Ostsee-Quartett 2007 Usedom - Rügen - Hiddensee

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Ostsee-Quartett 2007 Usedom - Rügen - Hiddensee
Ostsee-Quartett 2007
Usedom - Rügen - Hiddensee - Darss
Allein schon vom Kartenstudium her sieht man, dass die Peene, Deutschlands einzig völlig
naturbelassener und zugleich schiffbarer deutscher Fluss, mit der Ostseeküste und den Flüssen
Recknitz und Trebel zu einer Kanu-Rundfahrt kombiniert werden kann, in deren Zuge man
lediglich auf der ca. 5km langen Wasserscheide zwischen Bad Sülze und Tribsees nach
„Fitzcarraldo-Manier“ sein Boot (wie auch immer) über Land bringen muss. Dieser
Sachverhalt, die schwärmerische Beschreibung der Peene als „Amazonas Deutschlands“ und
der Drang nach „offenem Wasser“ waren für mich der Antrieb, die ziemlich sportliche
Rundfahrt 2007 mit meinem Allrounder Prijon-Seayak in Angriff zu nehmen. Zu den
bewährten Reiseutensilien1 wie Tunnelzelt, Benzinkocher, Schlafsack, Liegematte und dem
„Kernproviant“ für 3 Wochen kam diesmal neu hinzu die Schwimmweste, die auf meinen
bisherigen Touren über die Flüsse und Seen Mecklenburg-Vorpommerns nicht unbedingt
notwendig gewesen war. Eindringliche Ratschläge erfahrener See-Kajakfahrer mit dem
Hinweis, dass im Bereich der Küste öfter mit Kontrollen der Wasserschutzpolizei zu rechnen
sei2 hatten mich letztendlich dazu bewogen, mich in diesem Sinne „seefest“ zu machen. Im
Nachhinein sollte sich herausstellen, dass dem nicht so war. Nichtsdestotrotz war ich - allein
schon aus psychologischen Gründen - an „stürmischen“ Tagen froh, die Schwimmweste dabei
zu haben, die einem im Falle des Kenterns ein paar Zentimeter Höhe über Wasserspiegel
bringt.
Start und Ziel war der Campingplatz Sommersdorf am Kummerower See, von wo aus ich am
Montag den 6. August bei Sonne und einer „steifen Brise“ aus Ost in See stach.
1. Etappe am Montag, 06.08.2007
Kummerower See - Wasserwanderrastplatz Trittelwitz (18km/18km)
Mit bis zum Platzen voll Proviant gepackten
Luken breche ich gegen Mittag vom Campingplatz
Sommersdorf Richtung Norden auf, wo bei
Aalbude die Peene aus dem Kummerower See
abfließt. Ein steifer Wind aus Ost drückt kurze
Wellen quer zum Boot und lässt mich Ufernähe
suchen, denn gerade auf den großen
Mecklenburger Seen können sich bei ungünstigem
Wind ganz bösartige Wellen bilden. Unabhängig
davon verheißt Ostwind normalerweise gutes
Wetter, weil Bote eines Hochdruckgebietes über
dem Festland. Sechs bis sieben Kilometer misst
die See-Passage, unterbrochen von einer Mittagspause auf dem sonnenbeschienenen
Badestrand bei Gravelotte, einem Campingplatz zwischen Sommersdorf und Verchen.
Nach Aalbude fließt die Peene mit nicht wahrnehmbarer Geschwindigkeit an vielen
ehemaligen Torfstichen vorbei, die nun überflutet, als Blindkanäle rechtwinklig vom
Hauptlauf abzweigen und dem Fluss seine typische weitläufige Erscheinungsform verleihen.
Das Wasser ist hier klar mit wenig Schwebstoffen und lädt zum Baden ein; der Bootsverkehr
hält sich in akzeptablen Grenzen. Leider gibt es kaum Stellen im Schilf, die ein Anlegen
ermöglichen oder als Biwakstellen dienen könnten. Deshalb entscheide ich mich am frühen
Nachmittag für den gepflegten Wasserwanderrastplatz (WWRP) bei Trittelwitz als
Zeltmöglichkeit.
1
Checkliste siehe Anhang
bei denen vermeintlich die Ausstattung mit Schwimmweste, wasserdichter Taschenlampe, Signalpfeife sowie
die Kennzeichnung des Bootes außen und innen überprüft wird
2
Der kräftige Ostwind lässt anfangs noch die Zeltwände knattern, bevor er sich gegen Abend
schließlich ganz legt.
