Kapitel 8 Analysis in IR n

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Kapitel 8 Analysis in IR n
Kapitel 8
Analysis in IRn - Integration
8.1
Das Riemann-Stieltjes Integral
Wir haben früher gesehen, dass die Arbeit, die aufzuwenden ist, um einen Weg innerhalb eines
Kraftfeldes zu durchlaufen durch ein Wegintegral beschrieben wird. Mit Wegintegralen kann
man weiter testen, wo sich in einem Richtungsfeld ”Wirbel” befinden. Daher untersuchen wir
Wegintegrale nun eingehender.
Zuvor führen wir das Riemann-Stieltjes Integral ein.
Definition. Sei [a, b] −→ IR ein Intervall.
a) Unter einer Zerlegung Z von [a, b] verstehen wir eine endliche Unterteilung t1 , ..., tN von
[a, b], wobei t1 = a, tN = b und t1 < t2 < ... < tN sei. Die Menge aller derartiger Zerlegungen von
[a, b] bezeichnen wir mit Z ([a, b]).
b) Sind Z1 und Z2 zwei Zerlegungen von [a, b], so sagen wir Z2 sei feiner als Z1 , wenn jeder
Teilpunkt von Z1 auch in Z2 vorkommt.
c) Zu zwei Zerlegungen Z1 und Z2 von [a, b] definieren wir die gemeinsame Verfeinerung
als diejenige Zerlegung Z1 Z2 , die durch Zusammenlegen der Punkte der einzelne Zerlegungen
entsteht.
Wir erklären jetzt Unter- und Obersummen in etwas allgemeinerer Weise.
Definition. Sei α : [a, b] −→ IR eine Funktion. Zu einer stetigen Funktion f : [a, b] −→ IR
definieren wir, wenn Z eine Zerlegung von [a, b] mit Teilpunkten t1 < t2 < ... < tN sein soll, die
Untersumme (zur Belegungsfunktion α) als
Σ(f, α, Z) :=
N
−1
X
min{f (t) | tj ≤ t ≤ tj+1 }(α(tj+1 ) − α(tj ))
j=1
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KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
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und die Obersumme als
Σ(f, α, Z) :=
N
−1
X
max{f (t) | tj ≤ t ≤ tj+1 }(α(tj+1 ) − α(tj ))
j=1
Dann interessieren wir uns für die Frage, ob bei fortschreitender Verfeinerung der beteiligten
Zerlegungen die Unter-und Obersummen einem gemeinsamen Grenzwert zustreben werden. Unter
sinnvollen Voraussetzungen an die Belegungsfunktion ist eine Antwort möglich.
8.1.1 Hilfssatz. Angenommen, α : [a, b] −→ IR sei monoton wachsend. Dann gilt
a) Für jede Zerlegung Z von [a, b] gilt
min f (t) (α(b) − α(a)) ≤ Σ(f, α, Z) ≤ Σ(f, α, Z) ≤ max f (t) (α(b) − α(a))
a≤t≤b
a≤t≤b
b) Ist eine Zerlegung Z2 von [a, b] feiner als eine Zerlegung Z1 , so gilt
Σ(f, α, Z2 ) ≤ Σ(f, α, Z1 ),
Σ(f, α, Z2 ) ≥ Σ(f, α, Z1 )
c) Sind Z1 und Z2 beliebige Zerlegungen von [a, b], so gilt immer
Σ(f, α, Z1 ) ≤ Σ(f, α, Z2 )
Beweis. (Skizze) a) Klar
Zu b) Angenommen, Z2 habe exakt k Teilpunkte mehr als Z1 . Wir induzieren über k. Für
den Fall k = 1 nehmen wir an, es sei
Z1 = {t1 , t2 , ....., tN },
Z2 = {t1 , s, t2 , ....., tN }
mit einer Zahl t1 < s < t2 . Dann wird
max f (t)(α(s) − α(a)) +
a≤t≤s
≤
=
max f (t)(α(t2 ) − α(s))
s≤t≤t2
max f (t)(α(s) − α(a)) + max f (t)(α(t2 ) − α(s)),
a≤t≤t2
a≤t≤t2
da α(s) ≥ α(a), α(t2 ) ≥ α(s)
max f (t)(α(t2 ) − α(a))
a≤t≤t2
Addieren wir die Terme max{f (t) | tj ≤ t ≤ tj+1 }(α(tj+1 ) − α(tj )) für j ≥ 2 hinzu, finden wir die
gewünschte Ungleichung für k = 1. Für den Induktionsschritt nehmen wir eine Zerlegung Z2 her,
die k + 1 Punkte mehr hat als Z1 und lassen eine Teilpunkt weg. Es entsteht eine Zerlegung Z20 ,
auf die die Induktionsannahme anwendbar wird und die Z1 < Z20 < Z2 gilt. Damit kann jetzt
der Induktionsschritt getan werden.
8.1. DAS RIEMANN-STIELTJES INTEGRAL
71
Beim Vergleich der Untersummen kann in analoger Weise vorgegangen werden.
c) folgt jetzt aus b):
Σ(f, α, Z1 ) ≤ Σ(f, α, Z1 Z2 ) ≤ Σ(f, α, Z1 Z2 ) ≤ Σ(f, α, Z2 )
Damit kommen wir zu unserem ersten Existenzsatz für Riemann-Stieltjes Integrale:
8.1.2 Satz. Angenommen, die Belegungsfunktion α : [a, b] −→ IR sei monoton wachsend. Dann
gilt für jede stetige Funktion f : [a, b] −→ IR
I :=
sup
Z∈Z ([a,b])
Σ(f, α, Z) =
inf
Z∈Z ([a,b])
Σ(f, α, Z)
Genauer: Zu jedem ε > 0 gibt es ein δ > 0, so dass für jede Zerlegung Z, bei der je zwei
benachbarte Teilpunkte einen Abstand kleiner als δ haben, schon
Σ(f, α, Z) ≤ Σ(f, α, Z) + ε( α(b) − α(a) )
Die Zahl I wird Riemann-Stieltjes- Integral von f zur Belegungsfunktion α genannt und mit
Z
b
I=
f (t)dα(t)
a
bezeichnet.
Beweis. Die linke Seite der behaupteten Gleichung ist stets kleiner oder gleich der rechten.
Angenommen, es sei ε > 0 beliebig vorgegeben. Da f gleichmäßig stetig auf [a, b] ist, gibt es
ein δ > 0, so dass |f (t) − f (s)| < ε, wenn immer |t − s| < δ bleibt. Wir wählen eine Zerlegung
Z bei der 2 benachbarte Teilpunkte einen Abstand kleiner als δ haben. Wir können Punkte
x0j , x00j ∈ [tj , tj+1 ] so finden, dass
min f (t) = f (x0j ),
tj ≤t≤tj+1
max f (t) = f (x00j )
tj ≤t≤tj+1
Dann wird
Σ(f, α, Z) ≤
N
−1
X
f (x00j )( α(tj+1 ) − α(tj ) )
j=1
=
N
−1
X
f (x0j )( α(tj+1 )
− α(tj ) ) +
j=1
≤ Σ(f, α, Z) + ε( α(b) − α(a) )
N
−1
X
j=1
(f (x00j ) − f (x0j ))( α(tj+1 ) − α(tj ) )
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
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Es gilt wieder, wie beim üblichen Riemann-Integral
Z b
Z c
Z b
f (t)dα(t) =
f (t)dα(t) +
f (t)dα(t)
a
a
c
wenn a < c < b.
Wir können, wenn α sogar stetig differenzierbar und monoton ist, das Riemann-Stieltjes Integral auf das Riemann-Integral zurückführen.
8.1.3 Satz. Angenommen, f : [a, b] −→ IR sei stetig und α : [a, b] −→ IR monoton und auf
(a, b) stetig differenzierbar. Dann ist
Z b
Z b
f (t)dα(t) =
f (t)α0 (t)dt
Rs
a
a
Beweis. Dazu sei F (s) := a f (t)dα(t). Wir zeigen, dass F Stammfunktion zu f α0 ist. Dazu
fixieren wir ein s0 ∈ (a, s). und wählen eine Zerlegung Z = {t1 , ..., tN } von [s0 , s]. Dann gilt
F (s) − F (s0 ) ≤ Σ(f, α, Z)
N
−1 X
=
max f (t) (α(tj+1 ) − α(tj ) )
[tj ,tj+1 ]
j=1
=
N
−1 X
j=1
≤
≤
max f (t) α0 (τj )(tj+1 − tj ) )
[tj ,tj+1 ]
N
−1 X
j=1
max f (t) α0 (τj )(tj+1 − tj ) )
[s0 ,s]
max[s0 ,s] f (t) max[s0 ,s] α0 (t) (s − s0 ) , wenn
max[s0 ,s] f (t) min[s0 ,s] α0 (t) (s − s0 ) , wenn
Ähnlich zeigt man
min[s0 ,s] f (t) min[s0 ,s] α0 (t) (s − s0 ) , wenn
F (s) − F (s0 ) ≥
min[s0 ,s] f (t) max[s0 ,s] α0 (t) (s − s0 ) , wenn
max[s0 ,s] f (t) ≥ 0
max[s0 ,s] f (t) ≤ 0
min[s0 ,s] f (t) ≥ 0
max[s0 ,s] f (t) ≤ 0
Entsprechendes gilt, wenn s < s0 . Teilen wir jetzt durch s − s0 und lassen s gegen s0 gehen, folgt
wegen der Stetigkeit von f α0 : F 0 (s0 ) = f (s0 )α0 (s0 ), also
Z b
Z b
f (t)dα(t) = F (b) =
f (t)α0 (t)dt
a
a
Wir wollen jetzt die Wohldefiniertheit des Riemann-Stieltjes-Integrals für eine größere Klasse
von Belegungsfunktionen nachweisen. Eine geeignete Klasse ist in folgender Definition beschrieben:
8.1. DAS RIEMANN-STIELTJES INTEGRAL
73
Definition. Eine Funktion α : [a, b] −→ IR wird von beschränkter Schwankung genannt, wenn
eine Schranke S existiert, so dass für jede Zerlegung Z von [a, b] die Zahl
N
−1
X
|α(tj+1 ) − α(tj )| ≤ S
j=1
ist. (Hier sind wieder t1 , ..., tN die Teilpunkte der Zerlegung Z.) Als Variation von α bezeichnen
wir die (nun wohldefinierte) Zahl
Vα := sup{
N
−1
X
|α(tj+1 ) − α(tj )| | a = t1 < t2 < ... < tN = b}
j=1
Beispiel. a) Wenn α monoton wächst, ist Vα = α(b) − α(a).
b) Wenn α stetig differenzierbar ist, so haben wir
0
Vα ≤ max α (t) (b − a)
[a,b]
Wir können jetzt für Funktionen von beschränkter Schwankung das Riemann-Stieltjes Integral definieren, da jede derartige Belegungsfunktion als Differenz zweier monoton wachsender
