Ausgabe 4 / 2009 Fachliche Mitteilungen für fliegende

Transcription

Ausgabe 4 / 2009 Fachliche Mitteilungen für fliegende
Flugsicherheit
Ausgabe 4 / 2009
Foto Guido Sonnenberg • Bildbearbeitung www.schaltwerk.eu
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Bundeswehr
Flugsicherheit
Ausgabe 4 / 2009
Heft 4 Dezember 2009 - 46. Jahrgang
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
In this issue:
Flugsicherheit
written by LtCol Paul Sutherland, German Armed Forces Flight Safety Directorate
„Learning the hard way“, Oberstleutnant (Lt Col) Heribert Mennen, Bundeswehr Flight Safety Center
The deadly history of aviation accidents in the VFR, low-level, high-speed military flight regime teach us that the axiom “See and
Be Seen” alone cannot be trusted to guarantee flight safety. The demands of the high-speed, low-level flight environment can
often overwhelm an aircrews’ perception and reaction skills. Additional technology and avionic aids, from the ground or onboard,
can be used to improve flight safety. An F-104 case study from 1970.
Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände
“A Safety-Pin provides safety ... until it is removed!” (Ein Sicherungsstift gibt Sicherheit...), Hauptmann Uwe König
While performing routine maintenance, a young mechanic removes a landing-gear safety-pin because it is painfully poking him
in the back. As the work progresses and hydraulic power is about to be applied, an experienced and alert supervisor notices the
missing safety-pin and intervenes before the gear retracts and crushes the young mechanic. A lesson in common-sense basics, and
sticking to the work cards!
Titelfoto: Guido Sonnenberg
Bildbearbeitung www.schaltwerk.de
„Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung
für fliegende Verbände der Bundeswehr
Herausgeber:
Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr
Redaktion:
Hauptmann Klemens Löb,
Tel.: 02203- 9083124
Luftwaffenkaserne 501/07
Postfach 906110
51127 Köln
[email protected]
[email protected]
Gestaltung:
Hauptmann Klemens Löb
GenFlSichhBw
Erscheinen:
dreimonatlich
Manuskripteinsendungen
sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt
die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers
dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden
sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind
daher möglich und erwünscht.
Druck:
Heimbüchel & Köllen corporate publishing GbR
10117 Berlin
International Military Flight Safety Conference in India, October 2009 („Indien”), Oberstleutnant (Lt Col) Jörg Behnke,
Bundeswehr Flight Safety Center
Editorial 1
Learning the hard way ...
2
Ein Sicherheitsstift gibt Sicherheit
6
Das schwierige Thema „Maßnahmen“
7
Bravo - gut gemacht!
9
Internationale Flight Safety Conference Indien
10
Fachtagung Flugsicherheit 2009
11
Sycamore
12
Hauptmann M.
19
Who‘s in charge?
22
Sprechen Sie mit mir?
28
Nachtrag Gesamtrettungssysteme
31
Personalien
32
In this issue ...
33
“Preventive Measures” (“Maßnahmen ...”), Oberstleutnant (Lt Col) Jörg Behnke, Bundeswehr Flight Safety Center
The very first page of the governing regulation clearly requires: “The primary Flight Safety duty is to undertake all necessary
measures to prevent aircraft accidents and incidents.” In reality, however, “incident” recommendations and preventive measures
rarely receive the same scrutiny as those of major accidents. Investing more diligent effort in incident investigation and preventive
recommendations could boost our safety culture immensely.
“Well Done!”, (“Bravo – gut gemacht!“), Sergeant Manuel Almoslöchner
An attentive Sergeant, performing a 50-hour inspection on the engine of Bo-105 helicopter, notices a flaw on an adjacent steering
component of the aircraft (even though it was not a part of the engine‘s periodic Tech-Order inspection). His further investigation
of that flaw uncovers an even more dangerously developing mechanical discrepancy that could have led to potentially catastrophic
consequences. Diligence, initiative and a conscientious attitude lead to prevention.
“German Armed Forces Flight Safety Conference”, (“Fachtagung Flugsicherheit“), Mr. Piotter and Lt Col Schewe (retired)
Two civilian flight safety representatives of „Cockpit“, the union of professional pilots in Germany, attended the German Armed
Forces Annual Flight Safety Conference in September, 2009. They presented briefings and exchanged valuable experiences and
lessons-learned with their military counterparts. They share their assessment of the value of the conference.
„The Sycamore“, („Die Sycamore”), Karl-Heinz Weiss, Chief Master Sergeant (retired)
The history of the Search-and-Rescue (SAR) mission in the German Air Force and Navy begins with the venerable Bristol 171 Mk-52
“Sycamore” helicopter. From its first successful rescue in August of 1959, until its retirement in May 1969, the sturdy and reliable
Sycamore conducted over 2500 SAR operations.
“Captain M.: The quite different FOD story...”, Oberstleutnant (Lt Col) Jörg Behnke, Bundeswehr Flight Safety Center
An East German pilot unwittingly brings a little guest along with him into the cockpit for a scramble alert launch. A test of the old
“Maintain aircraft control” principle ensues.
“Who’s in Charge?”, Karl-Heinz Weiss, Chief Master Sergeant (retired)
The answer: nobody was in charge of the Fiat G91 trainer jet as it flew into Austrian airspace and crashed on April 7th, 1971. The
pilot, canopy and ejection seat had already left the aircraft and returned to mother earth in the vicinity of Munich. But organizational leadership had also failed to take charge and provide adequate flying continuity to a pilot heavily over-burdened by far too
many additional duties and not enough hours in the day to maintain proficiency in all of them.
“You talking to me?” (“Sprechen Sie mit mir?“), Gibbs and Schmidt
Lack of communication (including required work documentation) between two maintenance shifts results in the crash of a commuter aircraft and the deaths of all onboard. Communication skills are a key CRM training objective, and communication errors
(such as „selective perception“ – when the receiver only hears/sees what he wants to hear/see based on his own needs, experience, motivations, etc...) can be deadly! Feedback is crucial to ensuring that the accurate meaning of the message has gotten
through as it was intended.
Editorial
Was wir verlieren, wenn wir alles
offenbaren
Erster Absatz mit freundlicher Genehmigung
von Bestsellerautor Ulrich Wickert
Eine der letzten Bastionen des Privaten fiel mit dem Abschied von der Telefonzelle. Zugegeben – Telefonzellen
rochen muffig und waren meist
schmuddelig, aber sie waren Fluchtorte. Wenn man die Glastür schloss,
blieb die Welt draußen und das Gesagte geheim. Das ist vorbei. Man
flirtet, streitet, flucht, lügt und palavert
öffentlich. Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen beschwert
sich in seinem Essay „I just called to say
I love you“ darüber, dass wir im gesamten öffentlichen Raum inzwischen
mit Menschen konfrontiert sind, die
ihre Gefühle in Mobiltelefone rufen,
so laut, dass es unmöglich ist, sie zu
überhören. „Kollege – wie recht Sie
haben.“ „Schatzi, ich hab‘ dich lieb“ –
auf dem Flughafen, im ICE, in der SBahn. Und mal ehrlich: Der, dem es
mit solch einem Satz ernst ist, würde
doch zumindest versuchen, ihn leise
auszusprechen. Oder noch unangenehmer: Man wird Ohrenzeuge, wie
der Nebenmann seinem Urologen die
delikatesten Beschwerden schildert.
Auf schüchternen Protest erntet man
verständnislose Blicke. Diskretion war
gestern – Wohnzimmer ist überall. Dabei stört mich vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der diese Leute ihre
Empfindungen über mein Wohlbefinden stellen. Denn Privatsphäre bedeutet ja nicht allein, mein Privatleben vor
anderen Leuten zu verbergen. Es bedeutet auch, nicht in anderer Leute Privatleben hineingezogen zu werden. ...
Beim Lesen des ausgezeichneten
Beitrages, den ich an dieser Stelle unterbrechen möchte, fand ich direkt
eine gedankliche Brücke zur Bundeswehr und zur Flugsicherheit. Zum
einen ist ein so „offenes“ Verhalten
unter Kameraden im Dienstbetrieb mit
bestimmten Dienstangelegenheiten
wünschenswert. Wie oft habe ich mich
bei Zwischenfall- und Unfalluntersuchungen gefragt: Warum wusste
niemand von dem Entstehen der Situation, dem Fehlverhalten über einen
längeren Zeitraum, dem fragwürdigen
Management, der Unzufriedenheit bestimmter Personengruppen etc. Wenn
es den Menschen leicht fällt, so offen
über private Dinge zu sprechen, warum funktioniert dies nicht immer bei
Arbeiten und Abläufen, die Kommunikation erfordern bzw. voraussetzen.
Mit einer positiven Einstellung und
offenen Augen aktiv am Flugdienst
teilnehmen, das bedeutet ebenfalls
bei erkannten kritischen Momenten
mitteilsam zu sein. Zum anderen „belästige“ ich mit dem Gespräch meine Mitmenschen und Vorgesetzten,
die mit dem Wissen um den Sachstand ebenfalls im Boot sitzen, somit
auch Verantwortung zu übernehmen
haben.
Denken Sie mal darüber nach.
Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Leider ist es uns nicht gelungen,
dieses flugunfallfrei abzuschließen.
Trotzdem möchte ich mich bei Ihnen
für die erbrachte Flugsicherheitsarbeit
der vergangenen Monate bedanken,
da ich bei den Flugsicherheitsinspizierungen und Informationsbesuchen
gesehen habe, was an Positivem geleistet wurde.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein schönes, besinnliches und erholsames Weihnachtsfest sowie einen
guten Start ins neue Jahr.
In Vertretung
Ahrens
Oberst
1
Flugsicherheit
Learning the hard way:
von Oberstleutnant Heribert Mennen,
GenFlSichhBw
Erfahrungen aus Flugunfällen in der Vergangenheit zeigen, dass im
Sichtflugbetrieb und
hier insbesondere bei
Tiefflügen von schnell
fliegenden militärischen
Kampfflugzeugen
das Prinzip „Sehen und
gesehen werden“ alleine einen Flugunfall
nicht unter allen Umständen verhindern
kann, da der Mensch in
seiner Wahrnehmungsund Reaktionsfähigkeit
oftmals überfordert ist.
Die Flugsicherheit kann
nur durch zusätzliche
technische Hilfe am
Boden und/oder im Luftfahrzeug gewährleistet
werden.
2
Diese war und ist jedoch nicht immer in der notwendigen Ausprägung
vorhanden. Besonders in den Anfangsjahren der Bundeswehr hielt der
Ausbau von Infrastruktur und Organisation nicht Schritt mit den Möglichkeiten von neu eingeführten, komplexen Waffensystemen wie zum Beispiel
F-104G.
Aufgrund der Vielzahl der fliegenden
Waffensysteme, die zu Hochzeiten des
Ost-West-Konflikts insbesondere den
unteren Luftraum der Bundesrepublik
Deutschland saturierten, wäre dies je-
doch unbedingt erforderlich gewesen.
Die vorhandenen Mängel und Lücken
im System mussten teuer bezahlt werden, der Blutzoll beim Fliegenden Personal – und teilweise auch in der Zivilbevölkerung – war leider hoch.
An einen für die betroffenen Verbandsangehörigen besonders tragischen Fall wird nachfolgend erinnert.
Im Frühjahr 1970 stießen die beiden
Rottenführer zweier unabhängig voneinander operierenden Rotten F-104G
aus der gleichen Staffel 16 NM südlich
360°
Auftrag
Beide Rotten hatten den Auftrag,
einen Radarnavigationsflug durchzuführen. Die Luftfahrzeugführer (LFF)
mussten dabei mit Hilfe des Bordradars eine Flugroute im niedrigen Höhenband ohne jegliche Bodensicht
befliegen. Hierzu wurden eigens angefertigte „Radar Prediction Charts“
(Radarvorhersagekarten) benutzt. Diese Flüge waren nur zulässig in doppelsitzigen TF-104G (ein LFF beobachtet
dabei den Luftraum) oder in einsitzen
F-104G, wenn diese von einem Sicherheitsbeobachter in einem zweiten
Luftfahrzeug begleitet wurden.
Aufgrund der Wetterlage am Unfalltag mussten IFR-VFR-IFR-Flüge
durchgeführt werden, da Abflugverfahren und Rückkehr zum Platz nur
unter IMC geflogen werden konnte.
Der Radarnavigationsflug sollte 1.000
Fuß über der geschlossenen Wolkendecke durchgeführt werden (VFR-Teil
des Flugplans).
Flugverlauf
Flugvorbereitung, Start und Flug
verliefen bei beiden Rotten zunächst
wie geplant, sieht man von einer fünfminütigen Startverzögerung bei der
Rotte mit dem Rufzeichen GATE 26
ab. Die andere Rotte nutzte das Rufzeichen GATE 55. Der Start erfolgte
um 13.25 bzw. 13.40 Uhr Ortszeit.
Nach dem Erreichen von VMC
schlossen die Rotten in 1.000 Fuß
über den Wolken den ersten IFR-Teil
und setzten den Radarnavigationsflug
unter VFR fort.
Ehe GATE 26 gegen 14.26 Uhr Ortszeit den letzten Wendepunkt erreichte,
nahm der Rottenführer Kontakt mit
der Bezirkskontrollstelle (Area Control
Center,
ACC) auf
und holte die Erlaubnis ein, den IFRTeil für den Anflug am
Heimatplatz mit dem örtlichen
GCA durchzuführen. Danach drehte
er nach links, um einen nördlichen
Kurs Richtung Heimatplatz einzunehmen, reduzierte die Geschwindigkeit
auf 280 Knoten und nahm Kontakt zu
GCA auf. Die Flughöhe betrug 5.500
Fuß MSL. Der bis zu diesem Zeitpunkt
für die Luftraumbeobachtung zuständige Rottenflieger flog ca. 150 Fuß,
30 Grad nach links versetzt und war
im Begriff, auf den Rottenführer aufzuschließen, um beim Eintauchen in
die Wolken in Position zu sein. Der
Flugweg führte die Rotte ca. 1 km
östlich von einem Wendepunkt vorbei, den die andere Rotte (GATE 55)
aus Nordwesten kommend zur gleichen Zeit anflog.
Diese hatte ihren Radarnavigationsflug zur Hälfte durchgeführt und
näherte sich dem Unfallort mit einer
Geschwindigkeit von ca. 450 Knoten.
GATE 55 hatte die Geschwaderfrequenz (Kanal 13) aufgeschaltet. Der
als Sicherheitsbeobachter fungierende
Rottenflieger flog in einer Position ca.
500 Fuß nach rechts hinten versetzt.
GATE 26 wurde vom GCA des Heimatflugplatzes um 14.27:50 Uhr Ortszeit in einer Entfernung von 17 NM
identifiziert. 15 Sekunden später kam
von GCA die Warnung: „Traffic 1 NM
dead ahead“. Der Rottenführer schaute sofort von den Instrumenten hoch
und sah unmittelbar vor sich etwas
nach links versetzt eine F-104 auf sich
zukommen. Er zog am Steuerknüp-
X
14
4°
Bild von der PIZ LwA
des Heimatplatzes in ca. 5.000 Fuß MSL
zusammen. Ein Luftfahrzeugführer
wurde getötet, während sich der andere mit dem Schleudersitz retten
konnte.
Beide Luftfahrzeuge wurden zerstört; dabei entstand Umweltschaden.
pel, aber gleich darauf kam es zum
Zusammenstoß. Es gab einen starken
Schlag und er wurde im Cockpit hin
und her geschleudert. Beim zweiten
Versuch glückte ihm die Betätigung
des Schleudersitzes. Er landete leicht
verletzt in einem Wald unweit der Absturzstelle seines Luftfahrzeuges.
Der andere Luftfahrzeugführer
(GATE 55 A) wurde beim Zusammenstoß tödlich verletzt. Beide Luftfahrzeuge explodierten in der Luft.
3
Feststellungen
Der Unfall ereignete sich bei guter
Sicht.
Im Abschlussbericht werden folgende Gründe genannt, warum keiner
der vier beteiligten Luftfahrzeugführer
die Gefahr eines Zusammenstoßes
rechtzeitig erkannte:
1.Die Luftfahrzeuge befanden sich
fast auf Gegenkurs, die Silhouetten
waren daher sehr klein und die Bewegung der entgegenkommenden
Flugzeuge war für den jeweiligen
Beobachter kaum wahrnehmbar.
2.Die Annäherungsgeschwindigkeit
lag im Überschallbereich und es
stand daher selbst bei frühzeitigem
Erkennen kaum Zeit für ein Ausweichmanöver zur Verfügung.
3.Der Rottenführer GATE 55 konzentrierte sich auftragsgemäß auf sein
Radargerät und nicht auf die Luftraumbeobachtung.
4.Der Rottenflieger GATE 55 war
durch die in etwa 2-Uhr-Position
stehende Sonne in der Sicht behindert und konzentrierte außerdem
seine Aufmerksamkeit auf den Luftraum links vom Flugzeug, weil er
nach Passieren des Wendepunktes
laut Flugplan eine Kurve in diese
Richtung erwartete.
5.Der Rottenführer GATE 26 hatte
zwar nach Kontaktaufnahme mit
GCA die Beobachtung des Luftraumes verantwortlich übernommen, musste sich aber zusätzlich
auf seine Instrumente konzentrieren, da das radargeführte Durchstoßverfahren im Blindflug unmittelbar bevorstand.
6.Der Rottenflieger GATE 26 konnte
sich in den entscheidenden Minuten vor dem Zusammenstoß nicht
auf die Beobachtung des Luftraumes konzentrieren, weil er seinen Formationsabstand vor dem
zu erwartenden Eintauchen in die
Wolken zum engen Verbandsflug
verringern musste.
Obwohl nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall stehend
4
Bild aus der Flugunfallakte
Flugsicherheit
war es den Untersuchern unverständlich, dass zwei Rotten aus einer Staffel
etwa zur gleichen Zeit sich mehrfach
kreuzende Flugstrecken beflogen.
Dieses deutlich erkennbare Flugsicherheitsrisiko müsste sich ihrer Meinung
nach auf Verbandsebene durch Koordinierung des Einsatzes ausschalten
lassen. Bei der Untersuchung des Unfalls wurde ferner festgestellt, dass
das am Heimatplatz zur Verfügung
stehende Rundsuchradargerät ASR-P
lediglich bedingt einsatzbereit war.
