Ausgabe 4 / 2008 Fachliche Mitteilungen für fliegende

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Ausgabe 4 / 2008 Fachliche Mitteilungen für fliegende
Flugsicherheit
Ausgabe 4 / 2008
Foto Guido Sonnenberg • Bildbearbeitung www.schaltwerk.eu
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Bundeswehr
Flugsicherheit
Ausgabe 4 / 2008
Heft 4 Dezember 2008 - 45. Jahrgang
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Flugsicherheit
Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände
Titelfoto: Guido Sonnenberg
on www.schaltwerk.de
„Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung
für fliegende Verbände der Bundeswehr
Herausgeber:
Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr
Redaktion:
Hauptmann Klemens Löb,
Tel.: 02203- 9083124
Luftwaffenkaserne 501/07
Postfach 906110
51127 Köln
[email protected]
[email protected]
Gestaltung:
Hauptmann Klemens Löb
GenFlSichhBw
Erscheinen:
dreimonatlich
Manuskripteinsendungen
sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt
die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers
dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden
sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind
daher möglich und erwünscht.
Druck:
SZ Offsetdruck-Verlag Herbert W. Schallowetz GmbH
53757 Sankt Augustin
Editorial 1
Luftraum F
2
Fliegersonnenbrillen
6
Punktlandung
10
Ist die Air Force bereit für eine Fehlerkultur?
12
Bravo - gut gemacht!
15
Die Erstausstattung
16
Ursachensuche auf Amerikanisch ...
21
Learning the hard way
25
Lessons learned
28
Touch and skid
30
Personalien
32
Editorial
Eine wahre Begebenheit! Und es ist
erst wenige Wochen her!
Mehr zufällig merkte ich in einem
Seitengespräch mit Besatzungsangehörigen an, wie wichtig es aus meiner
Sicht heraus für eine Flugauftragserteilung ist, „seine Leute zu kennen“.
Ich führte dazu aus, dass gerade die
Staffelebene und hier der Einsatzoffizier für mich in diesem Zusammenhang die Schlüsselrolle spielt. Weiterhin stellte ich dar, dass aus meiner
Sicht der Einsatzoffizier, wenn er einer
Besatzung einen Flugauftrag erteilt,
wissen muß über current ja oder nein
hinaus, wie current diese Besatzung
für den Auftrag ist.
Zutiefst überzeugt von meiner Ansicht und zutiefst überzeugt, dass ich
damit kein neues Credo verkünde,
war ich tatsächlich geschockt als mir
daraufhin ein aktiver Einsatzstabsoffizier (Maj) einer fliegenden Staffel
darstellte, dass meine Sichtweise eine
Illusion in der heutigen Zeit wäre. Zu
meiner noch größeren Verwunderung
wurde er in seiner Argumentation von
einem anderen Einsatzoffizier (Hptm)
unterstützt. Bei der Vielzahl der zu
beachtenden Punkte, sei dies faktisch
nicht zu leisten, so ihre Darstellung.
Leider musste das Gespräch anderen Aktivitäten weichen, aber ich beendete das Zusammentreffen nicht
ohne die Feststellung, dass ich Einsatzoffiziere nicht aus dieser von mir gesehenen Verantwortung entlassen kann.
Überzeugt habe ich wahrscheinlich
nicht, zumindest habe ich die Mienen
der beiden so gedeutet.
Welch tiefen Eindruck diese Begebenheit in mir hinterlassen hat, sehen
Sie daran, dass ich mich noch jetzt damit auseinandersetze.
Viele Fragen gehen mir durch den
Kopf. Sie reichen von „stammen meine Maßstäbe aus einer anderen fliegerischen Welt“ bis hin zu „haben die
beiden recht“ und wenn oder auch
nicht „warum denkt jemand so“.
Eine Diskussion zu diesem Thema
in meinem Haus, zugegeben wieder
mit älteren, die zwar alle schon einmal
Einsatzoffizier waren, aber eben schon
vor Jahrzehnten, unterstrich deutlich
meine Sichtweise.
Was nun?
Eigentlich fallen mir vordergründig
nur Fragen ein, die ich nicht selbst beantworten kann! Zunächst steht da
die Frage nach der Tauglichkeit der
Rahmenbedingungen, mit denen der
Einsatzoffizier tagtäglich konfrontiert
wird. Sind die richtigen Tools in ausreichendem Maß zur Unterstützung
vorhanden?
Relativ schnell geht die Fragestellung in Richtung Qualifikation der
handelnden Person.
Wie wird man Einsatzoffizier? Wer
sucht ihn aus? Welche Maßstäbe werden angelegt? Wie wird man an die
Arbeit herangeführt? Wie wird der
Einsatzoffizier kontrolliert, weitergebildet? Warum will man Einsatzoffizier
werden? Ist sich der Aspirant der Aufgabe bewusst? Diese Liste lässt sich
beliebig fortsetzen.
Mir ist bewusst, dass man aus diesen Zeilen unterschwellig Vorwürfe
herauslesen kann und ich damit schnell
diejenigen verliere, die sich nicht
von mir so einfach in eine Schublade
stecken lassen wollen, und ich bin
überzeugt, Sie gehören auch nicht
pauschal da hinein.
Ich hoffe noch immer, dass die
beiden Einsatzoffiziere mir entweder
aufzeigen wollten, wie sehr sie Gefangene der Bürokratie sind oder dass sie
einfach nicht ihren besten Tag hatten.
Mit dieser Ausgabe der Zeitschrift
Flugsicherheit in der Bundeswehr wollen wir Ihnen einige hoffentlich interessante Anregungen für Ihr Sicherheitsverhalten mit auf den Weg geben.
Leider haben wir in der letzten Zeit
eine Häufung von Zwischenfällen, wo
es gerade noch mal so gut ging!
22.09.2008
C-160 - Baumberührung
15.10.2008
CH-53 - Verlust der Triebwerkgondelklappe mit Heckrotorberührung
10.11.2008
UH-1D - Rotorblattberührung an der
Felswand
18.11.2008
UH-1D - Sicherungsseil einer Seilbahn
durchtrennt
Diese Ereignisse zeigen uns deutlich, dass wir in der Flugsicherheitsarbeit nicht nachlassen dürfen.
Zum Jahresende wünsche ich Ihnen
und Ihren Familien ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Start ins
neue Jahr.
Schmidt
Brigadegeneral
1
Flugsicherheit
Luftraum „F“
Chancen und Herausforderungen
IFR-Flugbetrieb an unkontrollierten Flugplätzen (Luftraum „F“) in
Deutschland – am Beispiel des Marinefliegerhorstes Kiel-Holtenau
von
Oberstleutnant Heribert Mennen, GenFlSichhBw und
Fregattenkapitän Ingolf Scheffler, MFG 5
In Deutschland haben
sich Flugplätze mit Instrumentenflugbetrieb
generell nach zwei verschiedenen Betriebsmodellen entwickelt:
Zum einen auf die
klassische Weise mit
Flugverkehrskontrolldienst am Flugplatz,
kontrolliertem Luftraum
„D“ in seiner Umgebung
sowie umfangreichen
Flugsicherungs- und Navigationsanlagen, zum
anderen bei Flugplätzen
mit geringem IFR-Auf2
kommen (vornehmlich
Verkehrslandeplätze)
in Form von Flugplatzinformationsdienst und
unkontrolliertem Luftraum „F“ (HX).
Die Kennzeichnung
„HX“ besagt, dass dieser
Luftraum nicht ständig
wirksam ist. Er wird nur
aktiviert, wenn IFR An-/
Abflüge stattfinden. Die
Aktivierung/Deaktivierung erfolgt durch die
zuständige Flugsicherungsstelle (siehe
NfL I 327/02).
Bei letztgenannten Flugplätzen
ist die navigationstechnische Ausstattung je nach Größe, Funktion und
Wirtschaftskraft des Betreibers sehr
verschieden. Sie reicht von einfachen
Anlagen für Nichtpräzisionsanflüge
(z. B. NDB) bis hin zum anspruchsvollen Instrumentenlandesystem für
Präzisionsanflüge (ILS).
Inzwischen verzeichnen wir in
Deutschland eine Vielzahl von Flugplätzen mit dem Betriebsmodell „IFR
mit Luftraum F (HX)“ und es werden
immer mehr. Ursächlich hierfür sind
zwei Entwicklungen, einerseits die
Einführung rein satellitengestützter
IFR-Anflugverfahren, wodurch sich die
Beschaffung kostspieliger bodengestützter Navigationsanlagen erübrigt,
andererseits die im Rahmen des Konzepts zum einheitlichen europäischen
Luftraum (Single European Sky –
SES) erlassenen Verordnungen der
Europäischen Union (EU). Demnach
Bild von Fregattenkapitän Ingolf Scheffler
dürfen seit Dezember 2006 Flugsicherungsdienste nur noch von zertifizierten Flugsicherungs-Dienstleistern
ausgeübt werden, was einen nicht
unerheblichen organisatorischen und
finanziellen Mehraufwand bedeutet.
Letzteres war einer der Gründe,
die zur Auflösung der Platzkontrolle
in Kiel-Holtenau sowie Aufgabe der
Kontrollzone Luftraum „D“ zugunsten
Luftraum „F“ führten (ein weiterer
Grund war die Einstellung des Linienbetriebs).
Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass unkontrollierte
Flugplätze, die für IFR-Betrieb zugelassen werden, über die erforderlichen
technischen und organisatorischen
Voraussetzungen für die sichere
Durchführung solcher Flüge z. B. Navigationshilfen, Wetterdaten und Personal verfügen müssen. Die Flugverfahren für IFR-Flüge im unkontrollierten
Luftraum werden nach den gleichen
ICAO-Kriterien (DOC 8168 PANS-OPS)
festgelegt, wie sie auch für Verfahren
an kontrollierten Plätzen gelten. Das
schließt die notwendige Kontrolle von
Hindernissen (Bauschutzbereich) ein.
Mischverkehr zwischen Instrumenten- und Sichtflugverkehr (IFR- u.
VFR-Verkehr) im Flugplatzbereich und
in der weiteren Umgebung stellt für
alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar. An Verkehrsflughäfen
und Militärplätzen mit Luftraum „D“
bildet das Flugverkehrskontrollpersonal quasi das letzte Sicherheitsnetz,
um Zusammenstöße zwischen Luftfahrzeugen zu vermeiden.
Luftraum „F“ (HX) ist jedoch im
Gegensatz zu Luftraum „D“ nicht
kontrolliert und wird nur aktiviert,
wenn ein An- oder Abflug nach Instrumenten (IFR) durchgeführt wird. Aber
auch dann ist ein Einfliegen ohne vorherige Freigabe (bei entsprechenden
Wetterbedingungen) erlaubt.
Luftraum „F“ (HX) soll den Flugbetrieb um kleinere Flugplätze für
Instrumentenflieger dadurch sicherer
machen, dass für VFR-Flieger höhere
Sichtminima gelten (Flugsicht 5 km)
und größere Abstände zu Wolken
eingehalten werden müssen (1.000 ft
vertikal und 1.500 m horizontal). Die
Trennung des (unkontrollierten) IFRVerkehrs vom VFR-Verkehr liegt hier
also in der Eigenverantwortung der
Luftfahrzeugführer.
Solange der Luftraum „F“ (HX)
nicht aktiviert ist, gelten die Regeln
des Luftraums der Klasse „G“ (0,8
bzw. 1,5 km Sicht, frei von Wolken
und Erdsicht usw.).
Mit anderen Worten, das Betriebsmodell Luftraum „F“ (HX) ist ein sehr
flexibles Konstrukt, das einerseits einen
erdenklich sicheren IFR-An-/Abflug ermöglichen, andererseits aber den VFRVerkehr nicht unnötig einschränken
soll. Es erfordert demzufolge auch Flexibilität und vor allem genaue Verfahrenskenntnisse sowie sichere Anwendung durch alle Beteiligten.
Und genau hier liegt die Krux. Das
Wissen um die Besonderheiten des
Luftraumes „F“ scheint unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Anders ausgedrückt, im Umgang mit Luftraum
„F“ ist oft eine gewisse Unsicherheit
oder gar Unkenntnis festzustellen. Das
zeigt sich beim Betrachten von Leserbeiträgen in Internet-Foren und auch
bei Gesprächen im militärischen wie
zivilem Umfeld. Da liest oder hört man
Meinungen wie:
- „Luftraum „F“ ist nach Aktivierung
wie eine Kontrollzone zu behandeln, d. h. ein Einflug ist nur nach
Genehmigung möglich“, oder
- „Ein IFR-Flieger (im Luftraum „F“)
hat in jedem Fall Vorrang vor VFRTraffic in der Platzrunde“ oder
- „Als IFR-Flieger werde ich im Luftraum „F“ kontrolliert und von anderem Verkehr separiert“.
Alles falsch!
Richtig ist:
- Luftraum „F“ (HX) wurde eingerichtet, um Luftfahrzeugen an unkon-
trollierten Flugplätzen den An- und/
oder Abflug nach IFR aus bzw. zum
kontrollierten Luftraum zu ermöglichen. Auch nach Aktivierung ist
eine Einflugfreigabe (bei entsprechenden Wetterbedingungen) nicht
erforderlich.
- Es wird Flugplatzinformationsdienst
durchgeführt (Rufzeichen: XXX
INFO), jedoch keine Flugverkehrskontrolle. Daraus ergibt sich, dass
die Verwendung des Rufzeichens
„TOWER“ unzulässig ist (Anmerkung: Dies immer zu beherzigen
scheint besonders dort schwierig, wo ehemals eine Kontrollzone
(Luftraum „D“) eingerichtet war)!
- Ein IFR-Flug hat keinerlei Vorrang!
Es gelten die Ausweichregeln gemäß
§13 Luftverkehrsordnung (LuftVO).
Demzufolge muss ein IFR-Flieger
ggf. einem VFR-Flieger ausweichen.
Befinden sich gleichzeitig sowohl
ein IFR- wie auch ein VFR-Flieger
im Anflug, hat das höher fliegende
Luftfahrzeug dem Niederen auszuweichen!
- Es darf sich jeweils nur ein IFR-Flug
im Luftraum „F“ befinden. Dieser
wird zu VFR-Verkehr nicht gestaffelt. Er erhält lediglich Verkehrsinformationen und ist für einen ausreichenden Abstand zu anderen
Luftfahrzeugen selbst verantwortlich.
Während die Betreiber von Verkehrslandeplätzen die Einrichtung von
Lufträumen der Kategorie „F“ aus
wirtschaftlichen Gründen begrüßen,
stellt sich diese unter Flugsicherheitsgesichtspunkten als problematisch
dar. Jedes Jahr werden eine Reihe
von gefährlichen Annäherungen (AIRPROX) zwischen IFR- und VFR-Fliegern
an Verkehrslandeplätzen mit zeitweiligem IFR-Betrieb (Luftraum „F“)
gemeldet. Besonders problematisch
scheint die Situation am Standort des
Marinefliegergeschwaders 5 in Kiel,
wie GenFlSichhBw während der Flugsicherheitsinspizierung im Mai dieses
3
Flugsicherheit
Jahres vom Verband vorgetragen wurde. Am Flugplatz Kiel-Holtenau wurde
auf Betreiben der Flughafengesellschaft im Sommer 2007 der früher bestehende Luftraum „D“ (Kontrollzone)
in unkontrollierten Luftraum „F“ (HX)
umgewandelt. Unmittelbar neben
dem Zivilflughafen im Anflugbereich
Piste 26 befindet sich das sogenannte „Unterland“ mit dem Heliport des
MFG 5. Durch diesen Umstand und
die Lage an der Kieler Förde ergibt
sich ein hohes Konfliktpotential mit
Luftfahrzeugen im An-/Abflug auf den
Flugplatz sowie mit kreuzendem Luftverkehr.
GenFlSichhBw sieht die Bedenken
des Verbandes als begründet an und
hat das Amt für Flugsicherung der
Bundeswehr (AFSBw) aufgefordert, in
die relevanten zivilen und militärischen
Luftfahrtpublikationen einen zusätzlichen Warnhinweis bezüglich des intensiven militärischen Hubschrauberbetriebs einzubringen.
Generell gilt es, das Bewusstsein
aller Beteiligten für die besonderen
Regelungen im Zusammenhang mit
Luftraum „F“ zu schärfen.
Was heißt das für Sie als Luftfahrzeugbesatzungsangehörige?
Wenn Sie nach IFR fliegen:
- Rechnen Sie jederzeit damit, dass
plötzlich unbekannter Verkehr Ihren
Flugweg kreuzt. Nähe und Relativgeschwindigkeiten werden von VFRPiloten – selbst nach einem rechtzeitig erfolgten visuellen Kontakt –
oftmals unterschätzt.
- Beobachten Sie den Luftraum. Verlassen Sie sich nicht ausschließlich
auf die Verkehrsinformationen des
Flugleiters/der Luftaufsicht. Im Luftraum „F“ dürfen sich VFR-Flieger
ohne jede Meldeverpflichtung frei
bewegen, eine Einflugfreigabe ist
nicht (bei entsprechenden Wetterbedingungen) erforderlich (Hörbereitschaft muss hergestellt werden,
wenn die Mindestwetterbedingungen für Luftraum „F“ unterschritten sind).