Funktion geschrieben werden kann.
8.1.4 Hilfssatz. Angenommen, es sei α : [a, b] −→ IR eine Funktion von beschränkter Schwankung. Setzen wir dann Vα (t) := Variation von α über das Intervall [a, t], so sind die Funktionen
Vα (t) und Vα (t) − α(t) auf [a, b] monoton. Ihre Differenz ist gerade die Funktion α.
Beweis. Angenommen, t < t0 . Ist dann Z = {t1 , ..., tN } eine Zerlegung von [a, t], so kann aus
Z durch Hinzufügen von t0 eine Zerlegung von [a, t0 ] gewonnen werden. Es gilt dann
N
−1
X
|α(tj+1 ) − α(tj )| + |α(t0 ) − α(t)| ≤ Vα (t0 )
j=1
Bilden wir das Supremum über alle Zerlegungen Z, folgt sogar
Vα (t) ≤ Vα (t0 ) − |α(t0 ) − α(t)|
Weiter gilt
Vα (t0 ) − α(t0 ) − (Vα (t) − α(t)) ≥ Vα (t0 ) − Vα (t) − |α(t0 ) − α(t)| ≥ 0
Daraus folgt alles.
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
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Mit dem Folgenden treffen wir eine sinnvolle
Definition. Ist die Funktion α : [a, b] −→ IR von beschränkter Schwankung und ist α = β − γ
eine Zerlegung von α in zwei monoton wachsende Funktionen β, γ : [a, b] −→ IR, so setzen wir
für eine stetige Funktion f : [a, b] −→ IR
Z
Z
b
f (t)dβ(t) −
f (t)dα(t) :=
a
Z
b
a
b
f (t)dγ(t)
a
Aus der Definition der Unter-und Obersummen folgt leicht, dass obige Definition nicht von
der Wahl der Funktionen β, γ : [a, b] −→ IR abhängt.
Ist α sogar stetig differenzierbar, so gilt wieder
Z
Z
b
f (t)dα(t) =
a
8.2
b
f (t)α0 (t)dt
a
Wegintegrale
Definition. Unter einem Weg (Kurve) im IRn verstehen wir eine stetige Abbildung c : [a, b] −→
IRn . Entsprechend sprechen wir von einem C k -Weg c, wenn jede Komponente von c schon k-mal
stetig differenzierbar ist.
Weglänge
Wir diskutieren zunächst den Begriff der Länge eines Weges.
Dazu treffen wir weitere Definitionen
Definition. Sei c : [a, b] −→ IRn ein Weg. Mit c bezeichnen wir die Menge c([a, b]).
a) Unter einer Zerlegung Z von c verstehen wir eine endliche Unterteilung c(t1 ), ..., c(tN ) von
c, wobei t1 = a, tN = b und t1 < t2 < ... < tN sei. Die Menge aller derartiger Zerlegungen von c
bezeichnen wir mit Z (c).
b) Sind Z1 und Z2 zwei Zerlegungen von c, so sagen wir Z2 sei feiner als Z1 , wenn jeder
Teilpunkt von Z1 auch in Z2 vorkommt.
c) Sei jetzt Z ∈ Z (c) eine Zerlegung mit Teilpunkten c(t1 ), ...., c(tN ). Dann setzen wir
L(c, Z) :=
N
−1
X
kc(tj+1 ) − c(tj )k
j=1
Aus der Dreiecksungleichung folgt: L(c, Z1 ) ≤ L(c, Z2 ), wenn Z2 feiner als Z1 ist.
8.2. WEGINTEGRALE
75
d) Wir nennen c rektifizierbar, wenn
L(c) := sup{L(c, Z) | Z ∈ Z (c)}
endlich ist.
Beispiel. Der folgende Weg c wird als Grenzwert einer Folge von Wegen (ck )k definiert:
c1 ist die Strecke von 0 bis 3 (in der Ebene IR2 )
Zu c2 : Man ersetze in c1 die Teilstrecke√ von 1 bis 2 durch die Schenkel des gleichseitigen
Dreiecks mit Ecken bei 2 und 3 und (1.5 | 12 3)
Zu c3 : Man teile jede Teilstrecke von c2 in drei gleiche Teile und ersetze jeweils das mittlere
Teilstück durch die Schenkel eines gleiseitigen Dreiecks.
So fahre man fort: Ist ck konstruiert, so teile man jede Teilstrecke von ck in drei gleiche Teile
und ersetze jeweils das mittlere Teilstück durch die Schenkel eines gleiseitigen Dreiecks und erhält
ck+1 .
Im Bild sehen wir untereinander c1 , c2 , c3 und (in Vergrößerter Form) c4 :
Das so entstehende c ist nicht rektifizierbar, denn L(ck ) = 4( 43 )k−1 .
Ein stetig differenzierbarer Weg ist immer rektifizierbar. Dazu brauchen wir einen
8.2.1 Hilfssatz. Sei f : [a, b] −→ IRn stetig. dann ist
Z
k
Z
b
b
f (t)dtk ≤
a
kf (t)kdt
a
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
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~ ∈ IRn ein Vektor, so gilt
Beweis. Ist X
~ = sup{|X
~ · ~v | | ~v ∈ IRn , k~v k = 1 }
kXk
Sei also ~v ein Einheitsvektor. Dann ist
Z b
Z b
Z b
Z b
f (t)dt · ~v | = |
f (t) · ~v dt| ≤
|f (t) · ~v |dt ≤
kf (t)kdt
|
a
a
a
a
(die letzte Abschätzung folgt aus der Cauchy-Schwarz-Ungleichung). Bilden wir dann das Supremum über alle Einheitsvektoren ~v , so folgt die Behauptung.
8.2.2 Hilfssatz. Ist c : [a, b] −→ IRn auf (a, b) stetig differenzierbar, so ist c rektifizierbar, und
es gilt
Z b
L(c) =
kċ(t)kdt
a
(Hierbei bedeutet ċ den Vektor der Ableitungen der Komponenten von c).
Beweis. Ist nämlich Z = {c(t1 ), ..., c(tN )} eine Zerlegung von c, so ist (mit dem vorherigen
Hilfssatz)
L(c, Z) =
N
−1
X
j=1
kc(tj+1 ) − c(tj )k =
N
−1
X
j=1
Z
k
tj+1
ċ(t)dtk ≤
tj
N
−1 Z tj+1
X
j=1
Z
b
kċ(t)kdt =
tj
kċ(t)kdt
a
Rb
Damit ist die Rektifizierbarkeit von c gezeigt, ebenso, dass L(c) ≤ a kċ(t)kdt.
Mit ct bezeichnen wir den Weg c[a, t], wenn t ∈ (a, b). Auch ct ist rektifizierbar, und L(ct ) ≤
L(c). Sei t0 ∈ (a, b) und Z eine Zerlegung von ct0 . Dann gilt für t0 < t < b:
L(ct0 , Z) + kc(t) − c(t0 )k ≤ L(ct )
da durch Hinzunahme von c(t) zu Z eine Zerlegung für ct entsteht. Da aber Z beliebig ist, ist
L(ct0 ) + kc(t) − c(t0 )k ≤ L(ct )
Z
Damit wird aber
t
kc(t) − c(t0 )k ≤ L(ct ) − L(ct0 ) ≤
kċ(s)kds
t0
Dasselbe gilt auch, wenn t < t0 . Teilen wir die Ungleichungskette durch t − t0 und lassen dann
t gegen t0 gehen, so folgt, dass L(ct ) eine differenzierbare Funktion ist und ihre Ableitung bei t0
gerade
d
= kċ(t0 )k
L(ct )
dt
t=t0
8.2. WEGINTEGRALE
77
Das ergibt aber
Z
b
kċ(t)dtk
L(c) = L(cb ) =
a
~
~
Beispiele. 1) Ein Kreis um M mit Radius R. Wir setzen c(t) = R+R(cos t, sin t), für t ∈ [0, 2π]
und bilden ċ. Es gilt ċ(t) = R(− sin t, cos t), also kċ(t)k = R. Das ergibt
Z 2π
L(c) =
kċ(t)kdt = 2πR
0
2) Die Zykloide c(t) = (t − sin t, 1 − cos t)
2
1.5
1
0.5
1
2
4
3
5
6
Dann ist
ċ(t) = (1 − cos t, sin t), kċ(t)k2 = (1 − cos t)2 + sin2 t = 2(1 − cos t) = 4 sin2 (t/2)
Z
Damit wird
Z
2π
L(c) = 2
π
sin(t/2)dt = 4
sin sds = 8
√
3) Die Parabel c(t) = (t, t2 ) mit t ∈ [0, 4]. Nun ist kċ(t)k = 1 + 4t2 , also
Z 4√
1 + 4t2 dt
L(c) =
0
4
√
1 √
1
t 1 + 4t2 + log(2t + 1 + 4t2 ) =
2
4
0
√
√
1
= 2 65 + log(8 + 65) = 16.8186
4
0
0
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
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Wir können nun Wegintegrale stetiger Funktion wie folgt einführen:
Definition. Ist c : [a, b] −→ IRn ein Weg, so dass jede Komponente cj von c von beschränkter
Schwankung ist, so soll für jede (vektorwertige) stetige Funktion f : c −→ IRn unter
Z
f (~s)d~s
c
das Integral
Z
f (~s)d~s :=
c
n Z
X
b
fj (c(t))d cj (t)
a
j=1
verstanden werden.
Bei rektifizierbaren Wegen c erfüllen die Komponenten c1 , ..., cn die Bedingung, von beschränkter Schwankung zu sein.
Das folgende zeigt, dass diese Definition von der gewählten Parametrisierung nicht abhängt:
8.2.3 Hilfssatz. i) Ist h : [a0 , b0 ] −→ [a, b] bijektiv und stetig mit h(a0 ) = a, h(b0 ) = b und
ist weiter h auf (a0 , b0 ) stetig differenzierbar, dann ist für jeden Weg c : [a, b] −→ IRn von
beschränkter Schwankung
n Z b
n Z b0
X
X
fj (c(t))d cj (t) =
fj (c∗ (t))d c∗j (t),
a
j=1
j=1
a0
wobei c∗ := c ◦ h.
ii) Ist c stetig differenzierbar, so ist
Z
Z b
f (~s)d~s =
f (c(t)) · ċ(t)dt
c
3
a
Beispiel. Ist etwa f : IR −→ IR definiert als f (~x) := (x1 , x2 −x1 , x3 +x1 ) und c : [0, 1] −→ IR3
die ”Schraubenlinie”
c(t) := (R cos(2πt), R sin(2πt), 3t)
3
so wird
Z
1
f (~s)d~s =
c
Z