Die Originalanlage des Verbandes
einschließlich IFF (letzteres war seit
Februar 1969 defekt) war im August
1969 zu einer routinemäßigen Industrieüberholung abgebaut worden. Mit
Wiederinbetriebnahme wurde für Anfang April 1970 gerechnet.
Für die Dauer der Überholungsarbeiten an der eigenen Anlage hatte
der Verband eine Kreislaufanlage mit
einem Behelfsbetriebswagen erhalten.
Da bei einer Flugvermessung im August
1969 teilweise zur Erfassung des Flugzeuges höher als vorgesehen geflogen
werden musste, die Zielleuchtstärke
vielfach auf ein Minimum zurückging
und die geforderte Mindestreichweite
von 40 NM nicht erzielt wurde, war
die Anlage mit der Klassifizierung „LIMITED“ freigegeben worden.
Eine sichere Radarerfassung und
Führung der Luftfahrzeuge in Flughöhen um 5.000 Fuß MSL war, begrenzt
durch die Leistung des Senders, erst
in Entfernungen zwischen 15 und 20
NM möglich. Im Süden des Platzes,
im Wesentlichen zwischen den Radialen 170 und 225, wurden durch Geländeerhebungen sogenannte „Blind
Spot Areas“ hervorgerufen, welche
die Radarführung erschwerten oder
unterbrachen. Die Möglichkeit, Luftfahrzeuge auch in diesen „Primärradarecho-Blindgebieten“ durch Sekundärradarantworten sichtbar zu
machen, war nicht gegeben, weil die
Kreislaufanlage nicht mit IFF/SIF ausgerüstet war.
Der Abschlußbericht besagt, dass
der Unfall bei Vorhandensein eines
voll einsatzfähigen Radargerätes mit
IFF/SIF-Teil und bordseitig eingeschalteten IFF/SIF-Geräten vermutlich hätte
vermieden werden können.
Ursachenfestlegung
Durch den „Inspizienten Flugsicherheit in der Bundeswehr“ wurden im
Abschlussbericht folgende Ursachen
in ihrer zeitlichen Reihenfolge festgelegt:
1. Faktor: Umwelt – Flugplatz – Infrastruktur
Die Radaranlage des Flugplatzes
XXX weist Blindgebiete auf. Ein
betriebsklares IFF/SIF-Abfragegerät
war nicht vorhanden.
2. Faktor: Personal – Luftfahrzeugführer
Die beteiligten Luftfahrzeugführer
haben die entgegenkommende
Rotte nicht rechtzeitig gesehen.
Unter der Rubrik „Hinweise, Empfehlungen, Forderungen“ wurde ausgeführt:
1.Es wird darauf hingewiesen, dass
- die Ausrüstung aller Bundeswehrplätze mit einem IFF/SIF-Abfragegerät nicht vor 1972 abgeschlossen sein wird und dieser Termin
nicht beschleunigt werden kann,
da das vorgesehene Gerät Typ
1990 sich noch in der Erprobung
befindet. Lt. Schreiben InFüDst,
Az 41-15-10 vom 13.02.1970,
sind zzt. auf 8 Jet-Einsatzplätzen
keine SIF-Geräte vorhanden;
- neun Monate vor dem Unfall das
IFF-Abfragegerät der GCA-Anlage XXX unklar wurde und es
nicht möglich war, in einem Zeitraum von sechs Monaten, d. h. bis
zur Abgabe des gesamten Radargerätes zur Überholung, das für
die Reparatur benötigte Ersatzteil zu beschaffen.
2.Es wird gefordert, dass
- das Befliegen mehrerer sich
kreuzender vorgeplanter Radarstrecken in gleicher Flughöhe zur
ungefähr gleichen Zeit durch die
geschwaderinterne Einsatzplanung ausgeschlossen wird;
- ausgefallene IFF/SIF-Abfragegeräte und GCA-Anlagen vorrangig
mit Ersatzteilen versorgt werden.
Es ist im Sinne der Flugsicherheit
nicht vertretbar, wenn ein vorhandenes IFF-Abfragegerät über
den Zeitraum von einem halben
Jahr wegen fehlender Ersatzteile
nicht genutzt werden kann;
Bild aus der Flugunfallakte
- die Flugplätze bei Abgabe von
Radargeräten zur Überholung
mit einem gleichwertigen Ersatzgerät ausgestattet werden;
- bei Neubeschaffung von Radaranlagen Kreislaufgeräte zum
Austausch mit eingeplant werden.
Soweit zum offiziellen Untersuchungsbericht und den damaligen
Folgerungen. Als Konsequenz dieses
Unfalls wurden die verbandsinternen
Tiefflugstrecken überarbeitet, um
Überschneidungen soweit wie möglich zu eliminieren.
Ferner wurde die Ausrüstung der
örtlichen Flugsicherung an den Bundeswehrplätzen verbessert, wenngleich
sich die Einführung der deutlich leistungsfähigeren Rundsuchradaranlage
ASR-910 mit integriertem IFF/SIF1910
noch bis zum Jahr 1979 hinzog. Auf
diese Anlage stützt sich die örtliche
militärische Flugsicherung der Bundeswehr auch heute noch. Inzwischen sind
deutliche, altersbedingte Verfügbarkeits- und Leistungseinschränkungen
vorhanden. Sie soll deshalb beginnend
ab 2010 durch die ersten Seriengeräte
des neuen Flugsicherungsradarsystem
ASR-S ersetzt werden.
In Bezug auf die Durchführung von
Tiefflügen gab es keine grundsätzlichen Änderungen. Vielmehr wurde
versucht, den Luftfahrzeugführern
zu verdeutlichen, dass sie für die Beobachtung des Luftraumes und zur
Vermeidung von Zusammenstößen
verantwortlich sind, wann immer die
Wetterbedingungen dies zulassen,
d.h. auch unter Radarführung.
Diese Regel ist auch heute unverändert gültig.
5
Flugsicherheit
Ein Sicherungsstift
gibt Sicherheit
wenn er an der richtigen
Stelle angebracht ist!
–
Text und Bilder von
Hauptmann Uwe König,
Technische Gruppe FlgAusbZ Lw
Stabsfeldwebel Dieter Hölzl
Eine defekte Tonnenmutter des rechten
Aufbockbeschlages
sollte am Luftfahrzeug
TORNADO gewechselt
werden. Der Mechaniker
versuchte diese Mutter
vom Hauptfahrwerkschacht aus ausfindig zu
machen, wobei er mit
seinem Rücken auf der
Hauptfahrwerk-Knickstrebe und dem dort
sitzenden Sicherungsstift lag.
Da der Sicherungsstift schmerzhaft
in seinen Rücken drückte, entfernte
der Mechaniker den Sicherungsstift,
legte ihn auf seinen Werkzeugwagen
und fuhr mit seiner Arbeit auf der ungesicherten Knickstrebe fort.
Das Luftfahrzeug war nicht aufgebockt, da das Anbringen des Auf6
bockbeschlages wegen der defekten
Tonnenmutter nicht möglich war. Der
gezogene Sicherungsstift ist in diesem
Zustand unbedenklich, weil das Gewicht des Luftfahrzeuges auf dem
Fahrwerk ruht und ein Einknicken des
Fahrwerkes nur gegen dieses Gewicht
erfolgen kann.
Nachdem festgestellt wurde, dass
die Tonnenmutter so nicht zu erreichen war, wurde der Fachbereich Hydraulik angewiesen, den Hauptfahrwerk-Betätigungszylinder und dessen
Arbeitsleitungen auszubauen.
Das hat auf die Stabilität des Luftfahrzeuges keine Auswirkung, da das
Fahrwerk von der Knickstrebe gehalten wird.
Zum Ausbau des Betätigungszylinders wird die Kolbenstange vom
Fahrwerk-Federbein getrennt und
eingefahren. Dazu wurde das Ventilsteuergerät an das HauptfahrwerkUmsteuerventil angeschlossen und auf
„Einfahren“ gestellt. Nun sollte Hydraulik-Druck aufgebaut werden, um die
Kolbenstange einzufahren.
Das Hauptfahrwerk-Umsteuerventil
steuert jedoch nicht nur den Hauptfahrwerk-Betätigungszylinder, sondern
unter anderem auch den Knickstrebenbetätigungszylinder, der vom Siche-
rungsstift gehalten wird, um ein Einknicken der Knickstrebe zu verhindern.
Das Versäumnis des Mechanikers,
den Sicherungsstift wieder in die
Knickstrebe zu stecken, hätte in diesem
Augenblick zum Einknicken des Hauptfahrwerks geführt und der Mechaniker wäre unter dem Gewicht des Luftfahrzeuges eingeklemmt worden.
Der zufällig in diesem Moment
anwesende Mechanikermeister des
Fachbereiches Hydraulik erkannte die
drohende Gefahr und unterbrach sofort das unmittelbar bevorstehende
Anlegen des Hydraulikdruckes.
Ein nachträgliches Aufarbeiten dieser Situation zeigte auf, dass ein großer
Teil der zumeist jüngeren Mechaniker
irrtümlich glaubte, das Hauptfahrwerk
könne am Boden unter der Last des
Luftfahrzeuges nicht eingefahren werden.
Es erfolgte eine Unterrichtung aller
Mechaniker über die Zusammenhänge am Hauptfahrwerk bezogen auf
die Wirkungsweise beim Fahren des
Hauptfahrwerk-Betätigungszylinders
mittels Ventilsteuergerät und die Gefährdungen durch nicht korrekt angebrachte Sicherungsstifte in diesem
Bereich.
Das schwierige Thema
„Maßnahmen“
oder wie gehen wir mit Zwischenfällen um?
von Oberstleutnant Jörg Behnke,
GenFlSichhBw
Eine gute Flugsicherheitsarbeit … was ist
das überhaupt?
Schon auf der ersten
Seite unserer Vorschrift,
der 19/6, wird unmittelbar erklärt:
Flugsicherheitsarbeit
soll alle Maßnahmen zur
Verhütung von Unfällen
und Zwischenfällen mit
Luftfahrzeugen am
Boden und in der Luft
umfassen. Dabei werden
die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten, Gefahren von der
Öffentlichkeit fernzuhalten und personelle
und materielle Ressourcen der Bundeswehr zu
erhalten als Ziele formuliert.
Flugsicherheitsarbeit hat also zwei
Funktionen. Zum einen geht es um die
Erhöhung der Sicherheit und zum
anderen um den Erhalt unserer Res-
sourcen. Direkt im nächsten Unterpunkt verweist die Vorschrift auf die
Notwendigkeit, dass Vorkommnisse,
die zur Beeinträchtigung der Flugsicherheit geführt haben oder hätten
führen können, gemeldet, analysiert
und bewertet werden müssen. Das
ist die Grundlage für eine präventive
Flugsicherheitsarbeit. Der Umgang mit
unseren Zwischenfällen und Unfällen
oder möglichen Gefahrenpotenzialen
ist also das grundlegende Instrument
der Flugsicherheitsarbeit. Grundlegend
in dem Sinne, dass dies zum einen in
einer modernen Flight Safety Culture
eben nur ein Instrument in einem
großen und weit aus breit gefächerten
Kanon von Möglichkeiten, die Flugsicherheit zu erhöhen, darstellt. Zum
anderen grundlegend, weil es aber
immer noch am unmittelbarsten den
Flugbetrieb beeinflusst. Maßnahmen
wirken immer noch am schnellsten.
Sie packen das erkannte Problem am
direktesten an.
Doch wo stehen wir mit unserer gelebten Philosophie der Maßnahmenfestlegung?
Wir müssen sicherlich zwischen den
Ergebnissen einer Flugunfalluntersuchung, bei der eine Reihe von Experten mitwirken, und einer reinen Zwischenfalluntersuchung, bei welcher
der FSO Einzelkämpfer ist, unterscheiden. Doch in der Mehrheit der Zwischenfallberichte kommen wir noch
nicht einmal andeutungsweise an die
das Problem packenden Maßnahmen
heran. Wie oft liest man:
Das defekte Bauteil wurde gewechselt. Nach beanstandungsloser Funktionsüberprüfung am Boden und in der
Luft wurde das Luftfahrzeug wieder
zum Flugbetrieb freigegeben. Das Personal wurde belehrt.
Was sagt uns das? Da wurde ein
Defekt gefunden. Dieser wurde durch
Wechsel des betroffenen Bauteils eliminiert, ohne dabei auf die eigentliche
Ursache für den Ausfall einzugehen …
und dass das Luftfahrzeug wieder
einsatzfähig gemacht wurde setze
ich voraus. Ebenso, dass das Personal
über diesen Zwischenfall in Kenntnis
gesetzt wurde, sehe ich mehr als Bestandteil einer Flugsicherheitskultur
eines Verbandes als dass es eine extra
„Maßnahme“ wert sein sollte!
Im Wissen, dass ich es in meinen ersten Jahren als FSO genauso formuliert
habe, stelle ich dennoch die Frage:
Hilft uns eine Maßnahme dieser Art
weiter?
Maßnahmen, international als Recommendations oder Empfehlungen
bezeichnet, setzen immer eine erkannte Ursache für eine Störung im
Ablauf des Flugbetriebes voraus. Diese
Störung gilt es zu lokalisieren und in
ihren Ursachen aufzuklären. Der bloße
Verweis auf einen Defekt beschreibt
nur den Zustand und ist demnach zu
wenig. Festgelegte Maßnahmen sind
umso einfacher umsetzbar, je besser
die Ursache analysiert und argumentativ aufgearbeitet wurde. Es ist deshalb
sozusagen Pflicht, Ursachen verständ7
Flugsicherheit
lich an den Mann zu bringen. Denn
Ursachen, die in ihrer Eindeutigkeit
und vielleicht auch manchmal in ihrer
Formulierung nicht den eigentlichen
Sinn transportieren können, werden
sich eher negativ als konstruktiv auf
den Flugbetrieb auswirken.
Gleiches gilt für die geforderten
oder auch empfohlenen Maßnahmen.
Eine Maßnahme ist nicht nur eine
reine Festlegung, sie ist eine Verpflichtung. Dabei wirkt sie auf drei Ebenen:
Erstens: Die Maßnahme muss natürlich ihrer institutionellen Pflicht Genüge tun. Laut ZDV 19/6 ist diese das
Ergebnis der Untersuchungsarbeit.
Konsequenzen für eine Unfallverhütungsarbeit muss aus dieser direkt ableitbar sein.
Zweitens: Mit einer Maßnahme ist
auch eine gewisse moralische Verpflichtung verbunden. Der Dienstherr
ist seinen Unterstellten gegenüber verpflichtet Bedingungen zu schaffen, die
einen sicheren Flugbetrieb gewährleisten. Auch ist er aus seiner per Gesetz auferlegten Pflicht aufgefordert,
diese permanent zu kontrollieren, zu
bewerten und der Lage anzupassen.
Operational Risk Management ist in
diesem Sinne daher keine neuzeitliche
Erfindung und schon gar keine GoodWill-Aktion, sondern Pflicht und moralische Verpflichtung eines jeden, der
für die Organisation und Durchführung des Flugbetriebs verantwortlich
zeichnet. Die moralische Verpflichtung wirkt dabei in zwei Richtungen.
Einerseits von oben nach unten, indem
für den Flugbetrieb Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine
sichere Flugdurchführung gewährleisten. Andererseits aber auch von unten nach oben, indem alle, die in den
Flugbetrieb eingebunden sind, ihren
Vorgesetzten gegenüber moralisch
(und auch per Vorschrift) verpflichtet
sind, Mängel und Missstände, die die
Flugsicherheit gefährden können, zu
melden. Insofern reduziert sich die
Maßnahme nicht nur auf einen auf
der letzten Seite eines Unfallberichtes
8
aufgeführten Unterpunkt. Maßnahmen umfassen alle den Flugbetrieb in
seiner Form abändernde Inputs, die
helfen, die auf die Flugsicherheit wirkenden negativen Elemente zu lokalisieren und zu neutralisieren.
Drittens: Ich sehe da allerdings auch
noch eine (und ich weiß um die Umstrittenheit dieses Begriffs, nutze ihn
aber dennoch) Ehrenkodex-Komponente. Die Sicherheit des Flugbetriebes
geht uns alle an, muss uns allen zur
Herzenssache werden. Daher ist es
nach einer vorgefundenen Störung im
Flugbetrieb die getroffene Maßnahme,
die uns alle in unserem Drang nach einer höchstmöglichsten Flugsicherheit
wichtig erscheinen sollte.
Doch wie können wir das umsetzen?
Maßnahmen sind dann am einfachsten umsetzbar, wenn diese für
den Beteiligten direkt nachvollziehbar,
messbar und sowohl für den Einzelnen
wie auch für die Allgemeinheit in ihrem
Feedback spürbar werden. Der Effekt
einer Maßnahme muss sichtbar sein.
Nur wenn der positive Einfluss auf den
Flugbetrieb spürbar wird, das Feedback für den Einzelnen oder auch die
Gruppe positiv sichtbar ist, es sich etwas verbessert, erfüllt die Maßnahme
ihren Zweck bzw. ihre Verpflichtung.
Feedback ist dabei eine nicht zu unterschätzende Größe. Positives Feedback
motiviert und schafft Vertrauen. Es
generiert Verständnis und auch Vertrauen in die Bedeutung einer hohen
Flugsicherheit.
Natürlich haben die von uns resultierend aus unserem Bild über den
Flugbetrieb abgeleiteten Maßnahmen
auch verschiedene Ansprüche zu erfüllen. Sie müssen in sich selbst berechenbar, zugleich aber auch effektiv
im Gesamtsystem sein. Eine Maßnahme reduziert sich selbst in ihrer Wirksamkeit, wenn diese zwar den einen
Missstand aufhebt, andere in ihrer
Wirkung die Rahmenbedingungen negativ beeinflusst. Hier ist neben einem
sauber durchgeführten Risk Management auch Entscheidungskonsequenz
gefragt.