- Allgemein kann zwar davon ausgegangen werden, dass bei grenzwertigen Wetterbedingungen, d.
h. wenn ein IFR-Flug in actual IMC
erfolgt, keinem VFR-Flieger nach
See & Avoid ausgewichen werden
muss. Eine umfassende Sicherheit
ist allerdings auch hier nicht gegeben, weil die Einschätzung der
Flugwetterbedingungen im Ermessensspielraum des jeweiligen Luftfahrzeugführers liegt (d. h. er fliegt
im Luftraum „F“, wenn aus seiner
Sicht die vorgeschriebenen Wetterminima erreicht scheinen).
- Stellen Sie Ihr Verhalten auf VFRFlieger ab. Bestehen Sie nicht auf
Vorrang, sondern fliegen Sie ggf.
eine Verzögerungskurve, verlängern den Gegenanflug oder brechen Sie sogar den Anflug ab, um
so von anderen Nutzern desselben
Luftraums mit weniger Erfahrung,
weniger freier mentaler Kapazität
im Cockpit und vor allem weniger
gründlicher Ausbildung frei zu bleiben.
E
500 ft
Puffer
500 ft
Puffer
G
IFR
500 ft
Puffer
1000 ft
5 km
1,5 km
F (HX)
IFR
G
1500 ft
GND
GND
7 NM
4
10NM
Grafik von LB
500 ft
Puffer
2500 ft
GND
VMC Minima
Wenn Sie nach VFR fliegen:
- Beachten Sie die Sichtflugminima.
- Erkundigen Sie sich rechtzeitig
(ca. 5-10 Min) vor Einflug auf der
entsprechenden FIS- oder Flugplatzfrequenz über den Status des
Luftraumes. Teilen Sie der Luftaufsichtsstelle Ihre Flugdaten und Absicht mit und halten Sie den Funkkontakt aufrecht!
- Überprüfen Sie Ihr TransponderSetting.
- Beobachten Sie verstärkt den Luftraum. Wenn Sie den Flugplatzbereich kreuzen wollen, vermeiden
Sie möglichst die Verlängerung der
Pisten und kreuzen Sie möglichst
mittig, d. h. in Sichtweite der Flugleitung/Luftaufsichtsstelle.
- Bedenken Sie, dass Luftfahrzeuge
im Endanflug eingeschränkt manövrierfähig sind. Verzichten Sie daher
im Zweifel auf Ihr Vorflugrecht und
weichen Sie frühzeitig aus.
- Machen Sie sich den Flugweg der
IFR-Flieger bewusst:
- Die Abflugstrecken führen meist
zum nächstgelegenen Funkfeuer
oder Wegpunkt. Durch den hohen Anstellwinkel im Anfangssteigflug ist insbesondere bei
schnellen Luftfahrzeugen die Voraussicht stark eingeschränkt.
- Die Anflugstrecken führen meist
von einem nahen Funkfeuer oder
Wegpunkt zum Endanflug der
Piste.
- Der Endanflug auf die Landebahn erfolgt teilweise schon weit
außerhalb (10 – 15 NM) in Landekonfiguration.
- Beim Visual Approach (IFRSichtanflug) kann deutlich von
den Standardverfahren abgewichen werden.
Die oben aufgeführten Hinweise
gelten im Wesentlichen auch für den
Luftraum „E“. Aber unabhängig davon, in welchem Luftraum Sie fliegen,
sollten Sie immer folgenden Leitsatz
beherzigen:
WATCH THE SKY, HEAVEN IS NEAR!
Verwendete Literatur/Quellen:
1. Luftfahrthandbuch Deutschland
2. Luftverkehrsordnung (LuftVO)
3. DFS-Richtlinie „Instrumentenflugbetrieb an Flugplätzen nach § 27d Abs. 4 LuftVG“ vom Mai
2003
4. BFU-Flugsicherheitsinformation V 167 vom Mai 2006.
5. Kdr Flg Grp/MFG 5 CIF –Flug- vom 02.06.2008
6. Sachstandsbericht Flottenkommando M 327 zum Luftraum „F“ Kiel – Flugbetrieb MFG 5 vom
20.06.2008
7. Luftrecht, Luftverkehrs- und Flugsicherungsvorschriften (PPL-Fragenkatalog)
8. Internet-Auftritt der ADV - Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen
9. Internet-Auftritt http://www.fluglotse.com
Übersicht der Flugplätze mit Luftraum „F“ (HX)
Stand: 01.07.2008
Allendorf/Eder
Barth
Bautzen
Bayreuth
Bremerhaven
Coburg-Brandensteinsebene
Cottbus-Drewitz
Donaueschingen-Villingen
Donauwörth
Eggenfelden
Emden
Kiel-Holtenau
Magdeburg
Mengen-Hohentengen
Oberschleißheim
Schwäbisch-Hall
Siegerland
Straubing
Wilhelmshaven-Mariensiel
EDFQ
EDBH
EDAB
EDQD
EDWB
EDQC
EDCD
EDTD
EDMQ
EDME
EDWE
EDHK
EDBM
EDTM
EDNX
EDTX
EDGS
EDMS
EDWI
5
Flugsicherheit
Fliegersonnenbrillen:
Mehr als nur
Image
Federal Aviation Adminstration
von Ronald W. Montgomery, B.S.
Übersetzt vom BSpra SMD 11 LwA
Köln-Wahn
Sonnenbrillen schirmen das Auge
gegen grelles Sonnenlicht ab, mindern
Ermüdungserscheinungen und schützen das Augengewebe vor schädlicher
Sonneneinstrahlung. Darüber hinaus
bieten sie Schutz vor umherfliegenden
Fremdkörpern (infolge von Vogelschlag, plötzlichem Druckabfall oder
bei Kunstflugmanövern). Sonnenbrillen können zudem die Dunkeladaptation des Auges fördern, die sich nach
längerem Aufenthalt in der grellen
Sonne verzögert.
STRAHLUNG
Übermäßige oder zu intensive Sonneneinstrahlung kann Haut und Augen schädigen. Die für den Menschen
schädlicheren Anteile der Solarstrah6
Zeichnung von Ingo-Paul Dierkes
Sonnenbrillen schützen
das wichtigste Sinnesorgan des Luftfahrzeugführers – seine Augen.
Zur Optimierung der
Sehleistung im Führerraum ist eine qualitativ
hochwertige Sonnenbrille unerlässlich.
©
lung (d. h. Gamma- und Röntgenstrahlung) werden durch die Erdatmosphäre absorbiert; dennoch ist der
Mensch unterschiedlichen Anteilen an
Infrarot- und Ultraviolett-Strahlung
ausgesetzt. Wie groß diese Anteile im
Einzelfall sind, hängt von Tages- und
Jahreszeit, Breitengrad, Höhe, Wetter
und dem Reflexionsverhalten der ihn
umgebenden Oberflächen ab. Die Intensität der UV-Strahlung nimmt beispielsweise alle 1.000 Fuß um etwa
fünf Prozent zu.
Die solare Infrarotstrahlung ist eine
langwellige Strahlung (780 bis 1400
Nanometer [nm], siehe Abbildung 1).
Das Wärmeempfinden bei Aufenthalt
in der Sonne wird durch IR-Strahlung
Solarstrahlung
Ultraviolett
Sichtbares Licht
400
Infrarot
780
Wellenlänge (nm)
Ultraviolette Strahlung
UVC
UVB
UVA
280
315
Wellenlänge (nm)
400
ständiger, jedoch schwerer und nicht
so bruchsicher wie Kunststoff. Glas
absorbiert einen Teil der UV-Strahlung;
eine Verbesserung dieser Eigenschaft
wird durch Zugabe bestimmter Chemikalien während der Fertigung bzw.
besondere Beschichtungen erreicht.
Eine dauerhafte Einfärbung lässt sich
am besten bei mineralischem Glas erreichen; die Tönung kann bei starken
Fehlsichtigkeiten und entsprechend
unterschiedlichen Gläserdicken jedoch
ungleichmäßig ausfallen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 1.
Elektromagnetisches Strahlungsspektrum: Sichtbare, IR-, UV-A-, UV-B- und UV-C-Wellenlängen
verursacht, die bei normaler Einstrahlung als ungefährlich für Haut und
Augen gilt. Kurzwellige UV-Strahlung
hingegen kann das menschliche Gewebe durchaus schädigen. Sie wird
in drei Bereiche unterteilt: UV-A- (400
– 315 nm), UV-B- (315 – 280 nm)
und UV-C-Strahlung (< 280 nm). Die
übermäßige oder dauerhafte Einwirkung von UV-A- und stärker noch von
UV-B-Strahlung kann zu Sonnenbrand
und Hautkrebs führen. Sie steht zudem im Verdacht, die Entstehung von
Katarakten, Makuladegeneration und
weiteren Augenerkrankungen zu fördern.
Die American Optometric Association (US-amerikanischer Verband für
Optometrie) empfiehlt Sonnenbrillen
mit 99 – 100%igem UV-A- und UVB-Schutz. Die UV-C-Strahlung, der
schädlichste Teil der UV-Strahlung,
wird erfreulicherweise bereits von der
Ozonschicht absorbiert, bevor sie auf
die Erdoberfläche treffen kann. Einige
Wissenschaftler sind jedoch der Meinung, dass mit der Ausdünnung der
Ozonschicht u. U. auch die UV-Absorption zurückgehen wird und empfehlen aus diesem Grunde Sonnenbrillen mit 100%igem UV-Schutz.
BRILLENGLAS-WERKSTOFFE
Zu den drei meistverwendeten
Werkstoffen für Brillengläser zählen
heute optisches Kronglas, MonomerKunststoff (CR-39®) und Polycarbonat-Kunststoff (siehe Tabelle 1). Mineralische Brillengläser aus Kronglas
haben hervorragende optische Eigenschaften (ausgedrückt durch die hohe
Abbesche Zahl). Kronglas ist kratzbe-
Abbildung 2. Ungleichmäßige Farbgebung
bei getönten mineralischen Brillengläsern zur
Korrektur einer starken Weitsichtigkeit (links) bzw.
Kurzsichtigkeit (rechts)
Kunststoffgläser aus CR-39® besitzen hervorragende optische Eigenschaften und zeichnen sich im Vergleich zu Glas durch ein geringeres
WERKSTOFFEIGENSCHAFTEN
KRONGLAS
CR-39
POLYCARBONAT
Brechungsindex
Je höher die Zahl, desto dünner
das Glas
1,523
1,498
1,586
desto
2,5
1,32
1,20
Dispersion (Abbesche Zahl)
Je höher die Zahl, desto geringer die Abbildungsfehler
59
58
31
Spezifisches Gewicht
Je höher die Zahl,
schwerer das Glas
Härte
Eigenschaften
temperbar
Beschichtung
möglich,
einfache Herstellung, hohe Verfügbarkeit
OberflächenHohe Oberflächen- Höchste
härte, Hartbeschich- härte, hartbeschichteter
tung erforderlich
Linsenrohling
Tönung und Beschichtung möglich, einfache Herstellung, hohe Verfügbarkeit
Beschichtung
möglich,
spezielles
Fertigungsgerät erforderlich, empfehlenswert für Kinder
und Sportler
Tabelle 1: Eigenschaften der drei meistverwendeten Brillenglas-Werkstoffe
7
Flugsicherheit
Gewicht und eine höhere Bruchfestigkeit aus. Diese Gläser sind jedoch trotz
spezieller Beschichtung sehr kratzempfindlich. CR-39®-Gläser lassen sich
problemlos färben und weisen auch
bei Korrektur starker Fehlsichtigkeiten
eine gleichmäßige Färbung über die
gesamte Fläche auf. Der Werkstoff
Glas bietet jedoch eine höhere Beständigkeit hinsichtlich der Tönung.
Bei verblassender Tönung können CR39®-Gläser gebleicht und erneut eingefärbt werden.
Für starke Fehlsichtigkeiten und/
oder leichtere, dünnere Gläser bieten sich hochbrechende Glas- und
Kunststoffmaterialen (Brechungsindex
- 1,60) an. Diese Werkstoffe sind jedoch nur eingeschränkt erhältlich und
müssen zur Verbesserung der Sicht
entspiegelt und zur Erhöhung der Lebensdauer mit einer kratzfesten Hartbeschichtung versehen werden. Darüber hinaus gestaltet sich die Tönung
hochbrechender Werkstoffe eher
schwierig und ihre Bruchfestigkeit ist
geringer als die von Polycarbonat.
BESCHICHTUNGEN
Die verschiedenen Werkstoffe können u. a. aus oben genannten Gründen mit einer speziellen Beschichtung
versehen werden. Kronglas und die
meisten Kunststoffgläser bedürfen
zur Absorption der UV-Anteile des
Sonnenlichts einer besonderen Beschichtung, während Brillengläser aus
Kunststoff und Polycarbonaten zur
Verlängerung ihrer Lebensdauer eine
kratzfeste Hartbeschichtung erhalten.
Die Hartbeschichtung von Polycarbonat-Gläsern absorbiert Tönungen und
Färbungen. Die Entspiegelungsschicht
erhöht aufgrund ihrer guten Reflexionseigenschaften die Lichtdurchlässigkeit hochbrechender Werkstoffe.
Reflexmindernde Beschichtungen
können die Abbildungsgüte verbessern, infolge ihrer besonders porösen
Oberflächenstruktur sind sie jedoch
anfällig für Verunreinigungen durch
Wasser und Fett, wodurch die Reini8
gung der Brillengläser erschwert wird.
Entspiegelte Gläser sollten deshalb
eine schmutz- und wasserabweisende
„Versiegelung” erhalten, um die Lebensdauer der reflexmindernden
Schicht zu erhöhen und den Reinigungsaufwand der Brillengläser zu
verringern. Voraussetzung für ein
qualitativ hochwertiges Ergebnis sind
das einwandfreie Aufbringen der Beschichtung und die gründliche Reinigung der Gläser. Beschichtete Brillengläser erfordern besondere Pflege und
sind vor übermäßiger Wärmeeinwirkung zu schützen, um Ablösung oder
Haarrissbildung der Beschichtung zu
vermeiden.
TÖNUNG
Das Spektrum möglicher Sonnenbrillentönungen ist nahezu unerschöpflich. Zu den drei häufigsten Tönungen gehören Grau, Graugrün und
Braun, dabei sind alle in besonderem
Maße für Fliegersonnenbrillen geeignet. Graue Tönungen (Neutraldichtefilter) sind empfehlenswert, da diese
die geringsten Farbverfälschungen
verursachen. Manchen Luftfahrzeugführern zufolge erhöhen Sonnenbrillen mit graugrünen und braunen
Gläsern die Farbintensität und verringern (blaues und violettes) Streulicht,
wodurch bei diesigem Wetter bessere
Kontraste erzielt werden. Gelbe, bernstein- und orangefarbene Gläser (so
genannte Blau-Blocker) schützen das
Auge vor kurzwelligem Licht und verbessern angeblich die Sicht, diese Erfahrung entbehrt jedoch einer wissenschaftlichen Grundlage. Zudem führen
solche Tönungen bekanntermaßen
zu Farbverfälschungen, wodurch die
Farbunterscheidung
bei Positionslichtern, Signalen oder farbcodierten
Karten und Instrumentenanzeigen
erschwert wird. Fliegersonnenbrillen
sollten 70 - 85 % des sichtbaren Lichts
absorbieren und keine wahrnehmbare
Farbverfälschung bewirken. Tönungen
mit einer darüber hinausgehenden Filterwirkung eignen sich nicht für den
Flugbetrieb, da sie die Sehschärfe und
somit die Lesbarkeit von Instrumenten
und Unterlagen im Cockpit beeinträchtigen können.
POLARISATION
Polarisierende Brillengläser sind für
die Luftfahrt nicht geeignet. Sie haben den Vorteil, störende Reflexe von
horizontalen Oberflächen wie Wasser
oder Schnee zu mindern, können aber
bewirken, dass Instrumentenanzeigen
mit Blendschutzfilter nur schlecht oder
gar nicht erkennbar sind. Polarisierende Gläser können zudem die Sicht
durch die Windschutzscheibe des
Luftfahrzeugs beeinträchtigen, wenn
beim Blick durch Laminatwerkstoffe
die Wahrnehmung von Streifen verstärkt wird. Zudem wird durch diese
Brillengläser die Wahrnehmung der
von glänzenden Oberflächen wie den
Tragflächen oder Windschutzscheiben
eines anderen Flugzeugs ausgehenden
Lichtreflexe erschwert, wodurch dem
Piloten in einer Situation, die eine
schnelle Reaktion nach visueller Erkennung einer Gefahr erfordert, ggf. weniger Zeit zum Reagieren bleibt.