−2πR sin(2πt)
f (R cos(2πt), R sin(2πt), 3t) ·  2πR cos(2πt)  dt
3

Z
0
−2πR2 cos(2πt) sin(2πt) + 2πR2 (sin(2πt) − cos(2πt) ) cos(2πt) dt
1
=
0
Z
1
+3
( R cos(2πt) + 3t) dt
Z 1
Z 1
2
2
= −2πR
cos (2πt)dt + 3
( R cos(2πt) + 3t) dt
0
0
9
= −πR2 +
2
0
8.2. WEGINTEGRALE
79
Folgendes haben wir früher schon einmal gesehen:
8.2.4 Hilfssatz. Ist c : [a, b] −→ IRn ein stetig differenzierbarerWeg und f : c −→ IRn eine
vektorwertige Funktion, so dass ∇U = f für eine geeignete stetig differenzierbare Funktion
U : W −→ IR, (wobei W ⊃ c eine offene Umgebung sein soll), so gilt
Z
f (~s)d~s = U (c(b)) − U (c(a))
c
Wenn weiter c sogar ein geschlossener Weg ist, also c(a) = c(b) gilt, so ist
Z
f (~s)d~s = 0
c
Manchmal schreibt man in diesem Fall auch
Z
O f (~s)d~s = 0
c
Beweis. Die Kettenregel lehrt, dass
Z b
Z b
Z
d (U ◦ c)
U (c(b)) − U (c(a)) =
dt =
∇U (c(t)) · ċ dt = f (~s)d~s
dt
a
a
c
Wir sehen uns nun das folgende C 2 -Richtungsfeld f : IRn −→ IRn an und wollen f längs
eines Kreises c mit Radius R integrieren, der in einer Ebene liegt, die durch die (orthogonalen)
Einheitsvektoren ~u und ~v aufgespannt wird und durch einen Punkt ~x0 geht.
x0
Dazu schreiben wir
c(t) = ~x0 + R (~u cos t + ~v sin t)
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
80
und rechnen aus
Z
Z
1
f (~s) · d~s =
c
f (c(t)) · ċ(t)dt
Z 1
= −R
~u · f (~x0 + ( R~u cos t + R~v sin t) ) sin tdt
0
Z 1
+R
~v · f (~x0 + (R~u cos t + R~v sin t) ) cos tdt
0
0
Wir nehmen weiter an, dass R klein sei. Dann können wir die Taylorentwicklung von f um
~x verwenden. Dann gilt
0
f (~x0 + (R~u cos t + R~v sin t) ) = f (~x0 ) + Jf (~x0 ) · (−R~u sin t + R~v cos t)
+
n
X
~e j (−R~u sin t + R~v cos t) · Hesfj ((1 − τj,t )~x0 + τj,t (R~u cos t + R~v sin t) ) (−R~u sin t + R~v cos t)
j=1
Mit einer Zahlen τj,t ∈ (0, 1). Nun kürzen wir für den Restterm mit Φ2 (t) ab und sehen, dass
kΦ2 (t)k ≤ M R2
mit irgendeiner geeigneten Schranke M . Nun setzen wir dies alles in das Wegintegral ein und
erhalten
Z
Z
2π
Z
f (~s)d~s = −R ~u · Jf (~x )~v
sin tdt + R ~v · Jf (~x )~u
0
c
Z 2π
+
Φ2 (t) · (−R~u sin t + R~v cos t) dt
0
= πR2 ~v · Jf (~x0 )~u − ~u · Jf (~x0 )~v + E(~x0 , R)
2
0
2
2
2π
0
cos2 tdt
0
mit einem Fehlerterm E(~x0 , R), der durch
|E(~x0 , R)| ≤ M 0 R3
abzuschätzen ist.
So können wir sehen, dass der Quotient
R
c
f (~s)d~s
πR2
mit R −→ 0 einem Grenzwert zustrebt, den man als lokale ”Wirbeldichte” des Feldes bei ~x0
ansehen kann.
8.2. WEGINTEGRALE
81
Definition. Ist f : W −→ IRn ein C 2 -Richtungsfeld auf einer offenen Menge, dann bezeichnet
man als Rotation von f in ~x0 ∈ W die durch
Rot f (~x0 )(~u, ~v ) := ~v · Jf (~x0 )~u − ~u · Jf (~x0 )~v
definierte alternierende 2-Form auf IRn .
Beispiele. a) Wenn n = 2, ist
0
Rot f (~x )(u, v) =
∂f2
∂f1
−
∂x1 ∂x2
det(~u, ~v )
Im Spezialfall n = 3 gilt in Koordinaten
Rot f (~x0 )(~u, ~v ) = ∇ × f (~x0 ) · (~u × ~v )
wie nun ohne Mühe nachgerechnet werden kann. Dabei bedeutet ∇ × f (~x0 ) den Vektor


∂f3
∂f2
−
 ∂x2 ∂x3 


 ∂f1
∂f3 
−
∇ × f (~x0 ) :=  ∂x
 (~x0 )
 3 ∂x1 


∂f2
∂f1
− ∂x2
∂x1
Mitunter wird ∇ × f (~x0 ) mit dem Symbol rot f (~x0 ) bezeichnet.
Wir können jetzt Richtungsfelder kennzeichnen, die sich als f = ∇U mit einer Funktion
(Potential) U darstellen lassen.
Folgendes wissen wir schon:
8.2.5 Hilfssatz. Ist f : W −→
IRn ein C 2 -Richtungsfeld mit Potential U , also f = ∇U
R
mit einer C 3 -Funktion, so ist c f (~s)d~s = 0 für jeden geschlossenen Weg c in W , ebenso ist
Rot f (~x) = 0 für jedes ~x ∈ W .
Sind diese Kriterien auch hinreichend für die Existenz eines Potentials?
Dazu sehen wir uns ein Beispiel an. Es sei W ein Kreisring in der Ebene, etwa W = {~x | r1 <
k~xk < r2 } mit r1 < 1 < r2 , und
1
−x2
f (~x) =
x1
k~xk2
Dann ist
∂f1
1
2x22
=−
+
,
∂x2
k~xk2 k~xk2
also
Rot f (~x) = −
∂f2
1
2x21
=
−
∂x1
k~xk2 k~xk2
2
2x22
2x21
+
+
=0
k~xk2 k~xk2 k~xk2
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
82
Aber ist nun c(t) = (cos t, sin t), so folgt
Z
f (~s)d~s = 2π
c
Also kann f nicht über ganz W als ∇U mit irgendeiner differenzierbaren Funktion W dargestellt
werden.
Ob ein Richtungsfeld f Gradient einer Funktion U ist oder nicht, hängt also nicht nur von f
ab, sondern auch vom Definitionsbereich von f .
Definition. Wir nennen eine offene Menge W ⊂ IRn sternförmig, wenn ein Punkt ~x0 ∈ W
derart gefunden werden kann, dass für jeden Punkt P~ ∈ W die Verbindungsstrecke von P~ nach
~x0 ganz innerhalb W verläuft.
Hier sind 2 Beispiele:
nicht sternförmig
sternförmig
Über einem sternförmigen Gebiet ist jedes Rot-freie Feld Gradient einer Potentialfunktion.
Um das zu zeigen benötigen wir ein Hilfsmittel über die Vertauschung von Limesbildung und
Integral.
8.2.6 Hilfssatz. Angenommen u : [a, b] × V −→ IR sei eine stetige Funktion.
8.2. WEGINTEGRALE
83
a) Dann ist auch
Z
b
v(~x) :=
u(t, ~x)dt
a
eine auf V stetige Funktion.
b) Sind ferner die 1. partiellen Ableitungen von u(t, ~x) bezgl. ~x stetig, so ist auch v stetig
differenzierbar, und
Z b
∂v
∂u
(~x) =
(t, ~x)dt
∂xk
a ∂xk
für alle 1 ≤ k ≤ n.
Beweis. a) Angenommen, es sei ~x0 ∈ V fest. Dann wählen wir einen kleinen Radius r > 0, so
dass B(~x0 , r) ⊂ V . Auf der kompakten Menge [a, b] × B(~x0 , r) ist u gleichmäßig stetig. Ist jetzt
ε > 0 beliebig vorgegeben, so finden wir ein δ > 0, so dass |u(t, ~x) − u(t, ~x0 )| < ε/(b − a), wenn
t ∈ [a, b], |~x − ~x0 | < δ. Nun folgt
Z b
Z b
0
0
|v(~x) − v(~x )| = (u(t, ~x) − u(t, ~x ) )dt ≤
u(t, ~x) − u(t, ~x0 ) )dt < ε
a
a
wenn |~x − ~x0 | < δ.
b) Sei ~x0 ∈ V fest und ebenso k ∈ {1, ..., n}. Wir definieren ( bei geeignet kleinem s > 0)
eine neue Funktion wk : [a, b] × [−s, s] −→ IR durch
 u(t,~x0 +λ~e )−u(t,~x0 )
k
, wenn λ 6= 0