Anlässlich einer Flugvorführung einer Mirage 2000 ergab sich die Problematik, dass es für den Display Piloten
gefährlich ist, das Display mit einer
Mindesthöhe von 500 ft zu fliegen: Da
dieser für alle Displays des laufenden
Jahres vorgesehen und abgestellt war
und er diese immer mit 200 ft Mindesthöhe trainierte und vorführte, war
das Anheben der Mindesthöhe mit all
seinen Konsequenzen für das gesamte
Display für ihn gefühlt gefährlicher.
Letztendlich wurde das Display natürlich unter Beachtung der für die Luftwaffe vorgeschriebenen Minimumhöhe von 500 ft in Absprache mit dem
Piloten durchgeführt, aber war das
wirklich SAFE? Wäre der Verzicht auf
diese Displays dann nicht SAFER gewesen?
Diese Betrachtung bringt uns zu
einem anderen Aspekt der Maßnahmenbewertung. Um die Wirksamkeit
einer Maßnahme tatsächlich einschätzen zu können, muss der Betrachter
willens und fähig sein, Perspektiven
zu wechseln. Innere Bereitschaft dazu
ist vorausgesetzt. Die Fragen „Wie
kommt die Maßnahme an?“, „Wie
kann die Maßnahme den vorgefundenen Missstand eliminieren?“ und
„Wie fügt sich diese ins Gesamtbild
ein?“ sind Gradmesser für die Effektivität der Maßnahme selbst. Dies ist
umso bedeutsamer, da eine Maßnahme auch demotivierend und in einigen
Fällen sogar beleidigend wirken kann.
Die nach einem individuellen Fehler
angehobenen Limits könnten auch
als Generalverurteilung für alle wirken. Getreu dem Motto, wenn da einer von der Straße wegen überhöhter
Geschwindigkeit abgekommen ist,
können wir das insofern verhindern,
indem wir das Tempolimit generell auf
80 km/h heruntersetzen. Keiner fragt,
warum er als erfahrener Autofahrer
so schnell an dieser Stelle war; was
ihn womöglich in seinem normalen
Handlungsablauf beim Durchfahren
der Kurve beeinflusst und abgelenkt
hat. Unter dem Einfluss der modernen
Unfallursachenuntersuchung stehend,
werten wir das als nur ein Indiz dafür,
dass das System noch nicht in der Lage
oder nicht willens ist, zu den wahren
Ursachen vorzustoßen.
Ein auf dem modernen Verständnis
über Human Error basierendes Safety
Management System hinterfragt, versteht und bewertet dagegen primär
den menschlichen Aspekt und nicht
nur die Auswirkungen. Diese sind sekundär. Wichtig ist es, die Ursachen
für unser Fehlverhalten zu eruieren.
Genau hier findet sich auch die Stellschraube, mit der die Prozesse neu
justiert werden müssen. Hier setzt die
Maßnahme an. Erst dann wirkt diese
risikominimierend, da sie verstanden
und nachvollziehbar für jeden Einzelnen ist. Erst dann, durch ihre Art und
ihren Angriffspunkt, wirkt sie auch
motivierend.
Auch wenn ich dafür Verständnis habe, dass die Möglichkeiten für
eine vollständige Zwischenfalluntersuchung für den FSO begrenzt sind,
kann ich mir vorstellen, dass die festgelegte Maßnahme im beschriebenen
Fall auch lauten könnte:
- Analyse: Es wurde ein Defekt in
einem Bauteil festgestellt. Dieses
Bauteil hatte gemäß Risikobewertung durch XXX eine Lebensdauer
von 400 Stunden. Der Defekt trat
aber bereits schon nach 300 Stunden auf.
- Maßnahme: Nach Bewertung der
Ursachen für den Defekt im Bauteil
wird XXX zu einer erneuten Risikobewertung des betroffenen Bauteils
aufgefordert. Das Ergebnis ist dem
Verband zu melden.
Hilft uns diese Art der Maßnahme
weiter? Feedback erwünscht!
Bravo gut gemacht!
Oberfeldwebel Manuel Almoslöchner,
1./LfzTAbt 252, hatte den Auftrag,
am Hauptgetriebe einer Bo-105 eine
50-Stunden-Kontrolle durchzuführen.
Beim Durchführen des Inspektionspunktes „Befestigungsflansch des
Stützrohres des Getriebeoberteils auf
Risse kontrollieren“ bemerkte er am
Stützrohr an einer Stelle, die durch
Steuerstangen halb verdeckt und kaum
einsehbar ist, eine kleine Scheuerstelle. Die Kontrolle des Stützrohres
selber, insbesondere an dieser Stelle,
gehört nicht zu den Inspektionspunkten der 50-Stunden-Kontrolle gem.
GAF T.O. 1H-Bo-105-6.
OFw Almoslöchner veranlasste eine
Sichtprüfung mit Endoskopiegerät.
Dabei wurde festgestellt, dass die von
ihm entdeckte Scheuerstelle nur ein
Teil einer größeren Beschädigung war.
Das Luftfahrzeug wurde gesperrt und
das Getriebe wurde abgebaut. Nach
dem Zerlegen zeigte sich, dass ein Sicherungsbolzen des Stützrohres der
Taumelscheibe, welches auf dem
Stützrohr des Getriebeoberteils läuft,
nach innen gewandert war und sich
in das Stützrohr des Getriebeoberteils
eingearbeitet hatte.
Ohne die Aufmerksamkeit von OFw
Almoslöchner wäre dieser Schaden
mindestens für weitere 50 Flugstunden bis zur nächsten 50-StundenKontrolle des Hauptgetriebes unentdeckt geblieben und hätte langfristig
möglicherweise zu Einschränkungen
in der Steuerung des Hubschraubers
geführt.
9
Flugsicherheit
IFSCON 2009
International Flight Safety Conference
Indian Air Force
von Oberstleutnant Jörg Behnke,
GenFlSichhBw
„Wohin?“, hörte ich mich
fragend rufen, nachdem
mein Dezernatsleiter mir
verkündete: „Du gehst
nach Indien!“
Eine Teilnahme an einer Internationalen Konferenz zum Thema Flugsicherheit war angesagt. Bislang stand
Indien noch nicht auf meinem Reiseplan, doch der bloße Name weckte bei
mir bereits die Reiselust. Indien klang
nach fremdartiger Kultur, Abenteuer, viel Curry und jeder Menge Menschen.
Die Indische Luftwaffe hatte die Abteilung Flugsicherheit der Bundeswehr
als Vertreter der Bundeswehr eingeladen. Diese derzeit viertgrößte Luftwaffe der Welt steht gegenwärtig am
Beginn einer umfassenden technologischen Modernisierung. Vielleicht ist
es sogar die den Zahlen nach größte
und der Bandbreite an Luftfahrzeugen
nach auch anspruchvollste Modernisierung einer bereits schon heute
ungewöhnlichen Luftwaffe. Immerhin
besitzt sie mit Flugzeugen wie SU-35
Flanker, MiG-29 Fulcrum, Mirage
2000, MiG-21 Bizon, Jaguar und MiG23 Flogger schon jetzt eine Vielfalt an
Luftfahrzeugen, die nicht nur verschiedene Generationen und verschiedene
Hersteller, sondern auch verschiedene
Philosophien repräsentieren.
Einher mit der nunmehr sehr ehrgeizig in Angriff genommenen Modernisierung des Flugzeugbestandes
geht auch das Bestreben der Indischen
10
Luftwaffe, sich selbst in der eigenen
Ausrichtung zu modernisieren. Darin
inbegriffen ist auch die Flugsicherheitsorganisation der Indischen Luftwaffe.
Der Direktor General (Inspection and
Safety) Air Marshal T S Randhawa VM
Flight umschrieb die Bedeutung der
Flugsicherheit im Rahmen der Begrüßung der Kongressteilnehmer mit den
Worten:
Safety is an ongoing concern for all
organisations and personnel involved
in aviation. Significant progress has
been made in the filed of Flight Safety
with new methods and techniques developed for aircraft accident prevention
and investigation. Aviation safety is
treated as a management function,
concentrating more on associated humans than on machines. Different air
forces, world over, are trying out novel
approaches to aircraft accident prevention and learning constantly.
Und genau das war der Anspruch,
den der Kongress an sich selbst stellte. Im Vordergrund stand das Lernen
voneinander.
Gestaffelt in vier verschiedenen
Themenbereichen wurde ein Mix an
Vorträgen der Indischen Luftwaffe
und der internationalen Gäste geboten. Themenbereiche waren:
- Operations- and Flight Safety,
- Enviromental and organsational issues,
- Maintenance and Flight safety,
- Aero Medical and Flight Safety.
Insbesondere die Beiträge der internationalen Gastredner wurden, so
schien es mir, förmlich aufgesogen.
Die sich jeweils anschließenden Podiumsdiskussionen unterstrichen dies
deutlich.
Noch bedeutender für mich waren aber die informellen Pausengespräche. Wo hat man schon mal die
Gelegenheit, mit Vertretern von Flugsicherheitsorganisationen Australiens,
Singapurs, Thailands, Russlands oder
auch mit Geschwader FSO´s der Indischen Luftwaffe ins Gespräch zu
kommen? Persönlich war es für mich
sehr aufschlussreich und sehr interessant, einen Einblick in deren Flugsicherheitsarbeit zu bekommen. Die
hohe Bedeutung, die das Gastland
Indien dieser internationalen Plattform
beimaß, wurde zum Ende der Konferenz besonders deutlich. Der indische
Verteidigungsminister ließ es sich nicht
nehmen, persönlich die Konferenz
zu beenden und diese als einen gute
Möglichkeit für den internationalen
Erfahrungsaustausch zu würdigen.
Als Fazit bleibt eine unvergessliche
Reise in eine andere Welt. Das Thema Flugsicherheit ist grenzüberschreitend, oder wie der Titel der Konferenz
lautete: „Flight Safety – an universal
language“. Natürlich gibt es im Detail Differenzen, aber im Generellen
gesehen stehen viele Luftwaffen vor
fast identischen Problemen, niedrige,
aber dennoch auf diesem Level leider
stagnierende Flugunfallzahlen, die die
bisherigen Denkweisen, bezogen auf
die Flugunfallverhütung, scheinbar
ausgereizt haben. Eine grundlegende
Modernisierung bei gleichzeitiger Erweiterung des Einsatzspektrums gepaart mit der Erkenntnis, dass diese
Modernisierung auch neue philosophische Ansätze in vielen Facetten
bedarf, sind uns, so mein persönliches
Fazit, nicht so fremd wie das Land Indien selbst.
Bild von XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Fachtagung
Flugsicherheit
VC-Vertreter im Austausch mit der Bundeswehr
von Jens Piotter und Christoph Schewe
Vom 07. bis 10. September 2009 fand beim Taktischen Ausbildungskommando der Luftwaffe
in Decimomannu, Sardinien, die diesjährige
Fachtagung für Flugsicherheitsoffiziere der
Bundeswehr unter der
Leitung von Herrn
Brigadegeneral
Lothar Schmidt statt.
Die Flugsicherheitsoffiziere (FSO)
sind vergleichbar mit den Flugsicherheitsabteilungen der zivilen Flugbetriebe. Jedem fliegenden Verband
werden ihrer Größe entsprechend
FSOs zugeteilt. Es ist ihre Aufgabe,
in Zusammenarbeit mit dem General Flugsicherheit in der Bundeswehr
Zwischenfälle und gegebenenfalls
auch Unfälle zu untersuchen sowie
die Flugsicherheit in den Staffeln und
Geschwadern auf allen Ebenen zu
verbessern. Dies schließt sowohl die
Bereiche fliegendes Personal, Technik,
Bodenpersonal und Infrastruktur am
Flughafen als auch den täglichen Flugbetrieb ein.
„Der Austausch untereinander
bringt viele Vorteile, und was für das
SFO Jens Piotter
LCAG MD 11
Leiter VC-Arbeitsgruppe
„Accident Analysis & Prevention“
Rad gilt, trifft genauso für das Fliegen
zu. Es muss nicht immer wieder neu erfunden werden!“
Dass dieser breit gefächerte Verantwortungsbereich nicht losgelöst vom
zivilen Flugverkehr betrachtet und betreut werden kann, stellte die Themenliste der Tagung eindrucksvoll unter
Beweis. Vortragende kamen aus den
Bereichen Rechtsberaterzentrum der
Luftwaffe, EADS, der Technischen Untersuchungssteile Manching, der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung
(BFU), Medizin und Psychologie sowie
der Vereinigung Cockpit (VC) oder
waren Unfalluntersuchungsexperten
der Royal Air Force.
Christoph Schewe, Leiter Berufspolitik der VC, nutzte als Oberstleutnant
der Reserve die Einladung in Form einer
Wehrübung, um die berufspolitische
Ausrichtung und Struktur der VC vorzustellen. Jens Piotter als Leiter der
AG Accident Analysis and Prevention
ging in seinem Vortrag auf die Besonderheiten von Zwischenfällen und Unfällen in Nicht-NATO-Ländern ein. Im
Rahmen der Tagung konnten wir immer wieder feststellen, dass man voneinander viel lernen kann. Besonders
deutlich wurde dies in den Bereichen
Winterflugbetrieb, TCAS, Krisenmanagement und Flugphysiologie sowie
Organisation des Flugbetriebs, und
selbstverständlich auch in Bezug auf
Flugunfall- und Zwischenfalluntersuchung. Der Austausch untereinander
Christoph Schewe
Leiter Berufspolitik
bringt viele Vorteile, und was für das
Rad gilt, trifft genauso für das Fliegen
zu. Es muss nicht immer wieder neu
erfunden werden! Dies ist derselbe
tragende Gedanke, der vor einigen
Jahren zur Etablierung des Deutschen
Flight Safety Forums durch die VC in
Zusammenarbeit mit dem General
Flugsicherheit, der BFU und der Deutschen Flugsicherung (DFS) geführt
hatte, und das zivile Pendant zur Fachtagung Flugsicherheit der Bundeswehr
unter den Flight Safety Piloten der
deutschen Airlines darstellt.
Und auch die Planung und Betreuung durch das Organisationsteam muss
sich hinter den Business und First ClassProdukten der Verkehrsfliegerei und
dem professionellen Eventmanagement keinesfalls verstecken.
„Das Flight Safety Forum stellt unter den Flight Safety Piloten der deutschen Airlines das zivile Pendant zur
Fachtagung Flugsicherheit der Bundeswehr dar.“
11
Flugsicherheit
Die Sycamore
von Oberstabsfelwebel d. R. Karl-Heinz Weiss, GenFlSichhBw
Zurecht kann man feststellen, dass der Aufbau
des Such- und Rettungsdienstes bei der Luftwaffe und den Marinefliegern untrennbar mit
dem ersten Rettungshubschrauber der Bundeswehr, der Bristol Typ
171 Sycamore Mk 52,
verbunden ist. Als zweitgrößter Nutzer hinter
der Royal Air Force erhielt die Bundeswehr 50
Maschinen.
12
Schon in den dreißiger Jahren des
vorigen Jahrhunderts begann der in
Wien geborene Raoul Hafner mit der
Entwicklung eines leistungsfähigen
und zuverlässigen Hubschraubers. Er
realisierte bei seinen Arbeiten sehr
schnell, dass nicht der Auftrieb, sondern eine effektive und einfache Steuerung das Wichtigste bei der Entwicklung gebrauchfähiger Hubschrauber
sein würde. Deshalb konstruierte er die
sogenannte „Spinnensteuerung“, die
sowohl die kollektive wie periodische
Rotorblattverstellung übernahm und in
einem hohlen Rotormast geführt wurde. Er wandte auch erstmalig das Konzept von Torsionsstäben in den hohlen
Rotorblattarmen an. Diese nahmen
die Zentrifugalkräfte auf und trugen
dadurch merklich zur Reduzierung der
Steuerkräfte bei. Dadurch zeigte sich
bei diesem Rotorsystem eine bewundernswerte Beweglichkeit.
Als mit dem nahen Kriegsende das
Interesse der Militärs am Autogiro erlahmte, bekam Hafner das Angebot,
für die Helicopter Division der Bristol
Aeroplane Company zu arbeiten. Er
nahm das Angebot an. Ihm wurde der
Posten des Chefkonstrukteurs für Hubschrauber übertragen bei Übernahme
seiner Firma mit allen Patenten.
Unverzüglich begannen Hafner und
sein kleines Team mit den Studien für
einen viersitzigen einmotorigen Hubschrauber. Dem Projekt gab man die
Bezeichnung Bristol Typ 171.
Als Triebwerk war der allerdings zu
diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung
stehende Alvis Leonides Sternmotor
vorgesehen. So mussten die ersten
Prototypen mit dem 450 PS leistenden Pratt&Whitney R-985 Wasp Junior
ausgerüstet werden.
1946 informierte das britische
Kriegsministerium das Luftfahrtminis-
Bild von der PIZ LwA
terium darüber, dass man drei Klassen
von Hubschraubern für den Einsatz in
den Streitkräften benötigen würde:
- einen zweisitzigen Beobachtungsund Verbindungshubschrauber,
- einen acht- bis zehnsitzigen Mehrzweckhubschrauber und
- einen Transporthubschrauber mit
10 to Tragfähigkeit.
Daraufhin bewarb sich die Fa. Bristol
mit dem Typ 171, der jetzt den Namen Sycamore wegen der Ähnlichkeit
des Rumpfes mit einem Ahornsamen
trug. Wegen knapper Haushaltsmittel
wurde aber die Förderung durch die
Beschaffungsbehörden
eingestellt.
Die Fa. Bristol entschied sich, das Programm aus eigenen Kräften voranzutreiben.
Am 27. Juli 1947 erfolgte der Erstflug. Im Anschluss daran machte man
mehrere kurze Flüge, einige davon mit
Passagieren. Am 20. Januar 1949 wurde der zweite Prototyp in Brize Norton
den Ambulanzdiensten der britischen
Streitkräfte vorgeführt und dabei Vorschläge für die Verwundetenevakuierung diskutiert.
Der Prototyp 171 Mk 2 war als erster Sycamore mit dem Alvis Leonides
Motor, der eine Leistung von 520 PS
hatte, ausgerüstet. Wie die erste – jetzt
Mk 1 genannte – Version hatte die
Mk 2 zwei Türen und Platz für zwei
Passagiere auf den Rücksitzen.
