NDR Info Das Forum

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NDR Info Das Forum
NDR Info Das Forum
12.03.2005/19.20-19.50 Uhr
STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN
13.03.2005/12.30-13.00Uhr (Wh.)
Andreas Flocken
Inhalt:
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Attacke auf die Innere Führung – General a.D. Günzel gibt Ratschläge an studierende Offiziere
Drei Jahre nach dem tödlichen Marineunfall in der Ostsee – Kommandant als Sündenbock?
Deutsches Wiederaufbauteam im afghanischen Faisabad – Im Notfall auf verlorenem Posten?
Verhandlungen über das iranische Atomprogramm – Scheitern der Gespräche programmiert?
Zur Verfügung gestellt vom NDR
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Heute mit einer neuen Ausgabe der Sendereihe Streitkräfte und Strategien.
Willkommen meinen Damen und Herren.
Das Konzept der Inneren Führung ist einer der Grundpfeiler der Bundeswehr.
Zusammen mit dem Leitbild vom Staatsbürger in Uniform soll es dafür sorgen,
dass sich die Soldaten mit der demokratischen Gesellschaft im Einklang befinden. Auch der Soldat soll die demokratischen Werte verinnerlichen. Befehle
müssen sich an Recht und Gesetz orientieren.
In der 50-jährigen Geschichte der Bundeswehr hat es allerdings schon mehrmals Versuche gegeben, die Innere Führung als „Inneres Gewürge“ über Bord
zu werfen. Zum Beispiel 1969, als der damalige stellvertretende Heeresinspekteur Grashey die Innere Führung als Maske bezeichnete, die jetzt, nach dem
Aufbau der Bundeswehr, abgenommen werden könne. Mit der laufenden Umstrukturierung der Bundeswehr in eine Einsatzarmee droht das Konzept einmal
mehr auf das Abstellgleis zu geraten. Und zwar nicht erst seit den Misshandlungsfällen von Coesfeld. Mancher fordert seit längerem einen neuen Soldatentyp, den archaischen Kämpfer. Solche Stimmen waren auch schon aus der militärischen Führungsspitze zu vernehmen.
Der nächste Schritt - hin zur Ablehnung der Inneren Führung - ist dann nicht
mehr weit. Klartext geredet hat jetzt der umstrittene ehemaligen BundeswehrGeneral Reinhard Günzel, und zwar auf einer Veranstaltung der Studentenverbindung Mecklenburgia-Rostock am 14. Januar in Hamburg. Zur Erinnerung:
Günzel musste im November 2003 gehen, weil er den damaligen CDUAbgeordneten Hohmann zu einer Rede gratuliert hatte, die als antisemitisch
kritisiert wurde. Wie die Redaktion von Streitkräfte und Strategien erfahren hat,
waren rund 60 Zuhörer gekommen – darunter schätzungsweise 20 studierende
Bundeswehr-Offiziere - um dem früheren Chef des Kommandos Spezialkräfte
KSK zu lauschen. Thema des Vortrages: „Kritische Betrachtung ausgewählter
Aspekte in der Konzeption der Bundeswehr.“ Damit auch das richtige Publikum
kommt, waren die Einladungen an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität
der Bundeswehr ausgelegt worden.
Und weil man bei dem Vortrag ja quasi unter sich war, nahm Reinhard Günzel
kein Blatt vor den Mund. Er machte einen Rundumschlag gegen die Bundeswehr, die politische Führung und die gesamtgesellschaftliche Situation wie sich
ein Teilnehmer erinnert. Die Innere Führung sei ein unausgegorenes Konzept.
Es müsse immer wieder neu definiert werden. Zudem würde es ganze Verwaltungsapparate unnötigerweise beschäftigen. Der Brigadegeneral a.D. machte
deutlich, dass er nicht viel von der Inneren Führung hält. Das Konzept bewirke,
dass das Prinzip von Befehl und Gehorsam ausgehöhlt werde. Das Wunschbild
vom Staatsbürger in Uniform sei ebenfalls eine Fehlkonzeption. Weil es sich für
Günzel auf zwei Säulen stützt: Die eine sei die totale Absage an jegliche soldatische Kultur und Tradition, die sich außerhalb der Bundeswehr entwickelt habe. Die andere Säule sei der Aufbau einer wirkungsvollen Drohkulisse nach
außen, allerdings mit Soldaten, die sich nach innen brav und gefahrlos verhielten.
Nach Angaben eines Zuhörers stellte der frühere KSK-Chef dann unmissverständlich fest: Den Soldaten, der im Dienst kämpft und sein Leben riskiert, in
seiner Freizeit aber ein Staatsbürger wie jeder andere sein solle, den gebe es
nicht. Spätestens mit den ersten Auslandseinsätzen der Bundeswehr in den
90er Jahren habe sich das Konzept des Staatsbürgers in Uniform überholt.
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Abschließend trug Günzel Maßnahmen vor, wie man aus seiner Sicht gegensteuern müsse. Er forderte, das Konzept des Staatsbürgers in Uniform aufzugeben, so wird berichtet. Der Soldat solle sich stattdessen an einem ganz bestimmten Typus orientieren, der eher dem archaischen Kämpfertyp entspreche.
