Zur Diskussion über eine mögliche Länderneugliederung in

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Zur Diskussion über eine mögliche Länderneugliederung in
DOKUMENTATION
Michaelscheithauer,
M.A.
Wissenschaftlicher Büroleiter
Zur Diskussion über eine mögliche Länderneugliederung
Deutschland
in
Einführung
SPD-Fraktionschef Peter Struck forderte jüngst, die Zahl der Bundesländer deutlich
zu reduzieren.
Allerdings will der erfahrene Politstratege
seine Aussagen
gewissermaßen als Arbeitsauftrag für kommende Politikergenerationen verstanden
wissen.'
Struck reagierte mit seinem medienwirksamen Vorstoß auf die Krise der HSE
Nordbank, deren Rettung vor allem das Land Schleswig-Holstein an den Rand der
Zahlungsunfähigkeit bringen dürfte.
Die Verknüpfung der Länderneugliederungsdebatte
- die im übrigen schon vor
Gründung der Bundesrepublik Deutschland von den Alliierten angestoßen wurde mit finanzpolitischen Erwägungen ist indessen symptomatisch. Gleichsam wie das
legendäre Ungeheuer von Loch Ness taucht sie immer dann auf, wenn über den
Länderfinanzausgleich und klamme Länderhaushalte diskutiert wird.
Der finanzielle Nutzen von Länderfusionen ist jedoch umstritten. So warnte denn
auch Jens Böhrnsen, Bürgermeister
in der stets als Übernahmekandidatin
gehandelten Hansestadt Bremen vor einem Verlustgeschäft von 500 Millionen Euro,
sollte eine Fusion von Bremen mit Niedersachsen tatsächlich vollzogen werden.
"Zwei Länder zusammen führten nicht zwangsläufig zu einem reichen Land", so
Böhrnsen.
Befürworter einer Länderneugliederung argumentieren hingegen, es wäre mit Blick
auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit und desolate Finanzverfassung einiger vor allem kleiner - Länder sowie bezogen auf die vielfältigen europäischen wie
globalen Herausforderungen dringend geboten, die deutsche Kleinstaaterei endlich
zu beenden.
Die nachfolgende Dokumentation skizziert zunächst die Geschichte der deutschen
Länder bis zur Wiedervereinigung.
Nachfolgend wird die Diskussion über eine
Länderneugliederung
nachgezeichnet, bevor schließlich die Argumente Pro und
Contra einer Länderneugliederung dargestellt werden.
1 Seit Jahrzehnten diskutieren Politiker und Experten über eine Neugliederung des Bundesgebiets. Ernsthaft
verfolgt diese Idee kaum jemand.
1
Die Geschichte der deutschen Länder bis 1945
Die deutsche
Geschichte
ist über Jahrhunderte
hinweg geprägt von
bedeutsamen
Rolle der Fürstentümer und Kleinstaaten, gefördert durch
konfessionelle Spaltung nach der Reformation.
der
die
Nach dem Westfälischen
Frieden 1648 gab es in Deutschland fast 1300
landeshoheitliche Herrschaften. Am Ende des Heiligen Römischen Reichs 1806
waren 294 Reichsstände. Der deutsche Bund umfasste 1864 immerhin noch 34
deutsche Staaten.
Als der deutsche Nationalstaat unter der Führung Preußens 1871 gegründet wurde,
war die "verspätete Nation" nicht das Ergebnis einer revolutionären Erhebung des
deutschen Volkes, sondern eine Gründung "von oben" in Form einer Einigung der
Territorialfürsten unter Führung Preußens.
Die Weimarer Republik behielt die föderale Grundstruktur
strukturellen Hegemonie Preußens weitgehend bei.
(18 Länder) samt der
Unter dem Nationalsozialismus erfolgte schließlich die Gleichschaltung der Länder:
"So im 1. und 2. Gleichschaltungsgesetz vom 31. März bzw. 7. April 1933, in dem in
den Ländern, in denen bis dahin noch keine nationalsozialistischen Regierungen
herrschten, die Parlamente entsprechend dem Ergebnis der Reichstagswahlen vom
5. März umgebildet bzw. die bereits nach den Reichstagswahlen eingesetzten
Reichskommissare in so genannte .Reichsstatthalter" umgewandelt wurden. Durch
das ,Gesetz über den Neuaufbau des Reichs' vom 30. Januar 1934 wurden
schließlich sämtliche Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übertragen."
Verfassungsrechtlich jedoch hatten die Länder des Reichs am 5. Juni 1945, dem
Zeitpunkt der Übernahme der gesamten staatlichen Gewalt in Deutschland durch die
Alliierten, noch immer bestanden. Die nationalsozialistische Reichsregierung hatte
zwar, wie oben beschrieben, den Ländern sukzessive ihre verfassungsrechtlichen
Kompetenzen entzogen, sie aber nie formell aufgelöst. Demnach existierten sie
formalrechtlich auch zum Zeitpunkt der bedingungslosen Kapitulation weiter, wenn
auch materiellrechtlich als reiner Torso im Status von Verwaltungsorganen.