PHOTOTROPIE
Phototrope mineralische (PhotoGray®, PhotoBrown® und Transitions®) Brillengläser dunkeln bei
Einwirkung von UV-Strahlung automatisch ein und hellen bei nachlassender UV-Intensität wieder auf. Das
Eindunklen der Gläser findet fast vollständig in den ersten 60 Sekunden
nach UV-Einwirkung statt, während
das Aufhellen ggf. einige Minuten
dauern kann. Die meisten phototropen Gläser können einen ähnlichen
Tönungsgrad wie Sonnenbrillen erreichen, das entspricht 20 % Lichtdurchlässigkeit bei direkter Sonneneinstrahlung. Hohe Temperaturen (> 21 °C)
können die Eindunklung phototroper
Gläser jedoch wesentlich beeinträchtigen. Die verminderte UV-Einstrahlung
im Führerraum kann ihre Wirksamkeit
weiterhin einschränken. Zudem ist es
möglich, dass bei aufgehellten phototropen Gläsern die Abbildungsgüte für
Flüge bei Bewölkung und bei Nacht
nicht ausreichend ist.
BRILLENFASSUNG
Anders als Werkstoff und Tönung
ist die Wahl der Sonnenbrillenfassung
vornehmlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Bei einer Fliegersonnenbrille ist jedoch auf die Funktionalität der Fassung zu achten, die die
Nutzung der Sauerstoffmaske oder
des Sprechsatzes nicht beeinträchtigen darf. Fassungen mit kleinen Brillengläsern sind u. U. ungeeignet, da
solche Modelle die Augen nicht ausreichend gegen sichtbares Licht und
UV-Strahlung abschirmen. Sonnenbrillenfassungen sollten stabil und gleichzeitig leicht genug sein, um neben
einer gewissen Bruchsicherheit Tragekomfort zu bieten. Der gute Sitz einer
Fliegersonnenbrille ist wichtig, um ein
Verrutschen der Brille bei plötzlichen
Kopfbewegungen infolge von Turbulenzen oder Kunstflugmanövern zu
vermeiden. Für den sicheren Sitz von
Korrektur-Sonnenbrillen ist letztendlich ein Kopfband empfehlenswert
und dank einer Kordel kann die Brille
bei kurzzeitigem Absetzen griffbereit
um den Hals getragen werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Sonnenbrillen sind nicht nur Teil
des geheimnisvollen Flieger-Image, sie
sind gleichzeitig Blendschutz gegen
gleißendes Sonnenlicht und schützen
vor schädlicher Sonneneinstrahlung.
Sonnenbrillen mit 100%igem UVSchutz sind mit Gläsern aus Glas,
Kunststoff und Polycarbonat erhältlich. Mineralische und organische
Brillengläser aus CR-39® verfügen
über bessere optische Eigenschaften,
wohingegen Polycarbonat-Gläser ein
geringeres Gewicht und eine höhere
Bruchfestigkeit aufweisen.
Die Auswahl an Tönungen sollte
sich für Fliegersonnenbrillen auf
jene beschränken, die bei optimaler
Sehleistung nur minimale Farbverfälschungen bewirken, wie z. B. eine
neutral graue Tönung mit einer Lichtdurchlässigkeit von 15 bis 30 Prozent.
Polarisierende Sonnenbrillen sind
nicht zu empfehlen, da sie u. U. Nachteile in der Wahrnehmung von Anzeigen oder bestimmter Materialien im
Führerraum mit sich bringen.
Ob mit oder ohne Sehstärke – die
Wahl einer geeigneten Fliegersonnenbrille erfordert angesichts ihrer Bedeutung besondere Sorgfalt.
Angesichts der Einführung neuer
Materialien, Designs und Fertigungsverfahren ist die Brillenglastechnik in
einer stetigen Entwicklung begriffen.
Um unter den besten derzeit verfügbaren Modellen auswählen zu
können, sollten sich Flieger bei der
Wahl einer neuen Sonnenbrille an ihren Augenarzt wenden.
Anmerkung:
In der Bundeswehr werden die Piloten mit einer einheitlichen zentral
beschafften Sonnenbrille versorgt. Das Glas ist aus braunem Mineralglas
mit 70-80 % Absorption.
Braun wird für die deutschen Sonnenbrillen genutzt, da sie kaum Veränderungen der Farbwahrnehmung verursachen und kontrastverstärkend
wirken.
Piloten, die eine Korrektur benötigen, werden über die individuelle Empfehlung der Fachgruppe Augenheilkunde am Flugmedizinischen Institut der
Luftwaffe durch einen Optiker vor Ort mit der Fliegersonderbrille versorgt.
Diese Brille mit dem Titangestell Charmant EO.10.900 wird ebenfalls mit
braunem Mineralglas mit 70-80 % Absorption ausgestattet. Mehr als 80 %
Absorption ist nicht zugelassen.
Selbsttönende Gläser oder Polarisationsfilter sind in der deutschen Militärfliegerei, wie in den USA, nicht gestattet.
Jetpiloten benötigen keine Fliegersonderbrille als Sonnenbrille. Sie erhalten
eine Dienstbrille der Bundeswehr als Sonnenbrille, da diese Sonnenbrille
im Flug nicht getragen werden kann. Der Sonnenschutz erfolgt durch das
getönte Helmvisier, welches bei Bedarf über das immer geschlossene klare
Helmvisier geklappt wird.
Bundeswehrpiloten werden primär mit Mineralgläsern ausgestattet, da
diese kratzfester als Kunststoffgläser sind. Die Sonnenbrillen sind mit einfacher Entspiegelung versehen.
Sollte Kunststoff verwendet werden, so haben die Gläser eine einfache
Entspiegelung mit gehärteter Oberfläche.
OFA Dr. Jörg Frischmuth
Flugmedizinisches Institut der Luftwaffe
Abteilung Klinische Flugmedizin
Leiter Fachgruppe Augenheilkunde
9
Bilder von Stabsfeldwebel Norbert Jürgensen
Flugsicherheit
Punktlandung
Mal eben kurz ... hätte teuer werden können
von
Stabsfeldwebel Norbert Jürgensen,
Luftwaffeninstandhaltungsgruppe 21,
Schortens
Es passierte kurz nach
meiner Versetzung an
einen neuen Standort.
Wie üblich wird man
als Neuzugang, wenn
auch schon fast dreißig
Jahre im Geschäft, mit
allen OuV-Befehlen,
Technischen Informationen und sonstigen
10
Anweisungen, die den
Standort (in meinem
Fall speziell den Flugbetriebsbereich) betreffen,
„zugeschüttet“. Was
meistens dazu führt,
dass man einfach mal
zumacht, frei nach dem
Motto: ist doch eh` überall das Gleiche ... kenn
ich doch schon ... wiederholt sich doch alles.
Höchstgeschwindigkeit
im Flugbetriebsbereich
einhalten, Warnblinklicht oder Rundumleuchte einschalten, Schwenkbereich der Sheltertore
beachten (optisch sichtbar durch gelbe Warnlinien, schraffierte Felder
und Haltelinie) usw..
Und dann kam der lange
Abend im Nachtflug.
Ich war als Flightchief im Shelterbereich unterwegs, alle Maschinen
wieder vom Nachteinsatz zurück, die
Reparaturarbeiten im Gange, als vom
Einsatzleiter über Funk die Aufforderung kam: „Fahr` mal eben kurz zum
Shelter 3 und frag nach, wie lange der
Elektriker dort noch braucht“. Also
auf zum bewussten Shelter, das Auto,
um Zeit zu sparen, genau an der gelben Markierung des Fahrweges (nicht
Haltelinie, liegt etwas weiter davor) des
Sheltertores abgestellt (Punktlandung,
bin ja sowieso gleich wieder weg) und
rein in den Shelter. Außerdem: warum
sollte das Tor aufgefahren werden?
Bei dem kleinen Fehler, der vor Ort
behoben werden sollte, blieb das Luftfahrzeug sowieso im Shelter, zudem
war es draußen kalt und es gab wirklich keinen Grund, das Tor zu öffnen.
So etwas weiß man eben als „altes
Flightschwein“.
Zusammen mit dem Fachmann
befand sich noch ein weiterer Mechaniker im Flugzeugschutzbau, der
lediglich die Aufgabe hatte, aus Sicherheitsgründen beim Lfz-Elektriker zu
bleiben, damit dieser nicht alleine im
Shelter war. Vorschrift ist Vorschrift.
Da auch der Mechaniker noch eine
kleine Arbeit in einer benachbarten
Flugzeuggarage zu erledigen hatte,
bat er mich, kurz hier zu bleiben,
dann könne er schnell mal rüber. Kein
Problem, ich machte es mir auf dem
Ansaugschacht bequem und schaute
dem Elektriker über die Schulter. Kurz
darauf bemerkte dieser: „Ich geh` mal
eben kurz die Tore etwas auffahren
zwecks Durchlüftung des Shelters, ich
muss löten“. Also Leiter runter und
los Richtung Bedientafel. Während
ich noch drüber nachsinnierte, warum wegen einer einzigen Lötstelle
ein riesen Sheltertor geöffnet werden
musste, schoss mir in den Kopf: „Oh,
das Auto ..., ach .., alles klar, er schaut
während der Bedienung der Tore ja
schon nach draußen und sollte das
Fahrzeug sehen“.
Plötzlich jedoch fiel mir auf, dass
der Torbediener heftigst den Toröffnungsknopf bearbeitete und ständig
nach draußen schaute, ansonsten
aber stumm blieb. Böses ahnend,
flitzte ich (natürlich dem Alter entsprechend) runter von der Leiter, raus
aus den Flugzeugschutzbau Richtung
Mercedes Sprinter mit Pritsche, ca. 8
Monate alt, eine Leihgabe des BwFuhrparks.
Zu spät, ein sanftes Knirschen sorgte
dafür, dass vor meinem geistigen Auge
die Eurozeichen auftauchten und mir
klarmachten: hier hast Du verwachst,
das könnte teuer werden!
Was war passiert? Die oben genannte Punktlandung war nur insofern eine, als dass ich beim Abstellen
des Dienstfahrzeuges soweit über die
gelbe Markierung geraten war, dass
das vordere Nummernschild vom auffahrenden Tor sanft von der Stoßstange abgetrennt wurde, einen Meter
weiter und ... ich mochte es mir nicht
ausmalen.
Also Nummernschild, Halterung
und den geschockten Elektriker ins
Auto verfrachtet, ab ins Büro und erst
mal einen Schadensbericht angefertigt, damit die Frühschicht morgens
unverzüglich schon mal die Technische
Betriebsführung der Staffel informieren konnte. Um es kurz zu machen:
Ursache für den Tordefekt war der
klemmende Toröffnungsschalter, der
normalerweise beim Nachlassen des
Fingerdruckes dafür sorgt, dass das Tor
stehen bleibt. Ursache dafür, dass das
Tor mit dem Auto in Berührung kam,
war ICH: nicht halten AN der deutlich
markierten Haltelinie bzw. spätestens
VOR der Markierung des Torschwenkbereiches. Folge war zum Glück ein
nur geringfügig beschädigtes Nummernschild, das durch etwas Eigeninitiative wieder zurechtgebogen und
neu befestigt werden konnte. Auslösender Faktor mal wieder Nachlässigkeit (also schon wieder ICH), weil man,
wie ja oben schon einmal erwähnt,
alles kennt, weiß und als Routinier alles im Griff hat ... und damit oftmals
nicht bedenkt, dass eine Verkettung
verschiedener Umstände den üblichen
Ablauf durcheinander bringen und damit ein erheblicher Schaden auftreten
kann.
Aber trotzdem ... versuchen SIE einmal, ein Auto auf Anhieb so hinzustellen, dass nur das Nummernschild dran
glauben muss ...
eine Punktlandung eben ;-)!
11
Flugsicherheit
Dieser Beitrag ist aus der Zeitschrift „Flying Safety Magazine“ übernommen. Er ist als Anregung für die Diskussion gedacht, die zurzeit geführt wird, um eine Fehlerkultur in die Bundeswehr einzuführen.
Ist die US-Air Force bereit
für eine Fehlerkultur?
„Guten Tag, ich bin Captain Black Hat und fliege heute mit Ihnen. Sollte eine Notlage eintreten, werde ich Ihre erste Reaktion bewerten. Danach kann ich Ihnen helfen.“
von WILLIAM A. KROUSE JR. ,
UTRS-Auftragnehmer und AMC A3T
MFOQA-Analyst
mit freundlicher Genehmigung
Flying Safety Magazine
Grafik von LB
nach Vorlage aus dem
„Flying Safety Magazine“
und fliege heute mit IhAch, der gefürchtete
nen. Ich kümmere mich
Check Pilot. Ich saß stets selbst um meinen Sauerbeklommen im Cockpit
stoff. Ich werde weder
und wartete nur auf
über die Interfonanlage
diese Worte: „Guten Tag, noch anders bei Ihnen
ich bin Captain Black Hat nachfragen. Sollte eine
12
Notlage eintreten, werde ich Ihre erste Reaktion bewerten. Danach
kann ich Ihnen helfen.“
Noch heute gerate ich
nur bei der Erinnerung
an diese Black-HatterÜberprüfungen ins
Schwitzen.
Schon bevor ich die Pilotenschwinge erworben hatte, war die Air Force
eine Welt, in der beim Fliegen keine
Fehler geduldet wurden. Wir betreiben diese fantastischen Luftfahrzeuge
in einer von Sanktionen geprägten
Null-Fehler-Kultur. Ihnen ist ein Fehler
unterlaufen? Dann sind Sie dran, verlieren eventuell sogar Ihre Schwinge.
Allerdings nur, wenn Sie dabei ertappt
werden.
Ich habe noch keinen Piloten getroffen (und das gilt auch für mich selbst),
der sich bei einem Rückblick auf seine
Pilotenkarriere nicht an Einsätze erinnert, bei denen er oder sie erwischt
worden wäre, durchgefallen wäre und
zusätzliche Schulungen aufgebrummt
bekommen hätte, wenn ein Standardisierer an Bord gewesen wäre. Es
waren jedoch keine Standardisierer
da, und so tauschen wir weiterhin mit
anderen Piloten, die Ähnliches erlebt
haben, oder engen Freunden, denen
wir vertrauen können, Geschichten
über Fälle aus, bei denen wir gerade
noch einmal davongekommen sind.
Dass wir diese Vorfälle nicht gemeldet haben, rechtfertigen wir uns selbst
gegenüber ungefähr so: „Ich bin ein
guter Pilot. Ich habe zwar nicht formell
auf meinen Fehler hingewiesen, aber
ich habe doch meine Erfahrungen mit
anderen geteilt, die davon profitieren
können.“
Wie viele Piloten haben jedoch tatsächlich von dem Wissen um unsere
nicht dokumentierten kleineren Fehler
profitieren können?
Piloten sind natürlich nicht die einzigen Fachleute, die in einer von Sanktionen geprägten Null-Fehler-Kultur
leben. Die Flugsicherung, die Luftfahrzeugwartung und sogar Teile der
Ärzteschaft leiden unter dem gleichen
Schicksal. Diese Fachleute führen ebenfalls vertrauliche Gespräche mit Kollegen, um Erfahrungen auszutauschen
und zu vergleichen. Sie versuchen, auf
privater Basis unter vier Augen voneinander zu lernen, statt zu riskieren,
den Behörden gegenüber Fehler ein-
zuräumen und möglicherweise ihre
berufliche Karriere zu gefährden.
Dies wirft folgende Fragen auf: Hat
die Gefahr, bei einem Überprüfungsflug zu versagen, jemals einen Piloten
davor bewahrt, Fehler zu machen? Ist
es wichtiger, einen Piloten für einen
kleineren Fehler zu rügen als die zugrundeliegende Situation zu untersuchen, die Fehlerursache zu ermitteln
und die gewonnenen Erfahrungen zugänglich zu machen?
Stellen Sie sich statt einer von Sanktionen geprägten Null-Fehler-Kultur
eine Kultur vor, in der das Mitteilen von
Fehlern und Lernen aus den Fehlern
anderer gefördert wird, um eine bessere und sicherere Arbeitsumgebung
zu schaffen. Diese Art von Kultur ist
möglich. Sie existiert schon heute unter der Bezeichnung „Fehlerkultur“1.
Die Zivilluftfahrt, die Flugsicherung
und Teile der Ärzteschaft haben bereits damit begonnen, die Fehlerkultur
zu übernehmen. Diesen Berufszweigen ist klar, dass menschliches Versagen nie ganz ausgeschlossen werden
kann. Sie haben erkannt, dass Informationen zu menschlichem Versagen
am Arbeitsplatz und zur Vorgeschichte
eines solchen Versagens als Lernhilfen
genutzt werden können, so dass andere davon profitieren. Die Fehlerkultur stellt, kurz gesagt, ein System dar,
das ein Lernen aus der freien Diskussion über sicherheitsrelevante Vorfälle gestattet, aber keine vorsätzlichen,
leichtsinnigen oder wiederholten Fehler toleriert.
Die Arbeitsgruppe E, Flight Ops/ATC
Ops Safety Information Sharing (Informationsaustausch für die Sicherheit
im Flugbetrieb/Flugsicherungsbetrieb),
des Global Aviation Information Network (GAIN – Globales Luftfahrt-Informationsnetz) definiert die Fehlerkultur
als eine „Atmosphäre des Vertrauens,
in der die Bereitstellung wichtiger sicherheitsbezogener Informationen gefördert und sogar belohnt wird, aber
auch jedem klar ist, wo die Grenze
zwischen zulässigem und unzuläs-
sigem Verhalten zu ziehen ist“.2 Die
gemeinsamen Vorsitzenden des European Air Traffic Management Safety
Workshop on Just Culture (Arbeitsseminar zur Fehlerkultur im Rahmen des
Europäischen Sicherheitsprogramms
für Luftverkehrsführung) definieren
die Fehlerkultur als eine Kultur, in der
„Akteure der vordersten Front oder
andere Personen nicht für Aktionen,
Unterlassungen oder Entscheidungen
bestraft werden, die ihrer Erfahrung
und Ausbildung entsprechen, grobe
Fahrlässigkeit, vorsätzlich Verstöße
und destruktive Handlungen jedoch
nicht toleriert werden“.3
Es ist jetzt an der Zeit für die Air
Force, die Fehlerkultur zu übernehmen.