Eintreffen einer Kanu-Wandergruppe auf dem Wasserwanderrastplatz bei Trittelwitz. Zum Abrechnen der Gebühr
für Boote und Zelte (4,- € pro Person) kommt hier i.d.R. morgens um 09:00 jemand vorbei. Heimelige
Gaststätte/Pension mit Garten ca. 300m im Ort. Plumpsklo, Wasseranschluss auf halber Strecke zum Ort (1,- €).
2. Etappe am Dienstag, 07.08.2007
WWRP Trittelwitz - WWRP Sophienhof (24km/42km)
Schön hergerichtete WWRP (Zeitlow, Pensin
Sophienhof) sowie eine Rastmöglichkeit im
Anglerhafen Loitz, werten die Etappe auf;
ansonsten präsentiert sich die Peene als wenig
spektakuläres, landschaftlich zweidimensionales
und träge dahinfließendes Schilfband, das nur an
ganz wenig ausgewählten Stellen zum Anlanden
bietet. Liebhaber von Kleinflüssen und Seen, wie
sie Mecklenburg bietet, kommen hier weniger auf
ihre Kosten. Paddelfreuden bietet die Peene nur
denjenigen, die weitläufige Panoramen lieben
und schnelle Fahrt machen können. Nicht auszumalen, wie dröge dieser Fluss bei Schlechtwetter wohl sein würde!
Beim Eintreffen in Demmin ziehen Speicher und Zugbrücke von weither die Blicke auf sich.
Wasserwanderrastplatz (WWRP) Sophienhof, Anlage vergleichbar mit WWRP Trittelwitz,
allerdings ohne eine nahe gelegene Gaststätte.
3. Etappe am Mittwoch, 08.08.2007
WWRP Sophienhof - Gützkow (ehemalige Badestelle) (23km/65km)
Außer beim WWRP Alt Plestin gibt es heute
kaum Rastmöglichkeiten. Und „Jarmen ist
zum Erbarmen“ (Spuntwände, stinkender
Modder am Kanusteg, Getreidebunker, Autobahn, grauer DDR-Charme). Beim Kanuverein
Gützkow, wo ich anfangs zu übernachten
plante, sind die Rasenplätze schattig und
feucht, die Anlegestelle heruntergekommen,
ein versiffte Torf- und Schlammsuhle. So
fahre ich wieder zurück auf die andere Seite
der Peene, wo im Jübermann-Atlas eine Badestelle eingezeichnet ist. Nachdem ich die
versteckte Einfahrt in einen See auf der Südseite der Peene gefunden habe, ergeben sich beim
alten Schwimmbad von Gützkow verschiedene Möglichkeiten zum Zelten. Die ursprüngliche
Anlage ist mittlerweile völlig verwildert, die Sanitärgebäude verfallen und überwuchert. An
einem kleinen verlassenen Sandstrand mit überdachter Sitzmöglichkeit finde ich einen guten
Platz zum Zeltaufbau. Im Süden türmen sich bedrohliche Gewitterwolken auf. Der
gewitterschwangere Abend mit der Gewissheit, in der brettebenen Landschaft jedem Gewitter
ausgeliefert zu sein, das Fehlen geeigneter Anlege- und Rastmöglichkeiten auf der Peene,
Kopfweh und die Abwesenheit gleichgesinnter Paddler drücken die Stimmung. Es kommen
Zweifel auf, ob der geplante Tourenverlauf der richtige Ansatz war und meine Motivation als
Einzelfahrer ausreichen wird, das Unternehmen durchzuziehen.
Biwak beim ehemaligen Schwimmbad gegenüber von Gützkow. Bei einem 600m entfernten Hof
bekomme ich Wasser. Die Gebäude des Bades sind mittlerweile überwuchert und verfallen.
4. Etappe am Donnerstag, 09.08.2007
Gützkow - WWRP Stolpe - Anklam - Zecherin (32km/97km)
„Highlight“ der Etappe ist der WWRP
Stolpe mit Restaurant Fährhof, eine Insel
in der Peene-Schilfwildnis. Hätte ich
gewusst, dass es 12km nach Gützow eine
so gute Zeltmöglichkeit gibt, wäre ich am
gestrigen Abend noch weitergefahren.
Hier hätte ich neben modernen sanitären
Anlagen auch Anschluss zu anderen
Paddlern gefunden, die mich die Tage auf
der Peene noch bis Anklam begleiten.
