröffentlichte mit den drei
One-Reelern4 Niagara Falls, Rural America und Jim the Penman die ersten
amerikanischen Stereoproduktionen. Hinter der Kamera standen William E.
Waddell und Edwin S. Porter, der manchen vielleicht als Director von The
Great Train Robbery ein Begriff ist. Gefilmt wurde mit einer speziellen DualFilmkamera. Zur Präsentation diente schon damals das Anaglyphenverfahren,
wobei zur Farbkodierung der beiden Kameraperspektiven die Farben Rot und
Grün gewählt wurden. Es war die erste Vorstellung, bei der das Publikum,
den heutigen Anaglyphenbrillen ähnliche, Apparaturen zum Betrachten der
Stereofilme getragen hat.
Der erste abendfüllende Stereofilm, der einem zahlenden Publikum präsentiert wurde, war The Power of Love. Bei der Premiere im September 1922
wurde wieder das Anaglyphenverfahren eingesetzt. Ob dabei eingefärbtes
Filmmaterial oder Farbfilter an den Projektoren zum Einsatz kamen, ist nicht
bekannt. Fest steht, dass es der erste dokumentierte Einsatz der Dual-Strip
Projektion war [7, S. xii]. Die wirkliche Besonderheit an dieser Vorstellung war
allerdings, dass das Publikum dabei zwischen zwei verschiedenen Schlussszenen auswählen konnte. Es hatte die Möglichkeit sich das Ende entweder durch
die rote oder die grüne Linse der 3D Brille anzuschauen – der 3D Eindruck
ging in dieser Szene jedoch verloren. [25].
Im Jahr 1935 entwickelte Edwin Land das so genannten Polarisationsverfahren, womit es erstmals möglich war, Stereofilme auch in Farbe zu präsentieren. Die Filmspuren für das rechte und linke Auge wurden dabei von
zwei synchron geschalteten Projektoren abgespielt, die zusätzlich, so wie die
3 Eine von Sir Charles Wheatstone 1838 entwickelte Apparatur zum Betrachten von Stereobildern.
4 „Reel“ ist die Bezeichnung für eine Rolle Film.
Stereoskopie
20
Abbildung 3.9: Das Filmplakat von Bwana Devil und ein Bild des begeisterten Publikums bei der Premierenvorstellung. © J. R. Eyerman
dazugehörigen 3D Brillen, mit je einem Polarisationsfilter5 ausgestattet waren.
Diese Filter standen senkrecht zueinander – d.h. sie waren gegenseitig um
90 Grad verdreht. Dadurch wurde erreicht, dass jedes Auge nur das dafür
bestimmte stereoskopische Halbbild zu sehen bekam und das jeweils andere
gesperrt blieb. Lands Demonstration seiner neuen Technik stieß in Hollywood auf kein großes Interesse. Zunächst wurden damit keine weiteren Filme
realisiert.
Bis Anfang der 50er Jahre wurden zwar ständig kleinere stereoskopische
Filme produziert, große Blockbuster und das Interesse der breiten Masse oder
der Filmschmieden Hollywoods blieben jedoch aus. Grund dafür war zum
einen die Weltwirtschaftskrise, die im Oktober 1929 mit dem „Black Friday“
ihren Anfang hatte, und der zweite Weltkrieg, aber auch die Tatsache, dass
das Anaglyphenverfahren und die Präsentationstechniken noch nicht richtig
ausgereift waren und es aufgrund schlechter Synchronisation der Projektoren
bei den Zusehern oft zu Kopfschmerzen und Unbehagen kam.
Das Desinteresse Hollywoods änderte sich schlagartig, als im Dezember
1952 mit Bwana Devil der erste vertonte Farb-Stereofilm in die amerikanischen
Kinos kam. Damit wurde das Goldene Zeitalter der Stereoskopie eingeleitet.
Das Kino hatte in den Jahren zuvor an Attraktivität verloren und die Kassen
blieben aufgrund der immer stärker werdenden Verbreitung des Fernsehens
zunehmend leerer. Im Vergleich zu 1950, als nur 9% der Amerikaner ein TV
Gerät besaßen, waren es 10 Jahre später schon 87,1%.6 Die Filmindustrie war
deshalb verzweifelt auf der Suche nach etwas Neuem, das die Leute wieder
in die Kinos locken würde. Da kam Hollywood der überraschende Erfolg
von Bwana Devil, der obwohl es nicht den Tatsachen entsprach, als der erste
5 Polarisationsfilter lassen das Licht nur in einer Wellenrichtung durch. Legt man zwei Filter, die
gegenseitig um 90 Grad verdreht sind, übereinander, so ist es nicht mehr möglich hindurchzusehen.
6 http://www.tvb.org/rcentral/mediatrendstrack/tvbasics/02_TVHouseholds.asp
Stereoskopie
21
stereoskopische Featurefilm beworben wurde (siehe Abbildung 3.9) und
innerhalb weniger Wochen seine Produktionskosten wieder eingespielt hatte,
natürlich gerade recht. Jeder wollte ein Stück vom Kuchen abhaben und so
begannen etliche Studios innerhalb kürzester Zeit mit ihren eigenen Stereoproduktionen. Das zuvor jahrelang ignorierte Polfilter-Verfahren war plötzlich nicht mehr wegzudenken und Stereoproduktionen schossen wie Pilze
aus dem Boden. In den Jahren von 1952 bis 1955 wurden über 50 Stereofilme
produziert. Darunter Filme wie House of Wax, Man In The Dark, Robot Monster, Creature from the Black Lagoon, I came from Outer Space und viele mehr.
So schnell der Boom begonnen hatte, so schnell ebbte die 3D Welle jedoch
auch wieder ab. In vielen Berichten, Artikeln und Büchern wird geschrieben,
dass das Interesse der Zuseher an 3D Filmen mit der Zeit abnahm und Filmvorführungen in dem damals neuartigen Cinemascope Format bevorzugt
wurden. Begründet wird das damit, dass zum einen der Besonderheitsfaktor
von Stereoproduktionen nach einigen Jahren stark abgenommen hatte und
das Publikum wieder mehr Wert auf ein ungetrübtes Filmvergnügen ohne
schmerzende Augen oder unsynchrone Bilder legte. Denn auch in den 50er
Jahren waren schlecht synchronisiertes Filmmaterial und ungleich laufende
Projektoren keine Seltenheit. Als Hauptgrund für das Scheitern wird immer
wieder die Qualität der Filme selbst genannt. Wie zuvor erwähnt, wollte nach
der Veröffentlichung von Bwana Devil jedes Filmstudio so schnell wie möglich seine eigene Produktion im Stereoformat auf den Markt bringen. Dabei
war vor allem der möglichst intensive Einsatz des 3D Effekts wichtig und auf
den Inhalt oder die Qualität der schauspielerischen Leistung selbst wurde des
Öfteren vergessen. Hayes erklärt in seinem Werk jedoch, dass es sich dabei
um Schilderungen handelt, die schlicht und einfach nicht den Tatsachen entsprechen, sondern von den Medien immer wieder aufgegriffen und weiterverbreitet wurden und so mit der Zeit fälschlicherweise einen fixen Platz in der
Geschichte des Stereofilms eingenommen haben. Er schreibt hierzu [9, S. 51]:
„With the release of Lumber Jack Rabbit in 1954 the great 3-D ‘revolution’ of the fifties came to an end.... Yet, just why did it end? Hollywood myth, perpetuated to this day by literally every so-called film
historian, has it that the poor quality of the films themselves was the
main fault... Yet this is just another case of false history... The actual
reason 3-D filmmaking ceased is a great deal more complex and
ultimately lies at the root of all evil: greed.“
Geldgier deshalb, weil die Studios die Mehrkosten einer StereofilmVorführung auf die Kinos abwälzen wollten und umgekehrt die Kinos – vor
allem die kleineren – nicht bereit oder in der Lage waren, diese Kosten zu
tragen. Nachdem Hollywood und die einzelnen Filmstudios nicht wirklich
auf die Kinobetreiber zugegangen sind und zu keinem Kompromiss bereit
Stereoskopie
22
Abbildung 3.10: Stills aus dem IMAX 3D Filme The Universe – We are Born
of Stars. © Fujitsu/Dentsu/ToyoLinks/IMAX
waren, entschieden sich viele dazu, den, zur Präsentation von Stereofilmen
notwendigen Umbau nicht vorzunehmen und stattdessen auf die Vorführung von Farb- oder Tonfilmen im damals neuartigen Widescreen Format
zu setzen. Aufgrund der mangelnden Anzahl an Präsentationsmöglichkeiten,
verlor Hollywood bald wieder das Interesse daran, 3D Filme zu produzieren.
Nur sehr sporadisch fanden doch noch einige den Weg in die Öffentlichkeit.
Einer der wenigen erfolgreichen Stereofilme zwischen 1960 und 1980 war der
Softporno Stewardesses aus dem Jahr 1969. Dieser kostete in der Produktion
lediglich 100.000 Dollar und erzielte allein in Nordamerika Einnahmen von
über 27 Millionen Dollar.7 Zu dieser Zeit war der Stereofilm hauptsächlich
in den Genres Horror, Soft- bzw. Hardcore Porno oder einer Kombination
aus beiden zu finden. Bestes Beispiel dafür ist Paul Morrisey’s Andy Warhol’s
Frankenstein aus dem Jahr 1974.
Einen zweiten Aufwind erlebte der stereoskopische Film in den 80er
Jahren, beinahe 30 Jahre nach der ersten 3D Blütezeit. Auslöser war der
dritte Teil der Horror-Saga Friday the 13th, der 1982 in der 3D Version in
den Kinos anlief und einen unerwartet großen Erfolg hatte. Dieser erzielte
im Vergleich zu seinem Vorgänger doppelt so hohe Einnahmen. Weitere gut
besuchte Schocker wie Jaws 3D, Amityville 3D oder Rottweiler folgten. In den
80er Jahren wurden Stereofilme jedoch nicht mehr nur auf Horror oder Porno
Szenarien beschränkt. Im Jahr 1985 hatte der erste IMAX 3D Film mit dem
Titel The Universe – We are Born of Stars auf der Expo in Tsukuba (Japan) im
Fujitsu Pavillon seine Premiere8. Um sich eine Vorstellung davon machen zu
können, sind zwei Bildausschnitte daraus in Abbildung 3.10 zu sehen. Viele
weitere IMAX Dokumentationen im Stereoformat folgten. Auch in diversen
Vergnügungsparks fanden Stereoproduktion als so genannte Thrill Rides oder
4D Adventure ihren Einzug. Bewegte Sitze, Wasserspritzer, Wind der dem
7 http://en.allexperts.com/e/t/th/the_stewardesses.htm
8 http://www.bigmoviezone.com/filmsearch/movies/index.html?uniq=124
Stereoskopie
80
23
3D movie releases 1910 - 2010
70
60
50
40
30
20
10
0
1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000
Abbildung 3.11: Anzahl an Stereoproduktionen seit 1910 [32, S. 9].
Publikum ins Gesicht weht, usw. verstärkten das Filmerlebnis. Die Geschichte
wiederholte sich jedoch schon bald ein weiteres Mal. Wieder war es zu einem
großen Teil den Filmstudios und -verleihern zuzuschreiben, dass der Boom
ein jähes Ende nahm. Die Folge war, dass Stereofilme größtenteils in Vergessenheit gerieten und bis vor einigen Jahren nur in Spezialkinos (z.B. IMAX),
Vergnügungsparks oder zu besonderen Veranstaltungen gezeigt wurden.
Zwischen 1983 und 2003 veröffentlichte Hollywood keinen einzigen großen
3D Featurefilm [14].
In diesem Kapitel wurde ein Überblick über die Geschichte der Stereoskopie im Film gegeben. Abbildung 3.11 soll abschließend noch einen Überblick
über die Höhen und Tiefen der Stereoproduktionen im Verlauf der Zeit geben
[32, S. 9].
3.5.3
Stereoskopie im Animationsfilm
Über die Geschichte der Stereoskopie speziell im Animationsfilm wurde leider
nur sehr wenig überliefert. Gesammelte Informationen darüber und vor allem
Filmbeispiele aus der damaligen Zeit sind heute kaum noch zu finden. Oft
sind die Filmrollen über die Jahre verloren gegangen oder aufgrund falscher
Lagerung, Abnutzung oder mangelnder Sorgfalt bei der Verwendung zerstört
worden. Viele der ersten 3D Cartoons sind, falls überhaupt, nur noch in der
2D Version vorhanden. Der Grund dafür ist, dass die Filmspuren für das linke
und rechte Auge des Öfteren versehentlich voneinander getrennt wurden
und eine von beiden irgendwann nicht mehr auffindbar war. In diesem Fall
Stereoskopie
24
ist der Stereo-Effekt verloren und nicht mehr reproduzierbar. Heute sind nur
noch äußerst wenige gut erhaltene Exemplare aus der Anfangszeit des stereoskopischen Animationsfilms vorhanden. Diese werden in diversen Archiven
gelagert und nur äußerst selten auf speziellen Film Festivals, wie zum Beispiel der, vom 3-D Film Preservation Fund veranstalteten, 3-D Film Expo9, der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf Videokassette oder DVD sind diese
beeindruckenden Filmbeispiele nicht zu bekommen.
Da, wie zuvor erwähnt, leider keine gesammelten Informationen speziell
über den stereoskopischen Animationsfilm und dessen Geschichte existieren,
basieren die Daten zu diesem Abschnitt auf sehr vielen unterschiedlichen
Quellen. Bei der Recherche ist aufgefallen, dass Informationen wie Erscheinungsjahr, Titel oder Director zwischen den einzelnen Quellen oft variieren
und manche Werke Mal als stereoskopisch aufscheinen und ein anderes Mal
nicht. Es wurde versucht für alle Fakten, die hier erwähnt werden, zumindest
zwei Quellen zu finden, um die Richtigkeit bis zu einem gewissen Maße garantieren zu können. Eine 100%ige Garantie kann natürlich nicht gewährleistet
werden, da dieses spezielle Thema leider zu wenig dokumentiert ist und vieles
nur durch mehrfache Überlieferungen bekannt ist.
Auch wenn Norman McLaren und Evelyn Lambart nicht die ersten waren,
die auf die Idee kamen, Stereoskopie auch im Animationsfilm einzusetzen
und Experimente damit veranstalteten, so waren sie dennoch die ersten, die
ihre 3D Cartoons auch veröffentlichten und einem großen Publikum präsentierten. Diese Aussage wird durch einen Absatz im, vom National Film Board
of Canada veröffentlichten, Bericht Technical Notes by Norman McLaren
(1933–1984) gefestigt. Darin sind von ihm selbst verfasste Notizen und technische Informationen zu vielen seiner Werke zusammenfasst. Im Abschnitt
über die stereoskopischen Arbeiten schreibt er, dass seines Wissens nach bis
zu dem Zeitpunkt, als er zusammen mit Evelyn Lambart mit der Produktion
von Around is Around startete, noch kein stereoskopischer Zeichentrickfilm
produziert wurde [31, S.87]. Heute ist jedoch bekannt, dass Künstler wie
Dwinell Grant10 (Composition #4, 1945), Hy Hirsch11 (Come Closer, 1951 und
Eneri, 1953) oder Harry Smith12 (Film #6, 1950) schon vorher stereoskopische
Animationen erstellten. Diesen wurde damals jedoch nicht besonders viel
Aufmerksamkeit zuteil und sie wurden nie der Öffentlichkeit präsentiert [9,
S.19].