Über das System zur Standardisierung
der Pilotenausbildung muss zwar weiterhin Personal für rücksichtsloses Verhalten zur Verantwortung gezogen
werden, gleichzeitig muss jedoch eingeräumt werden, dass menschliches
Versagen auftritt. Meiner Ansicht erhöht sich die Sicherheit der Piloten
und der Luftfahrzeuge, wenn es den
Piloten gestattet wird, Zwischenfälle
offen ohne Furcht vor Strafe zu erörtern, so dass im Kreis der Piloten ein
kontinuierlicher Lernprozess angestoßen werden kann.
Die GAIN-Arbeitsgruppe stimmt
dem zu. Die von ihr durchgeführten
Untersuchungen haben ergeben, dass
sehr wenige gefährliche Handlungen
vorsätzlich sind.4 Im „Safety Targeted
Awareness Report 008“ (Bericht zum
Sicherheitsbewusstsein) heißt es dazu:
„Ein sehr geringer Prozentsatz der gemeldeten Zwischenfälle (0,2 %) beruht auf Handlungen mit vorsätzlicher
grober Fahrlässigkeit oder Fehlverhalten.“ Er zieht die Schlussfolgerung,
dass eine ‚Schuldzuweisungskultur‘
den Austausch entscheidender Sicherheitsinformationen aufgrund der
Furcht vor Strafe behindert.5
Der Bericht stellte zudem eine Fallstudie der dänischen Flugsicherung
heraus, in der ein Anstieg der eingereichten Sicherheitsberichte von 15
13
Flugsicherheit
auf 980 pro Jahr verzeichnet wurde,
nachdem die Gesetze zugunsten einer
straffreien, vertraulichen Berichterstattung geändert worden waren.6 Dies
entspricht einem Anstieg von 644 Prozent für die Chance, aus gefährlichen
Handlungen zu lernen.
Die US-Luftfahrtindustrie hat unter Mithilfe der FAA (Federal Aviation
Administration – US-Bundesluftfahrtbehörde) und der NASA (National
Aeronautics and Space Administration – Nationales Amt für Luft- und
Raumfahrt der USA) ein eigenes anonymes Selbstmeldesystem (Aviation
Safety Action Program [ASAP] – Aktionsprogramm für Luftfahrtsicherheit)7
entwickelt, in dem fliegende Besatzungen, Instandhalter und Abfertiger
Fehler vertraulich melden können. Im
Mittelpunkt steht dabei die Ursache
für den Fehler der jeweiligen Person.
In einem Artikel des Institute for
Safe Medical Practices (ISMP – Institut für sichere medizinische Behandlungen) wurden weitere Gründe für
die Abkehr von einem von Sanktionen
geprägten System angeführt. Dieser
Artikel stellt fest, dass der Mensch
nicht nur zu Fehlern neigt, sondern
auch allmählich von der normalen
Verhaltensweise abweicht. Dieses
Abweichen wird durch die von der
jeweiligen Person wahrgenommenen
Folgen ihrer direkten Handlungen im
Umgang mit den täglichen systemund umgebungsbedingten Anforderungen verursacht. Er erklärt, dass
„... Entscheidungen darüber, was auf
der täglichen Aufgabenliste von Bedeutung ist, auf den gewünschten
unmittelbaren Folgen basieren. Da
das Risikobewusstsein im Laufe der
Zeit schwindet und man versucht, mit
weniger Mitteln mehr zu erreichen,
kürzt man Verfahren ab und entfernt
sich allmählich von den als sicherer bekannten Verhaltensweisen.“8
Vor Jahren strich die Air Force versuchsweise die unangekündigten
Überprüfungsflüge. Dann führte sie
diese Flüge wieder ein. Später verlän14
gerte sie die Abstände zwischen den
Überprüfungen und machte dann
jeden Kommandeur zu einem Standardisierer. Während der ganzen Zeit
beharrte die Führung darauf, dass
die fliegenden Besatzungen für ihre
Handlungen verantwortlich seien. Wie
kann die Air Force überhaupt in einem
‚schuldfreien System‘ ohne Verantwortlichkeit operieren? Die Fehlerkultur fördert diese Verantwortlichkeit.
In der heutigen Arbeitswelt – ob in
der Air Force, der Zivilluftfahrt oder
der Ärzteschaft – müssen wir „mit
weniger Mitteln mehr erreichen“ und
„alles Nötige unternehmen, um die
Arbeit zu erledigen“. Da jeder von uns
Rechtfertigungen findet, um zum Erledigen der Arbeit Verfahrensweisen abzukürzen oder geringfügige Unterlassungen zu begehen, verlieren wir das
Risiko aus den Augen, mit dem unsere
Aktionen behaftet sind. Eindeutige,
von Sanktionen geprägte Systeme, in
denen Korrektheit und Sicherheit betont werden, bieten keinerlei Hilfe in
der heutigen Arbeitsumgebung, in der
eine schnellere, effektivere und kostengünstigere Ausführung der Arbeit
gefragt ist.
Da die Air Force weiterhin vorausschauende Sicherheitsinitiativen wie
die Qualitätssicherung für den militärischen Flugbetrieb vorantreibt, ist es
für sie an der Zeit, die Fehlerkultur zu
übernehmen.
AFSC/SEF – Redaktioneller Hinweis
an Kommandeure:
Ich würde gern unseren Kommandeuren (und zukünftigen Kommandeuren) einigen Stoff zum Nachdenken anbieten.
Wird in Ihrer Einheit nach wie vor
eine von Sanktionen geprägte NullFehler-Kultur gepflegt? Nachdem ich
den größten Teil meiner 20-jährigen
Laufbahn als Standardisierer verbracht
habe, kenne ich nur eine Begründung,
um jemanden erwischen zu wollen,
und das ist ein Verstoß gegen die drei
wichtigsten Regeln, d. h. Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen,
Mangel an fliegerischer Disziplin oder
unterlassene Maßnahmen bei Entstehen einer gefährlichen Situation. Die
beiden ersten Fälle sind eindeutige
Anzeichen, dass die betreffende Person entweder die Regeln nicht kennt
oder sich über sie stellt. Der dritte Fall
deutet auf ein recht eingeschränktes
Lagebewusstsein hin. In allen Fällen
liegen eindeutig Probleme vor, die
ein Ungenügend sowie zusätzliches
Training rechtfertigen. „Kleinere Fehler“ führen möglicherweise nicht einmal dazu, dass jemand herabgestuft
oder etwa gerügt werden muss. Eine
Häufung von kleineren Fehlern kann
jedoch darauf hinweisen, dass die betreffende Person nicht voll qualifiziert
ist. Ich möchte damit sagen, dass Sie
als Kommandeur sich engagiert an der
Auswahl und der Zertifizierung der
Personen beteiligen sollten, die Sie als
Standardisierer sehen wollen. Nehmen
Sie auf Einzelfehler fixierte Check Pilots nicht tolerant hin und dulden Sie
in Ihrer Einheit keine solche Kultur.
Dieser Artikel geht davon aus, dass
eine Umgebung (oder auch Kultur)
gefördert wird, in der Piloten und fliegende Besatzungen bereit sind, ihre
Fehler mitzuteilen, um eine insgesamt
sicherere Umgebung zu schaffen. Ich
möchte Sie als Führungskräfte der Air
Force eindringlich darum bitten, zur
Förderung dieser Kultur beizutragen.
Machen Sie sich den Unterschied zwischen einem Fehler und einem Vergehen bewusst. Als Führungskräfte
müssen wir Fehlern gegenüber tolerant sein und eine Kultur fördern, in
der Fehler mitgeteilt werden und aus
Fehlern gelernt wird – auf diese Weise können wir bessere und sicherere
Flieger werden. Vorsätzliche Verstöße
gegen die Regeln sollten unter keinen
Umständen toleriert werden.
Anmerkungen:
1
Hinter der Fehlerkultur verbirgt sich
ein Algorithmus, der unter der Bezeichnung „Just Culture“ von der
Just Culture Community (www.justculture.org) entwickelt wurde, die
auch das Urheberrecht für diesen
Algorithmus besitzt. Mit dem Algorithmus soll die Systemsicherheit
unterstützt werden, indem einerseits eine offene Kommunikation
innerhalb einer Organisation ermöglicht wird, andererseits aber in
einem System der Verantwortlichkeit gearbeitet wird, das die Wahl
sicherer Verhaltensweisen durch
das Personal unterstützt.
2
Informationsaustausch-Arbeitsgruppe E, Flight Ops/ATC Ops Safety
Information Sharing (Informationsaustausch für die Sicherheit im Flugbetrieb/Flugsicherungsbetrieb), des
Global Aviation Information Network (GAIN – Globales Luftfahrt-Informationsnetz); „A Roadmap to a
Just Culture: Enhancing the Safety
Environment“ (Wegweiser zu einer Fehlerkultur: Verbesserung der
Sicherheitsumgebung); September
2004,
http://204.108.6.79/products/documents/roadmap%20
to%20a%20just%20culture.pdf
(1. November 2006), Seite 4.
3
Dr. Erik Merckx, Roderick van Dam,
Message from the Joint Chairmen
of the Workshop (Mitteilung der
gemeinsamen Vorsitzenden des
Arbeitsseminars), European ATM
Safety Workshop on Just Culture
(Arbeitsseminar zur Fehlerkultur im
Rahmen des Europäischen Sicherheitsprogramms für Luftverkehrsführung), 16. Oktober 2006.
4
GAIN: Flight Ops/ATC Ops Safety
Information Sharing (Informationsaustausch für die Sicherheit im
Flugbetrieb/Flugsicherungsbetrieb);
„A Roadmap to a Just Culture“
(Wegweiser zu einer Fehlerkultur),
Seite vi; „nur ca. 10 Prozent der Aktionen, die zu negativen Vorfällen
beitragen, werden als schuldhaft
beurteilt“.
5
European Regions Airline Association (ERA – Verband der Luftfahrtge-
sellschaften der europäischen Regionen), „Safety Targeted Awareness
Report“ (Bericht zum Sicherheitsbewusstsein) der ERA Air Safety Work
Group (ERA-Arbeitsgruppe zur
Flugsicherheit), STAR 008 V1, Juni
2006.
6
GAIN: Flight Ops/ATC Ops Safety
Information Sharing (Informationsaustausch für die Sicherheit im
Flugbetrieb/Flugsicherungsbetrieb);
„A Roadmap to a Just Culture“
(Wegweiser zu einer Fehlerkultur),
Seite vi.
7
Einzelheiten
siehe
HYPERLINK
„http://www.faa.gov/safety/programs_initiatives/ aircraft_aviation/
asap/“.
8
Institute for Safe Medication Practices (Institut für sichere medikamentöse Behandlungen), „Our Long
Journey Towards A Safety-Minded
Just Culture Part II: Where We‘re
Going“ (Die lange Reise zu einer
sicherheitsorientierten
Fehlerkultur, Teil II: Unser Weg), September
2006.
Bravo - gut gemacht!
Daraufhin wurden alle Verbände mit dem Waffensystem BO 105 informiert
und die Luftfahrzeuge des Heimatverbandes überprüft. Der Hauptrotorblattsatz wurde gewechselt (Abgabe zu AGTU/WIWEB) und eine AFTO 29 erstellt.
Durch das umsichtige und verantwortungsvolle Handeln des Stabsunteroffiziers Ganzer konnte wahrscheinlich ein Zwischenfall oder Schlimmeres verhindert werden.
Damit hat er einen wesentlichen Beitrag zur Flugsicherheit in der Bundeswehr geleistet.
Während der Übung „BEASTY
HORNET“ stellte Stabsunteroffizier
Thomas Ganzer (KpfHubschrRgt 26)
am 28.05.2008 im Rahmen der Vorflugkontrolle an einem der Hauptrotorblätter einer BO 105 P einen ca.
15cm langen Riss in der Blatthinterkante fest.
Bravo gut gemacht und weiter so!!!
15
Flugsicherheit
mit zur Erstausstattung
der Bundesluftwaffe.
Von den Luftfahrzeugführern wurden sie gehasst, gefürchtet und
kosteten im Laufe der
Jahre vielen Piloten das
Leben. Obwohl die Lockheed F-104G Starfighter
als Witwenmacher bezeichnet wird, war dies
eigentlich die Thunderstreak bzw. Thunderflash.
Die
Erstausstattung
Einsatz der F-84F Thunderstreak Jagdbomber und
RF-84F Thunderflash Aufklärer in der Bundesluftwaffe
von Oberstabsfeldwebel d. R.
Karl-Heinz Weiss
Im Rahmen des durch
die Vereinigten Staaten
initiierten Mutual Defence Assistance Program erhielt die junge
deutsche Luftwaffe 450
16
Republic F-84F Thunderstreak Jagdbomber
und 108 Republic RF-84F
Thunderflash Aufklärer
zu einem symbolischen
Preis. Sie gehörten da-
Die F-84F Thunderstreak war eine
weitere Version der F-84-Baureihe,
deren Ursprünge auf das Jahr 1944
zurückgehen. Ohne den Koreakrieg
und die damit verbundenen Mittel
für die Entwicklung neuer Kampfflugzeuge hätte es sie nicht gegeben.
Anders als die Flugzeuge der Baureihen F-84A bis F-84G, die ungepfeilte Tragflächen und Leitwerke
hatten, hatte sie diese gepfeilt. Das
Flugzeug hatte einen zentralen Ansaugschacht im Rumpfbug und war
mit dem Curtiss-Wright-Triebwerk
J 65-W-3 mit 3.275 kp Schub bzw.
J 65-W-7 mit 3.540 kp Schub (nur
F-84F) ausgerüstet. Die Auslieferung
dieser Version an die USAF begann
1954. Die Gesamtproduktion belief
sich auf 2.711 Flugzeuge, von denen
mehr als die Hälfte im Rahmen des
MDAP-Programms an die NATO-Luftstreitkräfte ging.
Die RF-84F Thunderflash war eine
Parallelentwicklung zum Jagdbomber
F-84F Thunderstreak. Sie war der erste speziell für Aufklärungsaufgaben
entwickelte Jet und setzte neue Maßstäbe auf dem Gebiet der taktischen
Luftaufklärung. Anders als der Jagdbomber hatte der Aufklärer einen ge-
Bilder von PIZ LwA
schlossenen Rumpfbug, in dem sich
die Kameras befanden. Anstelle des
zentralen Lufteinlaufes hatte sie seitliche Lufteinläufe in den Flächenwurzeln. Die erste Serienmaschine wurde
im März 1954 an die USAF ausgeliefert, die letzte von 715 RF-84F wurde
im Januar 1958 gefertigt.
Die F-/RF-84F hatte eine hohe Flächenbelastung und ein zu schwaches
Triebwerk. Nach Aussage eines USPiloten segelte sie, im Gegensatz zur
T-33, wie ein Ziegelstein. Da es von
diesem Flugzeugtyp keine zweisitzige
Version gab, die als Schulflugzeug genutzt werden konnte, stiegen die Flugzeugführer frühzeitig vom Schulflugzeug, damals die Lockheed T-33A
T-Bird, auf das Einsatzmuster um, und
mussten dort „laufen lernen“.
Die Thunderstreak/-flash war kein
einfach zu handhabendes Flugzeug.
Sie war schwer, vielleicht zu schwer,
und bekam oftmals erst am Ende der
mehr als zwei Kilometer langen Startbahnen der Fliegerhorste „den Hintern hoch“. Von den Luftfahrzeugführern wurde die F-84F als das schnellste
Dreirad der Welt bezeichnet. Das Bugrad blieb bis zur Abhebegeschwindigkeit von 175 kts am Boden. Bei
dieser Geschwindigkeit zog man den
Steuerknüppel nach hinten und das
Luftfahrzeug war sofort in der Luft.
Wichtig war in der Startphase die
Überprüfung der Geschwindigkeit bei
den 2.000 und 4.000 ft Runway Markern. Ein Mitarbeiter des Herstellers
der Fa. Republic Aviation Corporation
meinte in diesem Zusammenhang,
dass die F-84 bestimmt um die ganze
Welt rollen würde ohne jemals abzuheben, sollte man das Bugrad vor der
„Unstick Speed“ vom Boden abheben.
Ein erfahrener F-84F-Pilot sagte in Bezug auf die lange Startrollstrecke, dass
sie - wie alle Flugzeuge der Fa. Republic - zum Ziel gerollt werden wolle.