Nach einem leichten Mittagessen geht es
weiter bis Anklam, das auch mit einem
modernen WWRP aufwartet, doch ist es
hier bedingt durch die Nähe des Hafens
zur Stadt und einer nahegelegenen
Brücke ziemlich laut und noch früh am Tag, so dass ich mich entscheide, heute noch in den
Peenestrom zu fahren, wo sich der Fluss zwischen dem Festland und Usedom seeartig
erweitert. Die Erwartung, dass damit auch eine Änderung des Panoramas einhergeht, wird
sich aber als Trugschluss erweisen. In der Nähe des Restaurants Peene-Idyll bei Zecherin
finde ich nach einer windigen und kabbeligen Überfahrt bei einer Infotafel nebst Einsatzstelle
einen arg nüchternen Biwakplatz.
Das Restaurant Fährhof auf der gepflegten Anlage des WWRP Stolpe
5. Etappe am Freitag, 10.08.2007
Zecherin - Lassan - Katamaran-Camp Bauerberg (21km/118km)
Auf der Westseite des Peenestroms zieht sich
von Zecherin bis nach Lassan ein 16km
langer Schilfgürtel, der außer einem grasigen
Landzipfel bei einem verlassenen Privathafen (Jübermann) keine Möglichkeit bietet,
anzulanden. Gerade bei Ost- oder Nordostwind und instabiler Wetterlage (wie heute)
ein nicht ganz unkritisches Unterfangen und
nur denjenigen anzuraten, die auch mal 2-3
Stunden gegen den Wind „durchkeulen“
können. Lassan bietet einen kleinen
Badestrand
nebst
Piratenburg,
einen
Campingplatz, der vom Wasser aus erreicht
werden kann und einen kleinen Hafen, von
dem aus man in wenigen Minuten eine
einfache Gaststätte erreichen kann. Mich
zieht es noch weiter den Peenestrom hinunter,
wo ich 4km nördlich Lassan beim Wassersportcamp/Katamaran-Schule, einem ehemaligen DDR-Kinderferienlager, Platz für die
Nacht finde (www.segelcamp.de). Neben der
Möglichkeit direkt am kleinen Strand neben den Katamaranen zu zelten, gibt des die
Alternative, für 10,- € ein einfache Finnhütte zu mieten (Duschen und WC mit warmem
Wasser frei über den Hof).
Die Piratenburg bei Lassan mit ihrem vorgelagerten Strand ist gerade bei Schlechtwetter eine
gute Möglichkeit, einigermaßen geschützt eine Pause einzulegen oder Brotzeit zu machen.
6. Etappe am Samstag, 11.08.2007
Bauerberg - Wolgast - Hafen Karlshagen - Peenemünde - Freest
Kanuhof Spandowerhagen (29km/147km)
Nach Bauerberg der übliche Schilfsaum. Von
Norden her schiebt der Wind tiefliegende
dunkle Wolken über die Peene, die sich
hinter Wolgast mit kräftigem Regen entladen,
der mich bis zum Hafen Karlshagen begleitet.
Nach einer Mittagspause kommt dann die
Sonne wieder durch und läutet einen freundlichen Nachmittag ein.
Nach Karlshagen zieht der Wotig die Blicke
auf sich, ein nur wenige Meter über dem
Wasserspiegel gelegenes Wiesengelände und
Naturschutzgebiet/ Reservat für Scharen von
Vögeln. Im Gegensatz zu den nüchternen
Unterkünften der letzten Tage finde ich im
Kanuhof Spandowerhagen (Motto „Kunst &
Kajak“) mit meinem Zelt im Garten eine
wirklich familiär geführte Bleibe.
(www.Kanuhof-Spandowerhagen.de)
Der schöne Badestrand von Freest. Der in vielen Wasserwanderkarten eingezeichnete
Campingplatz ist vom Wasser aus nicht direkt erreichbar.
Der familiäre betreute Kanuhof in Sponderhagen bietet von Zelten im Garten bis hin zu einer Ferienwohnung
naturnahe Übernachtungsmöglichkeiten, meist mit Anschluss an Gleichgesinnte.
7. Etappe am Sonntag, 12.08.2007
Spandowerhagen - Lubmin - Lossin - Wieck - Kanuklub Uni Greifswald (27km/174km)
Eine
weiträumige
Umfahrung
der
Landzunge Struck (NSG) kann man mit der
Querung des Freesendorfer Sees einsparen.
Meine anfänglichen Befürchtungen, dass
die Ein- und Ausfahrten schlecht zu finden
seien, bestätigen sich nicht. Selbst die
Ausfahrt aus dem See - 200m östlich eines
markanten Hochsitzes - ist auf Anhieb zu
finden, weil überhaupt nicht verschilft, dann
endlich - nach 160km Schilfsaum - auf der
Ostsee! Es weht ein auflandiger, frischer
Wind, aber noch nicht so stark, dass er mir
Probleme bereitet. Die Schwimmweste
bietet zusätzlich psychologischen Halt.