λ
wk (t, λ) :=

∂u
(t, ~x0 )
, wenn λ = 0
∂xk
Wir behaupten, dass wk stetig sei.
Ist das gezeigt, so erhalten wir mit a):
v(~x0 + λ~e k ) − v(~x0 )
λ→0,λ6=0
λ
Z b
Z b
0
u(t, ~x + λ~e k ) − u(t, ~x0 )
=
lim
wk (t, λ)dt
dt = lim
λ→0,λ6=0 a
λ→0,λ6=0 a
λ
Z b
Z b
∂u
=
wk (t, 0)dt =
(t, ~x)dt
a
a ∂xk
∂v 0
(~x ) =
∂xk
lim
Zur Stetigkeit von wk : In allen Punkten (t, λ) ∈ [a, b] × (−s, s) mit λ 6= 0 ist dies klar.
Angenommen, t0 ∈ [a, b]
∂u
Nun ist aber ∂x
auf M := [a, b] × B(~x0 , r) gleichmäßig stetig. Somit gibt es zu vorgegebenem
k
ε > 0 ein δ > 0, so dass
∂u
∂u 0 0 (t, ~x) −
(t , ~x ) < ε
∂xk
∂xk
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
84
wenn (t, ~x), (t0 , ~x0 ) ∈ M und |t − t0 | + k~x − ~x0 k < δ. Weiter beachten wir, dass
Z
λ
u(t, ~x + λ~e k ) − u(t, ~x ) =
0
0
0
∂u
(t, ~x0 + τ~e k )d τ
∂xk
Nun schreiben wir
|wk (t, λ) − wk (t0 , 0)| ≤ |wk (t, λ) − wk (t, 0)| + |wk (t, 0) − wk (t0 , 0)|
Ist λ > 0, so ist dieser Term durch
Z
Z
1 λ ∂u
1 λ ∂u
∂u
∂u
0
0 0
0 (t, ~x + τ~e k ) −
(t, ~x )d τ +
(t, ~x ) −
(t0 , ~x )d τ
λ 0 ∂xk
∂xk
λ 0 ∂xk
∂xk
abzuschätzen. Wenn nun |t − t0 | + |λ| < δ, wird das kleiner als 2ε.
Wenn λ = 0, wird
∂u
∂u
|wk (t, 0) − wk (t0 , 0)| ≤ (t, ~x0 ) −
(t0 , ~x0 ) < ε
∂xk
∂xk
Für λ < 0 erhalten wir eine Abschätzung ähnlich zu der für den Fall λ > 0. In jedem Falle
wird
|wk (t, λ) − wk (t0 , 0)| ≤ 2ε,
wenn |t − t0 | + |λ| < δ. Damit ist der Beweis vollständig.
Nun sind wir bereit für den Beweis des Satzes über die Existenz eines Potentials:
8.2.7 Satz. Ist W ⊂ IRn ein sternförmiges Gebiet und f : W −→ IRn ein stetig differenzierbares
Richtungsfeld, so gibt es genau dann eine stetig differenzierbare Funktion U : W −→ IR mit
∇U = f , wenn Rot f = 0.
Beweis. Wir wählen einen Punkt ~x0 ∈ W , so dass für jeden Punkt ~x ∈ W die Verbindungsstrecke c~x (t) := ~x0 + t(~x − ~x0 ), 0 ≤ t ≤ 1 von ~x0 nach ~x ganz innerhalb von W bleibt. Dann
behaupten wir, die Funktion
Z
U (~x) :=
f (~s)d~s
c~x
leiste das Verlangte.
Dazu schreiben wir U aus:
Z
U (~x) =
1
u(t, ~x)dt,
0
mit
u(t, ~x) = f (~x0 + t(~x − ~x0 )) · (~x − ~x0 )
8.3. INTEGRALE STETIGER FUNKTIONEN MIT KOMPAKTEM TRÄGER
85
Die Voraussetzung Rot f = 0 bedeutet, dass
∂fi
∂fj
=
, 1 ≤ i, j ≤ n
∂xj
∂xi
Der vorherige Hilfssatz ist auf dieses u anwendbar und ergibt
Z 1
∂U
∂u
(~x) =
(t, ~x)dt
∂xk
0 ∂xk
Nun errechnen wir aber
n
∂u
∂ X
(t, ~x) =
fj (~x0 + t(~x − ~x0 ))(xj − x0j )
∂xk
∂xk j=1
=
n
X
t·
j=1
= t·
∂fj 0
(~x + t(~x − ~x0 ))(xj − x0j ) + fk (~x0 + t(~x − ~x0 ))
∂xk
n
X
∂fk
j=1
∂xj
(~x0 + t(~x − ~x0 ))(xj − x0j ) + fk (~x0 + t(~x − ~x0 ))
d
fk (~x0 + t(~x − ~x0 )) + fk (~x0 + t(~x − ~x0 ))
dt
d
=
t · fk (~x0 + t(~x − ~x0 ))
dt
= t·
Das führt auf
Z 1
Z 1
1
∂U
∂u
d
0
0
0
0 t · fk (~x + t(~x − ~x )) dt = t · fk (~x + t(~x − ~x )) = fk (~x)
(~x) =
(t, ~x)dt =
∂xk
0
0 ∂xk
0 dt
wie gewünscht.
8.3
Integrale stetiger Funktionen mit kompaktem Träger
Wir gehen jetzt daran, für Funktionen in mehreren Veränderlichen ein Integral einzuführen.
Definition. Sei f : IRn −→ IR eine Funktion. Wir bezeichnen als Träger von f die abgeschlossene Hülle der Menge {~x | f (~x) 6= 0}. Der Träger von f wird mit supp (f ) bezeichnet.
Ist U ⊂ IRn eine offene Menge, so bezeichnet Cc (U ) die Menge aller auf U stetigen Funktionen
f : U −→ IR , für die supp (f ) eine kompakte Teilmenge von U ist. Wenn U = IRn , schreiben
wir einfach Cc statt Cc (IRn ).
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
86
Hier sind ein paar
Beispiele. a) n = 1. Sei etwa f (t) := 1 − |t|, wenn t ∈ [−1, 1] und f (t) = 0 sonst. Dann ist
f ∈ Cc .
b) Ist n ≥ 1 und f wie unter a), so ist
F (~x) := f (x1 )f (x2 ) . . . f (xn )
eine Funktion in Cc .
c) Sei wieder n = 1 und f : [a, b] −→ IR+ stetig. Ist dann ε > 0 beliebig, so definieren wir










gε (t) :=









0
t−(a−ε)
f (a)
ε
f (t)
b+ε−t
f (b)
ε
0
wenn t < a − ε
wenn a − ε ≤ t ≤ a
wenn a ≤ t ≤ b
wenn b ≤ t ≤ b + ε
wenn t > b + ε
Das ist eine Funktion aus Cc mit g = f auf [a, b].
Man beachte, dass gε monoton fallend gegen f strebt, wenn ε monoton gegen Null geht.
g (t)
ε
t
a- ε a
b
b+ ε
Wir können auch beliebig oft stetig differenzierbare Funktionen angeben, deren Träger kompakt ist. Sei etwa
−1/x
e
wenn x > 0
f (x) :=
0
sonst
Dann setzen wir
f1 (x) :=
f (x)
f (x) + f (1 − x)
8.3. INTEGRALE STETIGER FUNKTIONEN MIT KOMPAKTEM TRÄGER
87
Dann wird f1 beliebig oft differenzierbar sein und f1 (x) = 1, wenn x ≥ 1 und f1 (x) = 0, wenn
x < 0. Dann sei weiter
f0 (x) = f1 (x)f1 (3 − x)
Dann ist f2 (x) = 1, wenn 1 ≤ x ≤ 2 und supp (f0 ) ⊂ [0, 3]. Hier ist der Graph von f0 :
1
0.8
0.6
0.4
0.2
-1
1
2
3
4
Teilung der Eins
Mit der soeben konstruierten Funktion können wir jetzt eine Familie von beliebig oft differenzierbaren Funktionen mit kompaktem Träger angeben, so dass die Summe aller dieser Funktionen
konstant Eins ist. Zunachst sei
g0 (~x) := f0 (x1 )f0 (x2 ) · · · · · f0 (xn )
Dann ist supp (g0 ) ⊂ Q( 32 ~e , 32 ) und g0 = 1 auf Q( 32 ~e , 12 ).
Es sei ε > 0 beliebig und ~e = (1, 1, 1, ..., 1). Für p~ ∈ ZZ n sei
1
gp~, ε (~x) := g0 ( ~x − p~)
ε
Dann wird supp (gp~,ε ) ⊂ Q(ε(~p + 32 ~e ), 32 ε) und gp~,ε = 1 auf Q(ε(~p + 32 ~e ), 12 ε).
Ferner beobachten wir: Sind p~, ~q ∈ ZZ n und Q(ε(~p + 32 ~e ), 32 ε) ∩ Q(ε(~q + 32 ~e ), 32 ε) 6= ∅, so gilt
pj − qj ∈ {−3, −2, −1, 0, 1, 2, 3} für j = 1, ..., n. Damit ist jeder Punkt ~x ∈ IRn in maximal 7n
der Quader Q(ε(~p + 32 ~e ), 32 ε) gleichzeitig enthalten. Die Funktion
X
ψ0 (~x) =
g0 (~x − p~)
p
~∈ZZ n
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
88
ist nun beliebig oft differenzierbar und überall positiv. Wir setzen noch