Nach Ansicht einiger Piloten war sie
einfach zu fliegen und zu landen,
wenn man es richtig machte. Sie
benötigte entschieden größere
Landekurven als zu
der Zeit allgemein
üblich waren und
sie benötigte
eine hohe
Triebwerksleistung
mit kräftigem
Schub im
Endanflug. Autopiloten oder
GPS gab es
noch nicht
und die Navigationsanlage
bestand aus einem magnetischen und einem
Radio-Kompass, der
auf die Funkfeuer
reagierte und den Piloten sozusagen den
Kurs anzeigte. Mit
dieser Kompassanlage gab es häufig
technische Probleme.
Sie
funktionierte
oftmals nicht richtig, zeigte Abweichungen an
und bedurfte
neben umfangreicher
17
Übung einer umfassenden Flugvorbereitung.
Diesem Umstand hat die Luftwaffe
zwei Zwischenfälle in den Jahren 1959
und 1961 zu verdanken. Zwei F-84F
des JaboG 34 kehrten am 22. Oktober 1959 nicht von einem Flug zurück
und wurden vermisst. Der Verlust ging
durch die gesamte Presse. Groß angelegte Suchaktionen in Oberfranken
und der Oberpfalz blieben erfolglos.
Deshalb wurde ein Absturz in der DDR
oder der CSSR immer wahrscheinlicher. Erst am 17.11.1959 meldete die
CSSR den Absturz und die Gefangennahme der beiden Luftfahrzeugführer
auf ihrem Gebiet. Am 3. Dezember
1959 wurden sie am Grenzübergang
Waidhaus den deutschen Behörden
übergeben.
Was war geschehen? Um 09:16
Uhr starteten die zwei Luftfahrzeuge
auf dem Fliegerhorst Memmingerberg
zu einem Navigationsflug Richtung
Frankfurt. Gegen 10:00 Uhr meldete
der Rottenführer der Bodenstelle Fürstenfeldbruck, dass sein Rottenflieger
Probleme mit der Sauerstoffversorgung habe und man nach Memmingen
zurückkehren werde. Fürstenfeldbruck
übergab die Luftfahrzeuge an die Bodenkontrolle Memmingen, wo sich die
Maschinen aber nicht meldeten. Vom
Sauerstoffproblem und dem Witterungsverhältnissen überlastet wurde
nur nach Radiokompass geflogen.
Die Funkfeuer von Memmingerberg
und Grafenwöhr, dem Flugplatz der
US-Streitkräfte in der Oberpfalz, sendeten auf derselben Frequenz ihre nur
schwer unterscheidbaren Signale. Das
führte dazu, dass beide Piloten, ohne
es zu wollen, in die falsche Richtung
flogen: Statt nach Südwesten nach
Südosten. In dem Moment, als sie das
Anflugverfahren für Memmingerberg
mit dem Wolkendurchstoß begannen,
waren sie schon über dem Territorium
der CSSR in den östlichen Ausläufern
des Bayerischen Waldes. Mehrere
Baumberührungen sorgten für Triebwerksausfälle und Beschädigungen an
18
Bilder von PIZ LwA
Flugsicherheit
beiden Maschinen, was deren Piloten
zum Ausstieg mit dem Schleudersitz
zwang. Sie wurden von den tschechoslowakischen Behörden festgenommen, nach Prag gebracht und von den
Sicherheitsbehörden verhört.
Am 14. September 1961 verirrten
sich zwei Flugzeugführer des JaboG
32 mit ihren F-84F nach Navigationsfehlern während der NATO-Übung
Check Mate und drangen in 12.000 m
Höhe bei der Ortschaft Elend (Harz) in
den Luftraum der DDR ein. Beide Maschinen waren für eine simulierte Angriffsübung in großer Höhe Richtung
Frankreich vom Fliegerhorst Lechfeld
gestartet. Bedingt durch einen starken
Gegenwind und einem Flugwetter,
das nicht der Vorhersage entsprach,
wurde der Rückflug über Frankreich
zu früh begonnen und die Lfz durch
den starken Westwind zu weit nach
Nordosten abgetrieben. Falsche Windvorhersagen und Schwierigkeiten beim
Empfang der Mittelwellenfunkfeuer
führten hier wie so oft zu Navigationsfehlern. Mit Mühe konnte die Formation nach Westberlin gelotst werden,
wo sie auf dem Flugplatz Tegel, im
französischen Sektor gelegen und un-
ter französischer Führung, landeten.
Dieser Vorfall führte zu politischen
Verwicklungen zwischen Washington
und Moskau. An diesem Tag wurden
beide Luftfahrzeuge, die DB-379 und
die DB-383, aus der Luftfahrtrolle der
Luftwaffe gelöscht. Beide Luftfahrzeuge wurden von den französischen
Militärs zerlegt und auf dem Flughafengelände vergraben. Die metallenen
Überreste wurden beim Ausbau des
Flugplatzes - nach dessen Übergabe
an die Stadt Berlin - durch den Kampfmittelräumdienst zufällig freigelegt,
geborgen und anschließend der Verschrottung zugeführt.
Zwischen 1959 und 1966 kam es zu
nachweislich mindestens 3 weiteren
Grenzverletzungen durch F/RF-84F der
Luftwaffe, als deren Grund Navigationsfehler angegeben wurden.
Die Schwierigkeiten begannen
schon bei der Ausbildung der jungen
Flugzeugführer. Die Ausbildung des
Flugzeugführernachwuchses begann
zu jener Zeit mit einer fliegerischen Vorauswahlschulung auf der Piper L-18
beim Fluganwärterregiment in Ütersen
bei Hamburg. Da aber sehr viele Nachwuchspiloten gebraucht wurden, er-
folgte diese Vorauswahlschulung auch
an verschiedenen privaten Flugschulen
wie z. B. Bonn-Hangelar oder in Koblenz-Karthause.
Danach begann die fliegerische
Grundausbildung bei der Flugzeugführerschule „A“ in Landsberg/Lech
auf dem „gelben Monster“, der Harvard MK IV (T-6), der sich die Schulung auf dem Jet-Trainer Fouga Magister am selben Standort anschloss.
Es konnte aber auch vorkommen, dass
man seine fliegerische Grundausbildung bei der Ausbildungsgruppe „A“
der Flugzeugführerschule „S“ auf der
Piaggio P-149D in Diepholz durchlaufen musste. Danach setzten alle für die
Jet-Fliegerei vorgesehenen Flugschüler
ihre Ausbildung bei der Flugzeugführerschule „B“ in Fürstenfeldbruck mit
dem sogenannten „Basic Single Engine Training“ auf der T-33A fort. Für
die weitere Ausbildung gingen die
F-84F-Nachwuchspiloten zur Luke Air
Force Base/Arizona in die Vereinigten
Staaten. Weil es keine F-84F-Doppelsitzer gab, wurde mit der T-33A eine
etwa 30-stündige Einweisung in LuftBoden und Luft-Luft Schießverfahren der eigentlichen F-84F-Schulung
vorgeschaltet. So konnten die ersten
Schieß- und Bombenwurfübungen unter der direkten Aufsicht eines Fluglehrers im hinteren Cockpit einer T-33A
erfolgen. Danach erfolgte die etwa
40-stündige Schulung auf der F-84F,
die auch Waffeneinsätze auf dem Gila
Bend-Trainingsgebiet beinhaltete.
Wurde dieser Ausbildungsabschnitt
erfolgreich abgeschlossen, ging es wieder zurück nach Fürstenfeldbruck, wo
mit der T-33A mit der Europäisierung
eine etwa 30-stündige Einweisung in
die mitteleuropäischen Wetter- und
Flugraumbedingungen folgte. Erst
danach erfolgte die Versetzung in ein
Jagdbombergeschwader, in dem der
junge Luftfahrzeugführer seine sogenannte Verbandseinweisung erhielt.
Da - wie schon erwähnt - kein F-84FDoppelsitzer zur Verfügung stand,
nahm man dazu die T-33A oder die
So wie hier in Lemwerder endete häufig eine Landung
auf regennassen und kurzen Landebahnen
P-149D „Piggi“. Erst dann erfolgte
die eigentliche Einsatzausbildung auf
dem Einsatzmuster. In der Regel lagen
zwischen dem letzten Flug auf der F84F in Luke bis zum ersten Flug auf
der F-84F im Geschwader mehr als 3
Monate, in nicht seltenen Fällen fast
8 Monate.
Ein solches Schicksal ist auch im Bericht zu einem Flugunfall zu lesen, der
sich im Frühjahr des Jahres 1963 ereignet hat. Es handelte sich dabei um
den ersten Flug auf F-84F im Rahmen
der Verbandeinweisung. Dazu steht
im Untersuchungsbericht:
Der LFF hatte die Ausbildung auf
seinem Einsatzmuster in den USA erhalten. Die Gesamtflugzeit auf dem
Muster F-84F betrug dabei 30:10
Stunden. Nach Beendigung dieser
Ausbildung hat er dann den Wetterkurs in Fürstenfeldbruck mit 24:50
auf T-33A durchlaufen und wurde
anschließend zum Verband versetzt.
Nach zwei Einweisungsflügen auf T33A und P-149D wurde er nach fast
achtmonatiger Flugpause auf F-84F
beim Geschwader nach der üblichen
erneuerten Einweisung (Cockpit, Roll-
test usw.) zu seinem ersten Flug auf
dem Einsatzmuster in Begleitung seines Lehrers eingesetzt. Alle Startvorbereitungen verliefen normal, die beiden Flugzeuge starteten in der Rotte,
der Schüler links.
In den ersten 4.000 ft Rollstrecke
beschleunigten beide Maschinen normal. Danach wurde das Luftfahrzeug
des Flugschülers langsamer, so dass
es vom Luftfahrzeug des Fluglehrers
nach ca. 7.000 ft überholt wurde. Dieser setzte seinen Start fort, nachdem
er über Funk den Schüler angewiesen
hatte, die Zusatzbehälter abzuwerfen
und das Luftfahrzeug zu beschleunigen.
Dieser hatte jedoch nach etwa
6.500 ft Rollstrecke mit dem Abbremsen seines Luftfahrzeuges begonnen,
den Bremsschirm gezogen, der jedoch
durch eine Fehlbedienung sofort ungeöffnet wieder abgeworfen wurde.
Mit etwa 140 bis 150 kts steuerte er
seinen Flieger in die Fanganlage. Dort
wurde es am linken Hauptfahrwerk
gefangen, geriet dabei ins Schleudern
und löste sich vom Fangseil. Nach
Bruch des linken Hauptfahrwerkes
19
Flugsicherheit
und Beschädigung des Zusatzbehälters entstand ein Kraftstoffbrand, der
das Luftfahrzeug zerstörte. Der Luftfahrzeugführer wurde nicht verletzt.
Wie bereits beschrieben, begann
man bei der Schulung auf die F-84F
mit der T-33. Hier brachte man den
Flugschülern die korrekten Landungen
mit diesem Flieger bei, im „Pitch“ den
Leistungshebel in die Leerlaufstellung
ziehen und ihn dort bis zur Landung
zu belassen.
Bei der Umschulung auf die F-84F
musste den Schülern eine andere
Landetechnik beigebracht werden.
Dazu wurden mit der T-Bird Anflüge
ohne Landeklappen geflogen. Das
hatte große Landekurven und einen
verlängerten Endanflug mit erhöhter
Triebwerksleistung zur Folge. Wurden die sogenannten No-Flap-Anflüge
beherrscht, ging es bei der F-84F/RF84F mit dem Taxi Check weiter. Dabei setzte sich der Flugschüler in das
Cockpit und startete das Triebwerk.
Der Fluglehrer stellte sich auf den
rechten Flügel und schnallte sich mit
einem Gurt am Cockpitrand fest. Dort
hielt er sich verzweifelt fest, während
der Flugschüler mit dem Flugzeug
kreuz und quer über den Abstellbereich rollte.
Wegen ihres breiten Hauptfahrwerks war sie, da sie am Boden mit
der Bremse gesteuert wurde, schwer
zu handhaben. Die Fahrwerksgeometrie entsprach fast dem eines gleichseitigen Dreiecks, geringe Bremseingaben wirkten sich schon gravierend
auf das Rollverhalten am Boden aus.
Das führte bei vielen Landungen und
Startabbrüchen zu Unfällen mit zum
Teil dramatischen Folgen. Da in der
zweiten Hälfte der fünfziger und in der
ersten Hälfte der sechziger Jahre des
vorigen Jahrhunderts kein Fliegerhorst
der Luftwaffe über eine Startbahn mit
einem Anti Skid-Belag verfügte, kam
es sehr häufig - vor allem bei nasser
Piste - zu einem seitlichen Verlassen
oder Überschießen der Runway. In
den meisten Fällen führte dies auch zu
20
einem Bruch des Bugfahrwerkes.
Ein tödlicher Fehler - der häufig bei
der Landung gemacht wurde - war,
das Luftfahrzeug zu langsam werden zu lassen. Wurde es zu langsam,
hatte man nicht genug Schub, um zu
beschleunigen oder durchzustarten.
Durch den vorhandenen Schub konnte der erhöhte Widerstand durch die
Flugzeugzelle nicht mehr ausgeglichen werden, wodurch sich dann die
Sinkrate erhöhte. Am Steuerknüppel
zu ziehen und die Flugzeugnase anzuheben verschlimmerte die Sache nur
noch.
Auf Grund der geringen Startleistung benötigte die F-84F, selbst bei
der Benutzung langer Startbahnen,
oftmals abwerfbare Starthilfsraketen,
wenn sie in Einsatz- oder Überführungskonfiguration aufgerüstet war.
Diese Raketen hatten einen Schub von
je 450 kp. Maximal vier Raketen konnten angebracht werden. Einige Fliegerhorste, die im Rahmen von Cross
Country-Flügen angeflogen wurden,
konnten bei bestimmten Witterungsverhältnissen - vor allem im Sommer nur mit der Innenbetankung verlassen
werden.
Die F/RF-84F war der eigentliche
„Witwenmacher“. Von den erhaltenen
450 F-84F bzw. 108 RF-84F wurden
190 bzw. 37 in Unfälle verwickelt. Dabei wurden 94 bzw. 20 Luftfahrzeuge
zerstört und 35 bzw. 7 LFF getötet.
Das ergab eine Unfallrate von 5,78
und 4,98 pro 10.000 Flugstunden. Damit lagen diese beiden Waffensysteme
an der Spitze der Unfallstatistik der
Luftwaffen. Und nicht nur da. Im Rahmen des MDAP wurde dieses Luftfahrzeug auch an die Luftwaffen mehrerer
europäischer Staaten geliefert. Auch
dort war eine ähnlich hohe Unfallrate
zu verzeichnen. Diese Werte wurden
selbst mit der F-104G bei weitem nicht
erreicht und nur von der Sea Hawk der
Bundesmarine mit einer Unfallrate von
6,68 pro 10.000 Flugstunden übertroffen.
Quellenangabe:
Klaus Kropf, Jet-Geschwader im Aufbruch, VDM
Heinz Nickel, ISBN 3-86619-001-8
Hans-Werner Jarosch, Immer im Einsatz, Verlag
E.S. Mittler & Sohn GmbH, ISBN 3-8132-0837-0
Siegfried Wache, F-40 Flugzeuge der Bundeswehr,
Heft 1 Republic F-84F „Thunderstreak“,
Heft 2 Republik RF-84F „Thunderflash“
Daten F-84F Thunderstreak Jagdbomber / RF-84F Thunderflash Aufklärer
Hersteller: Republic Aviation Corporation
Beschaffte Lfz:
450/108
Einsatzzeitraum:
1956 – 1966/1958 – 1966
Gesamtflugstunden: 328.906/74.229
Abmessungen
Spannweite:
10,24 m
Länge: 13,20 m/14,48 m
Höhe:
4,57 m
Gewichte Leergewicht:
6.200 kg
Maximales Startgewicht:
11.500 kg/12.230 kg
Leistungen
Höchstgeschwindigkeit:
1.130 km/h
Dienstgipfelhöhe: 13.700 m
Triebwerk
Curtiss-Wright J 65-W.3 mit 3.275 kp Schub
Curtis-Wright J 65-W-7 mit 3.540 kp Schub (nur F-84F)
Bewaffnung F-84F: 6 x Colt Browning M3 MG’s Cal. .50 (12,7 mm)
Ungelenkte Luft-Boden Raketen 2,75“ (70 mm) FFAR
Ungelenkte Luft-Boden Raketen 5“ (127 mm) HVAR
500 lbs und 1.000 lbs Sprengbomben
750 lbs Napalm Brandbomben
Nuklearbombe MK 7 (nur JaboG 33)
Bewaffnung RF-84F: 4 x Colt Browning M3 MG’s Cal. .50 (12,7 mm)
Aufklärungsmittel: bis zu 6 Kameras mit Objektiven zwischen 6 und 36“
Ursachensuche
auf
Amerikanisch ...
von Oberstleutnant Jörg Behnke,
GenFlSichhBw
Genauer müsste es
eigentlich auf US Air
Force-Art heißen, denn
ich bin mir sicher, dass
die Unterschiede in der
Art und Weise einer
Flugunfalluntersuchung
zwischen Navy, Army,
Marines und eben der
USAF zwar nicht gravierend sind, es sie aber
doch geben wird.
Obwohl das Fliegen als solches
schon erheblich sicherer geworden
ist und uns die tendenzielle Entwicklung der Flugunfallrate optimistisch
stimmen kann, gehören Flugunfälle
leider immer noch zu unserem Alltag.