Vorbei ziehen das ehemalige Kernkraftwerk, die Seebrücke Lubmin und, heutiger
landschaftlicher Höhepunkt, das Waldgelände „Die Lanken“. Dort würde sich ein versteckter
Biwakplatz einrichten lassen, aber die instabile Wetterlage treibt mich weiter. In der
Dänischen Wieck rollen hohe Wellen von schräg hinten übers Kajak, das dann immer genau
in die Richtung rollt und giert, in die ich genau nicht will. Nach flotter Fahrt mit Wellen und
ein wenig Angst und Adrenalin im Nacken passiere ich das quirlige Wieck, dann setzt zum
Abschluss der Etappe Regen ein, der mich aber nicht besonders anficht, weil ich durch das
Spritzwasser der Ostsee ohnehin durch und durch nass bin - alles kein Thema, solange es
dabei warm ist.
Auf dem Gelände des Kanuklubs Uni Greifswald kann ich mein Zelt aufstellen und im
Vereinshaus auf das Ende des Regens warten.
Mittagspause auf dem weitläufigen Strand vor dem Campingplatz Lossin.
Bei starkem Wind wird der Kocher in der Fahrerluke des Kajaks aufgebaut.
8. Etappe am Montag, 13.08.2007
Greifswald - Stahlbrode (30km/204km)
Ein Sommertag mit Windstille - optimale
Bedingungen, um das knietiefe Flachwasser um
der Insel Koos (NSG) herum und am Strand
zwischen Riems und Stahlbrode zu genießen.
Mit einem ausgiebigen Frühstücksbüffet in
Wieck beginnt auch der erste Tag, der meinen
Erwartungen an die Urlaubstour hinsichtlich
Wetter und Landschaft entspricht. Auch der
Campingplatz Stahlbrode, ausgerüstet neben
modernen sanitären Anlagen nebst Waschmaschine und Trockner, ist erfreulich
unkonventionell angelegt, trägt dazu bei, dass
ich die Seele heute baumeln lassen kann. Heute
reift der Entschluss, Rügen nicht einfach nur
„rechts liegen zu lassen“, sondern ganz zu
umrunden.
Im Flachwasser vor der Naturschutzinsel Koos kann man mühelos einen Spaziergang um das Kajak machen
Auf dem adretten Campingplatz Stahlbrode kann man sich in lockerer Atmosphäre den Stellplatz selbst suchen,
keine Selbstverständlichkeit auf den großen Campingplätzen der Ostsee zwischen Usedom und Darss.
9. Etappe am Dienstag, 14.08.2007
Stahlbrode - Klein Zicker - Campingplatz Thiessow (47km/251km)
Eine
instinktiv
richtig
angesetzte
Mammutetappe, die ich anfangs bei
Windstille, ab Mittag dann bei mäßigem
Ostwind durchgezogen habe. Einen Tag
später, bei böigem Südwind wäre auf der
windzugewandten Seite der Insel „die
Hölle los gewesen“.
Von flachen Sandstränden, bis hin zu
kleinen Steilküsten bei Kleinzicker reicht
das landschaftliche Repertoire dieses
Abschnitts. Schade, dass mir heute nicht
die Zeit bleibt, die Buchten auf der
Südostspitze der Insel voll auszukurven.
Der Campingplatz Thiessow besteht
eigentlich
nur
aus
drei
Spuren
aneinandergereihter Camper und hat wie
so viele Großcampingplätze keinerlei
Flair. Andererseits hat er einen bequemen
Zugang zur See, saubere sanitäre Anlagen und einige brauchbare Wiesenplätze. Kurz nach
Sonnenuntergang baue ich in der Dämmerung mein Zelt auf, bewaffnet mit Mückennetz und
mückendichter Kleidung. Dann begutachte ich mein rechtes Auge, dass sich wohl durch die
intensive Sonneneinstrahlung und die Reflexionen auf dem Wasser so entzündet hat, dass ich
es kaum noch geöffnet bekomme.
10. Etappe 15.08.2007
Campingplatz Thiessow - Campingplatz Lobbe (10km/261km)
Anspruchsloser 0815-Tourismus, Campingplätze
wie Legebatterien und Animationszirkus für
Doofe, gapaart oft mit einer Gastronomie auf
unterstem Fressbudenniveau bilden hier oftmals
ein Kontrastprogramm zu den von Individualtourismus geprägten bisherigen Etappen. Wer
um Rügen herum will, wird hiermit konfrontiert.
Und da die Etappen nicht immer von der eigenen
Kondition abhängen, sondern vielmehr von
Topographie und aktuellen Windverhältnissen
muss man sich damit oftmals arrangieren.