X
ψ0,ε (~x) = ψ0 (~x/ε)  =
gp~,ε (~x)
p
~∈ZZ n
Dann wird durch
hp~,ε (~x) :=
gp~,ε
(~x)
ψ0,ε
eine beliebig oft differenzierbare Funktion mit kompaktem Träger erklärt ( dieser ist jetzt eine
kompakte Teilmenge von Q(ε(~p + 32 ~e ), 32 ε)). Weiter gilt
X
hp~,ε (~x) = 1
p
~∈ZZ n
auf ganz IRn .
Das Integral für stetige Funktionen mit kompaktem Träger
Wir wollen jetzt das Integral für eine Funktion aus Cc in mehreren Variablen durch Iterieren
des eindimensionalen Integrals definieren. Die folgende Hilfsaussage soll sicherstellen, dass dies
in konsistenter Weise vorgenommen werden kann, da es auf die Reihenfolge nicht ankommt, in
der über die einzelnen Variablen integriert wird.
8.3.1 Hilfssatz. Angenommen, Q = [a, b] × [c, d] −→ IR und f : Q −→ IR sei stetig. Dann ist
Z b Z d
Z d Z b
f (t, s)ds dt =
f (t, s)dt ds
a
c
c
Beweis. Wir betrachten die Funktion
Z
a
y
h2 (t, y) :=
f (t, s)ds
c
Dann ist h2 (t, c) = 0 für alle t und weiter
∂h2
(t, y) = f (t, y)
∂y
Die Funktion
Z
b
h1 (y) :=
h2 (t, y)dt
a
ist also stetig differenzierbar mit h1 (c) = 0 und
Z b
Z b
∂h2
0
h1 (s) =
f (t, s)dt
(t, s)dt =
a ∂y
a
8.3. INTEGRALE STETIGER FUNKTIONEN MIT KOMPAKTEM TRÄGER
89
Nun folgt
Z
d
Z
c
b
Z
f (t, s)dt ds =
a
d
c
h01 (s)ds
= h1 (d) − h1 (c) = h1 (d)
Z b
Z b Z
=
h2 (t, d)dt =
a
a
d
f (t, s)ds dt
c
Das war zu zeigen.
Folgende Definition wird jetzt sinnvoll:
Definition. Ist f ∈ Cc und Q := [a, b1 ] × [a2 , b2 ] × ... × [an , bn ] ein Quader mit supp (f ) ⊂ Q,
so setzen wir
Z bn
Z
Z b1 Z b2
n
f (~x)d x =
...
f (x1 , ..., xn )dxn ... dx2 dx1
IRn
a1
a2
an
Der vorherige Hilfssatz ergibt ( durch geeignete Induktionsargumente), dass die Reihenfolge,
in der über die einzelnen Variablen integriert wird, nach Belieben vertauscht werden darf.
Das Verhalten des Integrals gegenüber monotoner Konvergenz
Wir wissen schon, dass, wenn eine Folge (fk )k stetiger Funktionen gleichmäßig konvergiert,
wir den Grenzprozess k −→ ∞ mit der Integration vertauschen können. Wir wollen nun zeigen,
dass dies in der Klasse Cc auch bei monotonen Folgen geht. Dazu brauchen wir ein technisches
Lemma
8.3.2 Satz (Dini). Angenommen, es sei K ⊂ IRn kompakt und fk : K −→ IR stetige Funktionen, k ≥ 1. Gibt es dann eine stetige Funktion f : K −→ IR, so dass für jedes ~x ∈ K schon
fk (~x) monoton wachsend gegen f (~x) konvergiert, so konvergiert die Folge (fk )k auf K schon
gleichmäßig gegen f , also
sup |f (~x) − fk (~x)| −→ 0, wenn k −→ ∞
~
x∈K
Beweis. Dazu benutzen wir die Überdeckungskompaktheit von K. Ist ε > 0 beliebig vorgegeben, so gibt es zu jedem ~x ∈ K ein k(~x) ≥ 1, so dass für all k ≥ k(~x) die Abschätzung
0 ≤ f (~x) − fk (~x) < ε
besteht. Da f − fk stetig ist, können wir ein δ(~x) > 0 wählen, für das
f (~y ) − fk(~x) (~y ) < ε, wenn k~y − ~xk < δ(~x)
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
90
Die so gefundenen Kugeln B(~x, δ(~x)) bilden eine Überdeckung von K durch offene Mengen. Es
reichen also bereits endlich viele von ihnen aus, um K zu überdecken. Seien etwa ~x1 , ...., ~xm ∈ K
die Mittelpunkte dieser Kugeln. Dann gilt für alle ` ≥ max{k(~x1 ), ..., k(~xm )} folgendes:
Ist ~y ∈ K, so liegt ~y ∈ B(~xi , δ(~xi )) für ein geeignetes i ∈ {1, ..., m}. Dann ist aber
0 ≤ f (~y ) − f` (~y ) ≤ f (~y ) − fk(~xi ) (~y ) < ε
Das beweist, dass
0 ≤ sup (f (~y ) − f` (~y ) ) ≤ ε
y ∈K
~
wenn ` ≥ max{k(~x ), ..., k(~x )}.
1
m
Daraus folgt jetzt leicht
8.3.3 Satz. Seien f, fν ∈ Cc für ν ≥ 1 und fν % f mit ν −→ ∞. Dann gilt
Z
Z
n
lim
fν (~x)d ~x =
f (~x)dn x
ν→∞
IRn
IRn
Partielle Integration
Ist k ≥ 1, so bezeichnen wir mit Cck die Menge der k-mal stetig differenzierbaren Funktionen
in Cc .
8.3.4 Hilfssatz. a) Ist F ∈ Cc1 , so gilt für jedes k ∈ {1, ..., n}:
Z
∂F
(~x)dn x = 0
IRn ∂xk
b) Sind f, g ∈ Cc1 , so gilt für jedes k ∈ {1, ..., n}:
Z
Z
∂g
∂f
n
f
(~x)d x = −
g
(~x)dn x
n
n
∂x
∂x
k
k
IR
IR
c) Wenn f, g ∈ Ccm , so gilt jeden Multiindex α der Länge kleiner oder gleich m:
Z
Z
∂ αg
∂ αf
n
|α|
f α (~x)d x = (−1)
g α (~x)dn x
∂x
∂x
IRn
IRn
Beweis. a) Da es beim Integrieren auf die Reihenfolge der Variablen nicht ankommt, können
wir F zuerst über die Variable xk integrieren und finden, da für ein genügend großes R > 0 gilt
supp (F ) ⊂ Q(~0, R), also −R ≤ xk ≤ R
Z R
∂F
(x1 , ...., xk−1 , xk , xk+1 , ..., xn )dxk = F (x1 , ...., xk−1 , R, xk+1 , ..., xn )
|
{z
}
−R ∂xk
=0
− F (x1 , ...., xk−1 , −R, xk+1 , ..., xn ) = 0
|
{z
}
=0
8.3. INTEGRALE STETIGER FUNKTIONEN MIT KOMPAKTEM TRÄGER
91
Daraus folgt durch Integrieren über die anderen Variablen die Behauptung.
b) Das folgt aus a) mit F = f g und der Produktregel für das partielle Differenzieren.
c) Dies folgt etwa durch ein Induktionsargument (über |α|) aus b).
Wir verallgemeinern diese Regel auf den Fall, dass nur eine der beiden Funktionen kompakten
Träger hat.
Definition. Sei U ⊂ IRn offen. Für k ≥ 0 (ganzzahlig) setzen wir
Cck (U ) := {f ∈ Cc | supp (f ) ⊂ U, f ∈ C k (U )}
Für Funktionen f ∈ Cck (U ) definieren wir
Z
Z
n
f d x :=
U
IR
n
f dn x
Dann gilt
8.3.5 Satz. Ist U ⊂ IRn offen und sind f, g ∈ C 1 (U ) Funktionen, so dass wenigstens eine von
ihnen zu Cc1 (U ) gehört, so gilt für alle k ∈ {1, 2, ..., n}
Z
Z
∂g
∂f
n
f (~x)
(~x)d x = − g(~x)
(~x)dn x
∂x
∂x
k
k
U
U
Beweis. Wir nehmen an, es sei K := supp (f ) kompakte Teilmenge von U . Dann wählen wir
ε > 0 so klein, dass gilt: Ist ~x ∈ K, so ist Q(~x, 2ε) ⊂ U . Dann arbeiten wir mit der zur Familie
(Q(ε(~p + 32 ~e ), 32 ε ) )p~∈ZZ n konstruierten Teilung (hp~,ε )p~∈ZZ n der Eins. Mit einer geeigneten endlichen
Menge A ∈ ZZ n haben wir hp~,ε = 0 auf K, wenn p~ ∈
/ A. Somit ist schon
X
hp~,ε f g = f g
p
~∈A
und
3
3
supp (hp~,ε f g) ⊂ Q(ε(~p + ~e ), ε )
2
2
Dann gilt aber
Z
IRn
Das ergibt
∂
(hp~,ε f g)dn x = 0
∂xk
Z
Z
Z
∂f n
∂g n
∂hp~,ε n
hp~,ε
gd x +
hp~,ε
fd x = −
fg
d x
∂xk
∂xk
∂xk
IRn
IRn
IRn
Summieren wir das über alle p~ ∈ A, so folgt zusammen mit
X ∂hp~,ε
p
~∈A
∂xk
=0
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
92
die Behauptung.
Der Transformationssatz
Nun wollen wir die mehrdimensionale Version der Substitutionsregeln kennen lernen.
Definition. Sind U, V ⊂ IRn offene Mengen, so nennt man eine bijektive Abbildung Φ : U −→
V einen
• Homeomorphismus, wenn Φ und Φ−1 stetige Abbildungen sind,
• C k -Diffeomorphismus, wenn Φ und Φ−1 k-mal stetig differenzierbar sind.
Der Transformationssatz lautet dann wie folgt:
8.3.6 Satz (Transformationssatz). Angenommen, Φ : U −→ V sei ein C 1 -Diffeomorphismus
zwischen den offenen Mengen U und V des IRn . Dann gilt für jede Funktion f ∈ Cc mit supp (f ) ⊂
V:
Z
Z
n
f (~y )d y =
f ◦ Φ(~x)| det JΦ (~x)|dn x
IRn
IRn
Der Beweis kann in mehreren Schritten geschehen. Wir beginnen mit dem Fall, dass Φ linear
ist.
8.3.7 Hilfssatz. Der Transformationssatz gilt, wenn Φ affin-linear ist, d.h.: Es gibt A ∈
GL(n, IR) und ~v ∈ IRn mit Φ(~x) = A · ~x + ~v .
Beweis. Wir induzieren über n. Zum Fall n = 1. Nun ist Φ(x) = ax + b mit a 6= 0, b ∈ IR.
Wir wählen wir ein R > 0, so dass supp (f ) ⊂ (−R, R)
Ist a > 0, so gilt
Z
Z
Z
R
f (y)dy =
f (y)dy = a
−R
IR
denn supp (x 7−→ f (ax + b) ) ⊂ ( −R−b
,
a
Ist nun a < 0, so wird
Z
Z
f (y)dy =
IR
da diesmal
Z
R
f (y)dy = a
−R
−R−b
a
>
R−b
a
R−b
a
−R−b
a
R−b
a
−R−b
a
Z
f (ax + b)dx = a
f (ax + b)dx
IR
R−b
).
a
Z
f (ax + b)dx = −a
−R−b
a
R−b
a
Z
f (ax + b)dx = |a|
f (ax + b)dx
IR
ist.
Angenommen, der Transformationssatz gelte für alle affin-linearen Abbildungen Ψ des IRn−1
und alle Funktionen g ∈ Cc im IRn−1 .
8.3. INTEGRALE STETIGER FUNKTIONEN MIT KOMPAKTEM TRÄGER
93
Gegeben sei f ∈ Cc in IRn und die affin-lineare Abbildung
Φ(~x) := A · ~x + ~x0
Die letzte Zeile der Matrix A ist nicht Null, so dass wir etwa an der i0 -ten Stelle dieser Zeile
von A ein Element 6= 0 finden können, wenn i0 ∈ {1, ..., n} richtig gewählt ist. Es sei dann
σ die durch Vertauschen der i0 -ten Komponente mit der n-ten Komponente definierte lineare
Abbildung. Dann ist auch Φ ◦ σ affin-linear, also von der Form
Φ ◦ σ(~x) = B · ~x + w
~
mit einem Vektor w
~ ∈ IRn und einer invertierbaren Matrix B mit | det B| = | det A |. Sei
Ψ := Φ ◦ σ ◦ Φ−1
1
wobei