McLaren und Lambart produzierten im Auftrag des National Film Board
of Canada für das Festival of Britain im Jahr 1951 die beiden stereoskopischen
Animationen Around is Around und Now Is the Time (To Put on Your Glasses). Dieses Festival dauerte vom 3. Mai bis zum 30. September und diente
als eine Präsentationsplattform für die britischen Errungenschaften in der
9
10
11
12
http://www.3dfilmpf.org/
http://www.iotacenter.org/visualmusic/articles/moritz/moritz_nonobjective
http://www.iotacenter.org/visualmusic/articles/moritz/hirshbio
http://www.harrysmitharchives.com/1_bio/index.html
Stereoskopie
25
Abbildung 3.12: Standbilder eines rechten und linken Halbbildes aus dem
3D Animationsfilm Around is Around. © Norman McLaren
Wissenschaft und der Kunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts [14,
S.176]. Speziell dafür wurden insgesamt vier 3D Produktionen realisiert. Um
eine gewisse Vielfalt zu bieten und eine Abgrenzung zu den beiden britischen
Real-Stereofilmen (Royal River, A Solid Explanation) zu gewährleisten, wurden von den Amerikanern extra zwei 3D Cartoons angefordert. Diese kamen
bei den Vorstellungen besonders gut an und erzielten beim Publikum den
meisten Applaus [45]. Für die Produktion von Around is Around erstellten die
beiden zunächst etliche Fotografien von so genannten Oszillogrammen13. Um
in den Animation den gewünschten Stereo-Effekt zu erzielen, wurden diese
Aufnahmen jeweils aus zwei leicht unterschiedlichen Perspektiven gemacht.
Die so entstandenen Bilder wurden dann per Hand auf die einzelnen Filmrollen gezeichnet und so animiert, dass sie sich zum Takt der Musik bewegten.
Bei Now Is the Time gingen die beiden ähnlich vor. Zuvor fotografierte Papier
Cut-Outs und gemalte Bilder wurden ebenfalls Frame für Frame direkt auf das
Filmband übertragen. Beide Filme wurden mit Stereo-Soundtracks unterlegt
[45]. Ein Stereobild aus Around is Around ist in Abbildung 3.12 zu sehen.
Ein weiterer Pionier des stereoskopischen Animationsfilms war der Deutsche Oskar Fischinger. Nach der Fertigstellung seines wahrscheinlich bekanntesten Films Motion Painting No. I14 im Jahr 1947, begann er, sich mit dem
Thema Stereoskopie und der Stereo-Malerei zu beschäftigen. In den folgenden
vier Jahren studierte er die menschliche Wahrnehmung sehr intensiv und entwarf etliche Ölgemälde, in denen er jeweils eine Ansicht für das linke und das
rechte Auge nebeneinander positionierte [14, S.174]. Mit dem Parallel- oder
Kreuzblick betrachtet, wurde der 3D Effekt in den Malereien sichtbar. Eine
13 Oszillogramme sind die Verlaufsgraphen eines Oszilloskopes. Ein Oszillopskop ist ein elektronisches Messgerät, dass Spannungen und deren zeitlichen Verlauf in einem zweidimensionalen
Koordinatensystem optisch darstellen kann.
14 Motion Painting No.I ist Oskar Fischingers bekanntestes Werk. Darin animierte er grafische Formen zu der Musik von Johann Sebastian Bachs Brandenburgischem Konzert Nr.3. Er malte die
Bilder dafür Frame für Frame mit Ölfarben auf eine Plexiglasscheibe und fotografierte diese ab.
Die Arbeit daran dauerte acht Monate und nahm neun Stunden täglich in Anspruch [http://www.
fh-wuerzburg.de/Petzke/oskar.html].
Stereoskopie
26
Abbildung 3.13: Eines von Oskar Fischingers vielen Stereo-Gemälden. ©
Oskar Fischinger (http://www.oskarfischinger.org)
davon ist in Abbildung 3.13 zu sehen. Nach dieser „Einarbeitungszeit“ fühlte
er sich bereit, Stereo-Effekte auch in einem seiner Filme zum Einsatz zu bringen. Er begann mit der Produktion von Stereo Film. William Moritz, der Autor
von Fischingers Biografie schreibt über dessen Arbeitsweise [14, S.175]:
„The technique is basically that of ‚Motion Painting I‘­, except that
Fischinger had built a special apparatus to accommodate two sideby-side paintings, and by now he could freely paint from his head
3-D images – this square would sit here and this here – for he had
completely mastered mathematics, the formulas, the calligraphy of
depth.“
William Moritz
Fischinger erstellte zunächst nur eine 30-sekündige Demo, mit der er sich
auf die Suche nach potenziellen Geldgebern für sein Projekt machen wollte.
Trotz des durchaus beeindruckenden Ergebnisses, blieb die Suche erfolglos.
Der Film wurde nie fertig gestellt und damals nicht öffentlich präsentiert [33,
S.135].
Auch die großen Animations-Studios experimentierten in den 50er Jahren mit Stereoanimationen und veröffentlichten eine Handvoll 3D Cartoons.
Darunter waren zum Beispiel Lumberjack Rabbit (1953) von den Warner
Bros. Pictures, Popeye – The Ace of Space (1953) und Boo Moon (1954) der
Famous Studios, Woody Woodpecker – Hypnotic Hick (1954) von Walter Lantz
Productions und einige mehr15. Die Walt Disney Studios veröffentlichten im
15 http://www.wittkowsky.net/3d-film/docu.htm
Stereoskopie
27
Abbildung 3.14: Die Filmplakate von Disneys ersten beiden 3D Zeichentrickfilmen Melody und Working for Peanuts. © Walt Disney Studios
Jahr 1953 mit Adventures in Music:Melody (Mai.1953) und dem Donald Duck
Film Working for Peanuts (November 1953) ihren ersten beiden 3D Animationen16. Die dazugehörigen Filmplakate sind in Abbildung 3.14 zu sehen. Die
hier erwähnten Trickfilme der größeren Filmstudios wurden, im Gegensatz zu
den Kurzfilmen von McLaren und Fischinger, nicht direkt auf das Filmband
gezeichnet, sondern mittels der so genannten Cel-Animation erstellt. Dabei
wurden die einzelnen Frames in Vor-, Mittel- und Hintergrund aufgeteilt und,
auf mehrere Layer verteilt, auf durchsichtige Folien gezeichnet. Der große
Vorteil dabei war, dass dadurch nicht jedes einzelne Element in jeden Frame
neu gezeichnet werden musste. Layer mit statischen Elementen konnten so
einfach über mehrere Frames eingesetzt werden. Die fertigen Ebenen wurden
übereinander gelegt und mit einer Kamera abfotografiert. Trotz der Arbeitserleichterung, die durch diese Technik erzielt werden konnte, wurden damals,
im Vergleich zu den stereoskopischen Realfilmen, eher wenige 3D Cartoons
produziert. Dabei handelte es sich außerdem meist um relativ kurze Filme,
die kaum länger als 10–12 Minuten waren. Ein Grund dafür war die Tatsache,
dass ein 3D Trickfilm, im Vergleich zum ohnehin schon erhöhten Aufwand
einer Stereoproduktion, noch eine Reihe weiterer Herausforderungen mit
sich brachte. Für die Produktion eines solchen Kurzfilms musste die Anzahl
der einzelnen Layer, auf die die verschiedenen Objekte eines Frames gemalt
wurden, erhöht werden. Denn dadurch hatte man beim späteren Abfotografieren mehr Spielraum und die Möglichkeit, die Elemente entsprechend der
Ansicht für das linke und rechte Auge leicht zu verschieben. Doch alleine dieser Arbeitsschritt war noch nicht ausreichend. Hätte man nur diese Technik
16 http://afilmla.blogspot.com/2008_07_01_archive.html
Stereoskopie
28
Abbildung 3.15: Stereo-Sequenzen von a) einem zufällig generiertem
Linien-Muster. b) eines animierten vierdimensionalen Hypercubes. c) einer
Strichmännchen Animation, die menschliche Bewegungen simuliert [34]. ©
A. Michael Noll
eingesetzt, so hätte die Szene zwar eine gewisse stereoskopische Tiefe aufgewiesen, die Objekte selbst, wären jedoch wie flache Pappfiguren, ohne jegliches
3D Volumen, im Bild gestanden (vgl. Cardboarding, Abschnitt 4.2.8). Deshalb
war es notwendig, dass der Animator zusätzlich einzelne Objekte oder Charaktere Frame für Frame perspektivisch korrekt malte – und zwar für jedes
Auge extra. Das erforderte nicht nur besonders talentierte und konzentrierte
Animatoren, sondern führte auch zu einem enorm erhöhten Arbeitsaufwand.
Mit der Erfindung des Computers und den rasanten Fortschritten und
Innovationen auf diesem Gebiet, wurde das händische Malen auf transparenter
Folie zunehmend durch den Einsatz digitaler Zeichenprogramme oder virtueller, animierbarer 3D Modelle abgelöst. Mitarbeiter der Bell Labs in New Jersey
waren in den 60er Jahren unter den ersten, die Forschungen auf diesem Gebiet
anstellten und Versuche starteten, animierte Filme digital am Computer zu
erstellen. Es war Michael A. Moll, der die wohl ersten, komplett am Computer
generierten, stereoskopischen Animationen realisierte. Im Jahr 1965 entstanden seine Werke Computer-Generated Ballet, Four-Dimensional Hyperobjects
und 4-D Hyper Movie17. Abbildung 3.15 zeigt einige grafischen Formen aus
diesen animierten Sequenzen. Es sind jeweils beide Stereohalbbilder zu sehen.
17 http://noll.uscannenberg.org/
Stereoskopie
29
Abbildung 3.16: Ausschnitte aus Pixars erstem stereoskopischen Animationsfilm Knickknack. © Pixar
Die ersten computergenerierten 3D Animationen, die kommerziell vermarktet und öffentlich präsentiert wurden, waren The Universe – We are Born
of Stars und Plan 3-D from Outer Space. Diese Kurzfilme wurden im Jahr 1985
speziell für den Fujitsu Pavillion auf der Science Expo in Tsukuba (Japan)
produziert [19, S.11] und [12, S.48]. Einige weitere, heute größtenteil unbekannte, Animationen folgten. Darunter zum Beispiel Starchaser: The Legend of
Orion, der einzige animierte Featurefilm aus der damaligen Zeit. Dieser wurde
von den Kritikern hoch gelobt und war sowohl inhaltlich als auch technisch
eine sehr gelungene Produktion. Dennoch bleibt der große Erfolg aus. Robert
Michael Hayes schreibt in seinem Buch 3-D Movies: A History and Filmography of Stereoscopic Cinema [9, S.111] darüber:
„This was actually a groundbreaking film but came too late in the
period to make any kind of box office showing, if for no other reason
than poor distribution.“
Mit dem jähen Ende des zweiten 3D Booms Anfang 1986, wurde auch
den stereoskopischen Trickfilmen und Animationen schon bald keine große
Aufmerksamkeit mehr zuteil. Die Kinobetreiber und das Publikum hatte den
Stereofilm schon bald wieder vergessen. Eine Animation, die an dieser Stelle
jedoch noch erwähnt werden soll, ist Knickknack (siehe Abbildung 3.16).
Dabei handelt es sich um die erste stereoskopische Produktion aus dem Hause
Pixar. Diese hatte 1988 auf der SIGGRAPH Animation Show Premiere18. 2003
wurde dieser Kurzfilm überarbeitet19, neu gerendert und bei den Kinovorstellungen von Findet Nemo (2003, in 2D) und The Nightmare before Christmas
(2006, in 3D) im Vorspann gezeigt.
18 http://www.collider.com/dvd/reviews/article.asp/aid/6010/tcid/3
19 Bei der Überarbeitung des Kurzfilms wurden die Brüste der Meerjungrau und der sonnenbadenden Schönheit verkleinert (http://www.pixartalk.com/shorts/knick-knack).
Stereoskopie
30
Abbildung 3.17: Filmplakate einiger der in den letzten Jahren im Kino veröffentlichten 3D Animationsfilme.
Während Trickfilme und Animationen in den 80er Jahren noch weitaus aufwändiger zu produzieren waren, als stereoskopische Realfilme, so ist das heute
eher umgekehrt. Mit der digitalen Filmtechnik und den immer komplexeren
3D Software-Tools, hat man am PC weitaus mehr Freiheiten und Möglichkeiten, als bei Realaufnahmen. Am Computer kann man alle Elemente einer
Szene und vor allem die einzelnen Kameras genau auf seine Wünsche und
Anforderungen anpassen. Auch in den Kamerabewegungen und dem Aufbau
des virtuellen Kamera-Rigs gibt es kaum Einschränkungen. Das ist der Grund
dafür, warum im momentan stattfindenden, neuerlichen „Stereo-Hype“, weitaus mehr Animationen als Realfilme veröffentlicht werden. Seit 2005 kamen
weit mehr als ein Dutzend 3D Animationen in die Kinos. Darunter Filme wie
Chicken Little, Bolt, Up, Monsters vs. Aliens, Ice Age: Dawn of the Dinosaurs,
Cloudy with a Chance of Meatballs, etc. (siehe Abbildung 3.17). Und es sieht
danach aus, als ob 3D Filme auch 2010 noch auf dem Vormarsch sein werden
und sich die Zahl der Veröffentlichungen weiterhin steigern wird.
3.5.4
Der 3D Film heute
Wenn heutzutage von einem „3D Film“ gesprochen wird, so kann man nicht
immer sicher sein, wovon genau die Rede ist. Es kann sich dabei um einen
Stereoskopie
31
computergenerierten (CG) Animationsfilm à la Toy Story oder Findet Nemo
handeln, worin die Charaktere und die gesamte Filmwelt auf virtuellen 3D
Modellen basiert. Es kann damit jedoch auch ein Film gemeint sein, der, wenn
er mit den richtigen Brillen betrachtet wird, einen 3D Effekt beim Zuseher
hervorruft. Eine allgemein gültige Begriffsdefinition, die Verwirrungen vermeiden könnte, gibt es (noch) nicht. Ist von stereoskopischen 3D Filmen
die Rede, so wird oft die Abkürzung S3D benutzt. Man findet jedoch auch
Bezeichnungen wie „Stereo 3D“, „3DS“, „S3D“, „s-3D“, „3D(S)“, „3D-s“ etc.
In dieser Arbeit wird entweder der Ausdruck „Stereo 3D“ oder die Abkürzung S3D verwendet. Bernard Mendiburu hat für dieses Namensproblem eine
recht einfache Hoffnung bzw. Wunschlösung parat. In seinem Buch 3D Movie
Making schreibt er dazu [32, S. 2]:
„At some point in the near future, you will go to see a `flattie´
for nostalgia’s sake, just as you sometimes watch black-and-white
movies on TV today.“
Ob er mit dieser Aussage recht behält, wird die Zukunft zeigen. Im Moment
sieht es jedoch nicht schlecht aus. Es bahnt sich gerade ein erneuter Boom
des Stereofilms an. Die großen Einspielerfolge von Spy Kids 3-D (2003), Der
Polarexpress 3-D (2004) und Chicken Little (2005) brachten den Ball ins Rollen
und sorgten dafür, dass dieser Art des Filmemachens von Seiten der großen
Studios wieder mehr Aufmerksam zu Teil wurde.
Kennt man die historische Entwicklung der Stereoskopie, so fallen schnell
einige Gemeinsamkeiten und vor allem ähnliche Begleitumstände wie im Jahr
1952 auf. Denn wie damals musste die Kinobranche auch in den letzen Jahren
starke Einbrüche in den Besucherzahlen und fallende Einspielerträge in Kauf
nehmen. War es damals der Fernseher, der die Lichtspielhäuser bedrohte, so
sind es heute die qualitativ immer besser werdenden Heimkino Systeme und
das Internet TV. Die Menschen bevorzugen es, sich die neuesten Blockbuster
gemütlich zu Hause vor dem Fernseher anzusehen und dabei Geld zu sparen.
Ein weitaus größerer Konkurrent aber ist die Filmpiraterie. Ein Film ist oftmals noch nicht im Kino angelaufen, da schwirren schon die ersten illegalen
Raubkopien in den diversen Internet Tauschbörsen herum. Deshalb scheinen
die Beweggründe der Filmemacher und Kinobetreiber relativ einleuchtend.