Das Wetter ist gemessen an der schlechten
Vorhersage gut, kurze Windböen, ansonsten ein
mäßig blasender Wind aus Südost. Zuviel Wind
allerdings, als dass ich die Umfahrung der
Landzunge bei Göhren wagen würde.
11. Etappe am Donnerstag, 16.08.2007
Lobbe - Prora (24km/285km)
Bei regenschwangerer Wetterlage, aber
vernachlässigbarem Wind vorbei an den
bislang schönsten Stränden der Tour,.
Allerdings nur mit einem Auge, das andere,
quasi schneeblind, ist durch ein abgeklebtes
Sonnenbrillenglas verdeckt.
Im Schicki-Micki Zentrum Seebrücke Binz
lasse ich mir im Strandhotel eine HimbeerSahnetorte nicht entgehen, während draußen
eine kräftige Schauer niederprasselt.
Nördlich des Bundeswehr-SozialwerkCampingplatzes Prora erkunde ich einen
geschützten grasigen Biwakplatz inmitten
eines kleinen Kiefernwäldchens. Bis tief in
die Nacht dröhnt aus Richtung Binz der
Bass einer Strandband herüber, bis er
schließlich vom Schlagen der Wellen am
50m entfernten Strand abgelöst wird.
Mondänes Kontrastprogramm: Seebrücke Göhren und Strandrestaurant Binz
12. Etappe am Freitag, 17.08.2007
Prora - Sassnitz - Hafen Lome - Hafen Glowe (33km/318km)
Über Nach hat sich die Entzündung des
rechten Auges nicht wirklich gebessert,
so dass ich mich entscheide, bei meiner
Dienststelle zur präventiven Abkärung
von Arzt-Formalitäten anzurufen. Sollte
sich der Schleier vor dem Auge nicht
merklich lüften, werden ich den nächsten
Arzt aufsuchen. Insegeheim befürchte
ich, dass das wohl auf einen Abbruch der
Tour hinausläuft.
Nach einem bösartigen Wellenzirkus an
den Molen bei Neu-Mukran und Sassnitz
fahre ich im Strandcafé bei einem
zweiten Frühstück erst einmal den Puls
runter. Mittlerweile frischt der Wind aus
Süden so auf, dass es mir fast die
Brötchen vom Frühstückstisch weht und
ich mich von der Terrasse ins Café
flüchte. Sollte ich bei diesem Wind
wieder auf’s Wasser gelangen, wird es
ein abenteuerlicher Wellenritt, andererseits rechne ich aber auch mit einer kräftigen Rückenwindkomponente, die mich an den
Kreidefelsen nördlich Sassnitz ohne viel eigenes Zutun voranbringen wird. Später müsste die
nach Westen gebogene Stubbenkammer eigentlich Windschatten gewähren.
Und wirklich - wie erwatet ziehen die berühmten Kreidefelsen und Buchten des Jasmund
nördlich Sassnitz mit Rückenwind der Stärke 3 an mir vorbei, einer der malerischsten Orte,
die ich als Paddler bisher besucht habe.
Ein Strand ist einladender als die andere, teils mit glasklarem Wasser, teils mit trübem Wasser
voll von Kreideschlamm, eine Stelle sogar mit Wasserfall (der Kieler Bach). Als Biwak- oder
Zeltplätze eignen sich die Strände allerdings nicht, dafür ist der Boden zu steinig.
Im geschützten Hafen von Lome ist die Kreideklippenreise vorüber. Von hier aus nun
Weiterfahrt zum Hafen Glowe mit seinen guten sanitären Anlagen, aber nicht ohne kurz
davor, im Fels- und Tanggürtel eines menschenfeindlichen Strandes ausharrend, ein Gewitter
durchziehen zu lassen.
13. Etappe am Samstag, 18.08.2007
Umsetzen zum Boddenhafen Glowe - Jasmunder, Breeger und Breetzer Bodden Wittower Fähre - Hafen Neuendorf (31km/349km)
Strammer Wind, kaum Wasser unterm Kiel,
Steine und Tang erschweren im Boddenwasser das Fortkommen. Während im
Windschatten die Sonne ein Genuss ist,
kühlt auf dem Wasser und an windzugewandten Stränden der kalte Westwind
schnell aus.
Auf Höhe Woldenitz idealer Biwakplatz, bei
der Wittower Fähre Wirtshaus mit guter
Anlandemöglichkeit.
Weiter über den Schaproder Bodden und um
die Fährinsel (NSG) herum, die ein nur
30cm tiefes Wasser vom Hiddensee-Ufer
trennt.
