Petra Hafele und Ilka Pundt

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Petra Hafele und Ilka Pundt
Berufsrisiko Traumatherapeut – Resilienzen durch Naturerleben fördern
„Wir erkennen Natur, wenn wir sie sehen. Ein natürliches Umfeld findet sich sowohl in der Wildnis als auch in der
Stadt. Sie muss nicht unberührt sein. ” (Richard Louv, 2012)
In diesem Workshop meinen wir mit Natur Wälder, Seen, Berge, Meere, Flüsse, Bäche, Wiesen, Weiden, Grünanlagen,
Gärten und Parks mit Pflanzen und Tieren.
Resilienz
„Die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken“.
„Die Fähigkeit eines Individuums, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und negativen
Stressfolgen umgehen zu können“. (Wustmann 2004)
„Unter Resilienz wird die Fähigkeit von Menschen verstanden, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche
und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen.“ (Welter-Enderlin 2006)
Die Resilienzforschung …
…untersucht die Bedeutung der Lebenssituationen, der Lernmöglichkeiten und der Beziehungserfahrungen im Hinblick
auf die Persönlichkeitsentwicklung. Dabei werden
Persönlichkeitsfaktoren und die sozialen Ressourcen innerhalb und außerhalb der Familie betrachtet. Unberücksichtigt
bleibt dabei der Einfluss der Natur.
Studien
Durch die unmittelbare Interaktion mit der Natur werden unsere Sinne und unsere Sensibilität erhöht, die Konzentrations- und Denkfähigkeit nimmt zu und die Kreativität wird angeregt.
((R. + S. Kaplan 1989) (Harting et.al. 1991) aus Louv, 2012) „Als Kinder waren wir (hyper)aktiv und hatten Spaß ohne
Ende daran. Wir lebten unsere Energien aus und erhielten neue zurück. Aus dem Grund gab es für uns die Diagnose
ADHS nicht.“
Studien: Bei Kindern mit ADHS nehmen die Symptome signifikant ab, wenn sie in Kontakt mit der Natur sind. (Faber
et.al. 2001) => ADHS ist in erster Linie eine Natur-Defizit-Störung
Resilienzfaktoren
„Resilienzfaktoren sind Eigenschaften, die das Kind in der Interaktion mit der Umwelt sowie durch die erfolgreiche
Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben im Verlauf erwirbt: diese Faktoren haben bei der Bewältigung
von schwierigen Lebensumständen eine wichtige Rolle.“ (Wustmann 2004)
Wesentliche Faktoren, die die Resilienz einer Person unterstützen:
Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenz, adaptive Bewältigungskompetenzen und
Problemlösen.
Henry David Thoreau
„It is the marriage of the soul with nature that makes the intellect fruitful, and gives birth to imagination.“ „Ich zog in
den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näher zu treten, zu
sehen, ob ich nicht lernen konnte, was …die Natur…. zu lehren hätte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müsste, dass ich nicht gelebt hatte. Ich wollte nicht das Leben, was nicht leben war; das Leben ist so kostbar.“
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Berufsrisiko Traumatherapeut – Resilienzen durch Naturerleben fördern
Wirkung von Natur auf die Gesundheit
Li Qing (Forschergruppe der Nippon Medical School, 2007-2010):
Shinrinyoku = Das Baden im Walde:
Erhöht die Anzahl der Killerzellen und die der Anti-Krebs-Proteine im Blut.
senkt Kortisolspiegel (Blut) und den von Adrenalin und Noradrenalin (Urin)
Reduziert Ängstlichkeit, Depressivität, Ärger, Erschöpfung, Verwirrung und steigert die Vitalität Argumentation:
Immunsystem wehrt Bakterien, Vieren und Tumore ab
Stress hemmt die Immunreaktion des Körpers
Der Aufenthalt im Wald kann Stress reduzieren
Folglich sollte sich der Aufenthalt im Wald positiv auf das Immunsystem auswirken, indem es den Stress reduziert
Wirkung von Natur auf Gefühle und Stresserleben
Barton & Pretty, 2010 (University of Essex): Minimaldosis von 5 Min. täglich bessert messbar Stimmung und Selbstwertgefühl. Beste Wirkung bei Blau-Grün-Kombination. Größte Wirkung auf junge Menschen und psychisch Kranke.