Außerdem müsse man sich in der Armee rückbesinnen: auf traditionelle und
gemeinschaftsbezogene Wertvorstellungen. Soldatisches Berufsethos sei notwendig, damit eine Armee funktioniere.
Nach dem rund einstündigen Vortrag sollte es eigentlich eine Diskussion geben. Daraus wurde aber eine Fragestunde. Die Wortmeldungen wurden dabei
von vielen genutzt, dem General a.D. für die Klarheit seiner Ausführungen zu
danken und ihm zuzustimmen. Mancher fragte Günzel auch um Rat. Einige
junge Offiziere stellten sich mit Dienstgrad und Namen vor und wollten wissen,
wie sie sich angesichts der von ihm geschilderten misslichen Lage am besten
Verhalten sollten. Günzel hatte eine Antwort parat: Als er in die Bundeswehr
eingetreten sei, da sei die Lage auch alles andere als rosig gewesen. Entgegen
seinen Hoffnungen sei aber alles noch viel schlimmer gekommen. Heute dagegen sei die Lage verfahren. Es könne kaum noch schlimmer werden. Daher
der Rat des ehemaligen KSK-Chefs an die jungen Offiziere: Es sei das Beste
sich anzupassen, und trotz aller widrigen Umstände zu versuchen, ein guter
Soldat zu sein.
Ein guter Soldat, aber kein Staatsbürger in Uniform. Günzels Botschaft droht
bei einigen jungen Offizieren offenbar auf fruchtbaren Boden zu fallen. Keine
guten Aussichten für die Innere Führung.
Die Themen in Streitkräfte und Strategien:
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Drei Jahre nach dem tödlichen Marinefall in der Ostsee –
Kommandant als Sündenbock?
-
Deutsches Wiederaufbauteam im afghanischen Faisabad – Im Notfall
auf verlorenem Posten? Und:
-
Verhandlungen über das iranische Atomprogramm – Scheitern der Gespräche programmiert?
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Zu unserem ersten Thema. Es geht um einen Manöverunfall vor drei Jahren,
über den wir schon einmal in dieser Sendung berichtet haben. Zwei Marinesoldaten sind damals bei dem Unglück ums Leben gekommen. Aus Sicht der Marine-Führung ist der Fall aufgearbeitet und abgeschlossen. Doch das sehen der
Vater eines der Opfer und auch der Kommandant des betroffenen Schiffes anders. Michael Hyngar berichtet:
Manuskript Michael Hyngar
„Strong resolve“ heißt die NATO-Übung auf der Ostsee im März 2002. Starke
Entschlossenheit. Ein Ziel der Übung: Die Zusammenarbeit verbessern zwischen den NATO-Mitgliedern. Auf der Ostsee nehmen unter anderem die britische Fregatte „Cumberland“ und die deutsche „Mecklenburg-Vorpommern“ an
der Übung teil. Das Wetter ist schlecht, Windstärke sieben, drei Meter hohe
Wellen. Das Wasser knapp drei Grad kalt. Die Übung verläuft erfolgreich. Die
Zusammenarbeit klappt gut. Bis zum Nachmittag. Da sollen drei deutsche Soldaten in einem kleinen Beiboot von der „Cumberland“ zur „MecklenburgVorpommern“ übersetzen. Begleitet von zwei britischen Soldaten. Doch das
Beiboot kentert. Alle fünf stürzen in die eiskalte Ostsee. Der 21-jährige Samuel
Scheffelmeier und sein Kamerad Stefan Paul sterben. Sie ertrinken.
Bis heute, drei Jahre nach dem tragischen Unglück auf der Ostsee, beschäftigen sich Gerichte mit den Umständen des Todes der zwei jungen Soldaten.
Verfahren beim Oberlandesgericht und beim Landgericht Oldenburg sowie vor
dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht sind abgeschlossen. Nun hat Wolfgang Scheffelmeier, Vater des verunglückten Samuel, über seinen Anwalt
Schadensersatzklage gegen den damaligen Kommandanten der deutschen
Fregatte eingereicht:
O-Ton:
„Der Kommandant der Mecklenburg-Vorpommern pocht auf sein Recht. Und
wir wollen das Gleiche. Wir wollen beide wissen: wer übernimmt jetzt die Verantwortung.“
Für Wolfgang Scheffelmeier gibt es zwei Verantwortliche: Fregatten-Kommandant Frank M. und die deutsche Marine. Denn die Rettungsaktion lief nach seiner Überzeugung nicht so, wie der Name der NATO-Übung – starke Entschlos4
senheit – hätte hoffen lassen: Die Mannschaft der „Mecklenburg-Vorpommern“
übernimmt nur eine passive Rolle. Kommandant Frank M. überlässt der „Cumberland“ die Rettung, den Befehl „Mann über Bord“ gibt er nicht. Und er gibt
auch nicht den Befehl, ein Motorrettungsboot einzusetzen, um dabei zu helfen,
die Ertrinkenden zu retten. Wolfgang Scheffelmeier:
O-Ton:
„Dem Kommandanten werfe ich vor eben diese unterlassene Hilfeleistung. Er
hatte genügend Möglichkeiten. Er wurde von vielen Offizieren, auch vom Oberbootsmaat, dringend aufgefordert, vom ersten Offizier, der stand hinter ihm mit
geballter Faust und hat gesagt: Kapitän, Kapitän, lassen sie das Boot herunter,
wir können den Mann retten.“
Doch Fregattenkapitän Frank M. will das Motorrettungsboot, in der Marinesprache MRB abgekürzt, nicht einsetzen. Sein Anwalt Carsten Grau erklärt warum:
O-Ton:
„Die Tatsache, dass das Motorrettungsboot so schwer ist, und so manöveruntauglich und sich so schwer steuern lässt, und das Aussetzen so gefährlich ist,
hat meinen Mandanten unter anderem unter den obwaltenden Seegangsumständen, unter der Manöversituation, dazu bewogen, das Boot nicht auszusetzen."