Stereofilme sollen die Zuschauer von der heimischen Couch wieder in die
Kinos treiben und dadurch die Kassen füllen. Ein sehr erwünschter Nebeneffekt dabei ist, dass Stereofilme nicht einfach abgefilmt und somit keine
Raubkopien davon angefertigt werden können. Ein großer Unterschied zu
den bisherigen Blütezeiten des Stereofilms ist die digitale und daher gestochen
scharfe 3D Qualität. Denn statt den, wie in der Vergangenheit üblich, von zwei
Projektoren parallel abgespielten Filmrollen, kommt 3D heute überwiegend
von der Festplatte. Der Film läuft dadurch nur noch durch einen Projektor, wo
Stereoskopie
32
ein Splitter das Bild in zwei versetzt laufende Filme teilt und auf eine speziell
reflektierende Leinwand wirft. Ohne die entsprechenden 3D Brillen wirken die
Bilder unscharf. Ein Mitfilmen ist somit nicht möglich. Die digitale Technik
bringt jedoch nicht nur den Studios und Kinobetreibern durch die vereinfachten Distributions- und Abspielmodalitäten eine Erleichterung. Denn dadurch
kann auch das Publikum eine perfekte Bildqualität und vor allem einen nie
dagewesenen 3D Eindruck genießen. Kopfschmerzen und Unbehagen nach
dem Kinobesuch gehören damit der Vergangenheit an.
Hollywood investiert momentan massiv in das Thema Stereofilm. Animationsschmieden wie DreamWorks oder Disney/Pixar haben angekündigt,
dass alle ihre Produktionen zukünftig auch in einer 3D-Version auf den Markt
kommen werden. James Camerons Science Fiction Epos Avatar20 wird bereits
ungeduldig erwartet und soll mit seinem über 250 Millionen Dollar Budget
und einer Vielzahl an eigens entwickelten Technologien und Geräten das 3D
Kinoerlebnis revolutionieren. Die Website FilmDrunk21 betitelt einen Artikel
darüber sogar mit „The most important movie of all times“. Bis ins Jahr 2012
sind bereits über 80 3D Produktionen angekündigt [4]. Der Teufelskreis „Keine
3D Filme, weil es zu wenig 3D Kinos gibt“ und „Keine 3D Kinos, weil es zu
wenig 3D Filme gibt“ scheint durchbrochen und eine dauerhafte und regelmäßige Versorgung mit hochwertigen Stereofilmen somit gesichert zu sein. Diese
Tatsache ist für Kinobetreiber von sehr hoher Bedeutung und könnte viele, die
noch am Zweifeln sind, davon überzeugen, den sehr kostenintensiven Wechsel22 von analoger zu digitaler Technik zu wagen. Das größte Problem der
Filmverleiher momentan ist, dass es einfach zu wenige Screens für 3D Filme
gibt. Ein Stereofilm kann, ungeachtet seines Erfolgs, heute oft nur wenige
Wochen in den Kinos laufen, bevor er der nächsten Stereo-Produktion Platz
machen muss. Bestes Beispiel dafür ist die 3D Stop-Motion Produktion Coraline, die trotz voller Kinosäle, dem Konzertfilm Jonas Brothers: The 3D Concert
Experience weichen musste. Ein weiteres Argument für die Umrüstung der
Kinos ist die Tatsache, dass bei vielen Produktionen die 3D Versionen weitaus
mehr Geld einspielen, als die 2D Versionen und das obwohl sie, aufgrund des
zuvor genannten Problems, meist auf weitaus weniger Screens gezeigt werden
können (siehe Abbildung 3.18). Die Zuschauer sind außerdem bereit, mehr
für ihr Ticket zu bezahlen, um den Film in 3D zu sehen.
Während es laut dem Artikel Web 2.0 aus dem c’t Magazin vom Juli 2008
hieß, dass es in Österreich 11 Kinos gibt, die 3D Filme abspielen können, so
zeigt ein Blick ins aktuelle Kinoprogramm, dass sich die Zahl ziemlich genau
ein Jahr danach bereits mehr als verdreifacht hat. Im Juli 2009 sind es mittlerweile schon 37 Kinos, die den aktuellen 3D Kassenschlager Ice Age: Dawn of
the Dinosaurs in ihrem Programm haben. Der Trend ist also positiv und lässt
20 Geplantes Release-Datum ist Dezember 2009
21 http://filmdrunk.uproxx.com/2009/06/avatar-footage-from-cinexpo
22 Der Wechsel von analoger zu digitaler Technik kann pro Kinosaal je nach Größe ca. 150.000200.000 Dollar betragen [9]
Stereoskopie
33
2D vs. 3D - number of screens and release’s total
earnings for North America
Bolt
Coraline
Monsters vs. Aliens
My Bloody Valen‚ne
Journey to the
Center of the Earth
0%
3D
3D
20 %
2D
2D
40 %
60 %
80 %
100 %
% of screens
% of total earnings
Abbildung 3.18: Obwohl die 3D Vorstellungen, im Vergleich zu den 2D
Versionen, auf deutlich weniger Screens laufen, so machen sie prozentual
gesehen meistens trotzdem den größeren Teil der Einnahmen aus. Die Daten
für diese Grafik wurden aus [44] und [29] gewonnen.
Number of digital 3D screens
16000
12000
8000
4000
0
2005
2006
Worldwide
North America
Europe*
Western Europe
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
*Includes Central and Eastern Europe
Abbildung 3.19: Entwicklung der Anzahl an digitalen Kinosälen, in denen
3D Filme gezeigt werde können von 2005 bis heute, plus den vermuteten
Anstieg bis 2013. Die Daten für diese Grafik wurden aus [44] gewonnen.
darauf hoffen, dass das Publikum noch lang seine Freude an 3D Kinoerlebnissen haben kann. Abbildung 3.19 zeigt die Zunahme an digitalen 3D Screens
seit 2005 und liefert gleichzeitig eine Vorschau für die zukünftige Entwicklung
bis zum Jahr 2013.
Kapitel 4
Kapitel 4
Stereokopie im CG Film – from Technology to Creativity
Die Zeiten in denen die Stereoskopie als reine Effekthascherei eingesetzt
wurde, sind passé. Heute soll den Zuschauern viel mehr das Gefühl vermittelt
werden, hautnah am Geschehen zu sein. Der Einsatz und vor allem die Intensität des Tiefeneindrucks sind genau überlegt und dosiert, denn Filmemacher
möchten ihre Geschichten durch den Einsatz von 3D bereichern und damit
nicht von der eigentlichen Handlung ablenken. Man hat erkannt, dass allein
der Einsatz von Stereoskopie noch keinen guten Film ausmacht.
Die Entscheidung für eine Produktion in 3D bringt jedoch auch immer
gewisse Risiken und Probleme mit sich. In diesem Kapitel, wird zunächst
beschrieben, wie sich der Workflow einer stereoskopischen Produktion,
gegenüber dem einer monoskopischen unterscheidet. Nach einer Darstellung
der verschiedenen technischen Aspekte, auf die bei einem Stereofilm zu achten
ist, folgt ein Blick auf die ästhetischen und gestalterischen Entscheidungen,
die während der Produktion getroffen werden müssen.
4.1
Unterschiede im Workflow
„Going into 3D production means leaving the well-known area of
2D movie making for the dangerous, mostly uncharted land of 3D.“
Bernard Mendiburu [32, S. 2]
Dieser Satz stammt aus dem Buch 3D Movie Making von Bernard Mendiburu.
Er trifft die heutige Situation, wenn es darum geht einen Stereofilm zu produzieren, ziemlich auf den Punkt. Die verschiedensten Arbeitsschritte und
34
Stereokopie im CG Film
35
Gestaltungsregeln, die sich bei der Entwicklung von monoskopischen Filmen
im Laufe vieler Jahre etabliert haben, können keineswegs eins zu eins übernommen werden. Schnitttechniken, Kamerabewegungen und verschiedenste
Effekte, die sonst sehr gut funktionieren, können sich bei einer 3D Produktion
störend auswirken und den Tiefeneindruck beim Betrachter drastisch verringern. Aus diesem Grund ist der Workflow einer Stereoproduktion etwas
anders, als der einer 2D Produktion. Die grundlegenden Unterschiede werden
im folgenden Abschnitt zusammengefasst.
4.1.1
Pre-Production
Die Entscheidung einen Film in Stereo 3D zu produzieren, sollte im besten Fall
schon ganz zu Beginn der Planungsphase getroffen werden. Nur ein Film, der
von Anfang an mit dem Thema Stereoskopie im Hinterkopf konzipiert wurde,
kann den Tiefeneffekt gezielt und bestmöglich in die Handlung integriert
einsetzen. Schon in der Phase der Entwicklung von Script und Storyboard
sollte man sich überlegen, an welchen Stellen und in welcher Intensität stereoskopische Effekte eingesetzt werden sollen. Eine Stereo-Produktion benötigt
deshalb, als Unterstützung des Storyboards, zusätzlich ein so genanntes Depth
Script. Darin wird für jede Szene definiert welche räumliche Tiefe eine Szene
später haben wird und an welchen Stellen sich nahe und ferne Objekte befinden
werden. Anhand eines fertigen Depth Script kann man ablesen, wie sich die
Intensität des Stereoeffekts im Verlauf der Handlung verändert. Dabei sollte
man darauf achten, dass die Werte nicht durchgehend gleichbleibend sind,
sondern immer leichte Veränderungen aufweisen. Dadurch kann verhindert
werden, dass sich die Augen der Zuseher zu sehr an einen gleichbleibenden
Tiefeneindruck gewöhnen, und diesen mit der Zeit so gut wie gar nicht mehr
wahrnehmen. Wenn die Intensität immer wieder leicht variiert, müssen sich
die Augen von Zeit zu Zeit neu orientieren und der Stereoeffekt bleibt dadurch
den ganzen Film über erhalten. Außerdem kann man anhand eines solchen
Scripts frühzeitig problematische Sprünge in der Raumtiefe zwischen den
einzelnen Szenen erkennen. Denn die Filmemacher müssen bedenken, dass
das menschliche Auge etwas Zeit benötigt, um sich auf veränderte Kameraeinstellungen oder Raumtiefen einzustellen und die Illusion des Raumes zu
genießen zu können. Die beim 2D Film üblichen sprunghaften Wechsel zwischen Close-Up, Halbtotale und Totale, wirken bei einem Stereofilm deshalb
sehr schnell störend. Längere Einstellungen und ruhige Kamerabewegungen
sind zu bevorzugen.
Ein sehr anschauliches und detailliertes Beispiel, wie ein solches Depth
Script aussehen kann, ist in Abbildung 4.1 zu sehen. Es stammt aus einem
Stereokopie im CG Film
36
Depth (Pixels of 2K Parallax)
130
110
90
70
50
30
10
Screen
-10
-30
-50
0
100
200
300
400
500
Time (Frames)
Char.
Near
Far
Sky
Cuts
Proximity
Abbildung 4.1: Beispiel eines detaillierten Depth Scripts [10].
700
600
500
400
300
200
100
0
-100
-200
-300
Depth Effect
towards audience
Screen
Time
behind screen
Abbildung 4.2: Beispiel eines vereinfachten Depth Scripts [32, S. 88].
Artikel von Brian Gardner von der bekannten Website Creative COW23. Die
etwas dickere horizontale schwarze Linie repräsentiert die Kinoleinwand.
Alles was darüber abgebildet ist, befindet sich im Zuseherraum. Alles darunter,
erscheint hinter der Leinwand. Die senkrechten gestrichelten Linien markieren die einzelnen Cuts in der Sequenz. Die obere, mit Kreisen versehene, Linie
markiert die Position des Objekts, auf das das Publikum fokussieren soll, in
der Tiefe. Meistens handelt es sich dabei um den Hauptcharacter einer Szene.
Die gestrichelte orange Linie steht für das Objekt, welches sich am weitesten
im Zuseherraum befindet. Die Linie mit den Dreiecken markiert die Position
des am weitesten vom Zuschauer entfernten Objekts. Dabei handelt es sich
meistens um Berge, Häuser, Bäume oder die hintere Wand eines Raumes. Die
beinahe identische gestrichelte Linie repräsentiert, falls sichtbar, den Himmel
oder Horizont in der jeweiligen Szene. Anhand des Abstands zwischen den
beiden gestrichelten Linien kann man für jede Szene die Intensität der ausgenutzten Tiefe ablesen. Der jeweils unterschiedliche Versatz nach oben und
unten lässt erkennen, wo genau im Raum, im Bezug zur Kinoleinwand, sich
eine Szene abspielen wird [7].
Natürlich muss nicht jedes Depth Script im Voraus immer so detailliert
geplant sein. Eine vereinfachte Form könnte wie in Abbildung 4.2 aussehen.
23 http://www.creativecow.net
Stereokopie im CG Film
37
Es gibt noch eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten, ein Depth Script zu
erstellen. Man kann die zuvor erwähnten Beispiele anwenden, rein in Textform
arbeiten oder aber sein grafisches Storyboard mit Hilfe von unterschiedlichen
Farben oder Pinselstärken in die Bereiche vor, auf und hinter der Leinwand
aufteilen. Auch eine grafische Szenenansicht von oben oder von der Seite ist
möglich. Für welche Art man sich entscheidet ist relativ egal, wichtig ist nur,
dass für jede Szene schon in der Pre-Production ein Depth Script angelegt
wird und man sich frühzeitig Gedanken über die räumlichen Tiefen in den
einzelnen Szenen macht.
4.1.2
Production
Was die technische Seite einer CG Stereoproduktion angeht, so ist zu beachten,
dass im Vergleich zu einem 2D Film jeder einzelne Frame zwei mal gerendert
werden muss. Das bedeutet doppelt so lange Renderzeiten, doppelt so viel
Rohmaterial und in Folge dessen auch der doppelte notwendige Speicherplatz.
Große Festplatten, eine leistungsstarke Renderfarm und Highend Hardware
in den einzelnen Workstations sind deshalb unumgänglich. Weiters sollten
die Mitarbeiter jederzeit die Möglichkeit haben, ihre Arbeit auch in 3D zu
betrachten. Die Betonung liegt hierbei auf „auch“. Natürlich gibt es in einer
Stereoproduktion Arbeitsschritte, die keinen Tiefeneindruck erfordern und
besser in der üblichen 2D Ansicht erledigt werden. Ein ständiges Arbeiten
„in stereo“ würde sich somit oftmals eher störend auswirken und die Augen
mit der Zeit nur unnötig anstrengen oder überlasten. Aus diesem Grund ist
ein Arbeitsplatz, bei dem zwischen einer 2D und einer 3D Ansicht gewechselt
werden kann (z.B. zwei verschiedene Monitore), die beste Lösung. Je nachdem, wo in der Produktions-Pipeline man sich befindet, werden unterschiedlich aufwändige Stereo-Setups benötigt. Diese können dabei von einfachen
Anaglyphen-Lösungen, bis hin zu eigens eingerichteten 3D-Stereo-fähigen
Kinosälen reichen. In Abbildung 4.3 sind einige Beispiele zu sehen, die zeigen,
wie die verschiedenen Setups bei der Produktion von Monsters vs. Aliens im
Hause DreamWorks Animation aussahen.
Dieser Film ist auch ein gutes Beispiel, um den hohen technischen Aufwand
und die besonderen Anforderungen an die Hardware mit Hilfe einiger Zahlen
zu verdeutlichen. Die Renderzeit von Monsters vs. Aliens betrug insgesamt
mehr als 45 Millionen Stunden. Eine einzelne Workstation hätte dafür über
1000 Jahre benötigt. Bei DreamWorks wurde diese Arbeit jedoch von einer
Renderfarm mit 9000 Prozessorkernen übernommen und letztendlich in der
gleichen Zeit erledigt, die bei der Produktion von Shrek 1 im Jahr 2001 für ca. 5
Millionen Renderstunden benötigt wurde. Am Ende belegte der gesamte Film
beinahe 100 TeraByte an Speicherplatz [3]. Der erhöhte Produktionsaufwand
spiegelt sich auch in den Kosten wieder. Diese betragen durchschnittlich 10
Stereokopie im CG Film
38
Abbildung 4.3: Mitarbeiter von DreamWorks bei der Produktion von Monsters vs. Aliens. Je nach Notwendigkeit sind die einzelnen Arbeitsplätze mit
unterschiedlichen Stereo-Technologien ausgerüstet. © DreamWorks
bis 25 Prozent mehr als die einer reinen 2D Produktion [32, S. 9]. Bei Monsters
vs. Aliens machte das ein Plus von etwa 15 Millionen Dollar (8,5%)24 aus.