Gründung der Länder nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Verwaltungsstruktur Deutschlands am Boden.
Zur Administration der besetzten Gebiete begannen die Alliierten in ihren Zonen mit
der Schaffung von Verwaltungseinrichtungen und dem Aufbau von sehr begrenzten
souveränen Regierungssystemen auf Länderebene.
Nachdem der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau jr. seine Pläne,
Deutschland in mehrere Staaten zu teilen, nicht hatte durchsetzen können, strebte
die Regierung der Vereinigten Staaten und mit ihr die Regierungen der übrigen
Alliierten die Errichtung einer föderalen Staatsstruktur an. Mit dieser hoffte man, den
neu zu schaffenden Staat zähmen zu können. So war vor allem die britische
Regierung für die "Zerschlagung"
Preußens und den Aufbau einer neuen
Gliedstaatenarchitektur rasch zu begeistern.
2
Die ersten Länderneubildungen erfolgten schließlich mit der Schaffung der Länder
Nordrhein-Westfalen,
Schleswig-Holstein,
Niedersachsen und Hamburg in der
britischen
Besatzungszone.
Wenig
später wurden
auch in den übrigen
Besatzungszonen
Länder konstituiert, wobei die Besatzungsmächte
zum Teil
willkürlich und ohne Rücksicht auf kulturell-historische Gesichtspunkte vorgingen.
Traditionelle Zusammenhänge blieben unberücksichtigt oder vormals getrenntes
wurde fusioniert. Das Zusammenlegen ehedem unverbundener Territorien zeigt sich
nicht zuletzt an den Doppelnamen, die einige Länder seitdem tragen (sog.
"Bindestrich-Länder"). So setzt sich beispielsweise das heutige Nordrhein-Westfalen
aus den nördlichen Gebieten der ehemaligen preußischen Rheinprovinz, der Provinz
Westfalen und seit 1947 zusätzlich aus dem früheren Land Lippe-Detmold zusammen.
Die Länder entstanden in den Nachkriegsjahren oftmals gegen den Willen der
Bevölkerung und sind daher, wie Voscherau feststellt, "überwiegend alliierte
Kunstprodukte" ohne historischen Bezug.
Die in der sowjetischen Besatzungszone gegründeten Länder Sachsen, SachsenAnhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg wurden im Juli 1952 mit dem
"Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der
staatlichen Organe in den Ländern der DDR" abgeschafft und durch 14 Bezirke mit
durchschnittlich 15 Kreisen ersetzt. Mit dem ,Ländereinführungs-Gesetz'
beschloss
die letzte DDR-Volkskammer am 22. Juli 1990 jedoch die Wiedereinführung der
Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und MecklenburgVorpommern mit Wirkung zum 14. Oktober 1990.
Die westlichen
Alliierten bezweifelten
schon recht bald die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der neuen Territorialstruktur und mahnten bereits 1948 in dem so
genannten zweiten der drei Frankfurter Dokumente, die den Ministerpräsidenten der
Länder der westlichen Besatzungszonen für die Ausarbeitung einer föderalen
Verfassungsordnung übergeben wurden, eine Neugliederung der Länder an:
"Die Ministerpräsidenten
sind ersucht, die Grenzen der einzelnen Länder zu
überprüfen, um zu bestimmen, welche Änderungen sie etwa vorzuschlagen
wünschen. Solche Änderungen sollten den überlieferten Formen Rechnung tragen
und möglichst die Schaffung von Ländern vermeiden, die im Vergleich mit anderen
Ländern zu groß oder zu klein sind."
Zu einer Neugliederung des späteren westdeutschen Bundesgebiets ist es jedoch
vor Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 nicht mehr gekommen, da
einerseits elementare Zoneninteressen der Besatzungsmächte beachtet werden
mussten", andererseits die politisch Verantwortlichen auf deutscher Seite kein
gesteigertes Interesse zeigten, sich dieser Problematik anzunehmen. Es waren
bekanntermaßen Vertreter der bereits existierenden (westdeutschen) Länder, die den
Auftrag erhielten, im Bereich der westlichen Besatzungszonen einen neuen Staat zu
gründen. Die Länderneugliederung fand somit vor der Bundesgründung statt, oder
wie es Leunig formuliert: "Am Anfang waren die Länder".
2 So entstand das heutige Baden-Württemberg,
bedingt durch die Präsenz zweier Alliierter, erst 1952 aus einer
Fusion der zwischenzeitliehen Gebietskörperschaften Württemberg-Baden (amerikanische Zone) sowie
Württemberg-Hohenzollem
und Baden (beide französische Zone).