Obwohl
im
Jübermann-Atlas
als
Wasserwanderrastplatz ausgewiesen, darf der Hafenmeister mir das Aufstellen des Zeltes
nicht erlauben. Er deutet aber an, dass er es auch nicht sehen oder danach suchen wird. Von
der eigentlichen Hafenanlage mit ihrem Trubel (die einem Kanuten keine Möglichkeit bietet,
auszusetzen) durch eine Hecke abgeschirmt, bietet sich ein grasiger, ebener Zeltplatz direkt
am Sandstrand an.
Am Abend erkunde ich noch die Möglichkeit zum Umsetzen des Kajaks auf die Westseite
von Hiddensee. Es sind ca. 900m vorbei an den Bilderbuch-Höfen und -Häusern von
Neuendorf wo sogar das WC-Häuschen am Strand Reet-gedeckt ist. Durchaus verständlich,
warum auf Hiddensee kein Campingplatz mit seinen abstoßenden Caravan- und
Wohnwagenburgen geduldet wird und man dementsprechend als Kajak-Wanderfahrer mit
einem Zelt ganz schlechte Karten hat.
14. Etappe am Sonntag, 19.08.2007
Hiddensee - Barhöft - Kinnbackenhagen - Neu Bartelshagen (32km/381km)
Das Umsetzen auf die Westseite von Neuendorf ist eine
Sache von ca. 15 Minuten. Auf ruhiger See bei leichter
Südostbrise zieht der Bilderbuchstrand der Südspitze
Hiddensees vorbei, aus Naturschutzgründen sind teils
800m Abstand zu halten. Halbrechts taucht bald schon
die ebenfalls gesperrte Insel Bock auf mit ihrem
Flachwasser, nach den Kreidefelsen von Rügen der
zweite große landschaftliche Höhepunkt der Tour. Die
Sandbänke ziehen sich mehrere hundert Meter bis zu
Fahhrrinne, wo mir heute viele Segelboote entgegenkommen sowie die beiden einzigen Paddler, die ich auf
meiner Reise auf der offenen See überhaupt getroffen
habe.
Die weitere Fahrt durch den südlichen Grabow wird oft
durch extremes Flachwasser erschwert, das dem Paddel
kaum Platz zum Eintauchen gibt, dem Boot einen hohen
Wasserwiderstand entgegensetzt und das Steuer auf
Steinen und Tang oft aufsitzen lässt. Froh bin ich über
die Entscheidung, einige Tage mit abgeklebter Sonnenbrille über dem rechten Auge und einer
Portion Geduld weitergefahren zu sein. Die Entzündung geht zurück, und wenn auch der
Blick noch nicht ganz klar ist, ist für mich ein Abbruch der Tour kein Thema mehr.
Hiddensee
Gellen
Bock
Im Flachwasserbereich zwischen der Insel Bock und der Südspitze von Hiddensee (dem Gellen) sieht man an der
Färbung der See, wo Sandbänke und Fahrrinne (Gellenstrom) verlaufen.
15. Etappe am Montag, 20.08.2007
Neu Bartelshagen (Mini-Hafen) - Zingst - Prerow (Regenbogen-Camp) (33km/414km)
Mit kräftigem Rückenwind durch die
typische Boddenlandschaft des Grabow
und rechtzeitig zum Mittagessen nach
Zingst. Hiernach weiter durch den
Prerow-Strom bis kurz vor den Hafen
Prerow, wo an der engsten Stelle der
Insel eine bequeme Umtragemöglichkeit
besteht. Bodden und Ostsee werden hier
durch einen nur ca. 150m breiten
Landstreifen getrennt. Der Weg führt
allerdings über die vielbefahrene Straße
Prerow-Zingst und liegt allen Übels noch
in einer nicht einsehbaren Kurve. Ohne fremde Hilfe eines freiwilligen „Verkehrslotsens“ ist
das Umsetzen hier lebensgefährlich.
Ziel ist der Campingplatz Regenbogen-Camp bei Prerow, der schon zu DDR-Zeiten der
bekannteste Ostsee-Campingplatz war. Hier dürfen die Zelte „wie Sand am Meer“ in den
Dünen stehen, die an diesem Ort keine Schutzfunktion haben, weil der Strand hier ständig
wächst. Das Wetter hat bis auf eine kurze schwache Schauer gut gehalten, so dass ich zum
krönenden Abschluss des Tages bei strahlendem Sonnenschein und auf mächtigen
Wellenkämmen surfend, unbeschwert dem Strand zusause.