Da es, was die gestalterischen Entscheidungen vor und während einer Stereoproduktion betrifft, eine Menge zu beachten gibt, ist ihnen später ein eigenes Unterkapitel (siehe Abschnitt 4.2) gewidmet. Aus diesem Grund wird an
dieser Stelle nicht näher auf den eigentlichen Produktionsablauf eingegangen.
4.1.3
Post-Production
Vor allem die Post-Production stereoskopischer Szenen ist sehr zeitaufwändig und erfordert von den verantwortlichen Personen extreme Genauigkeit.
Durch die digitale Technik wurden verschiedene Arbeitsschritte zwar deutlich
erleichtert, es treten jedoch immer wieder Probleme auf, die nur durch das
24 http://www.fearnet.com/news/b14080_monsters_vs_aliens_in_3d_looks_like.html
Stereokopie im CG Film
39
„Trial and Error“-Prinzip oder „Learning by Doing“ gelöst werden können.
Das ist äußerst zeit- und kostenintensiv, lässt sich aber nicht vermeiden, da
es noch keine standardisierten Tools oder über die Jahre entwickelte und
bewährte Arbeitsabläufe gibt. Ein großes Problem bei der Nachbearbeitung
von stereoskopischem Material ist, dass eine Echtzeit-Stereo-Ansicht nur
selten möglich ist. Dinge wie das richtige Schnitttempo, die Tiefenwirkung
der gerade bearbeiteten Szenen, die Bildgestaltung oder die Farbtreue können
deshalb nie unmittelbar überprüft werden.
Der digitale Stereofilm steht noch am Beginn seiner Entwicklung. Deshalb
sind vor allem in der Post Produktion besondere Geduld aber auch Experimentierfreudigkeit gefragt. Man kann davon ausgehen, dass sich in diesem
Bereich in der nächsten Zeit einiges tun wird und viele arbeitserleichternde
Hard- und Softwaretools entwickelt werden.
4.2 Gestaltungsmöglichkeiten und Regeln in der
Cinematographie
Während der Produktion eines 3D Films sind viele Entscheidungen zu treffen, die das finale Erscheinungsbild einer Szene betreffen. Die Filmemacher
haben die Möglichkeit, durch die Variation und Intensität des Stereoeffekts
das Publikum zu lenken und tiefer in die Handlung zu integrieren. Dazu ist
es allerdings notwendig, einige Parameter, Regeln und Prinzipien zu kennen.
Eine Auswahl davon wird im folgenden Abschnitt näher beschrieben.
4.2.1
Grenzen des stereoskopischen Raums
Wie im Abschnitt 3.2 erwähnt, hat man beim Arbeiten an einem stereoskopischen Film die Möglichkeit, Bildelemente so zu platzieren, dass sie entweder vor, auf oder hinter der Projektionsfläche erscheinen. Vor allem, wenn
die Szenen aus dem Computer stammen, hat man, was dieses Thema angeht,
große Freiheiten. Um jedoch keine Fehler zu machen, die die spätere Fusionierung der beiden Halbbilder beim Betrachter stören könnten, muss man
sich der Grenzen des scheinbaren Raumes bewusst sein. Bernard Mendiburu
führt dafür den Begriff Stereoscopic Comfort Zone ein [32, S. 3]. Wie sich diese
Komfort Zone auf den stereoskopischen Raum verteilt, ist in Abbildung 4.4
zu sehen. Die roten Bereiche stehen für Gefahrenzonen. Dort ist es für die
Augen nur unter starker Muskelanstrengung möglich, die richtigen Positionen einzunehmen, um die beiden Halbbilder noch fusionieren zu können.
In diesen Bereichen sollten sich Objekte, falls unbedingt notwendig, nur
sehr kurz befinden, damit es bei den Zuschauern nicht zu Augenschmerzen
oder Unwohlsein kommt. Die Farbe Gelb markiert Bereiche, in denen eine
Stereokopie im CG Film
40
renal rivalry areas
Screen space
Screen
Theater space
painful re
nal
rivalry areas
comfortable 3D
painful 3D
L
R
Abbildung 4.4: Verteilung der verschiedenen Bereiche in der so genannten
Comfort Zone [32, S. 3].
Fusion nicht problemlos möglich ist und es zum Auftreten von Geisterbildern
kommen kann. Die grünen Bereiche können bedenkenlos ausgenutzt werden. Diese befinden sich nahe vor bzw. hinter oder exakt auf der Ebene der
Leinwand.
4.2.2
Relevante Eingangsparameter
Wenn man einen Stereofilm produzieren möchte, sollten schon zu Beginn
zwei wichtige Parameter bekannt sein. Diese spielen für die spätere Präsentation eine große Rolle und sollten unbedingt beachtet werden. Die Rede ist von
der Größe der Leinwand auf der der Film später präsentiert werden soll und
die ungefähre Entfernung des Publikums davon.
Stereokopie im CG Film
41
Effect of screen size
on posive parallaxe, or behind the screen
= human interocular
distance
∞
on negave parallaxe, or in front of the screen
stereoscopic
infinity
= human interocular
distance
wow!
small
screen
small
screen
!
Pain zone!
> human interocular
distance
big
screen
> human interocular
distance
?!?
big
screen
Abbildung 4.5: negative Auswirkungen einer Hochskalierung bei positiver
und negativer Parallaxe für den Betrachter [32, S. 77].
4.2.2.1
Der Screen-Size Effekt
Ein 3D Film sollte immer für eine spezielle Screen-Größe konzipiert werden.
Ein einfaches Hoch- oder Runterskalieren ist dabei nicht möglich. Schon während der Produktion sollten die einzelnen Szenen immer wieder in der finalen
Größe betrachtet und getestet werden, da sich nur so der spätere Stereoeindruck kontrollieren lässt.
Wie genau sich die Präsentationsgröße auf den Tiefeneindruck auswirken
und was sie dabei anrichten kann, ist in Abbildung 4.5 zu sehen. 3D Material, das für eine bestimmte Auflösung realisiert wurde und später auf einer
größeren Leinwand abgespielt wird, führt zu unerwünschten und für den
Betrachter unangenehmen Nebeneffekten. Ein Objekt mit positiver Parallaxe,
das bei normaler Größe, den gewünschten Effekt erzeugt und hinter der Leinwand erscheint, weist bei einer Hochskalierung eine vergrößerte Parallaxe auf.
Das kann dazu führen, dass das Objekt eine zu extreme Parallaxe aufweist,
die maximale Stereotiefe überschreitet und nicht mehr fusionierbar ist, da die
Augen des Betrachters dazu divergieren müssten. Divergenz ist bekanntlich
einer der schlimmsten und unangenehmsten Fehler in der Stereoskopie und
sollte unbedingt vermieden werden. Im umgekehrten Fall – bei negativer
Parallaxe – erscheint das betroffene Objekt durch eine Vergrößerung der
Leinwand noch weiter im Zuseherraum und kann dem Betrachter dadurch
gefährlich nahe kommen und ein angenehmes Stereoerlebnis zerstören [32,
S. 77]. Aus diesen Gründen sollte eine nachträgliche Hochskalierung des
Filmmaterials unter allen Umständen verhindert werden. Eine Verkleinerung
führt zwar zu weniger drastischen Folgeerscheinungen, kann den Tiefeneindruck jedoch merklich reduzieren.
Stereokopie im CG Film
42
Effect of screen distance
screen
screen
Abbildung 4.6: Auswirkungen bei unterschiedlicher Entfernung des Publikums von der Leinwand bei der Vorführung eines Stereofilms.
4.2.2.2
Der Viewer-Distance Effekt
Auch die Entfernung des Publikums von der Leinwand spielt beim Stereofilm
eine wichtige Rolle. Je größer diese Entfernung ist, umso größer ist auch die
maximal erlaubte Parallaxe, da mit zunehmender Distanz der Konvergenzwinkel schrumpft und eine Fusion der Bildpunkte somit auch bei großer
Parallaxe noch möglich ist. Man kann sagen, dass ein fixer Parallaxenwert der
beiden Halbbilder auf der Netzhaut des Betrachters zu einer geringeren Querdisparität (Abweichung korrespondierender Bildpunkte auf den Netzhäuten)
führt, je weiter dieser von der Leinwand entfernt ist [42, S. 22].
In der Praxis bedeutet das, dass ein Objekt mehr Tiefe entlang der z-Achse
aufweist (scheinbar in die Länge gezogen wird), je weiter der Betrachter davon
entfernt ist und näher beim Betrachter erscheint, je näher dieser der Leinwand
ist (siehe Abbildung 4.6). Objekte die hinter der Leinwand erscheinen, werden mit größerer Entfernung der Betrachter weiter nach hinten versetzt und
Objekte mit negativer Parallaxe erscheinen weiter im Zuseherraum. In beiden
Fällen wird der 3D Effekt dadurch intensiviert.
4.2.3
Hyper- und Hypostereoskopie
Einer der wichtigsten Parameter in der Stereoskopie ist die Stereobasis (siehe
Abschnitt 3.2). Diese ist direkt proportional zur wahrgenommenen Tiefe [1, S.
3] Der Augenabstand beim Menschen ist unveränderlich und beträgt durchschnittlich 65 Millimeter. Bei stereoskopischen Aufnahmen kann man den
Linsenabstand der beiden Kameras jedoch beliebig verkleinern oder vergrößern. Natürlich sollte man sich bei der Wahl der Stereobasis, um ein möglichst
realistisches Ergebnis zu erzielen, in den meisten Fällen an Vorgaben aus dem
realen Leben halten. Ein wenig Experimentierfreudigkeit ist dabei aber auf
Stereokopie im CG Film
43
Screen
L
out of screen
R
Screen
L
out of screen
R
Screen
L
R
out of screen
Abbildung 4.7: Durch Variation der Stereobasis wird der Tiefeneindruck
entweder vermindert oder intensiviert. Dieser Effekt kann in der richtigen
Dosierung zu einem guten Stereoeindruck beitragen.
jeden Fall erlaubt. Denn durch eine unnatürliche Variation der Stereobasis
können durchaus interessante, hilfreiche und positive Effekte erzielt werden.
Wird die Entfernung der beiden Kameras größer, so wird auch der Abstand
zwischen korrespondierenden Punkten größer und der Tiefeneindruck somit
intensiviert (siehe Abbildung 4.7). Das kann zum Beispiel bei der Aufnahme
einer entfernten Landschaft von großem Nutzen sein. Denn bei einer normalen Stereobasis von 65 Millimetern würde ab einer Entfernung von 50 bis 100
Metern in der aufgenommenen Sequenz kaum noch ein wahrnehmbarer Tiefeneindruck auftreten. Dieser Effekt beizeichnet man als Infinity Flatness [23].
Durch einen variablen Abstand der Kameralinsen können solche Probleme
leicht beseitigt werden.
Wird die Stereobasis stark vergrößert, spricht man von Hyperstereoskopie
oder Liliputismus. Die Objekte in der Szene erscheinen kleiner, als sie eigentlich
sind und der Zuseher hat das Gefühl, im Vergleich zur abgebildeten Szene ein
Riese zu sein. Dieser Effekt funktioniert natürlich auch umgekehrt. Wird die
Stereokopie im CG Film
44
L
a)
R
R
L
R
L
R
L R
b)
L
L
c)
R
Abbildung 4.8: a) normale Stereo Ansicht eines Würfels, b) Hypo-Stereo
Ansicht eines Würfels, c) Hyper-Stereo Ansicht eines Würfels [32, S. 19].
Stereobasis deutlich verkleinert, so wird der wahrgenommene Tiefeneindruck
reduziert und der Zuschauer bekommt den Eindruck, er sei geschrumpft.
Man spricht von Hypostereoskopie oder Gigantismus. Da die einzelnen Objekte
dadurch auch flacher erscheinen, wird hier auch oft der Begriff Cardboarding
verwendet. In Abbildung 4.8 ist die prinzipielle Funktionsweise dieser Effekte
anhand eines einfachen Würfel-Beispiels auf leicht verständliche Art und
Weise illustriert. Je weiter die beiden Kameras bei der Aufnahme horizontal
versetzt sind, umso mehr sieht die linke Kamera von der linken Seite des Würfels (Augenanzahl 3) und die rechte Kamera von der rechten Seite des Würfels
(Augenanzahl 4). Wenn diese Bilder nun den menschlichen Augen präsentiert
werden, so schließt, das menschliche Gehirn daraus, dass es sich um ein kleines Objekt handeln muss, da bei einem Augenabstand von 65 Millimeter beide
Seiten gut sichtbar sind. Im umgekehrten Fall – d.h. es ist kaum etwas von den
seitlichen Flächen zu sehen – wird der Eindruck vermittelt, dass man selbst,
im Vergleich zu dem betrachteten Würfel, winzig sein muss. Dieses „Riesig-“
oder „Winzig-Fühlen“ beruht sehr stark auf Erfahrungswerten. Aufgrund des
fixierten Augenabstandes, ist der Mensch beim Betrachten bekannter Objekte
eine gewisse Querdisparität in den auf den Netzhäuten auftreffenden Bildern
gewohnt. Wird diese Erwartung nicht erfüllt, so geht das Gehirn nicht davon
aus, dass der Augenabstand geändert wurde, sondern davon, dass das Objekt
eine unnatürliche Größe haben muss
Eine Geschichte, die für den Einsatz dieser beiden Techniken prädestiniert
scheint, ist Alice im Wunderland. Lewis Carrolls bekannter Kinderroman wird
momentan von Tim Burton produziert und soll im März 2010 in die amerikanischen Kinos kommen25. Man wird sehen, ob er diese besondere Art der
Tiefeneffekte erfolgreich einsetzen kann. Ein gutes Beispiel für einen bereits
25 http://www.imdb.com/title/tt1014759/
Stereokopie im CG Film
45
Abbildung 4.9: Standbilder aus Monster vs. Aliens bei denen der Größenunterschied zwischen Susan, die später zur riesigen Ginormica mutiert und
ihrem Mann besonders deutlich zum Vorschein kommen. © DreamWorks
veröffentlichten Film ist Monsters vs. Aliens. Die Szene vor dem Traualtar, als
Susan zu Ginormica mutiert, konnte damit sehr glaubhaft umgesetzt werden.
Durch die 3D Brille betrachtet wirkt Susan für den Zuseher gigantisch und
man hat das Gefühl sie sei wirklich überdimensional groß. Da der Film leider
nicht in der 3D Version auf DVD erschienen ist, sind in Abbildung 4.9 lediglich einige 2D Standbilder aus Szenen zu sehen, in denen der Hyperstereo
Effekt erfolgreich eingesetzt wurde.
Stereokopie im CG Film
46
Screen
L
out of screen
R
into screen
Screen
out of screen
L
R
into screen
Screen
L
R
Abbildung 4.10: Auswirkungen verschiedener Konvergenzwinkel auf die
scheinbare Position der Szene in der z-Achse.
4.2.4
Der Konvergenzwinkel
Unter dem Konvergenzwinkel versteht man den Winkel, in dem sich die
Achsen der beiden Kameralinsen schneiden. Er ist nach der Stereobasis der
zweitwichtigste Parameter in der Stereoskopie, denn er legt die Position einer
Szene in der Tiefe fest. Verschiebt sich der Konvergenzpunkt (Schnittpunkt
der Kameraachsen), so verschiebt sich die Szene entlang der z-Achse.
Entscheidet man sich dafür, die beiden Kameras parallel nebeneinander zu
platzieren, so verlaufen deren Achsen parallel und es gibt keinen Schnittpunkt.
Ohne eine nachträgliche Bearbeitung in der Post-Production, macht eine
so aufgenommene Szene den Anschein, als würde sie sich komplett vor der
Projektionsleinwand befinden. Je weiter die beiden Kameraachsen nach innen
rotiert werden, dass heißt je näher deren Konvergenzpunkt bei den Kameras
liegt, umso weiter „in die Leinwand“ wird die Szene verschoben (siehe Abbildung 4.10). Diese Methode wird auch als Toe-In Methode bezeichnet.