Die Erfahrungen, die man mit den
bisherigen Versionen gemacht hatte,
flossen in die 171 Mk 3 ein, von denen 50 Exemplare für die Rettungsdienste der britischen Streitkräfte
gebaut wurden. So wurde die Rumpfnase verkürzt, was zu einer besseren
Sicht nach unten führte. Die Kabinenbreite wurde um circa 20 Zentimeter
vergrößert, sodass nun drei Personen
auf den hinteren Sitzen Platz nehmen
konnten. Um einen sicheren Übergang
aus dem Schwebeflug zur Autorotation zu gewährleisten, wurde größter Wert auf die Fähigkeit des Rotors
gelegt, genügend kinetische Energie
zu speichern. So wurden Landungen
aus geringer Höhe mit abgestelltem
Antrieb mit einer zu der Zeit seltenen
Selbstverständlichkeit demonstriert.
Später wurden sie ein wesentlicher
Teil der Pilotenausbildung. Von dieser
Version wurden aus dem zweiten Los
auch drei Maschinen an die australische Navy geliefert.
Der vorletzte Hubschrauber dieses
Loses diente dem Hersteller als Demonstrationsmodell für die Version
MK 4, die ein höheres Fahrwerk hatte
und – um den amerikanischen Standards zu entsprechen – der Sitz des
Piloten wurde von links nach rechts
versetzt. Diese Version wurde von der
Royal Air Force (RAF) als HR 14 für
verschiedene Zwecke verwendet, in
großer Stückzahl gebaut und ging im
April 1953 bei der RAF in Linton-onOuse in den Truppendienst.
Nachdem
die
Bundesrepublik
Deutschland (BRD) der International
Civil Aviation Organization (ICAO)
beigetreten war, war sie verpflichtet,
einen Luftrettungsdienst aufzustellen.
Diese Aufgabe wurde dann der Bundeswehr übertragen. Dieser Such- und
Rettungsdienst (SAR) diente – und
dient immer noch – sowohl dem militärischen wie auch dem zivilen Bereich. Dazu wurden bei der Luftwaffe
die Luftrettungsstaffeln und bei der
Marine eine Seenotrettungsstaffel –
gleichzeitig mit den SAR-Leitstellen
Münster und Glücksburg – aufgestellt.
Die Rettungsflieger konnten auf die
Erfahrungen der Royal Air Force und
US Air Force (USAF) aufbauen, die bis
dahin den SAR-Dienst für die BRD gestellt hatten.
Die Bundeswehr bestellte 50 Bristol 171 der Basisversion Mk 4 für den
Einsatz bei der Luftwaffe und Marine.
Seitens der Firma Bristol erhielt diese
Version die Bezeichnung Mk 52. Die
ersten zwei der in Auftrag gegebenen
Maschinen starteten unter der FühBild von der PIZ LwA
13
Flugsicherheit
rung von Werkspiloten am 31. Mai
1957 zum Überführungsflug nach
Faßberg. Zu diesem Zeitpunkt waren
die ersten deutschen Piloten bereits
zur Umschulung bei Bristol eingetroffen. Die fliegerische Schulung fand auf
der mit Doppelsteuer ausgerüsteten
Werksmaschine statt. Anschließend
wurden die dritte und vierte Sycamore nach Faßberg überflogen. Die restlichen Maschinen für die Luftwaffe
kamen in den nächsten Monaten bis
Ende 1959 zur Auslieferung.
Der Einsatz der Sycamore erfolgte in
der Luftwaffe bei der Flugzeugführerschule (FFS) „S“ auf dem Fliegerhorst
Memmingen, die am 10. Juli 1956 in
Dienst gestellt wurde. Hier wurden die
Hubschrauberführer,
Verbindungsflugzeugführer und Transportflugzeugführer für die gesamte Bundeswehr ausgebildet. Dort fand auch die
Instrumentenflugausbildung für all
diese Flugzeugtypen statt. Insgesamt
wurden neun Flugzeugtypen geflogen. Die Ausbildungsgruppe wurde zu
Beginn des Jahres 1958 neu formiert
und bestand aus drei Ausbildungsstaffeln:
- P-149 D Piaggio und Dornier DO-27,
- Mehrmotorige Ausbildung auf Noratlas und Pembroke und
- Hubschrauberausbildung.
Da der Fliegerhorst aus allen Nähten
platzte, verlegte die Flugzeugführerschule „S“ nach Norden. Die Transporter verlegten nach Wunstorf, die Verbindungsflugzeuge nach Diepholz und
die Ausbildungs-, Wartungsstaffel und
Teile der Instandsetzungsstaffel des
Hubschrauberbereiches verlegten Ende
des Jahres nach Faßberg und firmierten
dort als Ausbildungsgruppe (AusbGrp)
„C“ der FFS „S“. Das dort aufgestellte Jagdbombergeschwader 34
nahm dafür den für den F-84F-Betrieb
besser geeigneten Fliegerhorst Memmingen in Beschlag.
Die Ausbildung der Rettungs-Hubschrauberführer sah in jener Zeit folgende Abschnitte vor:
- 25 Stunden Auswahlschulung auf
14
dem Flächenflugzeug Piper L-18,
- 100 Stunden Hubschrauber-Grundausbildung auf Bell 47 (H-13), davon 25 Stunden Gebirgsflugausbildung bei der 1. Luftrettungs- und
Verbindungsstaffel in Fürstenfeldbruck,
- 70 Stunden Typenschulung Bristol
171 Sycamore,
- 20 Stunden Spezialausbildung auf
Bristol 171 Sycamore und
- 90 Stunden Such- und Rettungsausbildung.
Hubschrauberführer und Luftretter
erhielten nach ihrer getrennt verlaufenden Ausbildung anschließend ihre
SAR (Search and Rescue)-Ausbildung.
Überlandsflüge, Kleinorientierung und
Schlechtwetterflug,
Suchaufgaben,
Windenbedienung (Winching), Instrumentenflug und Alarm- und Einsatzübungen waren die Schwerpunkte dieser Ausbildung.
Im Sommer 1963 wurde die Sycamore-Ausbildung bei der AusbGrp „C“
der FFS „S“ mit der Versetzung der
Hubschrauber zu den Luftrettungsund Verbindungsstaffeln 2 und 3 beendet.
Am 1. April 1959 wurde die 1. Luftrettungsstaffel in Faßberg in Dienst
gestellt. Sie nahm den Flugbetrieb ab
dem 1. August 1959 auf. Der erste
SAR-Einsatz erfolgte am 26. August
1959. Im Oktober 1959 wurde diese
Staffel der Luftwaffengruppe Nord
(LwGrp N) in Münster unterstellt.
Gleichzeitig erfolgte die Übernahme
von Verbindungsflugzeugen Do-27
und die Umbenennung in 3. Luftrettung- und Verbindungsstaffel (LRetVerbStff). Die volle Einsatzbereitschaft
dieser Staffel wurde am 1. Mai 1960
hergestellt. Im Januar 1961 wurden
die Außenstellen (SAR-Kommandos/
SAR-Kdo’s) in Ahlhorn und Nörvenich
mit je zwei Hubschraubern und drei
Hubschrauberbesatzungen in Dienst
gestellt. Mit den SAR-Bereitschaften in
Faßberg, Ahlhorn und Nörvenich konnte jeder Punkt der Länder NordrheinWestfalen, Niedersachsen, Bremen
und Hamburg innerhalb einer Flugstunde erreicht werden. Die Nordseeküste westlich der Elbemündung
gehörte auch zum Einsatzbereich. Flüge über See durften nur bis zu einer
Entfernung von 25 NM durchgeführt
werden. Im Januar 1963 erfolgte die
Verlegung dieser Staffel auf den Fliegerhorst Ahlhorn, wo sie am 1. April 1965
in 3. Hubschrauber-Rettungsstaffel umbenannt wurde. Mit der Eingliederung
in das neue Hubschraubertransportgeschwader (HTG) 64 Ende 1967 endete
die Selbstständigkeit dieser Staffel, die
fortan als 3./HTG 64 geführt wurde,
aber wenigstens am Standort Ahlhorn
bleiben konnte.
Die Aufstellung der 2. LRetVerbStff
erfolgte im Herbst 1959 aus Teilen
der FFS „S“ in Faßberg. Im August
1960 verlegte diese Staffel an den
neuen Standort Lechfeld und wurde
der LwGrp S unterstellt. Zur besseren
Abdeckung des Einsatzgebietes unterhielt die Staffel SAR-Kommandos in
Pferdsfeld, Karlsruhe und später in
Manching. Der Einsatzschwerpunkt
am Standort Lechfeld lag eindeutig im
Bereich der Bergrettung. Zur Ausbildung der Hubschrauberführer richtete
die Staffel eigene Gebirgsflugausbildungsstätten zunächst in Steibis im
Oberallgäu, später in Ettenberg ein.
Im Rahmen dieser Ausbildung konnten die Hubschrauber und ihre Besatzungen auch für Einsätze der Bergwacht und den Forstbehörden (z.B.
Wildfütterung im Winter) genutzt werden. Am 1. April 1965 wurde die Staffel in 2. Hubschrauber-Rettungsstaffel
umbenannt. Im Herbst 1966 erfolgte
die Verlegung der Staffel auf den Fliegerhorst Penzing bei Landsberg/Lech.
Dort bildete sie mit den Resten der
Flugzeugführerschule (FFS) „A“ und
der aus Fürstenfeldbruck verlegten
1. Hubschrauberlehr- und Versuchsstaffel das neue HTG 64.
Im Januar 1958 wurde durch das
BMVg der Marine befohlen, eine Seenotrettungsstaffel aufzustellen. Dazu
waren als Erstausstattung „Amphibi-
enflugzeuge von Typ Grumman Albatros, Sycamore-Hubschrauber und
Flugsicherungsboote
vorgesehen.
Nach der Ausbildung der ersten Hubschrauberbesatzungen bei der FFS „S“
in Memmingen und in Begleitung eines
britischen Fluglehrers wurden die ersten vier Hubschrauber für die Marine
nach Deutschland auf den Marinefliegerhorst Kiel-Holtenau überführt. Ab
Ende 1958 wurde an Werktagen eine
SAR-Bereitschaft auf dem Marinefliegerhorst Schleswig und ab Oktober
1961 bei Bedarf auf dem Fliegerhorst
Husum und auf Sylt gehalten. Im Juli
1959 wurde aus der Seenotstaffel die
Marine-Dienst- und Seenotgruppe mit
zwei fliegenden Staffeln aufgestellt.
Zum 1. Oktober 1963 erfolgte die
Umbenennung in Marinefliegergeschwader (MFG) 5. Insgesamt zwölf
Sycamore wurden bei der Marine
geflogen. Im Laufe des Jahres 1965
erfolgte die schrittweise Übernahme
des SAR- und Seenotrettungsdienstes
durch die Sikorsky H-34. Die offizielle
Außerdienststellung der Sycamore bei
der Marine erfolgte am 30. Mai 1967
durch Abgabe der Hubschrauber an
die Luftwaffe. Durch die Staffel wurden 8886.30 Flugstunden mit der Sycamore erflogen.
Bei der Luftwaffe erfolgte mit der
Aufnahme der SAR-Bereitschaft auf allen SAR-Kommandos durch das Nachfolgemodell Bell UH-1D die offizielle
Außerdienststellung der letzten Bristol
171 Sycamore am 13. Mai 1969 beim
Hubschraubertransportgeschwader
(HTG) 64 auf dem Fliegerhorst Penzing bei Landsberg/Lech. Mit diesem
Lfz-Muster wurden bei der Luftwaffe
in 12 Jahren 62.000 Flugstunden erflogen und 2.500 SAR-Einsätze durchgeführt.
Während ihrer Einsatzzeit in der
Bundeswehr ereigneten sich 13
schwere Flugunfälle. Drei Piloten
fanden den Tod und mehrere Besatzungsmitglieder wurden verletzt. Die
meisten Vorkommnisse ereigneten
sich durch Bodenberührung mit dem
Bild aus der Flugunfallakte
Heckausleger und dem Heckrotor bei
Autorotationslandungen und überwiegend während der Ausbildung. Da
das Triebwerk sehr empfindlich auf
schnelle Gaszufuhr reagierte, kam es
sehr oft beim Übergang vom Flare in
die waagerechte Fluglage zu einem
Leistungseinbruch des Motors, was
dann unweigerlich zu der Bodenberührung und damit zur Beschädigung
des Hubschraubers führte, die aber
meistens glimpflich abliefen. Durch
die geringe Motorleistung und das
Verhalten bei der Gaszufuhr war der
Einsatz im Gebirge und bei der Bergrettung sehr riskant.
So kam es im Mai 1958 bei einem
Gebirgs-Ausbildungsflug zu einem
Unfall, bei dem zwar der Hubschrauber zerstört wurde, die Hubschrauberbesatzung aber verletzt das Wrack
aus eigener Kraft verlassen konnte. Die Besatzung führte über der
tiefsten Stelle eine 20°-Kurve nach
rechts durch, als sie eine Motorstörung wahrnahm. Durch das sofortige
Absinken der Rotordrehzahl verlor der
Hubschrauber an Fahrt und Auftrieb.
Ein weiteres Steigen oder horizontales
Geradeausfliegen war wegen der Geländeverhältnisse nicht mehr möglich.
Der Fluglehrer entschloss sich deshalb
15
Flugsicherheit
Bild aus der Flugunfallakte
zu einer Autorotation in dem hinten
unter ihm liegenden RetterschwangerTal. Bedingt durch die Steiglage des
Hubschraubers, den Verlust der Vorwärtsgeschwindigkeit und der Drehung während der Kurve in das Tal,
verlor der Hubschrauber so schnell an
Höhe, dass dem Hubschrauberführer
nur noch eine Landung im Bett des
Baches unterhalb eines Wasserfalls
möglich erschien. Noch vor der Landung wurde der Rotor durch Baumberührung zerstört. Der Rumpf des Hubschraubers fiel auf einen ansteigenden
Hang, überschlug sich dort und kippte
dann auf die linke Seite ins Bachbett.
16
Tragisch verlief ein Unfall, der sich
im Februar 1963 im Rahmen des Eisnotdienstes für die ostfriesischen Inseln
auf der Insel Langeoog ereignete. Bei
diesem Flug hatte die Hubschrauberbesatzung den Auftrag, eine Wöchnerin
mit ihrem Säugling von Wittmundhafen zurück nach Langeoog zu fliegen.
Der Flug verlief ohne Probleme. Der
Hubschrauber wurde von einem zum
Be-/Entladekommando gehörenden
Arbeiter auf den für den Eisnotdienst
errichteten und abgesperrten Landeplatz eingewiesen. Nach dem Absetzen drosselte der Hubschrauberführer
die Rotordrehzahl, während der Luft-
retter ausstieg, um zusammen mit
dem Einweiser der Passagierin beim
Aussteigen behilflich zu sein. Der
„Landesbeauftragte für Flugsicherheit“ (Flugleiter) der Inselgemeinde,
der ebenfalls am Hubschrauber war,
wollte zwei Kinder, die sich dem Landeplatz genähert hatten, aus der unmittelbaren Umgebung der Maschine
entfernen. Dabei ging er von hinten
rechts um den Hubschrauber herum.
Nachdem er den Heckrotor schon passiert hatte, rutschte er auf dem stark
vereisten Schnee aus, fiel rückwärts
in den sich drehenden Heckrotor und
wurde von den Heckrotorblättern tödlich getroffen.
Glück hatte ein Opfer spielender
Fallschirmjäger bei einer Übung auf
dem Riegsee bei Murnau. Bei dieser
Übung waren von der Hubschrauberbesatzung bereits acht Fallschirmjäger
aus dem See im „Single-Lift-Verfahren“ aus dem Wasser geborgen und
am Seeufer abgesetzt worden. Beim
letzten Anflug flog der Hubschrauberführer gegen den Wind (040/4)
mit 20-30 KIAS etwa 8 bis 10 m über
der Wasseroberfläche. Während des
Endanfluges verringerte er die Fahrt
und gab auch noch Höhe auf, als
sich der Hubschrauber mit dem Heckteil nach unten bewegte und um die
Hochachse steuerlos wurde. Als ein
Rotorblatt Wasserberührung erhielt,
schlugen die beiden anderen so in
die Hubschrauberzelle ein, dass das
Rumpfzwischenstück durchschlagen
wurde. Der Hubschrauber versank im
Wasser und wurde später aus 15 m
Tiefe geborgen. Die Hubschrauberbesatzung konnte sich selbst befreien
und zur Wasseroberfläche auftauchen.
Der zu bergende Soldat kam mit dem
Schrecken davon. Durch herumfliegende Rotorteile wurde ein am Ufer
stehender Sanitätssoldat verletzt. Dieser Unfall wurde durch Materialfehler
an zwei Auslassventilen verursacht,
wodurch die Triebwerksleistung beim
Abfangen nicht mehr ausreichte. Trotz
eines Öldruckabfalls beim vorherge-
henden Flug startete der Hubschrauberführer zu diesem Einsatz. Diese
Beanstandung hatte er auch nicht in
das Bord- und Wartungsbuch eingetragen.
Glück hatte auch eine Hubschrauberbesatzung, die sich im März 1965
während der Gebirgsflugweiterbildung
auf dem Rückweg zum Lastaufnahmeplatz befand. Etwa 300 m vor dem im
Tal gelegenen Landeplatz in ca. 60 m
Höhe mit 45 kts Vorwärtsfahrt begann
der Hubschrauber nach einem Schlag
am Heck plötzlich sich nach links um
die Hochachse zu drehen und stark
zu schütteln. Gleichzeitig sah die Besatzung ein dunkles Bruchstück nach
vorne wegfliegen und registrierte
sofort einen Heckrotorfehler. Da ein
Fahrtaufholen für eine Autorotationslandung wegen der geringen Flughöhe nicht mehr möglich war und sich
die Maschine unter starkem Schütteln
immer mehr in allen Richtungen aufschaukelte, entschloss sich die Hubschrauberbesatzung zu einer sofortigen Landung. Es gelang ihr in guter
Zusammenarbeit, den sich taumelnd
drehenden Hubschrauber im weiteren Sinkflug waagerecht zu halten.