16. Etappe am Mittwoch, 22.08.2007
Prerow - Umtrage Darsser Ort - Ahrenshoop - Wustrow (Bodden) (20km/434km)
Da die Sicht heute nur ca. 200m beträgt,
manchmal sogar noch weniger, trage ich das Boot
südlich des Darsser Orts über die gestern
erkundete Strecke um und setze beim Leuchtturm
ein. Die ca. 4km lange, holprige Betonplattenpiste
ist eine Sache von einer Stunde, wobei der
kraftzehrendste Akt beim Umtragen wie immer
die letzten hundert Meter Sandstrand darstellen,
über die das Boot nicht mit dem Bootswagen
gerollt werden kann. Hier darf man nicht
erwarten, von auch nur einem der vielen blöden
Gaffer an diesem Ort Hilfe angeboten zu
bekommen.
In der Anlage um den Leuchtturm ist eine
interessante Ausstellung über Topographie, Flora
und Fauna von Darss und Ostsee eingerichtet,
eine lohnende Unterbrechung nicht nur bei
schlechtem Wetter.
Der Weststrand des Darss ist mit seinem
Robinso-Crusoe-Flair der dritte landschaftliche Höhepunkt der Tour. Sanfter
Rückenwind und harmlose Wellen erlauben mir, mich mit nur wenigen Metern
Abstand zum Strand Richtung Ahrenshoop treiben zu lassen. Viele unterspülte
Kiefern und Buchen und zu Holzburgen
aufgeschichtetes Strandgut verleihen diesem Strandabschnitt eine urtümliche
Atmosphäre. Manchmal ragen Sandbänke
in die See hinein und laden zum
Aussteigen und Baden ein.
Nach einem kräftigen Gewitterregen setze
ich in Ahrenshoop am Abend wieder in
den Bodden um, in der Absicht, dort einen
weniger ausgesetzten Zeltplatz zu finden
als irgendwo am Strand auf der Westseite
des Landstreifens. Dazu muss man die
ganze Ortschaft durchqueren und noch ein
Stück darüber hinaus, denn die Zufahrt
zum Boddenhafen liegt noch ca. 400m
südlich des Ortsrands. Tatsächlich finde
ich nach 4km Fahrt auf einer grasigen
Landzunge und Badestelle (Hoher Ort)
einen geeigneten Biwakplatz.
Der Weststrand des Darss, dritter landschaftlicher Höhepunkt der Tour, wird von der See stetig abgetragen.
Unterspülte Bäume und wilde Strandburgen geben dem Strand sein unverwechselbares Robinson-Crusoe-Flair.
17. Etappe am Donnerstag, 23.08.2007
Wustrow (Bodden) - Dierhagen - Ribnitz - Dahmgarten - Daskow (26km/460km)
Neblig-düstere Boddenquerung mit Sonne erst ab
Hafen und WWRP Dierhagen, der mit modernen
sanitären Anlagen nebst Kiosk aufwartet und
ausdrücklich auch auf Wasserwanderer mit Zelten
eingerichtet ist. Um mich bei meiner Weiterfahrt zu
unterstützen, sucht man mir hier sogar eine
detaillierte Wasserkarten aus dem Fundus an
Karten heraus, was ganz gelegen kommt, denn der
Einfluss der Recknitz in den Bodden bei
Dahmgarten ist ohne Ortskenntnis relativ schwer zu
finden, weil er im Schilf längs zum Ufer abzweigt.
Am WWRP Daskow finde ich einen grasigen Platz
unter einer gespaltenen Weide. Wasser tanke ich
beim ersten Haus im Ort bei Fam. Böttcher. Zu
meiner Überraschung finden sich spätabends noch
Leute ein, die einen Geburtstag feiern und mich zu
einer Flasche Prosecco einladen.
18. Etappe am Freitag, 24.08.2007
Daskow - Bad Sülze - Umtrage Tribsees (33km/493km)
Die Recknitz ist ein sehr langsam fließender
(max 1km/h), stark mäandrierender Wald- und
Wiesenfluss mit abwechslungsreichem, farbenfrohen Randbewuchs. Anfangs (Dahmgarten Daskow) braun-trübe, ab Eintritt in die
Naturschutz-Zone klarer, gegen Ende vor Bad
Sülze fast glasklar. Zwischen Daskow und Bad
Sülze gibt es, wie auch auf der Peene, nur wenige
Möglichkeiten (ca. vier) einer trockenen Rast.
Die Umtrage von Bad Sülze bis Tribsees misst
6,8km und ist sehr mühsam. Sie steigt fast die
Hälfte des Weges leicht bergan, bietet im offenen
Feld keinen Schutz vor der Sonne und führt auf
einer Länge von 1,5km direkt über die Landstraße. Hier bietet es sich an, ein Kanutaxi zu
organisieren, beispielsweise über den WWRP
Tribsees (0152 06884625, Erik Rosendahl).