Stereokopie im CG Film
47
vercal parallax:
irritang and
unfusable
le camera image
right camera image
Abbildung 4.11: Bei leicht nach innen rotierten Kameras, kann es zu perspektivischen Verzerrungen in den Halbbildern kommen, die eine Fusion
deutlich erschweren [24].
Abbildung 4.12: Aufgenommene Bildausschnitte der einzelnen Kameras bei
der Toe-In Methode und bei parallel angeordneten Kameras [1, S. 5].
Auch wenn diese Herangehensweise in Bezug auf die Kamerapositionierung zunächst durchaus logisch erscheint, da sie dem natürlichen Sehvorgang
beim Konvergieren auf nahe Objekte ähnelt, sollte man sie trotzdem nur
äußerst vorsichtig einsetzen. Denn wenn die beiden Kameras zu stark zueinander rotiert werden, kann es in den stereoskopischen Halbbildern durch
perspektivische Verzerrungen zu einem ungewünschten Nebeneffekt, dem so
genannten Keystoning kommen (siehe Abbildung 4.11). Dabei tritt an einigen
Stellen im Bild ein vertikaler Versatz von korrespondierenden Bildpunkten
auf – der größte Feind eines funktionierenden Stereobildes. Keystoning kann
in der Post-Production nur sehr eingeschränkt eliminiert werden. Aus diesem
Grund ist darauf zu achten, es von vorn herein so gut es geht zu vermeiden und
eine parallele Positionierung der Kameras zu bevorzugen. Im Unterschied zu
nach innen gedrehten Kameras befinden sich dabei die Projektionsflächen der
Kameras, wie in Abbildung 4.12 zu sehen, auf einer Ebene. Die horizontalen
Parallaxen können dabei nachträglich so verändert werden, dass die Szene in
der gewünschten Tiefe positioniert ist. Dieser Vorgang wird Horizontal Image
Translation oder abgekürzt HIT genannt. Besonders bei der Produktion von
CG Filmen hat man dabei großen Spielraum, da die verschiedenen Objekte,
so fern sie mit Hilfe von mehreren Render Passes gerendert wurden, separat
bearbeitet und in der Tiefe positioniert werden können. An den Seiten überschüssiges Bildmaterial, das im linken und rechten Kameraausschnitt nicht
überlappend ist und jeweils nur in einem Halbbild zu sehen ist, wird üblicherweise abgeschnitten. Diesen Arbeitsschritt, den man auch Cropping nennt,
sollte man schon vor dem Rendering bedenken und die horizontale Auflösung
Stereokopie im CG Film
48
schon vorher ein wenig größer wählen, als eigentlich benötigt (Overshooting).
Damit wird erreicht, dass ein gewisser Spielraum für das spätere Beschneiden
der Halbbilder besteht und das finale Bild trotzdem die gewünschte Auflösung
aufweist [32, S. 130].
4.2.5
Das Scheinfenster
Selten macht es beim Betrachten von Bildern oder Filmen den Anschein, als
würde man sich wirklich mitten im Geschehen befinden. Viel mehr hat man
dabei das Gefühl, durch ein Fenster in eine andere Welt zu blicken. Speziell
beim Stereofilm spielt dieses „Fenster“ eine große Rolle. Es ist der Bereich in
der Tiefe (z-Achse), wo die Punkte des rechten und linken Halbbildes überlappen und keinen Versatz aufweisen. Diese Ebene, die man sich als Verbindung
zwischen dem Zuseher- und dem Bildraum vorstellen kann, ist meist mit der
Leinwand gleichzusetzen und wird Scheinfenster genannt. Schon bei der Aufnahme sollte man sich Gedanken darüber machen, wo es sich später befinden
soll. Der Abstand zwischen dem gedachten Scheinfenster und der Kamera
wird als Scheinfensterweite bezeichnet [21, S. 23].
Bei Bildern oder Szenen wo einzelne Elemente aus dem Scheinfenster
herausragen, ist darauf zu achten, dass sie dessen Ränder nicht berühren. Ist
das doch der Fall, so kommt es zu einer Situation, die für das Gehirn nicht
nachvollziehbar und folgedessen nicht zu verarbeiten ist. Die Augen sehen ein
Objekt, dass vor der Leinwand erscheint, aber dennoch von ihren Rändern
abgeschnitten wird – sich also eigentlich dahinter befinden müsste – man
spricht von einer Window Violation (siehe Abbildung 4.13a). Beim Betrachten solcher Bilder stellt sich zwar ein gewisser 3D Effekt ein, dieser ist jedoch
relativ flach und instabil – man hat das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt.
Diese Situation tritt so in der Umwelt nie auf und sollte deshalb auch in der
Stereoskopie so gut als möglich verhindert werden. Objekte mit negativer
Parallaxe, die teilweise von den Seiten des Scheinfensters verdeckt sind, sind
dabei für den Menschen irritierender, als Überlappungen am oberen oder
unteren Rand [42, S. 18].
4.2.6
Das schwebende Scheinfenster
Lässt sich eine Beschneidung von Objekten im Zuseherraum nicht vermeiden und kann die betroffene Szene nicht einfach zurück „in den Screen“ verschoben werden, so kann man sich eines Tricks bedienen – dem schwebenden
Scheinfenster oder Floating Window. [42, S. 3] Dabei wird das Scheinfenster, wie
in Abbildung 4.13b illustriert ist, in Richtung des Zuseherraums verschoben,
so dass sich der Screen korrekterweise scheinbar vor der Handlung befindet.
Stereokopie im CG Film
a)
Screen
into screen
49
b)
Screen
into screen
out of screen
out of screen
Floa
ng
win
dow
no window
violaon
window
violaon
Abbildung 4.13: a) Da sich das Haus auf gleicher Ebene mit dem Scheinfenster befindet, führt dessen Überlappung mit den Screen-Rändern zu keiner Verminderung des Stereoeffekts. Die Beschneidung des Baumes liefert
jedoch Tiefeninformationen, die für das Gehirn nicht logisch erklärbar sind.
Der im Vordergrund befindliche Baum, wird durch das dahinter liegende
Scheinfenster beschnitten – der Stereoeffekt wird negativ beeinträchtigt.
b) Wird das Scheinfenster ebenfalls leicht in Richtung des Zuseherraums
verschoben, so wird das Problem der „Window violation“ behoben und der
Zuseher kann das Stereobild uneingeschränkt und ohne irritierende Fehler
genießen.
Dies wird durch eine symmetrische oder unsymmetrische Maskierung der
beiden Halbbilder an den beiden Rändern erreicht. Dieser Vorgang ist mit
dem Aufbau eines Rahmens vor der Kinoleinwand gleichzusetzen. Ein praktisches Beispiel dafür, ist in Abbildung 4.14, anhand eines Stereobildes aus dem
Film Fly me to the Moon, zu sehen. Ein großer Teil des oberen Stereobildes
befindet sich vor dem Scheinfenster, das erzeugt an den Rändern Irritationen
beim Betrachter. Im unteren Bild sind diese Fehler durch ein schwebendes
Scheinfenster behoben – es macht den Anschein, als würde die gesamte Szene
von einem leicht nach vorne versetzten, weißen Rahmen umgeben sein.
Der Einsatz eines Floating Windows kann jedoch nur leichte Fälle von
Window Violations beheben, da das Scheinfenster nicht beliebig weit in
Richtung der Zuseher verschoben werden kann und darf. Dennoch handelt es
sich dabei um ein unverzichtbares und äußerst kreatives „Werkzeug“ für den
Filmemacher. Bernard Mendiburu schreibt in seinem Werk 3D Movie Making
sehr treffend [32, S. 182]:
„Floating the window turns the almighty flat screen into an obedient volume that can be shaped and moved all around the place at
the cinematographer‘s will. A deadly trap is turned into a creativity
Stereokopie im CG Film
Abbildung 4.14: oben: Ein Großteil der Szene erscheint vor dem Scheinfenster. An den Rändern kann das zu Irritationen führen. unten: Durch Maskierung der Ränder macht es den Anschein, als wäre dem Bild ein weißer
Rahmen vorgesetzt. © nWave
50
Stereokopie im CG Film
51
tool.“
Der virtuelle Screen kann nicht nur hin und her verschoben, sondern
durch diagonale Maskierungen auch verbogen, verdreht, gekippt, rotiert oder
sogar animiert werden.
4.2.6.1
Positionieren des virtuellen Screens
Versetzt man den virtuellen Screen in den Zuseherraum, so erreicht man
dadurch eine Vergrößerung der maximal ausnutzbaren Raumtiefe hinter dem
Scheinfenster – d.h. der Bereich, bei dem man nicht auf Überschneidungen
mit den Bildkanten achten muss, wird größer. Außerdem wird die Handlung
dadurch näher zum Betrachter gebracht.
Im Gegensatz dazu, sorgt ein Bewegen des virtuellen Screens hinter die
Kinoleinwand dafür, dass die gesamte Szene weiter vom Publikum entfernt
erscheint. Das führt dazu, dass mehr Raum für Off-Screen Effekte vorhanden
ist und diese intensiver eingesetzt werden können. Die Bildkanten erfordern
in diesem Fall jedoch besondere Aufmerksamkeit und Kontrolle.
4.2.6.2
Statisches vs. dynamisches Scheinfenster
Floating Windows müssen innerhalb einer Szene keine statische Position einnehmen, sondern können je nach Notwendigkeit auch dynamisch platziert
und animiert werden. Dadurch können Window Violations, die durch einzelne Objekte oder Kamerafahrten entstehen, eliminiert werden.
Ein Beispiel für einen solchen Fall ist in Abbildung 4.15 dargestellt. Darin
bewegt sich ein Character, der zunächst eine negative Parallaxe aufweist, von
der linken Seite ins Bild. Wenn er die Bildmitte erreicht hat, befindet er sich
genau auf der Screen-Ebene. Um in dieser Szene eine Window Violation zu
verhindern, wird das Scheinfenster folgendermaßen animiert. Sobald der
Character im Bild erscheint, wird der virtuelle Screen auf der linken Seite
leicht nach vorne verschoben – das geschieht durch eine breitere Maskierung
des linken Randes im linken Halbbild. Ist der Charakter in der Mitte angekommen wird diese Maskierung reduziert oder wieder komplett entfernt – je
nachdem, ob sich der Character exakt auf der Leinwand oder leicht davor
befindet. Dadurch befindet sich der zunächst seitlich abgeschnittene Character zu keiner Zeit vor dem Scheinfenster und dem Publikum ist ein fehlerfreies
Betrachten der Szene möglich
Wie Robert Neuman, der Stereoscopic Supervisor des Animationsfilms Bolt
in seiner Präsentation ‚Bolt‘ 3D: Integrating Monoscopic and Stereoscopic Pro-
Stereokopie im CG Film
52
cropping zone
cropping zone
floang window
L R
L R
L R
Abbildung 4.15: Beispiel eines Szenarios für den Einsatz des animierten
Floating Windows [32, S. 185].
duction auf der diesjährigen FMX26 erzählte, kam bei den Disney Animations
Studios für die Positionierung und Animation des Floating Windows ein
eigenes Maya-Plugin zur Verwendung. Dieses bietet für jede Ecke des Scheinfensters einen Regler an, womit man diese beliebig positionieren kann – das
Maskieren der seitlichen Ränder fällt somit weg und wird von dem Plugin
automatisch übernommen. Über der genauen Aufbau oder die Funktionsweise dieses besonders hilfreichen Plugins wurden leider keine detaillierten
Informationen präsentiert. Man kann nur hoffen, dass es bald auch außerhalb
der großen Animationsstudios erhältlich ist, da es auf jeden Fall eine große
Arbeitserleichterung bedeuten würde.
4.2.7
Depth of Field
Im täglichen Leben sieht der Mensch jene Objekte scharf, auf die er fokussiert.
Je weiter Elemente von diesem Fokuspunkt entfernt sind, umso unschärfer
werden sie wahrgenommen. Das fällt jedoch nicht auf, da die Augen die
26 FMX – International Conference on Animation, Effects, Games and Digital Media – Stuttgart,
Germany – www.fmx.de
Stereokopie im CG Film
53
Fähigkeit besitzen, sprungartig scharfzustellen, sobald der Fokus auf ein
anderes, näheres oder entfernteres Objekt verlagert wird. Das liegt daran, dass
Akkomodation und Konvergenz miteinander gekoppelt sind und weitestgehend automatisiert passieren (siehe Abschnitt 2.1.1). Dadurch ist sichergestellt, dass jene Position im Raum, auf die der Blick gerichtet ist, auch jederzeit
unverschwommen und ohne Probleme wahrgenommen werden kann.
Die Tatsache, dass Elemente außerhalb des Fokusbereichs verschwommen
und unscharf wirken, kommt auch im Film gerne zum Einsatz. Dabei wird
der Effekt der gestauchten Tiefenschärfe (engl. Depth of Field) eingesetzt, um
die Augen des Publikums zu steuern und gewisse Objekte aus dem Geschehen herauszuheben. Außerdem soll dadurch ein besserer Tiefeneindruck im
eigentlich flachen Medium entstehen. In der Stereoskopie kann diese Herangehensweise jedoch nicht einfach übernommen werden. Es ist sogar fraglich,
ob sie überhaupt zum Einsatz kommen sollte, da sie nur funktioniert, so lange
sich das Publikum auf das Objekt im Fokus konzentriert und nicht versucht
auf den Hintergrund scharfzustellen.
Bei diesem Thema scheiden sich die Geister. Während die Produzenten des
Animationsfilms Fly me to the Moon von der Firma nWave anscheinend davon
überzeugt waren, dass unscharfe Hintergründe und scharfe Vordergründe
auch einen 3D Film bereichern können, ist zum Beispiel Hugh Murray, der
Vice President of Technical Production der Firma IMAX ganz anderer Meinung. In einem Interview dazu sagte er [17]:
„We do a few other things to make the 3D experience better. One
of them, we tend to dial back on the use of depth of field and blur.
Everything is a little sharper in the 3D version, and that allows the
viewers to look at things in the foreground and background, instead
of having a narrow depth of field where they’re only able to look at
one object in the scene. The result is that it becomes a more immersive experience. People are less aware that they’re watching a movie
and feel more a part of the world... With the stereoscopic film, if
something in the foreground is soft, it looks wrong. Depth of field
can feel like a mistake in the stereoscopic film.“
Bei diesen beiden Beispielen ist jedoch zu beachten, dass die Herangehensweise für einen IMAX Film und einen Stereofilm für „normale“ 3D Kinos
etwas unterschiedlich sind. Bei IMAX Filmen geht es meistens darum, den
Zuschauer in die Filmwelt eintauchen zu lassen. Da die Leinwand das komplette Blickfeld einnimmt, hat man das Gefühl, sich mitten im Geschehen zu
befinden. Deshalb ist es in diesem Fall natürlich wünschenswert, sich auf jedes
beliebige Objekt in der Szene konzentrieren zu können. Aus diesem Grund
kommt in IMAX Produktionen – dabei handelt es sich meistens um Dokumentationen – Depth of Field kaum zum Einsatz.
Stereokopie im CG Film
54
Bei Stereofilmen in denen die Handlung im Vordergrund steht und die
Montage eine große Rolle spielt, kann der Einsatz der gestauchten Tiefe jedoch
durchaus Sinn machen. Man muss jedoch äußerst vorsichtig damit umgehen,
da man den Stereoeindruck einer Szene damit leicht ruinieren kann. Das
zuvor erwähnte Filmbeispiel Fly me to the Moon ist eher ein Negativbeispiel
(siehe Abbildung 4.16). Die unscharfen Hintergründe sind flach und weisen
keinerlei Parallaxen auf – d.h. heißt sie erscheinen exakt auf der Leinwand.
Um ein korrektes 3D Bild zu erstellen, müssen deshalb alle weiteren Objekte
eine negative Parallaxe aufweisen und sich in Folge dessen im Zuseherraum
befinden. Diese Tatsache ist nicht sehr wünschenswert, da bekannt ist, dass
mit so genannten „In your Face“-Effekten eher vorsichtig und sparsam umgegangen werden sollte. Eine positive Parallaxe würde in diesem Beispiel dafür
sorgen, dass sich die betroffenen Objekte scheinbar hinter dem Screen und
somit hinter dem Bildhintergrund befinden – eine falscher 3D Eindruck beim
Publikum wäre die Folge.