In seinen Augen hat sein Mandant alles getan, was in der Situation zu tun war:
O-Ton:
„Es war meinem Mandanten bekannt, dass das ‚Mann-über-Bord-Manöver’, die
sogenannte ‚Mann-über-Bord-Rolle’; die war bereits, wie es sich auch gehört,
auf der ‚Cumberland’ ausgelöst worden. Denn diese Fregatte war es ja, deren
Boot gekentert war. Insofern hat sie die ‚Mann-über-Bord-Rolle’ ausgelöst und
mein Mandant hat die ‚Mann-über-Bord-Rolle’ in der Tat nicht ausgelöst an
Bord des Schiffes, hat aber alle Voraussetzungen hergestellt, er hat alle Soldaten auf die entsprechenden Positionen beordert, damit man eine quasi ‚Mannüber-Bord’-Situation hat.“
Doch Soldaten-Vater Scheffelmeier reicht diese Begründung nicht:
O-Ton:
„Das Oberlandesgericht hat diese Sache untersucht, und es wurde festgestellt,
dass die ‚Mecklenburg-Vorpommern’ - obwohl die ‚Cumberland’ die Rettungshoheit hatte - die beste Rettungsposition und zwar drei Mal innerhalb von 20
Minuten hatte.“
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Aber selbst wenn Fregatten-Kommandant Frank M. hätte aktiv werden wollen –
die offenbar mangelhafte Ausstattung seines Schiffes mit Rettungsmitteln hätte
ihm kaum Möglichkeiten gegeben: So gab es zwar neben dem Motorrettungsboot ein so genanntes Speedboot. Doch dies konnte nicht zu Wasser gelassen
werden, weil der dafür notwendige Bordladekran nicht funktionstüchtig war – so
steht es in den Gutachten, die dem Landgericht Oldenburg vorlagen. Ohnehin
durfte die „Mecklenburg-Vorpommern“ deswegen nur mit einer Ausnahmegenehmigung, die ebenfalls dem Landgericht Oldenburg vorliegt, den Hafen verlassen. Doch die Marine will von so etwas nichts wissen. Die Pressestelle verweigert ein Interview zu diesem Thema, stellt lediglich in einer schriftlichen
Antwort fest:
Zitat: „Der zum Aussetzen des Speedbootes auf der Fregatte ‚MecklenburgVorpommern’ installierte Bordladekran war zum Zeitpunkt des Unfalls funktionstüchtig.“
Dazu Wolfgang Scheffelmeier, der Vater des ertrunkenen Soldaten:
O-Ton:
„Das ist eine Lüge. Eine Lüge der Marineführung. Die Marine hat innerhalb von
zwei Jahren 25 Ausnahmegenehmigungen erstellt. Ich weiß über diesen Bordladekran, dass dieses Ding einfach billig beschafft wurde, von einem Kleinsthersteller. Dass dieser Kleinsthersteller das Ding nicht in den Griff bekommen
hat und diese Mängel einfach nicht beseitigt werden konnten. Und auch die
Marine nicht darauf gedrängt hat, dass das beseitigt wurde.“
Auch Reinard Südbeck, Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg, wundert
sich darüber, dass die Marine plötzlich behauptet, mit dem Kran sei alles in
Ordnung gewesen:
O-Ton:
„Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Oldenburg war der Bordladekran auf der ‚Mecklenburg-Vorpommern’ zum Zeitpunkt des Unfalls nicht funktionstüchtig. Die Tatsache, dass es eine Sondergenehmigung zum Auslaufen
gab, und zwar vom 7.11.2001 zeigt allein schon, dass dieser Kran nicht in Ordnung gewesen sein kann, sonst hätte man keine Sondergenehmigung machen
müssen."
Ein Motorrettungsboot, das bei hoher See nicht eingesetzt, ein Speedboot, das
aufgrund eines defekten Krans nicht ins Wasser gelassen werden kann. Und
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eine Fregatte, die deshalb nur mit Ausnahmegenehmigungen überhaupt einen
Hafen verlassen darf. Durch Gutachten und sogar marineeigene Untersuchungen belegt. Doch für Marineinspekteur Lutz Feldt gibt es keine Sicherheitsmängel. Während das Strafverfahren vor dem Landgericht Oldenburg anhängig
ist, gibt er am 3. März 2004 einen Tagesbefehl an alle Kommandeure, Kommandanten und Einheitsführer heraus. Nimmt zur Kritik an den Rettungsmitteln
Stellung: In außerordentlichen Fällen wie etwa einem Seenotrettungsfall, so der
Inspekteur, könnten Speedboot und Motorrettungsboot eingesetzt werden. Sein
Fazit: es gebe keinen Anlass, die grundsätzliche Eignung der Rettungsmittel an
Bord der „Mecklenburg-Vorpommern“ in Frage zu stellen.