19. Etappe am Samstag, 25.08.2007
Tribsees - Demmin - WWRP Trittelwitz (42km/535km)
Die Trebel, obwohl kanalisiert, ist ein sauberer ,
langsam (max. 1km/h) dahinfließender Feld-,
Wald- und Wiesenfluss, mit nur wenigen
Rastmöglichkeiten in dessen Verlauf man nicht
mit nur zweidimensionalem Schilfpanorama wie
auf der Peene, sondern hin und wieder sogar mit
leicht welliger Landschaft konfrontiert wird. Im
Verlauf vor Demmin, zwischen km 2 und 8
mäandert sie sogar ein wenig und führt an
einem Labyrinth überfluteter Torfstiche vorbei,
in die man sich ohne Ortskenntnis oder Guide
nicht verfahren sollte.
Mit stark böigem Rückenwind und unterstützt
durch die Fließgeschwindigkeit rausche ich die
33km lange Strecke an einem Nachmittag
herunter und fahre noch weiter zum WWRP
Trittelwitz, dem ersten und zugleich letzten
Zeltplatz der Tour.
Im Bereich Demmin ziehen weiträumige Zerstörungen, angerichtet durch einen Tornado am
17.08.2007, die Blicke auf sich: Entwurzelte Bäume, durch die Luft gewirbelte Boote,
zertrümmerte Ferienhäuser. In Trittelwitz, zu einem Teil betroffen, wurde ein Wohnmobil
durch die Luft geschleudert und die Insassen schwer verletzt.
Die Zugbrücke bei Nehringen
Fazit
Das Ostsee-Quartett 2007 war ein großes naturnahes Abenteuer, das im Wesentlichen durch
zwei ganz unterschiedliche Landschaftsformen geprägt war: auf der einen Seite gab es die
langen Flusspassagen von Peene und Peenestrom, an die ich mit großen Erwartungen
heranging, weil sie mir mit Worten wie z.B. „Amazonas Deutschlands“ in schillernden
Farben geschildert wurden. Dem gegenüber standen die ganz anders gearteten, teilweise
ziemlich sportlichen Herausforderungen der offenen See rund Rügen, Hiddensee und Darss.
Die hohen Erwartungen, die ich vor allem an die Peene als einleitende Flusspassage geknüpft
hatte, wurden nicht erfüllt. Wie schon öfters erwähnt, erscheint mir die enthusiastische
Beschreibung der Peene unzutreffend. Vor dem Hintergrund von Fahrten auf vielerlei Flüssen
in Deutschland und auf den Mecklenburger Seen, Kanälen und Kleinflüssen ist für mich die
Peene mit ihrer unspektakulären, über weite Passagen abwechslungslosen und absolut
zweidimensionalen Schilflandschaft und abgezählten Möglichkeiten der Rast ein wenig
lohnendes Paddelziel, vor allem bei Schlechtwetter. Dabei hatte ich noch das große Glück,
dass die ersten Tage der Tour durchweg sonnig waren und mir die Peene mit ihrem klaren
Wasser zumindest als Badefluss dienen konnte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ich
durch die Fertigkeit, das Kajak auf dem Wasser zu verlassen und wieder einzusteigen
natürlich mehr Möglichkeiten dazu hatte als die vielen „Gelegenheitspaddler“, die dazu einen
trockenen Rastplatz mit Badestelle brauchen.
Die landschaftlichen Höhepunkte der See-Etappen haben allerdings diesen Wehrmutstropfen
wieder mehr als wett gemacht. Heute bedaure ich, dass ich die auf der Peene verbrachte Zeit
nicht habe nutzen können, um z.B. alle Buchten von Rügen zu erkunden. Die drei
herausragenden Schmankerl der Tour, Jasmund, Hiddensee und Darss bieten alleine genug
„Stoff“ für drei Wochen Kajak-Abenteuer. Hilfreich auch, wenn man die Biwakstellen,
Schlüsselstellen und die Charakteristik der Campingplätze kennt, weil man dann in der Lage
ist, souveräner, vorausschauender zu planen und nicht bei jeder aufziehenden
Schlechtwetterfront mit Wellenbergen und Adrenalin im Nacken ins Ungewisse paddelt. Ich
denke, dass meine diesjährige Reise genug Grundlagen geschaffen hat, um demnächst von
den schönsten Campingplätzen, bei idealem Wetter ins türkisblaue Flachwasser zu starten und
dabei öfter die Seele baumeln zu lassen, als mir dass in diesem Jahr vergönnt war.