Ungefähr 30° aus der ursprünglichen
Landerichtung versetzt, schlug er
schließlich hart – fast in Dreipunktlage –
auf einen Schnee bedeckten Berghang
auf. Der Hubschrauber wurde dabei
schwer beschädigt, die Besatzung blieb
unverletzt. Der Unfall wurde durch den
Bruch eines Schaftrohres verursacht.
Dadurch schlug die Dämpfungsflosse
um und beschädigte die Heckrotorblätter derart an den Blattwurzeln,
dass sie abbrachen. Das Schaftrohr
wies eine einwandfrei festgestellte Altbruchstelle auf, die während der üblichen Wartungsarbeiten bei der Staffel nicht festgestellt werden konnte.
Verursacht wurde dieser Bruch durch
einen Splint, der nach dem Wechsel
des Hauptrotorgetriebes bei der Betreuungsfirma mit Wucht eingeschlagen wurde, was den schleichenden
Bruch des Schaftrohres ausgelöst hat.
Bild aus der Flugunfallakte
Im Rahmen des TCTP sollte eine
Hubschrauberbesatzung im Mai 1965
hoist operations durchführen. Dazu
sollte auf dem Gelände der ESSO-Raffinerie in Karlsruhe-Knielingen ein 16 m
langes, 2“ starkes und 75 kg schweres
Messrohr in einen Kugeltank von 20 m
Höhe gesenkt werden. Mit den am 5 m
ausgefahrenen Windenseil hängenden
Messrohr wurde die Einbauposition
auf dem Tank angeflogen. Dort begann das Messrohr zu schaukeln. Um
das Pendeln des Rohres zu beenden,
fuhr der Luftretter das Windenseil bis
auf 2 m ein. Bei den weiteren Kor-
rekturen sank der Hubschrauber, das
Messrohr geriet in den Hauptrotorkreis und brachte den Hubschrauber
zum Absturz. Dabei wurde die Hubschrauberbesatzung getötet.
Im Februar 1966 kehrte eine Hubschrauberbesatzung nach einem Flug
im Rahmen des TCTP zum Flugplatz zurück. 1 NM nördlich des Platzes erbat
sie vom Kontrollturm die Freigabe für
eine Autorotation am Platz. Nach dem
Absetzen auf der Startbahn hob der
Hubschrauberführer den Hubschrauber wieder ab und schwebte in etwa
5 m Höhe gegen den Wind schiebend
17
Flugsicherheit
Bild aus der Flugunfallakte
im Langsamflug zum Abstellplatz, der
etwa 100 m entfernt war. Auf halber
Strecke bemerkte die Hubschrauberbesatzung einen kurzen, dumpfen
Schlag und unmittelbar danach ein
Leck im Kraftstofftank. Der Hubschrauberführer setzte die Maschine
augenblicklich ab und verließ sofort
mit der übrigen Besatzung den nun
brennenden Hubschrauber. Die alarmierte Flugplatzfeuerwehr traf kurz
darauf am Unfallort ein. Die Löscharbeit wurde durch ein nicht funktionierendes Ventil einer Stickstoffflasche
verzögert. So wurde der Hubschrauber
durch die Feuereinwirkung zerstört.
Ein Besatzungsmitglied erlitt leichte
Brandverletzungen. Verursacht wurde dieser Unfall durch den Bruch des
Lüfterrades. Durch die Zentrifugalkraft
wurden Lüfterradschaufeln durch das
hintere Brandschott und den oberen
Kraftstoffbehälter geschlagen. Der
auslaufende Kraftstoff entzündete
sich an der Auspuffanlage und setzte
den Hubschrauber in Brand.
18
Im Dezember 1966 startete eine
Sycamore zu einem Übungsflug. Nach
zwei Windenmanövern stieg die Besatzung auf 3.000 Fuß Höhe. Ca. 8 NM
nördlich des Platzes nahm der Hubschrauberführer wieder Kurs auf den
Flugplatz mit der Absicht, dort eine
Übungsrotation durchzuführen. Nach
dem Einleiten der Autorotation in ca.
2.500 Fuß Höhe vernahm die Besatzung einen starken Schlag mit nachfolgendem Schütteln. Gleichzeitig stellte
der Hubschrauberführer fest, dass die
Maschine um die Hochachse steuerlos
wurde und die Bedienung der Pedale
keinerlei Wirkung zeigte. Der Versuch
in den Wind zu drehen und auf der
Landebahn zu landen, misslang. Der
Hubschrauberführer führte daher
eine Landung mit Rückenwind durch,
ohne das Triebwerk abzustellen. Der
Hubschrauber wurde glatt aufgesetzt,
rollte noch ca. 30 m und kippte kurz
vor dem Stillstand auf die linke Seite.
Die Besatzung verließ unverletzt die
Maschine. Der Hubschrauber wurde
schwer beschädigt. Das Umkippen
war darauf zurückzuführen, dass das
rechte Rad des Hauptfahrwerkes auf
einen Feldstein auflief, wobei weitere
erhebliche Beschädigungen auftraten.
Herausragend und erwähnenswert
war der Einsatz fast aller Sycamore bei
der Flutkatastrophe im Februar 1962 in
Hamburg. Trotz der geringen Motorleistung und seines damit verbundenen nicht einfachen Einsatzes im
Gebirge wurde die Sycamore von den
diesen Typ fliegenden Hubschrauberbesatzungen geschätzt. Sie hielten
diese Maschine unter den damaligen
Luftfahrzeugen für äußerst zuverlässiges Muster.
Literatur- und Quellenhinweise:
F-40 Flugzeuge der Bundeswehr
Umfangreiche Internet-Recherche
Hauptmann M.
Die etwas andere FOD-Geschichte
Captain M...
von Oberstleutnant Jörg Behnke,
GenFlSichhBw
The quite different FOD story …
Dies ist zunächst einmal
eine „There I was-Story“,
die sich auf der anderen
Seite des Eisernen Vorhangs, also schon vor einigen Jahren zugetragen
hat. Und obwohl ich es
nicht selbst erlebt habe,
ist sie es aus zweierlei
Gründen wert, erzählt
zu werden.
Zum einen, weil sie nicht nur einfach
gut ist, sondern, wie bei diesen Geschichten auch gewollt, auch jeder etwas daraus lernen kann. Zum anderen
aber auch, weil sie in ihrer Komik und
in ihrer Dramatik zugleich für jeden,
der ein Cockpit seinen Arbeitsplatz
nennen darf oder durfte, nachvollziehbar ist. Natürlich hat diese Geschichte
den sogenannten „10-Prozent-Test“
hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts bestanden. Sie ist wirklich so passiert.
Der Vorfall fiel zwar nicht – heute
würden wir sagen, in irgendeine Zwischenfall- oder gar Unfall-Kategorie –
Potential dafür aber hatte sie allemal
genug. Um es auch gleich vorwegzunehmen: Es wurde auch nie irgendein
Bericht darüber erstellt. Ehrlich gesagt
hat es aber auch keines offiziellen Berichts bedurft – die Geschichte machte
bei der anderen deutschen Luftwaffe
schneller die Runde, als es ein Bericht
je hätte machen können.
Es geschah an einem heißen
Sommertag irgendwo tief im Osten
Deutschlands. Die Geschwaderübung
dauerte schon einige Tage und nahezu alle waren zu diesem Zeitpunkt erschöpft. So war es nichts Ungewöhnliches in einer „Kampf“-Pause ein
kurzes „Gefechtsnickerchen“ direkt
hinter dem Shelter zu halten. Genau
dies tat Hauptmann M., wie wir ihn
hier einmal nennen wollen.
Er war einer der Luftfahrzeugführer
der Staffel, die an diesem Tag für einen Abfangeinsatz in der Stratosphäre
eingeteilt waren. Aus diesem Grund
trug er eine Spezial-Fliegerkombination. Der dazugehörende Helm
lag neben ihm im Gras. Diese ganze
Spezial-Fliegerausrüstung benötigt der
Flugzeugführer, um einen plötzlichen
Druckabfall in einer Höhe oberhalb
50.000 Fuß zu überleben. Jeder, der
einmal einen U-2-Piloten in vollständiger Ausrüstung gesehen hat, weiß,
wovon ich hier rede.
So lag also besagter Hauptmann
im Schutze seines Flugzeugshelters in
tiefem Schlaf, als ihn plötzlich der laute Ton des Signalhorn aufschreckte.
Alarmstart! Er wachte auf, schnappte
seinen Helm und sprang in sein Cockpit. Triebwerk anlassen, Systeme überprüfen, zur Startbahn rollen, starten
– all das tat er, so schnell er konnte.
Er lag gut im Zeitplan. Alles lief gut
und so fühlte er sich auch. Das Wetter
war ganz passabel und, noch ein kurzer Check, alle Systeme funktionierten
ordnungsgemäß – eigentlich konnte
nichts schief gehen.
First of all, this is a kind of a „There I
was“ story out of the middle ‚80s‘ and
it is a story from the other side of the
Iron Curtain. Although it doesn‘t deal
with a personal story of my own flying experiences, it is really funny, it is
worth speaking about and it contains
some „lessons learned“ for anybody.
Also, of course, be sure that this story
has passed the 10%-rule, because it
really happened. It is true.
Although the happening didn‘t
qualify as a Class C, E or whatever
kind of mishap, it could have easily
become one. It also was never given
any kind of report, but honestly speaking, it never needed an official report
because this story ran quicker through
the Air Force than any mishap report
ever had done.
It happened on a hot summer day
somewhere in East Germany. A wing
exercise had been ongoing for a couple of days and almost everybody was
exhausted at that stage. So, it was not
unusual to take a short „combat“ nap
in the „battle“ breaks, if the alert status allowed it. And so Captain M., as
we will call him, did just that.
He was one of the squadron pilots
who were scheduled to fly an intercept mission in the stratosphere on
this day. That‘s why he was wearing
a special flight suit, and had a special
helmet lying beside him in the grass.
All that special flight gear is required
to give the pilot a chance to survive a
rapid decompression in altitudes above
50.000 feet. Everybody who has seen
a fully equipped U-2 pilot knows what
I‘m talking about here.
19
Flugsicherheit
Wie gesagt: eigentlich!
Kaum gestartet, überkam ihn schon
so ein eigenartiges Gefühl. Zuerst war
es nur ein kurzer Eindruck, kaum mehr
als eine Einbildung. Aber es kam wieder und wieder. Da! Da war er wieder, der Schatten, der sich von links
nach rechts und zurück bewegte.
Manchmal war es nur ein schwarzer
Strich in Verbindung mit einer sanften
Berührung seines Gesichts. Er wollte
sich kratzen, da es kitzelte, aber bei
geschlossenem Helm war das natürlich nicht möglich. Einen Augenblick
lang dachte er über mögliche Ursachen nach. Manchmal fühlte es sich
an, als ob ein Schweißtropfen über
seine Nase lief.
Aber was war mit den schwarzen
Schatten?
Fast schon verzweifelt versuchte
er eine Antwort darauf zu finden,
als plötzlich seine Aufmerksamkeit
auf etwas gelenkt wurde, das sich im
Abstand von weniger als ein bis zwei
Zentimetern direkt vor seinen Augen
befand.
Dieses Etwas war eine Maus! Ja,
da war eine Maus! Instinktiv schloss
er seinen Mund. All seine Alpträume
wurden urplötzlich wahr. Eine Maus
als blinder Passagier. Und damitnicht genug, sie flog auch noch
mit ihm in seinem Helm und, der
Gedanke kam ihm ebenso plötzlich, es gab keine Möglichkeit,
sie zu fangen.
Am Boden verfolgte der
Jägerleitoffizier den Flugweg
von Hauptmann M’s MiG, als
ein Funkspruch einging. Er versuchte, ihn zu verstehen, aber
es gelang ihm nicht. Es hörte
sich an wie „Ich habe eine ...
aus im ...“ – mehr verstand er
nicht. „Wenn doch schon jeder
weiß, dass der Funk nicht der Beste ist, kann man doch wenigstens
erwarten, dass die Piloten die Zähne
auseinandermachen beim Sprechen“,
schoss es dem Jägerleitoffizier vorwurfsvoll durch den Kopf.
20
So bat er Hauptmann M, die letzte
Meldung zu wiederholen. Aber erneut
war es ihm nicht möglich herauszufinden, was der Pilot ihm mitteilen
wollte. Und so musste er ihn, wobei
er langsam nervös wurde, noch einmal laut und energisch bitten, seine
Meldung zu wiederholen. Jetzt endlich kam die Meldung, kristallklar, laut
und sehr, sehr schnell.
„Ich habe eine Maus im Helm!“
Mehr musste auch nicht gesagt
werden. Das reichte völlig aus, um
sich in Sekundenbruchteilen ein Bild
von der Lage im Cockpit, oder besser gesagt, von der Lage im Helm
des Piloten zu machen. Unnötig zu
sagen, dass dies dann auch die letzte
Meldung von Hauptmann M. war. Er
brach den Einsatz sofort ab, flog ohne
jeden weiteren Funkspruch zurück
zum Flugplatz und landete sein Luftfahrzeug sehr schnell. Sobald
er die Landebahn
verlassen
hatte,
©Zeichnung von StFw Ingo Paul Dierkes
But on this day, Capt. M. was in
a deep sleep behind his aircraft shelter as the next scramble alerted him.
He woke up, grabbed his helmet and
jumped into his cockpit. Starting the
engine, checking the systems, taxiing to the runway, takeoff; he did all
this as quickly as he could. He was on
schedule, and felt in very good shape.
The weather was also pretty good and
all the aircraft systems were working
very well; nothing could be going
wrong.
Yes, it could!
At first it was only a short impression; not much more than an illusion.
But it came again and again. Then it
was like a shadow, moving from left
to right and vice versa. Sometimes it
was almost a black line, in connection
with a gentle touch on his face. He
wanted to scratch his skin, because
it was tickling, but due to
the closed helmet
that was impossible.
sprang er aus dem Cockpit, zog den For a while he thought about possible
verdammten Helm vom Kopf und reasons. Sometimes it felt like a drop
warf ihn fort.
of sweat was running down his nose;
Neben all den sicher sehr komisch it was comparable to that. But what
anmutenden Aspekten rund um die- about the black shadows?
se Geschichte gibt es natürlich auch
Capt. M. was trying to find an aneiniges, was uns zum Nachdenken swer to his question, when suddenly
anregen sollte. Zuallererst bleibt da he focused on a thing which was less
der Hinweis darauf, dass es die per- than an inch from his eyes.
sönliche Pflicht eines jeden ist, auf
The thing, he discovered, was a
seine Ausrüstung aufzupassen. Da ist mouse. Yes, there was a mouse. Imaber noch mehr. Jeder, der mit der Si- mediately, he closed his mouth, with
tuation in einem Cockpit vertraut ist, all his nightmares coming true. This
kann sich nur unschwer vorstellen, damned mouse was flying with him. It
wie kritisch diese Situation war, und was flying with him inside his helmet,
wie gefährlich sie hätte werden kön- and there was no way to catch it. He
nen. Der Luftfahrzeugführer behielt knew that at once.
die Kontrolle über sein Luftfahrzeug.
Meanwhile, the Ground Control
„Maintain Aircraft Control!“…diesen Intercept controller was monitoring
so oft gehörten Spruch beherzithe flight path
gte er.
of
Captain
Ebenso wie das
„Analyze the situation“, und auch das
„Take propper
action!“ wurden situationsgerecht angewandt. Er
hat in dieser
Notsituation
das Wesentliche
vom Unwesentlichen getrennt.
Wichtig war, das
Flugzeug sicher
zu landen. Dafür
hat er die ihm
nach seiner Analyse klein erscheinenden Probleme
über Bord geworfen. Halt …
hat er nicht!
Vielleicht ist der
Spruch hier nicht
so richtig passend,
denn normalerweise zählen wir eine
Maus wohl zu den
eher kleineren Pro©Zeichnung von StFw Ingo Paul Dierkes
blemen.
M.‘s aircraft as he got a radio call. He
was trying to understand it, but he
couldn‘t. It was something like „I have
a ..ous.. in the ...“ but no more. So he
asked him to say the last transmission
again. But again, there was no way to
discover what the pilot wanted to inform him about. And so, getting a little nervous, he had to call him again,
to ask him to repeat his call. Now
there came the transmission, crystalclear, loud and very, very quick.
„I have a mouse in my helmet!“
This was enough to create, in a
split-second, a picture of the situation in the cockpit, or better yet in
the pilot‘s helmet. Needless to say,
that was also the last call of Capt. M.
He aborted the mission immediately,
flew back to the base without any radio call, and landed the aircraft very
quickly. As soon as he left the runway,
he jumped out of the cockpit, pulled
off the damned helmet and
threw it away.
After all the funny stuff
around that story there is of
course also something we
should think about: Taking
care of your flight gear isn‘t
the whole story. Everybody
who is familiar with the situation in a cockpit can imagine
how critical this situation was, and
how it could have deteriorated. But
the pilot kept this aircraft in controlled flight. That‘s the point. Don‘t think
too long about a problem, if there‘s
something you need to concentrate
on - like flying the aircraft. Maintain
control of the essentials, especially of
the aircraft. A proper action could also
be, to say nothing; to avoid any radio
call. That means, take your time, and
think about the basics. Concentrate
on the main thing - survival.
Don‘t get concerned with minor
problems. And a mouse is a tiny one.
But sometimes it could also create
you a new nickname, like „Captain
Mouse“.
21
Flugsicherheit
Who‘s in Charge?
von Oberstabsfeldwebel d. R.
Karl-Heinz Weiss, GenFlSichhBw
Das nachfolgend geschilderte Vorkommnis
konnte sich nur ereignen, weil durch einen
Geräteausfall der vorgesehene Trainer für den
Einsatz ausfiel, ein anderer Trainer nicht zur Verfügung stand und die
Nachschulung dadurch
gleich bei Step 2
des Ausbildungsabschnittes begann. Ohne
diesen Geräteausfall
wäre es nie zu dem Unfall gekommen. Er zeigt
aber auch, welche Auswirkungen das Überhandnehmen einer/von
Nebentätigkeit(en) hat.