Sicherheit per Befehl verordnet? Der Kommandant der „Mecklenburg-Vorpommern“ als Sündenbock? Für Carsten Grau ist der Tagesbefehl des Marineinspekteurs eher der Versuch, indirekt in ein damals laufendes Verfahren einzugreifen und potentielle Zeugen zu beeinflussen:
O-Ton:
„Hätte die Kammer beim Landgericht das Verfahren eröffnet, wären wenigstens
13 Marineangehörige, wahrscheinlich noch mehr, als Zeugen zu vernehmen
gewesen, und die hätten sich möglicherweise gebunden gefühlt an diesen Tagesbefehl ihres höchsten Marineoffiziers und wären da rein gegangen und hätten gesagt: Nein, nein. Es gibt keine Mängel.“
Für Rechtsanwalt Grau war deshalb ein faires Verfahren nicht mehr gegeben.
Er legte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den
Tagesbefehl ein. Seine Beschwerde wurde dort zwar als zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen. Nun hat Grau für seinen Mandanten beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerden eingelegt und will dort
den Anspruch auf ein faires Verfahren durchsetzen und den ehemaligen Kommandanten Frank M. rehabilitieren. Doch bis die Karlsruher Richter eine Entscheidung verkünden, kann es lange dauern. In der Zwischenzeit wird sich
Frank M. mit der Schadenersatzklage von Wolfgang Scheffelmeier auseinander
setzen müssen.
Für die Verantwortlichen bei der Marine hingegen ist der Fall offenbar schon
lange erledigt. Die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern" ist derzeit im Anti7
Terror-Einsatz am Horn von Afrika. Nach Angaben der Marine ohne Ausnahme- und Sondergenehmigungen.
Flocken:
Juristisch abgeschlossen ist der Marineunfall also noch lange nicht. Im Gegenteil. Der ehemalige Kommandant der Mecklenburg-Vorpommern hatte im vergangenen Jahr aufgrund des im Beitrag genannten Tagesbefehls des Marineinspekteurs eine Strafanzeige gegen Lutz Feldt gestellt: wegen Verletzung privater und dienstlicher Geheimnisse sowie Missbrauchs der Befehlsbefugnis.
Die zuständige Staatsanwaltschaft Bonn stellte das Verfahren nach einigen
Monaten jedoch ein. Gegen diese Entscheidung wurde Anfang des Jahres Beschwerde eingelegt. Und jetzt liegt der Fall bei der Generalstaatsanwaltschaft
Köln.
Die Bundeswehr will sich stärker als bisher in Afghanistan engagieren. In Kundus und Faisabad leiten die Deutschen bereits zwei sogenannte PRT’s – Wiederaufbauteams, die für ein sicheres Umfeld sorgen sollen. Und schon bald will
man für den ganzen Norden des Landes verantwortlich sein. Diese Region lebt
vor allem vom Drogenanbau. Der Mohnanbau ist seit dem Sturz des Talibanregimes im gesamten Land geradezu explodiert. Die Amerikaner und Briten wollen diese Entwicklung jetzt stoppen. Die Bundeswehr hat dafür kein Mandat
und hält sich deshalb zurück. Trotzdem droht sie immer mehr in das Fadenkreuz der Clanchefs zu geraten. Denn für die ist der Drogenanbau ein riesiges
Geschäft. Und das wollen sie sich nicht vermasseln lassen. Franz Hutsch hat
sich vor Ort umgesehen:
Manuskript Franz Hutsch
Oberst Said Abudin Massoudi ist gerne Polizist. Auch wenn das im nordostafghanischen Städtchen Baharak nicht leicht ist. Wenn der Polizeichef seine Kollegen nachts auf Streife schickt, latschen die ihren 15 bis 20 Kilometer langen
Patrouillenweg zu Fuß ab. Ohne Funkgerät, in löcherigen Stiefeln, die rostige
Kalaschnikow geschultert. „Entweder sie kommen am nächsten Morgen zurück, oder sie sind tot“, zuckt Massoudi hilflos mit den Schultern.
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Seine Leute sind die Kämpfer, die eine immer wichtigere Rolle in den AntiDrogen-Plänen von Präsident Hamid Karsai spielen. In diesen Tagen will sich
das Staatsoberhaupt mit den Gouverneuren der vier nordafghanischen Provinzen Baghlan, Kundus, Takhar und Badakshan an einen Tisch setzen. Das Ziel:
Freiwillig sollen die Regionalfürsten bestimmen, wie viele Mohnfelder sie bis
Ende April, also kurz vor der ersten Opiumernte, vernichten wollen. Mit Alternativprogrammen - sie werden vor allem von den USA finanziert - soll den Mohnbauern der Ausstieg aus dem Drogenanbau schmackhaft gemacht werden.