Der Aufenthalt im Grünen hilft bei der Stressbewältigung und bei der Erholung von Stress, Krankheiten und Verletzungen (Ulrich et al. 1991)
Menschen, die in naturnaher Umgebung leben, sind zufriedener und positiver eingestellt
Wirkung von Natur auf Heilung und Schmerz
Krankenhauspatienten, mit Blick in den Park blieben kürzer im Krankenhaus, benötigten weniger Schmerzmittel und
wurden vom Klinikpersonal positiver beurteilt, als Patienten mit Blick auf eine Ziegelmauer
(Ulrich et al. 1984 aus Louv 2011 S. 66)
Virginia Lohr, Washington State University: Grünpflanzen im Raum verringern das Schmerzempfinden
(Lohr et al., 2000)
Wirkung von Natur auf kognitive Funktionen
Virginia Lohr (1996, 2010): Reaktionszeitaufgabe: Bessere Leistungen bei Grünpflanzen im Zimmer bzw. beim Blick
ins Grüne
Atchley et al., 2012: Verbesserung der kreativen Problemlösefähigkeiten in der Wildnis
Kognitive Funktionen höherer Ordnung, wie selektive Aufmerksamkeit, Problemlösung, Impulskontrolle und MultiTasking werden in der heutigen Zeit überbeansprucht.
Kann Naturkontakt diese präfrontalen Funktionen wiederherstellen?
Die Ergebnisse der Untersuchung legen nahe, dass ein “Eintauchen in ein natürliches Setting” auch höhere kognitive
Funktionen, wie die Problemlösefähigkeiten verbessern kann. (Hier um 50%!)
Einschränkung: Die Probanden verzichteten während ihrer 4tägigen Wildniswanderung komplett auf elektronische
Technologien, sodass nicht bestimmt werden kann, in welcher Höhe der Effekt einem MEHR an Natur oder einem
WENIGER an Technologie zuzurechnen ist.
Unsere Sinne
Natur-Defizit-Störung“ = Verlust an unmittelbaren Sinneserfahrungen
(Richard Louv: Das letzte Kind im Wald (2011) Das Prinzip Natur (2012)
„Antennen“, die uns mit der Welt verbinden
Erkennen, dass wir in die gleichen Gesetzmäßigkeiten eingebunden sind, wie die Natur um uns herum
Klarer Rhythmus der Natur als Gegengewicht zur Schnelllebigkeit des modernen Alltags
In der Natur uns selbst erkennen und Lösungen finden
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Berufsrisiko Traumatherapeut – Resilienzen durch Naturerleben fördern
Die Natur als Spiegel
Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten;
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen;
Denn was innen, das ist außen.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Geschärfte (Natur-) Sinne verbessern Überlebenschancen!
Ureinwohner in Südostasien überlebten Tsunami 2004
„Überlebenskünstler“ haben als Kinder viel Zeit im Wald verbracht oder sind in sozialen Brennpunkten aufgewachsen
Verhalten, das Leben retten kann:
Offenheit für neue Gelegenheiten und das Unerwartete
Anpassungsfähigkeit an wechselnde Anforderungen
Situationsbezogene Aufmerksamkeit, in der Gegenwart leben
Dazu benötigt man geschärfte Sinne und eine gute Wahrnehmungsfähigkeit. Das lehrt uns die Natur.