Φ1 (~x) := 


x1
x2
..
.
xn−1
bn1 x1 + ... + bnn xn + c0







Hierbei sind bnj die Einträge in der letzten Zeile von B und c0 ∈ IR. Die Abbildung Ψ ist nun
in der Gestalt
0 0
C · ~y 0 + yn~v + ~y0
Ψ (~y , yn )
Ψ(~y ) =
=
yn
yn
darzustellen; dabei ist ~y 0 7−→ Ψ0 (~y 0 , yn ) für jedes yn eine affin-lineare Abbildung in n − 1 Dimensionen. Weiter ist für jedes yn ∈ IR:
| det JΦ | = | det A | = | det B| = |bnn || det C | = |bnn || det JΨ | = |bnn || det JΨ0 (·, yn )|
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
94
Nun haben wir, wenn wir noch g := f ◦ Ψ setzen (da dann f ◦ Φ ◦ σ = g ◦ Φ1 ):
Z
Z
n
| det JΦ |
f ◦ Φd x = | det JΦ |
f ◦ Φ ◦ σdn x
n
n
IR
IR Z
= |bnn || det JΨ |
g ◦ Φ1 dn x
n
IR
Z
Z
= | det JΨ |
g(x1 , ..., xn−1 , bn1 x1 + ... + bnn xn + c0 )dxn dn−1 x0
|bnn |
n−1
IR
ZIR Z
0
= | det JΨ |
g(~z , zn )dzn dn−1 z 0
n−1
ZIR Z IR
0
n−1 0
= | det JΨ |
f ◦ Ψ(~z , zn )d z dzn
IR
IRn−1
Z Z
0
0
n−1 0
=
f (Ψ (~z , zn ), zn )d z dzn
| det JΨ |
IR
IRn−1
Z Z
0
n−1 0
=
f (~y , yn )d y dyn
n−1
ZIR IR
=
f (~y )dn y
IRn
Der allgemeine Fall kann durch Approximieren der Abbildung Φ mittels affin-linearer Abbildungen behandelt werden. Um die Beweisargumente besser aufschreiben zu können, arbeiten wir
mit dem Begriff des Stetigkeitsmoduls.
Definition. Angenommen, K ⊂ IRn sei kompakt und f : K −→ IRd stetig. Für δ > 0 setzen
wir dann
ωf,K (δ) := sup{kf (~x) − f (~y )k | ~x, ~y ∈ K, k~x − ~y k ≤ δ}
Diese Funktion auf [0, ∞) wird Stetigkeitsmodul von f (auf K) genannt.
8.3.8 Hilfssatz. a) Ist f : K −→ IRd auf der kompakten Menge K ⊂ IRn stetig, so hat der
Stetigkeitsmodul ωf,K folgende Eigenschaften
i) Ist δ ≤ δ 0 , so ist ωf,K (δ) ≤ ωf,K (δ 0 )
ii) Es gilt limδ&0 ωf,K (δ) = 0
iii) Für ~v , w
~ ∈ K gilt kf (~v ) − f (w)k
~ ≤ ωf,K (k~v − wk).
~
b) Sind f1 , f2 : K −→ IRd stetig, so gilt mit einer nur von f1 , f2 und K abhängigen Konstanten
C
ωf1 f2 ≤ C(ωf1 + ωf2 )
Zur weiteren Vorbereitung des Beweises zum Transformationssatz sehen wir uns den Stetigkeitsmodul für die Funktionen hp~,ε an, die wir früher im Abschnitt ”Teilung der Eins” konstruiert
haben. Wir haben dort gesehen, dass
hp~,ε (~x) =
g0 ~x
( − p~)
ψ0 ε
8.3. INTEGRALE STETIGER FUNKTIONEN MIT KOMPAKTEM TRÄGER
95
Das ergibt
k~v − wk
~
)
ε
Nun fixieren wir eine Funktion f ∈ Cc (V ) und setzen K := supp (f ). Auch die Menge
|hp~,ε (~v ) − hp~,ε (w)|
~ ≤ ωg0 /ψ0 (
◦
K1 = Φ−1 (K) ⊂ U ist kompakt. Wir finden eine kompakte Menge K2 ⊂ U mit K1 ⊂ K2 . Dann
finden wir eine Zahl 0 < ε0 < 1 mit Q(~a, 32 ε) ⊂ K2 , wenn ~a ∈ K1 . Zu jedem ε > 0 gibt es eine
endliche Menge Aε ⊂ ZZ n , so dass hp~,ε (Φ(~y )) = 0, wenn ~y ∈ K1 und p~ ∈
/ Aε . Für p~ ∈ Aε schreiben
wir ~aε := ε(~p + 32 ~e ). Da Φ stetig differenzierbar ist, können wir Φ durch die affine Abbildung
Φ~aε (~x) := Φ(~aε ) + JΦ (~aε )(~x − ~aε )
vergleichen und den Fehler auf Q(~aε , 32 ε) abschätzen. Es gilt
Φ(~x) − Φ~aε (~x) = Φ(~x) − Φ(~aε ) − JΦ (~aε )(~x − ~aε )
Z 1
d
=
(Φ(~aε + t(~x − ~aε ) )) dt − JΦ (~aε )(~x − ~aε )
0 dt
Z 1
=
( JΦ ( ~aε + t(~x − ~aε ) ) − JΦ (~aε ) ) · (~x − ~aε )dt
0
≤ ωJΦ , K2 ( k~x − ~aε k )k~x − ~aε k
R
R
Jetzt können zunächst die Integrale U (hp~,ε f )◦Φ| det JΦ |dn x und V (hp~,ε f )(~y )dn y miteinander
vergleichen.
Dazu schreiben wir
(hp~,ε f ) ◦ Φ(~x)| det JΦ (~x)| − (hp~,ε f ) ◦ Φ~aε (~x)| det JΦ~aε (~x)| ≤
|(hp~,ε ◦ Φ(~x)| · f ◦ Φ(~x)| det JΦ (~x)| − f ◦ Φ~aε (~x)| det JΦ~aε (~x)| +|f ◦ Φ~aε (~x) det JΦ~aε (~x)| · hp~,ε (Φ(~x)) − hp~,ε (Φ~aε (~x))
Nun haben wir aber (wegen |(hp~,ε ◦ Φ(~x)| ≤ 1):
|(hp~,ε ◦ Φ(~x)| · f ◦ Φ(~x)| det JΦ (~x)| − f ◦ Φ~aε (~x)| det JΦ~aε (~x)| ≤ | det JΦ (~x)|f ◦ Φ(~x) − f ◦ Φ~aε (~x) − |f ◦ Φ~aε (~x)| det JΦ (~x) − det JΦ (~aε ) ≤ ωf,Φ(K2 ) (kΦ(~x) − Φ~aε (~x)k) + C(f, K)ωdet JΦ (k~x − ~aε k) ≤ ω 0 (ε)
mit einer Funktion ω 0 (ε), die gegen Null strebt, wenn ε −→ 0. Nun noch der 2. Term: Es gilt
|f ◦ Φ~aε (~x) det JΦ~aε (~x)| · hp~,ε (Φ(~x)) − hp~,ε (Φ~aε (~x)) ≤ C(f, Φ, K)ωhp~,ε (kΦ(~x) − Φ~aε (~x))k)
3
≤ C(f, Φ, K)ωg0 /ψ0 ( ωJΦ , K2 (ε))
2
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
96
Das ergibt uns insgesamt
Z
Z
n
n (hp~,ε f ) ◦ Φ| det JΦ |d x − (hp~,ε f )(~y )d y U
V
Z
Z
n
= (hp~,ε f ) ◦ Φ| det JΦ |d x − (hp~,ε f ) ◦ Φ~aε (~x)| det JΦ~aε dn x
U
U
3
0
≤ Cn ω (ε) + C(f, Φ, K)ωg0 /ψ0 ( ωJΦ , K2 (ε)) εn
2
Nun summieren wir über alle p~ ∈ Aε und bedenken, dass die Menge Aε höchstens Cn00 ε−n viele
Elemente, also die enstehende Summe höchstens Cn00 ε−n viele Summanden haben wird. Wir finden
so (zusammen mit der Dreiecksungleichung)
Z
Z
3
n
n ∗
0
f ◦ Φ| det JΦ |d x −
f d y ≤ C ω (ε) + C(f, Φ, K)ωg0 /ψ0 ( ωJΦ , K2 (ε))
2
U
V
Dies gilt für beliebig kleines ε, während die linke Seite von ε mit abhängt. So folgt mit ε −→ 0
die Behauptung, da dann die rechte Seite gegen Null geht.
Integration in Polarkoordinaten
Der Fall n = 2
Die Polarkoordinatenabbildung lautet, wie wir schon gesehen haben:
P (~x) := (r, ϕ), P −1 (r, ϕ) = (r cos ϕ, r sin ϕ)
Also wird det JP −1 = r. Ist nun eine Funktion f ∈ Cc gegeben, so gilt
Z
Z ∞ Z 2π
Z 2π Z R
2
f (~x)d x =
f (r cos ϕ, r sin ϕ)dϕ rdr =
f (r cos ϕ, r sin ϕ) rdr dϕ
IR2
0
0
0
R
0
−x2
Beispiel. Das Integral I = IR e dx. Sei R > 0 und hR eine nichtnegative Funktion aus Cc
mit hR (x) = 1, wenn |x| ≤ R und supp (hR ) ⊂ [−2R, 2R]. Dann gilt sicher
2
Z R
2
Z R
−x2
−x2
e dx
≤
hR (x)e dx
−R
−R
Z R
Z
2
−x21 −x22 2
=
hR (x1 )hR (x2 )e
d x≤
h2R (k~xk)e−k~xk d2 x
Z
−R
2π
Z
2R
=
0
Z
≤ 2π
B(~0,2R)
h2R (r)re−r dr dϕ
0
2R
−r 2
re
0
2
Z
dr = π
0
4R2
e−s ds ≤ π
8.4. INTEGRATION HALBSTETIGER FUNKTIONEN
97
Ebenso gilt
Z
2R
−x2
e
2
Z
≥
dx
−2R
Z
≥
2R
−2R
−x2
hR (x)e
2
dx
2
h2R (k~xk)e−k~xk d2 x
B(~0,2R)
2π Z 2R
Z
=
−r 2
h2R (r)re
dr dϕ
Z 2R
Z R
2
−r 2
= 2π
h2R (r)re dr ≥ 2π
re−r dr
0
0
0
−R2
≥ π(1 − e
0
)
Lassen wir jetzt R −→ ∞ gehen, folgt I 2 = π, also
r
Z
Z
√
π
2
2
, für a > 0
e−x dx = π,
e−ax dx =
a
IR
IR
Der Fall n = 3
Jetzt hat die Polarkoordinatenabbildung die Gestalt
P (~x) = (r, ϕ, ϑ),
P −1 (r, ϕ, ϑ) = (r sin ϑ cos ϕ, r sin ϑ sin ϕ, r cos ϑ), −π ≤ ϕ < π, 0 < ϑ < π
Nun errechnen wir, dass | det JP −1 (r, ϕ, ϑ)| = r2 sin ϑ
Ist dann wieder f ∈ Cc , so wird
Z
Z ∞ Z π Z π
3
f (~x)d x =
f (r sin ϑ cos ϕ, r sin ϑ sin ϕ, r cos ϑ) sin ϑ)dϑ dϕ r2 dr
IR3
0
−π
0
Anwendungsbeispiele hierzu werden folgen, wenn wir uns von der Einschränkung befreit haben, dass alle Integranden kompakten Träger haben sollen.
8.4
Integration halbstetiger Funktionen
Wir streben jetzt an, das Integral von Funktionen über offenen Mengen U zu definieren, wobei
wir nicht fordern wollen, dass der Träger dieser Funktionen kompakt in U liegen soll. Dazu führen
wir geeignete weitere Funktionenräume ein.
Definition. Sei U ⊂ IRn offen.
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
98
a) Mit Cc↑ (U ) bezeichnen wir den Raum derjenigen Funktionen f auf IRn , zu denen es eine
Folge (fk )k ⊂ Cc (U ) mit fk % f gibt.
b) Mit Cc↓ (U ) bezeichnen wir den Raum derjenigen Funktionen f auf IRn , zu denen es eine
Folge (fk )k ⊂ Cc (U ) mit fk & f gibt.