Um jedoch zu verdeutlichen, dass es für den Einsatz der Tiefenschärfe im
Zusammenhang mit der Stereoskopie nicht nur negative Beispiele gibt, soll
an dieser Stelle noch der Stop-Motion Film Coraline erwähnt werden. Darin
kommt Depth of Field in etwa 30% der Szenen zum Einsatz [10]. Kein einziges
Mal hat man dabei das Gefühl, dass dieser Effekt störend oder irritierend wirkt
– natürlich ist das nur eine subjektive Wahrnehmung und kann von Person
zu Person variieren. Brian Gardner, der bei der Produktion von Coraline als
Stereoscopic Advisor tätig war, begründet den Einsatz von Depth of Field auch
im Stereofilm folgendermaßen [10]:
„I use 3D to create similar perceptual associations. If I want to show
that one person‘s life is deeper than someone else‘s, then I actually
make the space around them deeper. You associate that person with
depth. I can put another person in a shallower space, and you automatically think that that person has a shallower life.“
In Abbildung 4.17 sind einige Beispiele aus Coraline zu sehen, in denen
Depth of Field erfolgreich zum Einsatz kam. In den ersten beiden Bildern
ist der Vordergrund unscharf, wodurch das Interesse des Publikums auf den
Hintergrund der Szene gelenkt wird. Die anderen beiden Bilder weisen den
umgekehrten Effekt auf – durch den unscharfen Hintergrund wird der Fokus
auf den Vordergrund gelegt.
4.2.8
Das 3D Volumen
Die in einem Stereobild enthaltenen Objekte können entweder sehr flach
erscheinen, oder aber den Anschein machen, ein richtiges Volumen zu
Stereokopie im CG Film
Abbildung 4.16: Zwei Ausschnitte aus dem Film Fly me to the Moon. Dabei
wurde der Effekt der gestauchten Tiefenschärfe sehr intensiv eingesetzt. Für
die 3D Wahrnehmung ist das eher störend. Meist sieht man einen flachen
unscharfen Hintergrund von wenigen richtigen 3D Elementen, die oft einige
Regeln der Stereoskopie (z.B. Window Violations) brechen. © nWave
55
Stereokopie im CG Film
56
Abbildung 4.17: Beispiele für den Depth of Field Einsatz im Film Coraline.
Sowohl unscharfe Hintergründe, als auch unscharfe Vordergründe funktionierten auch in der Stereoversion einwandfrei. © LAIKA Studio
besitzen. Das 3D Volumen, auch Roundness genannt, hängt sehr stark mit der
Wahl der Kameralinse zusammen. Allgemein kann man sagen, dass Weitwinkel Objektive gutes 3D und Teleobjektive schlechtes 3D erzeugen. Teleobjektive erzeugen zwar eine extreme Gesamttiefe in einer Szene, führen jedoch zu
unerwünschtem Cardboarding (siehe Abbildung 4.18). Um diese störenden
Effekte ein wenig zu verringern, ist es möglich mit der Entfernung der beiden
Kameras zu experimentieren. Dies erhöht jedoch auch die Gesamttiefe der
Szene und kann dazu führen, dass einzelne Elemente im finalen Stereobild
nicht mehr fusionierbar sind.
Für das so genannte Roundness Measurement stellte Robert Neuman während seines zuvor erwähnten Vortrags ‚Bolt‘ 3D: Integrating Monoscopic and
Stereoscopic Production auf der diesjährigen FMX ebenfalls ein eigens kreiertes
Maya-Plugin vor – den Head Roundness Report. Dieses Plugin untersucht jedes
beliebige Objekt einer Szene und liefert anhand verschiedener Berechnungen
einen Bericht über dessen Plastizität. Wie genau dessen Aufbau aussieht, ist
ein gut gehütetes Geheimnis und wurde während des Vortrages leider nicht
näher erläutert. Laut Neuman hat es während der Produktion von Bolt extrem
viel Arbeitersparnis gebracht und überraschend gute und exakte Ergebnisse
geliefert.
Jeder, der dieses Plugin nicht zur Verfügung hat, und die Plastizität der
Objeke in seinem Film dennoch überprüfen möchte, kann dabei folgendermaßen vorgehen. Zunächst schließt man ein Auge und sieht sich die jeweilige
Szene auf einer großen Leinwand an. Dabei konzentriert man sich speziell
auf das Objekt, das evaluiert werden soll. Man stellt sich die Szene in 3D vor
Stereokopie im CG Film
57
wide lens
NO WASTE
waste
long lens
WASTE
Abbildung 4.18: Weitwinkelobjektive erzeugen ein gutes 3D Ergebniss und
lassen die einzelnen Objekte rund und voluminös erscheinen. Teleobjektive
hingegen führen zu eher schlechtem 3D und lassen die Bildelemente wie
flache Pappfiguren wirken.
und führt sich vor Augen, welches Volumen man bei diesem Objekt erwarten
würde. Danach öffnet man sein anderes Auge, um zu sehen welches Volumen
es durch die 3D Brille betrachtet wirklich aufweist. Das Verhältnis zwischen
dem erwarteten und dem tatsächlich wahrgenommenen Volumen wird als
Roundness Factor bezeichnet [32, S. 118].
4.2.9
Multi-Rig Kamera-Setups
Teleobjektive führen zu unzufriedenstellenden 3D Ergebnissen. Dennoch
kann nicht jede Szene immer mit einem Weitwinkelobjektiv aufgenommen
werden. Um in solchen Fällen trotzdem alles richtig ins Bild zu bekommen
und die gewünschte Rundheit der einzelnen Objekte zu erreichen und somit
Cardboarding Effekte zu vermeiden, wurde das so genannte Multi-Rig KameraSetup oder Multirigging entwickelt. Dieses Verfahren ist für CG Produktionen
besonders gut geeignet, findet aber auch bei Realaufnahmen – zum Beispiel
Green Screen Aufnahmen – seinen Einsatz. Die genaue Funktionsweise ist in
Abbildung 4.19 illustriert.
Um Multirigging erfolgreich anzuwenden, muss die Szene eindeutig
in Vorder- und Hintergrund aufgeteilt werden können. Außerdem muss
Stereokopie im CG Film
58
“Flat” 3D
FRONT Image
L
L
L
R
R
R
cardboarding effect
round man
BACK Image
shaped house
Composion
faked 3D world
single 3D rig
FRONT 3D rig
BACK 3D rig
screen
Abbildung 4.19: Prinzip eines Multi-Rig Kamera-Setups [32, S. 129].
dazwischen ein gewisser Abstand vorhanden sein. Eine Szene in der über die
gesamte Raumtiefe viele einzelne Elemente verteilt sind, würde dafür nicht in
Frage kommen. Ist eine CG-Szene für den Multirigging Aufbau geeignet, ist
der erste Schritt der, die einzelnen Objekte für den Vordergrund auszuwählen
und den Rest unsichtbar zu machen – d.h. die betroffenen Layer auszublenden.
Diese Elemente werden dann, samt Alpha-Channel, mit einer eigens dafür
angepassten virtuellen Kamera gerendert. Das gleiche passiert danach mit den
Hintergrundelementen. Dabei muss die Stereobasis meist um einiges vergrößert werden, um auch bei den entfernten Objekten die gewünschte Rundheit
zu erreichen. Vorder- und Hintergrund werden anschließend im Compositing
zusammengefügt. Szenen aus dem Film Bolt in denen Multirigging eingesetzt
wurde, sind in Abbildung 4.20 zu sehen.
4.2.10 Kontinuität in der Tiefe
Im Abschnitt 4.1 wurde erwähnt, dass die über viele Jahrzehnte entwickelte
Filmsprache nicht so einfach auf den Stereofilm übertragen werden kann.
Dies gilt besonders für schnelle Schnittfolgen und rasante Kamerafahrten.
Im Gegensatz zum 2D Film muss dem Publikum dabei etwas Zeit gegeben
werden, um sich einerseits auf die jeweilige Tiefe einzustellen (Hunting Time),
und andererseits die Möglichkeit zu haben, sich etwas in der Szene umschauen
zu können. Denn meistens betrachtet der Zuschauer beim 3D Film zuerst die
gesamte Umgebung, bevor er sich auf die eigentliche Handlung konzentriert.
Aus diesen Gründen sind beim Schneiden eines Stereofilms einige Dinge zu
beachten.
Stereokopie im CG Film
Abbildung 4.20: Drei Stills aus dem Animationsfilm Bolt, in denen Multirigging zur Anwendung kam, um die gewünschte Tiefe und Roundness in der
Szene zu garantieren. © Disney
59
Stereokopie im CG Film
60
Zwischen den einzelnen Szenen einer Stereoproduktion kann es leicht zu
so genannten Depth Jumps kommen. Diese treten zum Beispiel dann auf, wenn
eine Szene eine negative Parallaxe aufweist und sich teilweise im Zuseherraum
abspielt, während die darauffolgende vollständig hinter der Leinwand positioniert ist. Solche Sprünge in der Tiefe können beim Betrachter ein irritierendes
Gefühl erzeugen, lassen sich aber meist nicht gänzlich vermeiden. Denn dies
hätte zur Folge, dass sich der gesamte Film an der gleichen Position entlang der
z-Achse abspielt und dabei keine Ausnutzung des stereoskopischen Raumes
stattfindet. Da dies nicht unbedingt wünschenswert ist, musste eine andere
Lösung für dieses Problem gefunden werden – das Depth Grading oder Depth
Matching. Was genau darunter zu verstehen ist erklärt David Seigle von InThree27 in seinem Artikel Depth Grading in 3D Creation folgendermaßen [37]:
„Depth grading means adjusting the depth of an individual object,
a group of objects or the whole scene in a 3D shot. Properly used
depth grading can help achieve ‚perfect 3D‘, that is, 3D that conveys
a director’s vision with no distracting disparities.“
Wie genau beim Depth Grading vorgegangen wird, soll anhand eines einfachen Beispiels erklärt werden. Dazu stellt man sich einen Übergang von einer
Landschaftsszene zu einer Szene in einem geschlossenen Raum vor. Während
die eine Ansicht eine große Tiefe aufweist, um die Weite der Umgebung zu
unterstreichen, soll der geschlossene Raum eher eng und klein wirken. Würde
man diesen beiden Szenen einfach mit einem harten Schnitt kombinieren, so
würde das beim Publikum dazu führen, dass sich die Augen innerhalb kürzester Zeit komplett umstellen und ständig neu konvergieren müssen. Das
würde auf Dauer nicht nur unangenehm sein, sondern die 3D Illusion immer
wieder unterbrechen und vor allem von der eigentlichen Handlung ablenken
und den Zuseher daran erinnern, dass er sich gerade einen Film ansieht. Die
Schwierigkeiten die man beim schnellen Wechsel der Konvergenz haben
kann, werden auch als Dash Board Effekt28 bezeichnet [40]. Um diese „Nebenwirkungen“ zu vermeiden und trotzdem eine gewisse Freiheit beim Schneiden
eines Stereofilms zu haben, hat man sich überlegt, die Tiefe der Szenen zu
animieren. Der Depth Grader nimmt dabei, um bei dem vorigen Beispiel zu
bleiben, den Landschafts-Shot, der sich komplett hinter der Leinwand abspielt
und animiert dessen Position in der Tiefe innerhalb der letzten 10 Frames.
Das heißt beim zehntletzten Frame befindet sich die Szene noch hinter der
Leinwand. Mit jeden weiteren Frame wird sie ein Stück nach vorne versetzt.
Das geschieht so lange bis die Tiefenposition des darauffolgenden Shots beinahe erreicht ist. Danach wird mit den ersten 10 Frames der folgenden Szene
27 www.in-three.com
28 Dash Board = Armaturenbrett. Der Name kommt daher, weil beim Autofahren beim schnellen
Wechsel des Blicks in die Ferne und zum Armaturenbrett spürbar wird, dass die Augen immer
wieder einen Bruchteil einer Sekunde benötigen um sich auf den neuen Fokuspunkt einzustellen.
Stereokopie im CG Film
61
das gleiche gemacht. Das führt dazu, dass die beiden Shots beim deren Übergang von einem eine ähnliche Tiefe aufweisen und ein Schnitt zwischen ihnen
somit unbedenklich und angenehm für den Zuschauer ist. Der Einsatz des
Floating Windows spielt bei diesen Arbeitsschritten oft eine große Rolle. Es ist
dabei nicht notwendig, dass sich die gesamten Szenen an der gleichen Position
entlang der z-Achse befinden, sondern ausreichend, wenn dies auf diejenigen
Objekte oder Charaktere zutrifft, die gerade im Mittelpunkt stehen bzw. das
Interesse der Zuschauer auf sich ziehen. Essentiell dabei ist vor allem, dass das
Publikum von der Manipulation nichts bemerkt.
Kapitel 5
Kapitel 5
Stereoscopic Storytelling
Um Stereoeffekte im Film erfolgreich einsetzen zu können, ist es sehr hilfreich,
die im vorigen Kapitel vorgestellten Parameter, Gestaltungsmöglichkeiten und
Regeln zu kennen. Ein 3D Film erfordert von den beteiligten Personen jedoch
mehr, als nur das grundsätzliche technische Verständnis der Materie.
Allein die Tatsache, dass ein Film im Stereoformat produziert wird, macht
ihn noch nicht zu einem guten Film. Während der ersten beiden Blütezeiten
des Stereofilms in den 50er und 80er Jahren waren die Filmemacher davon
überzeugt, dass so genannte „Off-Screen“ oder „In your Face“-Effekte das
sind, was das Publikum sehen möchte. Diese Sichtweise hat sich mittlerweile
jedoch glücklicherweise geändert. Heute ist man sich einig, dass der Einsatz
von stereoskopischen Effekten im Film einen Grund haben und keinesfalls
übertrieben werden sollte. Wird der Tiefeneffekt zu intensiv eingesetzt, führt
das nur dazu, dass das Publikum aus der Handlung gerissen und unnötig abgelenkt wird. Ziel des modernen Stereofilms ist es jedoch, die Handlung durch
die zusätzliche Dimension zu bereichern und den Zuschauer dadurch noch
stärker in das Geschehen zu integrieren. Denn nur so hat die Stereoskopie
die Chance, weg vom Gimmick-Image zu kommen und eines Tages vielleicht
ein anerkanntes Stilmittel der Filmsprache, genau wie die Montage, das Color
Grading oder der Sound zu werden.
Da diese Sichtweise im Zusammenhang mit der Stereoskopie jedoch noch
relativ jung ist und es viele Personen gibt, die davon überzeugt sind, dass der
momentane Stereo-Hype schon bald wieder vorbei sein wird, sind an dieser
Stelle vor allem experimentierfreudige und kreative Köpfe gefragt, die ihrer
Fantasie freien Lauf lassen, die bereit sind neue Wege zu gehen und dem Stereofilm so zu neuen Höhen verhelfen. Die zuvor beschriebenen Regeln sind
keinesfalls in Stein gemeißelt, sondern da um gebrochen zu werden. Als Reaktion auf negative Äußerungen oder Meinungen zum Thema Stereoskopie wird
gerne auf die Geschichte des Tonfilms verwiesen. Brian Gardner erklärt es in
seinem Artikel Perception and the Art of 3D Storytelling [10] folgendermaßen:
62
Stereoscopic Storytelling
63
„When sound first came out, a lot of people complained that it was a
gimmick. ‚So, what’re you gonna do, have every movie be a musical
now?‘ They didn’t think about the emotional impact of hearing just
regular dialogue’s nuances, nor of a full soundtrack. They were so
used to working another way that it never occurred to them to ask,
what becomes possible now that wasn’t possible before? That’s where
we are with 3D. It has been treated like a gimmick, but we are starting to think about how it can be used as a creative tool.“
Einige Möglichkeiten wie der Stereoeffekt auf innovative und die Handlung
unterstützende Art und Weise eingesetzt werden kann, werden im folgenden
Abschnitt anhand von Filmbeispielen aber auch theoretischen Überlegungen
dargestellt.