Wirkmechanismen:
Warum Natur gerade traumatisierten Menschen helfen kann
Achtsamkeit
Selbstvertrauen
Erdung und innere Stabilität
Lebensmut und Hoffnung
Ehrfurcht
Intuition
Gefühl von Verbundenheit
Therapie mit und in der Natur
Mit den Patienten in die Natur gehen (Wald, Park, Garten) und dort alle Sinne ansprechen
„ Natur-Schatzkästchen“
Übungen zur Schulung/Erweckung der Sinne
Tasten, Fühlen, Riechen, Schmecken, „Körper-Radar“
„Eulenblick“
Achtsamkeitsübungen mit Bezug zur Natur
Imaginationsübungen
Ökopsychologie
„Die Entfremdung der Menschen von der Natur stellt sowohl die Ursache für viele psychische und körperliche Erkrankungen als auch für die immer weiter voran schreitende Umweltzerstörung dar“. (Roszak 1994)
Folgerung:
Entwicklung der Synthese aus Ökologie und Psychologie: „Ökopsychologie“
Die historisch entstandene Kluft zwischen psychologischer und ökologischer Betrachtungsweise müsse geschlossen
werden.
Andere Psychotherapien versuchen, die Entfremdung zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Familie, Mensch und
Gesellschaft zu heilen. Die Ökopsychologie versucht, die fundamentalere Entfremdung zwischen dem Menschen und
seiner Umwelt zu heilen.
Ökopsychotherapie im Sinne Roszaks
Individuelle Ebene:
Naturerfahrungen, die als Kind gemacht wurden, im Erwachsenen wiederbeleben
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Berufsrisiko Traumatherapeut – Resilienzen durch Naturerleben fördern
direkte Naturerfahrungen in der Psychotherapie anregen, unterstützen, begleiten, fördern
Gesellschaftspolitische Ebene:
Überprüfung von Philosophien und Machtstrukturen, die die Natur ausbeuten und unterwerfen
umweltbewusst handeln
gesellschaftspolitisch aktiv werden
Ziel:
synergetische Wechselbeziehung zwischen „Wohlbefinden des Planeten und Wohlbefinden des Menschen“
(Roszak)
Eigene Ressourcen für uns als Therapeutinnen und Therapeuten: Im Sinne Roszaks für uns selber handeln!
Literatur
Atchley, R.A., Strayer, D.L., Atchley, P. (2012) “Creativity in the Wild: Improving Creative Reasoning through
Immersion in Natural Settings” DOI: 10.1371/journal.pone.005147
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Multi-Study Analysis.” Environmental Science and Technology DOI:10.1021/es903183r
Barton J., Griffin M. and Pretty J. (2011) ” Exercise, Nature and Socially Interactive Based Initiatives Improve Mood and Self-esteem in the Clinical
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Fröhlich-Gildhoff, K., Rönnau-Böse, M. (2014) „Resilienz“, München, UTB
Guéguen, Nicolas und Meineri, Sébastian (2013)“ Natur für die Seele.“ Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag
Joller, Kari (2008) “Naturerfahrung mit allen Sinnen” Zwickau: AT-Verlag
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Louv , Richard (2011) Das letzte Kind im Wald. Weinheim und Basel: Beltz Verlag
Louv , Richard (2012) Das Prinzip Natur. Grünes Leben im digitalen Zeitalter. Weinheim und Basel: Beltz Verlag
Roszak, Th. (1994) „Öko-Psychologie, Der entwurzelte Mensch und der Ruf der Erde“ Stuttgart, Kreuz Verlag
Roszak, Th. (1984) „Mensch und Erde, Auf dem Weg zur Einheit“, München, Ahorn Verlag
Thoreau, H.D. ( 1971) „ Walden oder das Leben in den Wäldern“, Zürich, Diogenes Verlag
Sherwood, B. (2009) “Wer überlebt?” München: Riemann Verlag
Ulrich, R.S., Simons, R.R., Losito, B.D., Fiorito, E., Miles, M.A., Zelson, M. (1991) “Stress recovery during exposure to natural and urban environments” in Journal of Environmental Psychology, 11 (3) 201-230
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