1.500 Dollar bar auf die Hand sollen sie erhalten, wenn sie aus eigenem Antrieb einen Hektar Schlafmohn unterpflügen.
Tun sie das nicht, rücken ab Mitte Mai auch die Kämpen des Polizeichefs Massoudi an, um gewaltsam die löwenzahngleichen Pflanzen zu vernichten. Sie
wurden von den Briten zu afghanischen Anti-Drogen-Polizisten ausgebildet,
und begleitet werden sie bei ihren Einsätzen zunächst von britischen und vermutlich auch amerikanischen Spezialeinheiten.
Spätestens wenn die für die Rohopiumproduktion notwendigen unreifen Pflanzen brennen oder von den Fuß-Sohlen extra dafür angeheuerter Teenager
zerquetscht werden - spätestens dann rechnen viele Sicherheitsexperten mit
Unruhen am Hindukusch. Immerhin werden allein in den Nordprovinzen Afghanistans etwa 15 Prozent des weltweit vertriebenen Rohopiums hergestellt. Ein
millionenschweres Geschäft, auf das weder Drogenbarone noch viele der
Mohnbauern verzichten wollen.
Deshalb ist sich der Kommandeur des deutschen Provincial Reconstruction
Teams in Kundus sicher: „Die Counter Narcotic Operations werden die Sicherheitslage dramatisch verändern“, sagt Oberst Axel Binder nachdenklich.
Denn während sich afghanische, britische und amerikanische Spezialeinheiten
nach getaner Mohn-Vernichtung wieder zurückziehen werden, bleiben die
deutschen Soldaten in Kundus und Faisabad im Herzen der Anbaugebiete zu9
rück. Schließlich lautet ihr Auftrag, zivilen Wiederaufbauhelfern in Afghanistan
Schutz zu gewähren. Mit der Anti-Drogen-Kampagne haben sie offiziell nichts
zu tun. Das Mandat der Bundeswehr, so sagt Binder wörtlich, „erlaubt uns
Soldaten nicht, regulativ in Afghanistan einzugreifen. Wir sollen hier passiven
Schutz für Hilfsorganisationen garantieren“.
Allerdings werden die Anti-Drogen-Soldaten auch auf Fähigkeiten der NATOTruppen zurückgreifen. Ausdrücklich sichert Generalsekretär Jaap de Hoop
Scheffer zu, die Allianz werde „Aufklärungskapazitäten, effektive Öffentlichkeitsarbeit und unterstützende Ausbildungsmaßnahmen für die Afghanische
Nationalarmee und Polizei“ zur Verfügung stellen.
„Wir registrieren Mohnfelder und geben diese Informationen an die Afghanen
und Briten weiter“, erläutert ein Bundeswehroffizier seine Aufgabe. Zudem dürften die Drogenbekämpfer auch die beiden deutschen Basen in Kundus und
Faisabad für ihre Operationen nutzen. Das Resultat wird das Gleiche bleiben:
Spätestens dann, wenn die Mohnfelder brennen und die Drogenbarone sich in
ihrer Existenz bedroht fühlen, werden sie zurückschlagen. Ihnen bieten sich
aber nur zwei Ziele: die lokalen, schlecht ausgerüsteten Polizeieinheiten und
die beiden PRT’s in Kundus und Faisabad unter deutschem Kommando.
Was die Deutschen und ihre Alliierten erwarten kann, erfuhren erst kürzlich
dänische Soldaten in Faisabad. Sie wurden beschimpft, bespuckt und mit Steinen beworfen - weil die Dorfbevölkerung die mit grün-schwarz gepunkteten
Tarnanzügen bekleideten Nordländer für Anti-Drogen-Kämpfer hielt. Hauptmann Hendrik Kampseth reagierte umgehend: „Wir haben deshalb schon jetzt
unsere beigen Sommeruniformen angefordert, um uns optisch den deutschen
Soldaten anzugleichen“, sagt er. Bei Temperaturen bis zu minus 20 Grad ein
frostiges Unterfangen. Außerdem wollen die Dänen mit einer Plakataktion die
Bevölkerung informieren, dass sie nichts mit den Counter Narcotic Operationen
zu tun haben.
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Für Nasir Mohammed macht es kaum einen Unterschied, wer seine Mohnfelder
und Opium-Labore abfackeln wird. Vor seinem Hauptquartier über den Dächern von Faisabad hat er demonstrativ zwei Haubitzen aufgefahren. Sie beherrschen das Städtchen am Lauf des Darya ye Kowkcheh – und auch das vier
Kilometer entfernte Feldlager der Deutschen.
Darüber, was dort vor sich geht, ist der frühere General der Nordallianz bestens informiert: Seine ehemaligen Soldaten sind heute bei einer privaten Sicherheitsfirma angestellt. Und dieses Unternehmen bewacht die deutschen
Soldaten und ihre Verbündeten in ihrem Lager. Das wird zurzeit von Afghanen
aufgebaut. Afghanen, die ihre Arbeitserlaubnis von Nasir Mohammed erhalten.