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So wurde das politische System der Bundesrepublik von den Repräsentanten der
Gliedstaaten geformt. Die Vertreter der Länder brachten daher ihre Perspektiven und
Interessen nicht nur als deutsche Politiker, sonder vor allem auch als Vertreter der
Länder in die Beratungen ein. Und als solche waren sie verständlicherweise nicht
daran interessiert, sich ihrer politischen Handlungsgrundlage zu berauben.
Verfassungsauftrag
zur Länderneugliederung
Obwohl also eine Länderneugliederung vor Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht
mehr zustande kam, wurde der Auftrag hierzu in Artikel 29 Absatz 1 alte Fassung
Grundgesetz (a. F. GG) als zwingender Verfassungsauftrag festgeschrieben:
"Das Bundesgebiet ist unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen
Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu gliedern. Die
Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen
obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können."
Trotzdem kam es - mit Ausnahme der Neugliederung der Länder im Südwesten zum
heutigen Baden-Württemberg, nach 1949 nie zu einer Länderneugliederung nach
Artikel 29 Absatz 1 a. F. GG. "Die Landesregierungen scheuten sich ob des
komplizierten Verfahrens, aus polittaktischen Überlegungen, wegen der offenen
Frage der Wiedervereinigung
und vor allem aus Machtkalkül, die Länderneugliederung zu thematisieren."
Gelungene Territorialreform
am Beispiel Baden-Württemberg
Das Kriegsende 1945 teilte den südwestdeutschen
Raum auf zwischen der
amerikanischen Besatzungszone im Norden und der französischen im Süden. Der
Grenzverlauf wurde durch die Autobahn Karlsruhe - Stuttgart - Ulm markiert, die die
Amerikaner in ihrer Hand behalten wollten. Damit waren Baden und Württemberg
jeweils zweigeteilt. Auf amerikanischer Seite entstanden so das Land WürttembergBaden mit der Hauptstadt Stuttgart, auf französischer Württemberg-Hohenzollern
(Hauptstadt Tübingen) und Süd-Baden (Hauptstadt Freiburg). Es stellte sich alsbald
die Frage, ob man den Vor-Kriegszustand
wieder herstellen wollte (was mit
Hohenzollern nicht ging, da Preußen formal aufgehört hatte zu existieren) oder ob
man gleich an eine große Südweststaatslösung gehen sollte.
Lediglich das Land Süd-Baden widersetzte sich energisch und anhaltend einer
großen Lösung, letztlich aus einer tiefen Abneigung gegen das als protestantisch
geltende und ungemein "schaffig" wahrgenommene Württemberg, unter dessen
Bevormundung man nicht geraten wollte. Der entscheidende Schritt zur Bildung des
neuen Südweststaats gelang mit der Verankerung des Artikel 118 im neuen
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In Ergänzung zu Artikel 29 GG
ermöglichte er entweder gemäß Artikel 118 Absatz 1 GG eine zwischenstaatliche
Vereinbarung
zur
Neugliederung
des
südwestdeutschen
Raumes
ohne
Volksentscheid und Bundesgesetz oder gemäß Artikel 118 Absatz 2 GG die
Durchsetzung dieser Fusion mittels Bundesgesetz und Volksbefragung, falls diese
Vereinbarung nicht zustande käme. Tatsächliche widersetzte sich das Land SüdBaden einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, so dass am 4. Mai 1951 das Gesetz
zur Neugliederung in den drei Ländern in Kraft trat. Um eine Mehrheit bei der
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folgenden Volksabstimmung am 19. Dezember 1951 für den Südweststaat zu finden,
wurde nicht nach den bestehenden Ländergrenzen abgestimmt, sondern es wurden
die vier Abstimmungsbezirke Süd-Baden, Württemberg-Hohenzollern,
Nord-Baden
und Nord-Württemberg
eingerichtet. Für die Bildung des Südweststaates war
entweder
eine Stimmenmehrheit
im gesamten Abstimmungsgebiet
oder in
mindestens drei der vier Abstimmungsbezirke notwendig. Da nur die Südbadener
gegen den Südweststaat votierten, führte das Ergebnis der Volksabstimmung am 25.
April 1952 zur Vereinigung der drei alten Länder und somit zur Neugründung des
Landes Baden-Württemberg, die bis heute als einzige gelungene Neugliederung zu
verzeichnen ist.
Das Land Baden-Württemberg
zählt heute unbestritten zu den ökonomisch
erfolgreichsten Ländern der Bundesrepublik, weshalb es sich selbst gerne als
.Musterländle"
bezeichnet.
Befürworter einer Länderneugliederung
verweisen
deshalb gerne auf das .Erfolqsmodell" Baden-Württemberg.