22
Am Vormittag des 7. April 1971 sollte
eine aus einem Fluglehrer und einem
Flugschüler bestehende Luftfahrzeugbesatzung (LFB) der Waffenschule 50
(WaSLw 50) einen Formationsflug
mit der doppelsitzigen FIAT G 91 T/3
durchführen. Der Flugschüler befand
sich im Nachschulungsprogramm für
die G 91. Es war der achte Flug innerhalb des Programms und der erste
Flug in diesem Ausbildungsabschnitt
und gemäß dem Nachschulungsprogramm der WaSLw 50 mit der T/3 zu
fliegen. Bei den bis dahin durchgeführten Flügen und bis zum Eintritt
des Ereignisses wurden dem Flugschüler von den eingesetzten Fluglehrern
gute fliegerische Leistungen attestiert.
Der 34-jährige Fluglehrer hatte insgesamt 2.076 Flugstunden, davon 1.577
auf dem Waffensystem FIAT G 91.
In den vorangegangenen 90 Tagen
hatte er fast 55 Flugstunden und in
den vorangegangenen 30 Tagen 34
Flugstunden geflogen. Seinen letzten
Flug vor dem Unfall hatte er am Vortag durchgeführt.
Der 28-jährige Flugschüler hatte
insgesamt 539 Flugstunden, davon
151 auf dem Waffensystem FIAT G 91.
In der Zeit vom 3. Mai 1969 bis zum
2. Mai 1970 hatte er 15 Stunden auf
der T/3 und knapp 8 Stunden auf der
R/3 und in der Zeit vom 3. Mai 1970
bis zum 7. April 1971 14 Stunden auf
der T/3 und 23 Stunden auf der R/3
geflogen. In den vorangegangenen 90
Tagen hatte er 9 Stunden und in den
vorangegangenen 30 Tagen 8 Flugstunden geflogen. Seinen letzten Flug
vor dem Unfall hatte er am 23. April
absolviert. Die Nachschulung wurde
erforderlich, da ihm der MFS wegen
Nichterfüllung der Mindestforderung
(Flugstunden) gemäß der ZDv 19/11
entzogen wurde.
Der Flugschüler war Angehöriger
der theoretischen Ausbildungsgruppe
der I./WaSLw 50, in Nebenfunktion als
Navigationslehrer und daneben noch
in der Ausbildung für PHI und TCN für
angehende G 91-Piloten tätig. Dazu
gesellte sich noch seit dem Frühjahr
1970 die Ausbildung der Kampfbeobachter (KBO) für das in der Einführung befindliche Waffensystem RF4E Phantom II. Die KBO-Ausbildung
brachte nicht nur reine Unterrichtstä-
Bild von der PIZ LwA
tigkeit mit sich, sondern in einem sehr
hohen Maße auch die Tätigkeit in der
Noratlas (Hörsaalflugzeug) als Navigationslehrer. Diese Zeit ging für die
Erhaltung seines MFS verloren. Zusätzlich kamen noch weitere Nebenfunktionen. Als einziger der KBO-Ausbilder
hatte er die PHI-Ausbildung für die aus
den Staaten kommenden Flugzeugführer und Scheinerhaltern durchzuführen. Außerdem musste er noch
Unterricht über die Syp-820-Anlage
geben, womit ganze Tage für seine
Scheinerhaltung verloren gingen.
Obwohl er diesen Missstand seinem
Vorgesetzten vorgetragen hatte, sagte
dieser, dass man Prioritäten setzen
müsse und die Ausbildung vorrangig
sei. Er war eigentlich nur daran interessiert, die fliegerische Ausbildung der
KBO voranzutreiben und die FLOATChart unbedingt einzuhalten. Deshalb
musste der besagte Flugschüler praktisch ständig für den fliegenden Hörsaal zur Verfügung zu stehen.
Als die Luftfahrzeugbesatzung kurz
vor der Nummer 1 Position auf die Startfreigabe wartete, leuchtete das Generatorwarnlicht der T/3 auf. Der Generator ließ sich nicht mehr „resetten“.
Deshalb konnte der Flug nicht angetreten werden. Die Besatzung rollte
das Flugzeug zum Abstellplatz zurück.
Weil kein Doppelsitzer mehr zur
Verfügung stand, wurde – abweichend vom Nachschulprogramm und
weil der Nachschüler bei den vorausgegangenen Flügen gute fliegerische
Leistungen gezeigt hatte – die Luftfahrzeugbesatzung gegen 12:00 Uhr
zu einem Formationsflug mit zwei Flugzeugen der Einsitzervariante G 91 R/3
eingeteilt. Ab 12:30 Uhr wurde ein
ausführliches Briefing durchgeführt.
Nach der Zuteilung der Flugzeuge begab sich die LFB gegen 13:10 Uhr zu
den Maschinen. Wenig später rollten
sie zum Start und führten vorher in
der Nummer 1 Position den „run-up“
durch. Nach der Freigabe durch den
Kontrollturm starteten sie, bedingt
durch den Pistenzustand, einzeln auf
der südlichen Startbahnhälfte.
Während des Steigfluges wurde
ein „Re-join“ durchgeführt. Anschließend stieg die Rotte auf ca. 15.000
Fuß in Richtung Ingolstadt und flog
die für einen solchen Übungsflug vorgesehenen Manöver durch, und zwar:
Positionswechsel links und rechts, Geschwindigkeitsbremsen aus und ein,
Kurven mit verschiedenen Querlagen,
Langsamflug mit Fahrwerk und Landeklappen ausgefahrenen, Formation
auflösen und durch „Re-join“ wieder
herstellen. Zu diesem Zeitpunkt waren
sie ca. 25 Minuten in der Luft. Jetzt
gab der Fluglehrer über Funk die Anweisung „Stay loose“. Dies sagte er
nicht, weil er den Eindruck hatte, der
Flugschüler sei überfordert, sondern er
machte das routinemäßig. Bis zu diesem Zeitpunkt zeigte der Flugschüler
sehr gute Leistungen. Er flog gerade
in der Art wie die taktische Nummer 4
in einer Viererformation. Jetzt begann
der Fluglehrer eine Linkskurve mit einer
Kurvenbelastung von zwei bis drei g
und rund 40 Grad Schräglage und
wechselte dabei die Höhe zwischen
etwa 12.000 und 15.000 Fuß. Er rollte
aus und startete das gleiche Manöver
noch einmal.
Beim Übergang zum Steigflug fiel
der Rottenflieger etwas nach unten ab.
Durch Erhöhung der Triebwerksleistung versuchte er in die ursprüngliche
Position aufzuschließen. Kurz darauf
bemerkte er aus einer überhöhten Position, dass er relativ schnell auf das Führungsflugzeug aufschloss. Aus dieser
Lage glaubte er nicht mehr, wie üblich, zur Außenseite der Kurve abdrehen zu können, ohne in eine noch
gefährlichere Situation zu kommen. Er
entschloss sich daher, seine Maschine
über das Führungsflugzeug zur Innenseite der Kurve zu ziehen. Dabei kam
es zu einem Zusammenstoß. Er stieß
23
Flugsicherheit
mit dem linken Kraftstoffzusatzbehälter seines Flugzeuges gegen das Kabinendach der anderen Maschine. Der
Treibstoff aus dem dabei beschädigten
Außentank ergoss sich daraufhin über
den Flugzeugführer in das Cockpit der
Führungsmaschine.
Der Fluglehrer erinnerte sich: „Ich
verspürte einen harten Schlag auf den
Kopf, bei dem mir der Helm vom Kopf
gerissen wurde. Glassplitter flogen in
das Cockpit und ich wurde mit Treibstoff übergossen. Ich war benommen
und sah kurzfristig nichts mehr. In
diesem Moment wollte ich mit beiden
Händen nach dem Abzugsgriff des
Schleudersitzes greifen. Dies gelang
mir jedoch nur mit der rechten Hand.
Ich weiß nicht, warum ich die linke
Hand nicht nach oben brachte. Richtig
zur Besinnung kam ich erst wieder, als
ich am Rettungsschirm hing und feststellte, dass ich nicht mehr allzu hoch
über dem Erdboden war. Jetzt wollte ich
die „After-bail-out procedure = Maske, Weste, Feder, Kit“ durchführen.
Die Maske war nicht mehr vorhanden
(wahrscheinlich lag sie zusammen mit
dem Helm in Cockpit), die Weste hatte
ich nicht, da wir über Land mit dem
Schultergurt flogen, die Feder konnte
ich entfernen und das „Survival-Kit“
löste ich erst, als sicher war, dass ich
nicht im Wald landen würde. Als ich
nun etwas Zeit hatte, suchte ich am
Boden nach meinem Flugzeug, doch
ich konnte nirgends einen Aufschlagbrand entdecken. Unter mir sah ich zuerst eine Eisenbahnlinie und dann eine
Hochspannungsleitung und hoffte,
nicht darauf zu landen. Als ich sicher
darüber hinweg war, sah ich einen
kleinen Weiher und dachte mir, wenn
du jetzt da hinein fällst, ertrinkst du.
Bei einem späteren Besuch der Absturzstelle erzählte mir der Besitzer,
dass ich mindestens bis zu den Knien
im Morast des Fischweihers stecken
geblieben wäre. Die Landung erfolgte dann etwa 200 Meter von diesem Teich entfernt auf einem Acker.
Nach dem Lösen des Schirmes stellte
24
ich fest, dass ich nicht nur selbst bis
auf die Haut nass war und ganz schön
nach Treibstoff stank, sondern auch
der Schirm, das Survival-Kit und alles,
was daran hing.“
Der am Rettungsschirm hängende
Flugzeugführer wurde von einer Rotte
G 91 der WaSLw 50 gesichtet. Der in
dieser Formation befindliche Rottenflieger erinnert sich an das Ereignis:
„Mein Fluglehrer riss plötzlich seine
Gina (FIAT G 91 R/3) steil hoch, stieg
senkrecht in den Himmel und fuhr
gleichzeitig die Bremsklappen aus. Relativ dicht hinter ihm hatte ich alle Mühe
meine Position zu halten. Obwohl
ich mich schon ein Jahr an der Waffenschule der Luftwaffe 50 in der taktischen Ausbildung zum Aufklärer- und
Jagdbomberflugzeugführer befand,
war mir so ein Manöver völlig neu. Wir
hatten gerade erst die Führungsposition (Lead) in der Formation gewechselt, nachdem ich im Rahmen einer
Ausbildungsmission zuvor ein Ziel im
Schwarzwald aufgeklärt und ein anderes angegriffen hatte. Im Nacken
immer mein Fluglehrer. So kurz vor unserem Heimatplatz wollte er mir wohl
eine Auszeit gönnen oder ganz einfach selber leaden. Er hatte inzwischen
das Tiefflugband in 500 Fuß verlassen
und eine Höhe von über 10.000 Fuß
erreicht. Ich hing in Gedanken immer
noch dem abrupten Manöver meines
Fluglehrers nach, da hatte er schon
die nächste Überraschung für mich
bereit. „Schauen Sie mal nach oben,
in 10 Uhr hängt einer am Fallschirm“.
Tatsächlich, weißer Fallschirm, rote
Kombi, das musste einer von uns sein.
Aus dem rechten Augenwinkel sah ich
eine Gina, wie ich sie vorher noch nie
gesehen hatte. Ich wusste auch gleich
warum. Das Dach fehlte und auch der
Schleudersitz. Dieses Cabriolet flog in
15.000 Fuß Höhe in Richtung Bayerische Landeshauptstadt. Als Münchner war ich natürlich besorgt, hatte
aber keine Zeit mehr, mir darüber
Gedanken zu machen. Denn mein
Fluglehrer begann nun den Schirm zu
umkreisen und ich wollte mich nicht
abhängen lassen. Gleich darauf wechselten wir auf die Frequenz von Donau
Tower, dem Kontrollturm des Jagdgeschwaders 74 in Neuburg an der Donau. Hier beschrieb er kurz die Lage
und bat um die Entsendung eines Rettungshubschraubers. Wir umkreisten
weiter den Schirm, aber die rote Kombi
bewegte sich kein Stück. Unsere Sorge
wuchs, wir wussten immer noch nicht,
in welchem Zustand der Pilot war. Es
erschien mir eine Ewigkeit zu dauern, bis der Schirm sich endlich dem
Boden näherte. Je nach Perspektive
hatte ich mal den Eindruck, er würde
in ein großes Waldgebiet fallen, dann
wieder auf eine Wiese, dann auf einen
Acker oder auf einen einzeln stehenden großen Baum niedergehen. Endlich setzte er auf einem Acker auf. In
der Nähe arbeitete ein Landwirt. Mit
großer Erleichterung konnten wir erkennen, dass der Pilot seinen Schirm
aufsammelte und der Bauer auf ihn
zuging. Mein Fluglehrer meldete die
gute Nachricht umgehend an Donau
Tower und nach einer letzten Positionsangabe für den SAR-Hubschrauber machten wir uns schleunigst vom
Acker, denn unser Sprit wurde langsam immer knapper.“
Was weiter nach der Landung geschah schilderte der Flugzeugführer
wie folgt: „Ich sah auf dem Feld nebenan einen Landwirt mit seinem Traktor.
Als er mich in meiner orangefarbenen
Fliegerkombi, mit dem Schirm und Kit
unter dem Arm sah, fragte er mich
sofort: ‚Wo kimmst denn du her?’ Ich
sagte ihm, dass ich mit einem anderen Flugzeug zusammen gestoßen sei,
worauf er feststellte: ‚Gell, bist mit’m
Starfighter gfahr’n!’ Nach der Erklärung, dass ich nicht mit’m Starfighter
gfahr’n sei, fragte ich ihn: ‚Wo bin ich
denn hier?’ Der Bauer antwortete: ‚In
Schillhofen!’ Ich wollte das etwas genauer wissen, da ich Schillhofen damals noch nicht kannte, und fragte:
‚Wo ist denn Schillhofen?’ Darauf der
Bauer: ‚Bei Röhrmoos!’ Ich fragte:
‚Und wo ist Röhrmoos?’ Darauf zeigte
der Bauer in Richtung Nordosten und
sagte: ‚Da dreant (da drüben)!’ (Röhrmoos liegt ca. 10 km nördlich von
Dachau an der Bahnstrecke München Ingolstadt). Jetzt kam der Schwiegersohn, der auf dem Feld nebenan
gearbeitet hatte, und brachte mich
zu seinem Hof. Von hier aus rief ich
den Einsatzoffizier meiner Staffel an
und erfuhr, dass mich der Flugschüler
gerammt hatte, der bei der zweiten
Kurve zurückfiel und beim Wiederaufschließen über mein Flugzeug kam
und mir mit dem Außentank das Kabinendach einschlug. Dabei wurde der
Tank aufgerissen und der Treibstoff,
es dürften zu diesem Zeitpunkt noch
ca. 200 Liter gewesen sein, kam zu mir
ins Cockpit. Ein Hubschrauber, der sich
gerade in der Luft befand, wurde umdirigiert und schon 15 Minuten später
war ich auf dem Weg zum Fliegerhorst
Fürstenfeldbruck.“
Hier war zwischenzeitlich das zweite Flugzeug durch den Rottenflieger
ohne weitere Beanstandungen gelandet worden. Lediglich der eingedrückte und geplatzte hintere Teil des
linken Kraftstoffzusatzbehälters wies
auf den Unfall hin.
Beim Rettungsausschuss wurde das
IFF/SIF-System der G 91 automatisch
auf Notsignal geschaltet. So konnte das führerlose Flugzeug durch die
Radarüberwachung genau verfolgt
werden. Es flog zuerst kurz in Richtung München, ging dann auf Richtung Nord, wo es östlich an Augsburg
und Donauwörth und nordwestlich
am Weißenburg vorbeizog. Kurz vor
Nürnberg drehte das Flugzeug nach
rechts in Richtung Osten und dann
noch weiter nach Südosten, wobei es
an Regensburg, Deggendorf und Passau vorbei flog.
Inzwischen wurde beim Jagdgeschwader 74 in Neuburg an der Donau die Alarmrotte mit zwei F-104G
Starfighter alarmiert. Diese flog auch
hinter dem führerlosen Flugzeug her,
bekam aber keine Abschusserlaubnis
Bild aus der Flugunfallakte
und musste, als die G 91 in die Grenzsicherheitszone (ADIZ) zur damaligen
Tschechoslowakei eindrang, abdrehen. Die G 91 behielt jetzt den Südostkurs bei, kratzte die Grenze zur CSSR
an und drang in den Luftraum von
Österreich ein.
An diesem Nachmittag arbeitete ein
Bauer auf seinem Feld in Biberbach,
einem kleinen Dorf zwischen Linz und
Amstetten. Er war es, der das Ende der
G 91 miterlebte. Er sah das Flugzeug
gegen 15:30 Uhr auf sich zukommen
und beobachtete, wie die Maschine
auf dem Acker seines Nachbarn abstürzte und in dem sehr weichen Erdreich verschwand.
Bei der Untersuchung des Flugzeugführers/Fluglehrers durch den Leiter der Sanitätsstaffel in Fürstenfeld25
Flugsicherheit
bruck wurden folgende Verletzungen
festgestellt: Eine Beule am rechten
Hinterkopf, der Kinnriemen hatte die
Haut am Hals und unter dem Kinn abgezogen, im rechten Ohr war JP-4, es
war angeschwollen (und für mehrere
Jahre nicht einsehbar) und am rechten Oberarm hatte er einen ca. drei
Zentimeter langen Schnitt, der sehr
langsam heilte. Außerdem hatte er
für ein paar Tage, bedingt durch den
Ausschussknall, einen Dauerton von
tausend Hertz im rechten Ohr.
Es gab allerdings noch einen weiteren Verletzten: Der Stellvertreter des
Flugsicherheitsoffiziers wurde bei der
Suche nach dem Schleudersitz von einer Kreuzotter gebissen. Doch auch
dieser konnte durch das Fachpersonal
der Sanitätsstaffel gerettet werden.
Nach der Untersuchung konnte der
Flugzeugführer sich unter der Dusche
vom JP-4 befreien. Anschließend ging er
zum Kommandeur der Waffenschule –
gerade als der den Inspekteur der Luftwaffe in der Leitung hatte. Der wollte
natürlich wissen, wo denn das Flugzeug sei. Er konnte es ihm nicht sagen,
da es sich zu diesem Zeitpunkt noch in
der Luft befand.