Beide sind Vektorräume über IR. Wir schreiben Cc↑ := Cc↑ (IRn ), entsprechend für Cc↓ .
Wir werden als nächstes das Integral für Funktionen aus Cc↑ (U ) bezw. Cc↓ (U ) definieren. Dazu
brauchen wir das folgende Lemma
8.4.1 Hilfssatz. Sei U ⊂ IRn offen. Sind (fk )k und (g` )` monoton wachsende Funktionenfolgen
in Cc (U ), so dass f = limk→∞ fk = lim`→∞ g` , so gilt
Z
Z
n
lim
fk d x = lim
g` dn x
k→∞
`→∞
U
U
Beweis. Für jedes k sei h`,k := min{fk , g` }. Dann wächst h`,k monoton gegen fk . Also folgt
Z
Z
n
lim
h`,k d x =
fk dn x
`→∞
Da aber lim`→∞
R
U
h`,k dn x ≤
R
U
U
U
g` dn x, folgt
Z
Z
n
fk d x ≤ lim
g` dn x
`→∞
U
U
Z
also auch
Z
fk d x ≤ lim
n
lim
k→∞
U
`→∞
g` dn x
U
Die umgekehrte Abschätzung wird in ähnlicher Weise bewiesen.
Die folgende Definition wird damit konsistent:
Definition. Ist U ⊂ IRn offen und f ∈ Cc↑ (U ) und (fk )k ⊂ Cc (U ) eine monoton wachsende
Folge mit limk→∞ fk = f , so setzen wir fest
Z
Z
n
f d x := lim
fk dn x
U
k→∞
U
R
Entsprechend definieren wir U f dn x, wenn f ∈ Cc↓ (U ).
Es gelten die zu erwartenden Regeln
8.4.2 Satz. a) Das Integral ist auf Cc↑ (U ) und Cc↓ (U ) linear und monoton.
b) Der Transformationssatz gilt für Funktionen aus Cc↑ (U ) und solche aus Cc↓ (U ).
8.4. INTEGRATION HALBSTETIGER FUNKTIONEN
99
Beweis. a) Zur Monotonie. Seien etwa f, g ∈ Cc↑ mit f ≤ g und (fk )k und (gk )k Folgen in Cc ,
so dass fk % f, gk % g. Dann sei hk := min{fk , gk }. Es gilt hk ≤ gk ≤ g und hk % f . Es folgt
dann
Z
Z
Z
Z
IR
n
f dn x = lim
k→∞
IR
n
hk dn x ≤ lim
k→∞
IR
n
gk dn x =
IR
n
gdn x
Analog für den Fall f, g ∈ Cc↓ .
b) Sei also Φ : U −→ V ein C 1 -Diffeomorphismus einer offenen Menge U in eine offene
Menge V . Ist dann f ∈ Cc↑ (V ), so wählen wir eine Folge (fk )k ⊂ Cc (V ) mit fk % f . Dann ist
fk ◦ Φ| det JΦ | ∈ Cc (U ) und fk ◦ Φ| det JΦ | % f ◦ Φ| det JΦ |. Die Transformationsformel gilt für
die fk , also folgt mit k −→ ∞ die Behauptung.
Ähnlich argumentieren wir, wenn f ∈ Cc (V ).
↑
↓
Erste Beispiele für Funktionen aus Cc (U ) bezw. Cc (U ) sind diese:
Notation. Für eine Menge M ⊂ IRn sei
1 wenn ~x ∈ M
χM (~x) :=
0 wenn ~x ∈
/M
Man nennt χM die charakteristische Funktion von M .
8.4.3 Hilfssatz. Ist U ⊂ IRn offen, so ist die Funktion χU ein Element aus Cc (U )↑ . Ist A ⊂ IRn
kompakt, so gehört χA zu Cc↓ .
Beweis. Sei dazu
Km := {~x ∈ U |d(~x, IRn \ U ) ≥ 1/m , k~xk ≤ m}
Dann wird Km ⊂ Km+1 und
S∞
m=1
Km = U . Dann wählen wir
fm (~x) =
d(~x, IRn \ Km+1 )
d(~x, Km ) + d(~x, IRn \ Km+1 )
Sicher ist fm ∈ Cc (U ) und fm % χU . Das zeigt die erste Behauptung.
Zum Beweis der 2. Behauptung sei Am := {~x | d(~x, A) ≤ 1/m}. Dann ist Am+1 ⊂ Am und die
Folge der Funktionen
d(~x, IRn \ Am+1 )
fm (~x) =
d(~x, Am ) + d(~x, IRn \ Am+1 )
monoton gegen χA fallend.
Es gilt auch innerhalb Cc (U ) und innnerhalb Cc (U ) der Satz von der monotonen Konvergenz.
↑
↓
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
100
8.4.4 Satz. Sei (fk )k eine Folge nichtnegativer Funktionen in Cc (U )↑ , und f =
ist auch f ∈ Cc (U )↑ und
Z
∞ Z
X
n
fk d x =
f dn x
k=0
U
P∞
k=0
fk . Dann
U
Beweis. Wir wählen für jedes ν eine Folge (fν k )k ⊂ Cc (U ) mit fν k % fν . Wirt setzen weiter
gν k := fν k − fν k−1 (≥ 0)
gν 0 := fν 0 ,
Dann ist
k
X
hk :=
gν k−ν ∈ Cc (U )
ν=0
und
N
X
hk =
hk
k
X
gν k−ν =
ν=0
fν N −ν
ν=0
k=0
Denn es ist
N
X
k−1
X
(fν k−ν − fν k−ν−1 ) +
fk 0
ν=0
und damit
N
X
hk =
k=0
=
N X
k−1
X
N
X
(fν k−ν − fν k−ν−1 ) +
k=0 ν=0
N
N
−1 X
X
k=0
N
X
(fν k−ν − fν k−ν−1 ) +
ν=0 k=ν+1
=
=
=
N
−1 N
−ν
X
X
k=0
(fν ` − fν `−1 ) +
N
X
ν=0 `=1
N
−1
X
N
X
ν=0
k=0
fν N −ν
ν=0
Jetzt folgen 2 Dinge:
N
X
k=0
fk 0
k=0
(fν N −ν − fν 0 ) +
N
X
fk 0
hk ≤
N
X
ν=0
fν
fk 0
fk 0
8.4. INTEGRATION HALBSTETIGER FUNKTIONEN
und
∞
X
hk =
∞
X
101
fν = f
ν=0
k=0
Denn ist N0 > 1 beliebig, so folgt
N
X
fν ≥
ν=0
N
X
hk ≥
N0
X
fν N −ν
ν=0
k=0
wenn N > N0 . Mit N −→ ∞ erhalten wir
∞
X
fν ≥
ν=0
∞
X
N →∞
k=0
Da alle hk ≥ 0 sind, folgt ϕN :=
PN
k=0
hk ≤
ν=0
k=0
Z
fd x =
U
fν
ν=0
hk % f , also f ∈ Cc↑ (U ). Es ergibt sich daher
Z
∞ Z
X
n
fd x =
hk dn x
PN
n
ν=0
N0
X
k=0
U
k=0
fν , dass
N Z
X
also mit N −→ ∞
fν N −ν =
PN
U
Weiter folgt aus
N0
X
hk ≥ lim
hk d x ≤
n
U
N Z
X
ν=0
∞ Z
X
k=0
hk d x ≤
n
U
Z
fν d x ≤
n
f dn x
U
U
∞ Z
X
ν=0
Z
fν d x ≤
U
n
f dn x
U
Folgerung. Ist nun (ϕk )k ⊂ Cc (U ) eine monoton wachsende (fallende) Folge mit Grenzfunktion ϕ, so ist ϕ ∈ Cc (U )↑ (bezw. Cc (U )↓ ) und
Z
Z
n
ϕd x = lim
ϕk dn x
k→∞
U
U
Beweis. Man wende den Satz an auf fν := ϕν+1 − ϕν .
Die Gammafunktion
Als Anwendung für den Satz von oben sehen wir uns die Funktion
Z ∞
Γ(x) =
tx−1 e−t dt, x > 0
0
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
102
an, die als die Eulersche Gammafunktion bekannt ist.
Für k ≥ 1 (ganz) setzen wir
fk,x (t) = χ( 1 ,k) (t)tx−1 e−t
k
Dann ist fk,x ∈ Cc ((0, ∞))↑ und damit auch fx (t) = χ(0,∞) tx−1 e−t ∈ Cc ((0, ∞))↑ . Das zeigt, dass
das Γ(x) definierende Integral wohldefiniert ist.
Es gilt die Funktionalgleichung
Γ(x + 1) = xΓ(x)
Wir betrachten dazu fk,x+1 (t). Es ist
Z k
Z
Z
k
x −t
x −t fk,x+1 (t)dt =
t e dt = −t e + x
1/k
IR
k
1/k
1/k
4
5
tx−1 e−t dt
Lassen wir darin k −→ ∞ gehen, folgt die Behauptung.
Mit Γ(1) = 1 folgt induktiv: Γ(n + 1) = n!.
Hier ist der Graph von Γ:
20
15
10
5
1
2
3
6
Wir können das Integral einer Funktion aus Cc↑ in zwei Integrale, etwa eines über IRk und
eines über IRn−k aufspalten. Das ist der Gehalt des Satzes von Fubini:
8.4.5 Satz (Fubini). Angenommen, es sei f ∈ Cc↑ . Sei k ∈ {1, ..., n}. Dann ist für jedes ξ~ :=
(xk+1 , ..., xn ) ∈ IRn−k die Funktion
Z
~ :=
F (ξ)
f (~x 0 , ξ)dk x0
IRn−k
8.4. INTEGRATION HALBSTETIGER FUNKTIONEN
ein Element aus Cc↑ (IRn−k ), und es gilt
Z
Z
n−k
~
F (ξ)d
ξ=
IR
n−k
IR
n
103
f (~x)dn x
Beweis. Wir wählen eine Funktionenfolge (fj )j aus Cc mit fj % f aus. Dann ist für festes
~
ξ = (xk+1 , ..., xn ) ∈ IRn−k auch jede Funktion
~
fjξ (~x 0 ) := fj (~x 0 , ξ) ∈ Cc (IRk )
und
~
~
fjξ (~x 0 ) % f ξ (~x 0 ) := f (~x 0 , ξ)
~ wohldefiniert und es gilt
Damit ist aber F (ξ)
Z
~ = lim
F (ξ)
j→∞
IR
k
fj (~x 0 , ξ)dk x0
Ebenso ist für jedes j die Funktion
Z
~ :=
Fj (ξ)
IR
k
fj (~x 0 , ξ)dk x0
ein Element aus Cc (IRn−k ), und es ist Fj % F . Damit erhalten wir
Z
Z
n−k
~
~ n−k ξ
F (ξ)d
ξ = lim
Fj (ξ)d
j→∞
n−k
n−k
IR
ZIR Z
0
k 0
= lim
fj (~x , ξ)d x dn−k ξ
j→∞ IRn−k
k
IR
Z
Z
n
= lim
fj (~x)d x =
f (~x)dn x
j→∞
IRn
IRn
Anwendung: Berechnung von Volumina
Wir beginnen mit der Beobachtung, dass nun für beliebige stetige Funktionen, die nur Werte
≥ 0 oder nur Werte ≤ 0 annehmen, das Integral über offene Mengen und kompakte Mengen
definiert werden kann.
Definition. Ist nun M eine beschränkte offene oder kompakte Menge, so bezeichnen wir als
das Volumen von M das Integral
Z
Vol(M ) :=
χM dn x
IRn
Wenn n ≤ 2, sprechen wir vom Maß der Menge M .
Hier sind verschiedene Beispiele:
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
104
1) Der Quader Q := [a1 , b1 ] × .... × [an , bn ] hat das Volumen (b1 − a1 )...(bn − an ).
Dazu argumentieren wir zuerst für n = 1 und der Rest geht mit dem Satz von Fubini per
Induktion nach n.
Sei