Historischer Überblick über die Neugliederungsdiskussion
In den 1950er und 1960er Jahren wurde die Neugliederungsdiskussion vom EulerAusschuss des Bundestages und von der Luther-Kommission, die noch von der
Regierung Adenauer eingesetzt worden war, begleitet. Beide Gremien schlugen eine
einschneidende Reduzierung der Länder und eine territoriale Neuordnung auf fünf
bis sechs neu zu gliedernde Länder auf dem Gebiet der damaligen (westdeutschen)
Bundesrepublik vor. Eine Realisierung dieser Vorschläge wurde jedoch nie ernsthaft
in Erwägung gezogen.
Am 11. Juli 1961 fällt schließlich das so genannte .Hessenurteil", in dem die
ausschließliche
Pflicht des Bundes zur Neugliederung des Bundesgebiets im
gesamtstaatlichen Interesse bekräftigt wird. Die Länder sind gemäß dieses Urteils
nur passiv am Prozess der Länderneugliederung beteiligt.
1970 richtete die sozial-liberale Bundesregierung unter Willy Brandt die nach ihrem
Vorsitzenden Werner Ernst benannte Kommission mit dem Auftrag ein, die
Grundlagen für eine zeitgemäße Neugliederung nach den Kriterien des Artikel 29
Absatz 1 GG zu erarbeiten, um die Funktionsfähigkeit des Bundesstaates zu sichern.
Die Kommission legte in ihrem Gutachten 1973 den bis dahin umfassendsten und am
ausführlichsten begründeten Vorschlag zur Länderneugliederung vor, der vor allem
die wirtschaftliche, finanzielle, politische und administrative Leistungsfähigkeit jedes
Landes in den Vordergrund stellte. Nach den Berechnungen der Ernst-Kommission
sei eine Bevölkerungszahl
von mindestens fünf Millionen Bürgern pro Land
notwendig, um die Kosten für die politische Führung und die Verwaltung möglichst
gering zu halten. Des Weiteren sollten durch die neuen Ländergrenzen weder Stadtnoch Wirtschaftsregionen durchschnitten und die politischen Machtverhältnisse nicht
grundlegend verändert werden.
Zwar führten die Ergebnisse der Ernst-Kommission zu einer anhaltenden Neugliederungsdiskussion,
aber die politische Unterstützung für jeglichen, nur ansatzweisen Versuch, ein entsprechendes Neugliederungsverfahren einzuleiten, blieb aus.
Neben der emotionalen Verbundenheit der Bürger mit ihrem Land sind im
Wesentlichen die verfestigten politischen und administrativen Strukturen, fehlendes
Interesse der Politiker bzw. Partei- und Verbandsfunktionäre,
zerstrittende
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Reaktionen der Landesregierungen und Unsicherheiten über zukünftige Bundesratsmehrheiten sowie Wahlkreiszuschnitte als Gründe dafür ausgemacht worden, dass
die Umsetzung der Vorschläge der Ernst-Kommission nie stattfand. "Der für die
Einsetzung der Kommission zuständige Ressortminister, Bundesinnenminister HansDietrich Genscher gab denn auch in seinen Memoiren später ausdrücklich zu, er
habe die Neugliederung stets abgelehnt und nie ernsthaft vorgehabt, sie zu
betreiben."
1976 kam es im Zusammenhang mit den Beratungen über die Vorschläge der
Enquete-Kommission des Bundestages zur Reform des Grundgesetzes zu einer
grundsätzlichen Revision des Verfassungsauftrages zur Neugliederung des Bundesgebietes. Die politischen Vorgaben des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt,
die durch seinen Innenminister Werner Maihofer umgesetzt wurden, führten bei
dieser Novellierung
zu dem heutigen Neugliederungsverfahren,
dass nach
Auffassung von Professor Hans-Peter Schneider vom Deutschen Institut für
Föderalismusforschung
in Hannover bewusst und gewollt als ein Verhinderungsverfahren angelegt war und ist. Es ist gekennzeichnet durch zahlreich verzahnte
Notwendigkeiten
von doppelten Mehrheiten bei Volksabstimmungen
in den
betroffenen Gebieten wie auch in den bei einer Neugliederung aufnehmenden und
abgebenden Ländern. Zugleich wurde der bis dahin im Absatz 1 des Artikel 29 GG
niedergelegte Auftrag zur Neugliederung zu einer bloßen Ermächtigung herabgestuft:
"Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, dass die
Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam
erfüllen können. Dabei sind die landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit sowie
die Erfordernisse der Raumordnung und der Landesplanung zu berücksichtigen."
Nachdem für die politischen Kräfte nunmehr kein verfassungsmäßiger Auftrag zur
Länderneugliederung mehr bestand, besaß die Diskussion darüber vorerst nur noch
rhetorische Bedeutung und kam schließlich ganz zum erliegen.