Die Militärluftfahrt stellt dabei neben
der allgemeinen, und hier speziell der
Freizeit-Fliegerei, immer noch den
Schwerpunkt. So dramatisch und leider oftmals auch tragisch das Ereignis
eines Flugunfalls aber ist, so ergeben
sich auch nach jedem einzelnen immer
wieder Fragen und Lösungsansätze.
Diese ermöglichen es uns, Gefahrenund Risikopotentiale zu lokalisieren,
abzuwägen und für die Zukunft unsere Art des Fliegens noch sicherer zu
machen.
In diesem Punkt unterscheiden wir
uns ganz und gar nicht von anderen
Luftstreitkräften dieser Welt. Ich hatte
das Vergnügen eben genau dies am
eigenen Leib zu erfahren. Zweieinhalb Jahre durfte ich als der Vertreter
der Deutschen Luftwaffe beim US Air
Force Safety Center an Unfalluntersuchungen und am aktiven Gestalten
der Flugsicherheitsarbeit der USAF teilnehmen und diese auch als offizieller
Vertreter des Safety Centers leiten.
Am Anfang stand dabei die Ausbildung. Obwohl ich mit meiner Erfahrung nach fünf Jahren FSO nun nicht
gerade zu den Neulingen auf dem
Gebiet der Flugsicherheitsarbeit gehörte, blieb mir die Absolvierung des
amerikanischen FSO-Lehrgangs nicht
erspart. Unterschiede zu unserer Ausbildung in Fürsty gab es dabei, diese
lagen aber meist nur im Detail. Zum einen natürlich in der anders gearteten
Vorschriftenlage und zum anderen in
der Ausrichtung der Schwerpunkte.
Das eigentlich Hauptmetier des Staffeloder Geschwader-FSO, die präventive
Flugsicherheitsarbeit, wurde zwar peripher immer wieder angesprochen
und behandelt, doch Schwerpunkt des
Lehrganges war, ist und bleibt die direkte Untersuchertätigkeit, die Vorbereitung auf den Einsatz als Investigation
21
Flugsicherheit
Officer.
So
gehört unter
anderem das
Training in Interviewtechniken
ebenso wie auch die
Ausbildung im Crash
Lab mit dazu. In dieser im
Süden der Kirtland AFB befindlichen Anlage sind auf einer ca. fünf km2 großen Anlage
neun original Crash Sites mit den
Originalflugzeugwracks nachgestellt
worden. Eine komplette Woche in
diesem 4-wöchigen Lehrgang ist dafür eingeplant. Für die Lehrgangsteilnehmer (LT) gilt es dabei sich erst mal
an einer Unfallstelle orientieren zu
lernen, um dann bis zur eigentlichen
Untersuchertätigkeit vorzudringen.
Die verschiedenen Unfallstellen
zeigen den LT unter anderem auch,
dass eine noch so vollkommene Technik von einem einzigen Detail, einem
einzigen winzig kleinen Ereignis zu
Fall bzw. zum Absturz gebracht werden. Die Palette reicht dabei von einer
falsch genieteten Brennkammer eines
F-86 Triebwerkes, dem nicht richtig
verschlossenen Kabinendach einer
F-15, welches sich während eines Flying Displays löste bis hin zur Original
Crash Site einer F-22.
Bei einer dieser maßstabsgerecht
ausgelegten Unfallstelle eines Flugunfalls mit T-38, die unmittelbar nach
dem Take Off nach rechts zu drehen
begann, verwies ein fehlender Sicherungsstift an den Flaps auf die Ursache. Der Auftrag an die LT klingt
banal. Lediglich „ausgestattet“ mit
wagen Zeugenaussagen sollen diese
22
Crash-Lab Kirtland AFB
mittels eines strukturierten Analysierens der Flugzeugwrackteile zur Ursache, dem den Unfall auslösenden
Moment, vordringen. Erst nach Abgabe des eigenen Untersuchungsergebnisses erhält man dann Einblick in den
offiziellen Abschlussbericht. Der berühmte „Aha-Effekt“ blieb da bei einigen nicht aus. Zusätzlich zu den neun
Unfallstellen gibt es im Crash Lab eine
ganze Galerie von einzelnen Wrackstücken aus allen Epochen. Angefangen von einer ganzen Reihe der unterschiedlichsten Flugzeugtriebwerke, bis
hin zu Propellern, Pumpen, Hydraulikleitung und vielem mehr, welche es
dem LT ermöglicht, seinen Blick fürs
Wesentliche zu schulen und ihm eine
Anleitung für das strukturierte Herangehen an einen Flugunfall zu geben.
Was versteckt sich nun hinter diesem
strukturierten Herangehen?
Als Erstes in einer jeden Untersuchung steht die Frage nach dem: Was
ist passiert. Die reine Faktensuche also.
Weder
Interpretationen
noch der Versuch einer Lösung
sind hier gefordert.
Nur Fakten! Aus eigenem Erleben weiß ich, dass
wir uns oftmals allzu schnell zu
voreiligen Schlüssen leiten lassen,
ohne uns dabei den Überblick über
alle Fakten zu gönnen. Jeder von uns
kann sich dabei erwischen. Natürlich
gehört die Befähigung zum schnellen Erfassen einer Situation, eines
Zusammenhanges zu den gewünschten Fähigkeiten unseres Berufs; ist so
letztendlich auch Ziel unserer Ausbildung, dennoch sollte dies uns aber
nicht darüber hinwegtäuschen, dass
es komplexere Szenarien geben kann,
die erst nachdem alle Fakten auf dem
Tisch liegen, Antworten aufs Geschehene finden lassen.
Speziell wenn es bei erster Betrachtung unmöglich erscheint, einen Zusammenhang zwischen diesen Fakten herzustellen, liegt es in der Natur
des Menschen, dass man dazu neigt,
Fakten passend zu biegen. Man läuft
dann Gefahr, fehlende Fakten durch
Spekulationen zu ersetzen. Im Rahmen meiner Austauschverwendung
durfte ich einen Flugunfall mit F-16
untersuchen, bei dem wir, das Untersucherteam, wochenlang davon überzeugt waren, dass der Unfall maßgeblich durch den Piloten verursacht
war. Natürlich passte nicht alles 100
%ig, aber im Wesentlichen waren
wir alle mit unserem vorläufigen Urteil zufrieden. Ich sehe noch die verdutzten Gesichter der Mitglieder des
Quelle: Google Maps
Untersuchungsteams als wir in einer
Telefonkonferenz von einem leitenden Ingenieur hören mussten, dass er
unsere Variante zu 100 % ausschließt.
Da standen plötzlich 100 % Wissen
unserem Mix aus 60 % Fakten und
40 % Spekulationen gegenüber und
unsere Sicht auf den Unfall änderte
sich schlagartig. Erst die Daten, die wir
Wochen später bekommen sollten,
überzeugten uns jedoch komplett von
unserer falschen Fährte. Nachdem nun
alle Daten beisammen waren, konnten
wir mittels einer ziemlich aufwendigen
Simulation bei der Industrie einen Zusammenhang zwischen einer bereits
bekannten Softwareabweichung und
den verschiedenen Fakten herstellen.
Plötzlich passten alle Puzzleteile.
Lessons learned ... nicht zu schnell
auf ein Ursachenfeld einschießen.
Doch zurück zum FSO Kurs. Die
angehenden FSOs lernen so, dass erst
mit Abschluss der Faktensuche, also
nach der Frage nach dem Was, die
Frage nach dem Wie erörtert werden
soll. Jetzt gilt es erstmals Zusammenhänge herzustellen. Am Ende geht es
um die Beantwortung der Frage, wie
bedeutsam sind die Fakten für die sich
darstellenden Zusammenhänge. Beim
bereits erwähnten Unfall ging die F-16
nach einem ziemlich aggressiv geflogenen Manöver Out-of-Control. Nach
Auslesen der Flugparameter musste
so die Frage geklärt werden, wie kann
das Flugzeug bei diesen Parametern
Out-of-Control gehen? Die Antwort
auf diese Frage gab uns Rätsel auf.
„Der Pilot kann es nicht gewesen
sein“, so das schon erwähnte Statement des Ingenieurs, aber da gab es
doch noch andere, kleinere Abweichungen und Fehlermeldungen. Obwohl diese separat betrachtet alle erklärbar waren, galt es jetzt mögliche
Wechselwirkung zwischen allen zu
finden. Bei den dokumentierten Parametern sei es, so das uns auf den
Boden der Tatsachen zurückholende
Statement des Ingenieurs, unmöglich in einen Out-of-Control-Zustand
zu gelangen, es sei denn, dass auch
andere im ersten Moment nicht zum
Unfall passende Unregelmäßigkeiten
vorgefunden wurden. Das führte uns
zu neuen Fragestellungen. Dem Was
und Wie folgte das Warum. Das ist
der Abschluss einer jeden Untersuchung. Fakten sind verfügbar, einzelne Zusammenhänge sind geklärt. Wir
wissen auch über die Fakten, die wir
bislang aus verschiedenen Gründen
noch entdecken müssen oder nicht
entdecken können.
Die Philosophie verfolgt also
What we know?
What we need to know?
What we believe to know?
Mit anderen Worten: Wir wissen
was wir wissen, was wir noch wissen
müssen und was wir nicht genau wissen, aber glauben zu wissen. Diese Unterteilung verleiht dem Puzzle, welches
sich einem Untersucher unmittelbar
nach einem Unfall bietet, eine gewisse
Systematik. Es ordnet und klärt uns
über das Wahre und Spekulative auf.
Zusammenhänge sind in sich geklärt
und erklärt. Lücken in der Beweiskette
wurden mit Erklärungsmodellen gestopft. Jetzt gilt es alles zusammenzufügen, alle Zusammenhänge und
Fakten zu verknüpfen. Erst dann kann
die Geschichte des Flugunfalls richtig
geschrieben werden.
Oft beginnt an dieser Stelle der Teil
der Untersuchung, welcher den Beteiligten einiges abverlangt. In den mitunter auch sehr hart und kontrovers
geführten Diskussionen wird versucht,
die Ursache für den Unfall genau zu
definieren. Die Diskussion nach dem
Warum bringt uns Stück für Stück ans
Eigentliche, das den Flugunfall verursachenden Moment.
In der Ausbildung wird dabei die
Five Why´s Philosophie gelehrt. Das
heißt nichts anderes als dass man davon ausgeht, dass in der Betrachtung
das fünfmalige Hinterfragen eines
Umstands mit Warum? zur Ursache
führt. Und das funktioniert!
Das Flugzeug drehte sich plötzlich
um die Längsachse!
Warum?
Das Querruder war abgerissen!
Warum?
Der Verriegelungsbolzen war gebrochen!
Warum?
Der Bolzen war fehlerhaft installiert!
Warum?
Das dazugehörige Verfahren in der
Vorschrift ist missdeutend!
Warum?
Das Verfahren wurde einfach ohne
eingehende Prüfung festgelegt!
BINGO!!!
Ohne die Antwort auf das fünfte Warum, so die Philosophie, findet
man nicht zur eigentlichen Ursache,
d. h. der Fehler könnte und wird noch
einmal passieren. In mehreren und
sehr verschiedenartigen Unfalluntersuchungen habe ich feststellen können,
dass diese sehr simple anmutende Art
der Konsequenz in der Fragestellung,
die wahren Hintergründe für den Unfall offen legt.
Ursachen werden dabei auch als
ein Komplex verstanden.
A cause is a deficiency, which if
corrected, eliminated, or avoided,
would likely have prevented or
mitigated the mishap damage or
significant injury.
So wird als Ursache einerseits natürlich die Abweichung definiert, die
zu dem Unfall und dessen Auswirkung
geführt hat. Andererseits wird aber
nicht nur das abgerissene Querruder
ursächlich für den Unfall verantwortlich gemacht, sondern eben auch die
fehlenden Prüfvorgaben. Die Ursache
wird in mehreren Ebenen gesucht.
Zum einen natürlich in der Abweichung selbst, aber zum anderen auch
23
Flugsicherheit
in dem Umstand, dass mit dieser schon
bekannten Abweichung bislang nicht
offensiv genug umgegangen wurde.
Es wird die Frage nach dem „Warum
hat sich die Abweichung zu einer Ursache entwickeln können“ zugelassen. Warum hat dieses bislang keiner
bemerkt?
Und genau das hinterfragt Verantwortlichkeiten. Nur um das an dieser
Stelle noch mal zu vergegenwärtigen.
Es geht auch in der amerikanischen
Flugunfalluntersuchung nur darum,
aus einem Unfall Maßnahmen abzuleiten, die eine Wiederholung dieses
Unfalls unmöglich machen.
Wenn jedoch Missstände bekannt
waren, deren Korrektur aus unterschiedlichen Beweggründen heraus
verzögert oder überhaupt nicht durchgeführt wurde, dann gilt es diese Beweggründe im Rahmen einer Flugunfalluntersuchung auf ihre Plausibilität
und Verantwortlichkeit hin zu bewerten. Mitunter sind dann diese Verantwortlichkeiten auch an Funktionen
oder gar an konkrete Personen gebunden, so dass diese dann wiederum
auch ursächlich für den Unfall werden. Dabei ist natürlich Sorgfalt geboten. Deshalb werden die angehenden
FSO‘s ziemlich eindringlich auf diese
Sensibilität in der Ursachenfindung
hingewiesen.
Do not list a party as causal for
not taking action unless they reasonably should have been expected to take such action, but did
not.
Mit anderen Worten: Nur derjenige
kann für einen Umstand ursächlich verantwortlich gemacht werden, der um
den Misstand wusste und sich auch
bewusst war, dass er für das Abstellen
oder Bewerten dieses Misstandes verantwortlich war. Dabei, und auch das
wird ziemlich eindringlich erklärt, ist
die eigentliche Person nur von untergeordnetem Interesse. Entscheidend
ist deren Funktion.
24
„Ich kann doch meinen Boss nicht
als Verursacher benennen“ ... fast
schon verzweifelt klang die Stimme
des Untersuchungsführers. Dabei war
es doch ein ganz normaler Vorgang,
der hier ablief. Was war geschehen?
Ein Fehler im Design führte in regelmäßigen Abständen zu Problemen mit
einem Triebwerktyp. Dieser Fehler war
bekannt und führte, da das entsprechende Luftfahrzeug mit mehr als nur
dem einen Triebwerk bestückt war,
nicht zu einer, sagen wir mal, dramatischen Situation für die Luftfahrzeugbesatzung. Notfallpläne in Form
von Checklisten waren vorhanden.
Die besagte Procedure gehörte zum
Standard im Simulator und viele LFB‘s
verfügten zudem auch über entsprechende Live-Erfahrungen im Umgang
mit dieser Triebwerksanomalie. Jeder
kannte diesen speziellen Fall. Aber es
gab da eben auch gewisse Sachzwänge, die die bereits oft geforderte und
notwendige Designänderung nicht
mit der notwendigen Priorität ausstatten ließ. Auch rückte eine Änderung,
je betagter das entsprechende Luftfahrzeug wurde, umso weiter in die
Ferne. Das Risiko selbst schrie sozusagen danach, kalkulierbar zu sein. Die
böse Überraschung war scheinbar berechenbar geworden, man konnte fast
vorhersagen, wann es wieder passieren
musste. Die Zwischenfälle im Einzelnen
unterschieden sich nur in kleineren
Nuancen. Oftmals konzentrierten sich
diese auch nur auf den Zeitraum vom
Erfassen der Abweichung bis hin zur
Abarbeitung der Checkliste. Das birgt
natürlich auch die Gefahr, dass sich
dann auch die Ursachenforschung
langsam und stetig vom eigentlichen,
dem Designfehler zu den Follow-on,
den Nachfolgefehlern, wegbewegt.
In der Tat gab es auch diese Tendenz.
Doch die auch in der Gegenprobe
konsequent angewandte Five Whys
Methode bewahrt jeden Untersucher
davor sich in seiner Untersuchung zu
verzetteln. So wurde auch sehr beharrlich und ausdauernd immer wieder bei
dieser Art von Zwischenfällen sowohl
der Designfehler selbst, wie auch der
Fakt, dass trotzdem das Luftfahrzeug
zum Flugbetrieb freigegeben wurde
(und dass damit die Abweichung defacto akzeptiert wurde) als Hauptursache definiert. Und obwohl die Ausdauer in diesem konkreten Beispiel
leider nicht zu gravierenden Änderungen führte, hielt diese die Diskussion am Leben, wurden Verantwortliche
immer wieder zur Auseinandersetzung
damit gezwungen.
Ursachenfindung hat somit auch
etwas motivierendes, etwas anregendes.
Und das bezieht sich nicht nur auf
die Untersuchung von Flugunfällen.
Zurückgekehrt ins Haus GenFlSichhBw muss ich in der Durchsicht
der Zwischenfallbericht oftmals feststellen, dass eine Vermischung von Ereignis, Ursache und Maßnahmen stattfindet. So wird teilweise das Ereignis
zur Ursache oder aber auch werden
Maßnahmen nur unvollständig definiert oder gar missverstanden. Nicht
die erfolgreiche Durchführung eines
Nachprüffluges ist die geforderte Maßnahme. Die Anordnung des Fluges an
sich ist es. Auch ist nicht der Defekt
im Schalter die Ursache. Denn das alleinige Zeigen auf das defekte Bauteil
beantwortet uns noch nicht die Frage
nach dem Warum ist der Schalter defekt.