Der Ex-General: „Die stellen einen Antrag bei mir, ich suche sie aus und dann
dürfen sie im deutschen Lager arbeiten“.
Die Botschaft des fünf Mal im Kampf gegen Russen und Taliban verwundeten
Kriegshelden ist klar: Er allein kontrolliert, was in der Provinz Badakshan geschieht - immerhin die Mohnkammer Afghanistans: „Ich bin darauf vorbereitet,
die Region von einem auf den anderen Tag anzuzünden“, sagt Nasir Mohammed bedrohlich.
Daran wird auch das zweite Bataillon der afghanischen Nationalarmee nichts
ändern, das in den kommenden Wochen eine Kompanie – also etwa 100 Soldaten - nach Faisabad abkommandieren wird. Der Kompaniechef ist ein ehemaliger Weggefährte Nasir Mohammeds. Ein anderer, einer seiner Stellvertreter, ist zum „Beauftragten für die Belange der Armee“ gewählt worden. Und die
Waffen seiner früheren Verbände, die Mohammed vereinbarungsgemäß der
Zentralregierung Karsais übergeben hat, werden im Sammellager in Faisabad
von seinen Ex-Soldaten bewacht. „Eine bizarre Situation“, sagt dann auch ein
deutscher Offizier über die Lage in Faisabad. „Dieser Mann kontrolliert alles
und jeden in der Region, kann nach Belieben die Knöpfe drücken, die uns das
Leben zur Hölle machen.“
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Kommt es hart auf hart, bleibe seinen Soldaten nichts anderes übrig als sich in
ihrem Lager einzuigeln, weiß der deutsche Kommandeur von Faisabad,
Oberstleutnant Olaf Manhenke. Ob und wann er dabei auf Hilfe hoffen kann,
liegt in Allahs Hand. Die 210 Kilometer lange Land-Verbindung zwischen Kundus und Faisabad ist ein von Schlaglöchern übersäter, autobreiter Feldweg.
Weite Strecken führen links an Schluchten vorbei und rechts an steilen Felswänden. Wenige entschlossene Kämpfer mit Panzerfäusten reichen aus, um
diesen einzigen Weg für Entsatztruppen nachhaltig zu sperren.
Unsicher ist auch, ob Hilfe mit Hubschraubern eingeflogen werden kann. Den
Start der Helikopter verhindern im Winter oft Schneestürme und Frost – in den
anderen Jahreszeiten Sandstürme.
Bei Angriffen der bis an die Zähne bewaffneten Kämpfer der Drogenbarone auf
die lokale Polizei können auch die Sicherheitskräfte keine Hilfe erwarten. Das
Mandat der Bundeswehr verbietet eindeutig, sich in innerafghanische Konflikte
einzumischen. Oberst Binder weiß: „Wir können in so einem Fall nicht hingehen und ein eventuell entstehendes Sicherheitsvakuum füllen. Das ist Aufgabe
der afghanischen Regierung.“
Präsident Karsai aber, so munkeln auch deutsche Drogenfahnder in Afghanistan, verdient selbst gut am Drogenanbau. Erst kürzlich wies der CDUBundestagesabgeordnete Willy Wimmer darauf in einem Brief an NATOGeneralsekretär de Hoop Scheffer hin. Der antwortete mit rhetorisch ausgefeiltem, diplomatischem Achselzucken.
Das wird Polizeichef Massoudi und seinen Polizisten in Baharak nicht helfen.
Unterbezahlt, schlecht ausgerüstet und um ihr Leben bangend haben sie längst
ihre Arrangements mit den Drogenbossen getroffen. Und da nachhaltige Konzepte fehlen, die eine wirkliche Alternative für Mohnbauern darstellen, hat Said
Abudin Massoudi sogar Verständnis dafür, wenn die zur Kalaschnikow greifen,
sollten ihre Opiumfelder brennen: „Ein hungriger Mensch greift notfalls auch
einen Löwen an“, stellt der Polizeichef resignierend fest.
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Flocken:
Nicht resignieren wollen die Europäer bei ihren Atom-Verhandlungen mit dem
Iran. Doch die Positionen liegen noch weit auseinander. Teheran beharrt darauf, sein Uran-Anreicherungsprogramm fortzusetzen. Das aber ist für die Europäer und insbesondere für die äußerst misstrauischen Amerikaner nicht akzeptabel. In der kommenden Woche gehen die Atomgespräche in eine Pause. Anlass für Oliver Meier, eine Zwischenbilanz der Verhandlungen zu ziehen:
Manuskript Dr. Oliver Meier
Nach drei Monaten endet am kommenden Montag die erste Phase der Verhandlungen zwischen den so genannten EU3 – also Frankreich, Großbritannien und Deutschland – und Teheran über das iranische Atomprogramm. Dann
müssen die Teilnehmer auf der Grundlage des Berichts eines gemeinsamen
Lenkungsausschusses über die Weiterführung - oder das Ende - der Gespräche entscheiden.