Die Luftwaffe schickte schon zwei
Tage später ein Bergungskommando
unter der Leitung des Flugsicherheitsstabsoffiziers der WaSLw 50 zur Absturzstelle. Da Österreich zu diesem
Zeitpunkt noch strikt neutral war und
um politische Komplikationen zu vermeiden, musste sich dieses Kommando als einer Schrottfirma angehörig
ausgeben. Man suchte bis zu einer Tiefe von ungefähr 15 Metern nach dem
Flugzeug, fand aber nur ein paar kleine
Trümmer. Deshalb entschied man sich,
den Rest der G 91 in der Erde zu lassen
und das Loch zuzuschütten. Der Besitzer des Ackers stellte später Schadenersatzansprüche in Höhe von 30.000
Schilling. Der größere Teil des Schadens wurde allerdings nicht durch das
abgestürzte Flugzeug verursacht, sondern durch den Massenansturm niederösterreichischer Trophäensammler.
26
Die Regierung in Wien erwog einen
Einfuhrzoll für das Flugzeug zu erheben, da sie der Meinung war, dass
die FIAT G 91 R/3 beim Überschreiten
der österreichischen Grenze noch voll
funktionsfähig war und deshalb den
vollen Wert von 1,7 Millionen Mark
darstellte. Dies wurde aber später
nicht weiter verfolgt.
Dazu war auf der Seite 18 der Ausgabe 17/1971 des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ vom 19.04.1971 zu
lesen:
FREIWILLIGE VERNICHTUNG
Bonn soll für einen in Österreich
abgestürzten Bundeswehr-Düsenaufklärer Zoll bezahlen. Grund: Durch
„das Überfliegen der österreichischen
Staatsgrenze ohne Bewilligung“ wurde „der Tatbestand der widerrechtlichen Einbringung“ (gemeint: Einfuhr)
erfüllt – so argumentieren zumindest
Beamte des Zollbezirks Amstetten, in
deren Amtsbereich die bundesdeutsche Fiat G 91 R/3 am 7. April auf
einem Feld zerschellte, nachdem der
Pilot bei Fürstenfeldbruck (Bayern)
nach einer Kollision aussteigen musste
und die führerlose Maschine im ZickZack-Kurs über 300 Kilometer weitergeflogen war. Als Abgaben-Bemessungsgrundlage muss nach Meinung
der Amstettener Zöllner der Neuwert
des Flugzeugs von 1,7 Millionen Mark
gelten, weil die FIAT G 91 R/3 ja im
Moment der „Einbringung“ noch völlig intakt gewesen sei und sich erst Minuten später in einen Schrotthaufen
verwandelt habe. Falls Wien tatsächlich Zollgebühren verlangen sollte,
bliebe Bonn nur der Versuch, den Absturz in eine „freiwillige Vernichtung“
umzudeuten, denn: Österreichs Zollvorschriften lassen die Befreiung von
den Abgaben zu, falls der Importeur
die Ware selbst vernichtet.
Als Verursacher dieses Unfalls wurde durch den Unfalluntersuchungsausschuss der Flugschüler bestimmt.
Er soll, in dem Bestreben, seine ihm
zugewiesene Position zu dem nach
links oben wegziehenden Führungs-
flugzeug beizubehalten, die Triebwerksleistung erhöht und den Zug
am Steuerknüppel verstärkt haben. In
der Folge schloss sein Flugzeug relativ schnell auf das Führungsflugzeug
auf und geriet in eine überhöhte, sich
mit dem Führungsflugzeug kreuzende
Flugbahn. Er entschloss sich – entgegen der sonst üblichen Methode in
solchen Situation, nämlich zur Außenseite der Kurve auszubrechen – über
das Führungsflugzeug zur Innenseite
der Kurve zu wechseln. Als Begründung dafür gab er an, dass er aufgrund der überhöhten Position bei
einem Abdrehen zur Außenseite der
Kurve das Führungsflugzeug aus den
Augen verloren hätte und dies als eine
größere Gefahrensituation ansah.
Der Unfalluntersuchungsausschuss
schlug vor, den Flugschüler nur dann
in einer weiteren fliegerischen Verwendung zu belassen, wenn ein regelmäßiger fliegerischer Einsatz gewährleistet wird. Er war der Ansicht, dass,
sofern ein regelmäßiger fliegerischer
Einsatz gesichert sei, eine derartige
Fehleinschätzung in Zukunft auszuschließen sei.
In seiner Stellungnahme über die
Vorschläge des Untersuchungsausschusses stellte der Kommandeur der
Waffenschule fest: „Eine Erhöhung des
fliegerischen Einsatzes des Flugzeugführers unter gleichzeitiger Herauslösung aus seinem Aufgabengebiet
bzw. unter Verminderung derzeitiger
Aufgaben ist nicht denkbar. Er ist
aufgrund seiner guten theoretischen
Leistungen als Navigationslehrer in der
Kampfbeobachterausbildung
RF-4E
eingesetzt. Sein Verbleib ist aus personellen Gründen dringend erforderlich. Ich schlage daher vor, ihn in der
derzeitigen Tätigkeit als Navigationslehrer zu belassen, jedoch von einem
weiteren fliegerischen Einsatz als Flugzeugführer abzusehen. Als Anschlussverwendung kann eine Tätigkeit als
Kampfbeobachter in einem RF-4E-Einsatzverband vorgesehen werden.“
Der General Flugsicherheit in der
Bundeswehr stimmte in seiner abschließenden Stellungnahme den Ergebnissen der Unfalluntersuchung zu
und empfahl: Es wird empfohlen, den
betroffenen Flugzeugführer nur dann
auf Jet weiterzuschulen, wenn sichergestellt werden kann, dass er die geforderten Flugzeiten erfüllen kann.
Der weitere Werdegang des Flugschülers ist dem Verfasser nicht bekannt.
Vordergründig war es nur eine MidAir-Collision. Wenn man aber genauer
hinschaut, ist schon weit im Vorfeld ein
organisatorisches Fehlverhalten seitens
höherer Kommandobehörden und der
Verbandsführung bis hinunter auf die
Staffelebene zu erkennen. Hier wurde ein Offizier, in dessen fliegerische
Ausbildung viel Geld investiert wurde, dem gute fliegerische Leistungen
attestiert wurden, der aber auch gute
Lehrerfolge bei der theoretischen Ausbildung von Flugschülern und in der
Kampfbeobachterausbildung erzielte,
demontiert.
Aus heutiger Sicht würde auch
das Fehlverhalten des Flugschülers als
Unfallursache festgelegt. Allerdings
bekämen auch die vorgesetzten Kommandobehörden und die Vorgesetzten
im Verband ihr Fett weg. Sie hatten es
versäumt, sich rechtzeitig auf das höhere Ausbildungsaufkommen einzustellen, weitere Navigationslehrer auszubilden und die Last der Ausbildung
auf mehr Schultern zu verteilen.
Was lernen wir aus diesem Vorfall?
Nebentätigkeiten müssen sein. Allerdings müssen sie gleichmäßig verteilt
sein. Der Umfang der Nebentätigkeit
darf kein solches Ausmaß annehmen,
dass es zulasten des fliegerischen Leistungsstandes eines Flugzeugführers
geht.
Bilder von der PIZ LwA
Quellennachweis:
Unfallakte
http://www.fursty.org/historie/geschichten
http://www.jabog49.de/warstories/unbemanntegina.pdf
http://wissen.spiegel.de/wissen/archiv
27
Flugsicherheit
e
i
S
m
n
i
e
t
h
m
c
i
e
r
r
?
p
S
Von Maj Oscar Gibbs und MSgt Douglas Schmidt, 435 AMDS/HPTT
Ramstein AB, GE
mit freundlicher Genehmigung FSM
Ein routinemäßig durchgeführter Nahverkehrsflug war pünktlich und
verlief ohne Zwischenfälle. Auf dem zweiten
Streckenabschnitt kam
es jedoch beim Sinkflug
durch 11.800 Fuß MSL
zu einem Abkippen des
Luftfahrzeugs. Die Ermittlungen ergaben,
dass die Triebwerke
bis zu diesem Moment
keine Auffälligkeiten
zeigten.
28
Augenzeugen, die das Unglück beobachteten, berichteten von einem
Zerlegen des Luftfahrzeugs im Flug,
begleitet von Feuer, Brüchen am
Tragflügel, hochdrehenden und stotternden Triebwerken und Flachtrudeln. Das Luftfahrzeug schlug aufrecht
mit dem Flügel in Horizontallage auf
dem Boden auf. Alle Personen an Bord
kamen dabei ums Leben.
Das NTSB (National Transportation
Safety Board) fand heraus, dass sich
die Höhenflosse, in diesem Fall ein
T-Leitwerk, vom Rumpf löste und es
nachfolgend aufgrund der hohen aerodynamischen Belastung zu Brüchen in
der Struktur kam. Man entdeckte, dass
47 Schraubverbindungen an der Oberseite der Vorderkanten-Baugruppe
des T-Leitwerks fehlten. Sie wurden in
der vorhergehenden Nacht bei planmäßigen Wartungsarbeiten an den
Gummischlauchenteisern der Höhenflosse entfernt.
Zwei Mechaniker der Abendschicht
entfernten die meisten Schrauben an
You talking’ to me?
A routine commuter flight was on
time and without incident. However,
during a second-leg descent through
11.800 MSL, a sudden pitch over occurred. Investigation revealed that
the engines were operating normally
until that time. Eyewitnesses to the
airplane‘s final moments described
an inflight breakup and fire, wing failures, the sounds of engines revving
and sputtering, and a flat spin. The
aircraft impacted the ground upright
in a wings level attitude. All persons
onboard were killed.
The NTSB discovered that the horizontal stabilizer, or T-tail, separated
from the fuselage causing subsequent
aerodynamic loading failures to the remaining structure. Forty-seven screw
fasteners were discovered missing
from the upper surface of the T-tail’s
leading edge assembly. They had been
removed during routine maintenance
on the horizontal stabilizer de-ice
boots the night before.
Bild aus der US-Air Force Photo Gallery
der Unterseite der rechten Vorderkante und teilweise den dort angebrachten Gummischlauchenteiser. Ein
Prüfer half den beiden Mechanikern,
indem er auf das T-Leitwerk kletterte,
um die Schrauben der rechten wie
auch linken Oberseite zu entfernen. Er
legte die noch brauchbaren Schrauben
in eine Tüte und entsorgte die restlichen. Die Schrauben an der linken
Unterseite wurden nicht entfernt.
Nachdem die dritte Schicht die Arbeiten übernommen hatte, wurde
schließlich die rechte VorderkantenBaugruppe entfernt und ein neuer
Gummischlauchenteiser
angeklebt.
Die gesamte Aufgabe war ursprünglich
der dritten Schicht zugeteilt worden.
Der Leiter der zweiten Schicht entschied sich jedoch dafür, bereits während seiner Schicht mit den Arbeiten
zu beginnen, um die Arbeitsbelastung
für die dritte Schicht zu vermindern.
Da jedoch der Kartensatz der dritten
Schicht zugeteilt war, entschied sich
der Leiter der zweiten Schicht, die Arbeitskarten nicht an seine Mechaniker
auszugeben. Daraus folgte, dass auf
der Rückseite der M-602-Arbeitskarten keine Eintragungen gemacht
wurden, die die dritte Schicht über die
begonnenen Arbeiten an der linken
wie auch rechten Seite der Höhenflosse informiert hätten. Ebensowenig
wurden der Leiter der dritten Schicht
und seine Mechaniker mündlich über
das Entfernen der Schrauben an der
Oberseite der linken Baugruppe informiert.
Vor kurzem hielt ich ein Briefing, das
ein Übungsvideo zur Vorstellung des
Themas „Selektive Wahrnehmung“
enthielt. Ich fragte die Teilnehmer, ob
ihnen irgendetwas Ungewöhnliches in
dem Video aufgefallen sei, was einige
von ihnen verneinten. Als ich das Ungewöhnliche in dem Video beschrieb,
zeigte sich ein Pilot, der zuvor angab,
es bemerkt zu haben, überrascht. Da
stellt sich die nächste Frage, warum
er vergaß, es ursprünglich bemerkt
zu haben, wenn dies gar nicht zutraf?
Lag es vielleicht daran, dass es fast jeder um ihn herum gesehen hatte und
er sich einfach nicht die Blöße geben
wollte? Vielleicht war es so, was jedoch kein sehr guter Grund ist („mit
dem Strom zu schwimmen“). Das hier
Entscheidende ist, zu sagen, wenn
etwas nicht verstanden oder wahrgenommen wurde. Es ist unbedingt
erforderlich, dies den anderen CrewMitgliedern mitzuteilen.
Wir alle neigen dazu anzunehmen,
dass für uns offensichtlich anomale
Geschehnisse auch von den anderen
„gesehen“ werden. Leider kann diese
Annahme tödliche Folgen haben.
Wir müssen über Probleme sprechen, wenn sie sich ergeben. Die Vielzahl der Kanäle, durch die Informationen fließen, erhöht die Möglichkeit
der Verfälschung bei der Übertragung
oder des völligen Verlustes der Information. Der erste Schritt bezüglich
guter Kommunikation ist, nie anzunehmen, dass der Empfänger die
übermittelte Nachricht versteht, nur
weil sie für einen selbst offensichtlich
ist. Diese Erkenntnis führt zum Verstehen und der Anwendung von Crew
Resource Management (CRM).
CRM ermöglicht es Luftwaffenangehörigen, ihre Leistungen durch
Wissen und Fertigkeiten direkt in ihrem
Anwendungsbereich zu verbessern.
Die CRM-Ausbildung ist eine Schlüsselkomponente einer gemeinsamen
Anstrengung zur Identifizierung und
Bewältigung von Zuständen, die zu
Fehlern führen. Die Ziele von CRM
sind die Maximierung von Einsatzwirksamkeit und Kampfkraft, der Schutz
und die Erhaltung des Personals der
US-Luftwaffe und der materiellen
Hilfsmittel, die Entwicklung von Fertigkeiten, um fehlerträchtige Zustände
zu erkennen und darauf zu reagieren,
und das Leistungsvermögen der Crew
bezüglich ihrer CRM-Fertigkeiten zu
entwickeln.
Zu den grundlegenden CRM-Fertigkeiten gehört, sicherzustellen, dass
Two evening shift mechanics removed most of the screws on the bottom right leading edge and partially
removed its de-ice boot. An inspector
assisted the mechanics by climbing on
top of the T-tail to remove the screws
on both of the upper right and left
sides. He placed the useable screws
in a bag, and discarded the rest. The
bottom left side screws were not removed.
Following a change over to the
third shift, the right leading edge assembly was eventually removed and
a new de-ice boot was bonded onto
it. The entire task had originally been
assigned to the third shift, but the second shift supervisor elected to start
the work to assist the third shift with
their workload. However, because the
card package was assigned to the third
shift, the second shift supervisor decided not to issue the work cards to his
mechanics. As a result, no entries were
made on the reverse side of the M-602
work cards that would have informed
the third shift that work had been started on both the left and right stabilizer.
The third shift maintenance supervisor
and mechanics also were not verbally informed of the removal of the left
side assembly’s upper screws.
Recently, I presented a briefing that
included a video demonstrating “selective percep tion”. I asked the audience
if they had noticed anything unusual
in the video, to which a few answered
negatively. When I described what
was unusual, one pilot who had previously indicated he had noticed it,
looked surprised. Next question-why
did he say he had originally noticed it
when he didn ‘t?Was it because everyone around him had seen it and he
didn’t want to be the odd man out?
Maybe, but not a good reason to “go
along with the crowd”. Bottom line, if
you don’t get it-say so. It’s imperative
to communicate that to the rest of the
crew.
We all have a tendency to assume
that others will “see” abnormalities
29
Flugsicherheit
jeder für den Einsatz auf dem gleichen
Stand ist. Es ist wesentlich, die Bedeutung der Informationsgewinnung und
der daraus folgenden sachkundigen
Entscheidungsfindung hervorzuheben.
Ebenso wichtig ist es, auf die Rückmeldeschleife zu achten, um sicherzustellen, dass die Information richtig empfangen wurde.
Die Rückmeldeschleife verstärkt
den Prozess zwischen Verschlüsselung, Kanal und Entschlüsselung. Der
„Entschlüsselungs“-Block verdeutlicht
die Tendenz zu „selektiver Wahrnehmung“ durch ihre Crew. Zu selektiver
Wahrnehmung kommt es dann, wenn
der Empfänger die Nachricht basierend
auf seinen Bedürfnissen, Beweggründen, Erfahrungen, Hintergründen und
anderen persönlichen Eigenschaften
sieht oder hört. Der Empfänger entschlüsselt die Nachricht nicht so wie
sie verschlüsselt oder übermittelt
wurde. Präzise Kommunikation besteht nicht nur aus der Übertragung
von Informationen, sondern auch aus
dem genauen Verstehen der Nachricht.
Einfache Kommunikation von einer
Schicht-Crew zur nächsten ist von entscheidender Bedeutung, um Fehler zu
vermeiden, die tödliche Folgen haben
können. Nehmen Sie niemals an, dass
Ihre Zuhörerschaft versteht, was Sie
mit Ihrem Tun oder Ihren Worten vermitteln wollen. Nutzen Sie die Rückmeldeschleife, um sicherzustellen,
dass Ihre Nachricht auch richtig empfangen wurde.
30
that we think are obvious. Unfortunately, this assumption can have deadly
results.
We need to communicate issues as
they arise. The multiple channels that
information passes through amplify
the opportunity for miscommunication, or missed communication. The
first step in good communication is
never assuming the receiver understands the message you are conveying
just because it is obvious to you. This
leads to understanding and utilizing
Crew Resource Management (CRM).
CRM provides airmen with performance-enhancing knowledge and
skills directly applicable to their roles.
CRM training is a key component of
a combined effort to identify and manage the conditions that lead to error.
The goals of CRM are to maximize
operational effectiveness and combat
capability; to preserve Air Force personnel and material resources; to develop
skills in recognizing and responding to
conditions that lead to error; and to
develop crew proficiency in CRM skills.