Um nicht falsch verstanden zu werden. Es ist mir schon bewusst, dass die
Möglichkeiten einer Untersuchung im
Verband limitiert sind, aber ... und genau dazu möchte ich anregen ... Suche
nach Ursachen und deren Bewertung
bedürfen eines gewissenhaften und
systematisch strukturierten Herangehens.
Denn auch bei uns gilt: Je tiefgründiger, schlüssiger und genauer Ursachen für Flugunfälle und Zwischenfälle
definiert sind, desto plausibler erscheinen die daraus abgeleiteten Maßnahmen ... und letztendlich zählt nur das.
Learning
the
hard
way
Während des ILS Anfluges auf den
Flugplatz Bordeaux - Merignac fiel in
einer Höhe von 2.130 ft zunächst, für
die Besatzung völlig überraschend,
das linke Triebwerk aus. Ohne jegliche Vorwarnung blieb das Triebwerk
plötzlich stehen. Die Besatzung reagierte, brachte die linke Luftschraube in Segelstellung und erhöhte die
Drehzahl des rechten, noch intakten
Triebwerks. Nur 35 Sekunden später fiel, für die Besatzung wiederum
überraschend, in einer Höhe von nunmehr 1.670 ft zusätzlich das rechte
Triebwerk aus. Der Bordmechaniker
versuchte sofort, das rechte Triebwerk
wieder anzulassen. Dieses lief zwar an,
fiel aber nach versuchter Leistungserhöhung erneut aus. Im Verlauf der
Ereignisse erkannte der VLF, dass die
Landebahn mit zwei stehenden Triebwerken nicht mehr erreicht werden
konnte. Geistesgegenwärtig nahm
er wegen der dichten Bebauung im
Anflugsektor Kurs auf ein freies Feld.
Dies schien ihm für eine Notlandung
geeignet. Mehrere quer zur Anflugrichtung verlaufende Hochspannungsleitungen erschwerten dann auch
noch den letzten Teil des Flugweges.
Um die Beschreibung dieses Flugunfalls zu komplettieren, sei erwähnt,
dass der Gasturbinengenerator (GTG)
noch aktiviert wurde, dieser dann aber
auch nach 17 Sekunden ausfiel.
Man braucht Luft zum Fliegen,
im Kraftstoffsystem jedoch nicht!
Bild aus der Flugunfallakte
von Oberstleutnant Jörg Behnke,
GenFlSichhBw
Am 2. Juli 1988 musste
ein C-160 „Transall“ bei
Bordeaux auf einem
freien Feld notlanden.
Das Luftfahrzeug setze
dabei auf einer Uferböschung auf und zer-
brach in mehrere Teile.
Die 6-köpfige Besatzung
konnte verletzt geborgen werden. Passagiere
befanden sich glücklicherweise nicht an Bord.
Soweit die Kurzmeldung!
Was war passiert?
Der Rest der Geschichte ist schnell
erzählt. Die Transall schlug auf eine
Uferböschung. Fast die gesamte linke
Seite der C-160 wurde abgerissen. Das
Rumpfvorderteil mit Cockpit brach ab
und kam mit dem Rest des Rumpfes
nach ca. 60 m zum Liegen. Wie bereits erwähnt, konnte die gesamte Besatzung zwar mit unterschiedlichem
Verletzungsgrad, aber glücklicherweise lebend geborgen werden.
Was war passiert? Was hatte dazu
geführt, dass beide Triebwerke einschließlich des GTG plötzlich stehen
blieben?
25
Flugsicherheit
Die Antwort darauf fiel bei erster
Betrachtung kurz und bündig aus:
Unmittelbare Ursache der Triebwerksausfälle war Kraftstoffmangel.
Kraftstoffmangel und das, obwohl
im Wrack noch ein Kraftstoffvorrat
von 1.430 kg vorgefunden wurde, der
noch für eine Flugzeit von ca. einer
Stunde ausgereicht hätte.
Zur besseren Erklärung möchte ich Ihnen einen kleinen Exkurs in
das Kraftstoffversorgungssystem der
Transall anbieten.
Für die Versorgung der beiden
Triebwerke und des GTG ist eine gemeinsame Kraftstoffversorgungsanlage verantwortlich. Die insgesamt vier
in den Tragflügeln eingebauten Tanks
(zwei in jedem Tragflügel) werden in
zwei Gruppen, A und B, unterteilt.
Beide Versorgungsgruppen sind über
Versorgungsleitungen
miteinander
verbunden. Jeweils eine Abzweigung
dieser Leitungen führt auch zum GTG.
Damit ist die Versorgung sowohl eines
jeden Triebwerkes wie auch des GTG
aus jeder einzelnen Behältergruppe
konstruktiv geregelt. In den jeweiligen Versorgungsleitungen befinden
sich zudem Absperrventile, die vom
Besatzungsraum mechanisch betätigt
werden können. Jeder der vier Tanks
ist mit zwei elektrischen Pumpen
ausgestattet. Eine Pumpe wird dabei
vom Generator 1 (linkes Triebwerk),
die andere vom Generator 2 (rechtes
Triebwerk) versorgt. Alle acht Pumpen können aber auch über das GTG
versorgt werden. Somit ist im eigentlichen Sinne eine dreifache Redundanz
in der Kraftstoffentnahme aus dem jeweiligen Tank realisiert.
Nun werden aber die Pumpen entsprechend der Entleerungsreihenfolge
ein- bzw. ausgeschaltet. Ab 1.800 kg
Kraftstoffmenge je B-Behälter, so das
Flughandbuch, wird grundsätzlich der
26
Kraftstoff aus den Behältern A entnommen. Dafür werden die A-Pumpen eingeschaltet und die B-Pumpen
ausgeschaltet. Beim Start der Unfall Transall waren aber noch ca. 2.000 kg
Kraftstoff in den B-Behältern vorhanden. Für diesen Fall empfiehlt das Flughandbuch, zuerst solange Kraftstoff
aus den B-Behältern zu entnehmen,
bis 1.800 kg je Behälter angezeigt
werden. Folgerichtig schaltete der
Bordmechaniker der Transall zunächst
die B-Pumpen ein. Danach hätte aber
ein Umschalten auf die A-Pumpen und
Abschalten der B-Pumpen erfolgen
müssen. Im Verlaufe der Untersuchung
wurde festgestellt, dass die B-Pumpen
eingeschaltet blieben und diese selbst
noch nach der völligen Entleerung der
B-Tanks arbeiteten. Die A-Pumpe war
ausgeschaltet. Die A-Behältergruppe
wurde somit nur über die B-Pumpe
bzw. nach dem Fallstromprinzip entleert. Erst nachdem beide Triebwerke
standen, im Verlaufe des Wiederanlassversuches, wurde dann vermutlich
diese Schalterstellung, leider viel zu
spät, verändert.
An dieser Stelle muss noch erwähnt
werden, dass Behälter A und B, wie
bereits beschrieben, untereinander
verbunden sind. Diese Behälterzusammenführung erfolgt aber ca. 20 cm
oberhalb des eigentlichen Behälterbodens. So wurde es möglich, dass, nach
der Entleerung des Behälters B und der
Entleerung des Behälters A, bis zu diesem Füllstand von ca. 20 cm (entspricht
einer Kraftstoffmenge von 700 kg
je Behälter) kein Kraftstoff über die
Verbindungsleitung aus Behälter A in
B zuströmen konnte. Einfach gesagt:
Dadurch wurde es ermöglicht, dass
die B-Pumpen Luft zogen und keinen
Kraftstoff mehr förderten.
In einer im Rahmen der Flugunfalluntersuchung durchgeführten Simulation konnte diese Ereigniskette des Unfalls exakt nachgestellt werden. Damit
wurde der Nachweis erbracht, dass ein
wie beim Flugunfall herbeigeführter
Betankungszustand unwillkürlich zum
Ausfall zunächst des linken, dann des
rechten Triebwerks und letztendlich
auch zum Ausfall des GTG führen
musste. Die Frage nach dem „Warum
der BordMech diesen Betankungszustand herbeiführte und im Verlauf
des Fluges missachtete“, führte im
Weiteren zur Überprüfung der Vorschriften und Ausbildungsunterlagen.
Dabei wurde festgestellt, dass falsche
Darstellungen und Ungenauigkeiten
in den Vorschriften die Gefahr einer
solchen Fehlschaltung nicht deutlich
genug herausstellten. Der Fakt, dass
unter gewissen technischen Gegebenheiten die Fallstromversorgung nicht
mehr ausreicht um die Kraftstoffversorgung aufrecht zu halten, fand in
den Vorschriften ebenso wie der Fakt,
dass bei eingeschalteten Pumpen der
Tankgruppe mit Restkraftstoff ein
Triebwerkausfall infolge Lufteinbruch
über die leeren Tanks in das Kraftstoffsystem erfolgen kann, nicht den
richtigen Stellenwert.
In dieser Konsequenz brachte der
Flugunfall die traurige Erkenntnis, dass
die gesamte Redundanz in der Kraftstoffversorgung des Luftfahrzeuges
nur mittels einer fehlerhaft eingeschalteten Pumpe aufgehoben werden
konnte. Traurig deshalb, weil erst der
Unfall diesen konstruktiv bedingten
Mangel offenbarte.
Neben der als Ursache für diesen
Flugunfall verantwortlich gemachten
Fehlhandlung durch die Luftfahrzeugbesatzung, verweist GenFlSichhBw in
seiner Festlegung der beitragenden
Ursachen auch auf diesen konstruktiven Mangel.
Die Erkenntnis, dass, wenn die
elektrischen Behälterpumpen der
A-Gruppe ausgefallen oder ausgeschaltet sind, Triebwerkausfälle bei
leerem B-Behälter trotz eines noch
vorhandenen Kraftstoffvorrats in den
A-Behältern von 700 kg möglich und
wahrscheinlich werden, galt es in die
Vorschriften und Ausbildungsunterlagen zu integrieren.
So wird zum einen seit diesem Flugunfall in der GAF T.O. 1C-160-1 (Seite
1-5-1) die Kraftstoffanlage der C-160
mit dem folgenden Zusatz beschrieben:
... Die Triebwerke und das Hilfsaggregat können auch nach dem Fallstromprinzip mit Kraftstoff versorgt
werden, ohne dass die entsprechenden
Behälterpumpen eingeschaltet werden müssen, solange bestimmte
Kraftstoffmengen noch nicht unterschritten sind ...
Zum anderen wird dieser Unfall im
Rahmen der BT/BTO Ausbildung mit
dem Ziel, die Kraftstoffversorgung der
Transall in ihrer Wirkungsweise zu verstehen, genau durchgesprochen und
analysiert. Daneben gilt es aber auch
die zukünftigen BT/BTO’s für bislang
noch nicht erkannte Zusammenhänge
in technischen Abläufen zu sensibilisieren. Vergessen wir nicht, der Unfall
passierte im Jahr 1988. Die Transall
befand sich bereits seit 20 Jahren im
Flugbetrieb. Wir hatten jede Menge
Erfahrung. Wir hatten „vermeintlich“ alles schon gesehen und erlebt.
Überraschen konnte uns nichts mehr.
Dennoch war es aber einem Schwachpunkt in der Schnittstelle „Mensch –
Maschine“ möglich über 20 Jahren
unerkannt zu bleiben.
Die große „Lesson learned“ aus
dem Beschäftigen mit diesem Unfall
im Rahmen der Ausbildung muss demnach heißen: Wir müssen uns offen
und wach halten; wir müssen uns unsere Agilität im Denken erhalten, die
es uns ermöglicht, auch mal außerhalb
der bisherigen Gedankenstrukturen zu
denken.
Ab und zu mal den Beobachtungspunkt wechseln, die Fähigkeit zu ha-
Bild aus der Flugunfallakte
ben, sich auch mal aus dem eigenen
Bezugssystem geistig herauszubewegen, Arbeits- oder Verfahrensabläufe
aus einer anderen Perspektive heraus
zu hinterfragen, hilft Schwachpunkte
zu lokalisieren, Maßnahmen zu ergreifen, Risiken kalkulierbarer zu machen
und letztendlich auf das „Learning
the hard way“ verzichten zu können.
27
Flugsicherheit
Lessons
learned
Unfallort
Trümmerfeld
Höhenunterschied
Unfallort - Trümmerfeld: 400 Meter
Bild aus der Flugunfallakte
28
Lehren der Schweizer
Luftwaffe aus dem
Tornado Unfall
von Oberstleutnant Jörg Behnke,
GenFlSichhBw
„Neue Methoden der
Flugunfalluntersuchung“, so lautete das
Motto des diesjährigen
Meetings des Air Force
Flight Safety Committee
Europe/AFFSC(E) in Krakau/Polen. Traditionell
wurde in dessen Verlauf
jedem Vertreter einer
europäischen Luftwaffe
die Möglichkeit eingeräumt, in einem kurzen
Briefing das eigene Unfallgeschehen und auch,
gemäß dem Thema,
Einblicke in neue, interessante Facetten einer
Flugunfalluntersuchung
darzustellen. Als Vertreter der Deutschen Luftwaffe nutze ich dieses
Forum, um Erfahrungen
aus dem Flugunfall in
der Schweiz speziell in
Bezug auf die Internationalität der Untersuchung zu erörtern.
Dass ich mich dabei mit dem ebenfalls anwesenden Oberst Jürg Kobert,
Chef Flugsicherheit in der Schweizer
Luftwaffe im Vorfeld abstimmte, versteht sich von selbst. So hatten wir
vereinbart, dass Oberst Kobert im Anschluss an mein Briefing den offiziellen
Standpunkt der Schweizer Luftwaffe in
einem kurzen Statement präsentieren
würde. Dabei beeindruckte nicht nur
mich, sondern auch die Vertreter aller
europäischer Luftwaffen, die Art und
Weise, wie die Schweizer mit diesem
tragischen Flugunfall, bezogen auf
ihre Arbeit und ihre Verantwortung,
umgehen und welche Lehren sie aus
diesem Unfall für die eigene Arbeit gezogen haben.
Oberst Kobert begann sein Statement indem er zunächst über Vorraussetzungen für das Fliegen im
Hochgebirge referierte. Eine gute
Basisausbildung, sowie ein sehr wohl
nach dem Prinzip vom Einfachen zum
Schwierigen strukturiertes „Step by
Step“-Training betrachten die Schweizer dabei als Minimalforderung. Kenntnisse über Geographie, Topographie
und Wetter sind ebenso wie Informationen über im Flugverlauf liegende
Hindernisse und das Aufzeigen von
Konfliktstellen mit anderen Luftraumnutzern (insbesondere Hängegleiter
und Segelflugzeuge) unbedingt notwendig. Sehr selbstkritisch schätzte er
dabei ein, dass sich vor dem TornadoFlugunfall in diesem Punkt die Schweizer Luftwaffe ihrer eigenen Verantwortung zu wenig bewusst war. Im
Prinzip wurde lediglich der Luftraum
„Hochgebirge“ zur Verfügung gestellt. Die gegebenen Hinweise reduzierten sich auf „Macht keinen Lärm!
Fliegt nicht zu tief und achtet auf die
anderen Luftraumnutzer!“ Erfahrungs- oder Ausbildungsstand, speziell auf das Fliegen im Hochgebirge bezogen, wurde von keinem hinterfragt
oder gar eingefordert.
Folgende Lehren hat die Schweizer
Luftwaffe aus dem Unfall gezogen. So
wurde ziemlich zügig die Forderung
nach einer Betreuung der nach VFR
im Gebirge fliegenden ausländischen
Militärluftfahrzeugbesatzungen umgesetzt. Diese Flüge müssen nunmehr
speziell bewilligt und von der Schweizer Luftwaffe betreut werden. Der
dann mit der Betreuung beauftragte Pilot erteilt der Gastbesatzung ein
Briefing über die Besonderheiten des
Fliegens im Hochgebirge, begleitet die
Flugplanung und übernimmt je nach
Situation sogar die Aufgabe als Supervisor für die Flüge.
An die Vertreter aller europäischen
Luftwaffen gerichtet, schlussfolgerte
Oberst Kobert wortwörtlich: “Wir haben aus dem „Cavalese“-Unglück, bei
dem am 3.2.1998 eine „PROWLER“ der
US Navy das Seil einer Seilbahn kappte
und damit 20 Menschen in den Tod
stürzte, nichts gelernt.“ Im Gegensatz
zu damals konnte der tragische Flugunfall mit dem Tornado passieren,
obwohl die deutsche Besatzung ihren
Auftrag „Navigationsflug im Gebirge“
unter Einhaltung der Vorschriften und
Bestimmungen für das Fliegen in der
Schweiz durchführte.