Eine Fortsetzung der Verhandlungen wäre ein Erfolg für sich. In dem Pariser
Abkommen zwischen den EU3 und dem Iran vom 14. November vergangenen
Jahres, das die Grundlage der gegenwärtigen Gespräche bildet, hat Teheran
ein Nuklearmoratorium für die Dauer der Gespräche zugesagt. Solange verhandelt wird, werden sich die Gasultrazentrifugen, in denen der Iran Uran anreichern will, also nicht drehen. Wertvolle Zeit ist gewonnen, in der Teheran der
Atombombe nicht wesentlich näher kommen kann. Zugleich schafft das Moratorium Raum für eine langfristige Lösung des Disputs.
Ob die Gesprächspartner einer solchen dauerhaften und tragfähigen Einigung
bereits entscheidend näher gekommen sind, muss allerdings bezweifelt werden. Zwei Fragen stehen im Zentrum der Gespräche: Wie kann sichergestellt
werden, dass Teheran überprüfbar auf die Atomwaffenoption verzichtet? Und:
Welche Anreize kann der Westen dem Iran hierfür bieten?
Den Europäern geht es um „objektive Garantien“, dass der Iran sein Atomprogramm nicht zur Herstellung von Kernwaffen missbraucht. Gemeint ist damit
der dauerhafte Verzicht Teherans auf die Anreicherung von Uran und die Wie13
deraufbereitung von Plutonium, also die Fähigkeit zur Herstellung der für eine
Nuklearexplosion notwendigen Kernbrennstoffe. Bundesaußenminister Fischer
stellte bereits im September vergangenen Jahres unmissverständlich klar: „Die
internationale Gemeinschaft wird die Schließung des Brennstoffkreislaufs nicht
akzeptieren. Das war der ‚Make-It or Break-It-Point’ in den Verhandlungen. Und
das ist bis heute so geblieben“, so Fischer damals wörtlich.
Der Iran weigert sich bislang, auf die Schließung des Brennstoffkreislaufs zu
verzichten. Teheran behauptet stur, sein Atomprogramm diene allein der Energiegewinnung. Man wolle unabhängig von Nuklearimporten werden und leicht
angereichertes Uran auf dem Weltmarkt verkaufen. Ob die iranische Regierung
letztendlich zu mehr als einer zeitlich begrenzten Aussetzung der Produktion
von Kernbrennstoffen bereit sein wird, bleibt daher der erste Schlüssel zum
Erfolg der Gespräche. Er liegt in Teheran.
Sollte die iranische Regierung im Laufe der Gespräche einwilligen, die europäischen Forderungen zu erfüllen, würde sie mit Sicherheit Gegenleistungen verlangen. Das zweite Thema der Gespräche sind daher die Anreize, die die europäischen Unterhändler anbieten können, um den Iran zur Abgabe „objektiver
Garantien“ zu bewegen. Der Preis eines Deals mit den Europäern müsste
stimmen, schon damit ein solches Abkommen im Iran innenpolitisch durchsetzbar wäre.
Allerdings brauchen die Europäer für die meisten Belohnungen die aktive Unterstützung der USA. Ein zweiter Schlüssel zum Erfolg der Gespräche liegt daher in Washington.
Im November letzten Jahres wurde die vertrauliche Liste der europäischen Angebote an die Presse weitergegeben. Nur weniges, wie etwa Hilfe bei der Erarbeitung besserer Exportkontrollgesetze, könnten die Europäer allein bewerkstelligen. Eine Unterstützung Irans bei der Aufnahme in die Welthandelsorganisation, insbesondere aber die für Teheran besonders interessante Lieferung
von nuklearen Brennstoffen oder Nukleartechnologie ist nur mit Zustimmung
Washingtons vorstellbar.
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Noch aber hat Washington keine kohärente Politik, wie es den Iran zum Verzicht auf die Atomwaffenoption bewegen will. Die Haltung der USA zu den Gesprächen der Europäer mit dem Iran schwankt zwischen Distanz und Ablehnung.
Auch eine gewaltsame Lösung des Konflikts schließt Washington nicht aus.
Der amerikanische Journalist Seymour Hersh enthüllte im Januar, dass es
starke Kräfte im Pentagon gebe, die auf eine militärische Antwort auf die nuklearen Ambitionen Teherans drängten. Luftschläge sollen das iranische Nuklearprogramm beenden, oder aber zumindest entscheidend zurückwerfen.
Bereits seit dem Sommer 2004 sollen sich amerikanische Einheiten im Iran
befinden, um mögliche Ziele auszuspionieren, behauptet Hersh. Ein Angriff auf
den Iran sei nicht mehr eine Frage des „ob“, sondern nur noch des „wann“.
Hersh zitiert einen hochrangigen ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter mit den
Worten: „Dies ist ein Krieg gegen den Terrorismus und der Irak ist nur eine
Schlacht. Die Bush-Administration sieht dies als eine große Kriegszone. Als
nächstes werden wir die Schlacht um den Iran schlagen.“
Die Verhandlungen der Europäer beobachteten die USA zunächst mit äußerster Skepsis. Die Europäer versuchten diese distanzierte Haltung als eine Art
Arbeitsteilung
schönzureden:
Während
Frankreich,
Großbritannien
und
Deutschland mit Teheran über die Zuckerbrote reden, schwingen die Vereinigten Staaten die Peitsche. Je näher die Gespräche einem möglichen Abschluss kommen, desto unglaubwürdiger aber wird dieser Ansatz. Denn ein
Abkommen muss von allen wichtigen Akteuren mitgetragen werden.