Erst Ende der 1980er Jahre flammte die Neugliederungsdiskussion in Form der Idee
der Gründung eines Nordstaats - bestehend aus Niedersachsen. Hamburg, Bremen
und Schleswig-Holstein - als Gegengewicht zu den starken Südländern wieder auf.
Zwar wurde diese Idee nicht umgesetzt, aber es wurde ein dichtes Netz von
Kooperationsbeziehungen
mit dem Ziel geschaffen, Effizienzgewinne auch ohne
formale Neugliederung im norddeutschen Raum zu schaffen.
Die Wiedervereinigung
belebte auch die Diskussion
über eine mögliche
Länderneugliederung, da darin eine einmalige Chance zur territorialen Neuordnung
des Bundesgebiets gesehen wurde. So äußerten etwa westdeutsche Ministerpräsidenten Überlegungen zu einer grenzüberschreitenden Länderneugliederung im
Rahmen des Einigungsprozesses.
Die Regierung de Maiziere legte sich jedoch
frühzeitig auf die Bildung der von 1947 bis 1952 bestehenden fünf Länder fest und
verwies dabei auf die historische l.änderneuqliederunq".
So wurde die Wiedervereinigung nicht zu einer territorialen Reform des gesamtdeutschen Staates genutzt
und es blieb "bei der resignierenden Aussage, dass die Bildung größerer und
3 Sie übersah dabei die Tatsache, dass die ostdeutschen Länder erst 1947 kreiert wurden und nur fünf Jahre
existierten.
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leistungsfähiger Länder unter föderalen Aspekten notwendig und wünschenswert
wäre, unter den gegebenen Bedingungen politisch aber nicht durchsetzbar
erscheint. "
Das Pro und Contra einer Länderneugliederung
Der 65. Deutsche Juristentag 2004 hat sich mit Blick auf Europa und dem
entstehenden Wettbewerb der Regionen für eine behutsam durchgeführte Länderneugliederung ausgesprochen: "Damit die Länder ihren zukünftigen Aufgabenbestand wirksam erfüllen können, ist eine partielle Neugliederung geboten, bei der
möglichst bestehende Länder zusammengelegt-, keinesfalls aber regional geprägte
Landschaften zerschnitten werden."
Jürgen Kluge, ehemaliger Deutschland Chef der Unternehmensberatung McKinsey,
sieht in der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der deutschen Länder unterdessen
.die Hauptursache bestehender Ineffizienzen in Deutschland; eine Neugliederung der
Länder ist für ihn die Voraussetzung, den .Sanierunqsfall Deutschland" erfolgreich zu
reformieren.
Auch der frühere Bundesminister
Rupert Scholz ist der Auffassung,
das
bundesstaatliche
System der Bundesrepublik
Deutschland mit seinen 16 so
unterschiedlich großen und so unterschiedlich leistungsfähigen Bundesländern leide
an einem gravierenden Mangel, dem nur über ein systemgerechtes Konzept der
Neugliederung begegnet werden könne.
Die politischen Aussagen in der Länderneugliederungsdiskussion
sind zwischen,
aber auch in den politischen Parteien selbst sehr unterschiedlich. Positionen haben
sich über die Jahre hinweg immer wieder verändert. Forderten im Januar 2003 noch
führende Politiker wie u. a. der heutige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der
damalige FDP-Vize Walter Döring, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang
Böhmer, der rheinland-pfälzische
Ministerpräsident Kurt Beck, sein Potsdamer
Amtskollege Matthias Platzeck und die Grünen-Haushaltsexpertin
Christine Scheel
eine Reduzierung der Bundesländer, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, so
änderte sich diese Haltung mit dem näher rückenden Beginn der Föderalismuskommission deutlich. Bereits im August 2003 distanzierte sich die FDP mit ihrem
Thesenpapier "Dem Wettbewerbsföderalismus
eine Chance geben" von früheren
Forderungen
nach
einer
Länderneugliederung.
Der damalige
bayerische
Ministerpräsident Edmund Stoiber erteilte einer Länderneugliederung ebenfalls eine
klare Absage und bezeichnete die kleinen Länder als "Verklammerung der deutschen
Nation".
Befürworter einer Länderneugliederung auf politischer Ebene kritisieren v. a. die
überdurchschnittlich
hohen Kosten politischer Führung pro Kopf in den kleinen
Ländern. Der Transfer von jährlich mehreren Millionen Euro vom Bund an die Länder
zu deren Aufgabenbewältigung bewog denn auch den früheren Bundesfinanzminister
Hans Eichel zu der Aussage: "Wenn ein Land nachhaltig nicht auf die Beine kommt,
wird natürlich die Frage nach der Existenzberechtigung des Landes gestellt." Auch
der frühere CSU-Vorsitzende und bayerische Finanzminister sieht in der Tatsache,
dass kleine Länder wie Bremen oder das Saarland pro Kopf ihrer Einwohner
wesentlich mehr Kosten für Parlament und Regierung ausgeben als die großen
Flächenländer eine bedenkliche "Prämierung des Kleinstaats".