1 , wenn aj + k1 ≤ t ≤ bj − k1



k(t − aj ) , wenn aj ≤ t ≤ aj + k1
fj,k (t) :=
k(bj − t) , wenn bj − k1 ≤ t ≤ bj



0 , wenn t ∈
/ [aj , bj ]
Dann gilt fk ∈ Cc und
Z
fj,k dt = bj − aj −
IR
1
−→ bj − aj
k
2) (Prinzip von Cavalieri ) Sei M ⊂ IRn beschränkt und offen (oder kompakt) Mit dem Satz
von Fubini folgt
Z
Vol(M ) =
Vol(Mt )dt
IR
wobei Mt := {~x 0 ∈ IR
| (~x 0 , t) ∈ M }
Als Anwendung berechnen wir das Volumen eines Kegels:
~ ∈ IRn und
3) Sei U 0 ⊂ IRn−1 sei beschränkt und weiterhin offen oder kompakt. Für Sei S
h := Sn > 0. Dann wird durch die Menge
n−1
~
K(U 0 , h) := {~x | ∃0 ≤ t ≤ 1, und ~x 0 ∈ U 0 : ~x = (1 − t)(~x 0 , 0) + tS}
~ beschrieben.
der Kegel mit Basis U 0 und Spitze bei S
S
U’
8.4. INTEGRATION HALBSTETIGER FUNKTIONEN
105
Wir berechnen sein Volumen. Sei 0 < λ < h und
~ |~x 0 ∈ U 0 , 0 < t < 1, th = λ}
Uλ0 := {(1 − t)(~x 0 , 0) + tS
Wir beachten, dass
λ
h~
fλ (~x 0 ) := (1 − )~x 0 + S
h
λ
0
0
die Menge U diffeomorph auf Uλ abbildet. Mit dem Transformationssatz folgt dann
λ
Vol(Uλ0 ) = (1 − )n−1 Vol(U 0 )
h
Das Cavalierische Prinzip ergibt dann
Z h
Z h
λ
h
0
0
0
Vol(K(U , h)) =
Vol(Uλ )dλ = Vol(U )
(1 − )n−1 = Vol(U 0 )
h
n
0
0
4) Polarkoordinaten im Falle radialsymmetrischer Funktionen
Sei jetzt B 0 die Einheitskugel in IRn−1 und Φ : IR+ × B 0 −→ IRn definiert durch
rΘ
p
Φ(r, Θ) :=
r 1 − kΘk2
Dann wird die Jacobimatrix von Φ so aussehen:

r
...
0
θ1

..
..
..
.
..

.
.
.
JΦ (r, Θ) = 

θ
0
.
.
.
r
p
p
p n−1
1 − kΘk2 −rθ1 / 1 − kΘk2 . . . −rθn−1 / 1 − kΘk2





Es gilt
rn−1
det JΦ (r, Θ) = ± p
1 − kΘk2
Haben wir also eine Funktion f ∈ Cc↑ (oder Cc↓ ) gegeben, für welche f (~x) = h(k~xk) mit einer
geeigneten Funktion g gilt, (d.h. also f hängt nur vom Betrag des Argumentes ab, so sagt der
Transformationssatz, dass
Z
Z ∞
Z
n
n−1
f (~x)d x =
f (Φ(r, Θ))| det JΦ (r, Θ)|drd Θ = cn
h(r)rn−1 dr
IRn
IR+ ×B 0
0
Z
wobei
cn =
B0
dn−1
p
1 − kΘk2
KAPITEL 8. ANALYSIS IN IRN - INTEGRATION
106
Nun sei f = χB(~0,1) , also h = χ[0,1) . Dann wird
2cn
Vol(B(~0, 1) ) =
n
2
Zur Berechnung von cn wählen wir ferner f (~x) = e−k~xk und finden
Z ∞
Z ∞
Z
n
s=r 2
n/2
n
n−1 −r 2
π =
f (~x)d x = 2cn
r e dr = cn
sn/2 −1 e−s ds = cn Γ( )
2
0
0
IRn
So entsteht
cn =
π n/2
,
Γ( n2 )
2π n/2
Vol(B(~0, 1) ) =
nΓ( n2 )
Als Beispiele haben wir für n = 2: c2 = π, also hat der Einheitskreis die Fläche π. Für n = 3
π 3/2
2π 3/2
folgt c3 = Γ(3/2)
= Γ(1/2)
= 2π, also hat die Einheitskugel in IR3 das Volumen 4π
. Nachzutragen
3
R −x2
R ∞ 1 −t
√
hierzu ist noch Γ(1/2) = 2 0 2√t e dt = IR e dx = π.