Auch eine direkte Teilnahme der USA an den Gesprächen der Europäer mit
dem Iran wird daher immer wieder diskutiert. Das Regime in Teheran hat aber
zu den USA nach wie vor ein gespaltenes Verhältnis. Einerseits bleiben die
USA für den Iran der „große Satan“. Andererseits aber will das Regime in Teheran mit den USA auf gleicher Augenhöhe verhandeln und als regionale Vormacht anerkannt werden. Der Iran, so Chefunterhändler Rohani mit spitzer
Zunge, würde „es als positiv betrachten, wenn die Amerikaner den Europäern
helfen, das Problem zu lösen“. Rohani weiter: „Die Europäer haben nicht viel in
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der Hand.“ Auch aus dieser Sicht bleiben die USA entscheidend für den Erfolg
der Gespräche.
Mittlerweile scheint Washington eine Unterstützung des europäischen Ansatzes nicht mehr grundsätzlich auszuschließen. Als der amerikanische Präsident
im vergangenen Monat Europa besuchte, setzten sich Gerhard Schröder und
Jacques Chirac eindringlich bei George W. Bush dafür ein, dass die USA auch
mögliche Anreize für einen Verzicht Teherans auf die Schließung des Brennstoffkreislaufs mittragen.
Ganz erfolglos waren diese Bemühungen offensichtlich nicht. Im Weißen Haus
wird nach der Rückkehr des Präsidenten aus Europa darüber nachgedacht, wie
weit eine amerikanische Unterstützung der europäischen Verhandlungen mit
dem Iran gehen könnte. Nach Presseberichten könnte sich Washington möglicherweise auf die Lieferung von Flugzeugteilen für die marode iranische Luftverkehrsflotte und die Aufnahme Irans in die Welthandelsorganisation einlassen.
Diese Angebote dürften indes kaum ausreichen, Teheran von der Schließung
des Brennstoffkreislaufs abzubringen. Für Optimisten signalisieren sie den
möglichen Beginn eines Umschwenkens Washingtons hin zu einer echten Unterstützung des Verhandlungsansatzes. Skeptiker sehen hinter dem amerikanischen Schwenk dagegen eher die Fortschreibung der alten US-Position, die
Europäer so lange verhandeln zu lassen, bis sich die Krise zuspitzt. Dann werde Washington den Fall schnell vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
bringen.
Bei seinem Besuch in Mainz dankte George W. Bush immerhin Bundeskanzler
Schröder für seine Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts mit
dem Iran: Der Gerhard habe „zusammen mit Frankreich und Großbritannien die
Führung in dieser wichtigen Frage übernommen“. Ein hochrangiges USRegierungsmitglied beschrieb schon diese Äußerung als einen großen Fortschritt. Wörtlich: „Letzten Herbst haben wir uns noch angeschrien.“
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Zugleich wird Russland als vierter Akteur in der Diskussion um das iranische
Atomprogramm immer wichtiger. Am 27. Februar schlossen Moskau und Teheran trotz heftiger amerikanischer Kritik einen Vertrag über die Lieferung von
Atombrennstoffen für das mit russischer Hilfe fertig gestellte Atomkraftwerk in
Bushehr. Moskau verpflichtete sich, die abgebrannten Brennstoffe nach Russland zurückzuholen.
Am Ende könnte diese Kooperation hilfreich bei der Lösung des Konflikts sein.
Die Europäer selbst werden kaum in der Lage sein, den Iran mit Atombrennstoff für seine Leichtwasserreaktoren zu versorgen. Sollte der Iran bereit sein,
auf die Fähigkeit zur eigenen Herstellung der Brennstoffe zu verzichten, könnte
Russland als Lieferant einspringen.
Bis zu einer solchen Einigung ist es aber noch ein weiter Weg. Zunächst muss
die erste Klippe genommen und ein Scheitern der Gespräche in diesem Monat
vermieden werden. Auf eine Fortsetzung zumindest bis zum Sommer deutet
bereits einiges hin. Im Juni wird ein neuer iranischer Präsident gewählt. Mitten
im iranischen Wahlkampf will sich offenbar keiner der Kandidaten klar zu den
Gesprächen mit den Europäern positionieren. Dies spricht dafür, dass die iranische Position noch nicht vollständig feststeht und eine Einigung möglich ist.
Für den Iran, Europa und die Welt gibt es in den Verhandlungen viel zu gewinnen - aber auch viel zu verlieren.
* * *
Flocken:
Soviel für heute.
Eine neue Ausgabe von Streitkräfte und Strategien hören Sie - wenn Sie mögen – in 14 Tagen. Das Manuskript dieser Sendung steht übrigens im Internet
unter www.ndrinfo.de. Sie können aber auch in unsere Mailing-Liste aufgenommen werden. Wir schicken Ihnen dann jeweils das aktuelle Manuskript kostenlos per E-Mail zu. Die Redaktion der Sendung hatte Andreas Flocken.
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