5.1 Stereoskopische Tiefe = Emotionale Tiefe
Diese „Gleichung“ wird in sehr vielen aktuellen Stereoproduktionen angewandt. Stereoskopische Tiefe steht dabei meist in direkter Relation zur emotionalen Tiefe der Handlung. Wie beim Soundtrack eines Films, werden dabei
die Stereoeffekte dazu eingesetzt, um romantische Momente noch romantischer oder beängstigende Szenen noch beängstigender zu machen – d.h. eine
Steigerung der durch die Handlung transportierten Emotionen zu erzielen.
Außerdem kann das Publikum durch unterschiedliche Intensität des 3D
Effekts dazu gebracht werden, sich einem Character entweder verbunden oder
eher distanziert zu fühlen. Auch gewisse Charaktereigenschaften können auf
diese Art und Weise vermittelt werden.
Disneys Animationsfilm Bolt ist ein gutes Beispiel dafür, wie die zusätzliche
Dimension zwar in Maßen aber dennoch kreativ zum Einsatz kommen kann.
Dabei ist Bolts Gefühlslage sehr stark mit der Intensität der vom Publikum
wahrgenommenen Tiefe gekoppelt. Die Szenen, in denen er als Superhund im
Einsatz ist und noch im Glauben ist, unbesiegbar zu sein, weisen einen eher
starken 3D Effekt auf. Nachdem Bolt das Filmstudio versehentlich verlassen
hat und auf sich selbst gestellt ist, wird der Tiefeneindruck drastisch reduziert.
Seine Enttäuschung darüber, dass sein bisheriges Leben auf einer Lüge basiert,
und dass all seine Kräfte nur Einbildung waren, wird durch die reduzierte
Gesamttiefe in den einzelnen Szenen unterstützt. Erst langsam, als Bolts Reise
voranschreitet, er Penny immer näher kommt und er den Glauben an sich und
seine neuen Freunde langsam wieder gewinnt, wird auch die Stereo-Intensität
wieder verstärkt. Dieser Film ist ein besonders gutes Beispiel dafür, wie die
Gefühlslage eines Characters durch die Stereoskopie unterstützt werden kann.
Stereoscopic Storytelling
64
Coraline 3-D: Depth Script
Real World
Other World
towards audience
120
Depth (in 2K Pixels)
100
80
60
40
20
0
Screen
-40
-60
Time
behind screen
-20
Near
Far
POA
Abbildung 5.1: Beispiel eines Depth Script aus einer Szene aus dem Film
Coraline. In dieser Szene findet ein Wechsel zwischen der realen und der
Fantasiewelt statt. Dieser Wechsel lässt sich durch den intensiveren Einsatz
des Stereoeffektslässt deutlich erkennen [10].
Das Publikum nimmt diese subtilen Veränderungen nicht bewusst wahr.
Dennoch wird besonders diese Geschichte in der 3D Version weitaus besser
transportiert und ein besserer Bezug zu der Hauptfigur Bolt aufgebaut, als in
der 2D Version. Diese Wahrnehmung ist natürlich rein subjektiv und kann
von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein.
Auch der Stop-Motion Abenteuerfilm Coraline ist ein gutes Beispiel dafür,
dass die Handlung eines Films durch den Einsatz von 3D Effekten maßgeblich
unterstützt und bereichert werden kann. Die Unterschiede zwischen Coralines
normalem Alltag, der sich in einer eher tristen, trostlosen und langweiligen
Gegend abspielt, und der interessanten, aufregenden, farbenprächtigen Fantasiewelt werden durch unterschiedlich intensive Tiefeneffekte unterstützt. Die
eine Welt erscheint flach und der 3D Effekt fällt kaum ins Auge, wodurch eine
Art klaustrophobische Stimmung geschaffen werden soll. Sobald Coraline
jedoch durch die Pforte in die Parallelwelt hinüberschreitet, wird der Tiefeneindruck intensiviert und die Lebhaftigkeit und Besonderheit dieser irrealen
Umgebung dadurch hervorgehoben. Wie massiv der Unterschied zwischen
den beiden Welten ist, lässt sich am Depth Script für eine solche Szene leicht
ablesen (siehe Abbildung 5.1). Zu Beginn der Szene ist der Stereoeffekt noch
relativ milde und ohne große Sprünge eingesetzt. Die ausgenutzte Tiefe ist insgesamt eher gering. Sobald sich das Geschehen in die Fantasiewelt verlagert,
kommt der Tiefeneffekt weitaus sprunghafter und intensiver zum Einsatz. Da
leider keine Stereo-Standbilder des Films verfügbar sind, sind in Abbildung 5.2
Stereoscopic Storytelling
65
Abbildung 5.2: Stills aus dem Stop Motion Film Coraline, die den Unterschied zwischen der realen und der Fantasiewelt besonders gut wiederspiegeln. © LAIKA Studio
lediglich 2D Stills zu sehen. Diese sollen verdeutlichen, wie sich die einzelnen
Welten auch optisch voneinander unterscheiden. Auch die Kamerafahrten in
dem Film unterstützen die 3D Intensität der jeweiligen Szene maßgeblich. In
Coralines richtigem zu Hause sind die Kamerabewegungen sehr eingeschränkt
und meistens statisch. Dadurch wird dem Zuseher das Gefühl vermittelt, ein
Theaterstück zu sehen. Im Gegensatz dazu sind die Kamerafahrten in der Fantasiewelt viel lebendiger, aufwändiger und zum Geschehen passend gestaltet.
Das führt beim Betrachter zu einem intensiveren Filmerlebnis. Die Szenen in
der Parallelwelt erscheinen dadurch realer und greifbarer, als die eher gestellt
wirkenden tristen Alltagsszenen.
Pixar hat in dem neuen Animationsfilm Up29 ebenfalls Lösungen dafür
gefunden, Stereoskopie auf kreative Art und Weise anzuwenden. In Europa ist
der Film zwar noch nicht angelaufen, laut dem Artikel Finding the Language
of Stereo 3D von Matt Armstrong worin er Bob Whitehill, den Stereoscopic
Supervisor von Pixar zitiert, hat man sich dabei für den Einsatz des 3D Effekts
jedoch etwas besonders überlegt. Whitehill wird darin folgendermaßen zitiert
[1]:
„We used long lenses on the square sequences and wider lenses on the
circle ones, and had a relatively shallow space in the square scenes
and deep space in the circle scenes... In the beginning when the character is happy there is a deep space, then it flattens out when he
loses his wife and then it slowly increases throughout the film. Just
like the lack of color in dark scenes make the vibrant images stand
out more, so do the flat scenes enhance the scenes where you are
more aggressive with the 3D.”
Hier sei angemerkt, dass die visuelle Sprache von Up sehr stark auf Kreisen und Quadraten basiert (siehe Abbildung 5.3). Der grimmige alte Mann
29 Starttermin in Österreich: 17. September 2009
Stereoscopic Storytelling
66
Abbildung 5.3: „Russel“ und „Carl Fredricksen“ die beiden Hauptcharaktere
aus Pixars Animationsfilm Up. Der grimmige alte Mann basiert grafisch auf
quadratischen und rechteckigen Formen, während der junge, aufgeweckte
Pfandfinder aus Kreisen aufgebaut ist. © Disney/Pixar
besteht hauptsächlich aus Quadraten, während der junge, lebendige und
abenteuerlustige Pfadfinder ein sehr rundlicher Character ist. Diese geometrischen Unterschiede, ebenso wie die emotionalen Veränderungen während der
Handlung werden durch den 3D Effekt noch verstärkt.
Anhand dieser drei Filmbeispiele lässt sich erkennen, dass Stereoskopie ein
sehr geeignetes Stilmittel ist, um Emotionen im Film zu intensivieren. Stereoeffekte haben die Fähigkeit, das Publikum unbewusst in bestimmte Richtungen zu lenken. Sie können Mitgefühl oder Ablehnung gegenüber einem
Character erzeugen, emotionale Momente verstärken, Beziehungen zwischen
den einzelnen Darstellern unterstreichen und vieles mehr. Die Möglichkeiten
sind unbegrenzt und hängen allein von der Kreativität der verantwortlichen
Personen ab. Jemand, der die Materie versteht, kann damit äußerst beeindruckende und intensive Filmmomente erzeugen, die im reinen 2D Medium
niemals möglich wären.
5.2
Positionierung im Raum = emotionale Distanz
bzw. Nähe
Der Übergang zwischen dem Zuseherraum und der Welt, die sich hinter der
Leinwand auftut, kann im Stereofilm ebenfalls eine tragende Rolle spielen.
Stereoscopic Storytelling
67
Das ist der Fall, wenn die Leinwand als eine Art Grenze gesehen wird – egal ob
real oder auf emotionaler Basis. Je nachdem in welcher Position in der Tiefe
Objekte oder Charaktere positioniert sind, können dadurch beim Publikum
verschiedene Assoziationen oder Reaktionen hervorgerufen und die Dramaturgie sowie der Spannungsbogen des Films dadurch unterstützt werden. Die
kreative und handlungsunterstützende Positionierung entlang der z-Achse
während eines Films kann dabei als Choreographie gesehen werden. Schon in
der Planungsphase sollte man sich bewusst sein, was man in einer Szene erreichen oder transportieren will und dieses Vorhaben durch gezielt eingesetzte
Stereoeffekte unterstreichen.
Im Film Monster vs. Aliens von DreamWorks Animations wurde dieser
Effekt unter anderem bei der Hauptfigur Susan und ihrer charakterlichen Entwicklung während des Films angewandt. Sobald sie die Transformation zur
15 Meter großen Riesenfrau namens Ginormica vollzogen hat, erscheint sie in
vielen Sequenzen vor der Leinwand – also näher beim Publikum. Ihr Verlobter, ihre Familie und Freunde befinden hingegen weiterhin hinter dem Stereofenster. Diese bewusst getrennte Anordnung soll dem Zuschauer unbewusst
eine unüberwindbare Distanz zwischen den einstigen Freunden vermitteln.
Durch ihre Mutation ist Susan für ihre Freunde kein Mensch mehr. Ihre Angst
und Abneigung wird durch die Barriere des Scheinfensters noch intensiviert.
Auch in Produktionen wie Coraline, Bolt oder Ice Age: Dawn of the Dinosaurs sind Szenen zu finden, in denen auf diese Technik zurückgegriffen
wurde. An dieser Stelle soll jedoch zur Abwechslung keine große Stereoproduktion, sondern ein Kurzfilm mit dem Titel Broken30 als zweites Beispiel
herangezogen werden. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass nicht nur die
großen Filmschmieden aus Hollywood fähig sind gute 3D Filme zu produzieren, sondern durchaus auch in studentischen Kurzfilm-Projekten mit dem
Thema experimentiert und beeindruckende Ergebnisse erzielt werden können. Broken wurde schon auf Events und Filmfestivals in New York, Las Vegas
und Stuttgart präsentiert und machte beim diesjährigen „Invazion Contest“31
den 3. Preis in der Kategorie „Stereoscopic Storytelling“. Darin geht es um
zwei Roboter, die in einem Fernsehgerät zu Hause sind. Als das Gerät kaputt
geht und das Glas zerspringt, tut sich vor ihnen eine völlig neue Welt auf.
Der kleinere der beiden möchte diese erkunden. Da er an einem Kabel hängt,
ist ihm dies jedoch unmöglich. Die vertraute Umgebung des Geräteinneren
befindet sich dabei hinter bzw. auf der Screen-Ebene. Jedes Mal wenn er einen
Versuch startet, um aus seiner Welt auszubrechen, erscheint er kurzzeitig vor
der Leinwand und im Zuseherraum. Die für ihn unüberwindbare Grenze zwischen Fernseher und der realen Welt, wird auch hier durch die Leinwand als
Grenze verstärkt (siehe Abbildung 5.4).
30 Der Film Broken und Informationen darüber sind zu finden unter: http://www.svoigt.net/index.
php/broken
31 www.invazion.org
Stereoscopic Storytelling
68
Abbildung 5.4: Still aus dem Film Broken von David Shelton und Stefan
Voigt der als Projekt an der FH Mainz entstanden ist. © Shelton & Voigt
5.3 Kreativer Einsatz der Netzhautrivalität
Die Netzhautrivalität oder auch binokularer Wettstreit oder Wettstreit der Sehfelder genannt, ist in der Stereoskopie eigentlich ein unerwünschter Effekt, der
so gut es geht vermieden werden sollte. Dieser tritt auf, wenn sich auf korrespondierenden Netzhautstellen über einen längeren Zeitraum unterschiedliche
und folgedessen nicht fusionierbare Reize abbilden. Dabei kann es sich um
Farbdifferenzen, unterschiedliche Konturen oder verschiedene Muster in
den betroffenen Szenen handeln. Beim Betrachter führt dieser Effekt meist
zu sehr irritierenden und fehlerhaften Wahrnehmungen. Im Gehirn findet
keine Fusion oder Mischung der beiden unterschiedlichen Halbbilder statt.
Stattdessen kommt es zu einem pulsierenden Wechsel, bei dem abwechselnd
das rechte und linke Halbbild dominiert [18, S. 114–115]. Abbildung 5.5 zeigt
drei einfache Beispiele, die beim Betrachten mit dem Parallel- oder Kreuzblick
einen Wettstreit der Sehfelder hervorrufen.
Wie es oft der Fall ist, kann man sich diesen Fehler, durch den gezielten
und überlegten Einsatz aber durchaus auch zu Nutzen machen. Ein beliebtes
Beispiel, um den positiven Effekt der Netzhautrivalität hervorzuheben, ist das
Feuer. Will man eine Stereoaufnahme eines offenen Kamins mit nur einer
Kamera machen, so lässt sich nicht vermeiden, dass sich das Feuer zwischen
den einzelnen Aufnahmen bewegt. Da die Kontur des Feuers in den Aufnahmen nicht perfekt übereinstimmt, ist eine korrekte Fusion der Flamme im Stereobild nicht möglich. Diese winzigen Unterschiede führen beim Betrachter
zu einer Art Flackern, da das Gehirn einmal der Wahrnehmung des linken
Stereoscopic Storytelling
69
Abbildung 5.5: Drei einfache Beispiele, die beim Betrachten mit dem
Kreuz- oder Parallelblick beim Betrachter einen Wettstreit der Sehfelder
hervorrufen.
und dann der des rechten Auges den Vorrang lässt. Auch wenn ein Flackern
in Bildern meistens unerwünscht ist, so kann es in diesem speziellen Beispiel
durchaus einen wünschenswerten Effekt erzielen. Feuer ist niemals ruhig und
ständig in Bewegung. Dieser Effekt lässt sich durch eine Stereoaufnahme auch
in einem statischen Bild reproduzieren. Auch bei zeitlich versetzten Aufnahmen des Sternenhimmels kann dadurch ein durchaus positiver Effekt erzielt
werden.
Diese Technik funktioniert jedoch nicht nur in statischen Bildern. Der
erste kommerzielle Einsatz des binokularen Wettstreits im Bewegtbild fand
schon im Jahr 1953 im Film Robot Monster statt [27]. Dabei wurde dem linken
Auge für einige Sekunden ein komplett anderer Film, als dem rechten Auge
präsentiert. Während das eine Auge tobende Wirbelstürme zu sehen bekam,
Stereoscopic Storytelling
70
wurden dem anderen einstürzende Bauten und Zerstörung präsentiert. Dieser
Effekt ist sehr verwirrend und irritierend für den Betrachter. Doch genau diese
Gefühlsregung wollen Filmemacher bei ihrem Publikum ab und zu erreichen.
Die Stereoskopie ist dabei ein Medium, das wie dafür gemacht scheint.