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Der frühere Hamburger Bürgermeister
Henning Voscherau plädiert für eine
Halbierung der Länder. Diese seien überwiegend alliierte Kunstprodukte und eben
keine historisch gewachsenen
Gebilde. "Territoriale Abgrenzungen
sind kein
Selbstzweck und keinesfalls ,heilig'. Sie haben funktionale Aufgaben. Sie sollen
Bürgern und Unternehmen dienen. Sind sie nicht mehr Teil der Lösung, sondern
werden Teil des Problems, müssen sie verändert werden", so Voscherau. Ihm
erscheint die Diskussion über eine Halbierung der Länder daher möglich und
sachgerecht. "Während im Norden gegenwärtig acht Länder bestehen, davon sieben
kleine, sind bei nüchterner Analyse drei erforderlich - jeweils landsmannschaftlich
und ökonomisch ausgerichtet auf die Magneten Berlin, Hamburg und Hannover. Im
Süden bietet sich in ,den Rheinlanden' eine großzügigere Neugliederung an.
Bindungen zwischen Hessen und Thüringen bestehen seit der Heiligen Elisabeth
(... ); insgesamt erscheinen fünf Länder statt acht plausibel und leistungsfähig."
In der Diskussion über eine mögliche Neugliederung des Bundesgebiets wird indes
fast ausschließlich über eine Fusion bestehender Länder zu größeren Einheiten
geredet. Theoretisch wäre aber nicht nur ein Zusammenschluss
von Ländern
möglich; man könnte die Landesgrenzen auch komplett neu ziehen. Gerade in
Ballungsräumen
wie dem Rhein/Main-Gebiet
oder der Region Mannheiml
Ludwigshafen - die heute noch von Landesgrenzen durchschnitten werden - würde
das durchaus Sinn machen.
Uwe Leonrady verweist in diesem Zusammenhang wiederholt auf Art. 29 Abs. 4 zur
Herbeiführung von Volksbegehren in durch Ländergrenzen zerschnittenen Ballungsräumen. Dort heißt es: "Wird in einem zusammenhängenden,
abgegrenzten
Siedlungs- und Wirtschaftsraum, dessen Teile in mehreren Ländern liegen und der
mindestens eine Million Einwohner hat, von einem Zehntel der in ihm zum Bundestag
Wahlberechtigten
durch Volksbegehren gefordert, dass für diesen Raum eine
einheitliche Landeszugehörigkeit herbeigeführt werde, so ist durch Bundesgesetz
innerhalb von zwei Jahren entweder zu bestimmen, ob die Landeszugehörigkeit
gemäß Absatz 2 geändert wird, oder dass in den betroffenen Ländern eine
Volksbefragung
stattfindet."
Diese
Möglichkeit,
auch
jenseits
regionaler
Parteiinteressen eine Länderneugliederung
herbeizuführen, werde, so Leonardy,
jedoch bewusst totgeschwiegen. Würde das in Art. 29 (4) beschriebene Instrument
auch nur in einem Raum (wie zum Beispiel dem Hamburger Randgebiet) erfolgreich
genutzt, dann - da ist sich Leonardy sicher - wären Kettenreaktionen auch in
anderen Teilen des Bundesgebiets wahrscheinlich.
Die Kritik am Länderfinanzausgleich
und der Ruf nach einer umfassenden
Neujustierung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wurde deshalb
wiederholt mit der Forderung nach einer Länderneugliederung verbunden. Der Bund
der Steuerzahler rechnete vor, dass eine Halbierung der bestehenden Länder
Einsparungen in Millionenhöhe mit sich brächte.
Dagegen sind die Synergien von Länderfusionen nach einem Gutachten des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verschwindend gering. So ist von
Vertretern der kleinen Länder wiederholt der Vorwurf geäußert worden, es handele
sich bei der Länderneugliederungsdiskussion
um eine "ärgerliche Phantomdebatte".
Der Bundesverfassungsrichter
Ferdinand Kirchhof nimmt zu den finanziellen
Erwägungen einer Länderneugliederung deutlich Stellung: "Allgemein streben viele
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unter dem Titel einer Neugliederung nur an, die Zahl der Länder auf fünf bis sechs zu
senken, weil ihnen 16 Parlamente, Regierungen und eine korrespondierende
Vielzahl von Ministerien schlichtweg zu teuer sind. Beide Zielsetzungen sind töricht
und kurzsichtig.