Basic CRM skills include ensuring that
everyone is on the same page for the
mission. It is vital to stress the signifi-
cance of gathering information and
making a knowledgeable decision. It
is also critical to pay attention to the
feedback loop (see diagram ), to ensure the communication was received
accurately.
The feedback loop emphasizes the
process between encode, channel and
decode. The “decode” segment highlights the tendency towards “selective
perception” by your crew. Selective
perception is when the receiver sees
or hears based on their needs, motivations, experiences, background and
other personal characteristics. The receiver does not decode the message as
it was encoded or channeled.
Accurate communication is not only
the transfer of information, but also
the accurate understanding of the
message.
The simple communication of
one shift crew to the next is vital to
avoiding errors that can have a fatal
outcome. Never assume that your audience understands what your actions
or words are meant to convey. Use the
feedback loop to ensure your message
was accurately received.
Bild aus der US Air Force Photo Gallery
Nachtrag zum Beitrag
Gesamtrettungssysteme
aus der Flugsicherheit in der Bundeswehr 03-2009
Aufgrund von falscher
Handhabung bzw. Missachtung der eindeutigen
Sicherheitshinweise
ereignete sich ein Zwischenfall am Flughafen
Frankfurt. Die folgenden
Zeitungsberichte verdeutlichen die möglichen Gefahren, die
bei nicht sachgemäßem
Umgang der leistungsfähigen Rettungssysteme
entstehen können.
Frankfurter Flughafen (FAZ)
Explosion in Postzentrum – ein Verletzter
Das Briefzentrum mit seinen knapp
400 Beschäftigten wurde nach der Explosion umgehend geräumt.
Bei einer Explosion im Internationalen Briefzentrum am Frankfurter Flughafen ist am Montag ein Zollbeamter
leicht verletzt worden. Beim routinemäßigen Öffnen eines Päckchens habe
außerdem ein Postmitarbeiter einen
Schock erlitten. Wie die Frankfurter
Polizei berichtete, war zunächst unklar, welcher Gegenstand den Vorfall
verursachte. Es sei bisher auch nicht
bekannt, woher das Päcken kam und
an wen es adressiert war.
Die Polizei wollte auch nicht von
einer Explosion sprechen, sondern
von einer „Verpuffung“, die vielfältige Ursachen haben könne. Es gebe
auch keine Schäden am Gebäude. In
die Ermittlungen vor Ort wurden auch
Sprengstoffexperten
eingeschaltet.
Der Zöllner erlitt laut Polizei eine Verletzung an der Hand. Er wurde ambulant im Krankenhaus behandelt. Das
Briefzentrum, in dem zum Zeitpunkt
des Vorfalls rund 380 Postmitarbeiter
und elf Zollbeamte arbeiteten, wurde
umgehend geräumt.
Das Postzentrum am Flughafen
ist der deutsche Knotenpunkt für
sämtliche Lieferungen von und nach
Deutschland. Insgesamt sind hier nach
Angaben der Post rund 1.700 Mitarbeiter beschäftigt. Sie verteilen täglich
im Durchschnitt 2,3 Millionen Briefe,
7.000 Pakete und 18.000 Päckchen.
Rund 70 Beschäftigte des Zolls kontrollieren im Schicht-Betrieb stichprobenartig Brief- und Warensendungen,
zum Beispiel auf Verstöße gegen die
Zollbestimmungen oder Schmuggel
von Rauschgift und Medikamenten.
Frankfurter Flughafen (Die Welt)
Sprengkapsel für Fallschirm löste
Explosion aus
Die Verpuffung im internationalen
Postzentrum am Frankfurter Flughafen, bei der zwei Menschen leicht verletzt wurden, ist vermutlich aufgeklärt.
Die Explosion wurde wahrscheinlich
durch pyrotechnische Teile ausgelöst,
die bei Ultraleichtflugzeugen für das
Aufspannen des Rettungsfallschirms
sorgen sollen.
Das Päckchen aus Costa Rica enthielt die Sprengkapsel eines Fallschirms, wie die Polizei in Frankfurt
mitteilte. Beim Öffnen des Pakets
durch Zollbeamte sei die Kapsel am
Montagnachmittag explodiert, sagte
Pressesprecher Karlheinz Wagner. Bei
der Verpuffung erlitt ein 48 Jahre alter
Zollbeamter leichte Verbrennungen,
Schnittwunden an der rechten Hand
und ein Knalltrauma. Ein 53-jähriger
Postbediensteter trug ebenfalls ein
Knalltrauma davon. Beide wurden in
einem Krankenhaus ambulant behandelt und konnten noch am Montag
entlassen werden.
Die zwei Zollbeamten und der Postbedienstete hatten das Paket routinemäßig in einem kleinen separaten
Raum im internationalen Postzentrum
kontrolliert. Es war für eine Fachfirma
in Deutschland bestimmt. Die Kripo
ermittelt nun, ob die Sendung ordnungsgemäß gekennzeichnet und
verpackt war. Wenn dies nicht der Fall
gewesen sei, läge ein Straftatbestand
vor, sagte Wagner.
31
Flugsicherheit
Wir verabschieden ...
Oberstleutnant Karl-Friedrich Eppler begann seine Laufbahn innerhalb der Bundeswehr 1978 im LAR Roth. Vor
der fliegerischen Ausbildung in den Staaten absolvierte er seinen Offizierlehrgang an der OSLw in Fürstenfeldbruck. Als
Waffensystemoffizier auf dem Waffensystem F-4F kam er 1981 nach Deutschland zurück, wo er zuerst in der 1. Jagdstaffel
des JG 71 „R“ in Wittmund und anschließend in der 2. Staffel des JaboG 36 „W“ in Rheine Erfahrungen im Cockpit
sammelte. Zur Krönung seiner fliegerischen Laufbahn durchlief er 1987 die Waffenlehrerausbildung in Kalifornien. Danach war er für ein Jahr im Ausbildungsschwarm Bremen beim LTG 62 tätig, bevor er von 1990 bis 1991 seine erste Stabsverwendung als A3b beim Kdo 3. LwDiv in Kalkar erlebte. Von 1991 bis 1995 folgten Verwendungen als EStOffz 1. und
Staffelkapitän 2. Jagdstaffel JG 72 „W“ in Rheine. Dem Ruf der Hardthöhe folgend war er von 1995 bis 1996 Referent im
BMVG P IV 2, gefolgt von einer dreijährigen Auslandsverwendung als Staffelkapitän in der AusbStff F-4 Holloman AFB/NM
USA. Zurück in Deutschland wurden seine guten Sprachkenntnisse als Chief Defensive OPS HQ AIRNORTH in Ramstein genutzt. Die nächste Station in seiner Laufbahn war die Verwendung als stellvertretender Kommandeur Flg Grp JG 71 „R“.
Es folgte eine Verwendung als Dozent an der FüAk Bw in Hamburg und danach im Luftwaffenamt als Dezernatsleiter b
bei der Abteilung FlSichhBw. Oberstleutnant Eppler hat uns zum 01.11.2009 in Richtung FüL III 4 verlassen, um hier die
Aufgaben als Referent „Grundsatz Flugbetrieb“ zu übernehmen. Dafür wünschen wir ihm allzeit viel Erfolg.
Der gelernte Elektroanlageninstallateur / Energieanlagenelektroniker Hauptmann Michael Waldmann ist seit 1984
bei der Bundeswehr. Nach der Grundausbildung in Frankenberg/Eder wurde er zum 4./Inst Btl 2 nach Fuldatal versetzt,
wo er sich vom Funkgerätemechaniker zum stv. InstZugFhr (inkl. Ausbildung zum Industriemeister Elektrotechnik / Nachrichtentechnik) qualifizierte. Nach einer Versetzung zum 3./Inst Btl 220 im September 1993 erfolgte der Laufbahnwechsel
und die Ausbildung zum OffzMilFD (Technikerausbildung Kommunikationstechnik in Feldafing und Offizierschule des
Heeres in Hannover). Mit der Versetzung zur Drohnenbatterie 12 in Hardheim wurde er als InstOffz Elo/Zugführer des
Inst Zug Drohne CL289 eingesetzt. In dieser Funktion war er während des Kosovo-Krieges 1999 für 4,5 Monate im Einsatz.
Im Folgejahr war er mit dem Ulfz-System LUNA im Kosovo. Im Januar 2002 folgte die Versetzung zum LwA Abt FlSichhBw
Dez d als LfzEloOffz auf den neu geschaffenen Dienstposten. Seitdem bestand für GenFlSichhBw die grundsätzliche Möglichkeit, Flugunfälle mit ULfz gem ZDv 19/6 zu untersuchen. In den vergangenen acht Jahren in der Abteilung nahm er an
ca. 30 Flugsicherheitsinformationsbesuchen / -Inspizierungen teil. Sein Aufgabengebiet umfasste die Bewertung der Vorschriften für den Flugbetrieb mit ULfz unter Beachtung der vorhandenen Heeres- und Lw-Vorschriften, die Erstellung von
grundsätzlichen Vorgaben und Vorschriften für den Flugbetrieb, der Zwischenfall- und Flugunfalluntersuchung bzw. der
Standardisierung aufzugreifen und die Schaffung von Grundlagen für die Flugsicherheitsarbeit im Bereich der Verbände
mit ULfz des Heeres zu etablieren. Hauptmann Waldmann wird nun zur TSL/FSHT LehrGrp A IV.Insp nach Eschweiler versetzt, um als Hörsaalleiter und Leiter der Ausbildungswerkstatt für Schlüsselgeräte/ SATCOM tätig zu sein.
Vielen Dank für die geleistete Arbeit in der Abteilung und für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg.
Wir begrüßen ...
Oberstleutnant (Dipl.Päd.) Thorsten Denkmann ist der Nachfolger von Oberstleutnant Eppler. Er trat 1985 in die
Bundeswehr ein und absolvierte seine Grundausbildung in Ulmen, um danach seinen Grundwehrdienst beim Stab LTG 61 in
Penzing abzuleisten. Als Wiedereinsteller nahm er an dem OffzLehrg OA TrpDst an der OSLw in Fürstenfeldbruck teil. Nach
anschließender Ausbildung bei der FlBtrbStff LTG 61 in Penzing studierte er dreieinhalb Jahre an der UniBw in München
(Pädagogikstudium). Ab 1992 begann seine fliegerische Ausbildung bei der 9./OSLw in Fürstenfeldbruck, danach durchlief
er die Waffensystemausbildung in Mather AFB, USA. Bis 2000 war er als WaSystOffz F-4F in der 2./JG 71 „R“, Wittmund
aktiv, davon die letzten beiden Jahre als Einsatzstabsoffizier. Darauf folgend wurde er drei Jahre als Staffelkapitän in
der 1. Jagdstaffel des JG 71 „R“ eingesetzt. Es schloss sich eine Verwendung als Lehrstabsoffizier an der Sprachenschule
in Hürth und die Teilnahme am internationalen Generalstabs-/Admiralstabsdienst an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg an. Nach seiner internationalen Verwendung als Adjutant DCOM bei CC AIR HQ in Ramstein war er
als Kommandeur FlgGrp JG 71 „R“ in Wittmund tätig, bevor er dann zum Luftwaffenamt AbtFlSichhBw in Köln kam. In
seiner neuen Verwendung als Dezernatsleiter b wünschen wir ihm alles Gute und einen gelungenen Start.
Oberleutnant Stefan Galonska ist seit 1993 in der Bundeswehr. Nach der Ausbildung zum RadarMechUffz GREEN
ARCHER beim 3./Instandsetzungsbataillon 110 in Wesel und zum RadarMechFw LÜR beim 4./Instandsetzungsbataillon 7
in Borken folgte im Sommer 2000 die Ernennung zum BS. Mit der Zulassung zum OffzMilFD war sein Standort Feldafing
für zwei Jahre, um die Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker für Elektrotechnik abzuschließen. Nach einem
Truppenpraktikum und dem Besuch der Offizierschule in Dresden folgte die Verwendung als Zugführer InstZg Drohnen
CL 289 in Stadtallendorf. Hier blieb er auch nach der Umgliederung bis zur Auflösung der letzten Drohnenbatterie und ist
seit dem 31.Dezember 2009 als Nachfolger von Hauptmann Waldmann der Ansprechpartner bei General Flugsicherheit
im Dezernat d für die Technik unbemannter Luftfahrzeuge. Für die neue Verwendung in Köln wünschen wir viel Freude
und Erfolg.
32
Flugsicherheit
Ausgabe 4 / 2009
Heft 4 Dezember 2009 - 46. Jahrgang
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
In this issue:
Flugsicherheit
written by LtCol Paul Sutherland, German Armed Forces Flight Safety Directorate
„Learning the hard way“, Oberstleutnant (Lt Col) Heribert Mennen, Bundeswehr Flight Safety Center
The deadly history of aviation accidents in the VFR, low-level, high-speed military flight regime teach us that the axiom “See and
Be Seen” alone cannot be trusted to guarantee flight safety. The demands of the high-speed, low-level flight environment can
often overwhelm an aircrews’ perception and reaction skills. Additional technology and avionic aids, from the ground or onboard,
can be used to improve flight safety. An F-104 case study from 1970.
Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände
“A Safety-Pin provides safety ... until it is removed!” (Ein Sicherungsstift gibt Sicherheit...), Hauptmann Uwe König
While performing routine maintenance, a young mechanic removes a landing-gear safety-pin because it is painfully poking him
in the back. As the work progresses and hydraulic power is about to be applied, an experienced and alert supervisor notices the
missing safety-pin and intervenes before the gear retracts and crushes the young mechanic. A lesson in common-sense basics, and
sticking to the work cards!
Titelfoto: Guido Sonnenberg
Bildbearbeitung www.schaltwerk.de
„Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung
für fliegende Verbände der Bundeswehr
Herausgeber:
Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr
Redaktion:
Hauptmann Klemens Löb,
Tel.: 02203- 9083124
Luftwaffenkaserne 501/07
Postfach 906110
51127 Köln
[email protected]
[email protected]
Gestaltung:
Hauptmann Klemens Löb
GenFlSichhBw
Erscheinen:
dreimonatlich
Manuskripteinsendungen
sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt
die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers
dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden
sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind
daher möglich und erwünscht.
Druck:
Heimbüchel & Köllen corporate publishing GbR
10117 Berlin
International Military Flight Safety Conference in India, October 2009 („Indien”), Oberstleutnant (Lt Col) Jörg Behnke,
Bundeswehr Flight Safety Center
Editorial 1
Learning the hard way ...
2
Ein Sicherheitsstift gibt Sicherheit
6
Das schwierige Thema „Maßnahmen“
7
Bravo - gut gemacht!
9
Internationale Flight Safety Conference Indien
10
Fachtagung Flugsicherheit 2009
11
Sycamore
12
Hauptmann M.
19
Who‘s in charge?
22
Sprechen Sie mit mir?
28
Nachtrag Gesamtrettungssysteme
31
Personalien
32
In this issue ...
33
“Preventive Measures” (“Maßnahmen ...”), Oberstleutnant (Lt Col) Jörg Behnke, Bundeswehr Flight Safety Center
The very first page of the governing regulation clearly requires: “The primary Flight Safety duty is to undertake all necessary
measures to prevent aircraft accidents and incidents.” In reality, however, “incident” recommendations and preventive measures
rarely receive the same scrutiny as those of major accidents. Investing more diligent effort in incident investigation and preventive
recommendations could boost our safety culture immensely.
“Well Done!”, (“Bravo – gut gemacht!“), Sergeant Manuel Almoslöchner
An attentive Sergeant, performing a 50-hour inspection on the engine of Bo-105 helicopter, notices a flaw on an adjacent steering
component of the aircraft (even though it was not a part of the engine‘s periodic Tech-Order inspection). His further investigation
of that flaw uncovers an even more dangerously developing mechanical discrepancy that could have led to potentially catastrophic
consequences. Diligence, initiative and a conscientious attitude lead to prevention.
“German Armed Forces Flight Safety Conference”, (“Fachtagung Flugsicherheit“), Mr. Piotter and Lt Col Schewe (retired)
Two civilian flight safety representatives of „Cockpit“, the union of professional pilots in Germany, attended the German Armed
Forces Annual Flight Safety Conference in September, 2009. They presented briefings and exchanged valuable experiences and
lessons-learned with their military counterparts. They share their assessment of the value of the conference.
„The Sycamore“, („Die Sycamore”), Karl-Heinz Weiss, Chief Master Sergeant (retired)
The history of the Search-and-Rescue (SAR) mission in the German Air Force and Navy begins with the venerable Bristol 171 Mk-52
“Sycamore” helicopter. From its first successful rescue in August of 1959, until its retirement in May 1969, the sturdy and reliable
Sycamore conducted over 2500 SAR operations.
“Captain M.: The quite different FOD story...”, Oberstleutnant (Lt Col) Jörg Behnke, Bundeswehr Flight Safety Center
An East German pilot unwittingly brings a little guest along with him into the cockpit for a scramble alert launch. A test of the old
“Maintain aircraft control” principle ensues.
“Who’s in Charge?”, Karl-Heinz Weiss, Chief Master Sergeant (retired)
The answer: nobody was in charge of the Fiat G91 trainer jet as it flew into Austrian airspace and crashed on April 7th, 1971. The
pilot, canopy and ejection seat had already left the aircraft and returned to mother earth in the vicinity of Munich. But organizational leadership had also failed to take charge and provide adequate flying continuity to a pilot heavily over-burdened by far too
many additional duties and not enough hours in the day to maintain proficiency in all of them.
“You talking to me?” (“Sprechen Sie mit mir?“), Gibbs and Schmidt
Lack of communication (including required work documentation) between two maintenance shifts results in the crash of a commuter aircraft and the deaths of all onboard. Communication skills are a key CRM training objective, and communication errors
(such as „selective perception“ – when the receiver only hears/sees what he wants to hear/see based on his own needs, experience, motivations, etc...) can be deadly! Feedback is crucial to ensuring that the accurate meaning of the message has gotten
through as it was intended.
Flugsicherheit
Ausgabe 4 / 2009
Foto Guido Sonnenberg • Bildbearbeitung www.schaltwerk.eu
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Bundeswehr