Auch für diese kreative Einsatzmöglichkeit des Stereoeffekts soll ein Beispiel einer Independent Produktion herangezogen werden. Tina Braun, die
Siegerin des diesjährigen „Invazion Contests“ – ihr Film Deconstruct32 wurde
mit dem Titel „Best Overall Film“ ausgezeichnet – setzt diese Technik äußerst
gelungen und auf beeindruckende Art und Weise ein. Darin sind verschiedenen Aufnahmen einer belebten Stadt zu sehen. Ansichten von überfüllten
Straßen, Autos die an roten Ampeln halten, Menschen auf dem Weg zur
Arbeit, verschiedenste Hochhäuser, usw. wechseln sich dabei ab. Die einzelnen
Menschen und Autos sind dabei entweder in beiden Halbbildern oder jeweils
nur für ein Auge sichtbar. Tina Brauns Ziel war es, die Sehgewohnheiten des
Publikums zu brechen und deren Erwartungen bewusst nicht zu erfüllen. Je
länger die Handlung andauert, umso extremer und unnatürlicher wird der
Stereoeffekt eingesetzt. Die Veränderungen werden im Verlauf des Films
immer auffälliger, bis hin zur völligen Auflösung des ursprünglichen Bildes.
In Abbildung 5.6 sind einige Stills aus dem Film zu sehen. Während im ersten
Bild der 3D Effekt noch relativ simpel und den Erwartungen entsprechend
angewendet wird, ist er in den beiden anderen Ansichten viel extremer und
kreativer eingesetzt.
5.4 Kombination aus 2D und 3D
Auch durch den Einsatz von Depth Grading kann eine durchgehende Kontinuität in der Tiefe nicht immer gewährleistet werden. In solchen Fällen und
vor allem für Szenen, in denen eine schnelle Schnittfolge notwendig ist, bietet
sich oftmals eine Kombination aus 2D und 3D an.
Ein Stereofilm muss, wie man aus den vorherigen Kapiteln weiß, nicht
immer die gleiche Intensität an Tiefeneffekten haben. Je nach Stimmung kann
diese variiert werden. Doch dabei kann man nicht nur zwischen starken und
leichtem 3D wechseln, sondern durchaus auch Szenen einbauen, in denen der
3D Effekt sehr reduziert bzw. nicht vorhanden ist. So können auch im Stereofilm schnelle Schnitte oder rasante Kamerafahrten realisiert werden. Natürlich
müssen diese Wechsel zwischen 2D und 3D Szenen fließend von statten gehen,
damit der Betrachter davon nichts bemerkt und nicht aus der Handlung gerissen wird. Phil McNally, der Global Stereoscopic Supervisor von DreamWorks
Animation erklärt diese Herangehensweise folgendermaßen [37]:
32 Deconstruct kann auf folgender Website im Anaglyphenverfahren betrachtet werden: http://tinabraun.de/deconstruct.html
Stereoscopic Storytelling
Abbildung 5.6: Stills aus dem Film Deconstruct. Je weiter der Film fortgeschritten ist, umso intensiver und experimentierfreudiger wird der 3D Effekt
eingesetzt © Tina Braun
71
Stereoscopic Storytelling
72
“I tend to think of it as having a choice between 2D motion and 3D
depth. Imagine it like a slider: as you go more toward 2D motion,
the further you go from 3D depth.”
Die hier beschriebenen Möglichkeiten, um einen Film durch den Einsatz
von Stereoeffekten zu bereichern sind natürlich bei weitem nicht vollständig.
Speziell auf diesem Gebiet gibt es noch sehr viel zu entdecken. Solange man
sich dessen bewusst ist, dass die oberste und wichtigste Regel bei der Produktion eines Stereofilms die ist, dass der Stereoeffekt keinen Schaden anrichten
darf – weder beim Kinoerlebnis für den Betrachter noch für die Handlung
– hat die Stereoskopie durchaus eine Chance, die Filmsprache maßgeblich zu
revolutionieren.
5.5 Sound im Stereofilm
Mehrkanal-Tonsysteme im Kino oder in den heimischen Wohnzimmern sind
seit vielen Jahren Standard. Die Bilder hinkten dem Sound in diesem Thema
lange Zeit hinterher. Jetzt wo die Bildtechnik dabei ist, mit dem 3D Effekt des
Tons aufzuschließen, stellt sich die Frage, wie und ob sich Stereo Sound und
Stereo Bilder vereinbaren lassen.
Stellt man sich die Wirkungsbereiche von 3D Ton und Bild als 3D Volumina vor und legt diese übereinander, so lässt sich feststellen, dass diese nicht
perfekt überlappen (siehe Abbildung 5.7). Während der Ton, aufgrund der
Anordnung der einzelnen Lautsprecher, das Volumen eines Rechtecks aufweist und den gesamten Raum ausfüllt, ist der Wirkungsbereich des Stereobilds der Comfort Zone (vgl. Abschnitt 4.2.1) nachempfunden – d.h. das eher
pyramidenartige Volumen füllt zwar nicht den gesamten Raum aus, reicht
jedoch ein gutes Stück hinter die Leinwand [32, S. 155–156]. Die Tatsache,
dass die beiden Volumina so stark voneinander abweichen, lässt darauf schließen, dass auch die Arbeit des Tonmischers, nicht einfach vom 2D Film auf
den Stereofilm übertragen werden darf. Es muss ein Weg gefunden werden,
den 3D Sound auf die 3D Bilder abzustimmen. Da dieses Thema bisher kaum
öffentlich behandelt wurde, ist es äußerst schwierig Informationen und Meinungen darüber zu finden.
Ein äußerst beeindruckendes Experiment dazu wird in der Zeitschrift Digital Production in dem Artikel 3D für alle Sinne beschrieben [22]. Darin geht
es um ein Forschungsprojekt, das bereits im Jahr 2006 an der Fachhochschule
Schmaldalken verwirklicht wurde. Ziel war die Realisierung des stereoskopischen Mixed-Reality-Films Man nennt mich Frieden mit 3D-Raumklang. Für
die Audiodarstellung kam dabei die Technologie IOSONO zum Einsatz. Dabei
handelt es sich um ein am Fraunhofer IDMT33 entwickeltes Soundsystem,
33 Fraunhofer Institute for Digital Media Technology – http://www.idmt.fraunhofer.de
Stereoscopic Storytelling
L
LFE
L
73
CL
R
LS
L
RS
R
L
LS
RS
R
screen
L
R
R
LS RS
L
LS
sound Space
R
RS
LFE
C
le/right front
center
le/right surround
low-frequency effects
Abbildung 5.7: Die Wirkungsbereiche von Stereo-Sound und Stereo-Bild
sind nicht überlappend [32, S. 155].
das sich die Wellenfeldsynthese zu Nutze macht. Im Gegensatz zu bisherigen
Audiowiedergabe Systemen, wie zum Beispiel Dolby Digital 5.1, ist es damit
möglich, das Klangfeld der Aufnahmesituation exakt und realitätsgetreu zu
reproduzieren, sowie Richtung und Distanz des Schalls punktgenau zu steuern. Dies gelingt mit Hilfe eines linearen Lautsprecherarrays – d.h. der gesamte
Wiedergaberaum ist von Lausprechern umgeben (siehe Abbildung 5.8). Die
genauere Funktionsweise von IOSONO soll anhand eines kurzen Ausschnitts
aus einem Artikel des Fraunhoferinstitus erklärt werden [8]:
„Bei der Wiedergabe über Wellenfeldsynthese wird das Signal für
jeden einzelnen Lautsprecher abhängig von der Position der einzelnen virtuellen Schallquellen unterschiedlich berechnet. Somit kann
das Klangfeld der Aufnahmesituation exakt reproduziert werden.
Es ist möglich, sowohl Punktquellen als auch ebene Wellen nachzubilden. Auch gemessene oder simulierte Raumreflexionen werden
bei der Wiedergab über das Wellenfeldsynthese-System berücksichtigt... Bei der praktischen Umsetzung werden Pegel, Position und
Abstand der Schallquellen getrennt von den Schalleigenschaften
des Raumes aufgezeichnet und verarbeitet. Durch diese getrennte
Stereoscopic Storytelling
74
Abbildung 5.8: Annordnung des Lautsprecherarrays beim IONOSO-System.
© 2005 Fraunhofer IDMT
Erfassung ist es möglich, Schallquellen unabhängig voneinander zu
manipulieren.“
Eine für den Stereofilm besonders wichtige Tatsache ist die, dass dem
Zuschauer mit dem IOSONO-System eine größere Entfernung zwischen
einem selbst und den Schallquellen (Lautsprecher) vorgetäuscht werden kann
– d.h. auch Geräusche hinter der Leinwand können damit realisiert werden.
Kapitel 6
Schlussbemerkungen
Schlussbemerkungen
Ob dem Stereofilm in den nächsten Jahren der entgültige Durchbruch gelingt,
oder ob der Zusatz „3D“ schon bald wieder von der Bildfläche verschwindet,
ist heute nicht absehbar. Aufgrund des momentan sehr großen Interesses
von namhaften Hollywood Regisseuren und Studios wie zum Beispiel James
Cameron, Steven Spielberg, Disney/Pixar oder DreamWorks, stehen die
Chancen für eine Zukunft des 3D Films jedoch nicht schlecht. Ich persönlich
glaube, dass die Etablierung des 3D Kinos als Standard noch einige Jahre auf
sich warten lassen wird. Denn die Vorurteile gegenüber dieser Art von Filmen,
die in der Vergangenheit oft in einem Atemzug mit den Worten Unbehagen,
Kopfschmerzen oder Fehlerhaftigkeit genannt wurden, haben sich in den
Köpfen der Menschen eingebrannt. Auch die immer noch notwendigen und
für manche störend wirkenden 3D Brillen tragen nicht unbedingt positiv zu
deren Siegeszug bei. Wie beim Wechsel vom Schwarz-Weiß zum Farbfilm oder
vom Stumm- zum Tonfilm, braucht das Publikum eine gewisse Zeit, sich an
diese Form des Filmerlebnisses zu gewöhnen. Doch nicht nur die Zuschauer,
sondern auch die Filmemacher brauchen eine gewisse Eingewöhnungs- und
Einarbeitungszeit. Auch wenn der erste stereoskopische Film schon im Jahr
1903 produziert wurde, so befindet sich der digitale Stereofilm noch in seinen
Kinderschuhen. Es handelt sich dabei um ein Medium, das erst noch erforscht
werden muss, um sein wirkliches Potenzial zu zeigen.
Stereoskopie kann keine Wunder vollbringen. Ein Film wird immer nur
dann gut sein, wenn die Macher ihr Handwerk verstehen und wissen, wie sie
es einzusetzen haben. Es ist von absoluter Notwendigkeit, die verschiedenen
Möglichkeiten aber auch die Grenzen und Probleme einer Stereoproduktion
zu kennen. Obwohl diese, im Vergleich zu 2D Produktionen, momentan noch
um einiges komplexer, aufwändiger und meist teurer sind, so wird sich dieser
Mehraufwand in den meisten Fällen durchaus rechnen. Wichtigste Voraussetzung dafür ist natürlich, dass neben dem Handwerk auch die Dramatur-
75
Schlussbemerkungen
76
gie stimmt. Bernard Mendiburu bringt diese Tatsache gut auf den Punkt. Er
schreibt [32, S. 3]:
„There will be no 3D cinema without these two elements: stories
really benefiting from 3D and fully developed 3D cinematography.
On one hand, this may not happen soon, just like not all movies
have to be in color and people have enjoyed black-and-white movies
for decades.“
Die Möglichkeiten der Stereoskopie eröffnen für Spielfilme aber auch für
Werbungen, Imagefilme oder Musikvideos kreative und beeindruckende Bilderwelten, die einerseits für das Publikum sehr ansprechende und interessante
Inhalte liefern, andererseits für die Produzenten eine Vielzahl an neuen Herausforderungen darstellen. Während der Ausarbeitung dieser Arbeit und der
theoretischen, sowie praktischen Auseinandersetzung mit dem Thema Stereoskopie konnte ich einen guten Einstieg in diese interessante und trotz des
Alters noch relativ „junge“ Materie gewinnen. Mein Ziel war es, die geschichtliche Entwicklung der Stereoskopie in Film aufzuarbeiten und ihre zukünftigen Möglichkeiten zu untersuchen. Hierfür wurden sowohl die technischen,
als auch kreativen Aspekte einer Stereoproduktion analysiert und der Frage
nachgegangen, ob Stereoskopie das Potential hat, mehr als nur ein effektvolles
Gimmick zu sein. Diese Frage ist meiner Meinung nach eindeutig mit „Ja“ zu
beantworten. Stereoskopie hat das Potential, sich zu einem Massenmedium zu
entwickeln und zu einem anerkannten Stilmittel der Filmsprache zu werden.
Sowohl die nötige Technik als auch die erforderliche Software und interessierte
Filmemacher sind vorhanden. 3D Filme können dem Publikum ein komplett
neues Filmerlebnis bieten.
Nach der intensiven Auseinandersetzung mit etlichen unterschiedlichen
Stereoproduktionen – darunter sowohl große Hollywoodproduktionen, als
auch kleinere Studentenprojekte – ist mir einerseits bewusst geworden, wie
kreativ und innovativ diese Technik eingesetzt werden kann, aber auch wieviele Fehler und Störeffekte damit produziert werden können. Dabei kann
man keinesfalls sagen, dass die großen Filmschmieden perfekte und Privatpersonen eher fehlerhafte Ergebnisse abliefern. Oft strotzen gerade kleinere
Produktionen nur so an Kreativität und Entdeckergeist. In der Stereoskopie
sind experimentierfreudige Köpfe gefragt, die bereit sind, vorhandene Regeln
zu brechen, Grenzen auszuloten und neue, unerforschte Wege zu gehen. Denn
damit der 3D Film auch nach der erneuten Begeisterungswelle nicht wieder
von der Bildfläche verschwindet, muss neben der neuartigen und effektvollen räumlichen Tiefe auch eine gewisse narrative Tiefe gefunden werden.
So einfallsreich und gelungen „In your Face“ Effekte, die zuckende Körper
oder vor das Gesicht geworfene Hände zur Folge haben, auch eingesetzt
werden, auf die Dauer wirken sie relativ eintönig und die Zuschauer werden
Schlussbemerkungen
77
von dramaturgischer Seite her etwas mehr von den Produzenten fordern.
Stereoskopie kann, sofern sie richtig eingesetzt wird, ein nie dagewesenes Filmerlebnis erzeugen. Sie bietet unendlich viele Möglichkeiten, die Handlung
eines Films zu bereichern und den Zuschauer richtig in das Geschehen zu
integrieren. Genau dafür soll diese Arbeit einen Anreiz bieten. Abschließen
möchte ich meine Arbeit mit den Worten von Rob Engle, dem 3D & Visual
Effects Supervisor von Filmen wie G-Force, Beowolf, Monster House oder The
Polar Express 3D:
“We have three hurdles to overcome. One, audience acceptance
among adults as much as kids. Two, filmmaker acceptance—not
every filmmaker is as excited as Burton, Spielberg, Zemeckis, and
Cameron. It remains to be seen at what stage everyone jumps
onboard, and that may never happen. And three, making the decision a nobrainer. We’re not there yet. We have a lot of work to do
with tools, but what we’re really missing right now is experience.
The visual language is still evolving.”
Rob Eagle, [38]
Anhang A Inhalt der DVD
Inhalt der DVD
File System: Joliet
Mode: Single-Session (DVD)
A.1 Masterarbeit
Pfad: /Masterarbeit
masterarbeit.pdf���������� Masterarbeit
A.2 Diplomprojekt
Pfad: /Diplomprojekt
workaholic.mov���������� Diplomprojekt „Workaholic“
A.3 Online-Literatur und Berichte
Pfad: /Quellen
*.pdf ���������������������������� Technische Berichte, Artikel und Online-Literatur
A.4 Videos
Pfad: /Videos
*.mov und *.flv ����������� Sammlung diverser in der Arbeit erwähnter oder
zusätzlicher 3D Videos
78
Inhalt der DVD
79
A.5 Bilder
Pfad: /Bilder
*.eps ����������������������������� alle in der Arbeit verwendeten Bilder und Grafiken
im EPS-Format
A.6 stereoskopische Bilder
Pfad: /stereoskopischeBilder
*.jpg ����������������������������� eine Auswahl an stereoskopischen Bildern, die den
Einsatz des Floating Windows besonders gut zum
Einsatz bringen
Literaturverzeichnis
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www.screendaily.com/3d-cinema-shows-strength-in-depth/5002670.
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Around%20by%20Norman%20McLaren.html.
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