Sie vernachlässigen
historisch gewachsene
und bewährte
Strukturen. Die Bildung von sechs großen Flächenstaaten würde den Bürger wieder
vom Gemeinwesen entfernen und in ihrer Binnenorganisation eine zusätzliche
Verwaltungsebene
erfordern. Vor allem fehlt diesen schlichten Thesen die
Faktengrundlage;
sie beruhen nicht auf rationalen, im Sachverhalt geprüften
Zielsetzungen." Kirchhof weist in einem nationalen Vergleich nach, dass es weltweit
noch wesentlich kleinere Staaten als das kleinste deutsche Bundesland Bremen gibt,
die sich als lebensfähig erwiesen haben. "Allein aus den Größenverhältnissen kann
sich kein Zwang zur Auflösung von kleinen Ländern ergeben."
Gleichwohl ist nach Kirchhofs Auffassung aber eine Neuregelung der Finanzbeziehungen notwendig. Er vermisst vor allen Dingen eine Debatte über die
Änderung der Ertragshoheiten. Er verweist auf das Beispiel Bremen: ein großer Teil
der Menschen, die das Bremer Sozialprodukt in die Höhe treiben, wohnt im Umland was den (niedersächsischen) Wohngemeinden pro Person über 2.000 Euro jährlich
beschert, die der Metropole entgehen.
Von Gegnern einer Länderneugliederung
wird zudem argumentiert, dass trotz
allgemeiner Mobilität sich viele Menschen jedoch erstaunlich stark mit "ihrem" Land
identifizieren. In diesem Zusammenhang wird gerne auf Ostdeutschland verwiesen,
wo sich viele sehr schnell als "Sachsen" oder als .Brandenburqer" bezeichneten. Die
bestehende Ländergliederung, so von Landespolitikern gerne betont, habe sich im
Bewusstsein der Bevölkerung schon viel zu sehr verfestigt, als dass sie heute noch
änderbar wäre. Eine Diskussion darüber zu führen wäre demnach müßig. So meinte
etwa Helmut Kohl Mitte der 90er Jahre: "Ich habe in meinem politischen Leben so
viele Ländergrenzen-Neugliederungsdiskussionen
mitgemacht, dass ich für den Rest
meines Daseins mich in dieser Frage nie mehr engagieren werde."
Verfahren zur Länderneugliederung
Es wurde bereits festgestellt, dass es sich beim derzeit gültigen Verfahren zur
Länderneugliederung
im Wesentlichen um eine Verhinderungsverfahren
handelt.
Neben der politischen Bereitschaft zu einer Länderneugliederung muss demnach
auch ein neues Verfahren installiert werden, das eine erfolgreiche Umsetzung von
Länderneugliederungsvorhaben
unterstützt. Uwe l.eonrady" rät dazu, zunächst eine
Sachverständigen(keine politisch besetzte-) Kommission mit der Ausarbeitung
konkreter territorialer Neugliederungs-vorschläge
zu beauftragen, die an die Stelle
des durch die Wiedervereinigung
überholten Ernst-Gutachtens aus den 1970er
Jahren treten müssen. In einem zweiten Schritt müsse dann zunächst eine
grundlegende Revision des verfassungsrechtlichen Verfahrens zur Neugliederung
erfolgen.
Künftig sollte nach Auffassung Leonardys am Anfang des Verfahrens
ein
bundesweiter Volksentscheid über die Frage urteilen, ob eine Neugliederung des
Bundesgebietes herbeizuführen ist oder nicht. Ein solches Referendum sollte auf der
Uwe Leonrady war von 1970 bis 1973 Verbindungsbeamter des Bundeskanzleramtes zur
Sachverständigenkommission
für die Neugliederung des Bundesgebiets. Er hat über die Neugliederung mehrfach
in deutscher und englischer Sprache publiziert.
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Grundlage
eines ersten
und mit Alternativen
versehenen
Entwurfs
der
Sachverständigenkommission
stattfinden. Anders als noch in der Ursprungsfassung
des Art. 29 von 1949 würde der Gesamtvolksentscheid also nicht am Ende, sondern
am Anfang des Neugliederungsverfahrens stehen.
Unter der Voraussetzung, dass die am Beginn des Verfahrens platzierte Volksabstimmung die Inangriffnahme der Neugliederung befürwortet, sollten nach dem
Vorschlag Leonardys alternative territoriale Modelle durch den Bundesgesetzgeber
ohne Zustimmungserfordernis
des Bundesrates auf der Grundlage der Empfehlungen der unabhängigen Sachverständigenkommission
und unter Einbeziehung der
regionalen Teilergebnisse der vorangegangenen bundesweiten Abstimmung entwickelt werden.
In einem weiteren Schritt sollten regionale Referenden in den durch das
Neugliederungsprojekt
unmittelbar betroffenen Gebieten endgültig entscheiden,
welche Lösungen innerhalb dieser Alternativen bevorzugt werden. Im Gegensatz zu
den jetzigen Verfahrensregeln, die im Art. 29 Abs. 3 doppelte Mehrheiten (solche in
den umzugliedernden Gebieten wie in den betroffenen Ländern) erfordern, sollten
solche regionalen Referenden im neuen Konzept aber zum Prinzip der einfachen
Mehrheit allein in den abzugrenzenden umzugliedernden Gebieten zurückkehren,
wie dies bereits in der Fassung des Art. 29 vor seiner Revision im Jahre 1976 galt.