Alle Vertreter der europäischen Luftstreitkräfte waren nach diesem Briefing einstimmig der Meinung, dass die
Art, wie hier zwei Luftwaffen gemeinsam an der Aufklärung eines Flugunfall gearbeitet haben, als beispielhaft
bezeichnet werden kann. Die gemeinsam aus diesem Unfall abgeleiteten
Empfehlungen wurden aufgenommen
und auch offiziell protokolliert:
Flying in unfamiliar areas:
As a result of a German Tornado
crash in Switzerland there were
concerns about the crew’s experience and training for flights in
mountainous terrain and the responsibilities of the host nation to
provide advice and guidance. The
Swiss delegate recommended that
flights by foreign crews in severe/
unfamiliar terrain should require
specific host nation approval. The
host nation should provide briefings and nominate an experienced
pilot as a point of contact.
Er empfahl allen Nationen sich der
Verantwortung bewusst zu sein, die
sie für die Luftfahrzeugbesatzung und
für die eigene Bevölkerung übernehmen, wenn Luftraum zur Verfügung
gestellt wird. Briefing, Supervision und
eine auf den jeweiligen Ausbildungsund Erfahrungsstand abgestimmte Betreuung müssen hierbei als Bestandteil
der durch die Luftstreitkräfte zu erbringenden hoheitlichen Aufgaben verstanden werden. Insbesondere in dem
für viele Luftfahrzeugbesatzungen ungewohnten Erlebnis, dem Fliegen im
Hochgebirge, beschleunigt Unkenntnis die Überforderung der Piloten und
kann bei ungünstiger Konstellation
leider zu fatalen Fehlern führen.
29
Flugsicherheit
Touch-and-skid
There are no new types of air crashes only people with short memories. Every accident has its own forerunners …
Stephen Barlay, „The Final Call“, 1991
von LtCol Paul Sutherland,
GenFlSichhBw
In der letzten Ausgabe
der Zeitschrift Flugsicherheit (3/2008) berichteten wir von zwei
bemerkenswert ähnlichen „Touch-and-go“Bauchlandungen, die
sich innerhalb weniger
Monate während
des letzten Jahres ereigneten. Der erste
Zwischenfall war ein
Luftwaffen-Tornado in
Deutschland, der zweite
ein Flugunfall der USAF
mit einer F-16 in Gila
Bend, Arizona.
In beiden Vorfällen wurde der
„Touch“-Teil vom „Touch-and-go“ ereignislos durchgeführt. Nach dem Aufsetzen jedoch verlief der „Go”-Teil verhängnisvoll schief, weil beide Piloten
vor dem Erhöhen der Triebwerksleistung den Fahrwerkhebel auf „Einfahren“ stellten. Ohne genügenden Schub
zum Fliegen, setzten beide Flugzeuge
wieder auf der Landebahn auf und
rutschten bis zum Halten entlang
der selbigen. Zum Glück erlitt keine
der Besatzungen Verletzungen. Aber
wie konnte sich ein scheinbar routi30
Bild vom FSO aus Nörvenich
nemäßiger „Touch-and-go“ in einen
„Touch-and-skid“ verwandeln?
Der Beitrag zu diesem Thema in
der vorhergehenden Ausgabe konzentrierte sich auf den Vorfall mit
dem Tornado; in dieser Fortsetzung
beleuchten wir das Vorkommnis der
USAF ein bisschen ausführlicher.
Obgleich die F-16 überwiegend als
einsitziges Kampfflugzeug (F-16C) geflogen wird, war das betroffene Luftfahrzeug eine Trainerversion (F-16D
oder „D-Model“) mit zwei Besatzungsmitgliedern an Bord, vergleichbar mit
einem Tornado. Auch ähnlich dem
Tornadoereignis waren beide F-16
Piloten als erfahren einzuschätzen jeder mit über 1.000 Flugstunden auf
diesem Flugzeugtyp. Anders als beim
Tornadovorfall jedoch flog der „Mishap-Pilot (MP)“ (der zum Zeitpunkt
des Vorkommnisses steuerführende
Pilot) vom Rücksitz. Das vordere Cockpit war auch mit einem Fluglehrer be-
setzt („Mishap Instructor Pilot”, oder
„MIP”). Der Flug diente der weiteren
Qualifikation des MP auf dem Rücksitz.
Hier ein Auszug aus der Stellungnahme des „Investigation Board President“ der USAF:
“I believe multiple human factors, to include procedural error,
limited recent experience/proficiency, instrumentation and sensory feedback systems, visibility
restrictions, distraction, fatigue,
and channelized attention caused
cognitive task oversaturation,
leading the MP to move the gear
handle out of sequence for a touch
and go approach.”
Hervorzuheben ist, dass als erster
Faktor in der Ursachenreihe „Procedural Error“ genannt wird und als letzter
Faktor „Cognitive Task Oversaturation“. Wie im deutschen Tornadoereignis kann offenbar der unmittelbar
direkt verursachende Fehler des Zwischenfalls als Procedural Error eingestuft werden. Aber diese Einstufung
beschreibt nur den Fehler und den
Unfall, es erklärt ihn nicht. Mit welchen Mitteln kann verhindert werden,
dass sich dieses Vorkommnis wiederholt?
Wir müssen tiefer graben, um die
„Gründe für die Ursache“ zu finden.
In der Terminologie des USAF-Berichts stellen dies die „Beitragenden
Faktoren“ dar. In diesem Vorfall
führte die oben zitierte Liste der beitragenden menschlichen Faktoren, zu
einer kognitiven Aufgabenübersättigung. Mit großer Wahrscheinlichkeit
konnte keiner dieser Faktoren, ähnlich
dem Tornadozwischenfall, für sich alleine zur Katastrophe geführt haben;
aber zusammen kombiniert war der
schleichende, zunehmende, kumulative Effekt gefährlich. Ich glaube, dass,
nachdem die Ansammlung verschiedener Faktoren zugelassen wurde, es
wahrscheinlich zu spät zum Eingreifen
war. „Die Kette der Ereignisse war
nicht mehr zu brechen.“ Die beste Zeit
zum Eingreifen ist bevor die Faktoren
eine Möglichkeit haben, ihre Kräfte zu
bündeln.
Die flugpsychologische Methode,
die man in dieser Untersuchung der
USAF verwendete, wird HFACS genannt (Human Factors Analysis and
Classification System). Eine kurze Betrachtung einiger der HFACS Definitionen, durch die dieser Unfall gekennzeichnet ist, kann uns behilflich sein,
die gleichen Bedrohungen zu erkennen, die in unserem täglichen Flugbetrieb auftauchen. Mit dem Wissen
um die Erkennungsmerkmale sind wir
hoffentlich besser vorbereitet, eine
sich gefährlich entwickelnde Situation
zu identifizieren. Somit kann frühzeitig in den Ablauf eingegriffen werden,
um eine Aufgabenübersättigung und
einen Verfahrensfehler zu vermeiden.
Limited Recent Experience/Proficiency
Definition: Limited Recent Experience is a factor when the supervisor
selects an individual who’s experience
for either a specific maneuver, event
or scenario is not sufficiently current to
permit safe mission execution.
Definition: Proficiency is a factor
when an individual is not proficient in
a task, mission or event.
Dieser Faktor zeigt die größte Ähnlichkeit zwischen dem Tornado- und
F-16-Vorkommnis. Der MP der F-16
hatte nur 7 Flüge (13 Flugstunden) in
den vorangegangenen 90 Tagen und
17 Flüge (33 Flugstunden) über einen
Zeitraum von 6 Monaten geflogen,
- 12.5 Flugstunden davon bei Überführungsflügen (d. h. keine Trainingsmöglichkeiten für taktische Anteile).
Keine seiner vorhergehenden 1.100
Flugstunden in der F-16 waren vom
Rücksitz eines D-Modells geflogen
worden. Andere Unterbrechungen
in seiner Kontinuität umfassten die
Schließung seines vorhergehenden
und das Umziehen zum neuen Stützpunkt, das Kaufen eines und Umziehen in ein neues Haus und die Geburt
eines Babys.
Instrumentation and Sensory Feedback
Systems/Visibility Restrictions
Dieser beitragende Faktor bezieht
sich auf die herausfordernden Schwierigkeiten bei der Landung einer F-16
(oder irgendeines Kampfjets) vom
Rücksitz.
Distraction/Checklist interference
Definition: Distraction is a factor
when the individual has an interruption of attention and/or inappropriate
redirection of attention by an environmental cue or mental process that degrades performance.
Definition: Checklist Interference is
a factor when an individual is performing a highly automated/learned
task and is distracted by anther cue/
event that results in the interruption
and subsequent failure to complete
the original task or results in skipping
steps in the original task.
Der MP, wie alle F-16 Piloten, fliegt
mit einer tief verwurzelten „Einsitzermentalität“, d. h. es ist ungewöhnlich,
dass während des Fluges innerhalb des
Cockpits gesprochen wird. In den wenigen Sekunden zwischen dem Aufsetzen und dem vorzeitigen Bewegen
des Fahrwerkshebels beim „Touchand-go“ wechselte der MIP, im vorderen Sitz, einige Worte mit dem MP.
Unwesentliche Kommunikation während einer kritischen Phase des Fluges
kann zur Ablenkung von automatisierten Gewohnheitsmustern führen.
Fatigue - Physiological/Mental
Definition: Fatigue - Physiological/
Mental is a factor when the individual’s
diminished physical or mental capability is due to an inadequate recovery,
as a result of restricted or shortened
sleep or physical or mental activity
during prolonged wakefulness. Fatigue may additionally be described as
acute, cumulative or chronic.
Der MP wurde kumulativ, körperlich
und geistig ermüdet/strapaziert. In der
zurückliegenden Zeit hatte er verschiedene, ihn beeinflussende Gescheh-
nisse wie zum Beispiel Schlafunterbrechungen (neues Baby), schwer kranke
Familienmitglieder, das Umziehen in
eine neue Stadt, das Kaufen eines und
Umziehen in ein neues Haus, etc ... etc
... zu verarbeiten.
Channelized Attention
Definition: Channelized Attention is
a factor when the individual is focusing all conscious attention on a limited number of environmental cues to
the exclusion of others of a subjectively
equal or higher or more immediate
priority, leading to an unsafe situation.
May be described as a tight focus of
attention that leads to the exclusion
of comprehensive situational information.
In vorhergehenden weiterführenden Ausbildungsflügen hatte der MP
Schwierigkeiten Rücksitzlandungen zu
lernen. Eins seiner größten Probleme
war das Beibehalten der Landerichtung während des Endanfluges und
Ausrollens. Der MP berichtete, dass
er sich übermäßig auf die Korrektur
dieses Problems konzentrierte, und
somit seine Aufmerksamkeit auf die
Routineverfahrensschritte vernachlässigte.
Cognitive Task Oversaturation
Definition: Cognitive Task Oversaturation is a factor when the quantity of
information an individual must process
exceeds their cognitive or mental resources in the amount of time available to process the information.
Abschließend möchte ich festhalten, dass die beiden Vorfälle auffallende Ähnlichkeiten im Ablauf der Ereignisse haben, obwohl im Speziellen
die Ablenkungen und Aufgabensättigungsfaktoren nicht identisch waren.
Letztendlich war das Ergebnis das
Gleiche - ein flüchtiger Geisteskurzschluss (Verfahrensschritte in umgekehrte Reihenfolge durchzuführen).
Dieser hatte teure, aber zum Glück
keine tödlichen Konsequenzen. Es ist
31
Flugsicherheit
unendlich schwierig, wirkungsvolle
vorbeugende Empfehlungen zur Vermeidung unbeabsichtigter, flüchtiger
menschlichen Fehler auszusprechen.
- Ein neues Checkliste-Verfahren? Die
vorhandenen Checklisten und die
Verfahren sind bereits gut erarbeitet und auf Zuverlässigkeit geprüft.
- Mehr Training, Intensivieren der
Ausbildung? Die betroffenen Piloten hatten bereits Tausende
von „Touch-and-goes“, „Low approaches“ und korrekten (Fahrwerk
ausgefahren!) Landungen (mit einer
100 % -Erfolgsrate) durchgeführt.
Ich bin davon überzeugt, dass ein
umfassendes Verständnis der beitragenden menschlichen Faktoren und
die Fähigkeit, ihre Symptome zu erkennen, entscheidend sind, um sie im
Einzelnen zu beseitigen, bevor sie ein
störendes, unterbrechendes Niveau erreichen. Dies bedeutet, diese Faktoren
nicht nur bei unseren Besatzungsmitgliedern oder Unterstellten zu erkennen, sondern auch bei uns selbst.
- Wie sieht eine Ablenkung/Checklist
Interference aus?
- Wie sieht Ermüdung/Stress aus
(dieses ist nicht immer so einfach,
wie es scheint)?
- Wie sieht fixierte Aufmerksamkeit
und Aufgabenübersättigung aus?
- Wie klingen sie? Riechen sie? Wie
fühlen sie sich an?
Oft wird bei GenFlSichhBw über
das Thema Erfahrungsaustausch, Bewusstseinsförderung und „spreading
the word“ gesprochen. Je mehr wir
über solche Vorkommnisse sprechen
und von ihnen lernen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir bei eigenen Ereignisabläufen eine sich gefährlich entwickelnde Situation erkennen
und sie beeinflussen können, bevor sie
katastrophale Auswirkungen hat. Das
bedeutet, die Untersuchungsberichte
gelten als möglicherweise wirkungsvolle Präventivmaßnahme. Aus diesem
Grund steht in der Abschließenden
Stellungnahme von GenFlSichhBw bei
der Tornado-Bauchlandung als letzter
Punkt unter:
- „Massnahmen zur Zwischenfallverhütung“:
Dieser Zwischenfallbericht ist für die
Aus- und Weiterbildung besonders
geeignet.
Es könnte am Jahr 2008 liegen,
dass weitere fliegende Besatzungen
den Versuch unternahmen, Flugzeuge
ohne ausgefahrenes Fahrwerk zu landen, so geschehen mit einem EUROFIGHTER der RAF im April , im Mai mit
einer E-9 Widget der USAF und im Oktober mit einer russischen Boeing 737.
Nur Zufall? Ich gehe davon aus, denn
eine wissenschaftliche Erklärung hierfür gibt es nicht, zumal noch nicht alle
Untersuchungen abgeschlossen sind..
Mein Fazit: Seien Sie vorsichtig und
auf der Hut, denn jeder dieser betroffenen Piloten meinte, ihm könne das
NIE passieren.
Seien Sie bitte nicht der Nächste!!!
Wir verabschieden ...
Oberstleutnant Uwe Goldbeck hat die Abteilung GenFlichhBw verlassen
und ist seit dem 01.10.2008 nach Koblenz zum BWB als Flugsicherheitsstabsoffizier versetzt. 1982 trat er in die Bundeswehr ein und durchlief die normale Ausbildung zum Strahlflugzeugführer. Im November 1985 lernte er in
der SchStff JaboG 49 das Waffensystem A-Jet kennen, im September 1986
erfolgte die Umschulung auf Tornado in Cottesmore. Ab dem 03.11.1986
war er zum JaboG 31 „B“ nach Nörvenich versetzt, seiner „Stammeinheit“.
Die Waffenschulung Tornado begann im Dezember 1986. Das Thema Flugsicherheit hat Oberstleutnant Goldbeck seit Beginn seiner fliegerischen Laufbahn interessiert. Im Jahre 1988 durchlief er seinen FSO-Grundlehrgang,
zusätzlich erwarb er 1989 die FLB-Berechtigung. Für vier Jahre war er in
Nörvenich Leiter der Ausbildungsgruppe, von 1994 an sorgte er als Flugsicherheitsstabsoffizier für die Flugsicherheit im Geschwader. Es folgte im
Dezember 2001 die Versetzung zum Luftwaffenamt. Hier war er u. a. in verschiedenen Flugunfalluntersuchungen als Vorsitzender tätig. Immer hilfsbereit
und offen für unterschiedlichste Argumente und Standpunkte, hat er sich den
Problemen und Sorgen, die dem Hause zugetragen wurden, gestellt. Vielen
Dank für die geleistete Arbeit und alles Gute in der neuen Verwendung.
32
Flugsicherheit
Ausgabe 4 / 2008
Heft 4 Dezember 2008 - 45. Jahrgang
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Flugsicherheit
Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände
Titelfoto: Guido Sonnenberg
on www.schaltwerk.de
„Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung
für fliegende Verbände der Bundeswehr
Herausgeber:
Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr
Redaktion:
Hauptmann Klemens Löb,
Tel.: 02203- 9083124
Luftwaffenkaserne 501/07
Postfach 906110
51127 Köln
[email protected]
[email protected]
Gestaltung:
Hauptmann Klemens Löb
GenFlSichhBw
Erscheinen:
dreimonatlich
Manuskripteinsendungen
sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt
die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers
dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden
sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind
daher möglich und erwünscht.
Druck:
SZ Offsetdruck-Verlag Herbert W. Schallowetz GmbH
53757 Sankt Augustin
Editorial 1
Luftraum F
2
Fliegersonnenbrillen
6
Punktlandung
10
Ist die Air Force bereit für eine Fehlerkultur?
12
Bravo - gut gemacht!
15
Die Erstausstattung
16
Ursachensuche auf Amerikanisch ...
21
Learning the hard way
25
Lessons learned
28
Touch and skid
30
Personalien
32
Flugsicherheit
Ausgabe 4 / 2008
Foto Guido Sonnenberg • Bildbearbeitung www.schaltwerk.eu
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