Dieses Verfahrenskonzept aus dem Jahr 1975 kann nach Leonardys Ansicht für eine
geordnete Lösung der Neugliederungsfrage aus zwei Gründen auch heute noch
Gültigkeit beanspruchen: Zum einen würde es durch den am Anfang stehenden
Volksentscheid der Tatsache Rechnung tragen, dass die territoriale Reform ein das
gesamte föderale System berührendes Thema ist und dass sie folglich nicht allein in
den Händen der von ihr regional betroffenen Bevölkerungsteile bleiben kann. Zum
anderen würde es durch die Vorbereitung auf der Basis eines Sachverständigengutachtens und durch die nachfolgenden regionalen Abstimmungen dafür Sorge
tragen, dass am Ende sowohl sachgerechte wie auch von den betroffenen
Bevölkerungsteilen akzeptierte Lösungen herauskommen.
Zusammenfassung
Landespolitiker, die das Projekt einer territorialen Neugliederung des Bundesgebiets
in Angriff nehmen, laufen Gefahr, ihr eigenes Amt wegzurationalisieren.
Eine
Länderneugliederung würde unweigerlich die Zahl der Posten in Landesregierungen
und Verwaltungen
reduzieren. Genau jene Posten sind heute jedoch ein
unverziehtbares Sprungbrett für weitere Karrieren im Bund und in Europa. Selbst
wenn diese Tatsache von Politikern als Beweggrund ihrer ablehnenden Haltung
gegenüber einer Länderneugliederung stets brüsk zurückgewiesen wird, so dürften
machtpolitische Erwägungen dennoch einen maßgeblichen Einfluss auf die momentane Debatte ausüben.
Die
Änderung
der
Ländergrenzen
würde
aber
auch
die
politischen
Machtverhältnisse,
beispielsweise im Bundesrat, verschieben. So witterten die
Sozialdemokraten
in
ihren
Hochburgen
Hamburg
und
Bremen
bei
Länderneugliederungsdebatten
seit jeher den Verdacht, sie sollten mit der
Verschmelzung mit dem eher konservativen und damit eher christdemokratisch
geprägten Umland um ihren Einfluss in der Länderkammer gebracht werden. "Und
wer an der Macht ist, hat daran meist wenig Interesse."
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Aber erst wenn machttaktische Überlegungen und die eigene Karriereplanung den
sachlichen Argumenten für eine Länderneugliederung weichen, kann diese offensiv
von der Politik angegangen und in der Öffentlichkeit glaubhaft und erfolgreich
vertreten werden.
Nach den Ergebnissen der Studie "Bürger und Föderalismus" der Bertelsmann
Stiftung im Jahr 2008 steht die Öffentlichkeit einer Länderneugliederung durchaus
aufgeschlossen gegenüber. "Demnach ist nicht das Bundesland, sondern die
kommunale Ebene der wichtigste Identifikationsanker der Bürger." Ein Viertel der
befragten hält die Bundesländer gar für überflüssig und glaubt, dass sich Bund und
Europäische Union mit den wichtigeren Fragen befassen. In Nordrhein-Westfalen
und Niedersachsen kann jeder vierte Bürger keine besonderen Merkmale nennen,
die er seinem Bundesland zuschreiben würde. Glaubt man den Ergebnissen der
Studie, dann wäre sicherlich nicht nur eine Fusion der Länder in den bestehenden
Grenzen möglich; es wären sogar grundlegend neue Ländergrenzen in Deutschland
denkbar.
Vor diesem Hintergrund ist der wiederholte Vorstoß zu einer Länderneugliederung,
wie ihn der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag Peter Struck
gewagt hat, positiv zu bewerten. Allerdings neigt sich die politische Karriere Peter
Strucks dem Ende zu und so wird es, wie von Peter Struck gewünscht, wohl eine
Aufgabe nachkommender Politikergenerationen bleiben, eine Neugliederung des
Bundesgebiets herbeizuführen. Ob sich eine mögliche Föderalismuskommission
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nach der Bundestagswahl im Herbst ernsthaft mit dem Thema der Länderneugliederung befassen wird, ist eher unwahrscheinlich.
Jenseits machttaktischer und landsmannschaftlicher Erwägungen kann eine Länderneugliederung aber nur dann erfolgreich sein, wenn im Rahmen einer umfassenden
Föderalismusreform auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu
geregelt werden und damit die Länder überhaupt erst in die Lage versetzt werden,
als eigenständige Akteure vermehrt Verantwortung zu übernehmen und bereit sind,
diese auch zu übernehmen.
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